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11-2011 Dossier Ein Dossier von MISEREOR in Zusammenarbeit mit der Redaktion . Unternehmen. Steuern. Entwicklung. Wenn Konzerne Gewinne in Steueroasen verschieben, schwächt das die Entwicklungsfinanzierung Im Schatten der Hochhäuser des Finanzdistrikts von Manila, Philippinen, liegen die Hütten der Armen. Foto: NOEL CELIS/AFP/Getty Images
Editorial Inhalt Liebe Leserinnen und Leser, 3 Ohne Transparenz keine Steuergerechtigkeit 160.000.000.000 US-Dollar verlieren Die Steuervermeidung multinationaler Entwicklungs- und Schwellenländer nach Konzerne beraubt Entwicklungsländer aktuellen Schätzungen jedes Jahr an Steu- öffentlicher Einnahmen ereinnahmen, weil internationale Konzerne Georg Stoll Gewinne in Steueroasen verschieben. Auf diese Weise erhöhen Unternehmen ihre 7 „Wirkliche Fortschritte zeichnen sich Profite nach Steuern auf Kosten der Länder, nur langsam ab“ Bernd Bornhorst deren Rohstoffe, Infrastruktur und Bildungs- Interview mit John Christensen, Direktor leitet die Abteilung Entwicklungspolitik system sie in Anspruch nehmen. Der Verlust des Internationalen Sekretariats des Tax von Misereor. für diese Länder ist gigantisch, höher als Justice Network die gesamte öffentliche Entwicklungshilfe (2010: 129 Milliarden US-Dollar). Und nicht 8 Bettler auf einer Bank aus Gold nur das – höhere Steuereinnahmen hätten Steuerungerechtigkeit in Lateinamerika weitere Vorteile: Als einheimische Einnah- Carlos Bedoya men verringern sie die Abhängigkeit von ausländischer Hilfe und Auslandsschulden. 11 Die ausländische Brauerei und die Zugleich fördern sie das öffentliche Interesse einheimische Bierverkäuferin an einer gerechten Steuerpolitik und einer Ein Beispiel aus Ghana verantwortungsvollen Ausgabenpolitik und Georg Stoll stärken damit die demokratische Kultur. 13 Erklärung von Nairobi zu Steuern Gewiss: Mehr Steuereinnahmen sorgen und Entwicklung nicht automatisch für eine bessere Politik zum Wohle aller, insbesondere der Armen. 15 Hase und Igel Aber sie sind eine unverzichtbare Voraus- Wie multinationale Konzerne Steuern setzung für die tragfähige und nachhaltige sparen Entwicklung eines Landes. Ein wichtiger Astrid Kraus Schritt in diese Richtung besteht darin, Entwicklungsländer stärker als bisher dabei 18 Steuerverluste trotz Transparenz zu unterstützen, die Steuern, die ihnen zu- Doppelbesteuerungsabkommen mit stehen, auch einzunehmen. Auf die Steuer- Entwicklungsländern ehrlichkeit der ausländischen Unternehmen Mark Herkenrath allein können sie dabei offensichtlich nicht zählen. Internationale Rahmenbedingungen 20 Unitary Taxation müssen verbessert werden: Gezielte Maß- Gewinnverschiebung und Steuerwett nahmen für mehr Transparenz und gegen bewerb lassen sich stoppen Steueroasen sind erforderlich. Die Debatte Nicola Liebert um die Finanztransaktionssteuer (die in diesem Heft nicht behandelt wird) und die 21 Internationale Institutionen im Kampf Ächtung von Korruption (die sich ja eben- gegen Steuervermeidung falls der Steueroasen bedient) zeigen, dass Ein Wegweiser die internationale Gemeinschaft zu grund- legenden Reformen in der Lage ist. Auch im 22 Steuern: Einige Begriffserläuterungen Kampf gegen Steuerflucht und Steueroasen Statt eines Glossars sind solche Reformen jetzt dringend geboten. 23 Materialien 11-2011 | Dossier
Steuergerechtigkeit 3 Foto: Ruben Neugebauer / Campact Protest gegen ein Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz, bei dem deutsche Steuersünder zu gut wegkommen. Das Abkommen trägt aber auch dazu bei, ein weltweites anonymes System der Steuer hinterziehung weiter zu zementieren. Ohne Transparenz keine Steuergerechtigkeit Die Steuervermeidung multinationaler Konzerne beraubt Entwicklungsländer öffentlicher Einnahmen | Georg Stoll Theoretisch ist die Sache eigentlich ganz ein- spielsweise der Preis für gesundheitlich oder fach. Auf der Grundlage demokratisch legiti- ökologisch schädliches Verhalten erhöht Eine nachhaltige Finanzierung von mierter Gesetze erhebt die Steuerverwaltung wird. Entwicklung und Armutsbekämpfung eines Staates Steuern von ihren Bürgern und von den Unternehmen, die auf dem Gebiet Damit sind auch schon die wesentlichen kann ohne gute Steuersysteme nicht des Staates wirtschaftlich tätig sind. Mit den Funktionen eines jeden Steuersystems be- erreicht werden. Das hat inzwischen Einnahmen werden all die öffentlichen Auf- schrieben: Steuern sollen öffentliche Einnah- auch die Entwicklungspolitik erkannt. gaben finanziert, die nicht der Initiative der men erbringen, durch Umverteilung sozialen Einzelnen überlassen werden können oder Ausgleich schaffen, wirtschaftliches Verhal- Doch mangelnde Transparenz leistet sollen. Dabei sollten das Steuersystem und ten in gesellschaftlich gewünschtem Sinne der Steuerflucht internationaler Kon die öffentlich finanzierten Leistungen mög- beeinflussen und den demokratischen Zu- zerne Vorschub. Nationale Steuerbe lichst transparent und gerecht gestaltet sein. sammenhalt stärken. Das gilt für Industrie- hörden kommen dagegen nicht an, so So kann eine Regierung grundsätzlich mit und Entwicklungsländer gleichermaßen. Für der Einsicht und dem Einverständnis der letztere kommt aber noch ein weiterer wich- lange keine bindenden internationalen Steuerzahler rechnen, und diese können um- tiger Punkt hinzu: Ein gut funktionierendes Standards der Steuerkooperation exis gekehrt Rechenschaft von ihrer Regierung Steuersystem würde die hohe Abhängigkeit tieren. einfordern und gegebenenfalls auf demokra- von auswärtigen Finanzquellen wie Entwick- tischem Weg Veränderungen bewirken. Dar- lungshilfe und Auslandsverschuldung deut- über hinaus kann man mit Steuern gezielte lich reduzieren oder sogar beseitigen. Anreize für erwünschtes Verhalten setzen und Marktversagen korrigieren, indem bei- Dossier | 11-2011
