INNOVATIONEN ERMÖGLICHEN - diruj
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Ausgabe 04/2019 Juli/August www.unternehmensjurist.net Vertriebskennzeichen 23401 Preis: 15,-- Euro unternehmens jurist Magazin für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Rechtsabteilungen INNOVATIONEN ERMÖGLICHEN Bei Kooperationen mit Start-ups treffen Old und New Economy aufeinander. Für den Erfolg werden Kreativität, Offenheit und passgenaue Vertragsgestaltungen von Syndizi gefordert. KT P U Ne R c E l ia n W p H om SC C
INHALT unternehmensjurist TITELTHEMA STRATEGIE & SCHWERPUNKT MANAGEMENT COMPLIANCE 12 25 41 KOOPERATIONEN 12 NEUE STUDIE 26 COMPLIANCE UND AGB 42 MIT START-UPS Ein hochaktuelles Thema für Gerichte prüfen immer mehr In vielen Branchen wollen Unternehmen sind derzeit Vertragsklauseln nach strengem Unternehmen mithilfe junger M&A-Transaktionen. Die Studie AGB-Recht. Grund genug für Hightech-Gründer Innovatio- „Global Post Merger Integra- Unternehmen, bei Compliance- nen beschleunigen. Syndizi tion und Carve-outs“ befasst Maßnahmen auch ihre Ver- sind gefordert: Sie müssen sich mit Herausforderungen und träge zu überprüfen. Prozesse und Vertragsmodelle Erfolgsfaktoren für gelungene an die neuen Chancen und Übernahmen. INTERVIEW 46 Risiken anpassen. Dr. Christoph Klahold, Leiter DIGITALISIERUNG IN 30 Recht und Compliance bei der DER RECHTSABTEILUNG Munich Re, erklärt im Interview, Die Bayer AG ist ein Big Player was er vom Gesetzgeber für im Bereich Pharma und Agro- die Neuregelung des Unter- chemie. Dr. Gabriel Harnier nehmensstrafrechts erwartet. leitet die Rechtsabteilung und erklärt im Interview, wie die LEGAL TECHNOLOGY 50 Bayer-Unternehmensjuristen mit Mit welchen technischen Hilfs- aktuellen Herausforderungen mitteln können Unternehmen umgehen. compliant sein und wie sorgen sie effizient für die interne DURCHSUCHUNGEN 36 Vermittlung von Regeln? Es kann jedes Unternehmen treffen: Unangekündigte Durchsuchungen bedeuten eine Stresssituation für Geschäftsführung, Rechts- abteilung und die betroffenen Mitarbeiter. Lesen Sie, wie man sich gut vorbereitet – EDITORIAL 03 und die Ruhe bewahrt. KURZ & KNAPP 06 4 Ausgabe 4/2019
unternehmensjurist INHALT TRENDS & JOB & NETZWERK THEMEN KARRIERE 53 67 77 EU-DIGITALSTEUER 54 WEITERBILDUNG 68 DIRUJ-FACHBEIRAT 78 Wie soll mehr Steuergerech- Arbeitnehmer müssen neue tigkeit im Digitalzeitalter aus- Kenntnisse erwerben, um M&A SUMMIT 80 sehen? Die G-20-Länder wol- mit den Anforderungen der len eine globale Mindeststeuer digitalen Arbeitswelt Schritt zu CORPORATE SUMMIT 82 für Unternehmen einführen und halten. Weiterbildungen sind staatliche Besteuerungsrechte daher so wichtig wie nie zuvor. umverteilen. Die Wirtschaft will Doch juristisch gibt es einige vor allem bald Klarheit. Fallstricke zu beachten. MARKENRECHTS - 58 MODERNISIERUNGSGESETZ Die Reform des Markenrechts hat neue Markenformen und GENERAL COUNSEL 83 mehr Schutz für den Marken- ROUNDTABLE inhaber gebracht. Experten erläutern Möglichkeiten und ECLA-JAHRESKONFERENZ 84 Grenzen der neuen Vor- schriften. HAFTUNG 62 BEI CYBERATTACKEN Angriffe aus dem Netz neh- men zu – firmenübergreifende FRAUEN UND FÜHRUNG 72 Lieferketten erschweren die Nur wenige Rechtsabteilungen Suche nach Verantwortlichen in Deutschland werden von für Schäden. Um Risiken zu Frauen geleitet. Unternehmens- reduzieren, müssen Unterneh- juristinnen berichten, wie sie es men die gesamte Lieferkette in in leitende Positionen geschafft den Blick nehmen. haben. PERSONENREGISTER 86 IMPRESSUM 86 Ausgabe 4/2019 5
TITELTHEMA unternehmensjurist KOOPERATIONEN MIT START-UPS CORPORATES PUNKTEN MIT WEITBLICK Die disruptive Dynamik vieler Branchen führt dazu, dass immer mehr Unternehmen mithilfe junger Hightech-Gründer Innovationen beschleunigen wollen. Syndizi sind mit viel Kreativität gefordert, Vertragsmodelle und Prozesse so zu verändern, dass sie den Keim des Erfolgs von Start-ups nicht ersticken. 12 Ausgabe 4/2019
unternehmensjurist TITELTHEMA Ω Ob Automobilkonzern oder Zulieferer, ob Chemiehersteller, Energieversorger, Onlinehändler oder Versicherungskonzern: Alle suchen Zugang zu Zukunftstechnologien wie künstliche Intelligenz, Internet der Dinge, Blockchain, Big Data oder 3D- Druck. Laut Bundesverband Deutsche Start-ups haben sich Partnerschaften zwischen DAX-Unternehmen und Start-ups in den letzten fünf Jahren verfünffacht. Anders als Finanzin- vestoren, die bei einer Beteiligung auf den maximalen Return on Invest (RoI) abzielen, bieten etablierte Konzerne und Fa- milienunternehmen den Start-ups nicht nur Kapital, sondern auch Branchen-Know-how und Marktzugang. Im Gegenzug „Die Kunst besteht darin, bei den Vertragsverhand- helfen die Start-ups den sogenannten Corporates, das eigene lungen die rechtlich erforderlichen Inhalte fest- Geschäftsmodell zu wandeln und neue zu erschließen. Es gibt vielfältige Möglichkeiten für die Zusammenarbeit, zuzurren und gleichzeitig den nötigen Freiraum für angefangen bei einzelnen Entwicklungsprojekten über Cor- die beabsichtigten Innovationen zu lassen.“ porate Venture Capital-(VC)-Gesellschaften bis zur direkten Beteiligung oder Akquisition (siehe Beitrag „Die Facetten – der Zusammenarbeit sind vielfältig“ ab Seite 22). Für viele Unternehmen ist es sinnvoll, einen möglichst breiten Instru- Dr. Rainer Bertram, mentenkasten anzubieten, um verschiedene Entwicklungs- General Counsel, Signal Iduna Gruppe szenarien abzudecken. „So lässt sich eine Start-up-Beteiligung unkomplizierter in eine strategische Beteiligung überfüh- ren, wenn wir die Zusammenarbeit mit den Gründern zum Vorteil aller intensivieren wollen“, erklärt Dr. Bernd-Michael men wie der Axel Springer Verlag und der Lebensmittelkon- Zinow, General Counsel der EnBW. Zu den Werkzeugen des zern Dr. Oetker beteiligt. Ziel ist über den Wissenstransfer Karlsruher Energiekonzerns gehört die Corporate Venture hinaus, die Start-ups später gewinnbringend zu verkaufen, Capital-Gesellschaft EnBW New Ventures GmbH mit einem nachdem in einem sehr frühen Stadium investiert wird. Da- Investitionsvolumen von 100 Millionen Euro, um breit ge- gegen verfolgt der Corporate Company Builder Otto Group streut am Erfolg vielversprechender Neugründungen in den Digital Solutions die Intention, Start-ups innerhalb und für Bereichen Energie, Digitalisierung und Infrastruktur Anteil die Otto Group aufzubauen, welche die Kompetenzen des zu haben. Weitere Instrumente sind direkte Beteiligungen Konzerns für neue Geschäftsmodelle nutzen. Diese sollen sowie die projektbezogene Zusammenarbeit in Inkubatoren später nicht über einen Exit verkauft, sondern ihre Geschäfts- und Acceleratoren, um erst einmal zu testen, ob die Partner modelle sollen idealerweise in die Otto-Gruppe integriert zusammenpassen. werden. Ein Beispiel ist die Tochter Riskident, die softwa- regestützt Betrugsversuche im eCommerce aufdeckt und dabei vom tiefen und breiten Datenschutz-Know-how des