In-situ-Karzinome - NEWBOOKS Services
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
MANUAL Mammakarzinome 98 © 2017 by Tumorzentrum München und W. Zuckschwerdt Verlag München In-situ-Karzinome V. v. Bodungen, A. Andrulat, S. Anthuber, C. Becker, C. Bülow, I. Himsl, M. Kolben, P. Schaffer Das duktale Carcinoma in situ (DCIS) macht im Duktales Carcinoma in situ (DCIS) Einzugsgebiet des Tumorzentrums München 11 % aller neu diagnostizierten Mammakarzinome aus Die Risikofaktoren für die Entstehung eines DCIS (Daten des Tumorzentrums München 2014). entsprechen denen des invasiven Mammakarzi- noms (siehe Kapitel Prävention sowie Prädiktive In Ländern mit Mammografie-Screening-Program- und prognostische Faktoren). Bei BRCA-Mutati- men liegt die Inzidenz bei 15–20 % aller im Rah- onsträgerinnen tritt ein DCIS oft früher auf als bei men dieser Programme erfassten Läsionen (Ernster sporadisch Erkrankten. et al. 2002). Nach Angabe des deutschen Mammo- grafie-Screening-Programms wurde in Bayern in Histopathologie den Jahren 2012 bis 2013 ein Anteil von ca. 20 % bei den DCIS erreicht. Die Inzidenz steigt mit Das DCIS ist eine heterogene Erkrankung, die zunehmendem Alter und hat ihren Höhepunkt bei durch die WHO-Klassifikation von 2003 nach prak- 65–69 Jahren. Bei Frauen unter 35 Jahren ist die tischen histopathologischen Kriterien einer einheit- Diagnose eines DCIS sehr selten (Tumorregister lichen Einteilung und einem standardisierten Gra- München). ding zugeführt wurde. Das Grading stützt sich pri- Das gemeinsame histopathologische Merkmal der mär auf zytologische bzw. Zellkernveränderungen In-situ-Karzinome ist der fehlende Nachweis der (Kern-Grading); zusätzlich stellen intraluminale Stromainvasion (intakte Basalmembran). Komedonekrosen ein wichtiges Kriterium dar. Von wesentlicher Bedeutung und essenziell für den his- Die In-situ-Karzinome lassen sich in zwei Subgrup- tologischen Befundbericht sind exakte Angaben pen einteilen: das duktale Carcinoma in situ (DCIS, über den Abstand der Läsion zu den Rändern. 90–95 % aller In-situ-Karzinome) und das lobuläre Carcinoma in situ oder LCIS (früher als „lobuläre Eine ausführliche Darstellung dazu s. Kapitel intraepitheliale Neoplasie“ (LIN) bezeichnet). Pathologie der Mammakarzinome. Diese beiden Untergruppen stellen sowohl morpho- logisch als auch im Hinblick auf Diagnostik, biolo- Ausbreitungsmuster gisches Verhalten und therapeutische Konsequen- zen zwei völlig unterschiedliche Entitäten dar. Das DCIS tritt überwiegend segmental und nicht multizentrisch auf, zeigt aber häufig ein multifoka- Histologische Merkmale eines duktalen Carcinoma les bzw. diskontinuierliches Ausbreitungsmuster in situ sind eine erhöhte epitheliale Proliferation, (was durch die zweidimensionale histologische eine geringe bis hochgradige zelluläre Atypie und Aufarbeitungstechnik oft auch nur vorgetäuscht eine regelmäßig vorhandene, aber nicht obligate wird). Der Abstand zwischen den Herden übersteigt Tendenz der Progression zu einem invasiven Karzi- jedoch selten 1 cm. nom. Die Progressionsrate zum invasiven Karzi- nom wird in der Literatur mit 28–50 % angegeben Die unterschiedlichen Angaben hinsichtlich Häu- (Collins et al. 2005, Cowell et al. 2013). figkeit und Bedeutung der Multifokalität und Multi-
In-situ-Karzinome 99 zentrizität dürften in erster Linie mit Unterschieden Eine mammografische Verdachtsdiagnose sollte in der Begriffsdefinition (wir definieren Multizent- primär durch minimalinvasive Techniken (z. B. ste- rizität als das Auftreten mehrerer Herde in verschie- reotaktische Vakuumbiopsie) gesichert werden. Bei denen Quadranten und Multifokalität als das Auf- vollständiger Entfernung der Läsion in der post- treten mehrerer Herde in einem Quadranten) und interventionell anzufertigenden Kontrollmammo- Gewebeaufarbeitung zusammenhängen. Histopa- grafie soll ein Markierungsclip zur späteren Lokali- thologisch findet sich in bis zu 30 % der Mastekto- sation gelegt werden (AGO 2017). Bei stanzbiop- mie-Präparate ein multizentrisches