ICG - Jubiläumsfestschrift 15 Jahre - Institut für Corporate Governance

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ICG - Jubiläumsfestschrift 15 Jahre - Institut für Corporate Governance
ICG
     Institut für Corporate Governance
  in der deutschen Immobilienwirtschaft

Jubiläumsfestschrift
                      15 Jahre
  29. November 2017   ICG
                      2002-2017
                                  Frankfurt am Main
ICG - Jubiläumsfestschrift 15 Jahre - Institut für Corporate Governance
15 Jahre ICG
Festschrift zum Jubiläum

                           INHALT
                           Vorwort								 3
                           15 Jahre ICG – Der Rückblick
                           „So kriegten wir die PS auf die Straße“			               4
                           15 Jahre ICG - die Meilensteine					                     5
                           DIE TOP-KONFERENZ ZUM JUBILÄUM:
                           Die deutsche Immobilienwirtschaft –
                           eine Schlüsselindustrie auf dem Weg zu Nachhaltigkeit
                           und Werteorientierung 					                             7
                           WEITERE WEGBEGLEITER:
                           15 Jahre ICG — ein ganz persönlicher Rückblick      12
                           Es braucht einen Umbruch der Vergütungsmodelle
                           für Aufsichtsräte					                              13
                           Nachhaltige Unternehmensführung ist unverzichtbar
                           für jedes große Unternehmen				                     14
                           Verantwortung 2030: Gesellschaftliche Verantwortung
                           der Unternehmen und der Wirtschaft im Zeitalter von
                           Digitalisierung, Migration und Nachhaltigkeit       16
                           IM DIALOG ZU DEN WERTEN DES ICG:
                           Wer Haltung zeigt, wird auch in der Immobilien-
                           wirtschaft belohnt! 					                               22
                           Impressionen vorangegangener Veranstaltungen            24
                           Aktivitäten des ICG / Veranstaltungstermine             25
                           Die Mitglieder des ICG					                             26
                           Der Vorstand des ICG / Impressum			                     27

                            Wir danken der Pricewaterhouse-
                            Coopers GmbH, die dem ICG ihre
                            Räumlichkeiten im Tower 185 in
                            Frankfurt am Main für die Jubilä-
                            umskonferenz zur Verfügung ge-
                            stellt hat.
ICG - Jubiläumsfestschrift 15 Jahre - Institut für Corporate Governance
15 Jahre ICG
                                                                                    Festschrift zum Jubiläum

VORWORT                                                      Die ICG ist jetzt das ICG:

                                                                                 ICG
                                                                Institut für Corporate Governance
                                                             in der deutschen Immobilienwirtschaft

                                                           Heute hat sich das ICG als der Agenda Setter,
                                                           Think und Do Tank sowie Weiterbildungs- und
                                                           Netzwerkplattform in der Branche und darü-
Thomas Zinnöcker ist Vorstandsvorsitzender des ICG und     ber hinaus etabliert. Es ist ein Institut für alle
CEO der ista International GmbH sowie Vizepräsident des    Themen rund um werteorientierte, nachhalti-
ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss. Zuvor war Thomas       ge Unternehmensführung. Ein Institut, das (in
Zinnöcker Vorstandsvorsitzender der GSW Immobilien AG,     Kooperation mit und für den ZIA, der aus dem
Vorstandsvorsitzender der Geschäftsführung der GAGFAH
                                                           ICG-Vorstand heraus initiiert und gegründet
Group und stellvertretender Vorstandsvorsitzender der
VONOVIA SE.                                                wurde) intensiv an den Inhalten zu Corporate
                                                           Governance arbeitet und hierfür als anerkann-
Die Initiative Corporate Governance der deut-              ter Ansprechpartner für Unternehmen, Organi-
schen Immobilienwirtschaft (ICG) hat anläßlich             sationen, Organe und Führungskräfte auf allen
ihres 15-jährigen Bestehens ihren Namen ge-                Ebenen der Immobilienwirtschaft in Deutsch-
ändert. Sie wird künftig „Institut für Corporate           land, aber auch international, gilt.
Governance in der deutschen Immobilien-                    Die vorliegende Festschrift fasst zum einen die
wirtschaft“ heißen.                                        Ergebnisse unserer Jubiläumsveranstaltung
Damit tragen wir dem langen Weg Rechnung,                  „Die deutsche Immobilienwirtschaft – eine
den das ICG bereits zurückgelegt hat. Am An-               Schlüsselindustrie auf dem Weg zu Nachhaltig-
fang stand eine Initiative mehrerer Unterneh-              keit und Werteorientierung“ am 29. November
mer, um die deutsche Immobilienwirtschaft zu               2017 zusammen. Sie setzt aber auch – über
professionalisieren. Über die Jahre entwickel-             diverse Interviews und Beiträge – neue Impul-
te sich ein starkes Netzwerk marktführender                se zum Thema gute Unternehmensführung.
Unternehmen und deren Top-Führungskräften,
welches mit der Politik, Bildungseinrichtungen             Ich wünsche Ihnen, auch im Namen des gesam-
und anderen Stakeholdern der Immobilien-                   ten Vorstandes des ICG, eine interessante Lek-
wirtschaft kooperiert.                                     türe!

             Jubiläum am 29.11.2017: Begrüßung durch Thomas Zinnöcker, Vorstandsvorsitzender des ICG

                                                                                                           3
ICG - Jubiläumsfestschrift 15 Jahre - Institut für Corporate Governance
15 Jahre ICG
Festschrift zum Jubiläum

15 JAHRE ICG – DER RÜCKBLICK
„So kriegten wir die PS auf die Straße“

Thomas Zinnöcker (l.), CEO der ista international GmbH und Vorstandsvorsitzender des ICG und Werner Knips (r.), Part-
ner der Heidrick & Struggles GmbH & Co. KG, der Initiator und stellvertretender Vorstandsvorsitzender des ICG

Wo kommen wir her – wo sind wir gerade –                     Immobilienwirtschaft war eine Katastrophe“,
wo wollen wir hin?                                           blickte Zinnöcker auf diese Zeit zurück.
Jubiläen sind ein willkommener Anlass, um sich
diesem Dreiklang der Positionsbestimmung                     Belastbare Standards für gute Unternehmens-
zu widmen. Auf der Jubiläumsveranstaltung                    führung mussten her, um solchen Gescheh-
„15 Jahre ICG 2002 – 2017“ am 29. November                   nissen wie in Frankfurt künftig einen Riegel
2017 in Frankfurt widmeten sich Werner Knips                 vorzuschieben. „So wurde die Idee geboren,
und Thomas Zinnöcker der schönen Aufgabe,                    eine Initiative zur Etablierung von Corporate
mit einem Blick in den Rückspiegel die Erfolgs-              Governance Kriterien zu gründen“, erzählte
geschichte ICG nachzuzeichnen. Zinnöcker, im                 Knips. „Damit sind wir über die Expo Real ge-
Hauptberuf CEO von ista International, lenkt                 zogen und haben Gleichgesinnte gesucht und
derzeit als vierter Vorstandsvorsitzender die                getroffen“. Dr. h.c. Dolf Weber, Senior Partner
Geschicke des ICG. Werner Knips, Partner der                 von Clifford Chance, hatte sofort an die Idee
internationalen Personalberatungsgesellschaft                geglaubt. Jürgen Ehrlich von der Difa teilte die
Heidrick & Struggles, ist Initiator und einer der            Vision. Prof. Karl-Werner Schulte (damals ebs)
Gründungsväter des ICG und treibt von Beginn                 war ebenfalls rasch von dem Ansatz überzeugt.
an die Entwicklung mit viel Energie voran.                   Dr. Eckart John von Freyend von der IVG stell-
                                                             te sich als erster Vorsitzender dem ICG zur
Im Zwiegespräch weckten beide zunächst die                   Verfügung. Es war der Beginn einer Erfolgs-
Erinnerung an den Zustand, in dem sich die Im-               story, bei der führende Vertreter der Branche
mobilienbranche 15 Jahre zuvor befand. Der                   – unterstützt durch international anerkannte
Frankfurter Immobilienskandal steuerte gerade                Experten – für die Branche praxisrelevante
auf seinen Höhepunkt zu. Ein äußerst unange-                 Standards entwickelten.
nehmer Vorfall, der perfekt zum negativen Bild
zu passen schien, das sich die Öffentlichkeit                Wesentliche Meilensteine auf dem weiteren
von der Branche machte. Ein Tiefpunkt, an dem                Weg waren dann die Erarbeitung und Einfüh-
sich aber bei zahlreichen professionellen Bran-              rung eines Corporate Governance-Kodexes für
chenakteuren die Einsicht durchsetzte, dem                   die deutsche Immobilienwirtschaft. Dieser
Treiben nicht mehr tatenlos zuzusehen, sondern               wurde wiederum zur Grundlage eines Werte-
endlich zu handeln. „Das Image der deutschen                 management- und eines Zertifizierungssystems,