STRUKTURIERTE PROZESSE SIND NÖTIG Onlinehändlers profitiert. Weil die Start-ups auch bei Finanzinvestoren begehrt sind, Um Geschäftsmodelle schnell zu entwickeln und am Markt müssen Corporates hinsichtlich des eigenen Company Buil- zu erproben, verläuft das Innovationsmanagement in einem ders ihre Trümpfe ausspielen. Dazu tragen Syndizi wesent- strukturierten Prozess. So wurde aus der Workshop-Idee von lich bei, ist Martin Mildner, General Counsel der Otto Group, Mitarbeitern für eine neuartige Straßenlaterne eine smarte überzeugt: „Die unterschiedlichen Beteiligungsmodelle sind Beleuchtung mit Ladesäule für E-Fahrzeuge, Public-WLAN, auch im Hinblick auf Anreize für die Mitarbeiter so zu struk- Umweltsensoren und Notruf-Funktion, welche die EnBW turieren, dass die Zusammenarbeit für sie auch ohne einen inzwischen unter der Marke Smight vertreibt. gefeierten Exit attraktiv ist. Ein solcher sogenannter unfair Der Onlinehändler Otto Group aus Hamburg verfügt ebenfalls Advantage ist der sofortige Zugang zu Know-how, Daten und über eine breite Palette an Instrumenten für die Zusammen- Kunden des Konzerns, den sie ohne die Verbindung zur Otto arbeit mit Start-ups, um verschiedene strategische Ziele über Group nicht bekommen.“ Zudem darf der Keim des Erfolgs die gesamte Wertschöpfungskette bis zum Spätphaseninvest- der jungen Unternehmen nicht erstickt werden. Schließlich ment abzudecken: Es gibt die Risikokapitalfonds eVentures profitieren sie in erster Linie davon, sich auf Technik und und Project A Ventures mit einem Gesamtinvest von weit Wachstum konzentrieren zu können und nicht durch Ver- über 400 Millionen Euro. An letzterem sind neben der Otto waltungsaufwand und Hierarchien gebremst zu werden. Group als Ankerinvestor heute auch viele andere Unterneh- Zugleich muss das Corporate sich aber auch Wettbewerbs- Ausgabe 4/2019 13
TITELTHEMA unternehmensjurist „Der Syndikus muss die Verhandlungsergebnisse sorgfältig prüfen und darauf pochen, dass der Vertrag auch die Interessen speziell seines Unternehmens abbildet.“ – Dr. Stefan Schäfers, Syndikus, Evonik AG vorteile durch Technologie, Produkte oder Dienstleistung Beteiligten profitieren und sich im Verbund gut aufgehoben des Start-ups sichern. fühlen.“ Beispielsweise gilt es zunächst einmal Informations- Es gilt also, einen Spagat zu bewältigen. Von Beginn an schla- asymmetrien abzubauen: Start-ups im Seed- und Pre-Seed- gen Syndizi eine Brücke, indem sie Vertrauen und gegensei- Bereich haben keine eigene Rechtsabteilung. Sie sind mit tiges Verständnis aufbauen. „Es ist nicht ratsam, aus einer dem regulatorischen Rahmen oft wenig vertraut. Vertrauen Position der Stärke zu verhandeln und Maximalpositionen kann nur entstehen, wenn Corporates ihnen auf Augenhö- rücksichtslos durchzusetzen“, sagt Dr. Jan Eckert, General he begegnen und Transparenz schaffen, so EnBW-Syndikus Counsel beim Technologiekonzern ZF Friedrichshafen AG. Martin Düker: „Wir haben in gut verständlichen Term-Sheets „Das kann bei der späteren Zusammenarbeit teuer zu stehen auf wenigen Seiten kurz zusammengefasst: Worauf lasst Ihr kommen. Die Kooperation funktioniert nur gut, wenn alle Euch ein? Warum brauchen wir besondere Investorenrechte wie Vetorechte und Exit-Regelungen, um unser Engagement abzusichern, wenn die Geschäftsidee sich weiterentwickelt? In welchem Umfang nehmen wir Einfluss? Wie weitgehend sind die Informationsrechte?“ WIE TRAGEN SYNDIZI ZU ERFOLGREICHEN Um den Projekterfolg für das Corporate ausreichend abzu- INNOVATIONSPARTNERSCHAFTEN BEI? sichern, braucht es technologisches Verständnis. Die neuen Produkte und Geschäftsmodelle sind meist wenig erprobt, der Markterfolg ist ungewiss und das Risiko eines Totalverlusts Vertrauen aufbauen: droht. Jan Eckert: „Bei einem Misserfolg darf kein Fass ohne • Nicht aus einer Position der Stärke verhandeln und Maximal- Boden entstehen. ZF liefert Systeme für die Mobilität von Pkw, positionen rücksichtslos durchsetzen. Nutzfahrzeugen und Industrietechnik, unter anderem für • Transparente Term-Sheets mit wenigen Seiten, die Gründer autonomes Fahren, so dass bei den vielen Neuentwicklungen verstehen. zahlreiche Fragen zum Produkthaftungsrecht zu klären sind.“ Die besondere Herausforderung liege darin, alle wichtigen • Schlanke Vertragssets, die sich am Entwicklungsstadium des denkbaren Szenarien zu antizipieren und möglichst alle re- Start-ups orientieren. levanten Themen im Vertrag abzubilden. Eng vernetzen: • Intern, um Positionen und Ziele zu klären. • Extern mit den Start-ups, um mit Hilfe von festen Ansprechpartnern PRAGMATISCHES AUGENMASS BEI DER vertrauensvolle Kommunikationskanäle für die gegenseitigen DETAILTIEFE VON VERTRÄGEN Anliegen zu schaffen. Dabei ist Pragmatismus und Mut gefragt: Welche Klausel ist • Know-how für technische Details und neue Geschäftsmodelle zu welchem Zeitpunkt in welcher Detailtiefe nötig? Zwar kann aufbauen. ein Aufschieben schwieriger Fragen wie Regelungen zum Exit • Unternehmerisch denken. der Nährboden für spätere Konflikte sein. Andererseits sollte Arbeitsweise verändern: der Vertrag dem Risiko und der Höhe des Investments ange- • Schneller entscheiden. messen sein. „Pragmatismus geht vor Perfektionismus. Oft entwickelt sich ein Start-up völlig anders als geplant und detail- • Agile Methoden nutzen. lierte Vereinbarungen laufen dann komplett leer. Die Energie • Trial and Error-Mentalität erwerben und bewusst Fehlschläge in Kauf und Kosten dafür hätten die Beteiligten besser in den Aufbau nehmen. des operativen Geschäfts gesteckt“, rät Peter Huber, Partner bei Hogan Lovells in München, der Corporates und Start-ups 14 Ausgabe 4/2019
TITELTHEMA unternehmensjurist Fall, dass die Gründer zuvor das Unternehmen verlassen oder gegen wesentliche Vereinbarungen verstoßen, erhal- ten Corporates die Möglichkeit, deren Gesellschaftsanteile zu übernehmen. „Und bei der Haftung für Garantien hin- sichtlich ordnungsgemäßer Gründung, steuer- und sozial- versicherungsrechtlicher Risiken oder Inhaberschaft von gewerblichen Schutzrechten setzt sich durch, dass Investoren Anspruch auf eine kompensatorische Kapitalerhöhung oder Abtretung von Anteilen in Höhe etwaiger Schäden erhalten. Das entzieht den Start-ups im Regressfall nicht ohnehin „Die unterschiedlichen Beteiligungsmodelle knappes Kapital“, so Huber. Fallstricke lauern immer dann, wenn die Vertragspartner ihre sind auch im Hinblick auf Anreize für die Erwartungen nicht klären und sich zu wenig über Ziele und Mitarbeiter so zu strukturieren, dass die Risiken der Kooperation austauschen: Wer profitiert in welchen Szenarien wie stark? Wer hat wann welchen Beitrag zu leisten? Zusammenarbeit für sie auch ohne einen Wer haftet wofür? Wie eng ist die Bindung und wie kann man sich etwa über Drag- und Tag-Along-Regelungen lösen, ohne gefeierten Exit attraktiv ist. auf die Zustimmung der übrigen Gesellschafter angewiesen zu sein? „Indem Syndizi diese Positionen sorgfältig