Ausbreitungs- tisch gesichertem DCIS muss zwingend eine offene muster (Alvarado et al. 2012). Dennoch treten 96 % Operation folgen. der Lokalrezidive nach brusterhaltender Therapie im selben Quadranten auf. Therapie Okkulte Invasion Die Standardbehandlung des histologisch gesicher- ten DCIS ist die vollständige Exzision bei bruster- Die Gefahr einer okkulten Invasion ist v. a. abhän- haltender Operation. Bei ausgedehnten Befunden, gig von der Größe der Läsion. Die Wahrscheinlich- Multizentrizität oder zu knappen Resektionsrän- keit eines invasiven Wachstums nimmt mit der dern kann auch eine Mastektomie indiziert sein. Größe der Läsion zu. Der Sicherheitsabstand sollte ≥ 2 mm (Therapieleit- linie der DKG1 und AGO2) am Paraffinschnitt Bei einer Größe < 2,5 cm lässt sich nur in seltenen betragen. Fällen eine Invasion nachweisen (retrospektive Daten). Bei Läsionen von 5–7 cm Größe lässt sich Wichtigster Prognosefaktor für das Lokalrezidiv in bis zu 44–75 % der Fälle eine Mikroinvasion risiko ist die Exzision im Gesunden mit einem nachweisen (Lagios et al. 1982). Sicherheitsabstand von mindestens 2 mm. Ein grö- ßerer Sicherheitsabstand führt nicht zu einer weite- Zur Frage der Aufarbeitung der Präparate siehe ren signifikanten Senkung der Lokalrezidivrate. Kapitel Pathologie der Mammakarzinome. Voraussetzung für diese Angaben ist eine adjuvante Bestrahlung der betroffenen Brust (Morrow et al. Diagnostik 2016) Die Verdachtsdiagnose „DCIS“ wird in über 90 % Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Abstand zur der Fälle anhand von Auffälligkeiten (Mikrokalzifi- Haut und zur Faszie auch geringer sein darf, da es kationen) in der Mammografie gestellt. Bei jeder sich hier um anatomische Begrenzungen handelt. Patientin mit Verdacht auf DCIS soll neben der kli- Bei ausreichend weit in sano erfolgter Resektion nischen Untersuchung eine bilaterale diagnostische und günstiger Relation zwischen Tumorausdeh- Mammografie in 2 Ebenen mit Vergrößerungsauf- nung und Brustgröße kann auch bei Multizentrizität nahmen der Mikrokalk-Areale und eine Sonografie die brusterhaltende Therapie erwogen werden. der Brust und Lymphabflusswege erfolgen. Die Lokalisation des betroffenen Gebietes erfolgt Wichtig ist, dass die Ausdehnung des DCIS häufig bei nicht eindeutig palpablen Befunden mittels prä- über die Verkalkungen hinausgeht. Eine Magnetre- operativer Markierung. Bei ausgedehntem Befund sonanztomografie (MRT) kann im Einzelfall (z. B. scheint eine Mehrfachmarkierung an den Grenzen High-Grade-Läsionen) Zusatzinformationen geben der Läsion von Vorteil zu sein. Für eine topografi- und ist nicht zur Detektion eines DCIS geeignet. sche Zuordnung durch den Pathologen sollte das Eine Meta-Analyse mit 9 Studien zum Effekt des Exzidat eindeutig markiert werden. präoperativen MRT auf das operative Management des DCIS hat gezeigt, dass die MRT nicht zu einer Erhöhung der R0-Resektionsrate beiträgt, sondern zu einer Erhöhung der Rate an Mastektomien (Fan- 1 siehe www.krebsgesellschaft.de/deutsche-krebsgesellschaft/ cellu et al. 2015). leitlinien.html 2 siehe www.ago-online.de/fileadmin(downloads/leitlinien/ mamma/maerz2015/de/2015D_Alle_aktuellen_Empfehlun- gen.pdf
V. v. Bodungen et al. 100 Intraoperativ sollte bei Mikroverkalkungen eine Gesamtüberleben zu haben (S3-Leitlinie der Präparatradiografie durchgeführt und mit der Mam- AMWF, AGO-Leitlinie 2017.vs1) mografie verglichen werden, um die vollständige Insgesamt liegt die 20-Jahres-Brustkrebsmortalität Entfernung des verdächtigen Areals, insbesondere nach einer SEER-Datenanalyse von Narod et al. aus allen Mikrokalks zu dokumentieren. Hierbei kann dem Jahr 2015 für Patientinnen mit DCIS bei 3,3 %. die Verwendung einer röntgendurchlässigen Trä- Die Brustkrebsmortalität steigt zwar insgesamt bei gerplatte mit Nadelfixierung von Vorteil sein. Auftreten von invasiven Rezidiven, die 10 Jahres Eine sofortige Nachresektion sollte durchgeführt Brustkrebsmortalität kann durch Senkung dieser werden, wenn der Kalk unvollständig