Wald braucht Vielfalt! - magazin - Robin Wood

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Wald braucht Vielfalt! - magazin - Robin Wood
Leben heißt handeln             3.50 € · ISSN 1437-7543 · Nr. 149/2.2021

                                                     magazin

                             Wald
                             braucht
                             Vielfalt!

             Waldschäden 2020:      Wilde Wälder nicht
             To die or not to die   verfeuern
Wald braucht Vielfalt! - magazin - Robin Wood
tatorte

    Kein Wald
    in Großkraftwerke!

                                                                                                                  Foto: ELF /Karl Adami

                     Wälder sind unsere wichtigsten Verbündeten für das Klima – doch sie sind ernsthaft bedroht durch
                     intensive Düngung und industrielle Tierproduktion. Wir erleben das schlimmste Artensterben seit
                     den Dinosauriern. Nahezu jede Branche ist scharf auf den Wald – die Papierindustrie, die Bauin-
                     dustrie und seit neuestem die Energieerzeuger. Wie im europäischen Ausland schon Realität, plant
                     nun auch Deutschland wertvolle Wälder aus der ganzen Welt zukünftig in den Kohlekraftwerken
                     zu verbrennen. Das müssen wir stoppen! Unterstützen Sie unsere Kampagne: Kein Verfeuern von
                     Wäldern und Savannen in Großkraftwerken! Und machen Sie mit bei unserer Petition:
                     https://tinyurl.com/yxy94j8e.
                     Helfen Sie mit Ihrer Spende! Nur so können wir politischen Druck aufbauen und uns für den Schutz
                     der Wälder einsetzen. Herzlichen Dank! Lesen Sie dafür bitte auch ab Seite 24 dieser Ausgabe.

2     Nr. 149/2.21
Wald braucht Vielfalt! - magazin - Robin Wood
editorial

Abendliche, digitale Redaktionssitzung in Zeiten von Corona

Liebe Leserinnen und Leser!
Am 22. Mai jährt sich der Tag der Artenvielfalt zum zwan-          Nach drei sehr trockenen Sommern sind die Waldster-
zigsten Mal. Die Krise der Biodiversität ist nach der Klimakrise   bens-Zahlen für 2020 alarmierend. Unser Waldexperte Rudolf
die größte menschengemachte Katastrophe. Wir müssen                Fenner stellt Ihnen ab Seite 14 vor, warum die Absterberate
hier aktiv werden und die Politik zum Handeln bewegen –            der Nadelbäume besonders deutlich ausfällt. Es ist klar:
sonst haben wir keinen Grund zum Feiern. Denn die Vielfalt         Damit die Wälder die mit Sicherheit noch zulegende Klimaer-
der Wälder ist in großer Gefahr. Abholzen, Luftschadstoffe,        wärmung besser ertragen können, muss das Binnenklima
das Zerschneiden zusammenhängender Waldflächen,                    der Wälder mit seinen kühleren Temperaturen und seiner
Grundwasserabsen­kungen, Holzäcker aus Kiefern und                 höheren Feuchtigkeit geschützt werden. Das geht um so er-
Fichten, aber auch der Klimawandel sind Ursachen für den           folgreicher, je weniger das Kronendach durch Baumfällungen
Verlust an Vielfalt im Wald. Untersuchungen an Insekten            durchlöchert wird.
in deutschen Wäldern zeigen nicht nur einen dramatischen
Artenrückgang von einem Drittel. Auch ihre Gesamtmasse             Der Druck auf die Wälder weltweit steigt. Obwohl es wie ein
schrumpfte um etwa 40 Prozent im untersuchten Zeitraum             schlechter Scherz klingt: Hierzulande sollen Kohlekraftwerke
von 2008 bis 2017.                                                 umgerüstet werden und fortan gigantische Mengen an impor-
Um dem raschen Artenverlust Einhalt zu bieten, müssen deut-        tierter Holzbiomasse aus industrieller Abholzung verfeuern.
lich mehr Wälder aus der Nutzung genommen und wirksam              Damit diese Pläne nicht Wirklichkeit werden, bitten wir Sie
geschützt werden. Wald, der sich natürlich entwickeln kann,        unsere gemeinsame Petition mit Peter Wohlleben und der
ist wesentlich klimastabiler! Die Bundesregierung hinkt ihren      Deutschen Umwelthilfe unter https://tinyurl.com/yxy94j8e zu
eigenen Plänen weit hinterher. Ihr wenig ambitioniertes Ziel,      unterstützen: Keine Büsche und Bäume in Großkraftwerken
bis 2020 fünf Prozent der bundesweiten Wälder einer natür-         verfeuern! Herzlichen Dank! Lesen Sie mehr dazu ab Seite 24
lichen Entwicklung zu überlassen, verfehlt sie deutlich: Bis       dieser Ausgabe.
2019 waren es erst 2,8 Prozent. Die verbliebenen Natur- und
Urwälder müssen verbindlich geschützt werden. Statt Wald-          Hoffnung macht uns das Urteil des Bundesverfassungsge-
flächen weiter zu zerschneiden, müssen wir Wälder miteinan-        richtes vom 29. April 2021. Das Gericht fordert die Politik auf,
der vernetzen.                                                     tatsächlich mehr Klimaschutz umzusetzen und endlich das
2021 stehen zahl­reiche zentrale Weichenstellungen an, die         Klimaschutzgesetz zu einem wirksamen Instrument zu ma-
darüber entscheiden, ob und wie der Schutz unserer Lebens-         chen. 100 Prozent Erneuerbare Energien bis 2030 wären dafür
räume und ihrer Arten umgesetzt wird. So ringt die EU um           ein wichtiges und dringendes Ziel.
eine neue Waldstrategie. Währenddessen liegt in Deutschland
ein desaströser Entwurf der nationalen Waldstrategie 2050          Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung und bleiben Sie
vor. Parallel sträubt sich Frau Klöckner gegen das deutsche        aktiv! Alles Gute wünscht Ihnen für die Magazin-Redaktion
Insektenschutzgesetz. Wir müssen also weiter Druck machen!         mit herzlichen Grüßen Ihre Christiane Weitzel

                                                                                                             Nr. 149/2.21             3
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inhalt

                                                                                     tatorte

                                                                                     6 Hamburg: Klimaschädlich und unfair, Heizen mit Holz
                                                                                       aus Namibia
                                                                                     7 Stuttgart: Klimakiller Erdgas – Nein Danke!
                                                                                     8 Genug der leeren Versprechen: Klimastreik!
                                                                                     9 München: Grün für alle!

                                                       Seite 6
    Foto: Mirko Boll/ROBIN WOOD

                                                                             Seite 10

                                            bündnisse

                      ZAD de la Colline: „Mehr als ein Hügel“ 10
                                                                   Foto: Nora Rupp

                                                      Seite 12

                                                                                     wald

                                                                                 12 Vielfalt braucht Wald!
                                                                                 14 Waldschäden 2020: To die or not to die?
                                                                                 18 Waldpolitik: Julia Klöckners Ablenkmanöver
                                                                                 20 Fichtensterben: Chance für die ökologische Waldwende!
                                                                                 21 Muna-Wald vor Center Parc retten
                                                                                 23 Verpatzt! Massensendungen in der Corona-Krise
                                                                                    aus Primärfaserpapier
                                                                                 24 Wälder und Savannen nicht verfeuern!
                                                                                 26 Biomasse für deutsche Energieversorger: Büsche aus
                                                                                    der Savanne

    Foto: BUND/Nicola Uhde

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                                                                        tropenwald

                                                                        28 Berlin: Kriegt es endlich auf die Liefer-Kette!

                                                        Seite 28
Foto: Micha Deutschlade

                                                                        Seite 32

                                                    verkehr

                                      Für eine sichere Landung: 32
                          Flieger stoppen statt Klima schrotten!

