In Zukunft erneuerbar - magazin - Robin Wood

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In Zukunft erneuerbar - magazin - Robin Wood
Leben heißt handeln   3.50 € · ISSN 1437-7543 · Nr. 148/1.2021

                                           magazin

                                      Online-Protest:
                                      Death by Diesel

                                      Wald statt
                                      Autobahn

In Zukunft                            Wilde Wälder nicht
                                      verfeuern

erneuerbar
In Zukunft erneuerbar - magazin - Robin Wood
tatorte

    Verkehr(t) im Wald

                                                                                                         Foto: Channoh Peepovicz

                     Mit dem Dannenröder Wald fielen 300 Jahre alte Mischwälder in Nordhessen dem Aus-
                     bau der Autobahn 49 zum Opfer. Weder der Status als Trinkwasserschutzgebiet noch
                     die Proteste von Aktiven und Anwohner*innen halfen. Obwohl ROBIN WOOD bereits
                     seit den 80er Jahren vor den Folgen des Waldsterbens warnte, fand dies keine Berück-
                     sichtigung bei der Planung der Verkehrswege. Immer noch scheint es keine Rolle zu
                     spielen, dass Wälder wichtige Verbündete im Kampf gegen die Klimakrise sind.
                     Unterstützen Sie im neuen Jahr unsere Forderungen nach einer Mobilitätswende.
                     Helfen Sie mit Ihrer Spende! Nur so können wir politischen Druck aufbauen und uns
                     gegen eine überholte Verkehrspolitik stellen. Herzlichen Dank! Schauen Sie dafür bitte
                     auch auf Seite 12 bis 15 dieser Ausgabe.

2     Nr. 148/1.21
In Zukunft erneuerbar - magazin - Robin Wood
editorial

Wegen Corona weiter mit Abstand und Maske: Sie können diese Masken in der ROBIN WOOD-Geschäftsstelle unter
info@robinwood.de bestellen

Liebe Leserinnen und Leser!
Aktiv für die Umwelt – das müssen wir gerade auch in          zu müssen. Zur Erinnerung: Die Produktion von Zement ist
Zeiten der Corona-Pandemie bleiben: Ob im Homeoffice bei      extrem klimaschädlich. Bis das Unternehmen seine umwelt-
Recherchen zu Umweltskandalen oder bei Aktionen wie           schädlichen Aktivitäten ändert, zeigen wir Heidelberg­
gegen Castortransporte und Flughafenausbau. Natürlich         Cement weiter die Rote Karte. Machen Sie mit und bestel-
coronakonform mit Maske und Abstand, wie Sie ab Seite 6       len Sie die Roten Karten bei ROBIN WOOD. Mehr dazu finden
sehen können.                                                 Sie auf Seite 10 und 11.
Wir müssen die Öffentlichkeit informieren und Druck bei
den großen Konzerne machen, die gerne verbreiten, ihre        Wir müssen aktiv sein, weil die Wälder weltweit in Gefahr
Aktivitäten würden helfen Treibhausgase zu minimieren.        sind. So haben die Aktiven gegen das Roden im Dannen­
So behauptet die Agrokraftstoff-Industrie, dass Kraftstoffe   röder Wald protestiert. Alte Bäume mussten weichen, um
aus Pflanzenölen einen wesentlichen Beitrag zum Klima-        den Ausbau der A49 Platz zu machen. So kann eine Verkehrs-
schutz leisten könnten. Dabei ist klar, dass der Anbau von    wende nicht aussehen! Mehr dazu lesen Sie bitte ab Seite 12.
Ölpalmen und Soja die Regenwaldzerstörung in Südostasien
und Südamerika vorantreibt. Die Lebensräume zahlreicher       Die Wälder sind auch in Gefahr, weil Deutschland und die EU
Pflanzen- und Tierarten sind in Gefahr, die Klimakrise wird   planen, statt Kohle jetzt Bäume in unseren ausgedienten
befeuert. Dennoch wird weiter Agrodiesel aus Palm- und        Kohlekraftwerken zu verheizen. Holz, dass sowohl aus
Sojaöl dem herkömmlichen Diesel aus Mineralöl beigemischt.    alten estnischen Wäldern als auch aus der namibischen Sa-
Das ist Wahnsinn und damit kein Tropenwald mehr im            vanne stammt. Über diese gefährliche Entwicklung erfahren
Tank landet, schicken Sie bitte Ihre Protest-E-Mail an die    Sie mehr ab Seite 16 dieser Ausgabe.
Minister*innen Julia Klöckner, Peter Altmaier und Andreas     Aber es gibt auch gute Nachrichten: Ab Seite 20 berichtet Sus-
Scheuer: robinwood.de/death-diesel. Schauen Sie dazu          anne Jung vom Solarenergie-Förderverein, wie eine Energie­
bitte auch auf Seite 9 dieser Ausgabe.                        wende Erfolg haben kann, die auf Erneuerbare Energien
                                                              setzt. Und dass eine dringend notwendige Wärmewende mit
Druck müssen wir auch weiter beim Konzern Heidelberg­         Erdwärme und klugen Ideen gerade auf kommunaler Ebene
Cement machen. Unsere gemeinsame Postkartenaktion an          gelingen wird, lesen Sie bitte ab Seite 23.
den Vorstand von HC hat gewirkt. Allerdings hat der Konzern
erstmal nur seine Außendarstellung begrünt. Heidelberg­     Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung und bleiben Sie
Cement versucht den Anschein zu erwecken, dass sie Klima-   aktiv! Alles Gute wünscht Ihnen für die Magazin-Redaktion
schutz ernst nehmen, ohne ihre Unternehmens­politik ändern mit herzlichen Grüßen Ihre Christiane Weitzel

                                                                                                        Nr. 148/1.21           3
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inhalt

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                                                                                      6   Bremen: Atommüll-Verschieberei stoppen!
                                                                                      7   Berlin: Energiewende nicht kentern lassen
                                                                                      8   Bremen: Keine Subventionen für Flughafen!
                                                                                      9   Machen Sie mit bei unserer Protest-Aktion:
                                                                                          Death By Diesel

                                                      Seite 7
    Foto: ROBIN WOOD

                                                                              Seite 10

                                        tatort-hintergrund

                          Grün, Grüner ... HeidelbergCement? 10
                                                                  Foto: one climate

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                                                                                          verkehr

                                                                                  12 Danni bleibt! Mobilitätswende statt Waldzerstörung

    Foto: Channoh Peepovicz

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                                                                                wald

                                                       Foto: ELF /Karl Adami
                                                                                16 Wilde Wälder schützen – nicht verfeuern!
                                                                                20 Pelletkonzern plündert estnische Wälder
                                                                                22 Aufgeheizt: Protest gegen Pläne, Holz aus Namibia im
                                                                                   Kraftwerk Tiefstack zu verfeuern

                                            Seite 16

                                                                               Seite 26

                                        energie

Zerstörung made in Stuttgart: In Bangladesch soll    24
        ein neues Kohlekraftwerk gebaut werden
               Mehr Mut für Erneuerbare Energie!     26
                          Auf zur Wärmewende         29
                           Gas: Brücke ins Nichts    32

                                                                               Foto: SWLB

                                           Seite 36

                                                                                internes

                                                                                35 Vermächtnisse, Impressum
                                                                                36 ROBIN WOOD-Ausstellung:
                                                                                   „Papier – weniger ist mehr“

                                                                                Beilagen: Zahlschein
                                 Foto: Ökostation Freiburg                                Flyer: Die Stechpalme, Baum des Jahres 2021

                                                                                                                   Nr. 148/1.21           5
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                                                                                                                  Foto: ROBIN WOOD

    Am Sonntag, den 1. November, protestierten Aktive von ROBIN WOOD spektakulär am Bremer Hauptbahnhof gegen den Castor-
    Transport, der mitten in der Corona-Pandemie von Großbritannien durch dicht besiedelte Gebiete wie Bremen nach Biblis führte