4
ICG - Jubiläumsfestschrift 15 Jahre - Institut für Corporate Governance
15 Jahre ICG
                                                                                                Festschrift zum Jubiläum

bei dem der anerkannte Corporate-Governance-                        neuen Ansatzes unternehmerischen Handelns
Experte Prof. Josef Wieland (damals Universität                     für die Immobilienwirtschaft. Diese Aktivitäten
Konstanz) entscheidende Hilfestellung leistete.                     mündeten schließlich in die Veröffentlichung
Diese Zertifizierungen waren ein entscheiden-                       eines Nachhaltigkeitskodexes mit dem ZIA, der
der Durchbruch, weil damit erstmals eine prak-                      wiederum die Basis für einen CSR-Leitfaden
tische Umsetzung der erarbeiteten Prinzipien                        bildete, mit dem die Immobilienwirtschaft nun
im Geschäftsalltag von Immobilienunterneh-                          die erarbeiteten Nachhaltigkeitsprinzipien in
men möglich wurde. „So kriegten wir die PS                          der unternehmerischen Praxis verankern kann.
auf die Straße“, machte Knips die Bedeutung                         „Die Immobilienwirtschaft und ihre Unterneh-
dieses Moments deutlich.                                            men haben einen riesigen Hebel und die Chan-
                                                                    ce durch die Wahrnehmung ökologischer und
Danach lenkten die Mitstreiter des ICG verstärkt                    sozialer Verantwortung mittel- und langfristig
den Blick auf das Thema Nachhaltigkeit. Hier                        ökonomische Erfolge zu sichern, ihr Image zu
fand das Institut große Unterstützung von wis-                      verbessern und letztendlich für dringend ge-
senschaftlicher Seite in Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Franz               brauchte Talente attraktiver zu werden“, stell-
Josef Radermacher, unter anderem Mitglied                           te Werner Knips im Zwiegespräch mit Thomas
des Club of Rome. Er gab unverzichtbare Im-                         Zinnöcker fest. Auf der nächsten Jubiläumsver-
pulse bei der Erarbeitung der inhaltlichen Sub-                     anstaltung kann dann Bilanz gezogen werden,
stanz dieses als Stakeholder Value bekannten                        wie dieser Hebel wirkt.

15 JAHRE ICG - DIE MEILENSTEINE
...in den Jahren 2002 - 2008:
                                               Meilensteine der ICG

         2002:                     2003:                  2003:                2004:                    2004:
                               Veröffentlichung
     Gründung 2002,              „Corporate           Veröffentlichung       Veröffentlichung         Erste Ausgabe
     13 Firmen- und              Governance               der sog.           „Kodex für Treu-              ICG-
     13 persönliche                 -Kodex              „10 Gebote“          handvermögen“             Newsletter
       Mitglieder            für die Immobilien-       (Grundsätze)
                                 wirtschaft“

             2005:                     2005:                 2005:               2006:                   2008:
                                                         Veröffentlichung
          Veröffentlichung         Veröffentlichung                           Gründung des ZIA        Veröffentlichung
                                                         Zertifizierungs-
              Rating-                 Leitfaden                                u.a. durch den          Pflichtenheft
                                                             system
             Leitfaden                 „Werte-                                  ICG Vorstand           „Compliance
                                                           Compliance-
                                    Management“                                                        Management“
                                                          Management

                                                         Meilensteine ICG

                                                                                                                         5
ICG - Jubiläumsfestschrift 15 Jahre - Institut für Corporate Governance
15 Jahre ICG
 Festschrift zum Jubiläum

 ...in den Jahren 2009Meilensteine
                       - 2015: der ICG

         2009:                     2010:                   2010:                      2011:                 2013:
                                 Erste Jahresver-        Erste Verleihung                                  Erstes Basis-
         Road Show                                                                Nachhaltigkeits-
                                anstaltung „The         ICG Zertifizierung                                 seminar der
             und                                                                    kodex der
                               German Real Estate       (seither 34 Erst- und                            ICG Real Estate
     Pilotunternehmen                                      Wiederholungs-          Immobilien-
                                     Summit“                                                             Board Academy
        Zertifizierung                                    zertifizierungen)         wirtschaft
                                    (seither 8)                                                             (seither 9)

        2013:                     2014:                     2014:                  2015:                   2015:
     Erste Ausgabe der         Veröffentlichung         Überarbeitung                                   Gründungsmitglied
                                                                                    Erstes Aufbau-       im internationalen
       ICG-Zeitschrift        Compliance-Risiko-        Zertifizierungs-             Seminar der
      „Real Corporate             übersicht                 system                                         UNO-Projekt
                                                                                ICG Real Estate Board   „International
        Governance“               „Dolose                Compliance                    Academy
                                Handlungen“              Management                                     Ethics Standards“
                                                                                  (seither 3)                   2015

                                                       Meilensteine ICG

...und in den Jahren 2016 - 2017:
                                            Meilensteine der ICG

         2016:
                                   2016:                    2017:                    2017:                  2017:
     Erster „ICG Cor-
                                   Start                                           Veröffentlichung
     porate Responsibility                                Gewinn des                                       Erster
                                Programm                                          Compliance-Risiko-
       Day“ und Veröfftl.                                „Immobilien                                         „ICG
                               „Diversity on                                         Übersicht „IT-
       Leitfaden „Soziale-                                 Manager                                        Risk Day“
                                 Boards“                                          Sicherheit und
          gesellschaftl.                                   Awards“
                                                                                   Datenschutz“
            Verantw.“

         2017:                   2017:
                             Umbenennung in Institut
                                 für Corporate
        15-jähriges
                               Governance in der
         Jubiläum                  deutschen
                              Immobilienwirtschaft
                                      e.V.

                                                       Meilensteine ICG

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ICG - Jubiläumsfestschrift 15 Jahre - Institut für Corporate Governance
15 Jahre ICG
                                                                              Festschrift zum Jubiläum

DIE TOP-KONFERENZ ZUM JUBILÄUM:
„Die deutsche Immobilienwirtschaft – eine Schlüsselindustrie
auf dem Weg zu Nachhaltigkeit und Werteorientierung“
Fünf Stunden für 15 Jahre – die Jubiläumsver-           Seinen persönlichen Antrieb, Werte zu leben
anstaltung des ICG am 29. November 2017 in              und Haltung zu zeigen, beschrieb er so: „Ich
Frankfurt machte die Stärken und die Beson-             wollte immer, dass die Menschen am Ende ei-
derheiten dieses Branchenzusammenschlus-                ner Wahlperiode nicht sagen, sie seien von mir
ses für alle Teilnehmer komprimiert sichtbar.           enttäuscht. Die Leute haben einen Anspruch
Zu den Stärken gehört es, eine Gesprächsplatt-          auf Klarheit in der Haltung von Politikern.“
form zu sein, wo intellektuell anspruchsvoll und        Besorgt zeigte sich Bosbach darüber, dass die
doch praxisbezogen die erste Riege der deut-            Bindungswirkung großer Organisatoren nach-
schen Immobilienwirtschaft den Austausch                lässt. Daran werde die zunehmende Fragmen-
pflegen kann. Zu den Besonderheiten gehört              tierung in der Gesellschaft deutlich. „Wir be-
es wiederum, dass offene Wort zu wagen, Be-             finden uns am Übergang von der Industrie- zur
obachtungen und Einsichten ohne den Filter              Wissensgesellschaft – das verändert Ökono-
von PR- und IR-Abteilung mit Gleichgesinnten            mien und persönliches Verhalten“, sagte er.
teilen zu können.
                                                        „Das ungeheure Tempo und gewalti-
                                                        ge Ausmaß an weltweiten politischen
                                                        Veränderungen sind prägend für un-
                                                        sere Zeit. Alte Gewissheiten geraten
                                                        ins Wanken, neue Herausforderungen
                                                        - politisch wie ökonomisch - begeg-
                                                        nen uns Tag für Tag. Internationali-
                                                        sierung, Globalisierung und Digitali-
                                                        sierung prägen unsere Debatten. Was
Keynote „Werte und Haltung in Wirtschaft und Politik“
Wolfgang Bosbach, ehem. MdB
                                                        bedeutet das alles für Deutschland
                                                        und Europa?“
WERTE UND HALTUNG IN POLITIK UND                                                  Wolfgang Bosbach
WIRTSCHAFT
Wolfgang Bosbach, der über 13 Jahre als CDU-            PANEL 15 JAHRE ICG
Abgeordneter dem Bundestag angehörte und                Diesem gelungenen Auftakt schloss sich das
der sich mit seinem Mut zur eigenen Meinung             Panel der bisherigen Vorstandsvorsitzenden
die Anerkennung über die Parteigrenzen hin-             des ICG Dr. Eckart John von Freyend, Dr. Hans
weg erwarb, setzte mit der ersten Key Note              Volkert Volckens und Thomas Zinnöcker an,
des Tages die Tonlage für die Veranstaltung.            unter deren Ägide das ICG wurde, was es
„Nichts ist alternativlos“, setzte er denn auch         heute ist. Ihr Gedankenaustausch auf dem
gleich einen Nadelstich in Richtung Kanzlerin.          Podium entwickelte sich zu einer Übersicht
                                                        über die Motive des Branchenzusammen-
„Alternativen gibt es immer!“                           schlusses, die über die Jahre aktuell geblieben
                               Wolfgang Bosbach         sind. „Wir haben versucht, den deutschen

