I/22 - www.klangraum-kirche.de - Erzbistum Paderborn
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Liebe Musikfreunde, liebe Freunde der Kirchenmusik, © Erzbistum Paderborn mit der ersten von mir verantworteten Ausgabe der kirchenmusikalischen Mitteilungen möchte ich mich Ihnen vorstellen. Geboren 1977 in Bochum, studierte ich 1999-2005 an der Folkwang-Hochschule Essen Kirchenmusik, Orgel und Komposition. Danach war ich knapp 15 Jahre Organist an der Kunst-Station Sankt Peter in Köln. Dort habe ich mich in erster Linie mit zeitgenössischer Musik befasst. Zudem habe ich einige Konzerte und Festivals organisiert. So war es mir eine große Freude, direkt nach meinem Stellenantritt die erste Internationale Orgelwoche im Erzbistum Paderborn erleben zu dürfen, die von den hochkarätigen Interpreten Ben van Oosten, Léon Berben, Tomasz Adam Nowak und Olivier Latry gestaltet wurde. Zu dieser Orgelwoche habe ich einige Gedanken in einem ersten Blickpunkt beigesteuert. Mit einem zweiten Blickpunkt wendet sich Prof. Brenk dem langjährigen Wirken meines Vorgängers Prof. Paul Thissen zu, der im Spätsommer in den Ruhestand verabschiedet wurde. Seit 1987 war Prof. Thissen über 30 Jahre im Erzbistum Paderborn Ansprechpartner in allen kirchenmusikalischen Fragen und Koordinator der überpfarrlichen Arbeit der Dekanatskirchen- musiker. Ich wünsche Ihnen schöne Festtage und einen guten und musikalischen Start ins neue Jahr. Mit herzlichem Dank für Ihren Dienst und mit freundlichen Grüßen, Dominik Susteck Leiter des Fachbereichs Kirchenmusik
Im Blickpunkt I und II 2 Literaturhinweise 14 Berichte und Nachrichten 35 Orgeln 50 Termine 58 Weiterbildungsveranstaltungen 72 Anschriften 76 Ohrenöffner 79
Im Blickpunkt I neu interpretiert wird, wenn die junge Generation die Musik auf Im Blickpunkt ihre Weise versteht und zum Le- Danke für die erste ben erweckt. Sonst bleiben die Internationale Noten stumm, stehen im Archiv Orgelwoche oder im Regal. Musik muss im- mer wieder neu eingeübt und verstanden werden. So werden Dominik Susteck schwere Noten irgendwann leicht und frisch, werden Kompositio- Die 1. Internationale Orgelwoche nen, die teils hunderte Jahre alt im Erzbistum Paderborn hat be- sind, im gegenwärtigen Moment geistert: 11 Konzerte, 5 Kursta- lebendig und können von uns als ge, 4 Dozenten und Interpreten Hörern immer wieder neu erfah- von internationalem Rang, Olivier ren werden. Latry, Ben van Oosten, Leon Ber- Insofern kann Kultur nur leben ben und Tomasz Adam Nowak und überleben, wenn sie weiter- und ca. 50 Teilnehmer aus ganz gegeben wird, mehr noch, wenn Europa. sie in jedem Einzelnen, ob Hörer, Ein herzlicher Dank gilt ebenfalls Spieler oder Schöpfer, neu ent- den Initiatoren, die die Woche steht. geplant und begleitet haben, den Jeder Interpret muss die Musik DKM Johannes Krutmann aus quasi für sich verstehen, für sich Hamm, Harald Gokus aus Rheda zu einer Bedeutung bringen, und Ralf Borghoff aus Erwitte. ähnlich einem Schauspieler, der Ebenfalls danke ich dem nun einen Text nur dann verständlich emeritierten Prof. Dr. Paul This- sprechen kann, wenn er den Sinn sen, der sich im Vorfeld sehr für dahinter erfasst. die Orgelwoche eingesetzt hat, Und so bin ich dankbar über die sowie dem externen Partner Mi- Entwicklung von Kultur, wo neue chael Grüber. Auch Maximilian Ideen der Interpretation entste- Schnaus aus Berlin sei herzlich hen. Wenn man die letzten Jahr- für sein Zusatzkonzert innerhalb zehnte anschaut, sieht man diese der Orgelnacht in Hamm ge- Entwicklung beispielsweise im dankt. Aufkommen der historischen Musik kann nur leben, wenn sie 2
mentieren. Der Raum ist da, aber können wir Im Blickpunkt ihn füllen? Meinen persönlichen Zugang zur Orgel fand ich 1990 mit 13 Jah- ren während der Messe in meiner Heimatgemeinde St. Marien Bo- chum-Stiepel. Und so, denke ich, hat jeder Kursteilnehmer und In- terpret das faszinierende Instru- ment auf seine Weise kennenge- lernt, oft als Kind, sei es über die eindrucksvolle Musik oder die faszinierende Technik. Jeder hat viele hundert Stunden des Übens mit dem Instrument verbracht, um die Musik lebendig werden Orgel in Ostönnen © Dominik Susteck zu lassen. Leider geht das Interesse am In- und historisch-informierten strument Orgel bei jungen Leu- Aufführungspraxis, die sich ten einerseits zurück. Die Orgel- deutlich von der Interpretation woche hat andererseits gezeigt, der 50er und 60er Jahre des dass ein unglaubliches Engage- letzten Jahrhunderts unterschei- ment sowie eine hohe Spielkunst det. Oder in neuen Orgeln, neuen unter den jungen Organistinnen Registrierungen, immer auf der und Organisten besteht. Deshalb Suche, die Musik adäquat leben- habe ich keine Zweifel daran, dig werden zu lassen. Oder wenn dass wir diese Geistesbewegung neue, bisher nicht gehörte Im- der Erneuerung auch weiterhin in provisationen oder Kompositio- die Zukunft tragen. nen entstehen. Im Buch Jesaja heißt es: Gott macht alles neu. In Der Text bildete die Grundlage für dieser Atmosphäre, im Geist der die Einführung zum Konzert am Orgelwoche, entsteht Raum für 15.10.21 in Rheda. dieses Neue, für das Ausprobie- ren, Interpretieren und Experi- 3
Im Blickpunkt Internationale Orgelwoche, Kurs Berben, am 12.11.2021 in Erwitte, © Ralf Borghoff (v.l.): Msg. Bernhard Schröder, Dr. Annegret Meyer, Prof. Dr. Paul Thissen, Prof. Dr. Markus Brenk und Domorganist Tobias Aehlig. © Maria Aßhauer/Erzbistum Paderborn 4
Im Blickpunkt II theatralisch äußerlich und in höchstem Maße unverständlich Im Blickpunkt sei. Es brächte nichts Inneres Zur Verabschiedung von mehr in Bewegung, hätte nicht Prof. Dr. Paul Thissen einmal konfrontativ zu tun mit dem eigenen Leben, es müsse Mittwoch, 7.7.21, schleunigst ersetzt, neu erfun- Hoher Dom zu Paderborn den, neu konstruiert werden. In einem Artikel einer Ausgabe Prof. Dr. Markus Brenk der Zeitschrift „Magazin für Theologie und Ästhetik“ aus dem Liebe anlässlich der Verabschie- Jahre 2001, also vor etwa 20 Jah- dung von Prof. Dr. Paul Thissen ren, heißt es zum Verhältnis versammelte Gemeinde hier im Neuer geistlicher Musik und Li- Hohen Dom zu Paderborn, lieber turgie: Paul, „ʻGeistliche Musik stellt sich auf- je nachdem, mit welcher Grup- grund der geschichtlichen Ent- pierung man in unserer derzeit wicklung als in jeder Hinsicht stark polarisierten Kirche zu tun völlig unabhängig von der Litur- hat, so hört man von einer Seite, gie dar, sie ist der Liturgie ent- dass durch die Liturgie und die wachsen. Es wäre falsch und ihr zugeordnete Musik, die man auch vergeblich, sie zurückholen sich für sich selbst oft außerhalb zu wollen. Nicht eine Integration des Angebotes vor Ort ausge- zeitgenössischer Kunst in die al- sucht hat, in unvergleichlicher ten liturgischen Rituale wäre ge- Weise tiefer in das Geheimnis fordert (oder gar die Produktion des Glaubens eingeführt wird neuer Kunstwerke für liturgische und dass jene innere Berührung Zwecke), sondern eine Neudefi- stattfindet, die über das be- nition der Zeichen und der grenzte Menschsein hinaus in die Grundformen der Liturgie aus Weite des Himmels führt. Von den Erfahrungen heraus, welche anderer Seite heißt es, dass das, die radikale Kunst unseres Jahr- ‚was sich dort vorne abspieltʻ, so hunderts mit Zeichen und Form häufig die entsprechende For- gemacht hat. Man möchte die mulierung, kalt lasse, lediglich heutige Situation als 'postlitur- 5