    Atommüll-Verschieberei stoppen!
    Bremen, 1. November 2020: Mit einer Kletteraktion am Bremer       bevor geklärt ist, wo der Müll auf Dauer gelagert werden
    Hauptbahnhof protestierten ROBIN WOOD-Aktivist*innen              kann. Dadurch entstehen mehr Transporte, als unbedingt
    gegen den CASTOR-Transport Anfang November aus                    notwendig wären. Zudem sind die Sicherheitsvorkehrungen
    Großbritannien ins Zwischenlager Biblis. Weithin sichtbar         in sogenannten Standort-Zwischenlagern unzureichend. Un-
    hängten sie ein fünfzehn Meter langes Banner an die Fassade       ter anderem fehlt im Zwischenlager Biblis die Möglichkeit,
    des Bahnhofsgebäudes mit der Aufschrift: „Kein Plan, nur          beschädigte CASTOR-Behälter zu reparieren.
    Risiko! CASTOR stoppen!“
    Ende Oktober wurden die sechs CASTOR-Behälter mit                 Trotz des ungelösten Problems mit der Beseitigung des
    hochradioaktivem Atommüll aus der Atomfabrik Sellafield           Atommülls sind hierzulande noch immer sechs Atommeiler
    in Großbritannien verschifft. In Nordenham landete die            am Netz: Brokdorf, Grohnde, Emsland, Isar, Neckarwestheim
    strahlende Fracht an. Von dort ging es per Zug durch dicht        und Gundremmingen. Sie produzieren Tag für Tag mehr
    besiedelte Gebiete ins Zwischenlager am abgeschalteten            hochradioaktiven Atommüll – pro Jahr summiert sich dies
    AKW Biblis in Hessen – auch Bremen lag an der Transport-          auf deutlich mehr als 200 Tonnen. Die Urananreicherungs-
    strecke.                                                          anlage in Gronau und die Brennelementefabrik in Lingen
    ROBIN WOOD kritisiert diese planlose Atommüll-Verschie-           besitzen zudem eine unbefristete Betriebserlaubnis und
    berei, die das Atommüll-Problem nicht löst, aber Umwelt           beliefern Atommeiler weltweit mit neuem Brennstoff.
    und Bevölkerung einem beträchtlichen Risiko aussetzt.
    Noch im Frühjahr war der Transport aufgrund der Coro-             Gegen die unnötigen und gefährlichen Atomtransporte
    na-Pandemie kurzfristig abgesagt worden, nun aber fand er         hat sich 2019 das bundesweite Bündnis „Castor stoppen“
    – trotz aktuell höherer Fallzahlen – statt.                       gegründet, zu dem auch ROBIN WOOD gehört. Bis 2024 sind
    Die Rücktransporte des ursprünglich aus Deutschland               drei weitere Transporte hochradioaktiver Brennelemente
    stammenden Atommülls aus den so genannten Wiederauf-              aus Frankreich und England angekündigt – auch gegen diese
    bereitungsanlagen in Frankreich und England finden statt,         wird deutlicher Protest erwartet.

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Energiewende nicht kentern lassen
Berlin, 30. Oktober 2020: Ein Bündnis aus Umweltverbänden         chen und dem WWF Deutschland einen dreimal so hohen
begleitete die erste Lesung zur Novelle des Erneuerbaren-         Ausbau von Solar- und Windenergie. Mit dem im Entwurf
Ener­gie-Gesetzes im Bundestag auf der Reichstagswiese mit        geplanten Ausbau der Photovoltaik um fünf Gigawatt und
einer bildstarken Protestaktion. Merkel und Altmaier, hier        der Windenergie um 3,7 Gigawatt wird das Klimaziel des
ausgerüstet mit winzigen Windrädern und Solarmodulen,             Pariser Klimaabkommens nicht erreicht.
standen Aktivistinnen und Aktivisten mit großen Solarpa-
neelen und bis zu drei Meter hohen Windrädern gegenüber.          Das Bündnis kritisierte in diesem Zusammenhang, dass das
Die EEG-Novelle, die schon am 1.1.2021 das alte EEG ersetzte,     Wirtschaftsministerium mit einem zu geringen Energiebe-
reicht bei weitem nicht aus, um der Klimakrise zu trotzen.        darf kalkuliert. Der steigende Strombedarf im Verkehrs- und
Der geplante Ausbau von Sonnen- und Windkraft ist zu              Wärmebereich wird nicht mit eingerechnet. Neben der
niedrig ausgelegt.                                                Verdreifachung der Ausbauziele sehen die Umweltverbände
                                                                  einen Abbau der finanziellen und bürokratischen Hürden
Kanzlerin Merkel und Wirtschaftsminister Altmaier                 für die Bürgerenergie als zentral an.
verschleppen die Energiewende. ROBIN WOOD forderte
zusammen mit Campact, der Deutschern Umwelthilfe, den             Mittlerweile ist EEG-Novelle 2021 vom Bundestag beschlos-
NaturFreunden Deutschlands, dem Umweltinstitut Mün-               sen und zum Jahreswechsel in Kraft getreten.

 Foto: ROBIN WOOD

Am 30. Oktober setzten sich Aktive von ROBIN WOOD gemeinsam mit einem Bündnis von Umweltverbänden vor dem Kanzleramt
für ein neues Erneuerbaren-Energie-Gesetz ein, das einen dreimal so hohen Ausbau von Wind- und Solarenergie vorsieht, wie von der
Regierung geplant

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    Keine Subventionen für Flughafen!
    Bremen, 16.12.2020: Der Bremer Flughafen ist ein Eigenbe-        kosten. Zusätzlich gibt es einen „Investitionsstau“, der auf
    trieb der Stadt. Was zur Folge hat, dass Bremen für seine        ca. 80 Millionen Euro beziffert wird. Weil sich bisher keine
    chronischen Defizite aufkommen muss. Weil das EU-Bei-            Partei öffentlich traute, der Wahrheit ins Auge zu sehen,
    hilferecht aber keine direkten Subventionen mehr erlaubt,        verbrannten Bremer ROBIN WOOD-Aktive gemeinsam mit
    trickste der Senat schon vor der Pandemie und übernahm           dem „KlimaNetzwerk Bremen“ um fünf vor 12 Uhr vor dem
    Ende 2019 die Flughafen-Feuerwehr. Die Kosten für die            Tagungsort der Landesregierung öffentlich (symbolisches)
    Feuerwehr werden auf rund 4,2 Millionen Euro pro Jahr            Geld. Das sollte eindrücklich zeigen, was ein weiteres Fest-
    beziffert. Der Erhalt eines defizitären Regionalflughafens ist   halten am Flughafen bedeuten wird.
    klima- aber auch fiskalpolitischer Irrsinn, denn diese Mittel    Da die Aktivist*innen just am ersten Tag des verschärften
    werden dringend für die sozial-ökologische Mobilitätswende       Lockdowns keinen direkten Kontakt zu den Abgeordneten
    gebraucht.                                                       haben durften und wollten, formulierten sie ihre Argumente
                                                                     ausführlicher in Form eines offenen Briefes, den sie ein paar
    Corona und der damit drastische Einbruch der Fluggast-           Tage später an die lokale Presse, Abgeordnete, Regierung
    zahlen hat dem Bremer Flughafen endgültig die wirtschaft-        und Flughafen verschickten.
    liche Grundlage entzogen. Die Stadt Bremen wird dies im
    laufenden Jahr voraussichtlich etwa 28 Millionen Euro             Werner Berendt, ROBIN WOOD-Regionalgruppe Bremen

                                                                                                                Foto: ROBIN WOOD

    Aktive von ROBIN WOOD und dem KlimaNetzwerk Bremen demonstrierten am 16. Dezember mit einer symbolischen Geldverbren-
    nung vor dem Bremer Senat gegen die Subventionierung des klimaschädlichen, seit Jahren defizitären Bremer Regionalflughafens

    Aktiv werden? – ROBIN WOOD im Überblick

    Darum geht’s: Mit kreativen Aktionen und klaren                  und übernimmt Verwaltungsaufgaben. Über die wichtigen
    Forderungen mischt sich ROBIN WOOD öffentlichkeits-              Anliegen des Vereins entscheiden die ehrenamtlich Aktiven
    wirksam in politische Debatten ein und streitet für eine         basisdemokratisch.
    umweltverträgliche und sozial gerechte Gesellschaft. Die         Die themenspezifische Arbeit erfolgt überregional in Fach-
    Kampagnen-Schwerpunkte von ROBIN WOOD liegen in den              gruppen, unterstützt durch hauptamtliche Kräfte. Ziele,
    Bereichen Wald, Tropenwald, Klima, Energie und Mobilität.        Inhalte und Forderungen der Aktivitäten im Fachgebiet
    Bundesweit organisieren sich ROBIN WOOD-Aktive in zahl-          werden dort diskutiert und im Konsens beschlossen.
    reichen Regionalgruppen, siehe auch robinwood.de/
    Regionalgruppen. Dort, wo es keine Gruppen gibt, sind            Weitere Informationen über ROBIN WOOD gibt es im Internet
    Neugründungen möglich. Die Bundesgeschäftsstelle in              unter www.robinwood.de. Kontakt: ROBIN WOOD-Bundesge-
    Hamburg unterstützt die lokalen Gruppen bei fachlichen           schäftsstelle, Bremer Str. 3, 21073 Hamburg, 040 3808920,
    Fragen, Recherche, Aktionsvorbereitung und Pressearbeit          info@robinwood.de

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In Zukunft erneuerbar - magazin - Robin Wood
tatorte