                                                                                                     7
ICG - Jubiläumsfestschrift 15 Jahre - Institut für Corporate Governance
15 Jahre ICG
Festschrift zum Jubiläum

Panel mit dem gegenwärtigen und zwei ehemaligen Vorstandsvorsitzenden des ICG: Thomas Zinnöcker, Dr. Hans
Volkert Volckens, Dr. Eckart John von Freyend (v.l.n.r.), Diskussionsleitung: Dr. Florian Langenscheidt

Corporate-Governance-Kodex um immobilien-              VERANTWORTUNG 2030: GESELL-
affine Themen zu erweitern“, blickte Dr. Eckart        SCHAFTLICHE VERANTWORTUNG DER
John von Freyend, ehemaliger ICG-Vorstands-            UNTERNEHMEN UND DER WIRTSCHAFT
vorsitzender und heute aktiver Aufsichtsrat            IM ZEITALTER VON DIGITALISIERUNG,
in mehreren Unternehmen, auf die Anfänge               MIGRATION UND NACHHALTIGKEIT
zurück. „Mit der Zertifizierung gelang es uns,         Diese Keynote und das gleichnamige Anschluss-
abstrakte Corporate-Governance-Themen so               Panel brachte Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Franz Josef
auf die Praxisebene zu übertragen, dass sie            Radermacher mit seinem Bekenntnis in Schwung,
jeder versteht.“                                       dass er ein „pessimistischer Optimist“ sei.
Dr. Hans Volkert Volckens, der 2012 den Staf-
felstab von Bärbel Schomberg (vergl. S. 12) an         „Die Leute gehen davon aus, dass alles gut
der ICG-Spitze übernahm, hob die Funktion              wird. Aber es wird nicht immer alles gut.
der Branchenvereinigung als Fortbildungstool           Wir können in einer globalen Zweiklassen-
und als Plattform für den Erfahrungsaustausch          gesellschaft landen oder in einem globalen
hervor. „Das ICG vermittelt Fachwissen zu im-          Kollaps ökologischer Art.“
mobilienwirschaftschaftlichen Themen - auch              Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Franz Josef Radermacher
zu Werten“, sagte er. „Wie verhalte ich mich als
Führungskraft in der Immobilienwirtschaft, um
die Herausforderungen des Alltags meistern zu
können?“
Dem seit 2014 amtierenden ICG-Vorstandsvor-
sitzenden Thomas Zinnöcker ging es schließ-
lich um den schwierigen Spagat, was einerseits
operativ kurzfristig erforderlich und anderer-
seits langfristig sinnvoll und wichtig ist. „Wir
haben heterogene Erfahrungen in dem ICG
zusammengebracht“, sagte er. Es gehe immer
wieder darum, eine Mischung aus alten und              Keynote „Verantwortung 2030“: Prof. Dr. Dr. Dr. h.c.
neuen Werten zu finden.                                Franz Josef Radermacher

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15 Jahre ICG
                                                                                       Festschrift zum Jubiläum

                                                               NACHHALTIGE, WERTEORIENTIERTE
                                                               UNTERNEHMENSFÜHRUNG - WAS
                                                               BRINGT DAS?
                                                               Im „Kritischen Diskurs“ mit Vonovia-CEO Rolf
                                                               Buch und PwC-Partnerin Susanne Eickermann-
                                                               Riepe machte Rolf Buch eindrucksvoll deut-
                                                               lich, dass in der kurzfristig orientierten Börsen-
                                                               welt langfristige Strategieansätze nicht zwangs-
                                                               läufig zu kurz kommen müssen.
                                                               „Bei unserem Produkt ist es ein Riesen-
Panel „Verantwortung 2030“: Thomas Zinnöcker, Prof.            vorteil, dass wir einfach erklären können,
Dr. Dr. Dr. h.c. F. J. Radermacher, Dr. Jürgen Hereaeus, Dr.
Jochen Keysberg (v.l.n.r.)                                     warum es nur dann langfristig erfolgreich
                                                               ist, wenn es nachhaltig positioniert ist.“
PANEL VERANTWORTUNG 2030                                                                              Rolf Buch
Dieser skeptische Unterton wirkte als Weckruf                  „Wir brauchen die Einstellung: Der Mieter zahlt
zum Nachdenken. So vertrat in der darauf fol-                  unsere Gehälter und ist für die Zukunft unseres
genden Diskussionsrunde Dr. Jürgen Hereaeus,                   Unternehmens wichtig“, sagte Buch, der für den
Dr. Jochen Keysberg, Professor Radermacher                     größten Wohnungsbestand in privater Hand in
und Thomas Zinnöcker Panelist Dr. Jochen                       Deutschland verantwortlich ist. Leider habe sich
Keysberg, CEO der Apleona Group, mit Blick                     die Branche in der Vergangenheit nicht damit
auf die Bemühungen des ICG die Ansicht:                        hervorgetan, dass der Kunde im Fokus stehe. In
                                                               der Nachkriegszeit seien Wohnungen eher ver-
„Die Etablierung von Nachhaltigkeits-                          teilt worden. Auch in der Private-Equity-Phase
prinzipien kann im Unternehmensalltag                          nach der Jahrtausendwende sei der Mieter kei-
durchaus erzielt werden – allerdings nur                       ne Größe gewesen, weil er nicht in Excel-Sheets
mit einer Verbindung zum Unterneh-                             passte. Doch inzwischen kann das Bild, dass die
menserfolg. Jetzt ist die Zeit, die Kopp-                      Branche in der Öffentlichkeit abgibt, nicht mehr
lung zu machen.“       Dr. Jochen Keysberg                     einfach ausgeblendet werden. „Wir müssen in
                                                               gesellschaftliche Akzeptanz investieren, damit
Dafür werde es auch höchste Zeit, stellte in                   unser Geschäftsmodell langfristig gesichert ist“,
dieser Gesprächsrunde Panelist Dr. Jürgen                      lautete die Schlussfolgerung von Buch.
Heraeus von der gleichnamigen Unternehmens-
gruppe aus Hanau fest:
„An der Spitze von Unternehmen standen
einst Leute mit Kultur, doch dann kamen
Leute mit Boni. Jetzt übernimmt der Staat
die Regulierung, weil Unternehmen die
Auswüchse selbst nicht mehr in den Griff
bekommen haben.“          Dr. Jürgen Heraeus
Dabei könne die Politik die Probleme zwar nicht
lösen, aber immerhin die Infrastruktur bereit-                 „Was bringt werteorientierte Unternehmensführung?“:
stellen. „Gute Schulen zum Beispiel.“                          Susanne Eickermann-Riepe im Diskurs mit Rolf Buch