gisch' bezeichnen, in dem Sinn, Nr. 3, Anm. Brenk) von Dieter dass unsre Zeit eine Alternative Schnebel. Im Blickpunkt zu der umfassend entfalteten, Vor 20 Jahren bemerkte der ehe- strahlend klaren alten Liturgie malige Landeskirchenrat von Kur- braucht: etwas Dunkles, Frag- hessen-Waldeck Klaus Röhring, mentarisches, Offenes. Die Li- Experte für Neue geistliche Musik turgie kann nur aus so etwas wie und Liturgie, zu dieser Frage: einem neuen Katakombenbe- „Doch könnte es nicht auch ganz wusstsein wiedergeboren wer- anders sein? Lebt die Liturgie des den.ʻ“1 christlichen Gottesdienstes nicht In dieser Perspektive, man merkt eben von dieser Spannung der al- sogleich, dass sie nicht der tra- ten Rituale und der Neuen Musik, dierten katholischen Perspektive und der aus ihr entwachsenen auf Liturgie folgt, sondern pro- geistlichen Musik? Existiert sie testantisch gerahmt ist, sind die nicht aus dieser Spannung von alten Rituale zwar "strahlend Tradition und Gegenwart, von klar", aber nur noch „historisch“, Festgefügtem und Offenem? Will „ästhetisch“, ein „Sediment der sie nicht gerade diese immer wie- Geschichte“ und „vergangen“.2 der neu zum Ausdruck bringen, „Sie sind aufgehoben im Sinn nicht um sie nur zu reproduzie- von aufbewahrt und beseitigt, ren oder jeweils neu zu produzie- nicht im dritten Sinn dieses ren, sondern um sie jeweils neu Wortes, wie Hegel es dachte, auf zu redigieren (…)? Ist sie nicht ei- eine andere Stufe gehoben und gentlich erst in diesem Sinn ein somit neu gültig.“3 „‚Postlitur- ‚Spannungsfeldʻ? Wird sie nicht gischʻ sei unsere Situation, der- darum und deswegen immer wie- jenigen in den Katakomben ver- der-holt?“5 gleichbar. Die ‚Übung der Das war vor 20 Jahren, wo stehen schweigenden Meditationʻ wäre wir heute? Ist dies auch gegen- als Alternative uns angemes- wärtig Ausdruck eines „elitären sen,“4 so schrieb jedenfalls Hans Diskurses“, wie man oft hört, Zender im Zusammenhang mit wenn etwas - auch in der Kirche einer Diskussion über den mög- - nicht einfach mit unproblemati- lichen Ort der „Missa brevis“ (es schem Konsumieren, nicht mit handelt sich um die Missa brevis Wellness, sondern mit Anspruch, 6
Überwindung, mit (Ver-)Antwor- lungs- und Appellationselemente ten, vielleicht sogar auch mit eine große Rolle. Diese Verbin- Im Blickpunkt Entäußerung verbunden ist? Dies dung von Musikpraxis und theo- sind bekannte Insignien des logisch inspirierter Reflexion über geistlichen Wachstums und es Musik ist nicht nur in einem be- sind beinahe soteriologische Ka- sonderen Maße musikalisch, son- tegorien, die hier angesprochen dern auch allgemein bildend und werden. Aber sind sie in diesem erziehend. Sie ist unter dem As- Kontext, über den ich hier spre- pekt der Pastoral von hoher spiri- che, passend? tueller Bedeutung. Im Verbund Ich kann all diese Diskrepanzen mit den verschiedenen Ebenen nicht theologisch auflösen oder der religiösen und liturgischen transformieren, dazu fehlt mir Bildung in der Domsingschule die entsprechende Kompetenz birgt sie ein hohes identitätsstif- und Zuständigkeit. Aber ich tendes Potential.“6 möchte in dieser Ansprache als In dieser Spur, die damals gelegt Bildungswissenschaftler und wurde und m.E. als pädagogisch- Musikpädagoge, der auch die theoretische Vorgabe sehr ernst religiöse Entwicklungsdimension genommen werden sollte, kann einzuschließen sucht, einen um- ich hier kaum etwas anderes tun fassenderen Kontext in den Blick als ein Plädoyer für einen institu- nehmen und eine Fundstelle aus tionell umfassenderen Bildungs- einem Statement anführen, das anspruch formulieren, so ungele- im Zusammenhang mit dem gen er auch kommen mag: Mir Aufbau der neu zu errichtenden scheint seit langer Zeit, dass Äs- Domsingschule Paderborn im thetische Bildung, die im Rahmen Jahre 2017 erarbeitet wurde. allgemeiner Bildung dezidiert re- Hier heißt es mit Bezug auf Bil- ligiöse Bildung, d. h. auch liturgi- dungsprozesse im Bereich der sche Bildung einschließt, hier eine Kirchenmusik: „Da Kirchenmu- Rolle zu spielen hat, sofern man sik, wie alle Kunstformen, immer die grundlegenden pädagogi- Bezug zur Glaubenslehre und schen Ziele, die z. B. in der Kon- zum Glaubensleben hat, spielen zilsschrift „Gravissimum Educati- exegetische Auslegungen musi- onis“ als Synthese von Glaube kalischer Ausdrucks-, Darstel- und Leben sowie von Glaube und 7
Kultur im Rahmen des „progetto gier und Aufgeschlossenheit, Be- educativo“ gefasst wurde, weiter reitschaft zum Aufbrechen er- Im Blickpunkt verfolgen möchte. starrter Muster der Wahrneh- Ästhetische Bildung wäre in die- mung, Reflexion und ästhetische ser Perspektive kein Ersatz für Erfahrung verbinden wollen, Ge- religiöse Bildung, sondern ein genstände auch nichtinstrumen- Aufgabenfeld, welches die Vor- tell betrachten, Glaubensinhalte aussetzungen herzustellen ver- und Glaubensausdruck in Bil- sucht, dass künstlerisch inkar- dern, auch musikalischen Bil- nierte Theologie und dern, aufnehmen wollen. Inso- Glaubensaussagen besser ver- fern lässt sich ästhetische standen werden könnten, auch Erfahrung als „Erfahrung über- dass sie besser ans Gemüt drin- haupt“ fassen, als den Menschen gen können. Die Akte des Glau- grundlegend verwandelnde Er- bens als ein ergriffenes und zu fahrung. pflegendes göttliches Geschenk Es ginge damit erneut um Voka- können hier eine Mitwirkung, bularaufbau in einer Kampagne eine Hilfe erhalten, manchmal der nicht nur ästhetischen Al- auch eine Initialzündung, wie die phabetisierung, wie der Erzie- vielen Hinweise auf das Aufge- hungswissenschaftler Klaus Mol- schlossen werden durch künstle- lenhauer das Programm einer rische Gattungen, Werke und erneuerten Ästhetischen Erzie- Aussagen, was jeder von uns hung vor etwa 30 Jahren formu- vielleicht schon einmal mitbe- lierte,7 um die Erschließung von kommen oder auch selbst zum Öffnungsmöglichkeiten zu dem, Lobpreis verwendet hat, zeigen was über das Diesseitige, der oder die zum Glauben gekom- Welt Immanente hinaus geht. menen Menschen erzählen. Dazu kann nicht nur ästhetisch Es handelt sich um ein an- Neuartiges, Explorierendes, son- spruchsvolles Programm, das auf dern auch Altes neu besehen, mehreren Ebenen angesiedelt ist, behört und bedacht werden, um um eine in den Menschen hinein dessen spirituelle Kraft mittels greifende Kraft zu entfalten, die Wahrnehmung und Erfahrung in einer Haltung münden kann: wirksam werden zu lassen. Wie Dem Inneren Raum geben, Neu- viel von dem, was an lebendiger 8