klären – und auf mögliche Interessenkonflikte hinweisen, betreiben Dr. Martin Mildner, sie ein gutes Erwartungsmanagement“, erklärt Dr. Stefan General Counsel, Otto Group Schäfers, Syndikus bei Evonik in Essen und zuständig für die Venture-Capital-Beteiligungen des Spezialchemiekonzerns, der mit einem Investitionsvolumen von 250 Millionen Euro laut Schäfers ein führender Investor im Bereich Spezialchemie ist. bei Akquisitionen und Beteiligungen begleitet. Grundsätzlich Gerade bei VC-Beteiligungen ist das Interessengeflecht mit- sollte sich die Detailtiefe und der Umfang der Verträge an der unter komplex, insbesondere, wenn sich etwa bei Fund-of- Entwicklungsphase eines Start-ups orientieren. Das vermisst Fonds-Lösungen mehrere Corporates an einem Wagniska- Andreas Unseld häufig. Er ist Partner der Beteiligungsgesell- pitalfonds beteiliegen (siehe auch Beitrag „Die Facetten der schaft Unternehmertum Venture Capital (UVC) Partners, die Zusammenarbeit sind vielfältig“ auf Seite 22): „Es drohen eng an das Gründungszentrum der Technischen Universität nicht nur Konflikte der Gründer untereinander, sondern auch München angebunden ist. „Ein schlankes Set an Verträgen unter den Investoren, beispielsweise wenn neue Kapitalgeber wäre bei vielen Corporates eine echte Innovation“, so Unselds Erfahrung. ERWARTUNGEN MÜSSEN GEKLÄRT WERDEN Zu vielen Fragen haben sich laut Anwalt Peter Huber in- zwischen Marktstandards herausgebildet: „Beispielsweise bekommt der Lead-Investor einen Sitz im Beirat, um Infor- mation und Kontrolle zu gewährleisten. Mitspracherechte der Investoren lassen sich durch qualifizierte Mehrheitserforder- nisse in der Gesellschafterversammlung und Zustimmungs- vorbehalte für bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen „Vertrauen kann nur entstehen, wenn regeln.“ Der Erfolg des Investments hängt weitgehend von den Gründern ab und so haben Corporates großes Interesse Corporates Start-ups auf Augenhöhe daran, dass diese an Bord bleiben. Deshalb sähen markt- übliche Klauseln ein lineares Vesting über vier Jahre vor, begegnen und Transparenz schaffen.“ während dem sich die Gesellschafter Anteile erarbeiten. Ge- gegebenenfalls wird ein sogenanntes Cliff vereinbart, so dass – der Start der Vesting-Periode nicht sofort nach Abschluss der Martin Düker, Finanzierungsrunde, sondern erst später beginnt. Für den Syndikus, EnBW AG 16 Ausgabe 4/2019
unternehmensjurist TITELTHEMA „Um langfristig mit Gründern zusammenzuarbeiten, hilft ein breiter Instrumentenkasten. So lässt sich eine Start-up-Beteiligung unkomplizierter in eine strategische Beteiligung überführen, wenn wir die Zusammenarbeit mit den Gründern zum Vorteil aller intensivieren wollen.“ – Dr. Bernd Zinow, General Counsel, EnBW AG hinzukommen und die vorhandenen aufgrund von Pay-to- noch nicht jeden Leistungsgegenstand genau beschreiben Play-Regelungen Investorenrechte verlieren, sofern sie kein kann. An anderen Stellen, an denen etwa Datenschutzrecht Kapital nachschießen“, erklärt Schäfers. Tücken könnten auch zu beachten ist, besteht dieser Freiraum nicht“, erklärt Dr. lauern, weil häufig mehrere Investoren nur durch einen An- Rainer Bertram, General Counsel der Signal Iduna Gruppe walt vertreten werden. „Der Syndikus muss die Verhandlungs- mit Sitz in Dortmund und Hamburg. ergebnisse sorgfältig prüfen und darauf pochen, dass der Viele Konzerne haben mittlerweile verstanden, dass sie sich Vertrag auch die Interessen speziell seines Unternehmens anpassen müssen und beispielsweise Exklusivitätsvereinba- abbildet.“ rungen in Frühphasen nicht in das Start-up-Ökosystem pas- sen. Regelungen hinsichlich der Schutzrechte, die im Rahmen des Projekts entstehen (Foreground IP) sowie Background- KONZERNE MÜSSEN SICH ANPASSEN Kenntnisse und Schutzrechte, die schon vor der Kooperation bestanden, orientieren sich immer häufiger am Entwicklungs- Im Unterschied zu reinen Finanzinvestoren kombinieren Cor- stadium junger Hightechfirmen. Bei manchen Corporates porates die Beteiligung an Start-ups häufig mit Forschungs- herrscht laut Andreas Unseld von UVC Partners aber immer und Entwicklungskooperationen, Lizenz- oder Liefer- und noch die klassische Einkaufsdenke: „Sie verkennen, dass sich Vertriebsverträgen. In operativer Hinsicht sind sie das Herz Gründer zunächst ein größeres Marktwachstum sichern müs- der Investition. Um Konflikten vorzubeugen, ist die interne sen, um zu überleben. Die Zusammenarbeit muss ein Fordern Erwartungshaltung penibel zu klären. „Oft steht bei einem und Fördern sein, bei dem die Pflänzchen erst gehegt werden, Entwicklungsprojekt am Start das Endprodukt noch nicht in bevor man profitiert.“ seiner endgültigen Ausgestaltung fest, sondern ist Gegen- Langfristig genauso erfolgskritisch wie die Verträge ist aber der stand eben dieser Entwicklung, etwa wenn eine Plattform strategische Fit, also Strukturen und Unternehmenskulturen, für innovative Versicherungsdienstleistungen entstehen soll. die dazu passen, dass Konzerne durch das frische, disruptive Unternehmensjuristen müssen zusammen mit den Fachbe- Denken der jungen Firmen schneller und innovativer werden reichen austarieren, zu welchem Zeitpunkt welcher Erfolg wollen. „Zu den größten Herausforderungen der Zusammen- erwartet wird. „Die Kunst besteht darin, bei den Vertragsver- arbeit mit Start-ups zählt, komplexe Konzernprozesse mit handlungen die rechtlich erforderlichen Inhalte festzuzurren über 100 Richtlinien auf die agilen Strukturen anzupassen und gleichzeitig den nötigen Freiraum für die beabsichtigten und vertrauensvolle Kommunikationskanäle zu schaffen“, Innovationen zu lassen. In denjenigen Passagen einer Auf- berichtet Jan Eckert von ZF. So überlegt das Stiftungsunter- gaben- oder Leistungsbeschreibung, in denen keine gesetz- nehmen mit 150.000 Mitarbeitern, zwei unterschiedliche lichen Vorgaben beachtet werden müssen, kann man dem Umstand Rechnung tragen, dass ein Start-up-Unternehmen Ω Fortsetzung auf Seite 20 MEHR DAZU Mit dem Erwerb von Start-ups durch klassische Großunternehmen befasst sich auch eine neue Studie aus der Studienserie CLI–Corporate Legal Insights von BUJ und PricewaterhouseCoopers Legal („Global Post Merger Integration und Carve-outs“). S. dazu Artikel ab S. 26, „Zur rechten Zeit auf die Erfolgsspur wechseln“. Ausgabe 4/2019 17