erfasst ist. Rezidivrate mit Strahlentherapie jedoch nicht ver- Die Präparatradiografien sollten dem Pathologen ringert werden. Sowohl die NSABP-B-17-Studie für die Aufarbeitung des Gewebes zur Verfügung von 2011 (Wapnir et al. 2011) als auch die zuletzt gestellt werden. publizierte 15-Jahres-Aktualisierung der randomi- sierten EORTC-Studie 10853 von 2013 an über Entsprechend den aktuellen Leitlinien ist eine 1000 randomisierten Patientinnen (Donker et al. Schnellschnittuntersuchung nicht palpabler Läsio- 2013) zeigen eine ca. 50%ige Risikoreduktion für nen grundsätzlich abzulehnen. In seltenen Fällen invasive und nichtinvasive Rezidive. Subgruppen, kann sie zur Sicherung eines invasiven Karzinoms die nicht von der Strahlentherapie profitiert hatten, gerechtfertigt sein. konnten nicht identifiziert werden. Selbst in der Niedrigrisikogruppe (definiert mit low- bis interme- Axilläre Lymphonodektomie und Sentinel-Lym- diate-risk DCIS ≤ 2,5 cm und freien Resektionsrän- phonodektomie beim DCIS dern ≥ 3 mm) konnte nach 7 Jahren Nachbeobach- Bei histologisch gesichertem DCIS ist eine Lymph- tungszeit durch die Bestrahlung eine signifikante knotenoperation nicht indiziert. In der Literatur Reduktion des lokalen Rückfallrisikos von ca. 7 % werden beim DCIS in 0–2 % befallene Lymphkno- auf < 1 % erreicht werden (McCormick et al. 2015). ten angegeben, hier ist von einer übersehenen, sog. Wie auch schon von Hughes et al. (2009) beschrie- okkulten Invasion auszugehen. Diese Tatsache ben, ist anzunehmen, dass dieser Effekt mit den unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen his- Jahren der Nachbeobachtungszeit zunimmt. Des- topathologischen Aufarbeitung des Präparates wegen muss für eine Aussage über die lokale Kont- (Kelly et al. 2003). rolle eine entsprechend lange Nachbeobachtungs- zeit gefordert werden (Solin 2010). Gegen die ver- Die Rolle der Sentinel-Lymphonodektomie bei gro- besserte lokale Kontrolle und Rezidivreduktion ßem DCIS, DCIS mit Mikroinvasion oder bei müssen die Nebenwirkungen und die Nachteile der geplanter Mastektomie wurde bisher in Studien nur Strahlentherapie individuell abgewogen werden. unzureichend geklärt. In der AGO-Leitlinie 2017 werden folgende Indikationen beschrieben: Einen guten Überblick über die randomisierten Stu- dien geben die Publikation der EBCTCG von 2010 −− Bei Indikation zur Mastektomie aufgrund der mit über 3700 Patientinnen (EBCTCG, Correa et al. Ausdehnung des DCIS wird zur Vermeidung 2010) sowie die Arbeit von Cutuli et al. aus dem einer sekundären, dann notwendigerweise klas- Jahr 2014. sischen Axilladissektion primär eine Sentinel- Operation empfohlen. Der Biologie und weiteren Faktoren (wie z. B. dem Da jedoch in diesen Fällen in nur 4,2 % befallene Alter) geschuldet, bestehen bei dieser heterogenen Sentinel-Lymphknoten gefunden werden, kann Erkrankung im Einzelfall dennoch Unterschiede ggf. auch auf die SLNE verzichtet werden bezüglich der tatsächlichen Risikoreduktion durch (Bonev et al. 2016). die Bestrahlung, zu deren Abschätzung verschie- −− DCIS des Mannes dene Nomogramme entwickelt wurden (u. a. Rud- loff et al. 2010, Solin et al. 2013). Diese Nomo- gramme können zwar den weiteren Verlauf der Strahlentherapie des DCIS Erkrankung nicht zu 100 % vorhersagen, sind aber Die adjuvante Strahlentherapie reduziert signifikant potenziell hilfreich bei der Beratung und Aufklä- das Lokalrezidivrisiko, ohne Einfluss auf das rung der Patientin bezüglich verschiedener Thera-