Ur-Geformtheit im sog. gregori- „Missa Solemnis“ von Ludwig van anischen Choral steckt, kann die Beethoven in eindringlicher Wei- Im Blickpunkt Erschließung von melodischen se und sehr überzeugend auf- Alpha-, Beta- und weiteren Vari- zeigt. Auch dieser als nicht mehr anten der auf ihn folgenden mu- liturgisch gebunden betrachteten sikalischen Strukturen in der Musik sind zentrale Elemente des späteren Musikgeschichte wahr- Glaubens sehr minutiös einge- nehmbar werden lassen. So wäre schrieben. Sie basieren auf einem auch mein Blickwinkel im Hin- vielschichtigen Vokabularium, so blick auf die eingangs aufgewor- z.B. die große Fuge zum Text- fene Frage nach scheinbar Veral- ausschnitt „et vitam venturi sae- tetem und stets neu zu culi“ als auf das ewige Leben, auf Produzierendem ausgerichtet. das „Leben in der kommenden Ich möchte deshalb zur Vorsicht Welt“10 hinweisende Form bzw. vor Vereinseitigungen warnen, Satzstruktur. Es handelt sich vor allem dann, wenn nicht mehr hier, folgt man den profunden auf Bildung, auf ihr Potential zur und detaillierten Deutungen Ass- Erschließung, warum auch im- manns, um ein tönendes Doku- mer, gesetzt wird. ment der Geistes- und Glau- Wie Papst em. Benedikt XVI. und bensgeschichte, einschließlich vor ihm auch u.a. Romano Guar- der religiösen Institutionenge- dini in ihren Schriften über den schichte. „Geist der Liturgie“8 schreiben, Kultur und Kultus aber auch zu geht dies sinnvoll wohl kaum verstehen „im Wechselspiel der ohne einen Einbezug der liturgi- Künste“11 scheint mir ein zentra- schen Bildung und Exegese bzw. ler Weg zum Verstehen und zur Katechese. Ästhetische, liturgi- Ausgestaltung liturgischer For- sche und katechetische Bildung men zu sein. Ich verweise hier sollten, so deren Anliegen, hier u.a. auf die Kunst-Station Köln, Hand in Hand gehen.9 Es kann deren langjähriger Leiter Domi- geistliche Musik auch für sich als nik Susteck die Nachfolge von Zugang, als Schlüssel gewählt Paul Thissen antritt, in bibliogra- werden, wie Jan Assmann in sei- phischer Perspektive auch auf nem Buch „Kult und Kunst“ aus den instruktiven Band von Mathi- dem Jahre 2020 am Beispiel der as Schilmöller mit dem Titel MU- 9
SIKKUNST aus dem Jahre 2016.12 Es geht sowohl um die den Men- Es gibt hier viele Wege, die uns schen geistig aufbauende Kraft Im Blickpunkt aufgezeigt werden.13 des Alten, das, wenn es etwas zu Die Frage der Zukunft wird wahr- sagen hat, neu zum Sprechen zu scheinlich sein: Auf welche Weise bringen ist, als auch die Kraft des kann Musik wieder zum geistigen Neuen, des Nachgeschaffenen und geistlichen Sprechen ge- und Neugeschaffenen! Mit Beiden bracht werden? Wie kann der in sind die göttlichen Attribute des ihr theologisch-glaubensgemäße Überraschenden, des Unerwarte- Horizont, der von kompositori- ten, auf die Papst Franziskus so scher bzw. improvisatorischer häufig zu sprechen kommt, und Seite mit dem Horizont von das bisweilen geistig und geist- Grunderfahrungen von Leben lich jeweils noch nicht Sehbare und dessen vielfältigen Aspekten nicht ohne inneren Zusammen- und Sphären zu einer Synthese hang verbunden. gebracht wird, in einem sinnli- Konsequenz aus Beidem wäre lo- chen Substrat, in Formen und gischerweise bisweilen dann Zeichen ästhetisch inkarniert, auch Zumutung, Anstrengung, (wieder) vernehmbar gemacht Arbeit des und mit und am Men- werden? Welches musikalische schen in pastoraler Nähe und in Vokabular kann artikuliert oder überschaubaren Strukturen! entwickelt werden, um Spiege- Wenn Menschen erfahren, dass lungen des ganzen Lebens, sich diese Mühe lohnt, dann „Trauer, Klage, ja Anklage, können sie auch über diese Wege Furcht, Hoffnung, Vertrauen, tiefer in das Mysterium Gottes Dankbarkeit, Freude“14 adäquat gelangen und ästhetisch adäqua- zum Ausdruck zu bringen? Aber te Inkarnationen auch abwägen so, und hier entfalten sich Krite- gegenüber den zu stellenden rien für das, was hier auszuwäh- Ansprüchen nicht gerecht wer- len oder zu gestalten wäre, dass dender Konsumware. Wenn ich Wahrhaftigkeit und versöhnend dies in der Zeit der Zusammen- rettende Tat zusammen erschei- arbeit mit Paul Thissen richtig nen: Man denke z. B. an die verstanden habe, dann war das zahlreichen Kyrie-Vertonungen stets sein tragendes Anliegen. in der Kirchenmusikgeschichte. Wir stimmten und stimmen darin 10
überein. Theorie, sondern auf der Basis Auf der seelsorglichen Ebene be- von Einsichten im Rahmen eines Im Blickpunkt trachtet, bedeutet das: Die musi- Projektes in der St. Marienkirche kalische Arbeit in der einzelnen in Detmold, das ich künstlerisch Gemeinde, nicht nur abgestimmt, leite, mit einer Arbeitsgruppe sondern vielmehr errungen mit wissenschaftlich dokumentiere den theologisch zu verantwort- und auswerte. enden liturgischen und pastora- Die Verknüpfung von stimmli- len Fragen, scheint mir unum- cher Kompetenzerweiterung im gänglich, um in der Nähe zu den Rahmen von Scholaarbeit, zu- Menschen jene Alphabetisierung sammen mit liturgischer, reflek- zu erreichen, um das Erkennen tierter Kontextuierung des musi- und Erleben der Zeichen im kalischen Tuns, dazu die Raum der Kirche erneut und auch Verbindung von Probenarbeit mit wieder mit relevanten Bedeutun- katechetischen und exegetischen gen zu füllen. Ich sage dies hier Hinweisen und Erläuterungen, nicht in der Ferne des analysie- soweit kann man das schon jetzt renden Bildungswissenschaftlers, sagen, führen zu bisher in dem sondern als ein katholischer dortigen Rahmen nicht gekann- Christ, der seit der Kindheit ne- ten Veränderungen in allen Di- ben einem Hauptberuf als Lehrer mensionen, die oben beschrie- und später Hochschullehrer im- ben wurden, einschließlich der mer kirchenmusikalisch prakti- liturgischen Haltung und Gestal- zierend tätig war und ist. tung der dort tätigen Priester Ich habe in meiner Berufsbiogra- und Laien. fie erst spät den Mut dazu ge- In welchen größeren Kontext wonnen, die Frage nach der all- könnte diese Arbeit gestellt gemeinen, rechten Bildung mit werden? Auch die Kirche könnte denen des praktizierten Glau- sich am Programm EMSA (Eine bens und der Kirchenmusik zu [Musik-]Schule für Alle), das mit verknüpfen. Z. Zt. untersuche ich dem europäischen Programm die Frage, inwiefern Kirche ein des Lebenslangen Lernens ver- Ort für musikbezogenes Lernen knüpft ist – wir haben an der sein kann. Ich bewege mich da- Hoch- bei nicht im Raum einer reinen 11