TITELTHEMA unternehmensjurist Syndizi sollten sich als Wegbereiter für Innovationen sehen Prof. Dr. Andreas Kuckertz leitet das Fachgebiet Unternehmensgründungen und Unternehmertum (Entrepreneurship) an der Universität Hohenheim in Stuttgart. Im Interview erläutert er, warum die Arbeit der Rechtsabteilung erfolgskritisch für Partnerschaften zwischen Old und New Economy ist. Es gibt immer mehr Initiativen, um Old und New Economy Forst entwickelt, um Baumdaten sprachgestützt zu erfassen zusammenzubringen wie Code_n mit dem New new Festival, und zu digitalisieren. Bislang musste der Waldarbeiter zum Get Started des Digitalverbands Bitkom, die VDMA Start- Fällen die mit Farbkreuzen markierten Bäume suchen. Jetzt up-Machine oder die Digital Hub-Initiative des Bundeswirt- wird er per App direkt dorthin geführt. Die vom Autokonzern schaftsministeriums. Finden Gründer inzwischen schnell Daimler initiierte Start-up-Autobahn versammelt die besten den richtigen Partner? Mobility-Start-ups der Welt, die teilweise 100 Mitarbeiter be- Start-ups haben immer noch Schwierigkeiten, Kooperationen schäftigen und schon sehr erfolgreich am Markt sind. Mithilfe anzustoßen. Oft wissen sie nicht, wo sie andocken können. des Know-hows und Kapitals der besten Fahrzeughersteller Zwar weiss jeder in der Szene, wen man bei Daimler anspre- und -zulieferer können sie weiter wachsen. chen muss, doch das Organigramm eines Mittelständlers ist von außen oft nicht leicht zu durchschauen. Es gibt Leucht- An welchen Stellen hapert es in der Praxis? Was bemängeln türme, aber die spiegeln nicht die gesamte Unternehmens- Start-ups? landschaft wider. Am Beginn einer Kooperation geht es vor allem um Offenheit und Verständnis für die Belange der Gründer. Es kann nicht Wie finden Gründer und Corporates die passende Form der klappen, wenn ein Start-up die üblichen Einkaufsbedingungen Zusammenarbeit? für Zulieferer unterzeichnen und bei Vertragsstrafe garantie- Beide sollten sich erst einmal die Asymmetrie vergegenwär- ren soll, dass sein Produkt in fünf Jahren noch lieferbar ist. tigen. Hier die große und starke Old Economy mit Marktzu- Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist, dass Corporates auf Augenhöhe gang, dort das kleine und schwache Start-up mit Zukunfts- mit den Start-ups sprechen und ihnen Freiheit außerhalb technologie. Daraus ergeben sich ganz unterschiedliche der bürokratischen Strukturen des etablierten Unternehmens Erwartungen. Im ersten Schritt sind deshalb nicht nur die lassen. Sehr hilfreich sind auch Ansprechpartner auf Manage- eigenen Ziele und Vorstellungen zu klären, sondern auch mentebene als Unterstützer. die des Partners. Schritt zwei ist dann, aus den zahlreichen Kooperationswerkzeugen das herauszusuchen, mit dem sich Und wie können Unternehmensjuristen zum Gelingen die gegenseitigen Erwartungen am besten realisieren lassen. beitragen? In der Praxis sind große Unternehmen oft sehr arrogant und Sie können sehr viel beitragen und sind sogar erfolgskritisch. sagen: „Kaufen wir halt ein Start-up.“ Das wollen Gründer Wir haben in einer noch unveröffentlichten Studie untersucht, aber in der Regel nicht. Große Unternehmen müssen erst wann Start-ups zu Kooperationen mit etablierten Unterneh- einmal Vertrauen schaffen. men bereit sind. Gleich nach Offenheit und einem Umgang auf Augenhöhe haben Gründer die Vertragsgestaltung ge- Wie hilfreich sind externe und interne Inkubations- und nannt. Start-ups wünschen sich schlanke Verträge, die sie auch Accelatorenprogramme, bei denen Corporates Anteile an verstehen. Gründer haben keine Rechtsabteilung, um Klauseln Start-ups erhalten und diese einige Zeit mit Kapital, Coaching zu bewerten und einzuordnen. Wer dieses Ungleichgewicht und Infrastruktur bei der Skalierung unterstützen? verkennt, zerstört schnell Vertrauen. An dieser Stelle sollten Diese Programme sind sehr sinnvoll, um sich erst einmal sich Syndizi vergegenwärtigen, dass sie nicht nur einen gu- gegenseitig kennenzulernen. Schließlich sprechen beide ten Job machen, wenn sie etwaigen Schäden vorbeugen. Um Seiten doch sehr unterschiedliche Sprachen. Der Motorsä- strategische Ziele in der Zukunft zu erreichen, müssen sie genhersteller Stihl hat im Stuttgarter Accelerator Activatr mit auch Innovationen ermöglichen. drei Start-up-Pionieren ein System für vernetzte Geräte im Das Interview führte Franziska Jandl. 18 Ausgabe 4/2019
TITELTHEMA unternehmensjurist Beispiel ein Fintech aufgestellt sein, um von vornherein den Anforderungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs- aufsicht (BaFin) gerecht zu werden.“ Viel mehr als früher gelte es als Syndikus, das operative Ge- schäft zu verstehen und in Geschäftsmodellen zu denken. Dabei hilft den Unternehmensjuristen, dass sie mittlerweile meist in wichtige Entscheidungsgremien eingebunden sind und damit Prozesse wie Produktentwicklung oder Invest- ments bereits in einem frühen Stadium begleiten und auch steuern können. Beispielsweise ist Martin Düker Mitglied „Ein schlankes Set an Verträgen, die sich an der im Investmentkomitee der EnBW New Ventures GmbH und Martin Mildner sitzt im Beirat aller Ventures-Unternehmen Entwicklungsphase des Start-ups orientieren, wären der Otto Group. bei vielen Corporates eine echte Innovation.“ Laut Jan Eckert tragen Syndizi dadurch aber auch mehr Ver- antwortung für den Geschäftserfolg. „Sie sind jetzt mit ihrer ganzen Kreativität gefordert, um Prozesse und Vertragsmo- – delle an die neuen Chancen und Risiken anzupassen.“ Es Andreas Unseld, braucht ein neues Selbstverständnis als Gestalter: „Syndizi Partner, identifizieren nicht mehr nur Risiken und bilden die strate- Unternehmertum Venture Capital Partners (UVC Partners) gischen Ziele in Verträgen ab. Indem sie rechtliche Gestal- tungsmöglichkeiten für schnellere Innovationen aufzeigen, bauen sie aktiv an der Zukunft des Unternehmens mit“, sagt Dr. Rainer Betram, General Counsel der Signal Iduna Gruppe. Ω Fortsetzung von Seite 17 Ω Fortsetzung des Titelthemas auf Seite 22 Steuerungsmodelle einzuführen: eines für den etablierten Bereich und eines für junge Hightechfirmen, das sich an der Beteiligungsgesellschaft Zukunfts-Venture-GmbH orientiert, für die schon jetzt andere Regeln gelten. Die EnBW hat bereits einen Basic-Rules-Ansatz etabliert und beispielsweise die Compliance-Richtlinien aus zwei Leitz- Ordnern für Start-ups auf dreieinhalb Seiten eingedampft, berichtet General Counsel Bernd-Michael Zinow: „Das war ein großer Kraftakt über mehrere Runden und Monate, um die Verantwortlichen für die einzelnen Richtlinien zu überzeugen. Jeder sah zwar die grundsätzliche Notwendig- keit ein, hielt aber gerade die Regeln seines Bereichs für unverzichtbar.“ Die Automobilindustrie ist ein Beispiel dafür, wie techno- „Die Detailtiefe der Verträge muss dem logische und regulatorische Veränderungen eine disruptive Dynamik entwickeln, die aktuelle Geschäftsmodelle auslöscht Risiko und der Höhe des Investments ange- und neue schafft. Das strahlt unmittelbar in die Rechtsabtei- messen sein. Pragmatismus geht vor Perfek- lungen aus. Jan Eckert: „Die Juristen müssen schneller zu Entscheidungen kommen und dafür ihre Prozesse unter an- tionismus. Die Energie, Zeit und Kosten für derem durch Legal-Tech-Anwendungen beschleunigen.“ Auch das Ausarbeiten und Verhandeln komplexer die Außendarstellung und Denkweise muss sich ändern, um Vertrauen zu schaffen und unkompliziert zusammenzuarbei- Verträge sind für den Auf bau des operativen ten, fordert Martin Mildner von der Otto Group: „Statt alles besser zu wissen, braucht es Offenheit, um von den Start-ups Geschäfts des Start-ups oft besser investiert.“ zu lernen. Um anerkannt zu werden, kann sich der Unter- nehmensjurist nicht hinter Paragraphenketten verstecken, – sondern er muss den Gründern aus dem Geschäftsmodell Peter Huber, heraus die notwendigen Strukturen aufzeigen. Wie muss zum Partner, Hogan Lovells 20 Ausgabe 4/2019
