Wald braucht Vielfalt! - magazin - Robin Wood
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Leben heißt handeln 3.50 € · ISSN 1437-7543 · Nr. 149/2.2021 magazin Wald braucht Vielfalt! Waldschäden 2020: Wilde Wälder nicht To die or not to die verfeuern
tatorte Kein Wald in Großkraftwerke! Foto: ELF /Karl Adami Wälder sind unsere wichtigsten Verbündeten für das Klima – doch sie sind ernsthaft bedroht durch intensive Düngung und industrielle Tierproduktion. Wir erleben das schlimmste Artensterben seit den Dinosauriern. Nahezu jede Branche ist scharf auf den Wald – die Papierindustrie, die Bauin- dustrie und seit neuestem die Energieerzeuger. Wie im europäischen Ausland schon Realität, plant nun auch Deutschland wertvolle Wälder aus der ganzen Welt zukünftig in den Kohlekraftwerken zu verbrennen. Das müssen wir stoppen! Unterstützen Sie unsere Kampagne: Kein Verfeuern von Wäldern und Savannen in Großkraftwerken! Und machen Sie mit bei unserer Petition: https://tinyurl.com/yxy94j8e. Helfen Sie mit Ihrer Spende! Nur so können wir politischen Druck aufbauen und uns für den Schutz der Wälder einsetzen. Herzlichen Dank! Lesen Sie dafür bitte auch ab Seite 24 dieser Ausgabe. 2 Nr. 149/2.21
editorial Abendliche, digitale Redaktionssitzung in Zeiten von Corona Liebe Leserinnen und Leser! Am 22. Mai jährt sich der Tag der Artenvielfalt zum zwan- Nach drei sehr trockenen Sommern sind die Waldster- zigsten Mal. Die Krise der Biodiversität ist nach der Klimakrise bens-Zahlen für 2020 alarmierend. Unser Waldexperte Rudolf die größte menschengemachte Katastrophe. Wir müssen Fenner stellt Ihnen ab Seite 14 vor, warum die Absterberate hier aktiv werden und die Politik zum Handeln bewegen – der Nadelbäume besonders deutlich ausfällt. Es ist klar: sonst haben wir keinen Grund zum Feiern. Denn die Vielfalt Damit die Wälder die mit Sicherheit noch zulegende Klimaer- der Wälder ist in großer Gefahr. Abholzen, Luftschadstoffe, wärmung besser ertragen können, muss das Binnenklima das Zerschneiden zusammenhängender Waldflächen, der Wälder mit seinen kühleren Temperaturen und seiner Grundwasserabsenkungen, Holzäcker aus Kiefern und höheren Feuchtigkeit geschützt werden. Das geht um so er- Fichten, aber auch der Klimawandel sind Ursachen für den folgreicher, je weniger das Kronendach durch Baumfällungen Verlust an Vielfalt im Wald. Untersuchungen an Insekten durchlöchert wird. in deutschen Wäldern zeigen nicht nur einen dramatischen Artenrückgang von einem Drittel. Auch ihre Gesamtmasse Der Druck auf die Wälder weltweit steigt. Obwohl es wie ein schrumpfte um etwa 40 Prozent im untersuchten Zeitraum schlechter Scherz klingt: Hierzulande sollen Kohlekraftwerke von 2008 bis 2017. umgerüstet werden und fortan gigantische Mengen an impor- Um dem raschen Artenverlust Einhalt zu bieten, müssen deut- tierter Holzbiomasse aus industrieller Abholzung verfeuern. lich mehr Wälder aus der Nutzung genommen und wirksam Damit diese Pläne nicht Wirklichkeit werden, bitten wir Sie geschützt werden. Wald, der sich natürlich entwickeln kann, unsere gemeinsame Petition mit Peter Wohlleben und der ist wesentlich klimastabiler! Die Bundesregierung hinkt ihren Deutschen Umwelthilfe unter https://tinyurl.com/yxy94j8e zu eigenen Plänen weit hinterher. Ihr wenig ambitioniertes Ziel, unterstützen: Keine Büsche und Bäume in Großkraftwerken bis 2020 fünf Prozent der bundesweiten Wälder einer natür- verfeuern! Herzlichen Dank! Lesen Sie mehr dazu ab Seite 24 lichen Entwicklung zu überlassen, verfehlt sie deutlich: Bis dieser Ausgabe. 2019 waren es erst 2,8 Prozent. Die verbliebenen Natur- und Urwälder müssen verbindlich geschützt werden. Statt Wald- Hoffnung macht uns das Urteil des Bundesverfassungsge- flächen weiter zu zerschneiden, müssen wir Wälder miteinan- richtes vom 29. April 2021. Das Gericht fordert die Politik auf, der vernetzen. tatsächlich mehr Klimaschutz umzusetzen und endlich das 2021 stehen zahlreiche zentrale Weichenstellungen an, die Klimaschutzgesetz zu einem wirksamen Instrument zu ma- darüber entscheiden, ob und wie der Schutz unserer Lebens- chen. 100 Prozent Erneuerbare Energien bis 2030 wären dafür räume und ihrer Arten umgesetzt wird. So ringt die EU um ein wichtiges und dringendes Ziel. eine neue Waldstrategie. Währenddessen liegt in Deutschland ein desaströser Entwurf der nationalen Waldstrategie 2050 Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung und bleiben Sie vor. Parallel sträubt sich Frau Klöckner gegen das deutsche aktiv! Alles Gute wünscht Ihnen für die Magazin-Redaktion Insektenschutzgesetz. Wir müssen also weiter Druck machen! mit herzlichen Grüßen Ihre Christiane Weitzel Nr. 149/2.21 3
inhalt tatorte 6 Hamburg: Klimaschädlich und unfair, Heizen mit Holz aus Namibia 7 Stuttgart: Klimakiller Erdgas – Nein Danke! 8 Genug der leeren Versprechen: Klimastreik! 9 München: Grün für alle! Seite 6 Foto: Mirko Boll/ROBIN WOOD Seite 10 bündnisse ZAD de la Colline: „Mehr als ein Hügel“ 10 Foto: Nora Rupp Seite 12 wald 12 Vielfalt braucht Wald! 14 Waldschäden 2020: To die or not to die? 18 Waldpolitik: Julia Klöckners Ablenkmanöver 20 Fichtensterben: Chance für die ökologische Waldwende! 21 Muna-Wald vor Center Parc retten 23 Verpatzt! Massensendungen in der Corona-Krise aus Primärfaserpapier 24 Wälder und Savannen nicht verfeuern! 26 Biomasse für deutsche Energieversorger: Büsche aus der Savanne Foto: BUND/Nicola Uhde 4 Nr. 149/2.21
inhalt tropenwald 28 Berlin: Kriegt es endlich auf die Liefer-Kette! Seite 28 Foto: Micha Deutschlade Seite 32 verkehr Für eine sichere Landung: 32 Flieger stoppen statt Klima schrotten! Foto: PantherMedia Seite 34 energie 34 10 Jahre nach der Katastrophe: Fukushima strahlt bis heute 35 Ökostromanbieter finden internes 37 Vermächtnisse, Impressum 38 ROBIN WOOD-Flosstour 2021: Die Zukunft ist erneuerbar! Heftmitte: ROBIN WOOD-Jahresbericht 2020 Foto: Uwe Hiksch Nr. 149/2.21 5