schule für Musik Detmold das In- weil die zuvor genannten Ver- stitut L3, dass sich diesen Aufga- hältnisse begründend, im Ver- Im Blickpunkt ben widmet – beteiligen, ohne hältnis zu Gott, den mehr und dass die eigenen Kontexte von mehr Menschen im Raum der Musiklernen und Musizieren auf- Kirche, so nehme ich es zumin- gegeben werden müssten, und dest wahr, häufig nur noch als zwar deshalb beteiligen, weil sie Erfüllungsgehilfen, als Kraft-, einen musikalischen Lernort par aber nicht Auftraggeber für ei- excellence bieten kann, verbunden gene Lebens-Projekte und für mit einer eigenen Zielperspektive. die Erreichung der eigenen Ziele Vielleicht ließe sich hier fruchtbar sehen. weiter in die Zukunft denken. Ich möchte schließen mit einer Schließlich möchte ich ein per- Passage aus dem Werk „Der Geist sönlich gefärbtes Votum abge- der Liturgie“ von Papst em. Bene- ben: Nach einer jahrzehntelangen dikt XVI, die die objektive, ratio- Phase, die man anthropozentri- nale Dimension in ihrer Bedeu- sche Wende nennen könnte, die tung unterstreicht: allerdings derzeit darin zu gip- „Der Heilige Geist ist es, der zu- feln scheint, dass nur noch die erst David und dann durch ihn Is- subjektive Seite von Allem und rael und die Kirche singen lehrt, Jenem, d.h. auch von liturgischen ja, das Singen ist als Übersteigen Formen und Elementen, Rang hat des gewöhnlichen Redens als sol- betrachtet zu werden, ungeachtet ches ein pneumatisches Ereignis. des einmal in ihre Gestalt hinein- Kirchenmusik entsteht als ‚Cha- gelegten Sinns, sollte eine Phase rismaʻ, als Geistesgabe: Sie ist die stärkerer ‚Objektzentriertheitʻ wahre ‚Glossolalieʻ, die neue, vom folgen. Mir scheint dies dringend Geist kommende ‚Zungeʻ. In ihr geboten. Denn in allem, wo nur vor allem ereignet sich die ‚nüch- der Wille, die Perspektive des terne Trunkenheitʻ des Glaubens – Menschen allein dominiert, haben Trunkenheit, weil alle Möglichkei- wir letztendlich ungedeihliche ten der bloßen Rationalität über- Verhältnisse: im Verhältnis zur schritten werden. Aber nüchtern Schöpfung, im Verhältnis des bleibt dieser ‚Rauschʻ, weil Chris- Menschen zum anderen Men- tus und der Geist zusammenge- schen und, ganz entscheidend, hören, weil diese trunkene Spra- 12
che doch ganz in der Zucht des vens Missa Solemnis als Gottesdienst. Logos bleibt, in einer neuen Rati- München 2020, S. 100. Im Blickpunkt onalität, die über alle Worte hin- 11) Mathias Schilmöller: MUSIKKUNST. Kul- aus dem einen Urwort dient, das tur verstehen im Wechselspiel der Künste. der Grund aller Vernunft ist“.15 Innsbruck u.a. 2016. 12) Vgl. FN 11. 1) Hans Zender: Happy New Ears. Das Abenteuer, Musik zu hören. Freiburg, Ba- 13) Vgl. zu den Wegen, Kirchenmusik, sel, Wien 1991, S.97, zit. nach: Klaus Glaubens- und Musikvermittlung zu ver- Röhring: Dieter Schnebels Missa brevis, in: binden, u. a. Meinrad Walter: Musikver- Magazin für Theologie und Ästhetik mittlung als Glaubensvermittlung. Per- 10/2001. Online-Version: https://www spektiven einer kirchenmusikalischen .theomag.de/10/kr1.htm. Aufruf vom Zukunftsaufgabe. In: Helmut Hoping, Ste- 2.7.2021. phan Wahle, Meinrad Walter (Hg.): Gottes- Klänge. Religion und Sprache in der Musik. 2) Zitate bei Klaus Röhrig: Dieter Schnebels Freiburg – Basel – Wien 2021, S. 181-208. Missa brevis, a.a.O. 14) Josef Ratzinger. Benedikt XVI.: Der 3) und 4) Röhrig, a.a.O. Geist der Liturgie. A.a.O., S.119. 5) Röhring, Dieter Schnebels Missa brevis, 15) A.a.O., S.121. a.a.O. 6) Hier zitiert aus einem Textbaustein „Dommusik“, der in die Leitbildkonstrukti- on der Domsingschule Paderborn einge- gangen ist. 7) Vgl. Klaus Mollenhauer, Ästhetische Bil- dung zwischen Kritik und Selbstgewissheit. In: Zeitschrift für Pädagogik 36 (1990) 4. Weilheim u.a. , S. 481-494. 8) S. Romano Guardini: Vom Geist der Li- turgie. Erstauflage: Freiburg 1918. Josef Ratzinger. Benedikt XVI.: Der Geist der Li- turgie. Eine Einführung. Freiburg u.a. 2000/2013. 9) Vgl. Josef Ratzinger, Benedikt XVI: Geist der Liturgie, a.a.O., S. 183f. 10) Jan Assmann: Kult und Kunst. Beetho- 13
Literaturhinweise den Problemen des Stimmens unter dem Lärm der nahegelege- nen Schiffswerft bis zur Kunst Roman des Tastenhaltens, die ein son- Literaturhinweise derbares Mädchen beherrscht. Maarten tʼHart - Deren aufbrausende Mutter wird Der Nachtstimmer. Roman. schnell zur zentralen Figur des 320 Seiten, Hardcover mit Buches. Wie von selbst entwickelt Schutzumschlag EAN sich eine komplizierte Liebesge- 978-3-492-07043-0 schichte. Das wird im Städtchen missgünstig beäugt. Pottjewijd Orgelstimmer seien nicht ge- wird anonym bedroht. Die Auflö- schätzt. Orgelmusik ebensowe- sung dieses Konflikts überrascht. nig, schreibt Autor Maarten tʼHart, gar undenkbar, dass je- Dominik Susteck mand ein Buch darüber schriebe. Das Gegenteil beweist er mit sei- nem in den späten 80er Jahren Noten spielenden Roman »Der Nacht- stimmer«. Er entführt den Leser a) Orgel in die heile Welt eines Hafen- städtchens, in die Provinz Süd- Naji Hakim: Variationen über holland, nach Maassluis. Prot- „Freu dich sehr, o meine Seele“ agonist Gabriel Pottjewijd nimmt für Orgel sich die berühmte Garrels-Orgel Schott ED 23510 14,50 € (1730-1732) der »Groote Kerk« zum Stimmen und Restaurieren Hakims Musik ist von vielen ver- vor. Der Kirchenrat der Nachbar- schiedenen kulturellen (vor allem kirche »Immanuelkerk« bittet ihn Musik aus dem Libanon) und re- zusätzlich an die Seifertorgel von ligiösen Quellen (Choräle, Hym- 1954. Bestechend ist der Bezug nen, Gregorianik) geprägt. Sein zu realem Ort und Orgelland- Kompositionsstil ist längst un- schaft. verkennbar, vor allem das rhyth- Liebevoll werden die Details des mische und tänzerische Element Orgelstimmens geschildert: von macht seine Musik immer wieder lebendig und mitreißend. Die 14