                                                                       Foto: PantherMedia

                                                       Seite 34
                                                                        energie
                                                                        34 10 Jahre nach der Katastrophe: Fukushima strahlt
                                                                           bis heute
                                                                        35 Ökostromanbieter finden

                                                                        internes

                                                                        37 Vermächtnisse, Impressum
                                                                        38 ROBIN WOOD-Flosstour 2021: Die Zukunft ist
                                                                           erneuerbar!
                                                                        Heftmitte: ROBIN WOOD-Jahresbericht 2020
                                                    Foto: Uwe Hiksch

                                                                                                              Nr. 149/2.21       5
Wald braucht Vielfalt! - magazin - Robin Wood
tatorte

    Fotos: Mirko Boll/ROBIN WOOD

    Protest vor dem Großkraftwerk Tiefstack in Hamburg: Hier soll künftig Buschholz aus Namibia verbrannt werden. Auch andere uralte,
    sensible und artenreiche Ökosysteme sollen in Kraftwerken verfeuert werden, um hierzulande für Strom und Wärme zu sorgen

    Klimaschädlich und unfair: Heizen in Hamburg
    mit Holz aus Namibia
    Hamburg, 28. Februar 2021: ROBIN WOOD-Aktivist*innen             Die Welt steckt mitten in der Klimakrise. Auch Hamburg
    protestierten eindrucksvoll mit Bannern und Rauch vor dem        muss seinen CO2-Ausstoß drastisch senken. Da will es sich
    Heizkraftwerk Tiefstack in Hamburg. Der Grund: Die Ham-          die Stadt zunutze machen, dass die Bundesregierung im
    burger Umweltbehörde prüft zurzeit, im Kraftwerk Tiefstack       Zuge des Kohleausstiegs die Energiegewinnung aus Biomas-
    – statt Kohle – Holz aus Namibia zu verheizen. Das Projekt ist   se als vermeintlich erneuerbare Energie fördert. Hamburg
    international eines der ersten Vorhaben, für das in industri-    stünde dadurch auf dem Papier bei seiner Klimabilanz besser
    ellem Maßstab Holz aus Afrika zur Energiegewinnung in ein        da, obwohl das industrielle Verfeuern von Holz Klima und
    EU-Land geliefert werden soll. Aus Sicht von ROBIN WOOD          Artenvielfalt massiv schadet. In Namibia hingegen würden
    und rund 40 weiteren Umwelt- und Entwicklungsgruppen             die Treibhausgasemissionen negativ zu Buche schlagen. Sie
    wäre dies eine krasse Fehlentscheidung, die dem Ziel einer       entstünden etwa durch eine Nutzung der abgeholzten Flä-
    klimafreundlichen, sozial gerechten Energieversorgung            chen für die Rinderhaltung, bei der Produktion von Pellets
    entgegen liefe.                                                  bzw. Holzhackschnitzeln sowie beim Transport des Holzes.

                                                                     ROBIN WOOD hat mit vielen anderen Akteur*innen in Ham-
                                                                     burg den Volksentscheid für den Rückkauf der Energienetze
                                                                     erstritten. Seitdem ist die Stadt verpflichtet, für eine sozial
                                                                     gerechte, klimaverträgliche und demokratisch kontrollierte
                                                                     Energieversorgung aus erneuerbaren Energien zu sorgen.
                                                                     Das Verfeuern von Holz aus Namibia widerspricht diesem
                                                                     Ziel.
                                                                     Die Aktiven forderten den Hamburger Umweltsenator auf,
                                                                     die Energiewende entschlossen voranzutreiben und der Um-
                                                                     rüstung des Kraftwerks Tiefstack auf Holzverbrennung jetzt
                                                                     eine klare Absage zu erteilen. Das hätte auch Signalwirkung
                                                                     für ähnliche Projekte in anderen Städten.

                                                                     Tipp: Hier finden Sie das ROBIN WOOD-Video zur Aktion:
                                                                     https://bit.ly/2Qjw4TW

6             Nr. 149/2.21
Wald braucht Vielfalt! - magazin - Robin Wood
tatorte

Klimakiller Erdgas –
Nein Danke!
Stuttgart, 23. April 2021: In Sichtweite des Kraftwerks Stutt-
gart-Münster spannten die Aktivist*innen ein Banner mit
der Aufschrift „Klimakiller Erdgas – Nein Danke!“ über eine
Fußgängerbrücke. Der Protest richtete sich gegen die Pläne
des Energiekonzerns EnBW das Kraftwerk auf den Betrieb
mit Erdgas umzurüsten.
Im Kraftwerk Stuttgart-Münster wird aktuell Steinkohle und
Restmüll verbrannt, um sowohl Strom als auch Fern­wärme
zu produzieren. Im Zuge des Kohleausstiegs sollen die
Steinkohlekessel bis 2025 durch neu zu bauende, mit Erdgas
bzw. Erdgas und Heizöl betriebene Turbinen ersetzt werden.
Unter dem Deckmantel des Klimaschutzes soll hier weitere
fossile Infrastruktur geschaffen und der Umstieg auf eine er-
neuerbare Wärme- und Stromversorgung blockiert werden.

Anders als EnBW in ihrer Öffentlichkeitsarbeit behauptet, ist
Erdgas alles andere als klimafreundlich. Sowohl das bei der
Verbrennung entstehende CO2 als auch das bei der Produk-
tion und dem Transport von Erdgas entweichende Methan
heizen die Klimakrise an. Je nach Ort und Methode der Gas-
förderung können Gaskraftwerke damit sogar klimaschäd-
licher sein als herkömmliche Kohlekraftwerke.                     Foto: Angelika Linckh

Mehr Tempo bei den Erneuerbaren
Berlin, 25. März 2021: Mit einer gemeinsamen Aktion vor dem      dere Bürgerenergieprojekte, die zum bisherigen Erfolg der
Bundeskanzleramt in Berlin protestierten Vertreter*innen         Energiewende in Deutschland erheblich beigetragen haben,
der Deutschen Umwelthilfe, den NaturFreunden Deutsch-            sind durch ausufernde bürokratische Anforderungen und
land, ROBIN WOOD und dem Umweltinstitut München                  eine Reduktion der verfügbaren Flächen deutlich zurückge-
gegen die Gefährdung der Energiewende durch die aktuelle         gangen.
Bundesregierung. Mit einem Banner „Klimakrise bekämp-
fen – Erneuerbaren-Ausbau verdreifachen!“ forderten sie die      Im Hinblick auf die kommende Bundestagswahl kündigten
Bundesregierung auf, den Umbau auf ein klimaschonendes,          die Aktiven an, weiter Druck für einen beschleunigten Aus-
erneuerbares Energiesystem deutlich zu beschleunigen.            bau der Erneuerbaren Energien zu machen. Dabei setzen sie
Bei der Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes           auf den Protest einer breiten Klimabewegung.
im Dezember 2020 hatte es die Bundesregierung verpasst,
neue Zielwerte für den Ausbau von Wind- und Solarenergie
zu verabschieden. Mit einem von SPD und Union angenom-
menen Entschließungsantrag wurde jedoch vereinbart,
die notwendige Anpassung an die aktuellen Klimaziele im
ersten Quartal 2021 nachzureichen. Trotz der Dringlichkeit
der Klimakrise hält die Bundesregierung diese selbstgesetzte
Frist nun nicht ein.
Die Energiewende ist unter der aktuellen Bundesregierung
ins Stocken geraten. Während im Jahr 2017 noch Windkraft­
anlagen an Land mit einer Leistung von 5,3 Gigawatt (GW)
zugebaut wurden, betrug der Zubau 2020 gerade mal 1,4
GW. Auch bei der Solarenergie liegen die aktuellen Zubau-
zahlen mit 4,8 GW (2020) deutlich unter dem, was aktuell
notwendig wäre, um die Klimaziele einzuhalten. Insbeson-         Foto: ROBIN WOOD

                                                                                                         Nr. 149/2.21         7
Wald braucht Vielfalt! - magazin - Robin Wood
tatorte

    Genug der leeren Versprechen: Klimastreik!
                                    19. März 2021: Könnte, würde, hätte – genug der leeren Versprechungen. Machen ist ange-
                                    sagt, damit die bedrohlichste Krise unserer Zeit bekämpft und das Pariser Klimaschutz-Ziel
                                    erreicht werden kann. Fridays For Future ist zurück und zeigte beim Klimastreik in rund
                                    120 Städten eindrucksvoll, dass die Bewegung trotz Corona-Einschränkungen weiter Druck
                                    machen wird – auch mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl. ROBIN WOOD war
                                    unter anderem in Stuttgart, München, Köln und Hamburg dabei .

                                    #NoMoreEmptyPromises – lautete die Forderung heute auch im Oberen Schlossgarten
                                    in Stuttgart. ROBIN WOOD-Aktive demonstrierten dort mit für eine klimafreundliche
                                    Energiewende und um deutlich zu machen, dass Gas keineswegs eine klimafreundliche
                                    Alternative zu Kohle und Öl darstellt.