tatorte Fotos: Mirko Boll/ROBIN WOOD Protest vor dem Großkraftwerk Tiefstack in Hamburg: Hier soll künftig Buschholz aus Namibia verbrannt werden. Auch andere uralte, sensible und artenreiche Ökosysteme sollen in Kraftwerken verfeuert werden, um hierzulande für Strom und Wärme zu sorgen Klimaschädlich und unfair: Heizen in Hamburg mit Holz aus Namibia Hamburg, 28. Februar 2021: ROBIN WOOD-Aktivist*innen Die Welt steckt mitten in der Klimakrise. Auch Hamburg protestierten eindrucksvoll mit Bannern und Rauch vor dem muss seinen CO2-Ausstoß drastisch senken. Da will es sich Heizkraftwerk Tiefstack in Hamburg. Der Grund: Die Ham- die Stadt zunutze machen, dass die Bundesregierung im burger Umweltbehörde prüft zurzeit, im Kraftwerk Tiefstack Zuge des Kohleausstiegs die Energiegewinnung aus Biomas- – statt Kohle – Holz aus Namibia zu verheizen. Das Projekt ist se als vermeintlich erneuerbare Energie fördert. Hamburg international eines der ersten Vorhaben, für das in industri- stünde dadurch auf dem Papier bei seiner Klimabilanz besser ellem Maßstab Holz aus Afrika zur Energiegewinnung in ein da, obwohl das industrielle Verfeuern von Holz Klima und EU-Land geliefert werden soll. Aus Sicht von ROBIN WOOD Artenvielfalt massiv schadet. In Namibia hingegen würden und rund 40 weiteren Umwelt- und Entwicklungsgruppen die Treibhausgasemissionen negativ zu Buche schlagen. Sie wäre dies eine krasse Fehlentscheidung, die dem Ziel einer entstünden etwa durch eine Nutzung der abgeholzten Flä- klimafreundlichen, sozial gerechten Energieversorgung chen für die Rinderhaltung, bei der Produktion von Pellets entgegen liefe. bzw. Holzhackschnitzeln sowie beim Transport des Holzes. ROBIN WOOD hat mit vielen anderen Akteur*innen in Ham- burg den Volksentscheid für den Rückkauf der Energienetze erstritten. Seitdem ist die Stadt verpflichtet, für eine sozial gerechte, klimaverträgliche und demokratisch kontrollierte Energieversorgung aus erneuerbaren Energien zu sorgen. Das Verfeuern von Holz aus Namibia widerspricht diesem Ziel. Die Aktiven forderten den Hamburger Umweltsenator auf, die Energiewende entschlossen voranzutreiben und der Um- rüstung des Kraftwerks Tiefstack auf Holzverbrennung jetzt eine klare Absage zu erteilen. Das hätte auch Signalwirkung für ähnliche Projekte in anderen Städten. Tipp: Hier finden Sie das ROBIN WOOD-Video zur Aktion: https://bit.ly/2Qjw4TW 6 Nr. 149/2.21
tatorte Klimakiller Erdgas – Nein Danke! Stuttgart, 23. April 2021: In Sichtweite des Kraftwerks Stutt- gart-Münster spannten die Aktivist*innen ein Banner mit der Aufschrift „Klimakiller Erdgas – Nein Danke!“ über eine Fußgängerbrücke. Der Protest richtete sich gegen die Pläne des Energiekonzerns EnBW das Kraftwerk auf den Betrieb mit Erdgas umzurüsten. Im Kraftwerk Stuttgart-Münster wird aktuell Steinkohle und Restmüll verbrannt, um sowohl Strom als auch Fernwärme zu produzieren. Im Zuge des Kohleausstiegs sollen die Steinkohlekessel bis 2025 durch neu zu bauende, mit Erdgas bzw. Erdgas und Heizöl betriebene Turbinen ersetzt werden. Unter dem Deckmantel des Klimaschutzes soll hier weitere fossile Infrastruktur geschaffen und der Umstieg auf eine er- neuerbare Wärme- und Stromversorgung blockiert werden. Anders als EnBW in ihrer Öffentlichkeitsarbeit behauptet, ist Erdgas alles andere als klimafreundlich. Sowohl das bei der Verbrennung entstehende CO2 als auch das bei der Produk- tion und dem Transport von Erdgas entweichende Methan heizen die Klimakrise an. Je nach Ort und Methode der Gas- förderung können Gaskraftwerke damit sogar klimaschäd- licher sein als herkömmliche Kohlekraftwerke. Foto: Angelika Linckh Mehr Tempo bei den Erneuerbaren Berlin, 25. März 2021: Mit einer gemeinsamen Aktion vor dem dere Bürgerenergieprojekte, die zum bisherigen Erfolg der Bundeskanzleramt in Berlin protestierten Vertreter*innen Energiewende in Deutschland erheblich beigetragen haben, der Deutschen Umwelthilfe, den NaturFreunden Deutsch- sind durch ausufernde bürokratische Anforderungen und land, ROBIN WOOD und dem Umweltinstitut München eine Reduktion der verfügbaren Flächen deutlich zurückge- gegen die Gefährdung der Energiewende durch die aktuelle gangen. Bundesregierung. Mit einem Banner „Klimakrise bekämp- fen – Erneuerbaren-Ausbau verdreifachen!“ forderten sie die Im Hinblick auf die kommende Bundestagswahl kündigten Bundesregierung auf, den Umbau auf ein klimaschonendes, die Aktiven an, weiter Druck für einen beschleunigten Aus- erneuerbares Energiesystem deutlich zu beschleunigen. bau der Erneuerbaren Energien zu machen. Dabei setzen sie Bei der Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes auf den Protest einer breiten Klimabewegung. im Dezember 2020 hatte es die Bundesregierung verpasst, neue Zielwerte für den Ausbau von Wind- und Solarenergie zu verabschieden. Mit einem von SPD und Union angenom- menen Entschließungsantrag wurde jedoch vereinbart, die notwendige Anpassung an die aktuellen Klimaziele im ersten Quartal 2021 nachzureichen. Trotz der Dringlichkeit der Klimakrise hält die Bundesregierung diese selbstgesetzte Frist nun nicht ein. Die Energiewende ist unter der aktuellen Bundesregierung ins Stocken geraten. Während im Jahr 2017 noch Windkraft anlagen an Land mit einer Leistung von 5,3 Gigawatt (GW) zugebaut wurden, betrug der Zubau 2020 gerade mal 1,4 GW. Auch bei der Solarenergie liegen die aktuellen Zubau- zahlen mit 4,8 GW (2020) deutlich unter dem, was aktuell notwendig wäre, um die Klimaziele einzuhalten. Insbeson- Foto: ROBIN WOOD Nr. 149/2.21 7
tatorte Genug der leeren Versprechen: Klimastreik! 19. März 2021: Könnte, würde, hätte – genug der leeren Versprechungen. Machen ist ange- sagt, damit die bedrohlichste Krise unserer Zeit bekämpft und das Pariser Klimaschutz-Ziel erreicht werden kann. Fridays For Future ist zurück und zeigte beim Klimastreik in rund 120 Städten eindrucksvoll, dass die Bewegung trotz Corona-Einschränkungen weiter Druck machen wird – auch mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl. ROBIN WOOD war unter anderem in Stuttgart, München, Köln und Hamburg dabei . #NoMoreEmptyPromises – lautete die Forderung heute auch im Oberen Schlossgarten in Stuttgart. ROBIN WOOD-Aktive demonstrierten dort mit für eine klimafreundliche Energiewende und um deutlich zu machen, dass Gas keineswegs eine klimafreundliche Alternative zu Kohle und Öl darstellt. In München beteiligten sich ROBIN WOOD-Aktive an der Demo „Global Climate Strike: Kein Bock auf leere Worte, Klimawandel und Kapitalismus!“. „Wälder sind die Lunge der Erde“ stand auf ihrem Banner. Klimastreik in Stuttgart In Köln fanden gleich an sechs Standorten Kundgebungen zum Globalen Klimastreik statt. Neben flammenden Reden für den dringend notwendigen Klimaschutz stand Unterhaltung auf dem Programm: Der Kabarettist Jürgen Becker sorgte für Aufheiterung angesichts der globalen Krisen und die Bläck Fööss forderten zu Zusammenhalt „in unserem Veedel“ auf. Um die Bedeutung der Wälder für den Klimaschutz ging es in Hamburg: „Mehr wilde Wälder wachsen lassen!“, forderte ROBIN WOOD mit einem Redebeitrag bei der Kundge- bung von „Parents for Future“ auf dem Rathausmarkt. Mehr Waldflächen müssen aus der forstlichen Nutzung genommen und unter Schutz gestellt werden. Zugleich warnte ROBIN WOOD vor einer neuen Gefahr für die Wälder: Angesichts des Kohleausstiegs suchen die Energieunternehmen nach neuem Brennstoff für ihre großen Kraftwerke. Ihre Idee: Holz verfeuern, um Strom und Wärme zu erzeugen. Das erhöht den Druck auf die Wälder und andere Ökosysteme, in denen die begehrte Biomasse zu holen ist. In Hamburg wird dies bereits konkret. Dort prüft die Umweltbehörde, ob künftig statt ROBIN WOOD-Aktive mit Pingu- Kohle Holz aus Namibia im Kraftwerk Tiefstack verheizt werden soll. ROBIN WOOD nutzte inen beim Klimastreik in Köln den Klimastreiktag, um weiteren Protest dagegen anzukündigen: „Keine Holzverbrennung in Tiefstack: Büsche und Bäume müssen draußen bleiben!“ Klimastreik in Hamburg: Keine Ute Bertrand, ROBIN WOOD-Pressesprecherin, Hamburg leeren Versprechen mehr! Fotos: ROBIN WOOD 8 Nr. 149/2.21