                                                                                                                9
15 Jahre ICG
Festschrift zum Jubiläum

                      Heißer Stuhl: Christian Ulbrich im Diskurs mit Dr. Florian Langenscheidt

DER CEO STELLT SICH
Am frühen Abend nahm Christian Ulbrich,                      Dr. Langenscheidt: Haben Sie Angst vor disrup-
Global CEO und Präsident des führenden inter-                tiven Dritten?
nationalen Immobilienberatungshauses JLL,
die Herausforderung an, sich auf den ‚heißen                 Christian Ulbrich: Wir sehen permanent dis-
Stuhl‘ zu setzen, um sich entsprechend der                   ruptive Entwickungen. Nehmen Sie nur das
Thematik den Fragen von Dr. Florian Langen-                  Geschäftsmodell Co-Working mit WeWork als
scheidt, Unternehmer, Publizist und Moderator                Beispiel. Das hätten wir bei JLL eigentlich auch
der Veranstaltung, zu stellen. „Heißer Stuhl“ ist            machen können. Wir verstehen die Mietmärk-
ein ideales Gesprächsformat, um interessante                 te, wir haben Zugang zum Nutzer und wir kön-
Zeitgenossen mit ungewöhnlichen Fragen zu                    nen Hospitality Services anbieten – die drei
konfrontieren und sie damit zu ungewöhnli-                   entscheidenden Zutaten für Co-Working. Aber
chen Antworten zu bewegen.                                   große Unternehmen wie wir tun sich schwer
                                                             damit, sich so radikal in eine neue Komposition
Dr. Langenscheidt: Haben Sie oft schlaflose                  von Dienstleistungen hineinzubewegen.
Nächte angesichts der Verantwortung, die Sie
in Ihrem Unternehmen tragen?                                 Dr. Langenscheidt: Passen die Prinzipien der
                                                             Nachhaltigkeit und die kurzfristige Incentivie-
Christian Ulbrich: Dann könnte ein CEO perma-                rung von Leistungen, wie sie in der Branche
nent nicht schlafen. Das geht nicht. Was mich                üblich sind, überhaupt zusammen?
allerdings derzeit tatsächlich bewegt und auch
zu nachtschlafender Zeit zum Nachdenken                      Christian Ulbrich: Die Kompensation nachhal-
bringt, ist die Digitalisierung. Die Digitalisierung         tiger zu gestalten, wird auf jeden Fall schwierig.
einer identischen Dienstleistung erfordert in                Natürlich ist uns da als Marktführer die Verant-
unserem Falle auf Grund der abweichenden                     wortung bewusst, mit gutem Beispiel voranzu-
Marktpraxis in den verschiedenen Ländern                     gehen und eine Wende zum Besseren herbeizu-
unterschiedliche Antworten. Das macht die Sa-                führen. Aber auch als Marktführer können Sie
che extrem kompliziert. Auf Grund der damit                  der gängigen Marktpraxis nur ein Stück voraus-
verbundenen Kosten, kann in der Folge nicht                  schreiten und müssen dann hoffen, dass der
mehr in jedem Land jede Dienstleistungen an-                 Wettbewerb eine ähnliche Richtung einschlägt.
geboten werden. Damit wird sich der Konzen-                  Ansonsten sind Sie nicht mehr lange Markt-
trationsprozess in unserer Industrie auf jeden               führer.
Fall weiter verstärken.

10
15 Jahre ICG
                                                                              Festschrift zum Jubiläum

Dr. Langenscheidt: Schlägt das Thema Vergü-         ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK DER
tung nicht unmittelbar auf das Image der Im-        TOP-KONFERENZ „15 JAHRE ICG“
mobilienwirtschaft durch?

Ulbrich: Das ist ohne Zweifel der Fall. Die Mög-
lichkeit, kurzfristig viel Geld zu verdienen, er-
zeugt immer wieder schlechtes Benehmen.
Besondere Aufmerksamkeit bedarf es im Be-
reich der Wohnungsmakler. Sie arbeiten an der
Schnittstelle zum Normalbürger und einzelne
sorgen immer wieder für schlechte Erfahrun-
gen, die dann auf die gesamte Branche übertra-
gen werden. Hier hat das Bestellerprinzip dazu
beigetragen, dass inzwischen der Qualifizie-        Thomas Zinnöcker (l.) und Dr. Florian Langenscheidt (r.)
rung eine deutlich größere Bedeutung als
früher beigemessen wird. Das ist ein schönes        Zum Abschluss fassten Thomas Zinnöcker und
Beispiel für eine richtige Regulierung: Die Bran-   Dr. Florian Langenscheidt die Ergebnisse und
chenakteure müssen sich weiter qualifizieren,       wesentlichen Punkte der Konferenz mit Fokus
damit sie auf einem besseren Niveau agieren         auf die in Zukunft zu leistenden Aufgaben zu-
können.                                             sammen.

Dr. Langenscheidt: Hat sich aus Ihrer Sicht das     „Diese Konferenz hat gezeigt, welchen
Image der Immobilienwirtschaft in den vergan-       Weg die deutsche Immobilienwirtschaft
genen 15 Jahren verbessert?                         auf dem Weg zu Nachhaltigkeit und
                                                    Werteorientierung bereits zurückgelegt
Christian Ulbrich: Die Reputation der Branche
                                                    hat. Das ICG hat hierbei einen entschei-
ist sehr länderabhängig. In Deutschland ha-
ben wir sicherlich noch viel Platz nach oben.       denden Beitrag geleistet – ich gratulie-
Dennoch ist das Image über die vergangenen          re zu Ihrer beeindruckenden Arbeit und
15 Jahre eindeutig besser geworden. Das ICG         wünsche Ihnen für Zukunft weiterhin viel
hat dabei sehr geholfen. Auch die Arbeit und        Erfolg!“          Dr. Florian Langenscheidt
der damit verbundene Bedeutungsgewinn des
Branchenverbandes ZIA hat zu dieser positiven
Entwicklung beigetragen.

  Die exklusive Jahresveranstaltung des ICG
 THE GERMAN REAL ESTATE SUMMIT
      widmet sich explizit dem Thema
Corporate Governance und Nachhaltigkeit:
       Megatrend Digitalisierung -
werteorientierte Unternehmensführung
  in Zeiten disruptiver Veränderungen
  am 28. - 29. Juni 2018 in Königstein/FFM          Die Konferenz endete mit Sektempfang, Flying Buffet so-
                                                    wie intensivem Networking der rund 160 Gäste.

                                                                                                         11
15 Jahre ICG
Festschrift zum Jubiläum

WEITERE WEGBEGLEITER:
15 Jahre ICG — ein ganz persönlicher Rückblick
								                                                            von Bärbel Schomberg

                                                        aktiv einbringen und meine Praxiserfahrungen
                                                        mit einbeziehen. Das Zusammenwirken mit
                                                        den Vorstandskollegen – allen voran dem
                                                        unvergessenen Gründungsmitglied Dr. Dolf
                                                        Weber – den Begleitern des ICG aus dem Be-
                                                        reich der Wissenschaft und den vielen ehren-
Bärbel Schomberg, Managing Director der Schomberg &     amtlichen Unterstützern aus dem Kreise der
Co. Real Estate Consulting GmbH, war von 2007 - 2012    Mitgliedsgesellschaften waren für mich beson-
Vorstandsvorsitzende des ICG. An der Jubiläumskonfe-    dere positive Erfahrungen und haben meinen
renz konnte Bärbel Schomberg leider nicht teilnehmen.   beruflichen Werdegang geprägt. Auch die lang-
                                                        jährige vertrauensvolle Zusammenarbeit mit
2002, das Gründungsjahr des ICG, war aus heu-           Karin Barthelmes-Wehr war für mich ein per-
tiger Perspektive für mich ein entscheidendes           sönlicher Gewinn.
Jahr in meiner beruflichen Entwicklung. Als Ge-
schäftsführerin einer großen KVG war ich so-            Bei der Entwicklung des ICG-Kodex habe ich
wohl für das Publikumsfondsgeschäft als auch            gern mitgewirkt und Leitlinien der Corporate
für die Spezialfonds verantwortlich. Der Begriff        Governance später bei der von mir zum da-
„Corporate Governance“ gehörte damals noch              maligen Zeitpunkt als CEO geleiteten Fonds-
nicht zu unserem Standardvokabular, obwohl              gesellschaft implementiert. Dabei war es für
Grundelemente der Corporate Governance im               mich besonders wichtig, die notwendigen Pro-
Rahmen der Implementierung eines umfas-                 zesse immer in Zusammenarbeit mit den Mit-
senden Risikomanagement-Systems seinerzeit              arbeitern (bottom up) zu entwickeln.
auch schon durchaus eine Rolle gespielt haben.
                                                        Das ICG war und ist für mich Wegbe-
Mein Alltag als Geschäftsführerin war geprägt           gleiter und Leuchtturm zugleich. Die
von großen Herausforderungen – insbesondere
in dem Spannungsfeld der regulatorischen                Regeln der Corporate Governance wa-
Vorgaben, der berechtigten Interessen der               ren und sind in kritischen Situationen
Anleger und den Anforderungen des Konzerns,             Leitplanken, die mein Handeln bestim-
in den die KVG eingebettet war. In dieser Zeit          men.
suchte ich Orientierung und Guidelines, die
ich dann schon sehr bald in dem ICG gefunden            Ich bin stolz auf die Ergebnisse, die das ICG
habe. Dank meiner zehnjährigen aktiven                  in der Immobilienwirtschaft erzielt hat und
Mitarbeit im Vorstand des ICG konnte ich mich           wünsche den aktiven Vorstandsmitgliedern
im Rahmen der Möglichkeiten, die mir die                und allen Vereinsmitgliedern viel Erfolg in der
Tätigkeit in einem großen Konzern gestattete,           Zukunft!