TITELTHEMA unternehmensjurist VERSCHIEDENE MODELLE DIE ZUSAMMENARBEIT HAT VIELFÄLTIGE FACETTEN Die Möglichkeiten der Kooperation reichen vom Start-up-Praktikum der Konzern-High-Potentials über eigene Wagniskapitalfonds bis zur Akquisition. Welches Modell passt, hängt von den strategischen Zielen ab. Ein Überblick. Ω Das Ziel von internen Inkubationsprogrammen oder Cor- Externe Inkubatoren und Acceleratoren bieten die Möglich- porate Company Buildern wie der Otto Group Digital Solu- keit zum gegenseitigen Kennenlernen in überschaubaren tions ist, Start-ups aufzubauen, welche die Kompetenzen des Projekten (siehe auch Interview auf Seite 18). Es gibt sie für Konzerns für neue Geschäftsmodelle nutzen, um sie später in Start-ups mit unterschiedlichen Reifegraden: Während sich die Otto-Gruppe zu integrieren. Der Energieversorger EnBW etwa Activatr mit Themen wie Internet der Dinge, Future Mo- unterstützt Gründer bei „Spark the future“ mit Formaten von bility und Smart City eher an Start-ups in der Gründungsphase 16 Monaten bis zu 16-Stunden-Hackathons, bei denen am richtet, sind viele Hightech-Mobilitätsanbieter der Start-up- Ende des zweiten Tages eine Idee für ein Geschäftsmodell Autobahn, an der auch ZF beteiligt ist, bereits erfolgreich am plus Prototyp vor der Inkubations-Jury präsentiert werden. Ziel Markt. Der Nachteil: Corporates müssen Mitarbeiter abstellen, des 16-Monatsprogramms ist die Fortführung als Corporate- um gemeinsam mit den jungen Hightechfirmen sogenannte Start-up oder die gemeinsame Gründung, gegebenenfalls mit Innovation Challenges zu realisieren. Aus der Beteiligung der Anschlussfinanzierung durch die EnBW. EnBW an dem Activatr-Programm ist das Start-up Vialytics 22 Ausgabe 4/2019
TITELTHEMA unternehmensjurist hervorgegangen, das Kommunen mittels künstlicher Intel- gung wird oft kombiniert mit einer vertraglichen Kooperation, ligenz einen Überblick über den Straßenzustand verschafft. wie Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen, Lizenz-, Ein Smartphone an der Windschutzscheibe von Müllautos Liefer- und Vertriebsverträgen. oder Kehrmaschinen erkennt nicht nur grobe Schlaglöcher, Eine Akquisition bietet sich an, wenn das Produkt eines Start- sondern auch feine Risse. Die Stadtverwaltungen sparen Geld, ups gut zum Portfolio passt, einen gewissen Reifegrad und weil sie Reparaturen vornehmen können, bevor große Schäden den sogenannten „Proof of Concept“ aufweist, also in der entstehen. Praxis umsetzbar ist und eine hohe Wahrscheinlichkeit für Der Corporate Venture Capital-Fonds des Spezialchemiekon- den wirtschaftlichen Erfolg besteht. Dabei ist das Invest und zern Evonik investiert in Bereichen wie Gesundheitswesen folglich das Risiko relativ hoch, aber auch der Ertrag im Er- oder neue Materialien und wurde gerade auf 250 Millionen folgsfall besonders vielversprechend. Euro aufgestockt. Der Fokus liegt verstärkt auch auf Minder- Bei Forschungs- und Entwicklungskooperationen ist das heitsbeteiligungen an jungen Unternehmen mit höherem Invest eher begrenzt, was allerdings auch für die Ertrags- Reifegrad, die die digitale Transformation von Evonik unter- chancen gilt. Oft ist es sinnvoll, die Zusammenarbeit an stützen. Eine spätere Übernahme wird ausdrücklich nicht einem Produkt erst einmal in einer Kooperation auf schuld- ausgeschlossen. Anfang des Jahres hat Evonik das amerika- rechtlicher Basis zu testen, um sich näher kennenzulernen. nische Portfoliounternehmen Structured Polymers vollständig Franziska Jandl erworben, das auf Kunststoffpulver für 3-D-Druck spezialisiert ist. Start-ups werden mit einem Höchstbetrag von 15 Mil- lionen Euro unterstützt. Die durchschnittliche Haltedauer beträgt drei bis fünf Jahre, wobei eine zweistellige Rendite angestrebt wird. × Ein offener Austausch über die gegenseitigen Ziele und DIE STRATEGISCHEN ZIELE WEISEN DEN WEG Erwartungen ist Voraussetzung, um das passende Werk- ZUM PASSENDEN MODELL zeug für eine Partnerschaft zu finden. Die Verträge müssen den Spagat überbrücken zwischen enger Anbindung und Wer keine Kapazitäten und kein Know-how für einen eigenen ausreichend Freiraum für die Start-ups. VC-Fonds aufbauen will, kann sich an externen Wagniskapi- talfonds anderer Corporates beteiligen. Zwar gibt es keinen × Syndizi haben wesentlichen Anteil am Erfolg der Partner- Technologietransfer, aber einen Überblick über Tech-Trends schaften: Sie brauchen Mut zu einem Basic-Rules-Ansatz und Kontakte zu den beteiligten Start-ups. Es bestehen keine und einem schlanken Set an Verträgen, die sich am Entwick- Nachschusspflichten und bei guter Entwicklung der Betei- lungsstadium des Hightech-Unternehmens orientieren. ligungen eine erfreuliche Rendite. Beispielsweise sind an × Vertragsmodelle, Strukturen und Prozesse sind so zu gestal- eVentures mit einem Volumen von mehr als 400 Millionen ten, dass Gründer schnell und unkompliziert vom Zugang Euro neben der Otto Group als Ankerinvestor auch der Sprin- zu Kunden, Branchenkenntnis und Know-how über Daten- ger Verlag oder der Lebensmittelkonzern Dr. Oetker beteiligt. Um Risiken breit zu streuen, das Investitionsvolumen zu schutz, Fragen der Finanzaufsicht etc. profitieren, ohne erhöhen und einen breiten Überblick über neue Technolo- von Verwaltungsaufwand und Hierarchien ausgebremst zu gien zu bekommen, können auch Fund of Fonds-Lösungen werden. sinnvoll sein, etwa von Unternehmertum Venture Capitals × Um Risiken richtig zu bewerten, braucht es Verständnis für (UVC) Partners. Die Beteiligungsgesellschaft investiert vor technologische Details. allem in wachstumsstarke Unternehmen im B2B-Bereich. Der Nachteil: Je mehr Investoren beteiligt sind, desto weniger × Die disruptive Dynamik in vielen Branchen macht vor lassen sich individuelle Interessen durchsetzen. den Rechtsabteilungen nicht halt: Unternehmensjuristen Dagegen verschafft eine Direktbeteiligung größtmöglichen müssen als Teil des Business-Teams Verantwortung für den Einfluss auf die Entwicklung von Technologien oder Ge- gesamten Prozess bis zum Geschäftserfolg übernehmen schäftsmodellen. Oft handelt es sich um Minderheitsbetei- und schneller zu Entscheidungen kommen. ligungen. Grundsätzlich lassen sich auch Finanzinvestoren × Ein schulmeisterlicher Ansatz ist gegenüber Gründern einbinden, was aber zu Interessenkollisionen führen kann: wenig Erfolg versprechend. Es braucht Offenheit, voneinan- Corporates sind meist an einer dauerhaften Entwicklung des Geschäftsmodells für eigene Zwecke interessiert. Dagegen der zu lernen. fürchten Finanzinvestoren, dass strategische Partner Wettbe- × Es gibt viele Möglichkeiten der Zusammenarbeit; entschei- werber unter den Kaufinteressenten abschrecken. Die Beteili- dend sind die strategischen Ziele. 24 Ausgabe 4/2019