tatorte Grün für alle! München, 12. Februar 2021: „Grün für alle, statt Profit für Einen“ und „47 Prozent Flächenversiegelung in München“ stand auf Bannern und Plakaten. Die ROBIN WOOD- Regionalgruppe München demonstrierte zusammen mit einer Bürger*innen-Initiative für den Erhalt der öffentlichen Grünanlage direkt neben dem Gartencenter Seebauer in Ramersdorf, München-Neuperlach. Es herrschte Empörung darüber, dass der Besitzer das Gartencenter auf einer öffent- lichen Grünfläche erweitern will. Dem Bauvorhaben sollen insgesamt ca. 40 bis 60 Bäume zum Opfer fallen. Ziel der Aktiven ist es, den ökologisch wertvollen Baumbestand vor der Fällung zu retten. Ein Aktionsbündnis setzte sich schon seit Anfang 2019 für um Bäume, Grünanlage und Gartencenter nebeneinander den Erhalt der öffentlichen Grünanlage ein. Der Protest existieren zu lassen. Diesen Plan wollte der Investor jedoch zielte nicht darauf ab, die Erweiterung oder den Neubau von nicht umsetzen. Stattdessen reichte er einen Antrag auf Wohnungen für Mitarbeiter*innen verhindern. Der Investor Fällung einiger Bäume auf dem Areal ein. sollte vielmehr von einer umweltverträglicheren Alternative überzeugt werden. Zu diesem Zweck engagierte das Bünd- Lukas Busch, ROBIN WOOD-München nis einen Architekten, der eine gute Lösung entwickelte, muenchen@robinwood.de Tierindustrie: Ausstieg statt Umbau! Berlin 5. März 2021: Vor dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft forderten Aktivist*innen von den politisch Verantwortlichen die industrielle Tier- haltung zu beenden. Anlass war eine aktuelle Studie mit dem Titel: „Milliarden für die Tierindustrie“. Jedes Jahr fließen mehr als 13 Milliarden Euro aus öffent- lichen Mitteln in die gesamte Tierwirtschaft. Das Bündnis „Gemeinsam gegen die Tierindustrie“ forderte mit der Kundgebung diese Gelder zu nutzen, um unverzüglich aus der Tierindustrie auszusteigen und die Milliar- den-Summen in einen ökologischen und solidarischen Landbau umzulenken. Aktiv werden? – ROBIN WOOD im Überblick Darum geht’s: Mit kreativen Aktionen und klaren und übernimmt Verwaltungsaufgaben. Über die wichtigen Forderungen mischt sich ROBIN WOOD öffentlichkeits- Anliegen des Vereins entscheiden die ehrenamtlich Aktiven wirksam in politische Debatten ein und streitet für eine basisdemokratisch. umweltverträgliche und sozial gerechte Gesellschaft. Die Die themenspezifische Arbeit erfolgt überregional in Fach- Kampagnen-Schwerpunkte von ROBIN WOOD liegen in den gruppen, unterstützt durch hauptamtliche Kräfte. Ziele, Bereichen Wald, Tropenwald, Klima, Energie und Mobilität. Inhalte und Forderungen der Aktivitäten im Fachgebiet Bundesweit organisieren sich ROBIN WOOD-Aktive in zahl- werden dort diskutiert und im Konsens beschlossen. reichen Regionalgruppen, siehe auch robinwood.de/ Regionalgruppen. Dort, wo es keine Gruppen gibt, sind Weitere Informationen über ROBIN WOOD gibt es im Internet Neugründungen möglich. Die Bundesgeschäftsstelle in unter www.robinwood.de. Kontakt: ROBIN WOOD-Bundesge- Hamburg unterstützt die lokalen Gruppen bei fachlichen schäftsstelle, Bremer Str. 3, 21073 Hamburg, 040 3808920, Fragen, Recherche, Aktionsvorbereitung und Pressearbeit info@robinwood.de Nr. 149/2.21 9
tropenwald Fotos: Nora Rupp Die erste Waldbesetzung der Schweiz: Aktivist*innen der ZAD de la Colline protestierten gegen einen weiteren Kalksteinabbau. Mit einem massiven Aufgebot hat die Polizei und Feuerwehr die Zad de la Colline inzwischen geräumt. Da sich Personen in Bäumen ver- schanzten, dauerte die Räumung mehrere Tage ZAD de la Colline: „Mehr als ein Hügel“ Nicht weit von Lausanne wehren sich Menschen der Initi- öffentlich Druck zu machen, besetzten die Aktivist*innen ative “ZAD de la Colline“, gegen die Zerstörung eines Berg- das Gelände. Wir wollen so das zerstörerische Projekt von plateaus durch den Schweizer Baustoffkonzern Lafarge- LafargeHolcim stoppen und retten, was vom Mormont Holcim. Jana Ballenthien, ROBIN WOOD-Waldreferentin, noch übrig ist. Wir wollen der Öffentlichkeit zeigen, wie die und Aaron Schinker, ROBIN WOOD-Aktionsunterstützung, Betonindustrie den Klimawandel anheizt, Wasser und Böden sprachen mit zwei Aktivist*innen dieser ersten Waldbe- verschmutzt und in den 80 Ländern, in denen das Unterneh- setzung in der Schweiz. ZAD steht für „Zone à défendre“, men tätig ist, die Menschenrechte missachtet. zu verteidigende Zone, und wird umgangssprachlich als Bezeichnung für eine Besetzung verwendet. ? Bitte beschreibt uns die Landschaft, gegen deren Zerstörung ihr kämpft. ? Seit gut 25 Jahren wird auf dem Berg Mormont vom Schweizer Unternehmen „LafargeHolcim“ Kalkstein abgebaut. Warum seid ! Der Mormont ist ein Kalksteinberg, der zum zentralen ihr jetzt dort aktiv geworden? Juramassiv gehört. Auf ihm wachsen die letzten Trockenwie- sen der Schweiz – 95 Prozent dieses Biotoptyps sind bereits ! Auf dem Birette-Plateau, unterhalb des Gipfels des Berges verschwunden. Weil die Trockenwiesen so selten sind, ge- Mormont, wachsen artenreiche Trockenwiesen und Wälder. hören die Mormont-Wiesen zum sogenannten „Inventar von Hier befindet sich auch eine wichtige archäologische Stätte, nationaler Bedeutung“, das nur 0,5 Prozent der Landesfläche an der sich Kelten aus ganz Europa versammelten. Der Stein- ausmacht. bruch, für den bereits ein großer Teil des Berges abgetragen wurde, soll jetzt auf einer Fläche von 200 x 600 Metern ver- Das Gebiet ist ein wichtiger ökologischer Wildtierkorridor größert werden. Weitere sieben Jahre soll Kalkstein abgebaut zwischen dem Juragebirge und den Alpen. Die abwechs- und die Natur ausgebeutet werden. lungsreiche Landschaft besteht neben den Trockenwiesen Nichtregierungsorganisationen legten gegen die Erweiterung aus Ackerland mit Wallhecken, einem großen Mischwald am des Steinbruchs Einspruch ein, der jedoch auf kantonaler Nordhang und Weinbergen im Süden des Mormont. Eine der Ebene abgewiesen wurde. Aber der Kampf geht weiter. Des- Besonderheiten sind 24 Orchideenarten, die hier vorkom- wegen haben sie auf Bundesebene Berufung eingelegt. Um men und die alle national geschützt sind. 10 Nr. 149/2.21