                                    In München beteiligten sich ROBIN WOOD-Aktive an der Demo „Global Climate Strike:
                                    Kein Bock auf leere Worte, Klimawandel und Kapitalismus!“. „Wälder sind die Lunge der
                                    Erde“ stand auf ihrem Banner.
    Klimastreik in Stuttgart
                                    In Köln fanden gleich an sechs Standorten Kundgebungen zum Globalen Klimastreik statt.
                                    Neben flammenden Reden für den dringend notwendigen Klimaschutz stand Unterhaltung
                                    auf dem Programm: Der Kabarettist Jürgen Becker sorgte für Aufheiterung angesichts der
                                    globalen Krisen und die Bläck Fööss forderten zu Zusammenhalt „in unserem Veedel“ auf.

                                    Um die Bedeutung der Wälder für den Klimaschutz ging es in Hamburg: „Mehr wilde
                                    Wälder wachsen lassen!“, forderte ROBIN WOOD mit einem Redebeitrag bei der Kundge-
                                    bung von „Parents for Future“ auf dem Rathausmarkt. Mehr Waldflächen müssen aus der
                                    forstlichen Nutzung genommen und unter Schutz gestellt werden. Zugleich warnte ROBIN
                                    WOOD vor einer neuen Gefahr für die Wälder: Angesichts des Kohleausstiegs suchen die
                                    Energieunternehmen nach neuem Brennstoff für ihre großen Kraftwerke. Ihre Idee: Holz
                                    verfeuern, um Strom und Wärme zu erzeugen. Das erhöht den Druck auf die Wälder und
                                    andere Ökosysteme, in denen die begehrte Biomasse zu holen ist.
                                    In Hamburg wird dies bereits konkret. Dort prüft die Umweltbehörde, ob künftig statt
    ROBIN WOOD-Aktive mit Pingu-
                                    Kohle Holz aus Namibia im Kraftwerk Tiefstack verheizt werden soll. ROBIN WOOD nutzte
    inen beim Klimastreik in Köln
                                    den Klimastreiktag, um weiteren Protest dagegen anzukündigen: „Keine Holzverbrennung
                                    in Tiefstack: Büsche und Bäume müssen draußen bleiben!“

    Klimastreik in Hamburg: Keine
                                    Ute Bertrand, ROBIN WOOD-Pressesprecherin, Hamburg
    leeren Versprechen mehr!

     Fotos: ROBIN WOOD

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Wald braucht Vielfalt! - magazin - Robin Wood
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Grün für alle!
München, 12. Februar 2021: „Grün für alle, statt Profit für
Einen“ und „47 Prozent Flächenversiegelung in München“
stand auf Bannern und Plakaten. Die ROBIN WOOD-
Regional­gruppe München demonstrierte zusammen mit
einer Bürger*innen-Ini­tiative für den Erhalt der öffentlichen
Grünanlage direkt neben dem Gartencenter Seebauer in
Ramersdorf, München-Neuperlach. Es herrschte Empörung
darüber, dass der Besitzer das Gartencenter auf einer öffent-
lichen Grünfläche erweitern will. Dem Bauvorhaben sollen
insgesamt ca. 40 bis 60 Bäume zum Opfer fallen. Ziel der
Aktiven ist es, den ökologisch wertvollen Baumbestand vor
der Fällung zu retten.
Ein Aktionsbündnis setzte sich schon seit Anfang 2019 für        um Bäume, Grünanlage und Gartencenter nebeneinander
den Erhalt der öffentlichen Grünanlage ein. Der Protest          existieren zu lassen. Diesen Plan wollte der Investor jedoch
zielte nicht darauf ab, die Erweiterung oder den Neubau von      nicht umsetzen. Stattdessen reichte er einen Antrag auf
Wohnungen für Mitarbeiter*innen verhindern. Der Investor         Fällung einiger Bäume auf dem Areal ein.
sollte vielmehr von einer umweltverträglicheren Alternative
überzeugt werden. Zu diesem Zweck engagierte das Bünd-                               Lukas Busch, ROBIN WOOD-München
nis einen Architekten, der eine gute Lösung entwickelte,                                         muenchen@robinwood.de

Tierindustrie: Ausstieg statt Umbau!
Berlin 5. März 2021: Vor dem Bundesministerium für
Ernährung und Landwirtschaft forderten Aktivist*innen
von den politisch Verantwortlichen die industrielle Tier-
haltung zu beenden. Anlass war eine aktuelle Studie mit
dem Titel: „Milliarden für die Tierindustrie“.

Jedes Jahr fließen mehr als 13 Milliarden Euro aus öffent-
lichen Mitteln in die gesamte Tierwirtschaft. Das Bündnis
„Gemeinsam gegen die Tierindustrie“ forderte mit der
Kundgebung diese Gelder zu nutzen, um unverzüglich
aus der Tierindustrie auszusteigen und die Milliar-
den-Summen in einen ökologischen und solidarischen
Landbau umzulenken.

Aktiv werden? – ROBIN WOOD im Überblick

Darum geht’s: Mit kreativen Aktionen und klaren                  und übernimmt Verwaltungsaufgaben. Über die wichtigen
Forderungen mischt sich ROBIN WOOD öffentlichkeits-              Anliegen des Vereins entscheiden die ehrenamtlich Aktiven
wirksam in politische Debatten ein und streitet für eine         basisdemokratisch.
umweltverträgliche und sozial gerechte Gesellschaft. Die         Die themenspezifische Arbeit erfolgt überregional in Fach-
Kampagnen-Schwerpunkte von ROBIN WOOD liegen in den              gruppen, unterstützt durch hauptamtliche Kräfte. Ziele,
Bereichen Wald, Tropenwald, Klima, Energie und Mobilität.        Inhalte und Forderungen der Aktivitäten im Fachgebiet
Bundesweit organisieren sich ROBIN WOOD-Aktive in zahl-          werden dort diskutiert und im Konsens beschlossen.
reichen Regionalgruppen, siehe auch robinwood.de/
Regionalgruppen. Dort, wo es keine Gruppen gibt, sind            Weitere Informationen über ROBIN WOOD gibt es im Internet
Neugründungen möglich. Die Bundesgeschäftsstelle in              unter www.robinwood.de. Kontakt: ROBIN WOOD-Bundesge-
Hamburg unterstützt die lokalen Gruppen bei fachlichen           schäftsstelle, Bremer Str. 3, 21073 Hamburg, 040 3808920,
Fragen, Recherche, Aktionsvorbereitung und Pressearbeit          info@robinwood.de

                                                                                                            Nr. 149/2.21        9
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tropenwald

                                                                                                                        Fotos: Nora Rupp

     Die erste Waldbesetzung der Schweiz: Aktivist*innen der ZAD de la Colline protestierten gegen einen weiteren Kalksteinabbau. Mit
     einem massiven Aufgebot hat die Polizei und Feuerwehr die Zad de la Colline inzwischen geräumt. Da sich Personen in Bäumen ver-
     schanzten, dauerte die Räumung mehrere Tage

     ZAD de la Colline: „Mehr als ein Hügel“
     Nicht weit von Lausanne wehren sich Menschen der Initi-            öffentlich Druck zu machen, besetzten die Aktivist*innen
     ative “ZAD de la Colline“, gegen die Zerstörung eines Berg-        das Gelände. Wir wollen so das zerstörerische Projekt von
     plateaus durch den Schweizer Baustoffkonzern Lafarge-              Lafarge­Holcim stoppen und retten, was vom Mormont
     Holcim. Jana Ballenthien, ROBIN WOOD-Waldreferentin,               noch übrig ist. Wir wollen der Öffentlichkeit zeigen, wie die
     und Aaron Schinker, ROBIN WOOD-Aktionsunterstützung,               Betonindustrie den Klimawandel anheizt, Wasser und Böden
     sprachen mit zwei Aktivist*innen dieser ersten Waldbe-             verschmutzt und in den 80 Ländern, in denen das Unterneh-
     setzung in der Schweiz. ZAD steht für „Zone à défendre“,           men tätig ist, die Menschenrechte missachtet.
     zu verteidigende Zone, und wird umgangssprachlich als
     Bezeichnung für eine Besetzung verwendet.                          ? Bitte beschreibt uns die Landschaft, gegen deren Zerstörung ihr
                                                                        kämpft.
     ? Seit gut 25 Jahren wird auf dem Berg Mormont vom Schweizer
     Unternehmen „LafargeHolcim“ Kalkstein abgebaut. Warum seid         ! Der Mormont ist ein Kalksteinberg, der zum zentralen
     ihr jetzt dort aktiv geworden?                                     Juramassiv gehört. Auf ihm wachsen die letzten Trockenwie-
                                                                        sen der Schweiz – 95 Prozent dieses Biotoptyps sind bereits
     ! Auf dem Birette-Plateau, unterhalb des Gipfels des Berges        verschwunden. Weil die Trockenwiesen so selten sind, ge-
     Mormont, wachsen artenreiche Trockenwiesen und Wälder.             hören die Mormont-Wiesen zum sogenannten „Inventar von
     Hier befindet sich auch eine wichtige archäologische Stätte,       nationaler Bedeutung“, das nur 0,5 Prozent der Landesfläche
     an der sich Kelten aus ganz Europa versammelten. Der Stein-        ausmacht.
     bruch, für den bereits ein großer Teil des Berges abgetragen
     wurde, soll jetzt auf einer Fläche von 200 x 600 Metern ver-       Das Gebiet ist ein wichtiger ökologischer Wildtierkorridor
     größert werden. Weitere sieben Jahre soll Kalkstein abgebaut       zwischen dem Juragebirge und den Alpen. Die abwechs-
     und die Natur ausgebeutet werden.                                  lungsreiche Landschaft besteht neben den Trockenwiesen
     Nichtregierungsorganisationen legten gegen die Erweiterung         aus Ackerland mit Wallhecken, einem großen Mischwald am
     des Steinbruchs Einspruch ein, der jedoch auf kantonaler           Nordhang und Weinbergen im Süden des Mormont. Eine der
     Ebene abgewiesen wurde. Aber der Kampf geht weiter. Des-           Besonderheiten sind 24 Orchideenarten, die hier vorkom-
     wegen haben sie auf Bundesebene Berufung eingelegt. Um             men und die alle national geschützt sind.