4 Steuergerechtigkeit Steueroasen, Schattenfinanz- Foto: Peter Heinrich / pixelio.de plätze, Offshore-Zentren Die unterschiedlichen Bezeichnungen heben jeweils verschiedene Aspekte jener Länder und Gebiete hervor, die ihre Souveränität gezielt dazu verwen- den, ausländischen Unternehmen und Anlegern Möglichkeiten anzubieten, die gesetzlichen Bestimmungen ihrer denen ausländische Investoren angelockt Heimatländer zu unterlaufen. Im Zent- oder auch einheimische Klientelgruppen be- rum stehen dabei Steuerbestimmungen günstigt werden sollen; korrupte Politiker, Be- (deshalb „Steueroasen“), aber auch, wie amte und Unternehmen im In- und Ausland. die Finanzkrise gezeigt hat, Finanz- marktregulierungen. Grundlage dieses Die Entwicklungspolitik versucht, mit ver- Geschäftsmodells ist die systematische schiedenen Maßnahmen auf diese Situation Geheimhaltung, mit der die ausländi- zu reagieren, angefangen mit technischer schen Akteure vor Nachforschungen Hilfe zur Verbesserung der Leistungsfähig- ihrer Heimatbehörden (zum Beispiel der keit von Steuerbehörden bis hin zu Auflagen, Finanzämter oder der Bankenaufsicht) mit denen Empfängerregierungen dazu ge- geschützt werden (deshalb „Schatten- bracht werden sollen, ihre Steuereinnahmen finanzplätze“ oder – in der offiziellen zu vergrößern. Nicht alles ist dabei wirklich Sprachregelung von OECD und G 20 – hilfreich, besonders wenn Eigeninteressen „non-cooperative jurisdictions“). Häufig der Geber mit ins Spiel kommen. So hat bei- handelt es sich dabei um Inseln etwa spielsweise der Druck von Weltbank und In- winn aber durch verschiedene Tricks (und sei- in der Karibik oder vor Großbritannien ternationalem Währungsfonds, die Zölle zu en diese auch legal) der Besteuerung entzieht. (deshalb „Offshore-Zentren“), teilweise senken und dafür die Mehrwertsteuer zu er- Derselben Infrastruktur bedienen sich im Üb- nur mit eingeschränkter Souveränität höhen, zu stärkeren Belastungen für die ar- rigen auch korrupte Machthaber und Eliten (wie etwa die Kanalinseln). Von den men Bevölkerungsschichten geführt. aus Entwicklungsländern gerne, um ihre zu- bedeutenderen Schattenfinanzplätzen sammengerafften Reichtümer „in Sicherheit“ sind viele aber auch „onshore“, so etwa | Neuer Fokus: zu bringen, wie erst jüngst in einigen arabi- die Schweiz oder der US-amerikanische Steuerflucht von Konzernen schen Ländern wieder deutlich geworden ist. Bundesstaat Delaware. Je nach Zähl- Langsam gerät auch ein Bereich in den Blick, weise kann man von bis zu 70 solcher dem bislang trotz seiner enormen Bedeutung Der Schaden für die betroffenen Länder ist Steueroasen weltweit ausgehen. kaum Aufmerksamkeit geschenkt wurde: die enorm, werden doch inzwischen nach offizi- systematische Steuervermeidung internatio- ellen Schätzungen zwischen einem und zwei nal tätiger Konzerne. Dabei muss auf der Ebe- Drittel des gesamten Welthandels innerhalb ne der einzelnen Staaten der Schein der Lega- von Konzernen abgewickelt. Das eröffnet ein Doch hier liegt noch einiges im Argen. Das lität unbedingt gewahrt bleiben. Kein Unter- weites Feld für die Manipulation der Preise, entscheidende Problem ist dabei in aller Re- nehmen möchte in Prozesse wegen Steuer- zu denen Tochterunternehmen ein und des- gel nicht der Mangel an Ressourcen. Gerade hinterziehung verwickelt werden. So werden selben Konzerns untereinander Geschäfte Entwicklungsländer sind ja häufig Rohstoff- komplexe Konstruktionen mit verschachtel- machen (konzerninterne Verrechnungsprei- exporteure. Die Schwierigkeit besteht viel- ten Tochterunternehmen, Stiftungen und se). Die in Washington ansässige Organisati- mehr darin, das vorhandene Ressourcenpo- Treuhandgesellschaften entwickelt, um on Global Financial Integrity (GFI) ist nach tenzial so zu nutzen, dass daraus die für eine grenzüberschreitende Gewinnverlagerungen aufwändigen Berechnungen zu der Einschät- nachhaltige Entwicklung notwendigen öf- vornehmen und zugleich verschleiern zu kön- zung gelangt, dass allein in den Jahren 2000 fentlichen Grundleistungen wie Bildung, nen. bis 2008 durchschnittlich 725 Milliarden US- medizinische Versorgung, Infrastruktur, eine Dollar im Jahr durch solche verschleierten effiziente Verwaltung und ein funktionieren- Die dafür erforderliche Geheimhaltung ist grenzüberschreitenden Finanztransaktionen des Rechtssystem dauerhaft finanziert wer- deshalb neben den extrem niedrigen Steuer- aus Entwicklungsländern abgeflossen sind. den können. sätzen, mit denen kein normaler Staat sich fi- Der überwiegende Teil dieser Kapitalflucht nanzieren könnte, das zweite Charakteristi- ist auf die erwähnten Praktiken im internati- Für die Defizite in diesem Bereich gibt es zahl- kum der weltweit inzwischen etwa 70 Steu- onalen Handel zurückzuführen. Schätzt man, reiche Gründe: den hohen Anteil informeller eroasen oder Schattenfinanzplätze (siehe wie hoch der aus den Gewinnverlagerungen Beschäftigungsverhältnisse, in denen manch- Kasten). Denn allen Beteiligten ist klar, dass resultierende Verlust an Steuereinnahmen mal mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen ein Land Gegenmaßnahmen ergreifen würde, für Entwicklungsländer ist, so landet man ohne Arbeitsvertrag, ohne regulären Lohn, wenn es einem Unternehmen nachweisen schnell in dreistelligen Milliardenbereichen ohne Arbeitsschutz und soziale Absicherung, könnte, dass dieses zwar die Ressourcen des (ebenfalls in US-Dollar) – und damit in der aber eben auch ohne Steuern tätig sind; eine Landes für seine wirtschaftliche Tätigkeit in Größenordnung der gesamten weltweiten unzureichend ausgebildete und ausgerüstete Anspruch nimmt, den dabei anfallenden Ge- Entwicklungshilfe sowie der Finanzierung Steuerverwaltung; zahlreiche Ausnahmen aller Millenniumsentwicklungsziele. und Sonderregelungen im Steuerrecht, mit 11-2011 | Dossier
Steuergerechtigkeit 5 Das Bild der Steueroase als Kleinstaat mit Palmenstrand wie hier in Monaco kann irrefüh ren: Unter den bedeutenden Schattenfinanz plätzen sind auch renommierte Finanzzentren. | Automatischer Informationsaustausch Doch die oben genannten Beschränkungen sind damit leider nicht behoben. Die Verbrei- Begrenzte Vereinbarungen zum Informati- tung dieser Abkommen ist immer noch zu onsaustausch existieren bereits in vielen so gering und das Netz des Informationsaus- genannten Doppelbesteuerungsabkommen tauschs damit viel zu löchrig. Das geht insbe- (siehe den Beitrag von Mark Herkenrath in sondere zu Lasten der Entwicklungsländer. diesem Heft). Doch diese Vereinbarungen Industrieländer, in denen die meisten Kon- sind in aller Regel nicht umfassend genug zerne ihre Zentralen haben, üben zwar Druck und sie gelten nur zwischen den Ländern, die auf Steueroasen aus, Informationsaustausch- ein solches Abkommen geschlossen haben. Abkommen abzuschließen, um ihre eigenen Seit einigen Jahren und verstärkt seit der in- Besteuerungsmöglichkeiten zu verbessern. ternationalen Finanzkrise, die auch das The- Sie zeigen aber ebenso wenig wie die Steuer- ma der Schattenfinanzplätze wieder auf die oasen ein Interesse daran, ihrerseits solche Tagesordnung gebracht hat, bemüht sich die Abkommen mit Entwicklungsländern abzu- OECD darum, die Standards beim Informati- schließen. Ein multilaterales Abkommen Die entscheidenden Defizite liegen im Be- onsaustausch zu verbessern. Mit Unterstüt- zum Informationsaustausch wäre hier eine reich der globalen Regierungsführung. Denn zung der G20-Staaten wurde vor allem auf enorme Erleichterung. Denn es würde den die national operierenden Steuerbehörden deren Gipfel in London 2009 politischer Entwicklungsländern