bündnisse ? Was fordert ihr von dem Unternehmen LafargeHolcim und der Politik? ! Wir fordern, dass der Kalksteinabbau nicht erweitert wird, und dass das Birette-Plateau erhalten bleibt. Aber wir wollen auch nicht, dass, falls dieser Steinbruch geschlossen wird, einfach auf dem nächsten Hügel ein neuer Steinbruch eröffnet oder dass Kalkstein aus Italien importiert wird. Das macht für uns keinen Sinn. ZAD will auch die ökologischen und sozialen Grenzen der aktuellen Bauwirtschaft und des konkreten Lobbyismus aufzeigen. Wir fordern, dass alter- native Baukonstruktionen gefördert und die Verwendung alternativer Materialien erleichtert werden: Leichtbauten, Materialien aus biologischem Anbau, recycelte Baustoffe. ? Wie habt ihr zusammengefunden? Wer ist bei euch aktiv und Ausblick vom besetzten Birette-Plateau. Eine Besonderheit sind unterstützt euch? die 24 Orchideenarten, die hier vorkommen und die alle national geschützt sind ! Anfang letzten Jahres schrieben Menschen, die am Klima streik teilgenommen haben, einen offenen Brief an das Unternehmen und forderten es auf, seine Aktivitäten neu ? Wie steht die lokale Bevölkerung zu der Erweiterung des Berg- auszurichten. Noch während das Bundesgericht über die werks? Genehmigung der Steinbrucherweiterung beriet, planten zwei Aktivist*innen die erste „Zone à défendre“, die „zu ! Schon vor der ZAD wurde für den Schutz des Hügels ge- verteidigende Zone“ der Schweiz. Die Idee zur Besetzung kämpft. Die ASM hat fast 400, meist lokale Mitglieder. Sie war ihnen gekommen, während sie jeden Tag mit der Bahn unterstützen uns mit Geldspenden, aber auch mit Lebens- von Yverdon nach Lausanne an einem Steinbruch vorbei tu- mitteln, Baumaterial und Holz und berichten in ihren sozi- ckerten, vor dem ein riesiges Schild die nachhaltige Partner- alen Netzwerken über unsere Besetzung. Aber es ist nicht schaft zwischen LafargeHolcim und der Region lobt. Diese nur die ASM, die uns hilft. Über das große Netzwerk aus Besetzung ist also die Idee einer kleinen, eher heterogenen Vereinen und Umwelt-Aktivist*innen in der Westschweiz Gruppe von Aktivist*innen. unterstützen uns jeden Tag mehr Menschen und sie wollen Von Anfang an ging die Besetzung in der Westschweiz breit uns im Falle einer Räumung helfen. Auch die Schweizer durch die Medien. Die „ZAD de la Colline“ wurde zu einem Grünen haben einen Appell zum Schutz des Mormonts an zentralen Platz für Aktivist*innen der Westschweiz. Aber das Parlament gerichtet. auch zu einem Ort, der für viele das erste Tor zum direkten Leider, und wie nicht anders zu erwarten, genießt die ZAD ökologischen Kampf wurde. In den letzten Wochen sind nicht die einhellige Unterstützung der lokalen Bevölkerung. immer mehr Menschen aus der Deutschschweiz, dem Tessin, Vor allem in Eclépens gibt es viele Arbeiter*innen, deren aber auch Aktive aus ZADs in Frankreich oder Waldbeset- Familien schon seit drei Generationen für LafargeHolcim zer*innen aus dem Dannenröder Wald in Deutschland zu tätig sind. LafargeHolcim gilt als ein Unternehmen, das uns gestoßen und haben ihre Erfahrungen und ihr Wissen die Region belebt und Vereine wie den lokalen Fußballclub geteilt. Vor Ort werden wir direkt von der Association for finanziell unterstützt. the Defence of Mormont (ASM) unterstützt, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Natur und Landschaft von Mormont zu ? Welche Unterstützung wünscht ihr euch zum Beispiel von Men- schützen. schen, die derzeit aufgrund der Pandemie nicht zu euch reisen können? ? Wie hat das Unternehmen auf eure Besetzung reagiert? ! Wir freuen uns über jede mediale Unterstützung, über das ! In der ersten Woche der Besetzung besuchten uns die Teilen von Artikeln und Berichten zu unserer Besetzung auf Direktor*innen des Unternehmens, um uns vom Betreten ihren Kanälen, in ihren Netzwerken und über Kollektive und des Steinbruchs abzuraten und vor Unfallrisiken zu warnen. Organisationen. Sie können auch sehr gerne unsere Petition Dabei war es nie unser Ziel, den Betrieb der Mine zu ver- zur Unterstützung der ZAD unterzeichnen und teilen, die auf hindern, sondern die Erweiterung des aktuellen Kalkstein- unserer Webseite zu finden ist: orchidees.noblogs.org. bruchs. Seitdem herrscht seitens LafargeHolcim komplette Funkstille, und es ist momentan selbst für die Leute von Das Interview wurde von den Autor*innen aus dem Franzö- der ASM unmöglich, mit dem Unternehmen in Kontakt zu sischen übersetzt. Eine ausführliche Version finden Sie auf treten. LafargeHolcim sorgt sich seit Jahrzehnten um sein unserer Homepage unter: Image und nutzt Greenwashing-Strategien, deshalb vermu- www.robinwood.de/blog/es-geht-um-mehr-als-einen-hügel. ten wir, dass es nicht frontal gegen uns vorgehen wird. Mehr Infos auch unter: https://zaddelacolline.info/. Nr. 149/2.21 11
wald Fotos: BUND/Nicola Uhde 21 Nr. 149/2.21
wald Foto: Christiane Weitzel Vielfalt braucht Wald! Die Bundesregierung hat sich einer beeindruckenden halt zu bieten, müssen deutlich mehr Wälder aus der Nutzung Zukunftsvision für die deutschen Wälder verpflichtet: mit genommen und wirksam geschützt werden. Denn Wald, der hoher natürlicher Vielfalt und Dynamik, strukturreichen sich natürlich entwickeln kann, ist wesentlich klimastabiler! Waldgesellschaften und einer naturnahen Bewirtschaftung Die Bundesregierung hinkt ihren eigenen Plänen weit hin des Waldes – und das alles im Einklang mit seiner ökolo terher. Ihr wenig ambitioniertes Ziel bis 2020 fünf Prozent gischen und sozialen Funktion. So steht es in der nationalen der bundesweiten Wälder einer natürlichen Entwicklung zu Strategie zur biologischen Vielfalt, die schon bis Ende letzten überlassen, verfehlt sie deutlich: Bis 2019 waren es erst 2,8 Jahres umgesetzt werden sollte. Prozent. Die wenigen verbliebenen Natur- und Urwälder müssen Doch die Ziele wurden krachend verfehlt! Und schlimmer: zwingend verbindlich geschützt werden. Statt Waldflächen Die Vielfalt der Wälder ist in großer Gefahr. Kahlschläge, weiter zu zerschneiden, müssen wir Wälder miteinander Luftschadstoffe, die Zerschneidung zusammenhängender vernetzen. Ein besonderes Augenmerk muss auf den Schutz Waldflächen, Grundwasserabsenkungen, „Holzäcker“ aus und Erhalt alter Bäume gelegt werden. Höhlen, Spalten und Kiefern und Fichten, aber auch der Klimawandel sind Ursa Risse, alte Bohrgänge, starkes Ast- und Kronentotholz: dies chen für den Verlust an Vielfalt im Wald. Untersuchungen alles bietet Lebensraum für Vögel, Insekten und Säugetiere, an Insekten in ausgewählten deutschen Wäldern zeigten Pilze, Flechten und Mistelbesatz – für die Vielfalt, die wir zum nicht nur einen dramatischen Artenrückgang von einem Überleben brauchen. Alte Bäume brauchen intakte Wälder. Drittel. Auch ihre Gesamtmasse schrumpfte um etwa 40 Solche Waldgesellschaften haben nichts mit Baumplantagen Prozent im Untersuchungszeitraum von 2008 bis 2017. Das zu tun! ist mehr als alarmierend! Seit fast vier Jahrzehnten kämpft ROBIN WOOD gemeinsam Am 22. Mai jährt sich zum zwanzigsten Mal der Tag der Bio mit Ihnen für den Schutz und den Erhalt der Wälder. Die diversität. Doch einen Grund zum Feiern haben wir nicht! Dringlichkeit hat durch die Klimakrise und den massiven Die Zeit drängt: Wir stehen vor den Herausforderungen Verlust der Artenvielfalt enorm zugenommen. Lesen Sie auf einer Klimakrise und einer nicht minder schwerwiegenden den folgenden Seiten bitte mehr zum Sterben der Wälder und Krise der Biodiversität! Um dem raschen Artenverlust Ein warum Wald nicht in Kohlekraftwerken verheizt werden darf. Nr. 149/2.21 13