In-situ-Karzinome 101 pieoptionen. Im Endeffekt bleiben sie aktuell Resektionsstatus und die Bestrahlungsdosis waren jedoch lediglich Prädiktionsmodelle. signifikante Prädiktoren für das rezidivfreie Überle- ben. Da es allerdings auch Daten gibt, welche kei- Zusammenfassend kann man für die Gruppe der nen zusätzlichen Effekt des Boosts zeigen (Rako- DCIS-Patientinnen sagen, dass die adjuvante Strah- vitch et al. 2013, Wong et al. 2012), äußert sich die lentherapie nach Brusterhaltung Standard ist. Ein aktuelle AGO-Leitlinie Diagnostik und Therapie Verzicht darauf ist nur im individuellen Fall (z. B. von Patientinnen mit primärem und metastasiertem höheres Alter, vorliegende Komorbiditäten, freie Brustkrebs (2017) nicht eindeutig zu einer Dosiser- Resektionsränder > 1 cm, niedriges Grading sowie höhung im Tumorbett. Bei guter Verträglichkeit der Tumoren < 2,5 cm) nach entsprechender Beratung Boost-Behandlung, welche durch den hohen Ein- und Aufklärung der Patientin über das höhere satz bei den invasiven Karzinomen bekannt ist Lokalrezidivrisiko möglich. Hierzu passt auch, dass (Bartelink et al. 2015), darf ein Boost aber durchaus die in den Leitlinien akzeptierten knappen freien bei der jüngeren Hochrisikopatientin großzügig Resektionsränder von 2 mm nur dann ausreichen, eingesetzt werden. wenn Patientinnen nach brusterhaltender Operation eine Bestrahlung erhalten (Dunne et al. 2009). Prognosefaktoren für ein Lokalrezidiv Eine Strahlentherapie ist nach Mastektomie bei DCIS in der Regel nicht indiziert (Childs et al. Als wichtigster Prognosefaktor für das Lokalrezi- 2013). div wird der tumorfreie Sicherheitsabstand (Dunne et al. 2009, Schwartz 2001) angesehen, gefolgt vom Technik und Dosierung der Strahlentherapie bei DCIS nukleären Differenzierungsgrad und anderen histo- Zur Technik und Dosierung der Strahlentherapie pathologischen Kriterien wie dem Anteil an Kome- verweisen wir auf das Kapitel Radioonkologische donekrosen. Behandlung. Standard ist aktuell die Normofraktio- Bei ungefähr 40–66 % der Lokalrezidive handelt es nierung mit 5 x 2,0 Gy/Woche bis kumulativ 50 Gy sich um invasive Karzinome (Meijnen et al. 2008). Zielvolumendosis. Ob bezüglich der Hypofraktio- Der Anteil der invasiven Karzinome an den lokalen nierung beim DCIS die gleichen Schlüsse wie beim Rezidiven galt lange Zeit als Argument für die invasiven Karzinom gezogen werden können, ist Mastektomie, um ein Höchstmaß an Sicherheit zu unklar. Allerdings erscheinen mittlerweile Publika- erreichen. Mittlerweile wird jedoch ein differen- tionen mit kürzeren Nachbeobachtungszeiten (< 10 ziertes Vorgehen unter Berücksichtigung des histo- Jahre), welche ein identisches Ergebnis beschreiben pathologischen Befundes und insbesondere des (Wai et al. 2011, Hathout et al. 2013). Sicherheitsabstands angestrebt. Das Alter der Pati- Ein Boost im Tumorbett von 9–16 Gy (5 x 1,8– entin wurde zunehmend als Prognosefaktor in der 2,0 Gy/Woche) kann in besonderen Risikokonstel- Behandlung des DCIS etabliert (Vicini/Recht lationen sinnvoll sein (z. B. knappe Resektion, sehr 2002). Bei jungen Patientinnen (< 40–50 Jahre) junge Patientin). Gerade jüngere Patientinnen zei- beobachteten Cutuli et al. (2002, 2014) in einer ret- gen ein besonders hohes Risiko für Lokalrezidive rospektiven Analyse der Daten von neun Zentren in nach brusterhaltender Operation (Holmberg et al. Frankreich mit 705 Fällen relativ hohe Lokalrezi- 2008), daher wurde in der Studie von Omlin et al. divraten sowohl nach alleiniger Operation und (2006) der Wert einer lokalen Dosiserhöhung im R0-Resektion (3/7, 43 %) als auch nach adjuvanter Tumorbett (Boost) bei Patientinnen unter 45 Jahren Strahlentherapie und R0-Resektion (6/25, 24 %) untersucht. Die mediane Nachbeobachtungszeit (medianes Follow-up 7 Jahre). Ähnliche Ergebnisse betrug 72 Monate (Range 1–281). 15 % der Patien- wurden auch in der retrospektiven Analyse von tinnen hatten ein Lokalrezidiv. Das lokalrezidiv- Tunon-de-Lara et al. (2010) gezeigt. Alvarado et al. freie 10-Jahres-Überleben betrug 46 % für die nicht (2012) fanden bei Patientinnen unter 40 Jahren sig- adjuvant strahlentherapierte Gruppe, jedoch 72 % nifikant häufiger ein multizentrisches DCIS (29,3 % für die Radiotherapie-Gruppe ohne bzw. 86 % für der Fälle p = 0,004). die Radiotherapie-Gruppe mit Boost. Die Unter- Eine Übersicht über mögliche und etablierte Prog- schiede zwischen allen drei Gruppen waren statis- nosefaktoren beim DCIS wurde für die Leitlinie der tisch hoch signifikant (p < 0,0001). Das Alter, der AGO (2017.vs1) aktualisiert (Tabelle 1).