# NotInMyTank
Machen Sie mit bei unserer Protest-Aktion: Death By Diesel

18. Januar 2021: Zum Start des Kongresses „Kraftstoffe der     amerika voran. Die Lebensräume zahlreicher Pflanzen- und
Zukunft“ forderte ROBIN WOOD ein schnelles Aus für Kraft-      Tierarten sind in Gefahr, die Klimakrise wird befeuert.
stoffe aus Pflanzenölen sowie eine konsequent sozial-öko-
logische Verkehrswende. Industrieverbände veranstalteten       Die wachsende Nachfrage nach Agrodiesel aus Palm- und
– unter der Schirmherrschaft von Bundesverkehrsminister        Sojaöl erhöht den Druck auf die globale landwirtschaftliche
Andreas Scheuer – diesen Kongress, um Absatzmärkte für         Nutzfläche und verstärkt damit direkt und indirekt die
Agrokraftstoffe zu sichern und auszubauen.                     Entwaldung in den Anbauländern. Agrodiesel aus Palmöl ist
                                                               dreimal klimaschädlicher als fossiler Diesel. Sojadiesel ist
Zum 30. Juni 2021 muss die Bundesregierung die europä-         etwa doppelt so klimaschädlich. Dennoch wird Agrodiesel
ische Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) in deutsches    dem herkömmlichen Diesel aus Mineralöl beigemischt –
Recht umsetzen. Ein vom Bundesumweltministerium im             um ihn vermeintlich klimafreundlicher zu machen. Das ist
Herbst 2020 vorgelegter Gesetzesentwurf sieht im Verkehrs-     Wahnsinn und wir müssen gemeinsam diese Pläne stoppen!
sektor eine Minderungsquote von 22 Prozent für Treibhaus-
gase bis zum Jahr 2030 vor.                                    Damit kein Tropenwald mehr im Tank landet:
                                                               Bitte schicken Sie Ihre Protest-E-Mails an die
Die Agrokraftstoff-Industrie behauptet, dass Kraftstoffe aus
                                                               Minister*innen Julia Klöckner, Peter Altmaier
Pflanzenölen einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung
dieses Ziels leisten könnten. Der Anbau von Ölpalmen und       und Andreas Scheuer:
Soja treibt die Regenwaldzerstörung in Südostasien und Süd-    robinwood.de/death-diesel

Bitte unterstützen Sie die gemeinsame Kampagne von ROBIN WOOD und der Deutschen Umwelthilfe
gegen Palmöl im Tank. Herzlichen Dank!

 Foto: Transport & Environment

                                                                                                        Nr. 148/1.21          9
In Zukunft erneuerbar - magazin - Robin Wood
tropenwald

                                                                                                                   Foto: ROBIN WOOD

     Heidelberg, 4. Juni 2020: ROBIN WOOD, Watch Indonesia! und unsere Partner*innen in Indonesien forderten vor der Konzernzentrale
     von HeidelbergCement sämtliche Pläne für den Bau eines Zementwerkes am Kendeng-Gebirge in Indonesien JETZT einzustellen. Bitte
     unterstützen Sie uns weiter dabei!

     Grün, Grüner ... HeidelbergCement?
     In der Magazinausgabe Nr. 146/3.2020 hatten wir Sie              Erderwärmung auf deutlich unter 2° Celsius zu beschränken.
     um Unterstützung für unsere Kampagne gegen Heidel-               Es bleibt bei diesem Bekenntnis. Wirksame Maßnahmen,
     bergCement gebeten. Der deutsche Konzern plant, eine             um die Ziele des Pariser Klimaabkommen von 2015 umzuset-
     neue Zementfabrik zu bauen und dafür im javanischen              zen, fehlen. Der Förderkreis ist ein Konsortium einiger der
     Kendeng-Gebirge Kalksandstein abzubauen. Viele von               klimaschädlichsten Unternehmen Deutschlands. Sie versu-
     Ihnen haben Postkarten bestellt, um beim Konzernvor-             chen den Anschein zu erwecken, dass sie Klimaschutz ernst
     stand dagegen zu protestieren. Ihre Postkarten wirken! Der       nehmen, ohne ihre Unternehmenspolitik ändern zu müssen.
     Vorstand von HeidelbergCement sah ein, dass ein grünes
     Image für das DAX Unternehmen dringend erforderlich              Mitte Dezember 2020 hat Heidelberg­Cement dann in Sachen
     ist ... Leider pinselte er nur grüne Farbe auf sein durch und    Greenwashing nochmal nachgelegt. Das Unternehmen gab
     durch umwelt-, klimaschädliches und unsoziales Unter-            bekannt, eine sogenannte CO2-Abscheideanlage in einem
     nehmen und unternahm keinen Schritt zu einer tiefgreifen-        seiner Werke zu bauen. Damit soll CO2 eingelagert werden.
     den sozial-ökologischen Transformation.                          Die Anlage im norwegischen Brevik solle 2024 in Betrieb
                                                                      genommen werden. Ziel sei eine CO2 Reduktion der Emissi-
     Schenkt man dem auf grün getrimmten Newsletter von               onen um 50 Prozent.
     HeidelbergCement Glauben, gibt es kein anderes Konzern-          Ein Tropfen auf den heißen Stein, denn HeidelbergCement
     ziel als Klimaneutralität. Und das bis 2050 … echt jetzt? Zur    unterhält weltweit an 3.000 Standorten Unternehmen, da-
     Erinnerung: Die Produktion von Zement ist extrem klima-          von 91 Zementwerke. Die Emissionen der Zementproduktion
     schädlich. Der heimliche Klimakiller verursacht acht Prozent     insgesamt würden mit der Abscheidetechnik ab dem Jahr
     der weltweiten schädlichen CO2 -Emissionen. ROBIN WOOD           2024 um lediglich 0,46 Prozent reduziert. Das ist wahrlich
     sieht dringenden Handlungsbedarf und wird weiter aktiv!          kein großer Wurf. Warum wird diese tolle Weltneuheit nur
                                                                      in einem der 91 Werke gebaut und nicht gleich in allen?
     HeidelbergCement gab im November 2020 stolz bekannt,             Die Antwort klammert HeidelbergCement aus, dabei ist sie
     dem Förderkreis der Stiftung 2° beigetreten zu sein. Die Stif-   so offensichtlich: Die Technologie, das CO2 sicher einzula-
     tung bekennt sich zu dem Ziel, die durchschnittliche globale     gern, gilt als aufwändig, teuer und vor allem zu unsicher. Es

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tatort-hintergrund
drohen die Versauerung und Verunreinigung des Grund-
wasser bei Lecks und Lebensgefahr für alle in der Nähe der
Lecks. In Deutschland ist die Einlagerung von CO2 verboten.

Die glorreich präsentierte Lösung ist nicht im Ansatz
geeignet die hohen Emissionswerte des Zementherstellers
HeidelbergCement zu reduzieren. HeidelbergCement ist und
bleibt einer der weltweit schlimmsten Klimasünder. Zum
Vergleich: Wenn alle Unternehmen bis 2050 eine Klima­
bilanz wie HeidelbergCement hätten, würde sich das Klima

                                                                    Foto: one climate
laut der #WhatIf-Studie des Beratungsunternehmens Right
um 10,7° Celsius erwärmen.

Nicht nur die Klimaschädlichkeit der Produktion von
Zement, Beton und Zuschlagstoffen ist ein Problem. Das Ge-
wicht der Menschen gemachten Masse überholt gerade zum              HeidelbergCements Sünden weltweit: Im Westjordanland
ersten Mal das der Biomasse der Welt. Zement macht dabei            protestierten Klimaaktivist*innen gegen die Erweiterung des
den Löwenanteil aus, wie eine Studie israelischer Wissen-           Steinbruchs
schaftler*innen aus dem Dezember 2020 ergab.

Während HeidelbergCement hektisch grüne Farbe auf seine                                 Steinbruch und protestierten damit gegen dessen Erwei-
miserable Klimabilanz pinselt und auf ein überholtes Ge-                                terung , der sich in einem von Israel besetzten palästinen-
schäftsmodell setzt, kümmert das Unternehmen sich keinen                                sischen Gebiet befindet.
Deut um seine Sünden auf der ganzen Welt:
                                                                    •                   In Indonesien drohen Kleinbäuer*innen ihre Anbauflä-
•      In den USA bot der ehemalige Vorstandsvorsitzende                                chen zu verlieren. Ihre Trinkwasservorräte sowie Gebiete
       von HC Bernd Scheifele an, dem ehemaligen amerika-                               von hoher spiritueller Bedeutung für die indigenen Samin
       nischen Präsidenten Trump beim Bau seiner Mauer an                               und das artenreiche Ökosystem der Region sind in Gefahr.
       der mexikanischen Grenze zu helfen. Ein Zementwerk                               Die betroffenen Gemeinden reichten im September 2020
       sei ja in der Nähe.                                                              eine OECD-Beschwerde beim deutschen Bundeswirt-
                                                                                        schaftsministerium ein, die beim Redaktionsschluss noch
•      Die Tochterfirma „Ciments du Maroc“ ist in der West-                             bearbeitet wurde.
       sahara und damit in einem völkerrechtlich umstrittenen
       Gebiet aktiv. Damit nutzt der Konzern die ungeklärten        Unser Fazit lautet in Anlehnung an das firmeninterne
       territorialen Verhältnisse für seinen Profit und lässt die   Motto: ECHT katastrophal! – STARK klimaschädlich! –
       lokale Bevölkerung leer ausgehen.                            GRÜN washing! Wir zeigen HeidelbergCement die Rote Karte!
                                                                    Solange deutsche Unternehmen wie HeidelbergCement im
•      Ähnliches passiert im Westjordanland, in dem der Profit      Ausland Umweltschäden verursachen und Menschenrechts-
       trotz ungeklärter Konflikte um das Land ausschließlich       verletzungen begehen, müssen sie zur Verantwortung gezogen
       Israel zugute kommt. Gerade erst im November 2020            werden! Dafür bleiben wir am Ball und entlarven den grünen
       blockierten Klimaaktivist*innen drei Stunden einen           Anstrich.