14 wald Nr. 149/2.21 Foto: Bildagentur PantherMedia/roland brack
wald Waldschäden 2020: To die or not to die? Keine Frage, die letzten drei Jahre delverluste, 37 Prozent der Baumkro- lichen Hitze und Trockenheit unü- waren so trocken und warm wie wohl nen sind deutlich bis stark geschädigt. bersehbar einen dicken Warnschuss noch nie. Und sichtbar wie nie sind in die Wälder platziert. In manchen auch die Folgen in den Wäldern. Alle Gestorben wurde in den Wäldern schon Kommentaren von forstlichen Verbän- haben sie gesehen – die toten, die immer. Doch die Menge der jährlich den und Ministerien wird seitdem den sterbenden, die welken Bäume. Und abgestorbenen Bäume, die sogenannte Fichten und Kiefern, aber auch den wer es nicht mit eigenen Augen in den Absterberate, war in der Vergangenheit Buchen kaum noch eine Zukunft im Wäldern hat sehen können, der hat keine Messgröße, die wirklich auffäl- Wirtschaftswald zugetraut. Dafür wird es dank zahlloser medialer Berichte lige Veränderungen erkennen ließ. Sie die Liste mit Vorschlägen von Ersatz- und Reportagen trotzdem mitbekom- schwankte in den letzten zwei Jahr- baumarten aus wärmeren Regionen der men: Der Schadensverlauf des Waldes, zehnten unspektakulär um einen Wert Welt immer länger. alljährlich gemessen an den Blatt- und von 0,2 Prozent. Selbst nach der ersten Nadelverlusten in den Baumkronen der ungewöhnlichen Dürre im Jahr 2003 Doch schon ein grober Blick in die Waldbäume, ist in den beiden letzten blieb sie unter 0,3 Prozent. Doch in den Details des aktuellen Waldzustands- Jahren auf die höchsten Werte seit Be- letzten beiden Jahren ist die Abster- berichts des Bundeslandwirtschafts- ginn dieser Erhebungen im Jahre 1984 berate angestiegen, zunächst 2019 auf ministeriums ergibt ein anderes Bild: hochgeschossen (siehe Grafik unten). 0,63 Prozent und im letzten Jahr dann Nadelbäume starben während des auf 1,73 Prozent. letzten Jahres deutlich stärker weg als Nur noch 21 Prozent aller Waldbäume Laubbäume. Insgesamt lag die Abster- wurden als vital eingestuft. Der Rest Die fortschreitende Klimaerwärmung berate bei den Nadelbäumen bei rund zeigt erkennbar erhöhte Blatt- bzw. Na- hat mit dieser mehrjährigen sommer- 2,4, bei den Laubbäumen aber nur bei Der Schadensverlauf des Waldes, alljährlich gemessen an den Blatt- und Nadelverlusten in den Baumkronen der Waldbäume, ist in den beiden letzten Jahren auf die höchsten Werte seit Beginn dieser Erhebungen im Jahre 1984 hochgeschossen. Dargestellt sind die zusammengefassten Werte aller Waldbäume in den Schadstufen 1 – 4 Nr. 149/2.21 15
wald 0,9 Prozent. Fichten hatten dabei die bei weitem und mit aller Macht wegsterbend aus den höchste Absterberate. Über vier Prozent sind im plantagenartigen Forsten und aus den mittler- letzten Jahr bundesweit abgestorben, in Nord weile zu warmen und zu trockenen, tieferen rhein-Westfalen waren es fast 11 und in Hessen Lagen zurück – nämlich dorthin, wo sie in sogar 17 Prozent. Die geringsten Absterberaten Deutschland von Natur aus heimisch ist: in die bundesweit hatten Buchen und Eichen mit 0,3 höheren, kühleren und auch feuchteren Lagen Prozent bzw. 0,41 Prozent. Insgesamt sind deutlich mehr der süddeutschen Mittelgebirge und des Alpen- als doppelt so viel Fichten abgestorben als alle rands, wo auch die Chancen des Borkenkäfers anderen abgestorbenen Nadel- und Laubbaum deutlich gemindert sind. arten zusammengenommen! Wer aber im selben Atemzug mit der Fichte Bemerkenswert und zunächst irritierend ist, dass auch die Buche verbal gleich mit wegsterben Buchen und Eichen die geringsten Absterberaten lässt, redet fahrlässig daher. Mag sein, dass hatten (siehe Grafik unten), während ihr Scha- sich die Buche künftig aus steileren, sonnen- densverlauf anhand der Kronenverlichtung sie exponierten Süd- und Südwesthängen nach in den letzten drei Jahrzehnten durchgängig als und nach zurückziehen wird. Von solchen die am stärksten geschädigten Waldbaumarten Standorten stammten meist die Bilder von ausgewiesen hat (siehe Grafik auf der folgenden flächig absterbenden Buchenbeständen, deren Seite). Und umgekehrt: Fichten und Kiefern Laubkronen bereits im Sommer braun verfärbt schienen, gemessen anhand ihrer Nadelverluste, und zum Teil auch schon kahl geworden waren. deutlich weniger zu leiden, starben aber jetzt in erschreckendem Umfang ab. Offensichtlich sind Doch dieser vorzeitige Blattabwurf ist bei Laub- Laubbäume deutlich besser als Nadelbäume in bäumen – siehe oben – eine Art Notbremse, um der Lage, sehr differenziert über Blattausbildung sich vor weiterem, letztlich tödlichem Wasser- und Blattabwurf auf Umweltbelastungen und verlust durch die transpirierenden Blätter zu Wasserstress zu reagieren und so dem tödlichen schützen. Da aber die Knospen fürs nächste Verdorren eher zu entkommen. Offensichtlich Jahr bereits im Juli fertig angelegt sind, haben wird allerdings auch, dass das Kriterium der etliche Laubbäume im darauffolgenden Jahr Kronenverlichtung nur als Gradmesser für die wieder ausgetrieben. Schadensentwicklung der jeweiligen Baumart geeignet ist, nicht aber für den Vergleich zwi- Und, um es noch mal zu betonen. Die Buche ist schen verschiedenen Baumarten. unter den vier Hauptbaumarten bundesweit diejenige, die mit den insgesamt geringsten Kein Baum stirbt aus in Deutschland – auch die Verlusten durch die bislang längste und här- Fichte nicht. Aber sie zieht sich offensichtlich teste Dürre gekommen ist. Absterberaten der vier Hauptbaumarten in unseren Wäldern 1990 – 2017 2020 2018 2019 Buche Eiche Kiefer Fichte Für die Darstellung der zusammengefassten Absterberaten der Jahre 1990 bis 2017 wurde der mittlere Wert (Median) gewählt. Die Streubereiche dieser zusammengefassten Werte – bereinigt um die jeweils drei niedrigsten und die drei höchsten Werte - betragen für die Buche 0 – 0,11 %, für die Eiche 0,11 – 0,51 %; für die Kiefer: 0 – 0,29 % und für die Fichte 0,04 – 0,26 % 16 Nr. 149/2.21