10             Nr. 149/2.21
bündnisse
? Was fordert ihr von dem Unternehmen LafargeHolcim
und der Politik?

! Wir fordern, dass der Kalksteinabbau nicht erweitert
wird, und dass das Birette-Plateau erhalten bleibt. Aber wir
wollen auch nicht, dass, falls dieser Steinbruch geschlossen
wird, einfach auf dem nächsten Hügel ein neuer Steinbruch
eröffnet oder dass Kalkstein aus Italien importiert wird. Das
macht für uns keinen Sinn. ZAD will auch die ökologischen
und sozialen Grenzen der aktuellen Bauwirtschaft und des
konkreten Lobbyismus aufzeigen. Wir fordern, dass alter-
native Baukonstruktionen gefördert und die Verwendung
alternativer Materialien erleichtert werden: Leichtbauten,
Materialien aus biologischem Anbau, recycelte Baustoffe.

? Wie habt ihr zusammengefunden? Wer ist bei euch aktiv und     Ausblick vom besetzten Birette-Plateau. Eine Besonderheit sind
unterstützt euch?                                               die 24 Orchideenarten, die hier vorkommen und die alle national
                                                                geschützt sind
! Anfang letzten Jahres schrieben Menschen, die am Klima­
streik teilgenommen haben, einen offenen Brief an das
Unternehmen und forderten es auf, seine Aktivitäten neu         ? Wie steht die lokale Bevölkerung zu der Erweiterung des Berg-
auszurichten. Noch während das Bundesgericht über die           werks?
Genehmigung der Steinbrucherweiterung beriet, planten
zwei Aktivist*innen die erste „Zone à défendre“, die „zu        ! Schon vor der ZAD wurde für den Schutz des Hügels ge-
verteidigende Zone“ der Schweiz. Die Idee zur Besetzung         kämpft. Die ASM hat fast 400, meist lokale Mitglieder. Sie
war ihnen gekommen, während sie jeden Tag mit der Bahn          unterstützen uns mit Geldspenden, aber auch mit Lebens-
von Yverdon nach Lausanne an einem Steinbruch vorbei tu-        mitteln, Baumaterial und Holz und berichten in ihren sozi-
ckerten, vor dem ein riesiges Schild die nachhaltige Partner-   alen Netzwerken über unsere Besetzung. Aber es ist nicht
schaft zwischen LafargeHolcim und der Region lobt. Diese        nur die ASM, die uns hilft. Über das große Netzwerk aus
Besetzung ist also die Idee einer kleinen, eher heterogenen     Vereinen und Umwelt-Aktivist*innen in der Westschweiz
Gruppe von Aktivist*innen.                                      unterstützen uns jeden Tag mehr Menschen und sie wollen
Von Anfang an ging die Besetzung in der Westschweiz breit       uns im Falle einer Räumung helfen. Auch die Schweizer
durch die Medien. Die „ZAD de la Colline“ wurde zu einem        Grünen haben einen Appell zum Schutz des Mormonts an
zentralen Platz für Aktivist*innen der Westschweiz. Aber        das Parlament gerichtet.
auch zu einem Ort, der für viele das erste Tor zum direkten     Leider, und wie nicht anders zu erwarten, genießt die ZAD
ökologischen Kampf wurde. In den letzten Wochen sind            nicht die einhellige Unterstützung der lokalen Bevölkerung.
immer mehr Menschen aus der Deutschschweiz, dem Tessin,         Vor allem in Eclépens gibt es viele Arbeiter*innen, deren
aber auch Aktive aus ZADs in Frankreich oder Waldbeset-         Familien schon seit drei Generationen für LafargeHolcim
zer*innen aus dem Dannenröder Wald in Deutschland zu            tätig sind. LafargeHolcim gilt als ein Unternehmen, das
uns gestoßen und haben ihre Erfahrungen und ihr Wissen          die Region belebt und Vereine wie den lokalen Fußballclub
geteilt. Vor Ort werden wir direkt von der Association for      finanziell unterstützt.
the Defence of Mormont (ASM) unterstützt, die sich zum
Ziel gesetzt hat, die Natur und Landschaft von Mormont zu       ? Welche Unterstützung wünscht ihr euch zum Beispiel von Men-
schützen.                                                       schen, die derzeit aufgrund der Pandemie nicht zu euch reisen
                                                                können?
? Wie hat das Unternehmen auf eure Besetzung reagiert?
                                                                ! Wir freuen uns über jede mediale Unterstützung, über das
! In der ersten Woche der Besetzung besuchten uns die           Teilen von Artikeln und Berichten zu unserer Besetzung auf
Direktor*innen des Unternehmens, um uns vom Betreten            ihren Kanälen, in ihren Netzwerken und über Kollektive und
des Steinbruchs abzuraten und vor Unfallrisiken zu warnen.      Organisationen. Sie können auch sehr gerne unsere Petition
Dabei war es nie unser Ziel, den Betrieb der Mine zu ver-       zur Unterstützung der ZAD unterzeichnen und teilen, die auf
hindern, sondern die Erweiterung des aktuellen Kalkstein-       unserer Webseite zu finden ist: orchidees.noblogs.org.
bruchs. Seitdem herrscht seitens LafargeHolcim komplette
Funkstille, und es ist momentan selbst für die Leute von        Das Interview wurde von den Autor*innen aus dem Franzö-
der ASM unmöglich, mit dem Unternehmen in Kontakt zu            sischen übersetzt. Eine ausführliche Version finden Sie auf
treten. LafargeHolcim sorgt sich seit Jahrzehnten um sein       unserer Homepage unter:
Image und nutzt Greenwashing-Strategien, deshalb vermu-         www.robinwood.de/blog/es-geht-um-mehr-als-einen-hügel.
ten wir, dass es nicht frontal gegen uns vorgehen wird.         Mehr Infos auch unter: https://zaddelacolline.info/.