V. v. Bodungen et al. 102 Tabelle 1. DCIS – Prognosefaktoren für das lokale und lokoregionäre Rezidiv (AGO 2017). Prognosefaktor Oxford LOE Grad AGO Resektionsränder 1a A ++ Residualer tumorassoziierter Mikrokalk 2b C ++ Alter 1a A ++ Größe 1a A ++ Grading 1a A ++ Komedonekrose 1a A ++ Architektur 2b C + Diagnostische Methode 1a A ++ Fokalität 1a A ++ (mod.) Van-Nuys-Prognose-Index 2b C +/– Palpables DCIS 2b C +/– Palpabel + COX-2+, p16+, Ki-67+ 2b C +/– Palpabel + ER-HER2+, Ki-67+ 2b C +/– HER2-Überexpression (pos. vs. neg.) 1a B +/– ER/PgR (pos. vs. neg.) 1a B +/– DCIS-Score 2b C +/– Nomogramm des Memorial Sloan Kettering Cancer Center 2b C +/– DCIS mit Mikroinvasion – Behandlung analog zum invasiven 3b C ++ Karzinom empfohlen Intrinsischer Subtyp (Luminal-A, -B, HER2+, triple-negativ) 2b C – Adjuvante Systemtherapie beim DCIS untersucht. 1920 Frauen mit einem hohen Mamma- karzinom-Risiko wurden für die Behandlung mit Nach brusterhaltender Therapie des DCIS kann das Anastrozol randomisiert, 1944 Frauen erhielten ein Lokalrezidivrisiko bei Nachweis von Hormonre- Placebo. Nach einem medianen Follow-up von 5 zeptoren durch Tamoxifen signifikant gesenkt wer- Jahren entwickelten 40 Frauen in der Anastrozol- den, ohne Einfluss auf das Gesamtüberleben zu Gruppe (2 %) und 85 in der Placebo-Gruppe (4 %) nehmen. Nach einer Cochrane-Metaanalyse (Staley ein Mammakarzinom (Hazard-Ratio 0,47 [95 %-KI et al. 2014) reduziert Tamoxifen das Risiko eines 0,32–0,68], p < 0,0001). In der Anastrozol-Gruppe ipsilateralen DCIS um 25 % und eines kontralatera- wurden 18 Todesfälle beobachtet, in der Placebo- len DCIS um 50 %. Die Reduktion eines invasiven Gruppe 17 (Cuzick et al. 2014). Karzinoms beträgt kontralateral ca. 43 %, ipsilate- ral zeigt sich eine tendenzielle Reduktion um 21 %. Zur Wirksamkeit einer Trastuzumab-Therapie Angesichts der Risikoerhöhung für thromboembo- (Herceptin®) bei Vorliegen einer HER2-Überex- lische Komplikationen und für ein Endometrium- pression an DCIS-Gewebe liegen derzeit keine karzinom und der Tatsache, dass die Gesamtmorta- Erkenntnisse vor. Ein Einsatz außerhalb kontrollier- lität durch Tamoxifen nicht gesenkt werden kann, ter Studien ist deshalb nicht indiziert. sollte eine präventive Tamoxifen-Behandlung nur nach ausführlicher individueller Risikoberatung Rezidive beim DCIS: Prognose und Therapie und abhängig von Risikofaktoren, Nebenwirkun- gen und Patientinnenpräferenz indiziert werden. Die intramammären Rezidive sind in etwa der Der Einsatz von Aromatase-Hemmern beim DCIS Hälfte der Fälle invasiv. Bei Nachweis eines invasi- wurde in einer internationalen Studie (IBIS II) ven Karzinoms sollte entsprechend den hierzu vor-
In-situ-Karzinome 103 liegenden Empfehlungen verfahren werden. Bei gen eines LCIS liegt bei etwa 1 % pro Jahr beidseits einem lokalen DCIS-Rezidiv nach brusterhaltender (Fisher et al. 2004). Therapie stehen die Re-Exzision, Re-Exzision mit Siehe hierzu auch Kapitel Pathologie der Mamma- nachfolgender Radiatio der Brust (falls noch nicht karzinome. bestrahlt wurde) oder die Mastektomie als Thera- pieoptionen zur Verfügung (Solin et al. 2001). Zur brusterhaltenden Rezidivtherapie gibt es derzeit Therapie keine Publikationen, die größere Kollektive umfas- Entsprechend den Empfehlungen der AGO muss sen. Untersuchungen mit kleineren Fallzahlen zeig- das LCIS grundsätzlich nicht offen biopsiert wer- ten jedoch keine signifikante Verschlechterung der den. Prognose. Das pleomorphe LCIS und das LCIS mit Nekrose Nachsorge und extensiver Beteiligung der Lobuli werden als maligne Läsionen (B5a) eingestuft und sollten voll- Die regelmäßige Nachsorge nach DCIS dient der ständig exzidiert werden. frühzeitigen Erkennung nichtinvasiver und invasi- Eine Exzision sollte auch erfolgen, wenn nach Kor- ver ipsi- und kontralateraler