wald Und wer mit glänzenden Augen noch Entwicklung der Kronenverlichtung (Schadstufen 1 bis 4) immer die aus Nordamerika stammen- de Douglasie als traumhaften Zukunfts- bei Buche und Fichte seit 1990 baum für unsere Wälder propagiert, hat sich ihre Schadensbilanzen in Südwestdeutschland nicht angeschaut. Aus dem in der Tat vor vier Jahrzehnten noch rundum gesund dastehenden Baum ist dort über die Jahre ein Baum geworden, bei dem nur noch weniger als 20 Prozent sind ungeschädigt. Prozent Damit die Wälder sich von den Schäden der letzten Jahre erholen können und – mehr noch – damit die Wälder vor der mit Sicherheit noch zulegenden Klima erwärmung besser geschützt sind, ist es erforderlich, das Binnenklima der Wälder mit seinen kühleren Tempera- turen und seiner höheren Feuchtigkeit besser zu schützen. Der Laubbaum Buche zeigt im Vergleich zum Nadelbaum Fichte einen Das geht um so erfolgreicher, je weni- seit Jahrzehnten deutlich höheren Anteil an verlichteten Baumkronen ger das Kronendach durch Baumfäl- lungen durchlöchert wird. Auch sollten umgestürzte Bäume und anderes vermeintlich besser geeignete Baum Unter https://bmel.de/DE/themen/wald/ Totholz weitmöglichst im Wald belas- arten aus anderen Regionen in die wald-in-deutschland/waldzustandser- sen werden. Das hält die Feuchtigkeit Debatte zu werfen, über deren Integra- hebung.html können die Ergebnisse der am und auch im Waldboden deutlich tionsfähigkeit in die hiesigen Wälder bundesweiten Waldzustandserhebung länger! wir aber so gut wie nichts wissen. 2020 sowie der Berichte aus den einzelnen Bundesländern heruntergeladen werden. Und überhaupt: Es sollte jetzt end- Rudolf Fenner, Waldexperte Grafiken und Tabellen dazu gibt es lich verstärkt über die Anpassung ROBIN WOOD, Hamburg gesondert auch unter https://tiwo-wze. der Waldbewirtschaftung an die sich shinyapps.io/WZE_app/ ändernden Klimabedingungen nach- Mehr Infos finden Sie unter: gedacht werden, anstatt immer wieder www.robinwood.de/waldsterben Der Burgberg im Nationalpark Hainich Man konnte es schon von Weitem sehen: Es war in den letz- Rindenpartien und erste Pilzinfektionen am Stamm, zu ten Tagen des Sommers 2019 und die südwestliche Flanke sehen waren. Tatsächlich aber ergab eine Erhebung im dar- des dicht bewaldeten Burgbergs bis rauf auf die Kuppe sah auffolgenden Jahr, dass nur etwa zehn Prozent der Buchen im oberen Bereich weitgehend schwarzbraun aus – nur noch abgestorben waren. wenige grüne Baumkronen dazwischen. Über 80 Prozent dieses Bergrückens ist von Buchen bestan- den, deren Laub bereits offensichtlich weitgehend abgewor- fen war. Vereinzelt standen dazwischen und noch grün ein paar andere Laubbäume wie Trauben-Eiche, Sommer-Linde, Berg- und Feld-Ahorn. Aus der Nähe war zu sehen, dass einige der kahl aussehenden Buchen im unteren Kronenbe- reich, der vor Hitze und Sonneneinstrahlung etwas ge- schützt ist, noch etwas grünes Laub trugen. Der Gesamteindruck war, dass wohl im nächsten Jahr der größte Teil dieser Buchen nicht mehr am Leben sein würde, zumal bereits die ersten Folgeschäden, wie abgeplatzte Foto: László Maráz Nr. 149/2.21 17
wald Foto und Montage: László Maráz Julia Klöckner sorgt sich öffentlichkeitswirksam um die Wälder. Statt die tatsächlichen Ursachen für das Waldsterben zu benennen und wirksame Maßnahmen zu ergreifen, beschränkt sie sich darauf, großzügig Geldgeschenke zu verteilen Waldpolitik: Julia Klöckners Ablenkmanöver Dass es den Waldbeständen in Millionen junger Bäume pflanzen, und all jene ausgeschüttet, die einen Antrag Deutschland schlecht geht, wurde in die Bundeslandwirtschaftsministerin stellen. Ganz gleich, ob ihr Wald zu den letzten Jahren auch der breiten Julia Klöckner sorgt sich gemeinsam den knapp drei Prozent geschädigter Öffentlichkeit bewusst. Die Hitze- und mit deren Interessenverbänden öffent- Waldflächen gehört oder nicht. Es Dürreperioden waren prominente lichkeitswirksam um die Zukunft der ist auch egal, ob die Beschenkten das Themen in allen Medien. Berichte über Wälder und verspricht Unterstützung Geld auf vernünftige oder auf sinnlose Waldbrände und Bilder von großflächig mithilfe Hunderter Millionen Euro an Weise in ihren Wald investieren. Oder abgestorbenen Fichtenplantagen Steuergeldern. ob sie es für andere Dinge verwenden. sorgten für ungewohnte Beachtung. Waldeigentümer*innen, die Totalver- Das beinhaltet finanzielle Unterstüt- luste beklagen, erhalten somit viel zu Auch die bezifferten Schäden klingen zung für das große Aufräumen, als ob wenig Geld, während andere sich über beeindruckend. Ob es nun 285.000 abgestorbene Bäume entsorgungs- ein Geschenk freuen können. Hektar beschädigte Waldflächen sind, pflichtiger Sondermüll wären. Es 171 Millionen Kubikmeter Schadholz werden „klimastabile“ Wälder angelegt, Dabei sind die 1,5 Milliarden Steuer- oder 80 Prozent aller Bäume mit obwohl niemand weiß, welche Baum gelder, die nach Angaben des BMEL für sichtbar krankhaften Blattverlusten: arten das sein könnten und wann wir den Wald bereitgestellt werden, nicht Wir müssen etwas dagegen tun. Und es wieder ein stabiles Klima haben wer- einmal das große Problem. Zumindest scheint so, als wären alle dabei: Waldei- den. Zusätzlich wird eine flächenbezo- wenn man die Summe mit den überaus gentümer*innen und Forstleute wollen gene, pauschale Bundeswaldprämie an großzügigen Geldern vergleicht, die 18 Nr. 149/2.21
wald Luftfahrtunternehmen, Reisefirmen einer Prellung bezeichnen, oder be- häufig solche Baumarten gepflanzt wer- und andere Konzernen im Rahmen der haupten, der Husten sei schuld an einer den, von denen man schnelles Wachs- Corona-Pandemie geschenkt wurden. Erkältung. tum und gute Holzpreise erwartet. Eine Pro Hektar Waldfläche wären das Abkehr von der Plantagenwirtschaft etwa 130 Euro. Auch wenn die Ge- Unter Stress stehen Wälder auch durch rückt in weite Ferne, denn es werden samtsumme durch Einbeziehung von die stetig zunehmende Verstärkung des mitunter sogar wieder Fichten und Fördermitteln, die ohnehin für den Holzeinschlags und des vermehrten Kiefernplantagen angelegt. Besser wäre Wald eingeplant waren, pressewirksam Einsatzes von immer schwereren es, die heimischen Baumarten zu be- aufgebläht wurde. Problematisch ist Maschinen, mit denen die Waldböden vorzugen, denn die Jungbäume können der lobbyfreundliche Aktionismus aus geschädigt oder zerstört werden. Die sich durchaus unter anderen Klimabe- anderen Gründen. Waldbestände werden zu stark aufge- dingungen anders entwickeln, wenn lichtet, den Waldböden wird zu wenig ihre genetischen Anlagen dies erlauben. 