vorliegenden Variationen basie- spielerische Begleitung bilden. ren auf dem Choral „Freu dich In Variation VI, Andante, sehr, o meine Seele“. Das auf 12 schwankt die Melodie zwischen Notenseiten gedruckte gut 11- Dur- und Molltonarten mit syn- Literaturhinweise minütige Werk besteht aus sie- kopierten Akkorden in der linken ben Variationen, die facetten- Hand und einer pizzicato-Bass- reich die schöne Choralmelodie begleitung der Cantilena. bearbeiten und auch die vielfälti- In der abschließenden Variation gen Möglichkeiten einer Orgel VII, Presto, zeigt die linke Hand repräsentieren. das Thema in Blockakkorden. Die Variation I, Maestoso, präsentiert rechte Hand präsentiert eine das Thema in kanonischer Aus- überschwängliche Girlande aus prägung zwischen Akkorden im Sechzehntelnoten. Manual und dem Pedal. Die Variationen bewegen sich im Variation II, Allegro, ist in poly- mittleren Schwierigkeitsgrad. phone Linien eingekleidet, die an Bachs Choräle aus dem „Orgel- Sebastian Freitag büchlein“ erinnern. Variation III, Vivace, ist ein spie- Johann Anton Kobrich: Missa in lerisches Bicinium, das den Can- G für Bass-Solo und Orgel tus firmus in der Sopranstimme Butz Verlag BU 3029 darstellt. 12 € (2 Exemplare je 10 €) Variation IV, Adagio, Der Choral wird mit einer 4ʻ Solostimme im Die Corona-Zeit brachte viele Pedal gespielt. Reichhaltig ge- Neueditionen in dem Genre „So- würzte Harmonien kommen ak- logesang mit Instrumenten und/ kordisch im Manual dazu. oder Orgel“ mit sich. Es ist je- In den folgenden drei Variationen doch zu beobachten, dass sich rückt zunehmend das rhythmi- die Gesangsstimme im Allgemei- sche und tänzerische Element in nen auf eine Sopran- und/oder den Vordergrund. Altstimme beschränkt. Variation V, Vivace, präsentiert Bereits zu Beginn des Jahres ist den Choral in detaché-Noten in im Butz-Verlag von Johann An- der linken Hand, während die ton Kobrich eine Missa in B für rechte Hand und das Pedal eine hohe Stimme und Orgel erschie- 15
nen. Der gleichen Sammlung ist min) sprüht vor süddeutsch-ba- die hier erstmalig edierte Messe rocker Leichtigkeit und Musizier- (Missa brevis) für Bass-Solo und freude. Orgel entnommen. Literaturhinweise Das originale Vorwort dieser Sebastian Freitag Sammlung besagt folgendes: „Musicalische Ehrenbietigkeit […] Dominik Susteck: Orgellaby- welche unter klingender Orgel rinth Are Verlag 2356 24 € nur von einer nothwendigen Spieldauer: 31 Min., 5 Sätze. Baßstimm […] und einem Violin ad libitum abzusingen seynd, auf Das Werk wurde anlässlich des jetzt gebräuchlich und leichteste 50. Orgeljubiläums von der So- Art, zum Nutz und Gebrauch de- phienkirche Berlin mit der Unter- ren auf dem Land sich befindli- stützung des Musikfonds e.V. in chen […]“. Kobrich (1714-1791) Auftrag gegeben und im Dezem- war Kirchenmusiker in Landsberg ber 2020 von Maximilian am Lech und komponierte, so Schnaus uraufgeführt. Die 5 Sät- wie es zu jener Zeit in Süd- ze haben einen recht unter- deutschland üblich war, vor al- schiedlichen Charakter. Der erste lem für die liturgische Praxis und Satz „Spiegelkabinett“ lebt von die Kirchenchöre auf dem Land. den beiden gegensätzlichen Ma- Dementsprechend einfach ist das nualen der Orgel, die wie Spiegel Bass-Solo (G-dʻ), das durchaus einander gegenübergestellt wer- auch als Tutti-Bass mit Herren- den. Als weitere Ebene tritt das stimmen besetzt werden kann, Pedal echoartig hervor. „Der Ru- zu musizieren. Die Orgelbeglei- fer“ nutzt das Register Trompete, tung beschränkt sich auf den das sich immer weiter in ein Ru- manualiter gespielten General- fintervall hineinsteigert. „Runner“ bass. Die beigefügte ad libitum besteht aus Repetitionen, das Violinstimme sowie eine aus dem „Schwarze Loch“ saugt mit lie- Generalbass gewonnene Cello- genden Clustern jegliche Melodik stimme, können bei Bedarf das i- und Harmonik auf. Im letzten Tüpfelchen bei einer Aufführung Satz erklingt nicht nur die Orgel, sein. sondern auch ein angestrichenes Diese Messkomposition (ca. 4 Weinglas auf dem 3-gestriche- 16
nen cis: „in vino veritas“ als offe- in den Bereich von Pop und Jazz nes Ende. (DS.) (Chilcott) und zu zeitgenössi- schen Klängen - und letztendlich zu neuen Aufbrüchen der Avant- Literaturhinweise b) Messvertonungen für ein bis drei gleiche Stimmen garde (Susteck). Bereits in der vorigen Ausgabe Dass pragmatische Erfordernisse der „Kirchenmusikalischen Mit- nicht unbedingt eine Reduzie- teilungen im Erzbistum Pader- rung musikalischer Mittel oder born“ stellten wir einige Werke gar qualitative Einbußen bedeu- dieses Werktypus vor. Nun soll ten müssen, zeigen bereits frühe hiermit eine weitere Auswahl von Beispiele der orgelbegleiteten Kompositionen aus den verschie- Continuo-Messe, exemplarischer densten Epochen die Vielfalt der noch die Kleinen Geistlichen Vertonungsweisen darstellen. Sie Konzerte von Heinrich Schütz reicht von schlichter Mehrstim- auf. Ohne Zweifel ist unter den migkeit im Wechsel mit Gregori- aufgeführten Werken nicht alles anik über Solomessen mit kon- Gold, was den Titel Missa trägt, zertierender Orgel (Paluselli, dennoch werden interessante Roškovký, Kobrich), simplen und qualitativ höherwertige Ent- Landmessen für einfachste Ver- deckungen vor allem im Bereich hältnisse und mit schlichten mu- der Moderne möglich sein - und sikalischen Mitteln, gefolgt vom unter den gegebenen Umständen klanglich reichhaltigeren roman- darf man sicher auch guten Ge- tischen Repertoire (Delibes, Gou- wissens bisweilen ganz pragma- nod, Neukomm u. a.) nebst oft tisch in klangliche Wohlfühlhar- epigonaler musikalischer Ansätze monien und schöne Linien rund um den Cäcilianismus eintauchen, vor allem dann, (gleichwohl mit pragmatischen wenn man das Erklingen von Vo- Ergebnissen), interessanten kalmusik auch unter den einge- (Schuhenn, Raml, Blitsch u.v.a.) schränktesten Bedingungen als oder weniger originellen Ge- etwas sehr Besonderes und Kost- brauchskompositionen bis hin zu bares erleben durfte, wie es in neuen Klängen und Rhythmen der Zeit der pandemiebedingten (Halmos, Swider u. a.), Ausflügen Einschränkungen erforderlich war. 17
Wenn sich die Chorszene in Zu- 18. JAHRHUNDERT: kunft verändern sollte, wovon Antonio Lotti (1667 - 1740): Literaturhinweise aus mehreren soziokulturellen Gründen auszugehen ist, wird Missa a tre voci A-Dur für drei dies auch besetzungsmäßige gleiche Stimmen (TTB) a cappella Konsequenzen für viele Chöre www.cpdl.org (cpdl #27530) haben. Selbst in kleiner Beset- zung können aber sowohl einfa- Valentin Rathgeber (1682 - che, chorische Praxis mit be- 1750): scheidenen Voraussetzungen als Missa brevis in F für Sopran, Alt auch anspruchsvolle Chorarbeit und Orgel mit Aufbrüchen zu neuen Klän- Jubilate Verlag Eichstätt gen und Ausdrucksformen mög- lich sein. Chorische Vierstimmig- Claudio Casciolini (1697 - keit wird zwar musikalisch oft als 1760): unverzichtbare Mindestbeset- Missa tertia für drei gleiche zung betrachtet, muss vielleicht Stimmen a cappella aber keine conditio sine qua non Carus Verlag oder sein - oder zwangsläufig bleiben. Kirchenmusikreferat der Diözese Linz Johannes Krutmann Bartholomeo Cordans (um 1700 - 1757): Messe in C für zwei gleiche Stimmen (oder vier gemischte Stimmen) und Orgel Butz Verlag Johann Ernst Eberlin (1702 - 1762): Messa di San Giuseppe für Sopran und Orgel (Bass, zwei Violinen und Streichbass ad libitum) Carus Verlag 18