die Schwierigkeiten sind so lange gezwungen, den international Druck aufgebaut. Seither wurden nicht nur zahlloser bilateraler Verhandlungen ersparen tätigen Konzernen hinterherzuhinken, wie zahlreiche Doppelbesteuerungsabkommen und mit einem Schlag Zugang zu entspre- keine ausreichenden und bindenden inter- überarbeitet, sondern es wurde auch eine chenden Transparenzstandards verschaffen. nationalen Standards der Steuerkooperation Vielzahl so genannter Informationsaus- Ein solches Abkommen existiert sogar bereits, existieren. So lange können Schattenfinanz- tausch-Abkommen (Tax Information Ex- angeregt von OECD und Europarat. Es han- plätze ihre staatliche Souveränität gezielt change Agreements, TIEA) zwischen einzel- delt sich um die gemeinsame Konvention dazu missbrauchen, Unternehmen und ver- nen Ländern gemäß den Vorgaben der OECD von Europarat und OECD zur gegenseitigen mögenden Einzelpersonen ihre Dienste beim abgeschlossen. Die OECD hat zudem damit Amtshilfe in Steuerangelegenheiten. Die Unterlaufen nationaler Steuergesetze anzu- begonnen, die Einhaltung der Vorgaben zu Konvention wurde 1988 fertiggestellt, ist bis- bieten. Und diese werden aus Gründen der überprüfen. lang aber erst von 17 Staaten ratifiziert wor- Bereicherung oder auch des Konkurrenz- drucks ausgiebig davon Gebrauch machen. Foto: Gerd Altmann / pixelio.de Steuervermeidung, Steueroptimierung, Steu- erhinterziehung? Bei internationalen Trans- aktionen verschwimmen die Grenzen zwi- schen diesen Begriffen – und wirtschaftlich machen sie ohnehin keinen Unterschied. Das entscheidende Stichwort bei der Suche nach Lösungen lautet Transparenz. Wäre für die Steuerbehörden aller Länder, in denen ein Konzern Tochtergesellschaften unterhält, er- sichtlicht, welche Umsätze, Gewinne, Kosten und gegebenenfalls Verluste in welchen Län- dern aufgrund welcher Geschäftstätigkeiten entstehen, dann wäre der Zugang zu einer angemessenen Besteuerung eröffnet. Zwei Wege zu einer solchen verbesserten Transpa- renz bieten sich besonders an: internationale Abkommen zum Austausch von Informatio- nen zwischen Steuerbehörden sowie eine transparentere Rechnungslegung transnati- onaler Konzerne. Dossier | 11-2011
6 Steuergerechtigkeit Schattenfinanzindex FSI Das Tax Justice Network hat im Jahr 2009 erstmals einen Schattenfinan- zindex (Financial Secrecy Index FSI) veröffentlicht, in dem Länder in Hinblick auf ihren Beitrag zum globalen Schatten- finanzsystem bewertet werden. Grund- den. Deutschland hat 2008 unterschrieben lage für die Bewertung sind eine Analyse den Ländern, in denen sie Rohstoffe fördern. aber noch nicht ratifiziert. Das Abkommen der gesetzlichen Vorschriften sowie das Diese freiwillige Initiative erhält seit einein- kommt also nur mühsam voran. Gewicht des Landes im internationalen halb Jahren zusätzliche Unterstützung durch Markt für Finanzdienstleistungen. Die die Gesetzgebung in den Vereinigten Staaten, Außerdem, und hier liegt die zweite Be- aktuellen Ergebnisse des zweiten Schat- die – wiederum im Gefolge der Finanzkrise – schränkung, steht und fällt der Wert solcher tenfinanzindex wurden Anfang Oktober jetzt allen börsennotierten Unternehmen Abkommen mit der Stärke der Transparenz- 2011 veröffentlicht. Die zehn „Top-Po- aus dem Rohstoffsektor eine Rechnungsle- vorschriften. Hier setzt die OECD aber nach sitionen“ des Rankings (von insgesamt gung für alle einzelnen Länder und sogar ein- wie vor nur auf eine Kooperationspflicht bei 73 untersuchten Ländern und Gebieten) zelnen Projekte vorschreiben will. gezielten Nachfragen ausländischer Steuer- werden eingenommen von: behörden. Ein solcher Informationsaustausch Aufgrund des großen wirtschaftspolitischen setzt jedoch bereits genau das Wissen um 1. Schweiz Einflusses der USA wird inzwischen auch in problematische Finanztransaktionen voraus, 2. Kaiman-Inseln der Europäischen Union darüber debattiert, das Steueroasen mit ihrer Geheimhaltung ja 3. Luxemburg ob auch hier entsprechende Vorschriften ein- erfolgreich verhindern. 4. Hongkong geführt werden sollen. Mit den USA und der 5. USA EU im Rücken stünden die Chancen für einen Die Praxis hat in der Vergangenheit deutlich 6. Singapur weltweit geltenden Standard für länderbezo- gezeigt, dass eine solche Informationspflicht 7. Jersey gene Rechnungslegung – zunächst für den ein zahnloser Tiger ist. Notwendig wäre viel- 8. Japan extraktiven Sektor und vielleicht auch darü- mehr ein automatischer Austausch zumin- 9. Deutschland ber hinaus – nicht schlecht. Entsprechend dest einiger grundlegender Informationen, 10. Bahrain groß sind derzeit die Widerstände von Seiten beispielsweise über die Inhaber von Konten der Unternehmen. oder die wirtschaftlichen Eigentümer von Detaillierte Informationen unter www.financialsecrecyindex.com Treuhandgesellschaften. Dass ein solcher au- Würden diese Vorhaben tatsächlich vollstän- tomatischer Austausch funktioniert, zeigt dig umgesetzt, wäre nicht nur für die Steuer- übrigens die Zinssteuerrichtlinie in der Euro- einnahmen, sondern auch für die Bekämp- päischen Union. Die Mitgliedsländer der EU fung von Korruption und die Stärkung demo- (mit den bezeichnenden Ausnahmen von Lu- welche Steuern gezahlt hat, bleibt so im Dunk- kratischer Regierungsführung in Entwick- xemburg und Österreich) geben ohne Auffor- len. Transparenz in dieses Dunkel zu bringen lungsländern viel gewonnen. Trotz aller derung Informationen über die Inhaber fest- aber ist die Voraussetzung, um die Konstruk- Komplexität des Steuerthemas: Eigentlich ist verzinslicher Vermögenswerte an deren Her- tionen und internationalen Transaktionen die Sache ganz einfach. Wirksame und ver- kunftsländer zum Zweck der Besteuerung aufzudecken, die zum Zweck der Steuerver- bindliche globale Vorschriften für Transpa- weiter. Dieses System hat sich bewährt und meidung benutzt werden. Und ein entschei- renz wie der beschriebene automatische In- könnte als Grundlage für ein internationales dender Schritt dazu wäre die verpflichtende formationsaustausch und die länderbezoge- Verfahren des automatischen Informations- Offenlegung der relevanten Angaben für je- ne Rechnungslegung können einen wichti- austauschs dienen. des Land, in dem der Konzern tätig ist. gen Beitrag leisten, um den Milliarden in Armut lebender Menschen in Entwicklungs- | Länderbezogene Rechnungslegung Erste Schritte in diese Richtung gibt es inzwi- ländern die Teilhabe an den Ressourcen ihrer Die zweite große Baustelle zur Verbesserung schen im Bereich der so genannten extrakti- Länder für eine eigenständige Entwicklung von Transparenz sind die Vorschriften zur ven Industrien, der Förderung von Rohstoffen und ein Leben in Würde zu ermöglichen. | | Rechnungslegung von Unternehmen. Es