Karzinomherde. Sie relation mit der Bildgebung keine eindeutige Asso- wird bzgl. Bildgebung und klinischer Untersuchung ziation möglich ist, da in der Umgebung eines LCIS analog zum invasiven Karzinom durchgeführt häufig höhergradige, maligne Veränderungen als (siehe auch Kapitel Nachsorge). Die erste Mammo- eigentliches Korrelat eines Bildgebungsbefundes grafie der erkrankten Brust nach Operation und vorliegen. Radiatio sollte 12 Monate nach Abschluss der Bestrahlung erfolgen. Bei Vorliegen eines LCIS am Resektionsrand, auch im Rahmen der Exzision eines malignen Befundes, Aufgrund der zunehmenden Diskussion um eine ist eine Nachresektion nicht erforderlich. mögliche Überdiagnostik und nachfolgende Über- therapie von DCIS-Erkrankungen wird nun in einer Eine adjuvante Nachbestrahlung der Brust ist bei Vielzahl von Studien die Sicherheit einer Therapie- alleinigem LCIS nicht indiziert. deeskalation bei Patientinnen untersucht, die nach Betroffene Patientinnen sollten über das mit der heutigem Wissensstand das Niedrigrisikokollektiv Erkrankung verbundene erhöhte Risiko eines inva- darstellen. So läuft in Großbritannien eine Phase- siven Karzinoms aufgeklärt werden. Im weiteren III-Studie, die Patientinnen mit bioptisch gesicher- Verlauf der Nachsorge sollten jährlich Mammogra- tem Low-Risk-DCIS in operative Therapie versus fien erfolgen. Beobachtung randomisiert (LORIS, Rekrutie- rungsende 2020), und in den Niederlanden und Bel- gien befindet sich die randomisierte Phase-III-Stu- Literatur die LORD der EORTC in Vorbereitung. Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) (2017) Diagnostik und Therapie von Patientinnen mit Lobuläres Carcinoma in situ (LCIS) primärem und metastasiertem Brustkrebs; Empfehlun- gen der AGO-Kommission Mamma. www.ago-online. (bisher: lobuläre Neoplasie, lobuläre intraepitheli- de/fileadmin/downloads/leitlinien/mamma/2017-03/ ale Neoplasie) AGO_deutsch/PDF_Gesamtdatei_deutsch/Alle_aktu- ellen_Empfehlungen_2017.pdf Die Diagnose LCIS ergibt sich in der Regel als Alvarado R, Lari SA, Roses RE et al (2012) Biology, treat- Zufallsbefund bei der histologischen Abklärung ment, and outcome in very young and older women eines klinischen, bei apparativen Untersuchungen with DCIS. Ann Surg Oncol 19: 3777–3784 verdächtigen bzw. unklaren Mammabefundes. Das Bartelink H, Maingon P, Poortmans P et al (2015) Whole- LCIS gilt als Indikator für ein erhöhtes ipsi- und breast irradiation with or without a boost for patients kontralaterales Brustkrebsrisiko. Das Risiko der treated with breast-conserving surgery for early breast cancer: 20-year follow-up of a randomized phase 3 Entwicklung eines invasiven Karzinoms bei Vorlie- trial. Lancet Oncol 16: 47–56
V. v. Bodungen et al. 104 Bonev V, De Paz Villanueva CC, Garberoglio C et al Holmberg L, Garmo H, Granstrand B et al (2008) Absolute (2016) Is sentinel lymph node dissection necessary in risk reductions for local recurrence after postoperative all patients with ductal carcinoma in situ undergoing radiotherapy after sector resection for ductal carcinoma total mastectomy? Am Surg 82: 982–984 in situ of the breast. J Clin Oncol 26: 1247–1252 Childs SK, Chen YH, Duggan MM et al (2013) Impact of Hughes LL, Wang M, Page DL et al (2009) Local excision margin status on local recurrence after mastectomy for alone without irradiation for ductal carcinoma in situ ductal carcinoma in situ. Int J Radiat Oncol Biol Phys of the breast: a trial of the Eastern Cooperative Onco- 85: 948–952 logy Group. J Clin Oncol 27: 5319–5324 Collins LC, Tamimi RM, Baer HJ et al (2005) Outcome of Kelly TA, Kim JA, Patrick R et al (2003) Axillary lymph patients with ductal carcinoma in situ untreated after node metastases in patients with a final diagnosis of diagnostic biopsy: results from the Nurses´ Health ductal