Johann Anton Kobrich (1714 - 19. JAHRHUNDERT: 1791): Missa in B op. 18 Nr. 6 für hohe Sigismund Ritter von Literaturhinweise Stimme und Orgel (Violine ad Neukomm (1778 - 1858): libitum) Messe a deux voix egales für zwei gleiche Stimmen und Orgel Bereits in der vorigen Ausgabe Stretta Verlag besprochen wurde die Missa in G op.18 Nr. 5 für Solo-Bass und Charles Gounod (1818 - 1893): Orgel (Violine, Violoncello ad Missa brevis bearbeitet für libitum) von J. A. Kobrich Oberstimmenchor (SSA) und Butz Verlag Orgel Butz Verlag P. Diaconus Zänkl (1719 - 1783): Missa brevis Nr. 7 C-Dur Missa solemnis in C für zwei bearbeitet für Oberstimmenchor Soprane, und konzertierende und Orgel Orgel, Butz Verlag Butz Verlag P. Pantaleon Jozef Roškovský Messe à deux voix égales et OFM (1734 - 1789): orgue für zwei gleiche Stimmen Missa solemnis in C für Sopran und Orgel und konzertierende Orgel www.imslp.org Sonat Verlag Berlin Jacques-Nicolas Lemmens Stefan Paluselli (1748 - 1805): (1823 - 1881): Missa in C für zwei Messe F-Dur für zwei Soprane Oberstimmen (SMz) und und Orgel konzertierende Orgel Stretta Verlag Butz Verlag Joseph Franck (1825 - 1891): Anonymus (um 1795): Messe Facile op. 191 Missa solemnis in D für S, MzS für zwei gleiche Stimmen und und konzertierende Orgel Orgel Jubilate Verlag Eichstätt Butz Verlag 19
Auguste Durand (1830 - 1909): Michael Haller (1840 - 1915): Messe a deux voix egales op. Missa tertia op. 7 a für zwei 82 für zwei Stimmen und Orgel gleiche Stimmen und Orgel Literaturhinweise erhältlich über das Schott Verlag oder Kirchenmusikreferat der Diözese www.imslp.org Linz Luigi Bottazzo (1845 - 1924): Léo Delibes (1836 - 1891): Missa in honorem Sanctae Messe brève für zwei- bis Luciae op. 180 für zwei gleiche dreistimmigen Oberstimmenchor Stimmen und Orgel (SA) und Orgel erhältlich über das Carus Verlag Kirchenmusikreferat der Diözese Linz oder www.imslp.org, Guy Joseph Ropartz (1864 - für SABar bearbeitet im Butz- 1955): Verlag Messe brève en lʼhonneur de Sainte Anne für drei gleiche Missa Pastoralis op.198 Stimmen und Orgel für zwei gleiche Stimmen und Verlag Durand Orgel www.Imslp.org Georg Rathgeber (1869 - 1949): Missa in honorem St. Agathae John Baptist Singenberger op.6 (1848 - 1924): für zwei gleiche Stimmen und Missa in honorem Sanctae Orgel Ritae für Sopran, Alt und Orgel Butz Verlag erhältlich über das Kirchenmusikreferat der Diözese CÄCILIANISMUS UND Linz oder www.imslp.org HISTORISMUS: Peter Griesbacher (1864 - Carl Jaspers (1835 - 1882): 1933): Missa quarta in honorem St. Missa in honorem S. Ignatii de Caeciliae op. 9 für Sopran, Alt Loyola op. 93 für dreistimmigen und Orgel Oberstimmenchor (SSA) und Carus Verlag Orgel, Carus Verlag 20
Missa in honorem S. Gregorii Missa in honorem beati op. 90 für zweistimmigen Chor Ambrosii für zwei gleiche (MzS, Bar) und Orgel Stimmen und Orgel Literaturhinweise Carus Verlag www.imslp.org Richard Runciman Terry (1865 Vinzenz Goller (1873 - 1933): - 1938): Missa pro defunctis für Missa brevis in C, Fassung für zweistimmigen Chor (Alt, Bass) Oberstimmenchor (SA) und Orgel und Orgel Butz Verlag Carus Verlag Josef Renner (1868 - 1934): EINSTIMMIGE MESSEN 19./20. Missa in honorem St. Petri JAHRHUNDERT: Apostoli op. 2 für zwei Frauenstimmen und Schlichte, oft epigonale und Orgel, B-Note Musikverlag musikalisch uninspirierte Faktur für einfachste Möglichkeiten und Georg Martin Alt (1870 - 1928): Voraussetzungen, im 20. Missa in honorem St. Antonii Jahrhundert meist im Kontext der de Padua op. 14 liturgischen Erneuerung für zweistimmigen Oberstimmenchor und Orgel Robert Führer (1807 - 1861): Carus Verlag Einstimmige Messe F-Dur op. 171 für Singstimme und Orgel Lorenzo Perosi (1872 - 1956): Verlag B-Note Messa Davidica für drei Männerstimmen (TBarB Chor und Karl Kempter (1819 - 1871): Soli) und Orgel Einstimmige Messe G-Dur op. www.imslp.org 80 für Sopran und Orgel Missa a tre voci dʻuomo für drei Verlag B-Note Männerstimmen und Orgel www.imslp.org Alois Edenhofer (1820 - 1896): Messe in F für Singstimme und Orgel Butz Verlag 21
Franz Schöpf (1836 - 1915): Alajos Werner (1905 - 1978): Einstimmige Messe op. 65 Nr. 1 Einstimmige Messe für für Singstimme und Orgel einstimmigen Chor und Orgel Literaturhinweise Verlag B-Note „Musica sacra; Werner, Acs, Liszt“, Ungarische Carl Seyler (um 1840): zeitgenössische Musik, Kleine Messe für Singstimme Carus Verlag 97.513/00 (einstimmigen Chor) und Orgel Verlag B-Note Heino Schubert (1928 - 2018): Missa „Unanimi voce“ für Josef Güttler (1841 - 1912): Vorsänger und Schola Einstimmige Messe op. 97 für (Gemeinde) und Orgel einstimmigen Chor und Orgel Carus Verlag Verlag B-Note Lothar Graap (*1933): Joseph Stein (1845 - 1915): Missa brevis (nur Kyrie und Kurze und sehr leichte Messe Gloria) für Schola und Orgel op. 39 für mittlere Singstimme Are Verlag Köln und Orgel Butz Verlag Hans Rudolf Johner (*1934): Einstimmige deutsche Peter Griesbacher (1864 - Ordinariumsmesse 1933): für Vorsänger, einstimmigen Missa „Rosa mystica“ op. 124 Chor (Gemeinde) und Orgel für einstimmigen Chor (mit Carus Verlag Halbchor, Ober- und Unterstimmen Teilungen) und Rolf Schweizer (1936 - 2016): Orgel Ordinarium für einstimmigen Verlag B-Note Chor und Orgel in „Gesänge für den Vinzenz Goller (1873 - 1933): Gottesdienst“, Carus Verlag Missa Cantata op. 62 für zusammen mit Ewald Weiss einstimmigen Chor und Orgel (1906 - 1998): Carus Verlag Ordinarium für einstimmigen Chor und Orgel 22
und Klaus von Loeffelholz Paul Franz Coenen (1908 - (1923 - 1977): 1995): Ordinarium für einstimmigen Missa Mariana op. 189 für Literaturhinweise Chor und Orgel Sopran, Klarinette und Orgel Carus Verlag 27.010/00 Eres Edition (hsl. Facsimilie), Lilienthal/Bremen Jozsef Acs (*1948): Einstimmige Messe für hohe László Halmos (1909 - 1997): Singstimmen (Sopran oder Tenor) Missa in honorem S. Benedicti und Orgel Es-Dur für einstimmigen Chor „Musica sacra; Werner, Acs, und Orgel Liszt“, Ungarische Carus Verlag zeitgenössische Musik, Carus Verlag 97.513/00 Missa in honorem S. Elisabeth e- Moll für einstimmigen Chor und Orgel SOLO / EINSTIMMIGER CHOR Carus Verlag UND ORGEL Jozef Swider (1930 - 2014): 20. Jahrhundert: Messa di Gioia für mittlere Singstimme (Solo oder Chor) und Jean Langlais (1907 - 1991): Klavier, Carus Verlag Missa in simplicitate farbig, abwechslungsreich, für eine Singstimme oder anspruchsvoll, hochwertige einstimmigen Chor und Orgel zeitgenössische Komposition oder Harmonium Editiones musicales de Ja Schola Daniel Roth (*1942): cantorum Missa beuronensis für Choralschola und Orgel Maurice Duruflé (1902 - 1986): Butz Verlag Missa cum jubilo op. 11 für einstimmigen Männerchor, Robert Jones (*1945): Bariton solo und Orgel Missa brevis in C für mittlere Editions Durand DF 14011 Singstimme und Orgel Butz Verlag 23