ist wie Öl, Erdgas oder Mineralien. Das ist kein erstaunlich, aber bis heute müssen internati- Zufall. Denn dieser Sektor ist für die Industrie onale Konzerne die wichtigsten Kennzahlen länder von existenzieller Bedeutung – und Georg Stoll in ihren Jahresabschlüssen nur in zusammen- zugleich wie kaum ein anderer von Korrupti- ist Referent für Entwick- gefasster Form vorlegen. Ob sie darüber hin- on und gewaltsamen Konflikten überschat- lungspolitik und vertritt aus Zahlen zu einzelnen Regionen ihrer Ge- tet. 2005 hatten deshalb die G8-Staaten die Misereor im Netzwerk schäftstätigkeit veröffentlichen, ist ihnen drei Jahre zuvor gegründete Initiative zu Steuergerechtigkeit, dem überlassen. In welchen Ländern der Konzern mehr Transparenz im extraktiven Sektor (Ex- deutschen Zweig des Tax mit seinen oft in die Hunderte gehenden tractive Industries Transparency Initiative Justice Network. Tochtergesellschaften welche Umsätze und EITI) auf ihrem Gipfel in London nachdrück- Gewinne erzielt, welche Verluste erlitten und lich unterstützt. Wesentlicher Kernbestand der Initiative ist die Offenlegung aller Zah- lungen von Unternehmen an Regierungen in 11-2011 | Dossier
Steuergerechtigkeit 7 „Wirkliche Fortschritte zeichnen sich nur langsam ab“ Interview mit John Christensen, Direktor des Internationalen Sekretariats des Tax Justice Network Herr Christensen, worum geht es eigentlich bei rungen zum Austausch von Steuerinforma- Foto: Tax Justice Network der Frage internationaler Steuergerechtigkeit? tionen. Auch Offenlegungspflichten zu Eigen- tumsverhältnissen gehören hierher, um zu Die Liberalisierung der Finanzmärkte hat verhindern, dass Personen in betrügerischer die Möglichkeiten für grenzüberschreitende Absicht ihre Identität hinter Strohfirmen Finanztransaktionen, die dem Buchstaben verbergen. und dem Geist nationaler Gesetze widerspre- chen, enorm ausgeweitet. Dasselbe gilt für Was sind die größten Probleme, mit denen Ent- die damit zusammenhängenden Phänomene wicklungsländer in diesem Zusammenhang zu der Steuerflucht und der Verlagerung von kämpfen haben? Unternehmensgewinnen in Steueroasen. Die- sen Plagen lässt sich nur mit einer stärkeren Entwicklungsländer sind in mehrfacher internationalen Zusammenarbeit begegnen. Hinsicht verwundbar. So sind Exportländer Jeder Fortschritt in diese Richtung trifft von Öl, Gas und mineralischen Rohstoffen in John Christensen ist Direktor des Internationa len Sekretariats des Tax Justice Network. Nach Foto: Up Your Ego (Ryan Morrison) einem Wirtschaftsstudium mit Schwerpunkt auf Welthandel und Investment untersuchte er die Praxis von Steueroasen. Er war elf Jahre als Wirt schaftsberater der Regierung von Jersey tätig, einer der wichtigsten britischen Steueroasen. Steuervermeidungsstrategien, die mit Hilfe von Steueroasen umgesetzt werden. Und schließlich machen in vielen Ländern auch die so genannten einheimischen Eliten intensiven Gebrauch von Steueroasen, was neben den direkten Verlusten an Steuerein- nahmen häufig dazu führt, dass Regierungen progressive Steuern wie die Einkommens- steuer durch degressive indirekte Steuern wie die Mehrwertsteuer ersetzen. Viele Entwicklungsländer erzielen deshalb keine ausreichenden eigenen Einnahmen, mit denen sie ihren Bedarf an Geld zur Entwicklungsfinanzierung decken könnten. allerdings auf den Widerstand mächtiger Lob- Zivilgesellschaftliche Gruppen zogen im März Stattdessen greifen sie auf Entwicklungshilfe bygruppen einschließlich der großen Schat- 2009 im Steuerparadies Jersey von Bank zu Bank. und Auslandskredite zurück, mit all den da- tenfinanzplätze, die beispielsweise Versuche Sie protestierten gegen Steuerungerechtigkeit. mit verbundenen Abhängigkeiten und Prob- blockieren, den Informationsaustausch unter lemen, oder verschärfen die Steuerbelastung Steuerbehörden oder die Transparenz inter- für die unteren und mittleren Einkommens- national tätiger Unternehmen zu verbessern. besonderem Maß von illegaler Kapitalflucht gruppen – mit schädlichen Auswirkungen betroffen, die im Schutz komplexer Schat- auf Armutsbekämpfung und Entwicklung. Auf der anderen Seite bemühen sich die tenfinanzstrukturen geschieht. Ein zweiter Was die Sache noch schlimmer macht, ist die Befürworter von Steuergerechtigkeit darum, wichtiger Punkt ist die Abhängigkeit von Tatsache, dass die internationalen Regeln auf Unterstützung für international wirksame ausländischem Kapital, die viele Entwick- diesem Gebiet von den reichen Mitgliedslän- Maßnahmen zu mobilisieren. Dazu zählen lungsländer unter Druck setzt, mit Steueran- dern der OECD (Organisation für wirtschaft- Rechnungslegungsstandards für multinatio- reizen dieses Kapital in ihre Länder zu locken. liche Zusammenarbeit und Entwicklung) nale Konzerne, wonach diese Informationen Zugleich sind sie häufig Opfer aggressiver bestimmt werden und weder die Bedürfnisse für jedes Land angeben müssen, in dem sie noch die Wünsche der Entwicklungsländer tätig sind, ebenso wie multilaterale Vereinba- berücksichtigen. Dossier | 11-2011
8 Steuergerechtigkeit Der Kontrast zwischen Arm und Reich in Lateinamerika ist groß, nicht zuletzt aufgrund der Steuerungerechtigkeit. Die Collage unten zeigt den sozialen Gegensatz. Mit welchen Mitteln ließen sich diese Defizite | Carlos Bedoya, Latindadd Foto: Latindadd beheben? Wie ausgewogen ein Steuersystem ist, Die technischen Lösungen für diese Pro- zeigt sich daran, wer die größten Lasten bleme sind gar nicht so kompliziert. Mit einem automatischen Austausch von trägt. Die lateinamerikanischen Staaten Steuerinformationen zwischen nationalen erzielen geringe Steuereinnahmen und Behörden beispielsweise wäre bereits sehr zugleich ist der Beitrag derer, die we viel im Kampf gegen grenzüberschreitende nig haben, überproportional hoch. Den Steuerflucht gewonnen. Ähnliches gilt für Auslandsguthaben korrupter Machthaber Nutzen haben vor allem Wohlhabende und Korruption allgemein: Hier wäre eine und multinationale Unternehmen. Ein systematische Offenlegung der tatsächlichen geradezu dramatischer Fall ist Peru. Eigentumsverhältnisse von Unternehmen, Stiftungen, Treuhandgesellschaften und Fonds im Rahmen der Maßnahmen ge- Lateinamerika ist die Region mit der größten gen Geldwäsche sehr hilfreich. Die bereits Ungleichheit weltweit. Etliche Regierungen – erwähnte Rechnungslegung Land für Land etwa die von Bolivien und Ecuador – haben würde es den Steuerbehörden erheblich zwar einen Wandel in ihrem Verhältnis zum leichter machen, Unternehmen zu identifi- Großkapital eingeleitet, um die Steuerein- zieren, die für ihre aggressiven Steuervermei- nahmen zu steigern und die Qualitätsverbes- dungsstrategien Geschäfte über Schattenfi- serung der öffentlichen