                                                                                                            Nr. 149/2.21          11
wald

                    Fotos: BUND/Nicola Uhde

21   Nr. 149/2.21
wald

Foto: Christiane Weitzel

Vielfalt braucht Wald!
Die Bundesregierung hat sich einer beeindruckenden                halt zu bieten, müssen deutlich mehr Wälder aus der Nutzung
Zukunftsvision für die deutschen Wälder verpflichtet: mit         genommen und wirksam geschützt werden. Denn Wald, der
hoher natürlicher Vielfalt und Dynamik, strukturreichen           sich natürlich entwickeln kann, ist wesentlich klimastabiler!
Waldgesellschaften und einer naturnahen Bewirtschaftung           Die Bundesregierung hinkt ihren eigenen Plänen weit hin­
des Waldes – und das alles im Einklang mit seiner ökolo­          terher. Ihr wenig ambitioniertes Ziel bis 2020 fünf Prozent
gischen und sozialen Funktion. So steht es in der nationalen      der bundesweiten Wälder einer natürlichen Entwicklung zu
Strategie zur biologischen Vielfalt, die schon bis Ende letzten   überlassen, verfehlt sie deutlich: Bis 2019 waren es erst 2,8
Jahres umgesetzt werden sollte.                                   Prozent.
                                                                  Die wenigen verbliebenen Natur- und Urwälder müssen
Doch die Ziele wurden krachend verfehlt! Und schlimmer:           zwingend verbindlich geschützt werden. Statt Waldflächen
Die Vielfalt der Wälder ist in großer Gefahr. Kahlschläge,        weiter zu zerschneiden, müssen wir Wälder miteinander
Luftschadstoffe, die Zerschneidung zusammenhängender              vernetzen. Ein besonderes Augenmerk muss auf den Schutz
Waldflächen, Grundwasserabsenkungen, „Holzäcker“ aus              und Erhalt alter Bäume gelegt werden. Höhlen, Spalten und
Kiefern und Fichten, aber auch der Klimawandel sind Ursa­         Risse, alte Bohrgänge, starkes Ast- und Kronentotholz: dies
chen für den Verlust an Vielfalt im Wald. Untersuchungen          alles bietet Lebensraum für Vögel, Insekten und Säugetiere,
an Insekten in ausgewählten deutschen Wäldern zeigten             Pilze, Flechten und Mistelbesatz – für die Vielfalt, die wir zum
nicht nur einen dramatischen Artenrückgang von einem              Überleben brauchen. Alte Bäume brauchen intakte Wälder.
Drittel. Auch ihre Gesamtmasse schrumpfte um etwa 40              Solche Waldgesellschaften haben nichts mit Baumplantagen
Prozent im Untersuchungszeitraum von 2008 bis 2017. Das           zu tun!
ist mehr als alarmierend!
                                                                  Seit fast vier Jahrzehnten kämpft ROBIN WOOD gemeinsam
Am 22. Mai jährt sich zum zwanzigsten Mal der Tag der Bio­        mit Ihnen für den Schutz und den Erhalt der Wälder. Die
diversität. Doch einen Grund zum Feiern haben wir nicht!          Dringlichkeit hat durch die Klimakrise und den massiven
Die Zeit drängt: Wir stehen vor den Herausforderungen             Verlust der Artenvielfalt enorm zugenommen. Lesen Sie auf
einer Klimakrise und einer nicht minder schwerwiegenden           den folgenden Seiten bitte mehr zum Sterben der Wälder und
Krise der Biodiversität! Um dem raschen Artenverlust Ein­         warum Wald nicht in Kohlekraftwerken verheizt werden darf.

                                                                                                             Nr. 149/2.21            13
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Nr. 149/2.21
               Foto: Bildagentur PantherMedia/roland brack
wald

Waldschäden 2020:

To die or not to die?
Keine Frage, die letzten drei Jahre          delverluste, 37 Prozent der Baumkro-         lichen Hitze und Trockenheit unü-
waren so trocken und warm wie wohl           nen sind deutlich bis stark geschädigt.      bersehbar einen dicken Warnschuss
noch nie. Und sichtbar wie nie sind                                                       in die Wälder platziert. In manchen
auch die Folgen in den Wäldern. Alle         Gestorben wurde in den Wäldern schon         Kommentaren von forstlichen Verbän-
haben sie gesehen – die toten, die           immer. Doch die Menge der jährlich           den und Ministerien wird seitdem den
sterbenden, die welken Bäume. Und            abgestorbenen Bäume, die sogenannte          Fichten und Kiefern, aber auch den
wer es nicht mit eigenen Augen in den        Absterberate, war in der Vergangenheit       Buchen kaum noch eine Zukunft im
Wäldern hat sehen können, der hat            keine Messgröße, die wirklich auffäl-        Wirtschaftswald zugetraut. Dafür wird
es dank zahlloser medialer Berichte          lige Veränderungen erkennen ließ. Sie        die Liste mit Vorschlägen von Ersatz-
und Reportagen trotzdem mitbekom-            schwankte in den letzten zwei Jahr-          baumarten aus wärmeren Regionen der
men: Der Schadensverlauf des Waldes,         zehnten unspektakulär um einen Wert          Welt immer länger.
alljährlich gemessen an den Blatt- und       von 0,2 Prozent. Selbst nach der ersten
Nadelverlusten in den Baumkronen der         ungewöhnlichen Dürre im Jahr 2003            Doch schon ein grober Blick in die
Waldbäume, ist in den beiden letzten         blieb sie unter 0,3 Prozent. Doch in den     Details des aktuellen Waldzustands-
Jahren auf die höchsten Werte seit Be-       letzten beiden Jahren ist die Abster-        berichts des Bundeslandwirtschafts-
ginn dieser Erhebungen im Jahre 1984         berate angestiegen, zunächst 2019 auf        ministeriums ergibt ein anderes Bild:
hochgeschossen (siehe Grafik unten).         0,63 Prozent und im letzten Jahr dann        Nadelbäume starben während des
                                             auf 1,73 Prozent.                            letzten Jahres deutlich stärker weg als
Nur noch 21 Prozent aller Waldbäume                                                       Laubbäume. Insgesamt lag die Abster-
wurden als vital eingestuft. Der Rest        Die fortschreitende Klimaerwärmung           berate bei den Nadelbäumen bei rund
zeigt erkennbar erhöhte Blatt- bzw. Na-      hat mit dieser mehrjährigen sommer-          2,4, bei den Laubbäumen aber nur bei

Der Schadensverlauf des Waldes, alljährlich gemessen an den Blatt- und Nadelverlusten in den Baumkronen der Waldbäume, ist in
den beiden letzten Jahren auf die höchsten Werte seit Beginn dieser Erhebungen im Jahre 1984 hochgeschossen. Dargestellt sind die
zusammengefassten Werte aller Waldbäume in den Schadstufen 1 – 4

                                                                                                                Nr. 149/2.21        15
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     0,9 Prozent. Fichten hatten dabei die bei weitem               und mit aller Macht wegsterbend aus den
     höchste Absterberate. Über vier Prozent sind im                plantagenartigen Forsten und aus den mittler-
     letzten Jahr bundesweit abgestorben, in Nord­                  weile zu warmen und zu trockenen, tieferen
     rhein-Westfalen waren es fast 11 und in Hessen                 Lagen zurück – nämlich dorthin, wo sie in
     sogar 17 Prozent. Die geringsten Absterberaten                 Deutschland von Natur aus heimisch ist: in die
     bundesweit hatten Buchen und Eichen mit 0,3                    höheren, kühleren und auch feuchteren Lagen                             Prozent
     bzw. 0,41 Prozent. Insgesamt sind deutlich mehr                der süddeutschen Mittelgebirge und des Alpen-
     als doppelt so viel Fichten abgestorben als alle               rands, wo auch die Chancen des Borkenkäfers
     anderen abgestorbenen Nadel- und Laubbaum­                     deutlich gemindert sind.
     arten zusammengenommen!
                                                                    Wer aber im selben Atemzug mit der Fichte
     Bemerkenswert und zunächst irritierend ist, dass               auch die Buche verbal gleich mit wegsterben
     Buchen und Eichen die geringsten Absterberaten                 lässt, redet fahrlässig daher. Mag sein, dass
     hatten (siehe Grafik unten), während ihr Scha-                 sich die Buche künftig aus steileren, sonnen-
     densverlauf anhand der Kronenverlichtung sie                   exponierten Süd- und Südwesthängen nach
     in den letzten drei Jahrzehnten durchgängig als                und nach zurückziehen wird. Von solchen
     die am stärksten geschädigten Waldbaumarten                    Standorten stammten meist die Bilder von
     ausgewiesen hat (siehe Grafik auf der folgenden                flächig absterbenden Buchenbeständen, deren
     Seite). Und umgekehrt: Fichten und Kiefern                     Laubkronen bereits im Sommer braun verfärbt
     schienen, gemessen anhand ihrer Nadelverluste,                 und zum Teil auch schon kahl geworden waren.
     deutlich weniger zu leiden, starben aber jetzt in
     erschreckendem Umfang ab. Offensichtlich sind                  Doch dieser vorzeitige Blattabwurf ist bei Laub-
     Laubbäume deutlich besser als Nadelbäume in                    bäumen – siehe oben – eine Art Notbremse, um
     der Lage, sehr differenziert über Blattausbildung              sich vor weiterem, letztlich tödlichem Wasser-
     und Blattabwurf auf Umweltbelastungen und                      verlust durch die transpirierenden Blätter zu
     Wasserstress zu reagieren und so dem tödlichen                 schützen. Da aber die Knospen fürs nächste
     Verdorren eher zu entkommen. Offensichtlich                    Jahr bereits im Juli fertig angelegt sind, haben
     wird allerdings auch, dass das Kriterium der                   etliche Laubbäume im darauffolgenden Jahr
     Kronenverlichtung nur als Gradmesser für die                   wieder ausgetrieben.
     Schadensentwicklung der jeweiligen Baumart
     geeignet ist, nicht aber für den Vergleich zwi-                Und, um es noch mal zu betonen. Die Buche ist
     schen verschiedenen Baumarten.                                 unter den vier Hauptbaumarten bundesweit
                                                                    diejenige, die mit den insgesamt geringsten
     Kein Baum stirbt aus in Deutschland – auch die                 Verlusten durch die bislang längste und här-
     Fichte nicht. Aber sie zieht sich offensichtlich               teste Dürre gekommen ist.