Anton Reinthaler (*1950): Orgel Missa una voce für Sopran und Edition Musica Rinata (Sonat Orgel (Ausgaben auch mittlere Verlag) Literaturhinweise oder tiefe Stimme) erhältlich über das Reiner Schuhenn (*1962): Kirchenmusikreferat der Diözese Missa per una voce für hohe Linz Singstimme(n) und Orgel Strube Verlag München Axel Ruoff (*1957): Messe basse für Sopran und Johannes Matthias Michel Orgel (*1962): Strube Verlag Berlin Missa Corona für Sopran und anspruchsvoll in beiden Parts, Orgel zeitgenössisch modern Strube Verlag München Christian Pfarr (*1959): Franz Raml (*1964): Missa pastorale für Missa alla francese für einstimmigen Chor und Orgel Männerschola, Orgel und Are Verlag Köln Soloposaune Selbstverlag (Hassler Consort Missa Lucida für einstimmige Edition Nr. 10) Schola, Trompete und Orgel Are Verlag Köln Bernhard Blitsch (*1965): Messe für einstimmigen Missa Solaris für einstimmige Oberstimmenchor und Orgel Schola, Orgel, Soloinstrument Butz Verlag und Sprecher Are Verlag Köln Sebastian Ostmeyer (*1985): Missa brevis Nr. 3 für Kantor, Missa Pentatonica für Schola und Orgel einstimmige Schola und Orgel Are Verlag Köln Are Verlag Köln Felix Bräuer (*1988): Günther Firlinger (*1961): Pastoralmesse D-Dur für Missa brevis für Sopran und einstimmigen Chor, Solo, 24
Soloinstrument (ad libitum), László Halmos (1909 - 1997): Klavier oder Orgel Missa e sole d-Moll für Selbstverlag zweistimmigen Chor und Orgel Literaturhinweise Carus Verlag Missa brevis Nr. 10 für mittlere Singstimme (oder Schola) und Missa in honorem S. Norberti Orgel D-Dur Selbstverlag für zweistimmigen Chor (gleiche Stimmen) und Orgel Missa harmonia in As Nr. 11 Carus Verlag für einstimmigen Chor und Klavier oder Orgel Missa in honorem S. Ladislai Selbstverlag für zwei gleiche Stimmen (oder vierstimmig gemischte Chor) und Missa in festis solemnibus Orgel (Festmesse in E-Dur Nr. 14) Carus Verlag für einstimmigen Chor, Solo und Orgel Missa de nativitate Domini für Selbstverlag dreistimmigen Oberstimmenchor und Orgel Missa simplex (Missa brevis Carus Verlag Nr. 15 in d) für Sopran solo, Querflöte und Orgel Missa Verna tempore paschali Selbstverlag für drei gleiche Stimmen a cappella Carus Verlag 20. JAHRHUNDERT (2 - 3 STIMMEN): Missa pro defunctis für drei gleiche Stimmen a cappella Maria Wiltrude Jungbauer Carus Verlag (1900 - 1982): Muttergottes Messe op. 57 für Lukas Haug (1921 - 1992): Chor (SA), Violine ad libitum und Missa Sancti Gerardi für Orgel dreistimmigen Chor (SST) und Carus Verlag Orgel, Carus Verlag 25
Helmut L. Straßel (1924 - Oberstimmenchor (SA) und 1996): Tasteninstrument Missa mundi, einstimmige Butz Verlag Literaturhinweise Gregorianik und drei gleiche Stimmen a cappella Bob Chilcott (*1955): Jubilate Verlag Eichstätt Peace Mass für zwei Soprane solo, zwei- bis Wolfram Menschick (1937 - dreistimmigen Oberstimmenchor 2010): und Orgel Missa „Pueri cantores“ für Oxford University Press Sopran, Alt, Bariton ad libitum und Orgel oder Bläser Max Ciolek (*1959): Jubilate Verlag Eichstätt Missa brevissima für Oberstimmenchor und Orgel Missa „De Angelis“ für drei Stretta Verlag gleiche Stimmen a cappella im Wechsel mit Gregorianik Lambert Kleesattel (*1959): Jubilate Verlag Eichstätt Messe in G für zwei gemischte Stimmen und Orgel Missa mundi für zwei gleiche Butz Verlag Stimmen a cappella im Wechsel mit Gregorianik Hans Leitner (*1961): Jubilate Verlag Eichstätt St. Hildegard Messe Fassung einstimmig mit Orgel Vierte Choralmesse für zwei Fassung für drei gleiche Stimmen gleiche Stimmen im Wechsel mit und Orgel Gregorianik Jubilate Verlag Eichstätt Jubilate Verlag Eichstätt Christopher Tambling (1964 - Missa enharmonica für drei 2015): Oberstimmen und Orgel Messe in A für Oberstimmenchor Jubilate Verlag Eichstätt (S, S II ad libitum) und Orgel (oder Streicher und Orgel) Robert Jones (*1945): Butz Verlag Missa brevis für 26
Missa brevis in G für Thomas Nüdling (*1976): Oberstimmenchor (S I, S II, A) Missa pro defunctis für und Orgel (Flöte ad libitum) Oberstimmenchor (SA) und Orgel Literaturhinweise Butz Verlag Butz Verlag Kurt Ison (*1965): Lukas Grimm (*1986): Missa brevis für Missa prima für zwei gleiche Oberstimmenchor (SA) und Orgel (oder gemischte) Stimmen und Butz Verlag Orgel Butz Verlag Christian Matthias Heiß (1967): Missa „Fidem cantemus“ für Felix Bräuer (*1988): zwei bis drei Oberstimmen und Missa „Laudate pueri“ für ein- Orgel bis zweistimmigen Chor, Alternativfassung für drei Gemeinde ad libitum, Klavier Männerstimmen und Orgel oder Orgel Jubilate Verlag Eichstätt Selbstverlag Missa pro pueris et puellis für Missa brevis solemnis della drei Oberstimmen und Orgel B.M.V. für zwei- bis Jubilate Verlag Eichstätt vierstimmigen Oberstimmenchor und Orgel Michael Porr (*1967): Selbstverlag Messe von der Gegenwart Gottes für Oberstimmenchor (S I AVANTGARDE: + II) und Klavier Butz Verlag Dominik Susteck (*1977): „Hören…Verstummen“ Andreas Unterguggenberger Messe basse für Sopran und (*1969): Orgel (Schlagzeug ad libitum) Deutsche Kinderchormesse für Are Verlag 2353 Oberstimmenchor (SA) und Tasteninstrument Die Messe verzichtet bewusst Butz Verlag auf die Verwendung außerliturgischer Texte. 27