Dienstleistungen nanzplätze abwickeln. auszuweiten und zu finanzieren. Dennoch erzielt die große Mehrheit der Bevölkerung Bedauerlicherweise bremst der schwache ein erheblich geringeres Einkommen als die politische Wille der meisten Regierungen oberste Schicht der Gesellschaft. Nach Be- Fortschritte bei der Umsetzung solcher rechnungen des zivilgesellschaftlichen Netz- Lösungen. An dieser Stelle kommen das Tax werks Latindadd beläuft sich der Anteil der Justice Network und seine Verbündeten ins ärmsten 20 Prozent in Lateinamerika am Ge- Spiel. Wir tun zwei Dinge: Wir unterstützen samteinkommen auf 3,5 Prozent, während Europa ist der Anteil doppelt so hoch – und Forschungs- und politische Lobbyarbeit das reichste Fünftel 56,9 Prozent verein- damit auch die Mittel, die zur sozialen Um- innerhalb der internationalen Organisatio- nahmt. verteilung zur Verfügung stehen. nen, die im Bereich internationaler Steuer- fragen den Ton angeben, wie zum Beispiel Dabei ist die Steuerpolitik eigentlich ein | Im Interesse der Reichen die OECD, die Europäische Union oder die machtvolles Instrument zur Reduzierung von und der großen Unternehmen Financial Action Task Force, die die internati- Ungleichheiten. Das Geheimnis liegt darin, Die Staaten in Lateinamerika bevorzugen in- onale Arbeit gegen Geldwäsche koordiniert. diejenigen, die mehr Einkommen erzielen direkte Verbrauchssteuern gegenüber direk- Parallel dazu bauen wir weltweit politischen oder mehr Vermögen haben, stärker zu belas- ten Einkommens- und Vermögenssteuern, da Druck von der Basis her auf. Seit unserem ten, und damit den Umfang und die Qualität sie leichter zu erheben sind. So sparen sich Start als Netzwerk im Jahr 2003 haben wir der Dienstleistungen des Staates zu verbes- die Regierungen die Kosten der Steuerprü- inzwischen aktive Mitglieder in mehr als sern, die der gesamten Bevölkerung zugute fung, die bei Steuern auf die Gewinne der 70 Ländern auf allen sechs Kontinenten. Bei kommen, insbesondere aber den sozial großen Unternehmen und Investoren anfal- der Aufgabe, die Probleme internationaler Schwächeren. len. Die direkten Steuern erreichen kaum 17 Steuergerechtigkeit auf die Tagesordnung zu Prozent der gesamten Staatseinnahmen in setzen, haben wir wahrscheinlich inzwi- Während jedoch in Europa dieses Instrument Lateinamerika. Die indirekten Steuern hinge- schen die Trendwende geschafft. Wirkliche wirkungsvoll eingesetzt wird, ist eine ent- gen, die wir alle zahlen, wenn wir beispiels- Fortschritte aber zeichnen sich nur langsam sprechende Debatte in unserem Teil der Welt weise etwas kaufen, machen 40 Prozent der ab. Der Widerstand ist enorm. | | noch nicht angekommen. In Lateinamerika Einnahmen aus. Die Bürger mit niedrigen liegt die Steuerquote (der Anteil der erhobe- und mittleren Einkommen werden damit Interview und Übersetzung aus dem Englischen: nen Steuern am Bruttoinlandsprodukt) un- steuerlich weitaus stärker belastet als die mit Georg Stoll. gefähr bei 20 Prozent: Von 100 Dollar, die in hohen Einkommen. Die Steuerpolitik in un- unserer Region erwirtschaftet werden, gehen also lediglich 20 Dollar in die Steuerkasse. In 11-2011 | Dossier
Steuergerechtigkeit 9 Bettler auf einer Bank aus Gold Steuerungerechtigkeit in Lateinamerika Verluste, wo sie hoch sind. So tricksen Unter- nehmen die Steuersysteme aus, um sich wei- ter die Taschen zu füllen. Ein erheblicher Teil des Welthandels findet heute zwischen Unternehmen statt, die zu multinationalen Konzernen gehören. Wenn eine solche Firmengruppe die einzelnen Un- ternehmen in ihren kommerziellen Aktivitä- ten in verschiedenen Ländern kontrolliert, ist es ein Leichtes für sie, Steuerzahlungen aus- zuweichen, ohne dass die betroffenen Staa- ten etwas dagegen tun können. Aus diesem Grund besteht eine enge Verbindung zwi- schen der Manipulation von Verrechnungs- preisen und dem Verlust von Steuereinkünf- ten in Entwicklungsländern. Die britische nichtstaatliche Organisation Christian Aid schätzt, dass die Entwicklungs- länder jedes Jahr ungefähr 160 Milliarden US-Dollar durch solche Machenschaften ver- lieren. Für Lateinamerika allein beträgt der Verlust ungefähr 50 Milliarden. Aus dieser Si- tuation herauszukommen, ist nicht einfach. Die multinationalen Unternehmen müssten zuverlässige Informationen zu all ihren Ope- rationen liefern. Das aber würde ein interna- tionales System für Steuerangelegenheiten serer Region wirkt insgesamt im Interesse Die großen Unternehmen kennen die Kunst- und globale Normen der Rechnungslegung der Reichen und nicht im Interesse der Ar- griffe, mit denen sie sich davor drücken kön- erfordern, die gewährleisten, dass die kom- men. Oder, in der Fachterminologie gespro- nen, das zu zahlen, was sie eigentlich zahlen merziellen Operationen der großen Player chen: Sie ist degressiv und nicht progressiv. sollten. Diese so genannte Steuerplanung er- korrekt und in ihrem gesamten Umfang wie- Hier liegt eine der Ursachen für die große Un- fordert die Mithilfe von hochqualifizierten dergegeben werden. Mit anderen Worten: Er- gleichheit, in der wir leben. Juristen. Sie verfügen über Spezialkenntnisse, forderlich ist globaler politischer Wille. welche steuerrechtlichen Vorschriften in den Ebenso wie Reiche werden Unternehmen jeweiligen Ländern gelten – und wie man sie Das System der konzerninternen Verrech- von den Steuersystemen in Lateinamerika am besten in betrügerischer Absicht miss- nungspreise ist nicht zu verstehen ohne die begünstigt. Die Ideologie, wonach „Investitio- braucht. So vermeiden die multinationalen Existenz von Steueroasen. Weltweit gibt es nen und Export“ den einzigen Weg der Ent- Konzerne die Bezahlung festgesetzter Steu- mehr als 70 Länder und Gebiete, deren Steu- wicklung darstellen, verschafft sich ihre Gel- ern. Aber das ist noch nicht alles: Sie manipu- ergeheimnis es den großen Fischen erlaubt, tung auch, wenn es um Steuereinnahmen lieren auch die so genannten konzerninter- sich vor den Kontrollversuchen jeder beliebi- geht. In dieser Logik können transnationale nen Verrechnungspreise, zu denen ihre Toch- gen staatlichen Autorität zu verbergen. Eine Unternehmen zahlreiche Möglichkeiten tergesellschaften mit Sitz in unterschiedli- Steueroase ist mithin nicht nur ein Ort, an wahrnehmen, angefangen bei Verträgen, in chen Ländern Geschäfte untereinander dem die Besteuerung sehr gering oder ganz denen günstige Steuersätze festgeschrieben abwickeln. Mithilfe dieses Mechanismus ausfällt, sondern an dem natürliche und ju- werden, bis hin zu Mechanismen der Steuer- können die Unternehmen auf verdeckte Art ristische Personen in den Genuss eines strik- vermeidung unter Inanspruchnahme so ge- und Weise ihre steuerbaren Gewinne ver- ten Bankgeheimnisses kommen, das sogar nannter Steueroasen. schieben, indem sie konzerninterne Käufe verfassungsmäßig geschützt ist. Außerdem und Verkäufe von Waren und Dienstleistun- dienen diese so genannten Paradiese, die ei- gen zu irrealen Preisen durchführen oder fik- gentlich mit den Worten des Gründungsdi- tive Geschäfte vortäuschen. Gewinne fallen dann dort an, wo die Steuern niedrig, und Dossier | 11-2011