12
15 Jahre ICG
                                                                                Festschrift zum Jubiläum

WEITERE WEGBEGLEITER:
„Es braucht einen Umbruch der Vergütungsmo-
delle für Aufsichtsräte“
Interview mit Prof. Dr. iur. Dr. rer pol. habil. Manuel René Theisen

                                                          dem fixen Teil des Gehalts abgegolten.

                                                          ICG: Aber die Incentivierung könnte sich doch
                                                          zum Beispiel an der Einhaltung eines Nach-
                                                          haltigkeitskodexes orientieren, wie er etwa in
                                                          der Immobilienwirtschaft mit dem Nachhaltig-
                                                          keitsleitfaden von ZIA und ICG existiert.

                                                          Prof. Dr. Dr. Manuel R. Theisen: Die Existenz
                                                          eines solchen Kodexes ist gut und sehr zu be-
Prof. Dr. iur. Dr. rer pol. habil. Manuel René Theisen    grüßen. Ein entsprechender Kodex macht
war Professor für allgemeine Betriebswirtschaftslehre     einen nachhaltigen Ansatz sichtbar und brei-
und betriebswirtschaftliche Steuerlehre und Gastprofes-   tenwirksam. Aber ihn auf Führungs- und Über-
sor für Corporate Governance und Corporate Law an der     wachungsebene einzuhalten ist – wie gesagt
LMU München. Seit 2003 ist er geschäftsführender He-
rausgeber und Mitbegründer der Fachinformation „Der
                                                          – nicht etwas, das gesondert belohnt werden
Aufsichtsrat“.                                            müsste. Noch einmal ausdrücklich betont: Das
Professor Theisen ist Mitglied des Beirats der ICG Real   gilt für Aufsichtsräte und Vorstände. In den
Estate Board Academy und begleitet die Arbeit des ICG     Führungsebenen darunter ist eine Incentivie-
seit vielen Jahren.                                       rung angebracht und sinnstiftend. Die Verhal-
                                                          tensweise der Mitarbeiter kann sich dann auch
ICG: Sind die vorherrschenden Vergütungs-                 an einem Kodex orientieren.
modelle für Aufsichtsräte und Vorstände über-
haupt auf nachhaltiges Handeln der Führungs-              ICG: Sehen Sie Besonderheiten für Immobilien-
kräfte ausgerichtet?                                      unternehmen?

Prof. Dr. Dr. Manuel R. Theisen: Ihre Frage wür-          Prof. Dr. Dr. Manuel R. Theisen: Nein. Ich rate
de ich gern mit einer Gegenfrage beantworten:             auch von Speziallösungen ab, weil es die Durch-
Sind Aufsichtsräte und Vorstände nicht grund-             lässigkeit und die Verständlichkeit in der Regel
sätzlich dazu verpflichtet, im Sinne einer nach-          beeinträchtigt. Corporate-Governance-Prinzipien
haltigen Führung vorzugehen und zu wirken?                sollten über einzelne Branchen hinweg gelten.
Jeder Aufsichtsrat und jeder Vorstand treten              Bei aller individueller Differenzierung, die im
dafür an, den Unternehmenswert nachhaltig zu              Detail durchaus wünschenswert ist, sollte im
steigern. Ich sehe hier also eine grundsätzliche          Kern das Große und Ganze im Blick behalten
Verpflichtung, eine Amtspflicht sozusagen, zu             werden.
nachhaltigem Handeln, die grundsätzlich nicht
extra vergütet werden muss. Dieses Verhalten              ICG: Ihre Zurückhaltung an diesem Punkt der
und diese wichtige Einstellung sind schon mit             finanziellen Belohnung von nachhaltigem

                                                                                                       13
15 Jahre ICG
Festschrift zum Jubiläum

Verhalten ist bemerkenswert, weil Sie öffent-                  Diese Debatte krankt daran, dass man die Basis
lich lautstark für eine bessere Vergütung von                  der Aufsichtsratstätigkeit gar nicht diskutiert.
Aufsichtsräten eintreten. Bietet sich hier nicht               Mein Lösungsvorschlag wäre hierbei, dass
eine Gelegenheit, Ihr Anliegen durchzusetzen?                  nach dem Motto „Vergütung folgt Leistung“
                                                               eine individuelle zeit- und leistungsbezogene
Prof. Dr. Dr. Manuel R. Theisen: Das hat nichts                Vergütung vorgenommen wird. Zusätzlich soll-
miteinander zu tun, daher ist es vor allem auch                te der Aufsichtsrat für seine Aufgaben auch mit
kein Widerspruch: Die Vergütung von Auf-                       einem eigenen Budget ausgestattet werden.
sichtsräten ist ein grundsätzliches Thema. Da-                 Heutzutage braucht ein Aufsichtsrat Personal-
bei geht es vor allem darum, wie ein Aufsichts-                kompetenz für die Berufung des Vorstands und
rat seine Aufgabe wahrnimmt. Ist es wirklich                   Organkompetenz, um sich das gesetzlich gefor-
ein Ehrenamt, als das es hierzulande von vie-                  derte eigene Urteil bei wichtigen Geschäften
len noch wahrgenommen wird? Oder ist es in-                    des Unternehmens bilden zu können. Vor die-
zwischen nicht viel mehr ein Beratungsjob, der                 sem Hintergrund sind die meisten Aufsichtsrä-
zeitweise volle Leistung verlangt?                             te in Deutschland immer noch unterbezahlt.

WEITERE WEGBEGLEITER:
„Nachhaltige Unternehmensführung ist unver-
zichtbar für jedes große Unternehmen“
Interview mit Prof. Dr. Josef Wieland

                                                               ICG: Was hat Sie an der Aufgabe gereizt, ein
                                                               Zertifizierungssystem zum Werte- und Com-
                                                               pliance-Management für die Immobilienwirt-
                                                               schaft zu entwickeln?

                                                               Prof. Dr. Josef Wieland: Bevor die konkrete
                                                               Anfrage dazu kam, hatten wir uns schon einmal
                                                               mit einem Wertemanagementsystem für die
                                                               bayerische Bauindustrie beschäftigt. Da wa-
                                                               ren wir schon nahe an der Immobilienbranche
                                                               dran. Nach einem Vortrag über diese Aktivitä-
                                                               ten kam das ICG auf mich zu. Und so fing das
Prof. Dr. habil Josef Wieland ist Direktor Leadership Excel-   Ganze an. Die Gesprächspartner aus der Bran-
lence des Institute Zeppelin | LEIZ.                           che, auf die ich traf, waren in hohem Maße pro-
Professor Wieland entwickelte gemeinsam mit Mitgliedern des
ICG das Werte- sowie das Compliance Management und das         fessionell und tief mit ihrem Geschäft vertraut.
darauf aufbauende Zertifizierungssystem des ICG.               Sie wussten, wovon sie sprachen. Gleichzeitig

14
15 Jahre ICG
                                                                                               Festschrift zum Jubiläum

gab es damals noch keine allgemein anerkann-
te Corporate Governance in der Branche. Die             Eine Empfehlung des Arbeitskreises „WerteManagement/Compliance“ und des Vorstandes
                                                              der Initiative Corporate Governance der deutschen Immobilienwirtschaft e.V.

Entwicklung entsprechender professioneller                                 WerteManagement
Standards war noch am Anfang. Das war eine                             in der Immobilienwirtschaft
                                                                                          Ein Leitfaden
interessante Herausforderung, der ich mich
gerne stellte.                                      A recommendation of the „Values Management/Compliance“ working group and the executive board
                                                                     of the Initiative Corporate of the German Real Estate Industry

                                                                            Values Management
ICG: Gab es branchenspezifische Schwierigkei-                             in the Real Estate Sector
                                                                                             A Guide
ten, auf die Sie in der Entwicklung des Systems
gestoßen sind?