Angesichts des weltweiten III. Das Sanctus ist in einem Terrors wählt die Messe ein additiven Rhythmus komponiert. „Verstummen“ als Demon- Vier Grundakkorde in hoher Literaturhinweise stration für den Frieden. Die Lage werden in immer neuen Stimmung des Zurückge- Zusammenstellungen, jedoch in haltenen beschreibt einen ihrer Ausbreitung streng imaginären Schweigemarsch, beibehalten. Strahlend fällt der erinnernd an die zahllosen von Schlagzeug und Pedal Toten von Gewalt und Terror. unterstützte B-Dur-Akkord heraus. Nach dreimaliger I. Die Einleitung im „Introitus“ Durchführung bilden sich im bedarf keiner besonderen Mittelteil Puzzleteile des Textform. Versteckt in die Anfangs, während die Stimme Konsonanten und Vokale ist der Bruchstücke tonaler Kadenzen Begriff „Introitus“, der am Ende aufgreift (e-moll und g-moll). erkennbar geflüstert wird. Der Nach einem dramatischen viertönige im Pianissimo Pedalsolo erscheinen erneut angestoßene Zentralakkord zwei komplette Durchführungen erklingt seiner Dauer nach in des Akkordmaterials. allen Möglichkeiten. Schlagzeug und Gesang schlagen unruhig IV. Das Agnus Dei ist eine nach. ruhige Musik, die sich in freier Notation ausbreitet. Anders als im „Introitus“ und „Kyrie“ wird II. Im Kyrie führt der Sopran, der zentrale Akkord gehalten. schwankend zwischen Tonale Fragmente in der dramatischem Agitato und Singstimme erinnern an nachsinnendem Adagio. Zwei Gregorianik. Das Arpeggio in eingeschobene Andante- der Orgel führt schließlich zum Passagen beruhigen den freien Glissando in der aufwühlenden Anfang. Das Singstimme. Immer wieder Tonmaterial bleibt auf wenige erscheint der Zentralton „a“. Zentralkombinationen Schließlich kehren sich die beschränkt. Verhältnisse um, die Orgel spielt die Melodie in einer 28
Akkordmixtur, während die Gabriel Fauré gelten. Der Stimme schließlich nur noch Bärenreiter-Verlag bringt die stimmlos in Pfeifen und Zischen kirchenmusikalischen Werke Literaturhinweise erscheint. Das „misterioso“ zum Faurés in einer Ausgabe von Ende greift auf den „Introitus“ Helga Schauerte-Mauboet 2021 zurück – mit leicht verändertem, erneut heraus. Dabei überzeugt etwas hellerem Tonmaterial in neben dem Druckbild auch die hoher Lage, in das die Musik Genauigkeit der Aufführungs- entschwindet. anweisungen. Ein kritischer Bericht liegt den Einzelausgaben (Werkkommentar) leider nicht bei. Sein „Cantique de Jean Racine“ komponierte Johannes Krutmann Fauré im Alter von 19 Jahren. Das Werk ist inspiriert von einem ambrosianischen Hymnus G. Fauré: Kirchenmusikalische („Consors paterni luminis“), der Werke in kleiner Besetzung von Jean Racine nachgedichtet (mit Orgel). Hrsg. von Helga worden ist. Zu Ehren des Schauerte-Maubouet. Dichters blieb der ursprüngliche Bärenreiter-Verlag 2021 Arbeitstitel, den Fauré dem Cantique gab, stehen. Dieser Cantique de Jean Racine, op.11 sagt aber nichts über den Inhalt für gemischten Chor und Orgel aus. Oft wird das Werk oder Klavier (3,95 €) und Messe zusammen mit dem Requiem Basse (N 163) für zwei Soprane aufgeführt, da sich schon im und Alt solo und 3-stg. Frühwerk die Tonsprache und Frauenchor (3,95 €) agogische Ruhe des späteren Requiems andeutet. Häufig sind es die kleineren Werke, in denen Komponisten Die „Messe basse“ Faurés hat schon in frühen Jahren eine lange Entstehungs- und Grundsteine für spätere Bearbeitungshistorie. großformatige Opera legen. Dies Komponiert wurde sie zunächst darf auch für „Cantique de Jean in Kooperation mit André Racine“ und „Messe basse“ von Messager. Fauré ersetzte im Jahr 29
1906 die Sätze Messagers durch hohes kompositorisches Niveau. eigene Kompositionen und Auf mich wirkt die Beschreibung veröffentlichte die „Messe des Verlages „Zauberhafte Literaturhinweise basse“ in der vorliegenden Form Kirchenmusik“, die im Jahr 1907. Geschrieben gewissermaßen das Motto dieser wurde die Messe für eine kleine Edition darstellt, zu sentimental; Besetzung, deren Stimmen- die Kompositionen Gabriel struktur größtenteils auf dem Faurés sprechen für sich selbst. Wechsel zwischen Solo- und Chorstimme basiert. Für einen Tobias Leschke dreistimmigen Frauenchor ohne Solisten ist die Messe meines c) Christliche Popularmusik Erachtens teils stimmlich ambitioniert, aber durchaus Neue geistliche Literatur für aufführbar. Nadia Boulanger Frauenchöre 2021, schreibt über das Werk: „Die 31 Chorsätze, 80 Seiten Messe basse ist mehr wert als Dehm-Verlag, 16,95 € eine kleine Zufallserwähnung in den biographischen Beschrei- „Dieses Chorbuch enthält ein bungen – sie scheint für attraktives Repertoire Nonnenchöre bestimmt zu sein, hochwertiger Chorsätze in einer denn sie ist weit entfernt von handlichen Sammlung.“ So den Aufregungen unseres schreiben es die Herausgeber im modernen Lebens. Man möchte Vorwort und stellen einen hohen sie in einem dieser schönen Anspruch an sich selbst und die Klöster hören, in denen die Ruhe 2021 neu erschienene waltet, wo das Leben schon Teil Publikation. Praktischerweise hat des Todes ist, wo der Tod der der Verlag bereits im Inhalts- Anfang des Lebens ist.“ verzeichnis eine Ordnung nach liturgischen Orten und Einsatz- Der Bärenreiter-Verlag hat mit möglichkeiten im Kirchenjahr der Neuedition beste vorgenommen. Die drei- bis Voraussetzungen für die vierstimmigen Kompositionen Aufführung dieser Stücke sind im Regelfall mit geschaffen. Faurés Werke haben 30
instrumentaler Begleitung Band der Reihe „Eine Handbreit versehen, können aber meist bei dir“ versucht ebenso wie auch a capella dargeboten seine Vorgängerbände die werden. Die Stücke erweisen sich Sprache der Psalmen sowohl Literaturhinweise oft nicht als übermäßig komplex, klanglich als auch textlich in die vielleicht hätte ein Mut zu einem Wirklichkeit des dritten nach- größeren Ambitus und eine christlichen Jahrtausends zu etwas elaboriertere Harmonik übersetzen. Einige Texte halten manchen Kompositionen sich relativ stark an das biblische gutgetan. Schön ist zu sehen, Original, andere paraphrasieren dass die Klavierbegleitungen bei derart, dass vom Original nur einigen Stücken sehr raffiniert eine vage Grundaussageabsicht komponiert sind; insbesondere erhalten bleibt („Nunc dimittis“). lege ich hier die Nummer 15, Interessant ist der Kompo- „Gott, deine Sonne“, ans Herz. sitionsansatz zu Psalm 134. Hier Zusammengefasst eine sicherlich versucht der Komponist eine sinnvolle Investition für Synthese zwischen Neuem mehrstimmige Frauenchöre im Geistlichem Lied und jüdischer Bereich des Neuen Geistlichen Musiktradition. Am überzeu- Liedes, aber nicht weit darüber gendsten wirkt die Neuinter- hinaus. pretation des Psalm 39: „Du machtest meine Tage eine Eine Handbreit bei dir Spanne lang“. Neue Texte und Melodien zu Zusammengefasst ein interes- allen 150 Psalmen der Bibel 2021 santes Experiment, die Psalmen Band 3 Dehm-Verlag, 14,95 € mehr in die Glaubens- und gemeindliche Musizierpraxis zu Ein verbindendes Element rücken. Musikalisch bleibt es zwischen den verschiedenen jedoch - wie auch in anderen christlichen Konfessionen und Publikationen dieses Verlages - dem Judentum ist das Psalmen- auf der Ebene des Neuen gebet. Die Psalmen prägen bis Geistlichen Liedes. Von der im heute Gottesdienst und Vorwort angekündigten Glaubensleben der Menschen Motivation, in „stilistischer beider Religionen. Der dritte Vielfalt“ „zeitgemäße“ Werke zu 31
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