10 Foto: Chris Sigrist / pixelio.de Steuergerechtigkeit Foto: Gandi / pixelio.de Fotos oben: Marktszenen in Peru. Doch die niedrige Steuerquote ist nicht das liert hat. Denn die Minengesellschaften, die Die Verbraucher, darunter die Käufer von einzige Problem im peruanischen Steuersys- inzwischen fest mit diesen Vorteilen rechnen, Lebensmitteln und anderen Dingen des tem. So konzentrieren sich die Steuereinnah- zahlen keine Konzessionsabgaben und auch täglichen Bedarfs, zahlen die meisten Steuern. men auf die Zentralregierung, während die keine Steuern auf ihre Dividendenausschüt- lokale und regionale Ebene nur einen gerin- tungen, geschweige denn, dass sie von einer gen Anteil haben. Außerdem folgt auch Peru Steuer auf die enormen Überschüsse aus dem rektors der argentinischen Stiftung für Nach- dem allgemeinen Trend in Lateinamerika: Rohstoffboom betroffen wären. Hinzu kommt haltigkeit, Bildung und Solidarität, Professor Die Hauptlast liegt auf den indirekten Steu- die bereits erwähnte Steuervermeidung Alberto Croce, eher als Kloaken bezeichnet ern. Entsprechend minimal ist der Beitrag, transnational operierender Unternehmen. werden müssten, dazu, Verluste von Banken den das Steuersystem zur Reduzierung der Für Peru gehen aktuelle Schätzungen der Or- und großen Unternehmen hinter märchen- Ungleichheit leistet. Ein armer Schlucker, der ganisation Global Financial Integrity dabei haften Fassaden angeblich hochrentabler In- unter der Brücke lebt, zahlt beim Kauf von von Verlusten in Höhe von 275 Millionen US- vestitionen zu verbergen. Das hat die globale Kerzen und Streichhölzern einen Steuerauf- Dollar im Jahr aus. Finanzkrise deutlich gemacht. Einige dieser schlag von 19 Prozent, während der Anleger Steueroasen befinden sich auch in Latein- von seinen Börsengewinnen lediglich 5 Pro- Eine solche Situation ruft geradezu nach ei- amerika, doch die effizientesten unter ihnen zent an Steuern abführen muss. Und auch ner Steuerreform, bei der nicht nur die Kapi- sind in den Vereinigten Staaten und in Euro- wenn es wie ein schlechter Scherz klingt: Die taleinkommen und die extrem hohen Ver- pa zu finden. einflussreichen Lobbygruppen fahren fort, mögenswerte steuerlich erfasst, sondern mit Druck auf die Regierung auszuüben, um wei- deren Hilfe auch die Steuerabkommen mit | Fallbeispiel Peru tere Steuererleichterungen zu erreichen. den Minengesellschaften neu verhandelt Trotz des wirtschaftlichen Wachstums in den Dazu zählen etwa Steuerbefreiungen von Le- werden. Solange in dieser Richtung keine vergangenen Jahren und der Tatsache, dass bensversicherungen oder von Zinsgewinnen Fortschritte erzielt werden, werden wir wei- Peru bereits seit geraumer Zeit zu den Län- aus hohen Bankguthaben. Allein für das Jahr ter unter dem Fluch leben, den jeder Peruaner dern mit mittlerem Einkommen zählt, ent- 2009 bezifferte das Wirtschafts- und Finanz- unter dem bekannten Ausspruch kennt: Peru sprechen seine Steuereinnahmen nur denen ministerium die Mindereinnahmen auf- ist ein Bettler, der auf einer Bank aus Gold eines Landes mit niedrigen Einkommen. Von grund von Steuererleichterungen auf 7,4 Mil- sitzt. | | 100 Soles, die in Peru erwirtschaftet werden, liarden Soles (rund 2,5 Milliarden US-Dollar). gingen im Jahr 2010 lediglich 14,9 Soles als Dieser Beitrag ist im Januar 2011 in der Zeitung La Steuern an den Staat. Damit liegt Peru noch Eng verwandt mit diesen Steuerausnahmen Primera erschienen. unter dem lateinamerikanischen Durch- sind Sonderregelungen wie die Steuerstabili- Übersetzung aus dem Spanischen: Georg Stoll. schnitt. Das langfristige Bild sieht sogar noch tätsabkommen, die zwischen dem Staat und schlechter aus, da die Steuerquote erst in den Auslandsinvestoren geschlossen werden. Der vergangenen Jahren etwas angestiegen ist – Beginn dieser Abkommen, die den ausländi- Carlos Alonso Bedoya, allerdings nicht aufgrund politischer Ent- schen Unternehmen vor allem aus dem Mi- Jurist und Mitarbeiter der scheidungen, sondern weil die Einnahmen nensektor günstige Steuersätze auf lange Zeit Tageszeitung „La Primera“ aus Rohstoffexporten mit dem Anstieg der garantieren, datiert in die Regierungszeit von (Lima), berät das Netzwerk Weltmarktpreise zugenommen haben. Wenn Alberto Fujimori zurück, der heute wegen für Entschuldung und Men- die Weltmarktpreise wieder sinken, sinken Mord und Korruption unter Anklage steht. schenrechte, „Latindadd“ auch die Exporteinnahmen und die daraus Das eigentliche Problem ist nicht die Festset- (www.latindadd.org). generierten Steuereinnahmen wieder. zung eines stabilen Steuersatzes, sondern die Praxis, die sich durch diese Abkommen etab- 11-2011 | Dossier
Steuergerechtigkeit 11 Die ausländische Brauerei und die einheimische Bierverkäuferin Ein Beispiel aus Ghana | Georg Stoll Marta Luttgrodt hat einen kleinen Lebens- Wer keine Steuermarken vorweisen kann, mittelladen in Accra, der Hauptstadt von dessen Laden wird geschlossen. SABMiller ist weltweit der zweitgrößte Ghana. Hier verkauft sie auch Bier. Die Fla- Brauereikonzern. Das Unternehmen mit sche der Marke Club kostet umgerechnet ei- Die Steuern von Marta sind nicht hoch, ihr nen Euro. Das ist ein kleiner Luxus, auch für Einkommen ist es allerdings auch nicht. Vor Sitz in London, das im Jahr Gewinne von Marta. Mit ihrem Laden erwirtschaftet sie ei- allem aber: Marta zahlt mehr Steuern als die gut zwei Milliarden Euro erzielt, ist in nen Gewinn von rund 250 Euro im Monat. Brauerei, von der sie ihr Bier bezieht. Die Ac- über 75 Ländern mit Brauereien vertre Dafür arbeitet die Kleinstunternehmerin mit cra Brewery, die in Sichtweite ihres Ladens ihren drei Mitarbeitern von morgens halb liegt, ist mit einer Jahresproduktion von Bier ten. In Ghana allerdings schreibt seine sieben bis abends um acht, sieben Tage die im Wert von umgerechnet 35 Millionen Euro Tochtergesellschaft, die Accra Brewery, Woche. Als Nachweis dafür, dass sie ord- die Nummer Zwei unter den Bierproduzen- Verluste. Und das, obgleich der Bier nungsgemäß ihre Steuern gezahlt hat, kauft ten in Ghana, mit steigender Tendenz. Das verkauf in dem westafrikanischen Land sie Steuermarken: 12,50 Euro im Jahr für die Geschäft läuft gut. Und dennoch: In den ver- Kommune Accra und zehn Euro im Viertel- gangenen beiden Jahren hat die Brauerei offi- floriert. Die britische Hilfsorganisation jahr für das staatliche Finanzamt von Ghana. ziell Verluste geschrieben – und deshalb auch Action Aid hat den Fall recherchiert. Mit den Steuermarken versucht die Regie- keine Steuern gezahlt. Das Unternehmen ge- rung von Ghana, informelle Kleinhändler hört SABMiller, dem zweitgrößten Bierkon- wie Marta Luttgrodt steuerlich zu erfassen. zern weltweit, mit mehr als 200 Marken, wie Foto: Jane Hahn / ActionAid Marta Luttgrodt in ihrem kleinen Lebensmittelladen in Accra, Ghana. Im Angebot hat sie auch Bier der Accra Brewery. Dossier | 11-2011