Prof. Dr. Josef Wieland: Nein. Es wurden aber
                                                                                                                   In Kooperation mit
                                                                                                                   in cooperation with

Besonderheiten sichtbar, die die Entwicklung       Der Leitfaden Wertemanagement in der Immobilien-
eines Wertemanagementsystems besonders             wirtschaft sowie alle anderen Publikationen des ICG
                                                   kann über unsere Homepage eingesehen und herun-
interessant machten. In der Immobilienwirt-        tergeladen werden:
schaft geht es beispielsweise bei manchen                            http://www.icg-institut.de
Projekten um sehr große Summen, die einen
Anreiz für Fehlverhalten sein können. Weiter-
hin gibt es den Zwang zum Anschlussauftrag,        ICG: Kennen Sie ähnliche Brancheninitiativen
Immobilien lassen sich nicht auf Vorrat pro-       wie das ICG, die sich ausschließlich mit nach-
duzieren und wenn ein Projekt abgeschlossen        haltiger Unternehmensführung beschäftigen?
ist, wartet nicht automatisch das nächste. Da
besteht ein enormer Druck, nicht plötzlich mit     Prof. Dr. Josef Wieland: Das ICG ist Teil einer
leeren Händen dazustehen.                          breiten Bewegung. Es befindet sich in guter
                                                   Gesellschaft. Das Thema entfaltet sich national
ICG: Gab es Schlüsselerlebnisse in der Erstel-     und international. Große Unternehmen kom-
lungsphase, die Ihnen noch gut in Erinnerung       men daran nicht mehr vorbei. Vergleichbare
sind?                                              branchenweite Bewegungen, die ich an dieser
                                                   Stelle hervorheben würde, gibt es etwa bei den
Prof. Dr. Josef Wieland: Zwischenzeitlich stand    Herstellern von Banknoten über die Bank Note
das Projekt tatsächlich einmal auf der Kippe.      Ethics Initiative mit Sitz in Brüssel und Lon-
Wir hatten den Punkt erreicht, an dem das Wer-     don. Oder in der Chemieindustrie. Dass sich
tesystem formuliert war. Nun sollte es in den      Branchen normative Corporate-Government-
ersten Unternehmen verankert werden. Da war        Standards geben, gilt heute zunehmend als
die Zurückhaltung zunächst sehr ausgeprägt.        eine Selbstverständlichkeit. Das ICG war da ein
Die große Frage lautete: Wer schreitet voran?      Vorreiter.
Wer lässt sein Wertemanagementsystem tat-
sächlich von Externen überwachen? Es gab           ICG: Wie sieht die Zukunft von Compliance
dann aber doch die ersten Pioniere, die in ihren   Management Systemen aus? Wie können Sie
Unternehmen ihre Seniorität in die Waagschale      wirken bzw. warum bleiben sie so oft ohne
warfen und in die Umsetzung gingen. Dieses En-     Wirkung?
gagement von anerkannten Führungspersön-
lichkeiten in der Branche war letztlich zwingend   Prof. Dr. Josef Wieland: Formale Dokumente
notwendig, um das Projekt voranzubringen.          sind nicht wirksam, wenn das entsprechende

                                                                                                                                               15
15 Jahre ICG
Festschrift zum Jubiläum

Engagement des Führungspersonals nicht vor-                                   Prof. Dr. Josef Wieland: Es sollte sich mit den
handen ist. Und natürlich geht es hier auch                                   Systemen und Leitfäden, die es entwickelt
um Integrität. In Zukunft geht es darum, das                                  hat, stärker in die gesellschaftliche Diskussion
Compliance-Thema auf Sozialstandards wie                                      einbringen – auch international. Es gibt das
Arbeitszeiten auf internationalen Baustellen                                  CSR-Forum auf Bundesebene, es gibt viel-
und Mindestlöhne und auf Menschenrechte,                                      fältige Initiativen, wo nach Beispielen gesucht
hier lautet das Stichwort Kinderarbeit, auszu-                                wird. Hier kann das ICG das bislang Erreichte
dehnen. Diese Ausdehnung wird inzwischen                                      vorzeigen. Es kann vor allem auch seine Erfah-
betrieben und bringt eine neue Qualität.                                      rung einbringen, wie Standards ausgearbeitet
                                                                              und umgesetzt werden. Diese Kompetenz hat
ICG: Gibt es einen guten Rat, den Sie dem ICG                                 es sich über 15 Jahre erworben. Das ist ein ge-
auf den weiteren Weg mitgeben möchten?                                        wisser Vorsprung.

WEITERE WEGBEGLEITER:
Verantwortung 2030: Gesellschaftliche Verantwortung
der Unternehmen und der Wirtschaft im Zeitalter von Di-
gitalisierung, Migration und Nachhaltigkeit1
                                                  Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Franz Josef Radermacher
                                                                              1. Vorbemerkung
                                                                              Ist in 2050 eine balancierte, auskömmliche,
                                                                              friedliche und zukunftsorientierte Welt für zehn
                                                                              Milliarden Menschen denkbar? Und was sind
                                                                              die Alternativen? Möglich, wohl sogar wahr-
                                                                              scheinlicher als eine Welt in Balance, sind eine
                                                                              weltweite Zweiklassengesellschaft oder ein
                                                                              ökologischer Kollaps. Dies hängt mit den Mög-
                                                                              lichkeiten der Aushebelung der Demokratie
                                                                              über die Globalisierung – dem sogenannten
                                                                              Trilemma der Globalisierung, mit den absehbar
Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. F. J. Radermacher ist Vorstand des For-
schungsinstituts für anwendungsorientierte Wissensver-                        gefährlichen Möglichkeiten technischer Intelli-
arbeitung/n (FAW/n), zugleich Professor für Informatik, Uni-                  genz und technischer Systemen zur Substituie-
versität Ulm, Präsident des Senats der Wirtschaft e. V., Bonn,                rung auch anspruchsvoller Tätigkeit einerseits
Vizepräsident des Ökosozialen Forum Europa, Wien sowie
                                                                              und zur Totalkontrolle über den Menschen
Mitglied des Club of Rome. Prof. Radermacher beriet und
begleitete bei der Entwicklung des Nachhaltigkeitskodexes,                    (Brot und Spiele) andererseits sowie mit einer
den das ICG mit und für den ZIA entwickelte.                                  eventuellen Klimakatastrophe zusammen.

1   Beitrag für die Festschrift zur ICG Jubiläumsfeier am 29.11.2017 in Frankfurt.
    Überarbeitete Version des Beitrags „Demokratie, Zukunft, Nachhaltigkeit – Zur Rolle einer weltweiten Ökosozialen Marktwirtschaft“ des Autors zu
    dem Sammelband der Veranstaltungsreihe „Von der sozialen zur ´ökosozialen´ Marktwirtschaft. Ökologie und Ökonomie im Fokus von Politik und
    Gesellschaft.“ (Volker Kronenberg und Christoph Brüssel, Hrsg.), S. 17-33, SpringerVS, 2017