     Absterberaten der vier Hauptbaumarten
     in unseren Wäldern
          1990 – 2017

                                       2020
                        2018
                               2019

                   Buche                            Eiche                             Kiefer                             Fichte
     Für die Darstellung der zusammengefassten Absterberaten der Jahre 1990 bis 2017 wurde der mittlere Wert (Median) gewählt. Die Streubereiche dieser
     zusammengefassten Werte – bereinigt um die jeweils drei niedrigsten und die drei höchsten Werte - betragen für die Buche 0 – 0,11 %, für die Eiche 0,11
     – 0,51 %; für die Kiefer: 0 – 0,29 % und für die Fichte 0,04 – 0,26 %

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Und wer mit glänzenden Augen noch          Entwicklung der Kronenverlichtung (Schadstufen 1 bis 4)
immer die aus Nordamerika stammen-
de Douglasie als traumhaften Zukunfts-     bei Buche und Fichte seit 1990
baum für unsere Wälder propagiert,
hat sich ihre Schadensbilanzen in
Südwestdeutschland nicht angeschaut.
Aus dem in der Tat vor vier Jahrzehnten
noch rundum gesund dastehenden
Baum ist dort über die Jahre ein Baum
geworden, bei dem nur noch weniger
als 20 Prozent sind ungeschädigt.         Prozent

Damit die Wälder sich von den Schäden
der letzten Jahre erholen können und –
mehr noch – damit die Wälder vor der
mit Sicherheit noch zulegenden Klima­
erwärmung besser geschützt sind, ist
es erforderlich, das Binnenklima der
Wälder mit seinen kühleren Tempera-
turen und seiner höheren Feuchtigkeit
besser zu schützen.                        Der Laubbaum Buche zeigt im Vergleich zum Nadelbaum Fichte einen
Das geht um so erfolgreicher, je weni-     seit Jahrzehnten deutlich höheren Anteil an verlichteten Baumkronen
ger das Kronendach durch Baumfäl-
lungen durchlöchert wird. Auch sollten
umgestürzte Bäume und anderes              vermeintlich besser geeignete Baum­         Unter https://bmel.de/DE/themen/wald/
Totholz weitmöglichst im Wald belas-       arten aus anderen Regionen in die           wald-in-deutschland/waldzustandser-
sen werden. Das hält die Feuchtigkeit      Debatte zu werfen, über deren Integra-      hebung.html können die Ergebnisse der
am und auch im Waldboden deutlich          tionsfähigkeit in die hiesigen Wälder       bundesweiten Waldzustandserhebung
länger!                                    wir aber so gut wie nichts wissen.          2020 sowie der Berichte aus den einzelnen
                                                                                       Bundesländern heruntergeladen werden.
Und überhaupt: Es sollte jetzt end-                   Rudolf Fenner, Waldexperte       Grafiken und Tabellen dazu gibt es
lich verstärkt über die Anpassung                      ROBIN WOOD, Hamburg             gesondert auch unter https://tiwo-wze.
der Waldbewirtschaftung an die sich                                                    shinyapps.io/WZE_app/
ändernden Klimabedingungen nach-           Mehr Infos finden Sie unter:
gedacht werden, anstatt immer wieder       www.robinwood.de/waldsterben

 Der Burgberg im Nationalpark Hainich
 Man konnte es schon von Weitem sehen: Es war in den letz-      Rindenpartien und erste Pilzinfektionen am Stamm, zu
 ten Tagen des Sommers 2019 und die südwestliche Flanke         sehen waren. Tatsächlich aber ergab eine Erhebung im dar-
 des dicht bewaldeten Burgbergs bis rauf auf die Kuppe sah      auffolgenden Jahr, dass nur etwa zehn Prozent der Buchen
 im oberen Bereich weitgehend schwarzbraun aus – nur noch       abgestorben waren.
 wenige grüne Baumkronen dazwischen.

 Über 80 Prozent dieses Bergrückens ist von Buchen bestan-
 den, deren Laub bereits offensichtlich weitgehend abgewor-
 fen war. Vereinzelt standen dazwischen und noch grün ein
 paar andere Laubbäume wie Trauben-Eiche, Sommer-Linde,
 Berg- und Feld-Ahorn. Aus der Nähe war zu sehen, dass
 einige der kahl aussehenden Buchen im unteren Kronenbe-
 reich, der vor Hitze und Sonneneinstrahlung etwas ge-
 schützt ist, noch etwas grünes Laub trugen.

 Der Gesamteindruck war, dass wohl im nächsten Jahr der
 größte Teil dieser Buchen nicht mehr am Leben sein würde,
 zumal bereits die ersten Folgeschäden, wie abgeplatzte           Foto: László Maráz

                                                                                                            Nr. 149/2.21           17
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     Julia Klöckner sorgt sich öffentlichkeitswirksam um die Wälder. Statt die tatsächlichen Ursachen für das Waldsterben zu benennen
     und wirksame Maßnahmen zu ergreifen, beschränkt sie sich darauf, großzügig Geldgeschenke zu verteilen

     Waldpolitik: Julia Klöckners
     Ablenkmanöver
     Dass es den Waldbeständen in                Millionen junger Bäume pflanzen, und         all jene ausgeschüttet, die einen Antrag
     Deutschland schlecht geht, wurde in         die Bundeslandwirtschaftsministerin          stellen. Ganz gleich, ob ihr Wald zu
     den letzten Jahren auch der breiten         Julia Klöckner sorgt sich gemeinsam          den knapp drei Prozent geschädigter
     Öffentlichkeit bewusst. Die Hitze- und      mit deren Interessenverbänden öffent-        Waldflächen gehört oder nicht. Es
     Dürreperioden waren prominente              lichkeitswirksam um die Zukunft der          ist auch egal, ob die Beschenkten das
     Themen in allen Medien. Berichte über       Wälder und verspricht Unterstützung          Geld auf vernünftige oder auf sinnlose
     Waldbrände und Bilder von großflächig       mithilfe Hunderter Millionen Euro an         Weise in ihren Wald investieren. Oder
     abgestorbenen Fichtenplantagen              Steuergeldern.                               ob sie es für andere Dinge verwenden.
     sorgten für ungewohnte Beachtung.                                                        Waldeigentümer*innen, die Totalver-
                                                 Das beinhaltet finanzielle Unterstüt-        luste beklagen, erhalten somit viel zu
     Auch die bezifferten Schäden klingen        zung für das große Aufräumen, als ob         wenig Geld, während andere sich über
     beeindruckend. Ob es nun 285.000            abgestorbene Bäume entsorgungs-              ein Geschenk freuen können.
     Hektar beschädigte Waldflächen sind,        pflichtiger Sondermüll wären. Es
     171 Millionen Kubikmeter Schadholz          werden „klimastabile“ Wälder angelegt,       Dabei sind die 1,5 Milliarden Steuer-
     oder 80 Prozent aller Bäume mit             obwohl niemand weiß, welche Baum­            gelder, die nach Angaben des BMEL für
     sichtbar krankhaften Blattverlusten:        arten das sein könnten und wann wir          den Wald bereitgestellt werden, nicht
     Wir müssen etwas dagegen tun. Und es        wieder ein stabiles Klima haben wer-         einmal das große Problem. Zumindest
     scheint so, als wären alle dabei: Waldei-   den. Zusätzlich wird eine flächenbezo-       wenn man die Summe mit den überaus
     gentümer*innen und Forstleute wollen        gene, pauschale Bundeswaldprämie an          großzügigen Geldern vergleicht, die