STRATEGIE & MANAGEMENT unternehmensjurist STUDIE ZU GLOBAL POST MERGER INTEGRATION UND CARVE-OUTS ZUR RECHTEN ZEIT AUF DIE ERFOLGSSPUR WECHSELN Ein hochaktuelles Thema für Unternehmen sind M&A-Transaktionen und die Herausforderungen des im Vorfeld und im Nachgang erforderlichen Carve-out- beziehungsweise Integrations- prozesses. Eine neue Studie aus der Studienserie CLI–Corporate Legal Insights vom Bundes- verband der Unternehmensjuristen und PricewaterhouseCoopers Legal befasst sich daher mit dem Thema „Global Post Merger Integration und Carve-outs“. Ω Das wirtschaftliche Umfeld ist gekennzeichnet von ei- und notwendiger Bestandteil der Unternehmensstrategie, ner hohen Dynamik und von wachsendem Wettbewerb von um erfolgreich im Wettbewerb bestehen zu können. Ein In- branchenfremder Seite. Das stellt Unternehmen vor neue diz dafür ist das weiter anziehende weltweite M&A-Geschäft Herausforderungen: Sie müssen das disruptive Potenzial für mit Firmenkäufen und -fusionen. Nachdem dieses um die die eigenen Geschäftsfelder frühzeitig erkennen und mit der Jahrtausendwende herum seinen vorläufigen Höhepunkt richtigen Strategie beantworten. Das allerdings ist leichter überschritten hatte, bewegt es sich nach Angaben des Wirt- gesagt als getan, denn bei den branchenfremden Aufrührern schaftsdatendienstes Thomson Reuters erneut auf einem sehr handelt es sich oft um Start-up-Unternehmen voll von jungen, hohen Niveau. 2018 gab es weltweit M&A-Transaktionen im kreativen und unkonventionell denkenden Menschen, die mit Wert von insgesamt fast 4 Billionen US-Dollar. Mit einem hoher Eigenverantwortlichkeit und entsprechender Motivation Volumen von rund 1 Billion US-Dollar entfiel ein Viertel dieser ihre eigenen Ideen umsetzen wollen. Wird nun ein solches Summe auf M&A in Europa – in absoluten Zahlen der höchste Start-up von einem Großunternehmen klassischer Prägung Wert seit elf Jahren. Beflügelt wird diese Entwicklung von erworben und soll damit verschmolzen werden, droht ein zwei Faktoren: Zum einen machen die anhaltend günstigen „Clash of Cultures“, in dessen Folge die von der Transaktion Finanzierungsbedingungen am Kapitalmarkt den Erwerb von erwarteten Effekte verpuffen können. Damit das nicht passiert, Unternehmen attraktiv, zum anderen erschafft die Digitalisie- muss die Post Merger Integration (PMI) gründlich durchdacht rung immer neue Geschäftsmodelle und dringt in raschem und idealerweise so früh wie möglich begonnen werden. Tempo in viele traditionelle Geschäfstfelder vor. Durch die Für viele etablierte Unternehmen sind Mergers & Acquisi- Etablierung neuer Geschäftsmodelle, die in der Regel auf der tions (M&A) keine reine Option mehr, sondern ein fester intelligenten Generierung und Monetarisierung von Daten beruhen, verändern digitale Technologien komplette Indus- trien und Dienstleistungsbranchen. Energieanbieter können beispielsweise mit Smart Meter ihre Abrechnung und Netz- werkauslastung optimieren, die Finanzbranche verwendet Algorithmen für den nanosekundenschnellen Handel von „Ohne eine konkrete Marschroute Wertpapieren und die großen Automobilkonzerne liefern sich einen Wettlauf bei der Entwicklung von autonom fahrenden für die Zeit nach dem Closing Autos. Mit am Start – und das ist neu – sind Data-Giganten kann eine Transaktion sehr leicht und Start-ups aus dem Silicon Valley und vergleichbaren ins Leere laufen.“ Technologieregionen der Welt. So ist der Daimler-Konzern beispielsweise an inhaltlich und wirtschaftlich so unterschied- – lichen Unternehmen wie dem Softwareentwickler Anagog, Dr. Simon Dürr, dem E-Ladestationen-Netzwerk ChargePoint und dem GPS- Partner Global Transformations, PwC Legal Dienstleister what3words beteiligt. In den USA hat General 26 Ausgabe 4/2019
unternehmensjurist STRATEGIE & MANAGEMENT Motors die Unternehmen Cruise Automation und Strobe aus dem Silicon Valley übernommen, um die Entwicklung von autonom fahrenden Autos voranzutreiben. Während ame- rikanische Firmen 2011 gerade einmal 20 Milliarden US „Den Rechtsabteilungen und Dollar in sogenannte Tech Deals investierten, war diese Zahl Rechts(-beratern) kommt dabei oft 2016 bereits auf 125 Milliarden US-Dollar geklettert. Und sie die Rolle des Dirigenten zu, der das steigt weiter. Orchester zusammenhalten und aufeinander abstimmen muss.“ M&A-PROZESS ALS NEUE SITUATION – Dr. Frederic Mirza Khanian, M&A sind eine verbreitete Wachstumsstrategie, doch zahl- reiche Beispiele von fehlgeschlagenen Fusionen und Über- Partner Global Transformations, PwC Legal nahmen zeigen, dass sie nicht ohne Risiken ist. Bei zwei von drei Firmenehen sinkt der Unternehmenswert nach der Transaktion, anstatt zu steigen. Das heißt nicht, dass sie komplett scheitern, sondern dass sie die ursprünglich zu sein. Doch der gesamte M&A-Prozess und vor allem die mit der Transaktion geplanten Ziele verfehlen und dass der PMI als entscheidende Phase nach dem Closing sind für Markt den Fehlschlag registriert. Der Hauptgrund für die- viele eben nicht das tägliche Brot, sondern stellen eine ganz ses – sagen wir es direkt – mangelhafte Ergebnis liegt oft neue Situation dar. Deshalb ist es sinnvoll, externen Rat in der schlechten Performance während der PMI. Das mag nicht nur für die rechtlichen, finanziellen und steuerlichen auf den ersten Blick überraschen: Der Deal ist durch – was Aspekte vor dem Closing heranzuziehen, sondern auch für kann dann noch schiefgehen? Auf den zweiten Blick wird der die strategisch wichtige PMI-Phase auf die Expertise von Grund jedoch leicht nachvollziehbar. Die an einer Transak- außen zuzugreifen, damit aus zwei zuvor getrennten Un- tion beteiligten Führungskräfte verfügen meist über sehr viel ternehmen wirklich ein besseres neues wird. Im Idealfall Erfahrung in ihrem jeweiligen Kerngeschäft. Schließlich ist wird die PMI dabei schon vor dem Closing vorbereitet, um ihr bisheriger Erfolg der Grund dafür, warum ihre Unterneh- sofort nach dem Trocknen der Tinte unter den Verträgen men in der Lage sind, andere Unternehmen zu übernehmen durchstarten zu können. Zudem können externe Berater das beziehungsweise ein attraktives Ziel für eine Übernahme Management für die enorme Bedeutung einer gut gesteu- erten PMI sensibilisieren. Ob eine Akquisition zum Erfolg wird, hängt nicht zuletzt davon ab, was die Unternehmen davon erwarten. Das gilt auch für die Übernahme von Start- VOLUMEN VON TRANSAKTIONEN ups. Zwei Drittel der Transaktionen, das zeigt die vorliegende Studie, haben ein Volumen bis 250 Millionen Euro. Meist Zwei Drittel der Transaktionen haben ein Volumen sind mit der Übernahme von klein- und mittelständischen bis 250 Mio. €, um Marktanteil & Umsatz zu Unternehmen klar formulierte Erwartungen verbunden: die erhöhen und nachhaltig zu verbessern. In welchem Erschließung neuer Märkte und Kunden, die Verbesserung der Wettbewerbsposition und Synergieeffekte durch Effi- Transaktionsvolumen bewegten sich diese Trans- zienzsteigerungen (siehe dazu Grafik links). aktionen im Durchschnitt in den letzten Jahren? KRITISCHE FAKTOREN BEI DER ÜBERNAHME VON START-UPS Über 1 Mrd. € Bis zu 14,46 % 50 Mio. € Grundsätzlich lassen sich vier wesentliche Erfolgsfaktoren 32,53 % für M&A ausmachen: (1) das tatsächliche Erreichen von Synergieeffekten, (2) die rasche Umsetzung der Integration innerhalb eines ambitionierten Zeitrahmens, Zwischen Zwischen (3) das erfolgreiche Vermitteln zwischen unterschiedlichen 250 Mio. € 50 Mio. € Unternehmenskulturen während des Veränderungspro- bis 1 Mrd. € bis 250 Mio. € zesses sowie 16,87 % 36,14 % (4) eine starke Projektsteuerung in der PMI. Ausgabe 4/2019 27