 Machen Sie mit:
 Rote Karte für
 HeidelbergCement!!
    Zeigen wir HeidelbergCement die Rote Karte! Bestellen Sie in
    der ROBIN WOOD-Geschäftsstelle unter info@robinwood.de die
    Postkarte rechts. Senden Sie die Rote Karte an den Vorstand von
    HeidelbergCement und unterstützen Sie damit unsere gemein-
    samen Forderungen: Der Konzern muss seine klimaschädlichen
    und menschenverachtenden Projekte in aller Welt beenden und                           Rote Karte für HeidelbergCement!
    sein Unternehmen sozial und ökologisch umbauen!

                                                                                                                              Nr. 148/1.21            11
tropenwald

     Fotos: Channoh Peepovicz

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verkehr

Danni bleibt!
Mobilitätswende statt Waldzerstörung
Der Dannenröder Wald ist längst             häuser erst der Anfang waren. Vielen       Kindergruppen, Parents For Future und
geräumt: der letzte Baum auf der            ist bewusst geworden, dass es nicht        sogar einer Ü60-Blockadegruppe. Das
geplanten A49-Trasse fiel am 8.             nur um Wälder, sondern um ein ganz         gibt Hoffnung, dass eine synergetische
Dezember 2020, kurz nach Nikolaus.          anderes Mobilitätssystem geht, für das     Zusammenarbeit trotz vielfältiger Dif-
In einer enormen Geschwindigkeit            wir uns gemeinsam einsetzen.               ferenzen möglich ist, und wir gemein-
und mit dem Gewalt und Härte wurde                                                     sam mit einer breiten Diversität an
die Trasse für die A49 geräumt und          Der Protest gegen Autobahn- und an-        Taktiken viel erreichen können.
gerodet.                                    dere umweltschädliche Verkehrsinfra-
                                            strukturprojekte steht in einer langen     Auch wenn die Schneise im Danni
Der Dannenröder Wald, kurz Danni,           Tradition, ob nun gegen die Startbahn      nun gerodet ist, haben viele Gruppie-
ist damit bundesweit zu einem Symbol        West, Stuttgart21, die Fehmarnbelt-        rungen klar gemacht, dass sich die
geworden:                                   querung oder die A100 in Berlin. Doch      Automobil- und Straßenbaulobby auf
• für eine verfehlte Verkehrspolitik,       im Zuge der Proteste im Dannenröder        weitere Wellen des Protests gefasst
     die nicht auf der Höhe der Zeit ist,   Wald ist ein neues Bewusstsein dafür       machen müssen. Denn noch ist der
     an jahrzehntealten Plänen festhält     entstanden, dass wir unsere Lebens-        A49-Abschnitt durch den Danni nicht
     und dabei neue Erkenntnisse aus        grundlagen nicht einem veralteten          ausgebaut, noch sind die wertvollen
     der Wissenschaft ignoriert,            Verkehrssystem opfern dürfen – über        ökologischen Flächen nicht versiegelt,
• des Auseinanderfallens von Klima-         lokale Interessen hinaus.                  noch ist das Trinkwasserschutzgebiet
     bewegung und den Grünen, die bis                                                  intakt.
     dahin von hohen Zustimmungs-           Verschiedenste Gruppierungen haben
     werten durch breite zivilgesell-       sich in kürzester Zeit den vielfältigen    Der tatsächliche Ausbau der A49 durch
     schaftliche Klimaproteste profi-       Protesten um den Erhalt des Dannenrö-      den Danni, der am 1. September 2021
     tiert hatten,                          der Waldes und gegen den Ausbau der        starten soll, bietet also noch viel Po-
• eines Polizeieinsatzes, der erheb-        A49 angeschlossen: von Bürgerinitia-       tential für Protest. Es wird bereits ein
     liche Gefahren für die körperliche     tiven, die seit 40 Jahren gegen die A49    Klimacamp für das Frühjahr geplant, in
     und seelische Unversehrtheit aller     aktiv sind, über ein breites Spektrum      dem eine stärkere Vernetzung und ein
     Beteiligten in Kauf nahm und           von Umweltverbänden, dem Bündnis           gegenseitiges Lernen von Menschen
     dringend juristisch und parlamen-      Ende Gelände und neuen Klimagerech-        und Gruppen angestoßen werden soll,
     tarisch aufgearbeitet werden muss.     tigkeitsgruppen, radikale und zumeist      die sich für eine Mobilitäts- und Infra-
                                            junge Waldbesetzer*innen, bis hin zu       strukturwende einsetzen.
Aber der Danni ist auch zu einem Sym-
bol des stärker werdenden Kampfes
                                            Bei den Protesten im Dannenröder Wald geht es nicht nur um den Erhalt
für eine sozial-ökologische Mobilitäts­
                                            von Flora und Fauna, sondern um ein anderes und besseres Mobilitätssystem
wende geworden. Er wurde Symbol
einer Utopie des solidarischen Zusam-
menlebens, das weit über die Grenzen
Hessens hinaus ein Zeichen der Inspi-
ration und Hoffnung gesendet hat.

ROBIN WOOD war kurz vor Ende der
Räumung noch einmal im Danni. Die
Räumung der letzten Baumhäuser
war auch für uns mit viel Schmerz
verbunden. Die Schneise der Verwü-
stung war schwer zu ertragen. Doch
viele Menschen, die wir vor Ort trafen,
ob Waldbesetzer*innen oder Anwoh-
ner*innen, machten auch klar, dass der
Kampf um den Danni und die Baum-

                                                                                                            Nr. 148/1.21          13
verkehr

                                                                                   Foto: Stephan Röhl

                                                                                                                                                     Foto: Channoh Peepovicz
                                                                                                        Die Proteste sind vielfältig und werden
                                                                                                        nicht aufhören, bis eine echte Mobilitäts-
                                                                                                        wende erreicht ist

                                                                                                        Zielen des Pariser Klimavertrages und
                                                                                                        dem deutschen Klimaschutzplan. Er
                                                                                                        ignoriert weitere Umweltziele der Bun-
                                                                                                        desregierung, wie die Reduktion der
                                                                                                        Feinstaub- und Stickstoffoxidbelastung
                                                                                                        oder des Flächenverbrauchs.
      Foto: Channoh Peepovicz
                                                                                                        Was bisher für wenig öffentliche Auf-
                                                                                                        merksamkeit gesorgt hat, könnte nun
                                                                                                        dank der Proteste in und um den Danni
                                                                                                        endlich ein Thema werden, dem sich
                                                                                                        auch die Parteien im diesjährigen Bun-
                                                                                                        destagswahlkampf annehmen müssen.
                                                                                                        Denn wir haben nicht mehr viel Zeit,
                                                                                                        um die Erderwärmung auf 1,5°C zu
                                                                                                        begrenzen und unsere Lebensgrund-
                                                                                                        lagen wie Trinkwasser und saubere
                                                                                                        Luft zu schützen. Spätestens durch die
                                                                                                        vielfältigen Proteste um den Danni ist
                                                                                                        vielen Menschen klar geworden: Ver-
                                                                                                        kehrswende kann nicht einfach eine
                                                                                                        Umstellung auf E-Antrieb oder ein paar
                                                                                                        mehr Umweltzonen in Innenstädten
                                                                                                        bedeuten.