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Luftfahrtunternehmen, Reisefirmen         einer Prellung bezeichnen, oder be-       häufig solche Baumarten gepflanzt wer-
und andere Konzernen im Rahmen der        haupten, der Husten sei schuld an einer   den, von denen man schnelles Wachs-
Corona-Pandemie geschenkt wurden.         Erkältung.                                tum und gute Holzpreise erwartet. Eine
Pro Hektar Waldfläche wären das                                                     Abkehr von der Plantagenwirtschaft
etwa 130 Euro. Auch wenn die Ge-          Unter Stress stehen Wälder auch durch     rückt in weite Ferne, denn es werden
samtsumme durch Einbeziehung von          die stetig zunehmende Verstärkung des     mitunter sogar wieder Fichten und
Fördermitteln, die ohnehin für den        Holzeinschlags und des vermehrten         Kiefernplantagen angelegt. Besser wäre
Wald eingeplant waren, pressewirksam      Einsatzes von immer schwereren            es, die heimischen Baumarten zu be-
aufgebläht wurde. Problematisch ist       Maschinen, mit denen die Waldböden        vorzugen, denn die Jungbäume können
der lobbyfreundliche Aktionismus aus      geschädigt oder zerstört werden. Die      sich durchaus unter anderen Klimabe-
anderen Gründen.                          Waldbestände werden zu stark aufge-       dingungen anders entwickeln, wenn
                                          lichtet, den Waldböden wird zu wenig      ihre genetischen Anlagen dies erlauben.
1. Ministerin verschweigt die wich-       Biomasse überlassen, die aber für das     Neue Baumarten sollten nur stellen-
tigsten Ursachen der Waldschäden          Bodenleben und Nährstoffversorgung        weise und versuchsweise ausprobiert
                                          wichtig wäre.                             werden, so dass Korrekturen problemlos
Die Klimakrise eignet sich hervorra-      Und die klassische Forstwirtschaft        möglich sind.
gend dazu, andere Ursachen zu „ver-       hat selbst dafür gesorgt, dass mit dem
gessen“ und die Ministerin nutzt diese    massenhaften Anbau standortsfremder       4. Die Hauptursachen der Probleme
Chance gerne, indem sie beispielsweise    Baumarten wie Fichten oder Kiefern in     werden erst gar nicht angegangen
in ihrer Rede zur Wahl des „Baum des      riesigen Monokulturen auch vormals
Jahres 2020“ sagte: „Wir haben ein        unauffällige Insektenarten wie der Bor-   Das größte Versagen derzeitiger Wald-
Problem. Es ist unser Wald selbst, der    kenkäfer ihre Arbeit in immer größerer    und Förderpolitik ist es, dass selbst
Prävention und Heilung braucht. Denn      Zahl erledigen.                           die offensichtlichsten Schadursachen
unserem Wald geht es nicht gut. Er                                                  nicht bekämpft werden. Waldeigen-
leidet:                                   2. Alternativen zur teuren und größten-   tümer*innen und Forstleute scheinen
• An den Folgen der extremen Dür-         teils waldschädlichen Räumung und         sich mit etwas Geld zufriedenstellen zu
     re- und Hitzeperioden,               Aufforstung werden kaum finanziert        lassen und vermeiden im Gegenzug die
• am massiven Borkenkäferbefall,                                                    gebotene harte Kritik an den fehlenden
• und, weil Stürme und Waldbrände         Viele Waldeigentümer*innen säubern        Klimaschutzanstrengungen.
     ihn dramatisch geschädigt haben“     die geschädigten Flächen komplett,        Waldrodung für den Autobahnbau
                                          verdichten die Böden und sorgen damit     inklusive der dadurch geförderten Treib-
Dabei geht es den Wäldern schon           für ein Savannenklima, in dem ge-         hausgasemissionen? Kein Problem für
seit Jahrzehnten schlecht. Und die        pflanzte Bäumchen nicht aufwachsen        die Branche, denn es werde ja anderswo
wichtigsten Ursachen verschweigt die      können. Wer viele geschädigte Bäume       aufgeforstet. Rodung des Hambacher
Ministerin: Die Belastungen durch         stehen oder liegen lässt und dadurch      Forstes? Auch das wird lediglich als
Luftschadstoffe, Pestizide und mas-       keine Kosten verursacht, geht leer aus.   Verlust einer beliebigen, recht kleinen
siven flächendeckenden Eintrag von        Der Verzicht auf mögliche Einnah-         Waldfläche gewertet. Dass darunter
Stickstoff schädigten die Ökosysteme      men aus dem Holzverkauf wird nicht        Hunderte Millionen Tonnen Braunkoh-
und machten sie anfälliger für zusätz-    belohnt. Dafür können diese Waldbe-       le lagern, deren Verbrennung sowohl
liche Belastungen.                        sitzer*innen damit rechnen, dass die      Wirtschaftswälder als auch Waldschutz-
                                          bereits vorhandenen Jungpflanzen          gebiete bedrohen und zerstören dürfte,
Man hatte sich irgendwie daran            im Schutz der toten Bäume und der         ist unwichtig.
gewöhnt. Nicht zuletzt dank allerlei      Vegetation besser aufwachsen. Später
rhetorischer Kunstgriffe, denn seit der   können gegebenenfalls weitere Bäume       Fazit: Eine wirklich sinnvolle, wald-
Veröffentlichung des ersten Berichtes     hinzugepflanzt werden.                    freundliche Forstpolitik wird nicht ver-
1984 rückten die Schadstoffe nach und                                               folgt. Bundesministerin Julia Klöckner
nach an die letzte Stelle der Berichte    3. Die Behauptung, „klimastabile“         beschränkt sich darauf, Steuergelder
und verschwanden fast gänzlich,           Wälder zu pflanzen, entbehrt jeder        und warme Worte zu verteilen, um einer
während wahlweise Hitzewellen, Frost­     fachlichen Grundlage. Sie dient vor       konservativen Klientel zu gefallen und
ereignisse, Stürme oder Insektenver-      allem dazu, die Schadholzräumung          mächtige Wirtschaftsbosse zu bedienen.
mehrung (allen voran der Borkenkäfer)     und Zaunbau zu finanzieren                Für die Wälder, für den Klimaschutz, für
als wichtigste Ursachen ganz vorne                                                  eine lebenswerte Zukunft und auch für
erwähnt wurden.                           Obwohl niemand weiß, welche Baum­         die Forst-und Holzwirtschaft eine fatale
Sogar die verstärkte Fruchtbildung von    arten ein zukünftiges Klimageschehen      Strategie.
Buchen und Eichen – eine natürliche       überstehen können, wird munter
Stressreaktion der Bäume – wurde als      drauflos gepflanzt. Sicher, Nichtstun                             László Maráz,
Ursache deklariert. Genauso könnte        ist auch nicht immer die beste Lösung,       Koordinator Plattform Wald, Forum
man einen blauen Fleck als Ursache        aber es fällt doch auf, dass besonders           Umwelt & Entwicklung, Berlin

                                                                                                        Nr. 149/2.21           19
tropenwald

                                                                                                                       Foto: R. Buryn

     Wie ein Versuch im Schwarzwald zeigt, wäre es für die Natur und den Wald am besten, die abgestorbenen Bäume einfach auf der
     Fläche stehen zu lassen

     Fichtensterben: Chance für die
     ökologische Waldwende!
     In den letzten drei Trockenjahren star­    ökologisches Desaster, das der vom          Waldklima und hätte händelbare Sicher-
     ben bundesweit großflächig Fichten­        Menschen verursachte Klimawandel            heitsrisiken. Das zeigt ein Versuch im
     forste: Hitze, Trockenheit und der         mit seinen Dürresommern angerichet          stark betroffenen Südschwarzwald. Hier
     Borkenkäfer haben die naturfernen          hat. Lasst das Fichtentotholz im Wald       wirkt sich das Stehenlassen des Fichten-
     Bestände geschwächt und absterben          stehen!                                     totholzes finanziell und organisatorisch
     lassen. Diese Entwicklung sollte nicht     Die konventionelle Kahlschlagsstrate-       sogar positiv auf die Forstbetriebe aus. Es
     als Katastrophe, sondern als Chance        gie muss beendet werden. Die naturfer-      braucht nur einen Paradigmenwechsel!
     für die ökologische Waldwende wahr­        nen Fichtenforste in den Tieflagen
     genommen werden!                           Deutschlands sind langfristig nicht zu      Elisabeth Klingberg ist in der Waldfach­
                                                halten. Sie wurden in riesigen Mono-               gruppe von ROBIN WOOD aktiv
     Die gängige Praxis der Forstbranche        kulturen dort gepflanzt, wo sie von
     von Kahlschlag und Neuaufforstung          Natur aus nicht wachsen würden. Ihr         Mehr Infos und Links zum Thema auf
     lässt mittelfristig wichtige Waldfunk-     Absterben ist eine natürliche Reaktion      unserer Homepage: www.robinwood.de/
     tionen verloren gehen. Die gefällten       auf den Klimawandel.                        themen/wald
     Stämme liegen teils noch immer                                                         www.suedkurier.de/region/hochrhein/
     aufgestapelt im Wald, weil der Markt       Totholz und durchgehender Waldbo-           kreis-waldshut/so-stirbt-unser-wald-wie-
     gesättigt ist.                             denbewuchs begünstigen die Wieder-          klimawandel-und-schaedlinge-den-forst-
     Im April und März begann die Brut-         verjüngung des Waldes. Sie schützen         zerstoeren-und-was-experten-jetzt-dagegen-
     und Setzzeit. Insekten, Vögel und          den Boden vor Kohlenstoff- und Nähr-        unternehmen;art372586,10608429
     kleine Säugetiere besiedelten die ver-     stoffverlust und das Sickerwasser vor
     bliebenen Holzstapel, auch Polter ge-      stark erhöhter Nitratauswaschung. Mit-
     nannt. So sind wertvolle Lebensräume       telfristig werden totholzbewohnende          Haben Sie schon einmal Tiere entdeckt,
     entstanden. Das Behandeln der Polter       Arten, Waldrand- und Lichtwald­arten         die sich in Holzpoltern gemütlich einge-
     mit Insektiziden und ihre Abholung im      begünstigt – anstatt ihnen durch             richtet haben? Machen Sie doch bitte ein
     Sommer nimmt den Tieren, darunter          Kahlschlag die Lebensgrundlage zu            Foto und schicken es uns, z.B. an info@
     auch vielen geschützten Arten, diese       nehmen. Wenn Fichtentotholz einfach          robinwood.de. So können wir gemein-
     neuen Nischen. Das wäre ein weiteres       stehenbliebe, wäre das gut für das           sam die Artenvielfalt belegen.