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2. Die Welt im Ringen um eine gute Zukunft        entstandenen Probleme und sie erscheint vie-
Die Verhältnisse auf dem Globus entwickeln        len als der leistungsstärkste Akteur. Gleich-
sich in problematischer Weise. Die Größe der      zeitig sind die Handlungsfreiheit und die Ent-
Menschheit wächst ungehindert weiter. Bis         faltungsmöglichkeiten von Unternehmen und
zum Ende des Jahrhunderts könnten es 12 Mil-      Unternehmern zunehmend bedroht: durch
liarden Menschen, davon über 4 Milliarden in      ad hoc Eingriffe der Politik in das Geschehen,
Afrika, sein. Das wäre fast eine Vervierfachung   durch Nationalisierungstendenzen, Isolationis-
der heutigen Bevölkerungsgröße auf diesem         mus, das Brechen internationaler Handelsver-
Kontinent. Gleichzeitig drohen massive Ver-       träge und anderer Abmachungen etc. Beim
änderungen im Bereich des Klimas, die teil-       Weltwirtschaftsforum in Davos Anfang 2017
weise bereits heute sichtbar werden. Viele        waren diese Risiken ein großes Thema. Die so-
Menschen werden sich als Klimaflüchtlinge auf     ziale Schere darf nicht weiter aufgehen, mehr
den Weg machen. Die reichen Länder der Welt       Fairness ist erforderlich, die Umweltprobleme
können einen großen Zufluss von Flüchtlingen      müssen entschlossen angegangen werden.
politisch-gesellschaftlich nicht verkraften.
Flüchtlinge vergrößern nämlich massiv die la-     4. Das Thema Nachhaltigkeit
tenten Spannungen in Gesellschaften, die oh-      Die Welt sieht sich spätestens seit der Welt-
nehin mit den Problemen der aufgehenden           konferenz von Rio 1992 vor der Herausforde-
Schere konfrontiert sind. Die Globalisierung      rung, eine nachhaltige Entwicklung bewusst
wurde so gestaltet, dass in den reichen Ländern   zu gestalten. Das bedeutet insbesondere eine
große Teile der Bevölkerung von Partizipation     große Designaufgabe bzgl. der Gestaltung der
an Wohlstandszuwächsen ausgeschlossen wur-        dominierenden gesellschaftlichen Subsysteme
den, während Eliten mehrfach profitiert ha-       der modernen Zeit, nämlich die Gestaltung
ben. Das führt zu massivem „Ärger und Wut“,       eines nachhaltigkeitskonformen Wachstums
zu Politikverdrossenheit und zu Protest-Wahl-     bei gleichzeitiger Herbeiführung eines (welt-)
verhalten. Die neue Situation in den USA, der     sozialen Ausgleichs und den Schutz der ökolo-
Brexit, die Unabhängigkeitspläne in Katalonien    gischen Systeme, inklusive einer Lösung des Kli-
zeugen allesamt von der sich aufbauenden Un-      maproblems. Tatsächlich ist dies wohl allenfalls
zufriedenheit, ebenso wie das Erstarken von       dann erreichbar, wenn die Wechselwirkung
Protestparteien und die teilweise Radikalisie-    zwischen den Staaten sich in Richtung einer
rung in verschiedenen europäischen Staaten.       Weltinnenpolitik bewegt, eine Forderung, die
                                                  auf Carl Friedrich von Weizsäcker zurückgeht.
3. Zur Verantwortung der Unternehmen, der         Dieser Notwendigkeit entgegen steht der ein
Unternehmer und der Wirtschaft                    tretende Verlust des Primats der Politik, weil-
Angesichts der sich aufbauenden Probleme          die politischen Kernstrukturen nach wie vor
sind Unternehmen, Unternehmer und die             national oder, in einem gewissen Umfang, kon-
Wirtschaft insgesamt besonders gefordert. Sie     tinental, aber nicht global sind.
müssen mehr gesellschaftliche Verantwor-          Die beschriebenen Entwicklungen beinhalten
tung übernehmen, so wie es der Hauptsatz der      zwar gewisse Chancen für Entwicklung, laufen
Unternehmensethik einfordert: „Bei Defiziten      aber gleichzeitig wegen fehlender internatio-
in der politischen Rahmenordnung fällt die        naler Standards und inadäquater Regulierung
Verantwortung an die Unternehmen zurück.“         und der daraus resultierenden Fehlorientie-
Zudem hält die Bevölkerung die Wirtschaft         rung des Weltmarktes dem Ziel einer nachhalti-
für wesentlich mitverantwortlich für viele der    gen Entwicklung entgegen (für Ökonomen: die

                                                                                               17
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Festschrift zum Jubiläum

„Angesichts der sich aufbauenden Probleme sind Unternehmen, Unternehmer und die
Wirtschaft insgesamt besonders gefordert. Sie müssen mehr gesellschaftliche Verant-
wortung übernehmen...“                              Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. F.J. Radermacher

Preise sagen nicht die Wahrheit. Externe öko-       und Wissensgesellschaft ist seit jeher der
logische und soziale Kosten sind nicht internali-   Treiber der Globalisierungsprozesse und ver-
siert. Ganz im Gegenteil, ökologische und sozi-     ändert aktuell die Welt schneller und grund-
ale Kosten werden systematisch externalisiert).     sätzlicher als jeder andere Innovationsprozess
Da die Flüchtlingsproblematik zunimmt und in        zuvor. Zu den positiven Effekten dieser Ent-
fast allen reichen Ländern die soziale Sche-        wicklung, die lange Zeit im Vordergrund stan-
re aufgeht, formiert sich zudem Widerstand          den und über eine gigantische Resonanz bei
gegen die weitere Globalisierung, dies auch         den Käufern „befeuert“ wurden, gesellen sich
deshalb, weil in diesem Kontext die demokra-        mittlerweile irritierende Elemente. Immer in-
tischen Anliegen keinen Platz finden (Trilem-       telligentere Maschinen, und zukünftig immer
ma der Globalisierung). Die Bürger reagieren        „menschlichere“ Roboter, können zwar immer
teilweise mit hoher Wut und wählen sehr un-         nützlichere Dienstleistungen ermöglichen, zu
konventionelle Kandidaten und Parteien. Par-        Ende gedacht können sie aber auch unsere
allel wird eine Re-Nationalisierung angestrebt.     Arbeitsplätze gefährden, unser Privatleben
Der neue Präsident der USA verkörpert diesen        ausspionieren, uns mit zugeschnittenen Kon-
Trend.                                              sumangeboten „verfolgen“ und in der Wech-
                                                    selwirkung über soziale Netze die Kapazität
5. Die Umwelt- und Ressourcenfrage                  unseres Bewusstseins fast vollständig okku-
Aufgrund der gegebenen Hinweise erweist sich        pieren.
im Kontext der Globalisierung der Zugriff auf       Während über die ersten Jahrzehnte der be-
Ressourcen und das Recht auf Erzeugung von          schriebenen Entwicklung der Mensch die abs-
Umweltbelastungen als großes Thema. Ohne            trakte Maschine nach seinen Bedürfnissen und
Ressourcenzugriff kein Wohlstand, zugleich          gemäß seinem Rhythmus einsetzte und kon-
droht bei übermäßigem Zugriff ein ökologi-          trollierte, nähern wir uns mittlerweile einem
scher Kollaps. Wer kann, wer darf auf Ressour-      Punkt, an dem wir uns der digitalen Maschine
cen in welchem Umfang zugreifen? Das kann           unterwerfen bzw. gesellschaftlich in eine solche
eine Frage von Krieg und Frieden werden.            Unterwerfung hineingetrieben werden. Immer
Das rasche Wachstum der Weltbevölkerung             öfter sind wir z. B. nur dann noch beschäftig-
verschärft die Situation signifikant und inner-     bar bzw. nur noch dann sozial integriert, wenn
halb sehr kurzer Zeiträume. Die Menschheit          wir uns über mobile Geräte und omnipotente
bewegt sich in Richtung auf zehn Milliarden         Netzstrukturen in fast schon mechanisierte
Menschen. Hinzu kommt das Hineinwachsen             berufliche Abläufe einfügen und im gesell-
von Hunderten Millionen weiterer Menschen           schaftlichen Leben hochtransparent unsere
in ressourcenintensive Lebensstile.                 Aktivitäten online mit anderen koordinieren.
                                                    Der gläserne Mensch, final durch Apps diszi-
6. Der Mensch und die digitale Maschine –           pliniert, entsteht vor unseren Augen – und wir
was kommt auf uns zu?                               schauen zu und lassen es geschehen.
Als wären die beschriebenen Probleme nicht          Der Mensch in seinen sozialen Netzwerken
groß genug, kommt ein weiterer Faktor großer        wird dabei digital manipulierbar - er lebt teil-
Wirkungskraft hinzu – die digitale Transforma-      weise nur noch in speziellen Ingroups mit eige-
tion. Der Weg in eine weltweite Informations-       ner Wahrheit. Das macht Politik schwierig.