     Gleichzeitig schöpfen viele Bürgeriniti-   men aktuell viel Unterstützung, ob                      Die Mobilitätswende, die wir fordern,
     ativen und Gruppen an anderen Orten        im Fall der Proteste gegen die Hafen-                   ist radikal – im originären Wortsinn:
     aus der Erfahrung im Danni Hoffnung,       passage in Hamburg, die A21 südlich                     Sie geht an die Wurzel des Problems.
     da ihre lokalen Kämpfe gegen Auto-         von Kiel, die A44 im Lossetal oder die                  Das System Auto mit seinen hohen
     bahnausbauprojekte nun mehr mediale        Küstenautobahn A20 bei Oldenburg.                       Emissionen, seiner Flächenversiege-
     Öffentlichkeit, aber auch Aufmerksam-      Es scheint, als würde eine bundesweite                  lung und seinem hohen Naturver-
     keit durch die Klimabewegung erfah-        Bewegung, die an vielen Orten gleich-                   brauch muss überwunden werden!
     ren. Aktuell vernetzen sich das „Wald      zeitig agiert, zusammenwachsen.                         Jeder weitere Kilo­meter Autobahn kann
     Statt Asphalt“-Bündnis und andere                                                                  dieses Ziel nur konterkarieren. Der
     Initia­tiven, die bundesweite Unterstüt-   Das ist auch bitter nötig: Im so ge-                    Anti-Autobahn-Protest muss deshalb
     zung für die Danni-Proteste organsisiert   nannten Bundesverkehrswegeplan ist                      weiter gehen! „Keine neue Autobahn,
     hatten, mit lokalen Anti-Autobahn-Ini-     vorgesehen, dass bis 2030 noch 850                      nirgendwo!“ – weder auf dem Land
     tiativen.                                  Kilometer Fernstraßen neu gebaut und                    noch in der Stadt.
     Dabei wird klar: Die Mobilitätswen-        tausende Kilometer ausgebaut werden
     de wird an vielen Orten gleichzeitig       sollen! Der Bundesverkehrswegeplan                            Dominique Just, ROBIN WOOD-
     erkämpft. Die lokalen Proteste bekom-      2030 ist damit nicht konform mit den                                     Mobilitätsreferentin

14             Nr. 148/1.21
verkehr

                                                               Foto: Channoh Peepovicz

Unterstützen Sie bitte als erste gute Tat im neuen Jahr unsere Forderungen
nach einer Mobilitätswende. Helfen Sie mit Ihrer Spende! Nutzen Sie dafür
auch gerne den beiliegenden Zahlschein.
Nur so können wir politischen Druck aufbauen und uns gegen überalterte
Verkehrspläne stellen. In Zeiten der Klimakrise brauchen wir keine neuen Fern-
straßen, die Wälder und Biotope zerschneiden, sondern Ihre Hilfe für eine Ver-
kehrswende der Zukunft. Dafür kämpfen wir gewaltfrei gemeinsam.
Herzlichen Dank!

                                                                    Nr. 148/1.21         15
wald

     Wilde Wälder
     schützen – nicht
     verfeuern!

                                                                                   Foto: ELF /Karl Adami

     In den bereits umgewandelten Kohlekraftwerken in Europa wird überwiegend
     Holz aus Großbritannien, dem Südosten der USA und dem Baltikum, wie hier im
     Bild aus den estnischen Wäldern, verbrannt

16            Nr. 148/1.21
wald

Mitte des 19. Jahrhunderts waren die

                                           Foto: ELF /Karl Adami
westeuropäischen Wälder fast voll­
ständig verschwunden, weil ihr Holz
fürs Heizen und Kochen notwendig
war. Als dann Kohle als Energiequelle
entdeckt wurde, verlangsamte dies
die Rodung der Wälder. Die Industri­
alisierung begann. Der Energiebedarf
schnellte in die Höhe und mit der
zunehmenden Nutzung fossiler Ener­
gieträger wurde die Erderwärmung
befeuert. Knapp 200 Jahre später und
angesichts der Klimakrise soll Holz
nun als Energieträger den Klimakiller
Kohle im großen Stil ablösen.

Die Zeit der Kohle ist vorbei. Um die
Klimakrise zu bekämpfen, müssen
wir jetzt aus allen fossilen Energien     Wilde, alte Wälder, die Lebensraum für viele seltene Tier- und Pflanzenarten sind,
aussteigen. Doch statt konsequent und     werden für die Energiegewinnung aus Holz zerstört
schnell den Aufbau einer erneuerbaren,
ökologischen und sozial gerechten Ener­
                                          gieversorgung zu fördern, schieben            nisch schlichtweg nicht dafür ausgelegt,
                                          Industrie und Politik den Kohleausstieg       Holz mit hohem Borkenanteil wie Rin­
Stand der Dinge auf EU-Ebene:             künstlich nach hinten und setzen auf          denmulch und Reisig zu verfeuern.
                                          schädliche Scheinlösungen.                    Der aktuelle Holzüberschuss aus den
•   Die neue Europäische Biodiver­        Eine der fatalsten falschen „Lösungen“:       letzten drei Dürresommern wäre zwar
    sitätsstrategie und die darauf        Großkraftwerke könnten statt mit              geeigneter – würde aber in kürzester
    aufbauende Europäische Waldstra­      Kohle mit unseren Wäldern befeuert
    tegie, die Anfang dieses Jahres für   werden. Das Verbrennen von Holz
    die nächsten 10 Jahre verabschie­     könnte bald auf Bundes- und EU-Ebene            Stand der Dinge auf Bundesebene:
    det werden soll, eröffnet den Weg,    gefördert werden.
    Nachhaltigkeitskriterien für die                                                      •    Die Novelle des Erneuerbare-Ener­
    Nutzung von Holz-Biomasse zu          Verbrannt werden nicht unsere                        gien-Gesetzes wurde im Bundes­
    erarbeiten.                           Holzabfälle, sondern die alten                       tag verabschiedet. Im Gesetz sind
•   Bereits jetzt ist Holz-Biomasse       wilden Wälder der Welt                               höhere Ausschreibungsvolumen für
    kategorisiert als eine der soge­                                                           aus Biomasse erzeugtem Strom vor­
    nannten RES Sources (Renewable        Diejenigen, die das Verbrennen von                   gesehen. Auch soll biomassebasier­
    Energy Sources = nachhaltige          Holz-Biomasse befürworten, behaup­                   ter Strom in Zukunft höher vergütet
    Energiequellen) zur Energieerzeu­     ten gerne, dass hauptsächlich Abfall­                werden können. Dabei geht es um
    gung.                                 produkte wie Rindenmulch, Reisig oder                den Einsatz von Energiepflanzen,
•   Am 20. November 2020 hat die          schadhaftes Holz aus Dürrejahren in                  Gülle oder Bioabfall in Biogasanla­
    EU-Kommission den Entwurf             den Kraftwerken landen würden. Doch                  gen – aber auch um die Verbrennung
    für ein Gesetz veröffentlicht, das    das ist schlichtweg falsch!                          von Holz. Bisher hatte sich das
    regeln soll, welche Wirtschafts­                                                           Verbrennen von Holz-Biomasse auf
    sektoren als nachhaltig gewertet      In Ländern wie Dänemark und Bel­                     Grund der geringeren Rentabilität
    werden können. Der Entwurf sieht      gien wird die Holz-Biomasseverbren­                  gegenüber Gas nicht gelohnt.
    vor, dass auch das Verbrennen von     nung stark subventioniert, um so                •    Bis Ende 2020 wollte die Bundes­
    Biomasse als „nachhaltig“ gelten      die gesteckten Ziele für Erneuerbare                 regierung die Verordnung zur
    könnte. Bis Mitte Dezember stand      Energien zu erreichen. In den bereits                Förderung für Erneuerbare Wärme
    der Entwurf zur Konsultation. Eine    umgewandelten Kraftwerken im                         fertigstellen. Der Verbrennung von
    Verabschiedung des Gesetzes ent­      europäischen Ausland wird zur Zeit                   Holz-Biomasse könnten darüber grö­
    sprechend des Entwurfes wäre eine     überwiegend Kernholz aus Großbritan­                 ßere Subventionen zuteil werden.
    Katastrophe für unsere Wälder und     nien, dem Baltikum und dem Südosten             •    Im Rahmen des Kohleausstiegsge­
    würde eine Beschleunigung des         der USA verbrannt. Dies ist zum einen                setzes soll ein Förderprogramm zur
    Klimawandels und des Artenster­       der größeren Rentabilität geschuldet,                Umrüstung von Kohlekraftwerken
    bens bedeuten. Das Gesetz wäre        die über Kernholz erzielt werden kann.               auf Gas oder Biomasse aufgelegt
    für alle Mitgliedstaaten bindend.     Zum anderen sind die Kraftwerke tech­                werden.