1. Ministerin verschweigt die wich- Biomasse überlassen, die aber für das Neue Baumarten sollten nur stellen- tigsten Ursachen der Waldschäden Bodenleben und Nährstoffversorgung weise und versuchsweise ausprobiert wichtig wäre. werden, so dass Korrekturen problemlos Die Klimakrise eignet sich hervorra- Und die klassische Forstwirtschaft möglich sind. gend dazu, andere Ursachen zu „ver- hat selbst dafür gesorgt, dass mit dem gessen“ und die Ministerin nutzt diese massenhaften Anbau standortsfremder 4. Die Hauptursachen der Probleme Chance gerne, indem sie beispielsweise Baumarten wie Fichten oder Kiefern in werden erst gar nicht angegangen in ihrer Rede zur Wahl des „Baum des riesigen Monokulturen auch vormals Jahres 2020“ sagte: „Wir haben ein unauffällige Insektenarten wie der Bor- Das größte Versagen derzeitiger Wald- Problem. Es ist unser Wald selbst, der kenkäfer ihre Arbeit in immer größerer und Förderpolitik ist es, dass selbst Prävention und Heilung braucht. Denn Zahl erledigen. die offensichtlichsten Schadursachen unserem Wald geht es nicht gut. Er nicht bekämpft werden. Waldeigen- leidet: 2. Alternativen zur teuren und größten- tümer*innen und Forstleute scheinen • An den Folgen der extremen Dür- teils waldschädlichen Räumung und sich mit etwas Geld zufriedenstellen zu re- und Hitzeperioden, Aufforstung werden kaum finanziert lassen und vermeiden im Gegenzug die • am massiven Borkenkäferbefall, gebotene harte Kritik an den fehlenden • und, weil Stürme und Waldbrände Viele Waldeigentümer*innen säubern Klimaschutzanstrengungen. ihn dramatisch geschädigt haben“ die geschädigten Flächen komplett, Waldrodung für den Autobahnbau verdichten die Böden und sorgen damit inklusive der dadurch geförderten Treib- Dabei geht es den Wäldern schon für ein Savannenklima, in dem ge- hausgasemissionen? Kein Problem für seit Jahrzehnten schlecht. Und die pflanzte Bäumchen nicht aufwachsen die Branche, denn es werde ja anderswo wichtigsten Ursachen verschweigt die können. Wer viele geschädigte Bäume aufgeforstet. Rodung des Hambacher Ministerin: Die Belastungen durch stehen oder liegen lässt und dadurch Forstes? Auch das wird lediglich als Luftschadstoffe, Pestizide und mas- keine Kosten verursacht, geht leer aus. Verlust einer beliebigen, recht kleinen siven flächendeckenden Eintrag von Der Verzicht auf mögliche Einnah- Waldfläche gewertet. Dass darunter Stickstoff schädigten die Ökosysteme men aus dem Holzverkauf wird nicht Hunderte Millionen Tonnen Braunkoh- und machten sie anfälliger für zusätz- belohnt. Dafür können diese Waldbe- le lagern, deren Verbrennung sowohl liche Belastungen. sitzer*innen damit rechnen, dass die Wirtschaftswälder als auch Waldschutz- bereits vorhandenen Jungpflanzen gebiete bedrohen und zerstören dürfte, Man hatte sich irgendwie daran im Schutz der toten Bäume und der ist unwichtig. gewöhnt. Nicht zuletzt dank allerlei Vegetation besser aufwachsen. Später rhetorischer Kunstgriffe, denn seit der können gegebenenfalls weitere Bäume Fazit: Eine wirklich sinnvolle, wald- Veröffentlichung des ersten Berichtes hinzugepflanzt werden. freundliche Forstpolitik wird nicht ver- 1984 rückten die Schadstoffe nach und folgt. Bundesministerin Julia Klöckner nach an die letzte Stelle der Berichte 3. Die Behauptung, „klimastabile“ beschränkt sich darauf, Steuergelder und verschwanden fast gänzlich, Wälder zu pflanzen, entbehrt jeder und warme Worte zu verteilen, um einer während wahlweise Hitzewellen, Frost fachlichen Grundlage. Sie dient vor konservativen Klientel zu gefallen und ereignisse, Stürme oder Insektenver- allem dazu, die Schadholzräumung mächtige Wirtschaftsbosse zu bedienen. mehrung (allen voran der Borkenkäfer) und Zaunbau zu finanzieren Für die Wälder, für den Klimaschutz, für als wichtigste Ursachen ganz vorne eine lebenswerte Zukunft und auch für erwähnt wurden. Obwohl niemand weiß, welche Baum die Forst-und Holzwirtschaft eine fatale Sogar die verstärkte Fruchtbildung von arten ein zukünftiges Klimageschehen Strategie. Buchen und Eichen – eine natürliche überstehen können, wird munter Stressreaktion der Bäume – wurde als drauflos gepflanzt. Sicher, Nichtstun László Maráz, Ursache deklariert. Genauso könnte ist auch nicht immer die beste Lösung, Koordinator Plattform Wald, Forum man einen blauen Fleck als Ursache aber es fällt doch auf, dass besonders Umwelt & Entwicklung, Berlin Nr. 149/2.21 19
tropenwald Foto: R. Buryn Wie ein Versuch im Schwarzwald zeigt, wäre es für die Natur und den Wald am besten, die abgestorbenen Bäume einfach auf der Fläche stehen zu lassen Fichtensterben: Chance für die ökologische Waldwende! In den letzten drei Trockenjahren star ökologisches Desaster, das der vom Waldklima und hätte händelbare Sicher- ben bundesweit großflächig Fichten Menschen verursachte Klimawandel heitsrisiken. Das zeigt ein Versuch im forste: Hitze, Trockenheit und der mit seinen Dürresommern angerichet stark betroffenen Südschwarzwald. Hier Borkenkäfer haben die naturfernen hat. Lasst das Fichtentotholz im Wald wirkt sich das Stehenlassen des Fichten- Bestände geschwächt und absterben stehen! totholzes finanziell und organisatorisch lassen. Diese Entwicklung sollte nicht Die konventionelle Kahlschlagsstrate- sogar positiv auf die Forstbetriebe aus. Es als Katastrophe, sondern als Chance gie muss beendet werden. Die naturfer- braucht nur einen Paradigmenwechsel! für die ökologische Waldwende wahr nen Fichtenforste in den Tieflagen genommen werden! Deutschlands sind langfristig nicht zu Elisabeth Klingberg ist in der Waldfach halten. Sie wurden in riesigen Mono- gruppe von ROBIN WOOD aktiv Die gängige Praxis der Forstbranche kulturen dort gepflanzt, wo sie von von Kahlschlag und Neuaufforstung Natur aus nicht wachsen würden. Ihr Mehr Infos und Links zum Thema auf lässt mittelfristig wichtige Waldfunk- Absterben ist eine natürliche Reaktion unserer Homepage: www.robinwood.de/ tionen verloren gehen. Die gefällten auf den Klimawandel. themen/wald Stämme liegen teils noch immer www.suedkurier.de/region/hochrhein/ aufgestapelt im Wald, weil der Markt Totholz und durchgehender Waldbo- kreis-waldshut/so-stirbt-unser-wald-wie- gesättigt ist. denbewuchs begünstigen die Wieder- klimawandel-und-schaedlinge-den-forst- Im April und März begann die Brut- verjüngung des Waldes. Sie schützen zerstoeren-und-was-experten-jetzt-dagegen- und Setzzeit. Insekten, Vögel und den Boden vor Kohlenstoff- und Nähr- unternehmen;art372586,10608429 kleine Säugetiere besiedelten die ver- stoffverlust und das Sickerwasser vor bliebenen Holzstapel, auch Polter ge- stark erhöhter Nitratauswaschung. Mit- nannt. So sind wertvolle Lebensräume telfristig werden totholzbewohnende Haben Sie schon einmal Tiere entdeckt, entstanden. Das Behandeln der Polter Arten, Waldrand- und Lichtwaldarten die sich in Holzpoltern gemütlich einge- mit Insektiziden und ihre Abholung im begünstigt – anstatt ihnen durch richtet haben? Machen Sie doch bitte ein Sommer nimmt den Tieren, darunter Kahlschlag die Lebensgrundlage zu Foto und schicken es uns, z.B. an info@ auch vielen geschützten Arten, diese nehmen. Wenn Fichtentotholz einfach robinwood.de. So können wir gemein- neuen Nischen. Das wäre ein weiteres stehenbliebe, wäre das gut für das sam die Artenvielfalt belegen. 20 Nr. 149/2.21