STRATEGIE & MANAGEMENT unternehmensjurist Das Erzielen von Synergieeffekten setzt auch bei der Über- der Transaktion verbundenen Ziele erreicht werden. Dabei ist nahme eines Start-ups voraus, dass man bereits während der es wichtig, für jede Transaktion zu analysieren, welche Unter- Due Diligence und damit deutlich vor dem Closing prüft, nehmensfunktionen am schnellsten integriert werden müssen welche Potenziale vorhanden sind. Start-ups werden in der und welche nur eine unterstützende Funktion haben. Start-ups Regel aufgrund der von ihnen entwickelten Software oder unterscheiden sich von anderen Unternehmensübernahmen anderer Technologien erworben. Schon allein um einen ver- dadurch, dass nicht Bereiche wie Marketing und Verkauf, nünftigen Kaufpreis zu ermitteln und eine Preisobergrenze After Sales und Kundenservice oder die Produktion im Vor- als Verhandlungsbasis festzulegen, ist es vor dem Closing not- dergrund der Akquisition stehen, sondern dass Forschung wendig, realistisch abzuschätzen, welche Synergieeffekte man und Entwicklung, kreative Leistung und/oder IT-Know-how für das eigene Kerngeschäft erzielen kann und wie sich das eingekauft werden. Deshalb müssen die Prioritäten vor allem rasch umsetzen lässt. Dazu sind sowohl quantitative als auch auf der raschen Integration dieser Funktionen ins Kernge- qualitative Key Performance Indicators (KPI) unerlässliche schäft liegen. Bei glatt laufenden Transaktionen dauert das Hilfsmittel, um die Ziele in messbare und damit steuerbare erfahrungsgemäß zwischen sechs Monaten und einem Jahr. Zwischenschritte umzusetzen. Ohne eine konkrete Marsch- Das erfolgreiche Vermitteln zwischen unterschiedlichen Un- route für die Zeit nach dem Closing kann eine Transaktion ternehmenskulturen während des Veränderungsprozesses sehr leicht ins Leere laufen. Um das mit einem Bild deutlich ist ein dritter, nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor bei zu machen: Ohne klares Ziel ist auf hoher See jeder Kurs Unternehmenstransaktionen. Wenn man bedenkt, wie un- gleich recht oder gleich schlecht (siehe dazu Grafik unten). terschiedlich in Konzernen und Start-ups gearbeitet wird, Die rasche Umsetzung der Integration innerhalb eines ambiti- sieht man schnell, warum diese Hürde besonders hoch liegt. onierten Zeitrahmens ist die Voraussetzung dafür, dass die mit Start-ups sind in vielerlei Hinsicht das genaue Gegenteil von HERAUSFORDERUNGEN BEI DER INTEGRATION Akquisitionsziele werden erreicht, wenn unternehmerische Anpassungen mit hoher Motivation und kultureller Integration einhergehen. Was waren in der Vergangenheit die größten Herausforderungen bei der Integration zugekaufter Unternehmen/Unternehmensgruppen? „Steuerliche Verluste und Verlustvorträge bei internationalen „Unterschiedliche Unternehmenskultur sowie Übernahmen vermeiden“ verschiedene Tarif-Entgeltsysteme“ Steuern „Bearbeitung der ‚Steueraltlasten‘, Integration in das Human „Umgang mit Arbeitnehmermitbestimmung und (Tax) Konsolidierungs- und Besteuerungskonzept“ Resources Integration bestehender Mechanismen“ „Management der Tax-Risiken“, „Begründung steuerlicher „Andere Personalgrundsätze, Organschaft“ existierende Tarifverträge und Betriebsrat“ „Umstellung der Prozesse auch in den Köpfen der Leute (,Knopfdruck‘)“ „Verankerung der Ziele der Integration in die persönlichen „Klassische Systemintegrationsthemen aufgrund Ziele der Führungskräfte ist sehr wichtig – ansonsten kostet unterschiedlicher Plattformen“ die Integration zu viel Zeit“ „Zusammenspiel unterschiedlicher IT-Systeme, „Transfer Pricing zwischen bestehenden und neuen Information Operative insbesondere im Controlling und Einkauf“ Unternehmensteilen zeitnah festlegen“ Technology Integration (IT) „Kein Gleichlauf in IT-Betreuungsverträgen“ „Integration und ramp-down der IT“ „ERP-Systeme mussten angeglichen werden“ „Einbindung zu vieler Stakeholder“ „Datentransfer sicherstellen im Rahmen der IT-Migration“ „Clash der Kulturen“ „Abfall der Management Attention und Priorität nach Closing“ „Gesamte Supply Chain muss angeschaut werden“ „Zusammenführung von unterschiedlichen Strukturen, „Patentschutzthemen“ insbesondere bei den zentralen/Holding-Bereichen“ „Anpassung der Lizenzthemen“ Gesell- Intellectual „Organwechsel mit einer Vereinfachung der Gesellschafts- schafts- Property (IP) „Integration in bestehende IP-Strategie“ strukturen“ rechtliche „Fortführung Firmennamen“ Integration „Gremienintegration vorantreiben“ „Führung von Gesellschaften, die nicht integriert werden sollen“ 28 Ausgabe 4/2019
unternehmensjurist STRATEGIE & MANAGEMENT etablierten Unternehmen. Während Konzerne einem zuver- lässigen Familien-Van gleichen, sind Start-ups der nervöse Formel 1-Bolide, an dem ständig herumgeschraubt und an dem neue Materialien und Antriebskonzepte ausprobiert wer- „Damit es keinen ‚Clash of den. Es liegt auf der Hand, dass beide sehr unterschiedliche Cultures‘ gibt, muss die Post Merger Menschen als Mitarbeiter gewinnen. Während Beschäftigte in Integration gründlich durchdacht Konzernen oft in sicheren Strukturen und vertrauten Prozes- sen arbeiten und Veränderungen häufig erst einmal kritisch und idealerweise so früh wie möglich gegenüberstehen, stellen die Mitarbeiter von Start-ups aus begonnen werden.