12 Steuergerechtigkeit Die Niederlassung von SABMiller in Rotterdam. Geschäftsmodell mit extrem niedrigen Steu- stehen weitere Kosten, die den Gewinn in Foto: JBas Bijlsma / ActionAid ersätzen. In Deutschland ist dieses Steuer- Ghana und somit die Steuern reduzieren. Bei sparmodell insbesondere durch die Möbelfir- einem Steuersatz von 25 Prozent in Ghana ma IKEA bekannt geworden (siehe auch den lohnt sich dieser virtuelle Umweg über ein Beitrag von Astrid Kraus in diesem Heft). Ac- paar Tausend Kilometer für den Gesamtkon- tion Aid schätzt, dass SABMiller auf diese zern. Weise rund 49 Millionen Euro aus seinen afri- kanischen Unternehmen in die Niederlande 4. Schulden innerhalb der Familie verlagert – mit geschätzten Steuerverlusten Bei demselben Unternehmen Mubex, von von über 11 Millionen Euro. dem Accra Brewery Rohstoffe „bezieht“, hat die ghanaische Firma auch ein Darlehen auf- 2. „Managementgebühren“ genommen. Der Kredit beträgt das Siebenfa- in die Schweiz che des Eigenkapitals – ein Betrag, den Accra Ein weiterer Weg der Gewinnverlagerung Brewery wohl von keiner Bank erhalten wür- sind die so genannten Managementgebüh- de. Doch unter Töchtern derselben Familie ren. Entsprechende Verträge regeln die Ab- hilft man sich aus, gegen Zinsen selbstver- führung dieser Gebühren von Tochterunter- ständlich. Die vermindern die Steuerschuld nehmen in Produktionsstandorten an andere des Bierbrauers in Ghana noch einmal um SABMiller-Töchter in Schattenfinanzplätzen, 87.000 Euro im Jahr, schätzt Action Aid. Diese allen voran der Schweiz. Der Vertrag für Ac- geschickt konstruierten Kosten und Gebüh- zum Beispiel Grolsch, Peroni, Castle, Club oder cra Brewery in Ghana legt eine pauschale Ge- ren summieren sich zu einem Betrag, der die Pilsner Urquell. Der Konzern macht einen Ge- bühr von 4,6 Prozent der Einnahmen fest. Gewinne von Accra Brewery übersteigt. Des- winn von gut zwei Milliarden Euro im Jahr. Welche „Management“-Leistungen im Ein- halb muss das Unternehmen keine Steuern zelnen damit bezahlt werden, bleibt im Dun- zahlen. Die britische Organisation Action Aid hat die- keln. In der Steuerbehörde von Ghana kennt sen eigenartigen Widerspruch, dass die Brau- man das Problem, fühlt sich aber hilflos: „Wir Accra Brewery und SABMiller sind kein Ein- erei Verluste schreibt, der Bierkonzern, dem wissen, dass Managementgebühren in gro- zelfall, sondern eher die Regel. Nach Berech- sie gehört, jedoch große Gewinne erzielt, nä- ßem Umfang zur Steuervermeidung verwen- nungen von Simon Pak, einem Fachmann für her untersucht. Ihr Ergebnis: SABMiller nutzt det werden; hauptsächlich deswegen, weil konzerninterne Verrechnungspreise und Pro- verschiedene Techniken, um Gewinne aus ih- der Nachweis, dass sie unangemessen sind, fessor für Finanzwesen an der Penn State ren Tochtergesellschaften in Ghana und an- schwierig ist“, teilte der Direktor der Ghana University in den USA, entgingen dem gha- deren Entwicklungsländern über Steueroa- Revenue Authority, der ghanaischen Steuer- naischen Staat durch solche Strategien inter- sen abzuziehen. behörde, Action Aid mit. Die Organisation nationaler Unternehmen allein zwischen geht davon aus, dass den Tochterunterneh- 2005 und 2007 schätzungsweise 30,7 bis 51,4 1. Markenverwaltung in den men von SABMiller in Afrika und Indien auf Millionen US-Dollar an Steuereinnahmen Niederlanden diese Weise zusammen 54 Millionen Euro pro Jahr. Angesichts von einem knappen Zahlreiche der Biermarken, die von SABMil- entzogen werden, mit geschätzten Steuerver- Drittel der Bevölkerung, das unter der natio- ler-Töchtern in Ländern wie Ghana produ- lusten von 11 Millionen Euro. nalen Armutsgrenze lebt, könnte Ghana die- ziert und verkauft werden, gehören nicht die- ses Geld für die eigene Entwicklung dringend sen Tochtergesellschaften, sondern einem 3. Umweg über Mauritius gebrauchen. | | SABMiller-Unternehmen in den Niederlan- Accra Brewery bezieht Rohstoffe für die Bier- den. Für die Nutzung der Markenrechte zah- produktion aus Südafrika. Doch während die Das Fallbeispiel wurde in den vergangenen beiden len Tochterunternehmen wie Accra Brewery Waren selbst per Schiff den Seeweg nehmen, Jahren von der britischen nichtstaatlichen Organisa- Gebühren an dieses Unternehmen. Das Er- ist ihr Weg auf dem Papier komplizierter. Der tion Action Aid recherchiert (Hintergründe und die gebnis: In Ghana und anderen Produktions Bierbrauer in Ghana bezieht die Rohstoffe vollständige Studie auf Englisch unter: www.actio- standorten wirken diese Gebühren steuer- nämlich nicht direkt aus Südafrika, sondern naid.org.uk/schtop). Ergänzende Informationen zu mindernd. In den Niederlanden hingegen, über ein weiteres SABMiller-Tochterunter- Ghana sind dem Report „UmSteuern“ entnommen wo die Gebühren als Einnahmen steuer- nehmen in Mauritius – also in genau der ent- (Bezugsquelle siehe Seite 23 in diesem Dossier). pflichtig sind, fallen kaum Steuern an. Denn gegengesetzten Richtung der Schiffsroute. die niederländische Regierung fördert dieses Mubex, das Unternehmen in Mauritius, er- Zusammenstellung der Informationen und Überset- zielt bei dieser Transaktion einen Gewinn, zung aus dem Englischen von Georg Stoll. den es mit nur drei Prozent auf der Insel ver- steuern muss. Accra Brewery hingegen ent- 11-2011 | Dossier