wald Muna-Wald vor Center Parc retten Das Freizeitunternehmen Center Parcs plant im mittelfrän zeitresorts werden allerdings nicht nur die Flugrouten der kischen Muna-Wald ein Freizeitresort zu bauen. Der starke Fledermäuse, sondern auch ihre Jagdgebiete beeinträchtigt, Widerstand der Menschen vor Ort und die gravierenden wenn zum Beispiel Bäume gefällt werden. Zudem zeigen Eingriffe in die Natur lassen Center Parcs unbeeindruckt. Untersuchungen, dass Fledermäuse nicht nur empfindlich auf Lebensraumzerschneidung, sondern auch auf Licht- und Für den Bau des Freizeitparks am Brombachsee würde der Schallverschmutzung reagieren. Die Population der Fleder- Muna-Wald zerstört – ein ökologisch wichtiger, stabiler mäuse im Muna-Wald, darunter auch gefährdete und streng Mischwald und Heimat vieler, zum Teil seltener oder ge- geschützte Arten, würde in den nächsten Jahren abnehmen, fährdeter Pflanzen- und Tierarten. Was für eine Ironie! Ein wenn der Center Parc gebaut wird. perfektes, kostenloses Erholungsgebiet zu zerstören und es durch einen kostspieligen Freizeitpark zu ersetzen. Deshalb Walderhalt durch Aufforstung? haben wir uns ein paar besonders absurde Aspekte des Vor- habens genau angeschaut. Der Center Parc im Muna-Wald würde auf Kosten hunderter wertvoller Bäume und des Klimas gebaut werden. Diese Um Fledermaus-Flugrouten herum bauen? Tatsache wird von den Investoren heruntergespielt, indem behauptet wird, dass der Verlust an Bäumen ja durch Auffor- Die Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung zeigen, stung kompensiert würde. dass der Muna-Wald eine wichtige Flugroute für Fleder- Doch Abholzung intakter Wälder hat langfristige Auswir- mäuse ist. 14 verschiedene Arten leben und jagen in und um kungen, die nicht einfach durch das Anpflanzen neuer Bäu- den Wald. Center Parcs berichtet nun, dass sie die Anord- me rückgängig gemacht werden können. Der Wald hat sich nung der geplanten Gebäude so verändern werden, dass die mit seinen alten Bäumen und seiner Humusauflage im Laufe Flugrouten der Fledermäuse berücksichtigt würden und die der Jahre zu einer großen Kohlenstoffsenke entwickelt. Neu Fledermäuse so ungestört blieben. Durch den Bau des Frei- gepflanzte Bäume würden Jahrzehnte brauchen, um eine Im Fränkischen Seenland soll der Muna-Wald für einen Freizeitpark zerstört werden Archivbild: Bürgerinitiative Seenland-in-Bürgerhand Nr. 149/2.21 21
wald Aber die Verbrennung von (Holz-)Biomasse ist weder klima- neutral noch nachhaltig. Die Option Biogas aus pflanzlichen Rohstoffen, oft Mais, zu nutzen, ist auch nicht besser fürs Klima. Die hohe Nachfrage nach diesem Rohstoff führt oft zu Landnutzungsänderungen und endlosen Maisplantagen, wo vorher andere Nahrungsmittel angepflanzt wurden. Massentourismus als Segen? Die geplanten ca. 800 Bungalows und 1800 Parkplätze des künftigen Center Parcs machen deutlich, mit welch hohen Gästezahlen und Autoverkehr in Zukunft zu rechnen ist: Die geschätzte Zahl der Übernachtungen liegt bei einer Million pro Jahr. Derzeit wird das Fränkische Seenland von ca. fünf Gegen die Pläne des Investors, 800 Bungalows und 1800 Park Millionen Tagestourist*innen pro Jahr besucht. Der größte plätzen im Muna-Wald zu bauen, regt sich Widerstand vor Ort Teil des wirtschaftlichen Nutzens ginge an Center Parcs, während die Anwohner*innen unter den Auswirkungen des Massentourismus zu leiden hätten. ähnliche Menge an Kohlenstoff zu binden. Der Muna-Wald Center Parcs gibt auf seiner Website an, dass eine kommerzi- ist zudem ein intaktes Ökosystem und ein Wildtierkorridor, elle Nutzung des Brombachsees nicht geplant sei und dieser der zwei Naturschutzgebiete miteinander verbindet. für die Öffentlichkeit zugänglich bliebe. Allerdings ist es Center Parcs erwecken in ihrer Außendarstellung den An- nur logisch, dass die Nutzung des Brombachsees sowie des schein, dass sie den Muna-Wald zu einer Naturoase beleben Strandes vor allem in den Sommermonaten stark zunehmen würden. Die Wahrheit ist, dass der Wald keine Neubelebung würde. Eine passende Infrastruktur ist dafür nicht vorhan- braucht. Er ist bereits eine Natur-Oase, in der viele Pflanzen den und geplant. und Tiere gedeihen, was auch dem Klima zugute kommt. Stattdessen muss er vor gierigen Investoren geschützt wer- Es liegt in unserer Verantwortung, Ökosysteme wie den den, die keinen Respekt vor der Natur haben. Muna-Wald nicht nur für uns, sondern auch für die zukünf- tigen Generationen zu erhalten. Wir steuern mit massiver Nachhaltige und klimaneutrale Energiebilanz? Geschwindigkeit auf die Kipppunkte dieses Planeten zu, und auch ein global betrachtet kleines Projekt wie der Bau eines Center Parcs wirbt damit, nachhaltig und CO2-neutral zu neuen Freizeitresorts durch Center Parcs trägt eine Mitver- wirtschaften. Allein schon die Waldabholzung für eine antwortung daran. Wir fordern daher einen sofortigen Stopp Freizeitanlage stellt diese Darstellung in Frage. Und so der Pläne zum Bau des Center Parcs am Brombachsee. Wir fragwürdig geht es weiter: In ihrem Energiekonzept erwähnt müssen unseren Planeten vor den Profit stellen. Center Parcs regionales Biogas und Biomasse aus Holz als Teil ihres zukunftsfähigen, klimaneutralen Energieplans. Patricia Ngati, ROBIN WOOD-Geschäftsstelle, Hamburg anzeige Nachhaltig, fair & verantwortungsvoll. Wir sind die Ökopioniere seit 1989 mit dem Einkaufsführer für nachhaltigen Konsum und gutes Leben. jetzt NEU: GUTSCHEIN ordWest greenya N Bitte gewünschte Ausgabe(n) ankreuzen, Ihre Adresse und € 2,70 Porto in Briefmarken Bremen & an uns senden. Um den Gutschein per E-Mail einzulösen, mailen Sie an info@greenya.de FÜR NRW, sen Niedersach Nord-Ost (MV, BB, HH, SH) Nord-West Jubiläumsausgabe Weitere Ausgaben sind in Vorbereitung. greenya Verlag OHG | Lasbeker Str. 9 | 22967 Tremsbüttel Fon +49 (0) 4532 - 21402 | Fax +49 (0) 4532 - 22077 info@greenya.de | www.greenya.de greenya f. Robin Wood 25.10.19 22 Nr. 149/2.21
Sie können auch lesen