20             Nr. 149/2.21
wald

Muna-Wald vor Center Parc retten
Das Freizeitunternehmen Center Parcs plant im mittelfrän­         zeitresorts werden allerdings nicht nur die Flugrouten der
kischen Muna-Wald ein Freizeitresort zu bauen. Der starke         Fledermäuse, sondern auch ihre Jagdgebiete beeinträchtigt,
Widerstand der Menschen vor Ort und die gravierenden              wenn zum Beispiel Bäume gefällt werden. Zudem zeigen
Eingriffe in die Natur lassen Center Parcs unbeeindruckt.         Untersuchungen, dass Fledermäuse nicht nur empfindlich
                                                                  auf Lebensraumzerschneidung, sondern auch auf Licht- und
Für den Bau des Freizeitparks am Brombachsee würde der            Schallverschmutzung reagieren. Die Population der Fleder-
Muna-Wald zerstört – ein ökologisch wichtiger, stabiler           mäuse im Muna-Wald, darunter auch gefährdete und streng
Mischwald und Heimat vieler, zum Teil seltener oder ge-           geschützte Arten, würde in den nächsten Jahren abnehmen,
fährdeter Pflanzen- und Tierarten. Was für eine Ironie! Ein       wenn der Center Parc gebaut wird.
perfektes, kostenloses Erholungsgebiet zu zerstören und es
durch einen kostspieligen Freizeitpark zu ersetzen. Deshalb       Walderhalt durch Aufforstung?
haben wir uns ein paar besonders absurde Aspekte des Vor-
habens genau angeschaut.                                          Der Center Parc im Muna-Wald würde auf Kosten hunderter
                                                                  wertvoller Bäume und des Klimas gebaut werden. Diese
Um Fledermaus-Flugrouten herum bauen?                             Tatsache wird von den Investoren heruntergespielt, indem
                                                                  behauptet wird, dass der Verlust an Bäumen ja durch Auffor-
Die Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung zeigen,          stung kompensiert würde.
dass der Muna-Wald eine wichtige Flugroute für Fleder-            Doch Abholzung intakter Wälder hat langfristige Auswir-
mäuse ist. 14 verschiedene Arten leben und jagen in und um        kungen, die nicht einfach durch das Anpflanzen neuer Bäu-
den Wald. Center Parcs berichtet nun, dass sie die Anord-         me rückgängig gemacht werden können. Der Wald hat sich
nung der geplanten Gebäude so verändern werden, dass die          mit seinen alten Bäumen und seiner Humusauflage im Laufe
Flugrouten der Fledermäuse berücksichtigt würden und die          der Jahre zu einer großen Kohlenstoffsenke entwickelt. Neu
Fledermäuse so ungestört blieben. Durch den Bau des Frei-         gepflanzte Bäume würden Jahrzehnte brauchen, um eine

Im Fränkischen Seenland soll der Muna-Wald für einen Freizeitpark zerstört werden

  Archivbild: Bürgerinitiative Seenland-in-Bürgerhand

                                                                                                          Nr. 149/2.21          21
wald

                                                                           Aber die Verbrennung von (Holz-)Biomasse ist weder klima-
                                                                           neutral noch nachhaltig. Die Option Biogas aus pflanzlichen
                                                                           Rohstoffen, oft Mais, zu nutzen, ist auch nicht besser fürs
                                                                           Klima. Die hohe Nachfrage nach diesem Rohstoff führt oft zu
                                                                           Landnutzungsänderungen und endlosen Maisplantagen, wo
                                                                           vorher andere Nahrungsmittel angepflanzt wurden.

                                                                           Massentourismus als Segen?

                                                                           Die geplanten ca. 800 Bungalows und 1800 Parkplätze des
                                                                           künftigen Center Parcs machen deutlich, mit welch hohen
                                                                           Gästezahlen und Autoverkehr in Zukunft zu rechnen ist: Die
                                                                           geschätzte Zahl der Übernachtungen liegt bei einer Million
                                                                           pro Jahr. Derzeit wird das Fränkische Seenland von ca. fünf
     Gegen die Pläne des Investors, 800 Bungalows und 1800 Park­           Millionen Tagestourist*innen pro Jahr besucht. Der größte
     plätzen im Muna-Wald zu bauen, regt sich Widerstand vor Ort           Teil des wirtschaftlichen Nutzens ginge an Center Parcs,
                                                                           während die Anwohner*innen unter den Auswirkungen des
                                                                           Massentourismus zu leiden hätten.
     ähnliche Menge an Kohlenstoff zu binden. Der Muna-Wald                Center Parcs gibt auf seiner Website an, dass eine kommerzi-
     ist zudem ein intaktes Ökosystem und ein Wildtierkorridor,            elle Nutzung des Brombachsees nicht geplant sei und dieser
     der zwei Naturschutzgebiete miteinander verbindet.                    für die Öffentlichkeit zugänglich bliebe. Allerdings ist es
     Center Parcs erwecken in ihrer Außendarstellung den An-               nur logisch, dass die Nutzung des Brombachsees sowie des
     schein, dass sie den Muna-Wald zu einer Naturoase beleben             Strandes vor allem in den Sommermonaten stark zunehmen
     würden. Die Wahrheit ist, dass der Wald keine Neubelebung             würde. Eine passende Infrastruktur ist dafür nicht vorhan-
     braucht. Er ist bereits eine Natur-Oase, in der viele Pflanzen        den und geplant.
     und Tiere gedeihen, was auch dem Klima zugute kommt.
     Stattdessen muss er vor gierigen Investoren geschützt wer-            Es liegt in unserer Verantwortung, Ökosysteme wie den
     den, die keinen Respekt vor der Natur haben.                          Muna-Wald nicht nur für uns, sondern auch für die zukünf-
                                                                           tigen Generationen zu erhalten. Wir steuern mit massiver
     Nachhaltige und klimaneutrale Energiebilanz?                          Geschwindigkeit auf die Kipppunkte dieses Planeten zu, und
                                                                           auch ein global betrachtet kleines Projekt wie der Bau eines
     Center Parcs wirbt damit, nachhaltig und CO2-neutral zu               neuen Freizeitresorts durch Center Parcs trägt eine Mitver-
     wirtschaften. Allein schon die Waldabholzung für eine                 antwortung daran. Wir fordern daher einen sofortigen Stopp
     Freizeitanlage stellt diese Darstellung in Frage. Und so              der Pläne zum Bau des Center Parcs am Brombachsee. Wir
     fragwürdig geht es weiter: In ihrem Energiekonzept erwähnt            müssen unseren Planeten vor den Profit stellen.
     Center Parcs regionales Biogas und Biomasse aus Holz als
     Teil ihres zukunftsfähigen, klimaneutralen Energieplans.                Patricia Ngati, ROBIN WOOD-Geschäftsstelle, Hamburg

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                                                                                      Fon +49 (0) 4532 - 21402 | Fax +49 (0) 4532 - 22077
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