                                                                                                               Nr. 148/1.21          17
wald

     Zeit verbrannt sein. Danach müsste          Südosten der USA und baut seine Pro­      Magazin). Auch aus den wertvollen
     für die restliche, beträchtliche Laufzeit   duktion kontinuierlich aus. Mit großen    Buchen-Urwäldern in Rumänien landet
     der umgerüsteten Kohle-Kraftwerke           Kahlschlägen in den artenreichen und      immer mehr Holz in Pelletform auf
     speziell für die Energiegewinnung Holz      zum Teil nahezu unberührten Laub­         dem deutschen Markt.
     geschlagen werden. Aus Waldnatur­           holz-Küstenwäldern im Südosten der
     schutzperspektive wäre es ohnehin           USA, wird der Lebensraum für eine         Intakte Wälder sind für unser Klima
     wünschenswert, den größten Teil des         große Anzahl von Pflanzen, Amphibien      unersetzlich. Sie binden Unmengen
     Dürreholzes als Schatten-, Feuchtig­        und anderen Arten unwiederbringlich       an CO2 und mildern lokal wie global
     keits- und Nährstoffspender, Erosions-      zerstört. Die Wälder befinden sich in     die Auswirkungen des Klimawandels.
     und Verbissschutz und als Lebensraum        einem weltweit einzigartigen Biodiver­    Größere Einschlagsmengen würden
     für unzählige Totholzarten auf den          sitäts-Hotspot. Etwa 30 Prozent der in    weltweit Waldökosysteme schwächen
     Flächen zu belassen.                        dieser Region beheimateten Pflanzen­      oder zerstören und deren Funktionen
                                                 arten sind endemisch, also weltweit       für Klimaschutz und Artenvielfalt
     Großkraftwerke auf Holz-Biomasse            ausschließlich dort beheimatet.           beeinträchtigen.
     umzurüsten würde eine gigantische           Enviva betrachtet Deutschland als ei­
     Nachfrage nach Holz bedeuten. Allein        nen riesigen neuen Markt. Bereits jetzt   Anders als häufig behauptet, ist das
     das Kraftwerk Wilhelmshaven würde           treffen sich hohe Repräsentant*innen      Verfeuern von Holz-Biomasse im
     jährlich bis zu drei Millionen Tonnen       des Unternehmens mit deutschen            großen Stil nicht klimaneutral: Die
     Holzpellets verbrennen. Das entspricht      Regierungsvertreter*innen.                Kohlenstoffemissionen aus ener­
     der gesamten Menge an Holzpellets,                                                    getischer Holz-Nutzung wieder zu
     die derzeit in Deutschland produziert       Auch in den baltischen Staaten ist        binden, dauert viele Jahrzehnte, wenn
     werden.                                     durch die wachsende Nachfrage nach        nicht gar Jahrhunderte, denn ein Wald
                                                 Biomasseenergie der Holzeinschlag in      wächst langsam. Die intensive Bewirt­
     Das Verbrennen unserer Wälder               den letzten Jahren deutlich intensiver    schaftung der jungen Folgewälder wür­
     ist eine Katastrophe für Klima und          geworden. In Estland hat er sich seit     de das Anreichern von langfristigen
     Artenvielfalt!                              2008 fast verdreifacht und Lettland       CO2-Senken in dicken Humusschichten
                                                 verzeichnete im vergangenen Jahr das      nahezu ausschließen.
     Das meiste Holz für die europäischen        höchste Holzeinschlagvolumen seit         Bereits 2018 haben 800 Wissenschaft­
     Großkraftwerke stammt von dem               2000. In den baltischen Staaten rodet     ler*innen aus der ganzen Welt in
     weltweit größten Pelletunternehmen          Europas größter Pelletproduzent Gra­      einem offenen Brief an die Europäische
     Enviva. Das Unternehmen betreibt            anul Invest die Wälder (lesen Sie dazu    Union gewarnt: „Die Verwendung von
     derzeit neun große Pelletwerke im           auch den Artikel ab Seite 20 in diesem    Holz, das gezielt für die Verbrennung
                                                                                           geerntet wird, würde den Kohlenstoff
                                                                                           in der Atmosphäre und die Erwärmung
                                                                                           der Erde für Jahrzehnte oder gar Jahr­
                                                                                           hunderte erhöhen, wie viele Studien
                                                                                           gezeigt haben. Selbst dann, wenn das
                                                                                           Holz Kohle, Öl oder Erdgas ersetzt“.
                                                                                           Ähnliche Warnungen wurden vom
                                                                                           Beirat der Europäischen Akademien
                                                                                           der Wissenschaften herausgegeben.
                                                                                           Holz mit Nachhaltigkeitszertifikat sei
                                                                                           in der Klimabilanz nicht besser, wie die
                                                                                           Wissenschaftler*innen betonen.

                                                                                           Die weiteren wertvollen Leistungen
                                                                                           des Waldes, wie Erholung, Medizin,
                                                                                           Rohstoff für langlebige Holzprodukte,
                                                                                           Schutz vor Überschwemmungen und
                                                                                           Lawinen und vieles mehr, würden
                                                                                           mit der Abholzung der Wälder zer­
                                                                                           stört – und werden bisher nicht in der
                                                                                           Rechnung veranschlagt. Die Einzigen,
                                                                                           die vom Wechsel von Kohle auf Holz
      Foto: Biofuelwatch                                                                   profitieren würden, sind die großen
                                                                                           Energiekonzerne, da sie weiter nichts
     Gegen die fatale Entwicklung, Großkraftwerke statt mit Kohle nun mit Wäldern zu       an ihrer Stromproduktion ändern
     befeueren, wachsen weltweit die Proteste                                              müssten.

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                                                                                                                Foto: Nuno Forner

Großkraftwerke auf Holz-Biomasse umzurüsten bedeutet eine gigantische Nachfrage nach Holz zu schaffen,
wie im Bild vom Fundão Biomassekraftwerk in Portugal zu sehen ist

Holz-Biomasseimport als Fort­              der Klimabilanz negativ angerechnet,       •    Subventionen und andere Anreize
führung kolonialer rassistischer           während im globalen Norden ein Land             für das Verbrennen von Waldholz
Traditionen                                profitiert. Auch in Namibia sind es in          zu beenden und sich für emissions­
                                           der Mehrzahl die weißen Großgrund­              arme und erneuerbare Energiequel­
In den USA existieren Berichte aus         besitzenden, die ihre Weidewirtschaft           len einzusetzen.
den betroffenen Regionen, in denen         erweitern können, die überhaupt erst       •    die Energie, die durch das Verbren­
Enviva Wälder rodet und Pelletfa­          zu einer Zerstörung der Savanne und             nen von Waldholz gewonnen wird,
briken besitzt, dass das Unternehmen       einer Zunahme der Büsche führte.                nicht den Erneuerbaren Energien
überwiegend schwarze Gemeinden             Das Projekt wird zu allem Überfluss             zuzurechnen.
ausbeute und ihnen einen Aufschwung        als ein Beitrag zur Wiedergutmachung       •    eine sofortige Abkehr von Holz-
durch eine grüne Energie-Industrie         des Genozids an den Herero und Nama             Bio­masse-Importen, die in koloni­
verspreche. Als Ergebnis bleiben den       gepriesen. Die Stadt Hamburg war                aler Tradition die Klimabilanz über­
Gemeinden am Ende zerstörte Wälder         für diesen Genozid mitverantwortlich            wiegend weißer, wohlhabender,
und eine nachweisbare Luftverschmut­       (mehr zu den Plänen für das Kraftwerk           europäischer Staaten begünstigen.
zung. Und ganz in der rassistischen        Tiefstack auf Seite 23).                   •    den Schutz und die Wiederherstel­
Tradition sind die Bundesstaaten, in                                                       lung der Wälder zu priorisieren und
denen abgeholzt und produziert wird,       EU-Politik auf dem Holzweg:                     sicher zu stellen, dass alle EU-Maß­
mit den ehemaligen Baumwollhandels­        Biomassaker Stopp!                              nahmen unsere Gesundheit, das
staaten identisch.                                                                         Klima und die Biodiversität schüt­
                                           Jetzt ist es an der Zeit, EU-Politi­            zen. Das weltweite Holz-Ernte­
Ein weiteres Beispiel für die Fortfüh­     ker*innen ganz klar zu sagen: Wir               niveau ist massiv zu senken.
rung kolonialer Traditionen ist die        dürfen das Energiesystem nicht auf den
geplante Umstellung des Hamburger          Holzweg geraten lassen! Das Verbren­       Die heutigen Entscheidungen der EU
Kraftwerks Tiefstack auf Holz-Biomas­      nen von Holz zu Zwecken der Ener­          werden uns, die Natur, die biologische
se-Verbrennung. Hier wird aktuell          giegewinnung ist eine Katastrophe.         Vielfalt und unser Klima noch jahrzehn­
geprüft, ob Buschholz aus Namibia          Stattdessen brauchen wir jetzt eine        telang beeinflussen.
genutzt werden könnte. Neben den           erneuerbare und ökologische Versor­
katastrophalen Folgen für das Klima        gung mit Wärme und Strom!                       Jana Ballenthien, Referentin Wald
und die Artenvielfalt, würden so wie­      Deswegen rufen wir EU-Entscheidungs­           und Ronja Heise, Referentin Energie,
der einmal Rohstoffe eines Landes im       träger*innen und EU-Mitgliedsstaaten                    ROBIN WOOD Hamburg
globalen Süden ausgebeutet und dort        dazu auf:

                                                                                                           Nr. 148/1.21             19
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     Alte Wälder benötigen unseren besonderen Schutz. In Estland sind in Naturparks jetzt Kahlschläge erlaubt

     Pelletkonzern plündert
     estnische Wälder
     Ein Journalist*innenteam deckt auf, wie der größte Pelletkonzern Europas für
     westeuropäischen Energiehunger alte Wälder in Estland ausbeutet

     Das Roden von Wäldern in Estland            können. Jetzt sind die meisten Bäume        EU-Richtlinien geschützt und es gilt ein
     zur Energiegewinnung nimmt rasant           gefällt. Seit 2015, als die estnische       Verschlechterungsverbot. Trotzdem
     zu. Welche politischen Entschei­            Regierung das Gesetz zum Schutz der         gab die estnische Regierung zwischen
     dungen beschleunigen die Zerstörung         Naturparks in Estland änderte, sind         2009 und 2018 die Erlaubnis, rund
     der estnischen Wälder? Wie kann es          hier Kahlschläge erlaubt. In den letzten    60.000 Hektar Wald innerhalb des
     sein, dass das Verbrennen von Bio­          Jahren hat sich der Wald dadurch stark      Natura-2000-Netzwerkes zu fällen.
     masse als „klimaneutral“ eingestuft         verändert.                                  Über die Onlineplattform Global
     wird? Und welche Folgen hat dies für        Um den steigenden Holzbedarf in             Forest Watch recherchierte die Journa­
     unsere Umwelt? Mit diesen Fragen            Westeuropa zu decken, roden Unter­          list*innen, dass 80 Prozent des Wald­
     haben sich 16 Journalist*innen aus          nehmen den Wald in großem Stil. Denn        verlustes seit 2001 in den letzten fünf
     acht Ländern drei Monate auseinan­          außer für Möbel und für Bauholz steigt      Jahren verursacht wurde, also seitdem
     dergesetzt und sind zu erschreckenden       in Europa seit einigen Jahren auch der      die estnische Regierung die Gesetze für
     Ergebnissen gekommen.                       Bedarf an Holz zur Energiegewinnung.        Schutzgebiete gelockert hat.

     Im Herzen des Naturparks Haanja im          Rodungen in Schutzgebieten                  Die jüngsten Rodungen im Haanja
     Süden Estlands, wo bis vor kurzem                                                       Naturpark fanden 2020 statt, wie
     noch dichter Wald stand, blickt man         Die Hälfte der Fläche Estlands ist          Satellitenbilder beweisen. Auf den
     heute über große Kahlflächen. Hier          mit Wald bedeckt. Das sind unge­            kahlgeschlagenen Flächen wuchs
     trifft sich das Journalist*innenteam mit    fähr zwei Millionen Hektar. Davon           vorher ein arten- und strukturreicher
     Kalev Järvik, der seit über zehn Jahren     gehören 380.000 Hektar zum EU               Buchen-Kiefern-Mischwald. Ziga
     in der Nähe des Waldes lebt. Bis vor        Natura-2000-Netzwerk. Besondere             Malek, Professor für Landnutzung
     kurzem hätte er noch bis zum Ende der       Brut- und Ruheplätze für seltene und        und Ökosystemdynamik an der Vrije
     Fläche unter einem Blätterdach laufen       bedrohte Arten sind hier durch die          Universiteit Amsterdam, ist sich sicher,

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dass die spezifischen Pflanzenarten,       aufnehmen wie die alten Bäume, die          zufolge, sind Kahlschläge für den
die hier vorher im Schatten der Bäume      dort vorher ein artenreiches Ökosys­tem     Verlust von jährlich 50.000 Brutpaaren
wuchsen, auf der nun offenen Fläche        bildeten.                                   im estnischen Wald lebender Vögel mit­
nicht gedeihen werden.                                                                 verantwortlich.
                                           Vom Staat subventionierte Rodung            Dass die Rodung in geschützten Gebie­
Die Journalist*innen entdeckten direkt     im Naturschutzgebiet                        ten subventioniert werde, sei unver­
neben dem Kahlschlag ein kleines                                                       schämt, sagt Liis Kuresoo vom Estonian
Moor, das offensichtlich durch schwere     Bei der Recherche stieß das Team            Fund for Nature. Graanul Invest und
Maschinen beschädigt wurde. Feucht­        schnell auf den größten Pelletprodu­        Valga Puu versichern, der Holzbedarf
gebiete wie dieses bedecken ungefähr       zenten Europas: das estnische Unter­        für die Pelletproduktion bestimme
ein Viertel Estlands. Sie fungieren als    nehmen Graanul Invest. 2,5 Millionen        nicht die Menge des geernteten Holzes.
wichtige Kohlendioxidsenken und sind       Tonnen Pellets produzierte es 2019,         Im Jahresbericht von Valga Puu liest
gesetzlich geschützt.                      Tendenz steigend. Große Teile der Pro­      sich das anders: „Unsere Ziele für 2020
                                           duktion werden nach Großbritannien,         orientieren sich an der Versorgung von
Offiziell ist der estnische Wald­          Dänemark und in die Niederlande per         Graanul Invest-Anlagen.“
bestand stabil                             Schiff exportiert.
                                           Seit der überarbeiteten Erneuer­            Die Richtlinie von 2009 definierte
Nach Angaben des estnischen Forest         bare-Energien-Richtlinie Estlands und       Holzpellets als „im Allgemeinen aus
Ressources Assessment (FRA) sei der        der Legalisierung der Verarbeitung          Verarbeitungsrückständen aus forstba­
estnische Waldbestand stabil und wür­      ganzer Bäume erntet Graanul Invest          sierten Industrien bestehend“. Graanul
de sogar leicht zunehmen. Tatsächlich      hektarweise Wald für die Pelletpro­         Invest offenbart in seinem Nachhal­
werden abgeholzte Gebiete nach der         duktion. 84 Prozent des Holzbedarfs         tigkeitsbericht 2020 frei heraus, dass
Fällung mit hauptsächlich jungen Fich­     kommt aus Kahl­schlägen, so der jähr­       mehr als ein Drittel seines Holzes aus
tensetzlingen neu bepflanzt. Diese Ge­     liche Bericht 2019.                         Rundholz stamme, oder aus Baumstäm­
biete werden als „Wald“ eingestuft. Die                                                men, die nicht den Kriterien für andere
sogenannten „zeitweilig unbestockten       Valga Puu ist ein Tochterunterneh­          Industrien entspräche. Etwa 40 Prozent
oder gerade neu bepflanzten“ Gebiete       men von Graanul Invest und erhielt          des Holzes, das Graanul Invest zu
haben seit 2010 um 20 Prozent zuge­        2020 EU-Subventionen in Höhe von            Pellets zerkleinert, stamme von ganzen
nommen, so das FRA. Dabei können           60.000 Euro für das Management des          Bäumen, die „nicht den Anforderungen
diese kleinen Fichten, die in Monokul­     Natura-2000-Gebietes im Naturpark           der Sägewerks- und Sperrholzindustrie
turen gepflanzt werden, erst in vielen     Haanja. Einem Bericht des Estonian          entsprechen“, sagt das Unternehmen.
Jahrzehnten so viel Kohlendioxid           Fund for Nature aus dem Jahr 2020           Es macht die schlechte Bewirtschaftung

Im Herzen des Naturparks Haanja im Süden Estlands, wo bis vor kurzem noch dichter Wald stand,
blickt man heute über große Kahlflächen

                                           Mangrovenwälder sind artenreich, schützen die Küste vor Sturm und Überschwemmung
                                           und sind als Weltnaturerbe geschützt. Die Firma Fichtner ist am Bau eines Kohlekraft­
                                           werks in Bangladesh beteiligt, das die Mangrovenwälder dort gefährdet
Foto: ELF /Karl Adami