carcinoma in situ. Am J Surg 186: 368–370 Study. Cancer 103: 1778–1784 Lagios MD, Silverstein MJ (2015) Ductal carcinoma in Cowell C, Weigelt B, Sakr RA et al (2013) Progression situ: recent history and areas of controversy. Breast J from ductal carcinoma in situ to invasive breast can- 21: 21–26 cer: revisited. Mol Oncol 7(5): 859–869 Lagios MD, Westdahl PR, Margolin FR et al (1982) Duct Cutuli B, Cohen-Solal-le Nir C, de Lafontan B et al (2002) carcinoma in situ. Relationship of extent of noninva- Breast-conserving therapy for ductal carcinoma in situ sive disease to the frequency of occult invasion, multi- of the breast: The French Cancer Centers’ experience. centricity, lymph node metastases, and short-term Int J Radiat Oncol Biol Phys 53: 868–879 treatment failures. Cancer 50: 1309–1314 Cutuli B, Bernier J, Poortmans P (2014) Radiotherapy in Lee YS, Mathew J, Dogan BE et al (2011) Imaging fea- DCIS, an underestimated benefit? Rad Oncol 112: 1–8 tures of micropapillary DCIS: correlation with clinical Cuzick J, Sestak I, Forbes JF et al; IBIS-II investigators and histopathological findings. Acad Radiol 18: 797– (2014) Anastrozole for prevention of breast cancer in 803 high-risk postmenopausal women (IBIS-II): an inter- McCormick B, Winter K, Hudis C et al (2015) RTOG national, double-blind, randomised placebo-controlled 9804: a prospective randomized trial for good-risk trial. Lancet 383(9922): 1041–1048 ductal carcinoma in situ comparing radiotherapy with Dominguez FJ, Golshan M, Black DM et al (2008) Senti- observation. J Clin Oncol 33: 709–715 nel node biopsy is important in mastectomy for ductal McLaughlin VH, Trentham-Dietz A, Hampton JM et al carcinoma in situ. Ann Surg Oncol 15: 268–273 (2014) Lifestyle factors and the risk of a second breast Donker M, Litière S, Werutsky G et al (2013) Breast-con- cancer after ductal carcinoma in situ. Cancer Epide- serving treatment with or without radiotherapy in duc- miol Biomarkers Prev 23: 450–460 tal carcinoma in situ: 15-year recurrence rates and out- Meijnen P, Oldenburg HS, Peterse JL et al (2008) Clinical come after a recurrence, from the EORTC 10853 ran- outcome after selective treatment of patients diag- domized phase III trial. J Clin Oncol 31: 4054–4059 nosed with ductal carcinoma in situ of the breast. Ann Dunne C, Burke JP, Morrow M, Kell MR (2009) Effect of Surg Oncol 15: 235–243 margin status on local recurrence after breast conser- Morrow M, Strom EA, Bassett LW et al; American Col- vation and radiation therapy for ductal carcinoma in lege of Surgeons; College of American Pathology; situ. J Clin Oncol 27: 1615–1620 Society of Surgical Oncology; American College of Early Breast Cancer Trialists’ Collaborative Group Radiology (2002) Standard for the management of (EBCTCG); Correa C, McGale P, Taylor C et al (2010) ductal carcinoma in situ of the breast (DCIS). CA Can- Overview of the randomized trials of radiotherapy in cer J Clin 52: 256–276 ductal carcinoma in situ of the breast. J Natl Cancer Morrow M, Van Zee KJ, Solin LJ (2016) Society of Surgi- Inst Monogr (41): 162–177 cal Oncology-American Society for Radiation Onco- Ernster VL, Ballard-Barbash R, Barlow WE et al (2002) logy-American Society of Clinical Oncology consen- Detection of ductal carcinoma in situ in women under- sus guideline on margins for breast-conserving surgery going screening mammography. J Natl Cancer Inst 94: with whole-breast irradiation in ductal carcinoma in 1546–1554 situ. J Clin Oncol 34: 4040–4046 Fancellu A, Turner RM, Dixon JM et al (2015) Meta-ana- Narod SA, Iqbal J, Giannakeas V et al (2015) Breast can- lysis of the effect of preoperative breast MRI on the cer mortality after a diagnosis of ductal carcinoma in surgical management of ductal carcinoma in situ. Br J situ. JAMA Oncol 1: 888–896 Surg 