Steuergerechtigkeit 13 Dokumentation Erklärung von Nairobi zu Steuern und Entwicklung Foto: picture-alliance / TPH Bildagentur / Spectrum Im März 2010 trafen Delegierte von 1. Steuerreformen 2. Einnahmen aus dem Abbau wissenschaftlichen Einrichtungen und auf inländischer Ebene natürlicher Rohstoffe zivilgesellschaftlichen Gruppen aus 17 Mit Blick auf die Bedeutung von Steuer- Mit Blick auf die Bedeutung starker Ländern in Nairobi zu einer panafrikani ehrlichkeit sowie Rechenschaftspflicht Regierungsführung, damit afrikanische schen Konferenz über Steuern und für die Einnahmen und Ausgaben aus Regierungen Vorteile aus dem Abbau Entwicklung zusammen. Zum Abschluss Steuern natürlicher Rohstoffe ziehen, wurde eine Erklärung veröffentlicht, die wir im Folgenden dokumentieren. • Rufen wir die afrikanischen Regie- •S tellen wir eine Asymmetrie in der rungen auf, sich zu vollständiger Verteilung von Macht und Information Wir, die unterzeichnenden Organisa- Transparenz bei Steuereinnahmen und bei Vertragsverhandlungen zwischen tionen und Netzwerke, haben uns auf Steuerausgaben zu verpflichten; afrikanischen Regierungen einerseits der Panafrikanischen Konferenz zu und multinationalen Unternehmen Steuern und Entwicklung am 25./26. • Rufen wir die afrikanischen Regierun- andererseits fest sowie einen Kapazi- März 2010 in Nairobi ausführlich über gen auf, Steuerausnahmen für multi- tätsmangel bei der Festsetzung ange- Forschungsergebnisse zu den Problemen nationale Unternehmen und wohlha- messener Preise; ausgetauscht, mit denen die Länder in bende Einzelpersonen und Gruppen zu Subsahara-Afrika konfrontiert sind. beseitigen; •H interfragen wir den Mangel an Transparenz bei Verträgen mit Minen- In den nicht hinzunehmenden inländi- • Rufen wir die Steuerbehörden auf, das gesellschaften in ganz Afrika, der das schen und internationalen Hindernissen Steuerrecht zu vereinfachen und die Gefahrenpotenzial für Bestechung und für eine wirksame Besteuerung im Inter- bürokratische Last zur Erfüllung des Korruption vergrößert und die Rechen- esse von Entwicklung erkennen wir eine Steuerrechts insbesondere für kleine schaftspflicht unterläuft; gemeinsame Bedrohung für politischen Unternehmen zu reduzieren; Fortschritt, nachhaltige wirtschaftliche •R ufen wir afrikanische Regierungen Entwicklung und Armutsbekämpfung. • Rufen wir Forschungsinstitute im dazu auf, Rohstoffreserven einer Prü- Bereich des Steuerrechts dazu auf, die fung zu unterziehen, bevor sie Verträge Wir bekräftigen, dass eine wirksame und Machbarkeit von Grundsteuern in mit Minengesellschaften unterzeich- gerechte Besteuerung für die Unabhän- städtischen Regionen zur Finanzierung nen; gigkeit afrikanischer Staaten und für lokaler Infrastruktur sowie die Vor- und die Stärkung politischer Vertretung und Nachtteile von Export-Sonderwirt- •R ufen wir afrikanische Regierungen Regierungsrechenschaft von entschei- schaftszonen für afrikanische Länder auf, die Rechtsmittel in Bezug auf Ver- dender Bedeutung ist. zu untersuchen; träge zu stärken, etwa in Hinblick auf eine Begrenzung der Vertragslaufzeiten Wir bekennen uns zur Zusammenarbeit • Stimmen wir darin überein, mit der oder in Hinblick auf das Aussetzen von für Steuerreformen auf inländischer und Zivilgesellschaft bei der Förderung von Steuerstabilitätsvereinbarungen, die internationaler Ebene sowie im Bereich Steuerehrlichkeit und Bewusstseins- künftige Regierungen daran hindern, der Einnahmen aus dem Abbau natürli- bildung von Steuerzahlern zusammen- vertragliche Vereinbarungen neu zu cher Rohstoffe. zuarbeiten und rufen andere zivilge- verhandeln; sellschaftliche Organisationen auf, sich daran zu beteiligen; •R ufen wir regionale Einrichtungen in Afrika auf, die Möglichkeiten regionaler • Verpflichten wir uns zu Forschung Koordination und Harmonisierung der und politischer Arbeit zu den Auswir- Steuerregime sowie des Informations- kungen der Steuerpolitik auf Männer, austauschs zu erkunden, um schädli- Frauen und besonders verwundbare chem Steuerwettbewerb im Minensek- Gruppen. tor zu begegnen; Dossier | 11-2011
14 Foto: DigiPyramid / pixelio.de Steuergerechtigkeit • Rufen wir regionale Einrichtungen in • Erkennen wir die Notwendigkeit von Richtung auf ein multilaterales Abkom- Afrika auf, sich zu Süd-Süd-Lernprozes- Politikkohärenz bei den Gebern von men zum automatischen Austausch sen erfolgreicher Steuerpraktiken im Entwicklungshilfe, um politische Maß- von Steuerinformationen zwischen Minensektor zu verpflichten; nahmen auf nationaler und interna- Jurisdiktionen, insbesondere Entwick- tionaler Ebene gegen internationale lungsländern, zu unternehmen; • Rufen wir afrikanische Regierungen Steuervermeidung zu ergreifen; zur Unterzeichnung und Ratifizierung •R ufen wir regionale und kontinentale der Extractive Industries Transparency • Bekräftigen wir die Notwendigkeit Institutionen in Afrika auf, wirksa- Initiative (EITI) und der Antikorrupti- internationaler und regionaler Steu- me multilaterale Programme zum onskonvention der Vereinten Nationen erkooperation, um gegen schädlichen Austausch von Steuerinformationen auf; Steuerwettbewerb vorzugehen und ins Leben zu rufen, um Steuerflucht zu Steuerschlupflöcher zu schließen; bekämpfen; • Rufen wir die Geber von Entwick- lungshilfe auf, die Kapazitäten der • Stellen wir die weithin vertretene •R ufen wir afrikanische Regierungen Zivilgesellschaft zur Überwachung der Auffassung in Frage, dass niedrige Steu- auf, die gesetzlichen Grundlagen zu Aktivitäten von Minengesellschaften ersätze wirtschaftliches Wachstum und schaffen, um Steuerflucht als Vortat zur auszubauen; Entwicklung anregen; Geldwäsche zu erfassen; • Bekräftigen wir, dass in Fällen, in • Rufen wir die Vereinten Nationen, •R ufen wir die Geber von Entwicklungs- denen keine Aussicht auf faire Verträge den Internationalen Währungsfonds, hilfe auf, in die Kapazitätsentwicklung besteht, Rohstoffe besser für einen die Weltbank und die OECD auf, die von Steuerbehörden zu investieren und späteren Abbau durch künftige Genera- Zivilgesellschaft an internationalen technische Expertise für die Überwa- tionen im Grund und Boden verbleiben politischen Prozessen gegen Steuer- chung großer Steuerschuldner zur sollten. schlupflöcher zu beteiligen; Verfügung zu stellen, insbesondere in Zusammenhang mit internen Verrech- • Rufen wir mit Blick auf die Not- nungspreisen grenzüberschreitender 3. Steuerreformen wendigkeit größerer Transparenz Unternehmen; auf internationaler Ebene multinationaler Unternehmen den Mit Blick auf die Schlupflöcher, die das Internationalen Ausschuss für Rech- •V erpflichten wir uns, die Auswirkun- Steuersubstrat afrikanischer Länder nungslegungsstandards IASB (Inter- gen bestehender Steuersysteme zu aushöhlen, national Accounting Standards Board) untersuchen und uns für Reformen auf auf, länderbezogene Rechnungslegung internationaler Ebene einzusetzen, um • Stellen wir fest, dass Entwicklungs- von zentralen Finanzkennzahlen für sicher zu stellen, dass die Steuerrechte länder höhere Verluste aufgrund von alle börsennotierte Unternehmen zu afrikanischer Länder nicht durch miss- internationaler Steuerflucht und verabschieden; bräuchliche internationale Steuerprak- Steuervermeidung erleiden, als sie an tiken ausgehöhlt werden. | | Entwicklungshilfe erhalten; • Rufen wir mit Blick auf die zersetzende Wirkung des Finanzgeheimnisses in Übersetzung aus dem Englischen: Georg Stoll. Schattenfinanzplätzen die G20 und die Vereinten Nationen auf, Fortschritte in 11-2011 | Dossier
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