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„Die aktuelle Herausforderung besteht darin, die Nachhaltigkeit in das bestehende
System zu integrieren...“                    Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Franz Josef Radermacher

Der sogenannte Plattformkapitalismus hebelt        Hier besteht eine Analogie zum Sport: Der
unsere sozialen Systeme und die Besteue-           Wettbewerb bringt jeweils die Leistung, d.
rungssysteme aus. Massive Verluste von Arbeit      h. die Effizienz, hervor - ein gutes Input-Out-
für Hochqualifizierte können unser System völ-     put-Verhältnis, niedrige Kosten, schnelle
lig aus den Angeln heben.                          Prozessierung oder große Volumina. Es sind
                                                   jedoch die Regeln (in Österreich: die Spielan-
7. Die Rolle von Innovationen: Was bringt die      ordnung), die den jeweiligen Markt mit seinen
Zukunft?                                           spezifischen Merkmalen (und damit die Effek-
Ausgangspunkt der nachfolgenden Überle-            tivität) ausmachen, genauso wie die jeweilige
gungen ist die historische Entwicklung in Be-      Manifestation einer Sportart.
zug auf Wirtschaftssysteme und Wohlstand.
Das in Europa erfundene „Betriebssystem der        9. Was ist wichtig für einen funktionierenden
modernen Welt“ entwickelt sich zur globalen        Markt?
„Wohlstandsmaschine“. Technische Innova-           Die marktschaffenden Regeln bilden ein erstes
tionen sind dabei der Schlüssel für immer mehr     marktstrukturierendes Restriktionensystem. Sie
Wohlstand. Märkte sind dabei im Sinne von          sind von wesentlicher Bedeutung dafür, dass
Schumpeter der stärkste Mechanismus zur            ein Markt seine Leistung hervorbringen kann.
Hervorbringung von Innovationen. Wo liegen         Zu den marktstrukturierenden Regeln zählen
heute die Perspektiven für die Zukunft sowie       insbesondere (in je spezifischer Ausprägung) die
damit verbundene Chancen und Risiken? Ein          sog. vier großen Freiheiten, die auf Individuen
Thema ist die Zwangsläufigkeit bzw. Pfadab-        wie Unternehmen ausgerichtet sind und ver-
hängigkeit vieler Abläufe. Der im Buch „Der        nünftigerweise um Elemente der Gemeinwohl-
göttliche Ingenieur“ von Jacques Neirynck          orientierung anzureichern sind:
beschriebene Rebound-Effekt ist in seinen
                                                         1. Freiheit des Eigentums
Konsequenzen nicht zu unterschätzen. Weite-
                                                         2. Vertragsfreiheit
re Arbeiten zum Thema stammen von Robert
                                                         3. Freiheit zur Innovation
Jungk. Die Rolle der Technologie ist letztlich
                                                         4. Freiheit zur Kreditaufnahme bzw.
ambivalent zu sehen. Wie hängt all das mit
                                                            zur Kreditgewährung
den Märkten zusammen und wie müsste ein
Marktsystem aussehen, das unter den heuti-         Das Hervorbringen von Innovationen ist der in
gen Bedingungen eine Chance auf Nachhaltig-        langfristiger Perspektive wohl wichtigste Bei-
keit eröffnet? Ist die soziale Marktwirtschaft     trag von Märkten, denn durch sie konnte und
noch zeitgemäß oder vielleicht überholt? Wie       kann der Wohlstand in Breite erhöht werden.
wäre sie gegebenenfalls weiterzuentwickeln?        Staaten fördern mittlerweile in Konkurrenz zu-
                                                   einander die Innovation und die entsprechen-
8. Marktwirtschaft: Wettbewerb unter Regeln        den Wissenschaften.
Der historische Erfolg zeigt, dass der Markt ein
zentrales und unübertroffenes Element zur          10. Wachstum und Nachhaltigkeit
Hervorbringung von Wohlstand ist. Ohne ein         Wachstum betrifft begrifflich die Veränderung
weltweites Marktsystem ist eine Zukunft in         der geeignet quantifizierten (monetären) Wirt-
Wohlstand für die ganze Welt nicht vorstellbar.    schaftsleistung unter dem marktstrukturieren-
Markt bedeutet Wettbewerb unter Regeln.            den ersten Restriktionensystem. Es besteht

                                                                                                19
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                                                                                                                    des ICG werden
Festschrift zum Jubiläum
                                                                                                                     klimaneutral
                                                                                                                     durchgeführt.

zunächst kein unmittelbarer sachlicher Zusam-                          13. Was bedeutet Ökosoziale Marktwirtschaft?
menhang zur Nachhaltigkeit. Die aktuelle Her-                          Mit dem Begriff der nachhaltigen Marktwirt-
ausforderung besteht darin, die Nachhaltigkeit                         schaft2, der eine Kombinierbarkeit der beiden
in das bestehende System zu integrieren, wo-                           großen Konzepte der Nachhaltigkeit und des
bei offensichtlich ist, dass das jetzige System                        Marktes zum Gegenstand hat, ist die Frage ver-
trotz aller Debatten und Aktivitäten zum The-                          bunden, ob die gleichzeitige Umsetzung beider
ma nicht nachhaltig ist. Wichtige Parameter, z.                        Leitkonzepte prinzipiell realisierbar ist oder ob
B. der weltweite CO2-Ausstoß oder die Anzahl                           weiteres massives Wachstum in einer „Bra-
der Menschen, die akut vom Hunger bedroht                              silianisierung“ oder in einem ökologischen
sind, deuten ganz im Gegenteil auf eine im-                            Kollaps enden wird. Die heutige Welt ist weit
mer weitergehende Verschlechterung des Sta-                            davon entfernt, nachhaltig zu sein. Unter den
tus quo in Bezug auf Nachhaltigkeit hin. Nicht                         Vertretern von Politik, Unternehmen und Zivil-
besser ist die Lage hinsichtlich der Ressour-                          gesellschaft findet man viele Personen, die zu-
cen- und Energiefrage, der Entwicklung der                             nehmend Zweifel daran haben, ob die Gleich-
Weltbevölkerungsgröße, der ‚Plünderung‘ der                            zeitigkeit beider Konzepte überhaupt möglich
Realökonomie und der Staaten über ein unzu-                            ist. Noch mehr Zweifel besteht darüber, ob es
reichend reguliertes Weltfinanzsystem und die                          zudem (positives) Wachstum (in der heutigen
resultierende Schuldenkrise. An diesen Stellen                         Definition) geben kann. Ein erfolgversprechen-
müssen jetzt entscheidende Weichenstellun-                             der Ansatz, mit dem eine Kombination beider
gen erfolgen, sonst „endet“ die Menschheit in                          Konzepte gelingen kann, ist das etwa 35 Jahre
einer „brasilianisierten“ Welt oder einem öko-                         alte Konzept einer Ökosozialen Marktwirt-
logischen Kollaps.                                                     schaft. Es ist eine konsequente Fortentwicklung
                                                                       der sozialen Marktwirtschaft um Umwelt- und
11. Nachhaltigkeit als Constraint-System                               Klimaschutz. Um im Sinne der Nachhaltigkeit
Idealtypisch lässt sich Nachhaltigkeit in Form                         wirksam werden zu können, ist eine weltweite
eines Constraintsystems (z. B. bzgl. der pro Jahr                      Implementierung ohne ‚Schlupflöcher‘ erfor-
zulässgen CO2-Emissionen weltweit oder der                             derlich. Richtig umgesetzt ist innerhalb eines
Höhe einer für jeden Menschen weltweit be-                             solchen Kontextes bei der heutigen Ausgangs-
reitzustellenden “Minimal Daily Allowance“)                            situation auch ein mit Nachhaltigkeit kompa-
beschreiben. Man benötigt in diesem Sinne zur                          tibles (positives) Wachstum möglich.
Operationalisierung der Nachhaltigkeit ein
Nachhaltigkeits-orientiertes Restriktionensys-                         14. Fundamentalidentität
tem für die Bereiche Ökonomie, Gesellschaft                            Es kann gezeigt werden, dass die Ökosoziale
(sozial-kulturell) und Ökologie.                                       Marktwirtschaft Markt und Nachhaltigkeit in
                                                                       einem Rahmen vereinigt. Es lässt sich genauer
12. Wie setzt man Nachhaltigkeitsrestriktio-                           zeigen, dass dies auch die einzige mögliche Lö-
nen durch?                                                             sung für dieses Ziel ist (Fundamentalidentität).
Es gibt unterschiedliche Formen der Arbeits-
teilung in der Durchsetzung von Nachhaltig-                                           Fundamentalidentität:
keit. Zur Erreichung der erforderlichen Restrik-                                            Marktwirtschaft
tionen stehen den unterschiedlichen Akteuren
                                                                                            + Nachhaltigkeit
verschiedene Instrumente zur Verfügung. So
kann die Politik mit Hilfe ordnungsrechtlicher                                    = Ökosoziale Marktwirtschaft
Instrumente (produkt- oder prozessbezogene

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                      Vgl. zusätzlich www.doktoranden-netzwerk.de, www.initiative.-nawi.org, www.holger-rogall.de

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