102: 883–893 Omlin A, Amichetti M, Azria D et al (2006) Boost radio- Fisher ER, Land SR, Fisher B et al (2004) Pathologic fin- therapy in young women with ductal carcinoma in situ: dings from the National Surgical Adjuvant Breast and a multicentre, retrospective study of the Rare Cancer Bowel Project: twelve-year observations concerning Network. Lancet Oncol 7: 652–656 lobular carcinoma in situ. Cancer 100: 238–244 Rakovitch E, Narod SA, Nofech-Moses S et al (2013) Hathout L, Hijal T, Théberge V et al (2013) Hypofractio- Impact of boost radiation in the treatment of ductal nated radiation therapy for breast ductal carcinoma in carcinoma in situ: a population-based analysis. Int J situ. Int J Radiat Oncol Biol Phys 87: 1058–1063 Radiat Oncol Biol Phys 86: 491–497
In-situ-Karzinome 105 Rudloff U, Jacks LM, Goldberg JI et al (2010) Nomogram Solin LJ, Gray R, Baehner FL et al (2013) A multigene for predicting the risk of local recurrence after breast- expression assay to predict local recurrence risk for conserving surgery for ductal carcinoma in situ. J Clin ductal carcinoma in situ of the breast. J Natl Cancer Oncol 28: 3762–3769 Inst 105: 701–710 Rutter CE, Park HS, Killelea BK, Evans SB (2015) Grow Souchon R, Sautter-Bihl ML, Sedlmayer F et al (2014) ing use of mastectomy for ductal carcinoma-in situ of DEGRO practical guidelines: radiotherapy of breast the breast among young women in the United States. cancer II: radiotherapy of non-invasive neoplasia of Ann Surg Oncol 22: 2378–2386 the breast. Strahlenther Onkol 190: 8–16 Schouten van der Velden AP, Schlooz-Vries MS, Boetes Staley H, McCallum I, Bruce J (2014) Postoperative Tam- C, Wobbes T (2009) Magnetic resonance imaging of oxifen for ductal carcinoma in situ: Cochrane systema- ductal carcinoma in situ: what is its clinical applica- tic review and meta-analysis. Breast 23: 546–551 tion? A review. Am J Surg 198: 262–269 Tunon-de-Lara C, Lemanski C, Cohen-Solal-Le-Nir C et Schwartz GF; Consensus Conference on the Classification al (2010) Ductal carcinoma in situ of the breast in of Ductal Carcinoma in Situ (2001) The current treat- younger women: a subgroup of patients at high risk. ment of ductal carcinoma in situ. Breast J 7: 308–310 Eur J Surg Oncol 36: 1165–1171 Silverstein MJ (2003) The University of Southern Califor- Vicini FA, Recht A (2002) Age at diagnosis and outcome nia/Van Nuys prognostic index for ductal carcinoma in for women with ductal carcinoma-in-situ of the breast: situ of the breast. Am J Surg 186: 337–343 a critical review of the literature. J Clin Oncol 20: Silverstein MJ, Lagios MD (2015) Treatment selection for 2736–2744 patients with ductal carcinoma in situ (DCIS) of the Wai ES, Lesperance ML, Alexander CS et al (2011) Effect breast using the University of Southern California/Van of radiotherapy boost and hypofractionation on outco- Nuys (USC/VNPI) prognostic index. Breast J 21: 127– mes in ductal carcinoma in situ. Cancer 117: 54–62 132 Wapnir IL, Dignam JJ, Fisher B et al (2011) Long-term Solin LJ (2010) The impact of adding radiation treatment outcomes of invasive ipsilateral breast tumor recurren- after breast conservation surgery for ductal carcinoma ces after lumpectomy in NSABP B-17 and B-24 ran- in situ of the breast. J Natl Cancer Inst Monogr (41): domized clinical trials for DCIS. J Natl Cancer Inst 187–192 103: 478–488 Solin LJ, Fourquet A, Vicini FA et al (2001) Salvage treat- Wong P, Lambert C, Agnihotram RV et al (2012) Ductal ment for local recurrence after breast-conserving sur- carcinoma in situ – the influence of the radiotherapy gery and radiation as initial treatment for mammogra- boost on local control. Int J Radiat Oncol Biol Phys 82: phically detected ductal carcinoma in situ of the breast. e153–e158 Cancer 91: 1090–1097
Sie können auch lesen