“ Prinzip ständig alles in Frage und suchen Mittel und Wege, – um den Familien-Van von der Straße zu bugsieren. Dabei Prof. Dr. Peter Körner, Director Corporate Legal ist Scheitern als Option von Haus aus eingeplant. Für Start- ups gibt es nur drei Exit-Formen: Scheitern, übernommen Insights, diruj GmbH werden oder – wie Amazon, Apple oder Google – selbst zum Big Player mutieren. unterdrückt werden, sondern sollte im Idealfall im gesamten Unternehmen angewendet werden. Ein gutes Steuerungs- STEUERUNGSTEAM HÄLT FÄDEN ZUSAMMEN team hält letztlich alle Fäden zusammen und sorgt dafür, dass sich die einzelnen Workstreams nahtlos ineinander einfügen Unternehmen, die ein Start-up übernehmen, sollten sich des- und die PMI reibungslos über die Bühne gebracht wird. halb darüber im Klaren sein, dass sie nicht nur neue Techno- Es verwundert nicht, dass die Vielschichtigkeit einer PMI logien und Know-how übernehmen, sondern auch Menschen alle Abteilungen eines Konzerns einschließlich Rechtsabtei- und eine Unternehmenskultur, die das Start-up überhaupt lungen sowie externe Berater regelmäßig vor große Heraus- erst zu einem interessanten Übernahmekandidaten gemacht forderungen stellt. Neben den üblichen und wiederkehrenden haben. Viele von ihnen sind als digitale Unternehmen gestartet Problemfeldern im Rahmen einer PMI offenbaren sich regel- und haben eine aus Sicht von Konzernen eher eigentümliche mäßig nicht von vornherein absehbare Fallstricke, die es dann Arbeitsweise entwickelt. Dank unkonventionellem Denken zu bewerten und zu bewältigen gilt. Den Rechtsabteilungen und Handeln, freiem Experimentieren an neuen Technologien und Rechts(-beratern) kommt dabei oft die Rolle des Diri- sowie einem lockeren Umgang mit Fehlschlägen, setzen sich genten zu, der das Orchester zusammenhalten und aufeinan- selbst kleine Firmen oft an die Spitze der technologischen der abstimmen muss. Zu Recht kann eine erfolgreiche PMI Entwicklung. Dank ihrer Ausprobier-Kultur schaffen sie es damit als Meisterprüfung für Rechtsabteilungen und -berater tatsächlich, ihre Technologien schneller in neue Produkte und bezeichnet werden. π Dienstleistungen umzusetzen und auf den Markt zu bringen Prof. Dr. Peter Körner in Zusammenarbeit mit als Großunternehmen. Ihre Attitüden sind der Grund für Dr. Simon Dürr und Dr. Frederic Mirza Khanian ihren Erfolg und deshalb ist es notwendig, sie im Rahmen der PMI zu bewahren und möglichst von ihnen zu lernen und zu profitieren. Als vierter Erfolgsfaktor ist eine starke Projektsteuerung in der PMI von zentraler Bedeutung. Sie beeinflusst maßgeblich alle anderen Erfolgsfaktoren. Viele Vorstände, so eine Erfahrung aus der Unternehmenspraxis, lehnen sich nach dem Closing zufrieden zurück und halten × Beim Erwerb eines Start-ups durch ein klassisches Groß- ihre Aufgabe für erledigt. Tatsächlich geht die Arbeit nach unternehmen droht ein „Clash of Cultures“. der Unterschrift erst richtig los. Um diesen Prozess zu koor- dinieren, sollte ein PMI-Steuerungsteam installiert werden, × Um das zu verhindern, muss die Post Merger Integration dessen zentrale Aufgabe es ist, mögliche Hindernisse in der (PMI) gründlich durchdacht und so früh wie möglich Integrationsphase zu identifizieren und umgehend Lösungen begonnen werden. zu ihrer Überwindung zu entwickeln. Sollten beispielsweise × Frühzeitiger externer Rat ist für die rechtlichen, finanziellen wichtige Know-how-Träger das Unternehmen verlassen wol- und steuerlichen Aspekte vor dem Closing sowie für die len, deren Bindung im Vorfeld als erfolgskritisch angesehen PMI-Phase wichtig. wurde, muss das Management Retention-Verhandlungen aufnehmen. Auch das agile Arbeiten, das in vielen Start-ups × Neben diversen anderen Herausforderungen ist das anzutreffen und für deren Erfolg verantwortlich ist, darf nicht erfolgreiche Vermitteln zwischen unterschiedlichen Unter- durch vom Käuferunternehmen übergestülpte Arbeitsweisen nehmenskulturen ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor. Ausgabe 4/2019 29
SCHWERPUNKT COMPLIANCE unternehmensjurist COMPLIANCE „ES KOMMT IMMER AUF DIE ZUSAMMENARBEIT ZWISCHEN DEN MENSCHEN AN“ Dr. Christoph Klahold ist seit Herbst 2018 Leiter Recht und Compliance bei der Munich Re. Hier soll er beide Abteilungen zusammenführen. Im Interview erläutert er, welche Schwerpunkte er dabei setzt und was er von dem geplanten Unternehmensstrafrecht erwartet. Herr Dr. Klahold, Sie sind im vergangenen Jahr von thyssen- Antritt bin ich immer noch dabei, zu lernen und zuzuhören. krupp, wo Sie Chief Compliance Officer waren, zur Mün- Schließlich ist das Rückversicherungsgeschäft sehr komplex. chener Rück gewechselt. Hier sind Sie Leiter der Rechts- und Dazu habe ich im gesamten Unternehmen sehr viele Ge- der Compliance-Abteilung. Beide Bereiche sollen nun zu- spräche geführt. Mir geht es darum, erst die Menschen ken- sammengeführt werden. Insgesamt arbeiten in beiden Ab- nenzulernen, inhaltliche Herausforderungen und die Prozesse teilungen zusammen rund 50 Menschen. Wie geht es voran? kommen dann meist von ganz allein hinzu. Ich lege großen Ich bin nun für beide Abteilungen bei der Munich Re verant- Wert auf den Team-Gedanken. Wofür die Rechtsabteilung wortlich. Mit meinem Team haben wir mit viel Engagement und Compliance-Abteilung stehen, welchen Mehrwert wir angefangen, den Ist-Stand zu analysieren und unsere strate- bieten können und was uns eventuell daran hindert, das will gischen Schwerpunkte zu schärfen. Dabei geht es in einem ich gemeinsam mit den Kollegen entwickeln und nicht von ersten Schritt auch darum, herauszufiltern, welche Aufgaben oben vorgeben. Dafür beziehe ich alle Mitarbeiter mit ein. gemeinsam besser umgesetzt werden können. Gleichzeitig Es gab viele Workshops und Veranstaltungen dafür in den sollen beide Bereiche auch Profil gewinnen und ihre eigenen letzten Monaten. Themen verfolgen. Das Wir-Gefühl ist mir wichtig. Es gibt viele Gemeinsamkeiten. Was haben Sie aus den Gesprächen und Workshops mitgenommen? „Es geht darum, wie wir im Unternehmen Es ist sehr schnell klargeworden, dass wir nicht aus einem Selbstzweck heraus die Rechts- und Compliance-Abteilung einen Mehrwert bieten und die geschäftlichen verändern, sondern dem Unternehmen in seinem Trans- Aktivitäten unterstützen können.“ formationsprozess folgen wollen. Es sind in den vergange- nen Jahren neue Geschäftsfelder hinzugekommen, neue Welche sehen Sie? digitale Einheiten ergänzen das klassische Kerngeschäft. Beide Abteilungen betreiben aktives Risiko-Management. Zu- Das heißt für die Rechtsabteilung und die Compliance: Wir dem geht es darum, wie wir im Unternehmen einen Mehr- müssen diese Geschäfte verstehen, wir müssen Zugang zu wert bieten und die geschäftlichen Aktivitäten unterstützen den entscheidenden Menschen schaffen, die über die gan- können. Dabei hat die Compliance-Abteilung nicht nur ho- ze Welt verteilt sind. Mit diesen Verantwortlichen müssen heitliche Governance-Aufgaben, und die Rechtsabteilung ist wir Risiken herausarbeiten und Strategien entwickeln, wie nicht ausschließlich Dienstleister. Inhaltlich gibt es Gemein- wir diese Risiken möglichst effektiv reduzieren und welche samkeiten etwa im Aufsichtsrecht, beim Datenschutz oder Strukturen und Steuerungsmechanismen das Unternehmen im Kapitalmarktrecht. dafür braucht. Wie nähern Sie sich Ihrer Aufgabe? Die wichtigsten Treiber für Veränderung kommen also aus Zuvor war ich in einer nicht regulierten Industrie tätig, die dem Unternehmen selbst? ich weitgehend verstanden habe. Nun habe ich in ein neues Viele Themen gab es vor ein paar Jahren noch gar nicht. Nach Umfeld gewechselt und auch ein halbes Jahr nach meinem einer aktuellen Studie ist die Versicherungsbranche eine der 46 Ausgabe 4/2019
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