                                                                                                             Nr. 148/1.21          21
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     durch die früheren Waldbesitzenden                       während des Zweiten Weltkriegs              gesellschaftlichen Spannungen wurden
     für die „Nichtkonformität“ der Bäume                     getötet oder deportiert wurden. „Der        in der nationalen Presse als „Wald­
     verantwortlich.                                          Anteil an minderwertigem Holz in den        kriege“ bezeichnet. Auch Bürger*innen
     Ein Großteil der estnischen Wälder                       estnischen Wäldern war schon immer          aus dem Dorf Saku setzen sich für den
     steht auf Ackerflächen, die Tausende                     hoch, weil die Wälder während der           umliegenden Wald ein. Sie kämpften
     Esten vor etwa siebzig Jahren zurück­                    Sowjet­zeit überhaupt nicht bewirt­         mit Protesten und Petitionen gegen die
     lassen mussten, weil sie entweder                        schaftet wurden“, sagt Marku Lamp,          Regierung, die den Wald fällen wollte.
                                                              Vizekanzler des Umweltministeriums.         Mittlerweile hat sich eine Bewegung
                                                              „Die Pelletproduktion ist also in ge­       gegründet. Diese neue Organisation
                                                              wisser Weise eine Chance, den minder­       konnte sich immerhin mit der staatli­
                                                              wertigen Bestand zu verkaufen.“             chen Forstverwaltung auf einen Kom­
                                                                                                          promiss einigen und so Teilbereiche
                                                              Die ökologischen Auswirkungen wer­          des Waldes vor der Rodung retten.
                                                              den dabei nicht berücksichtigt. „Min­
                                                              derwertiges Holz“ und „forstwirtschaft­     Nichtsdestotrotz geht die Rodung an
                                                              liche Reststoffe“ seien Begriffe, die nur   vielen Orten inner- und außerhalb Est­
                                                              auf wirtschaftlichen Überlegungen           lands weiter. In Zeiten von Klimaerwär­
                                                              beruhten, moniert Almuth Ernsting,          mung und Artensterben ist dies eine
                                                              Gründerin der Klimaaktivist*innen­          Katastrophe und darf nicht zugelassen
                                                              gruppe Biofuelwatch. Sie weiß, dass bei     werden! Alte, artenreiche Wälder sind
                                                              diesen Abwägungen „keine Rücksicht          unsere Verbündeten im Kampf gegen
                                                              auf den ökologischen, klimatischen          den Klimawandel! Wir müssen unsere
                                                              oder kulturellen Wert der Bäume“            Energie aus tatsächlich nachhaltigen
                                         Foto: Biofuelwatch

                                                              genommen wird.                              Quellen generieren und unsere Wälder
                                                                                                          konsequent und effektiv schützen!
                                                              Die Waldkriege
                                                                                                          Mehr Details und den Report finden Sie
                                                              Die Umweltschutzorganisation Esto­          auf dieser Seite: https://www.vpro.nl/
                                                              nian Fund for Nature kämpft seit 2004       argos/lees/onderwerpen/money-to-burn/
     Gemeinsam müssen wir unsere Wälder                       für den Erhalt von Biodiversität und        interactive.html
     konsequent schützen! Sie sind unsere                     Wald. Immer mehr Menschen wehren
     wichtigen Verbündeten im Kampf gegen                     sich gegen die Rodungen vor ihrer                   Kira Lange macht zur Zeit ein
     den Klimawandel!                                         Haustür. Die daraus resultierenden                  Praktikum bei ROBIN WOOD

     Aufgeheizt
     In Hamburg formiert sich Protest gegen Pläne der Umweltbehörde,
     Holz aus Namibia im Kraftwerk Tiefstack zu verfeuern

     Die EU und auch die deutsche Bundes­                     Im Jahr 2013 errang die Volksinitiative     Energien“ verfolgen. Die Stadt ver­
     regierung setzen darauf, dass künftig in                 UNSER HAMBURG – UNSER NETZ, zu              fügt inzwischen über alle Strom- und
     industriellem Maßstab Holz-Biomasse                      deren Gründer*innen ROBIN WOOD              Gas-Verteilnetze sowie über die kom­
     eingesetzt wird, um Strom und Wärme                      gehörte, einen großartigen Erfolg: Mit      plette Wärmegesellschaft.
     zu erzeugen. Passend dazu verfolgt die                   dem gewonnenen Volksentscheid wur­
     grün geführte Umweltbehörde in Ham­                      de die Stadt verpflichtet, die Energie­     Hinzu kommt das absehbare Aus für
     burg ein Projekt zum Import von Holz                     netze und die Fernwärmeversorgung           das 1.600-Megawatt-Kohlekraftwerk
     aus Namibia, das in umgerüsteten Koh­                    von den Konzernen Vattenfall und E.on       Moorburg, das Vattenfall erst 2015 in
     lekraftwerken verbrannt werden soll.                     zurück in die öffentliche Hand zuho­        Betrieb genommen hat. Das Kraft­
     Damit droht die Gefahr, dass ein Übel                    len. Und Hamburg muss das Ziel einer        werk wird dieses Jahr abgeschaltet. Es
     durch ein anderes ersetzt und Klima­                     „sozial gerechten, klimaverträglichen       rechnet sich nicht. Die Umwelt- und
     schutz nur vorgetäuscht wird. Gegen                      und demokratisch kontrollierten             Klimabewegung hatte jahrelang gegen
     das Vorhaben formiert sich Protest.                      Energieversorgung aus erneuerbaren          die milliardenschwere Fehlinvestition

22            Nr. 148/1.21
wald

auf Kosten von Klima, Umwelt und Ge­      gibt es in Namibia auf einer Fläche        herrschaft stand und in dem deutsche
sundheit gekämpft – auch viele ROBIN      von 30 bis 45 Millionen Hektar eine        Truppen Völkermord an den Herero
WOOD-Aktive: mit der Baumbesetzung        „unerwünschte Verbuschung“. Dies           und Nama begingen.
in Hamburg-Altona gegen den Bau           beträfe „mindestens 30 Prozent der
der Moorburg-Fernwärmetrasse, mit         Landesfläche“. Die GIZ propagiert die      Gegen das Projekt hat sich daher ein
Bootsdemos auf der Elbe und mit einer     großflächige Abholzung, um Pellets         breites Netzwerk von Organisationen
Abseilaktion vom Kühlturm.                aus dem Buschholz zu produzieren und       und Initiativen aus der Umwelt- und
                                          sie zu exportieren. Aktuell arbeitet das   Klimagerechtigkeitsbewegung posi­
Durch den längst überfälligen Kohle­      Unternehmen im Auftrag des Bun­            tioniert, das von ROBIN WOOD mit
ausstieg und den Rückkauf der Netze       desministeriums für wirtschaftliche        initiiert wurde. Das Netzwerk warnt
gewinnt Hamburg „viel größere             Zusammenarbeit und Entwicklung an          davor, dass der Buschholz-Export zu
Spielräume für eine aktive Energie-       einem entsprechenden Projekt mit dem       einer Verschärfung der Klimakrise,
und Klimapolitik“, wie auch Hamburgs      Titel „Nutzung von Busch-Biomasse“.        zur Vertiefung sozialer Missstände
grüner Umweltsenator Jens Kerstan                                                    sowie zu großflächigen ökologischen
beteuert. Wofür nutzt die Stadt diese     Holz aus dem globalen Süden für            Schäden in Namibia führen wird. Holz
Spielräume?                               Wärme in Hamburger Wohnzim­                direkt zu verbrennen, ist die denkbar
                                          mern verheizen?                            schlechteste Nutzung dieser wertvollen
Ganz im Trend, der auch bundespo­                                                    Ressource.
litisch und auf EU-Ebene politisch        In Städten des globalen Nordens wie
favorisiert wird, setzt die Hamburger     Hamburg würde das Holz durch einen         Mit einer öffentlichen Stellung­
Umweltbehörde auf die Verbrennung         Bilanzierungstrick als CO2-neutraler       nahme hat das Netzwerk deutlich
von Holz-Biomasse. Konkret prüfen         Brennstoff verbrannt. Namibia würde        gemacht, dass es das Projekt einer
die Behörde und die Wärme Ham­            durch die „Entbuschung“ eine seiner        „Biomassepartnerschaft Namibia –
burg GmbH, ob Kraftwerke wie das          größten Kohlenstoffsenken verlieren,       Hamburg“ entschieden ablehnt und
Heizkraftwerk Tiefstack mit Holz aus      Hamburg wäre fein raus – mit einer         sich einer Umsetzung entgegenstellen
Namibia befeuert werden könnte. In        vermeintlich sauberen Klimabilanz.         wird. ROBIN WOOD setzt sich für eine
dem Land im südlichen Afrika soll                                                    klimagerechte, zu 100 Prozent erneu­
in industriellem Maßstab Buschholz        Die Hamburger Umweltbehörde stellt         erbare Energieversorgung ein, die ohne
geerntet, nach Hamburg verschifft         dieses neokoloniale Projekt als „Part­     neokolonialen Import von Ressourcen
und hier in Form von Pellets verbrannt    nerschaft“ dar – ausgerechnet mit Na­      aus dem globalen Süden auskommt!
werden.                                   mibia, einem Land, das zwischen 1884
 Laut der Deutschen Gesellschaft für      und 1915 als Deutsch-Südwestafrika                         Ute Bertrand, Hamburg
Internationale Zusammenarbeit (GIZ)       unter grausamer deutscher Kolonial­                   ute.bertrand@robinwood.de

Der Import von Buschholz aus Namibia zum Zweck einer energetischen Verwertung ist sicher nicht klimaverträglich. Das liegt vor
allem an den Veränderungen der Landnutzung in Namibia, so eine gemeinsame Stellungnahme zahlreicher Umweltverbände darunter
auch ROBIN WOOD

Foto: ROBIN WOOD

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