Insekten schützen leicht gemacht! - Anleitung für Kommunen und Wildnisliebhaber - BROMMI

Die Seite wird erstellt Leonard Heim
 
WEITER LESEN
Insekten schützen leicht gemacht! - Anleitung für Kommunen und Wildnisliebhaber - BROMMI
Insekten schützen
leicht gemacht!
Anleitung für Kommunen und
Wildnisliebhaber
Insekten schützen leicht gemacht! - Anleitung für Kommunen und Wildnisliebhaber - BROMMI
Dieses Projekt wurde gefördert durch das Umweltbundesamt und das Bundesministeriums für Umwelt,
Naturschutz und nukleare Sicherheit. Die Mittelbereitstellung erfolgt auf Beschluss des Deutschen
Bundestages. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den AutorInnen.

BUND – Freunde der Erde
Friends of the Earth Germany
Kaiserin-Augusta-Allee 5
10553 Berlin

Die Erde braucht Freunde:
www.bund.net
www.facebook.com/BUND.Bundesverband
http://twitter.com/BUND_net

Telefon +49 30 27586-547
Fax +49 (0)30 275 86 440
Mail Corinna.Hoelzel@bund.net

Konzept Corinna Hölzel und Milan Fanck
Texte Milan Fanck und Almut Gaude
Layout Matthias Fanck
Abbildungen Daniel Bockwoldt/dpa (S. 7o), BUND Niedersachsen (S. 17lo), Matthias Fanck (S. 36, 37o),
Gisela Fanck-Reiter (S. 10, 12r, 17u, 19, 32u), Stefanie Fiebrig (S. 15), Dan Brian G Gerona dbgg1979 (S.
22l), Grün macht Schule (S. 29), Barbara Heydenreich (S. 1, 5, 8), Werner Kunz/Universität Düsseldorf/
Norbert Lenz & Dieter Schulten/Aquazoo-Löbbecke Museum Düsseldorf (S. 6), Oliver Kwetschlich (S. 34),
Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (S. 20u), licht.de (S. 21), LPV Saaletal (S. 33), Netzwerk
Blühende Landschaften (S. 9, 12, 17ro, 20lo, 20ro), Osram (S. 22r), Park der Gärten (S. 32 lo), Ruth
Paschka/BUND Niedersachsen (S. 25), PxHere (S. 26l), Reinert Abflammtechnik (S. 26r), Justus Siebert
(S. 18), Stadtgartenamt Bayreuth (S. 4, 11, 13, 14, 23, 30, 32ro), Thomas Stephan/Bund Naturschutz in
Bayern (S. 27), Magnus Wessel (alle Insektenbilder)

Wir haben uns nach bestem Wissen bemüht, alle Bildrechte zu klären. Sollten Sie dazu Fragen haben,
bitten wir Sie, Kontakt mit uns aufzunehmen. Wir möchten noch darauf hinweisen, dass dies eine nicht-
kommerzielle Broschüre ist, die kostenfrei verteilt wird bzw. abrufbar ist.

Stand September 2019
Insekten schützen leicht gemacht! - Anleitung für Kommunen und Wildnisliebhaber - BROMMI
Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung                                                          4

2 Was nützt es Ihnen, Insekten zu schützen?                           8
Die Kostenersparnis                                                   9
Die höhere Attraktivität für Naherholung und Tourismus                9
Ein leichterer Zugang zu Fördermitteln                               10

3 Insektenschutz: Wie geht das? Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung   11

4 An welchen Orten kann man Insekten besonders gut schützen?         14
Rathaus                                                              15
Infotafeln/Öffentlichkeitsarbeit                                     15
Grünflächen                                                          16
Pflanzbeete                                                          19
Straßenbegleitgrün                                                   19
Kleingärten und Privatgärten                                         21
Insektenfreundliche Beleuchtung                                      21
Streuobstwiesen                                                      23
Friedhöfe                                                            24
Landwirtschaftliche Flächen und Pachtflächen                         25
Gehwege                                                              26
Straßenbäume                                                         27
Spielplätze, Sportplätze und Schulhöfe                               29
Neue Blühflächen auf alten Brachen                                   30
Gewässerschutz und -renaturierung                                    31
Hecken und Knicks                                                    33
Wegränder in der Landwirtschaft in kommunaler Verantwortung          34
Wälder                                                               36
Insekten schützen leicht gemacht! - Anleitung für Kommunen und Wildnisliebhaber - BROMMI
1
Einleitung
Insekten schützen leicht gemacht! - Anleitung für Kommunen und Wildnisliebhaber - BROMMI
Ob elegante Flieger wie Libel-   Die drastische Abnahme von Insekten in den letzten
                     len und Schmetterlinge, flei-    Jahrzehnten sowohl in ihrer Gesamtmasse als auch
                     ßige Bestäuber wie Bienen        in ihrer Artenanzahl spiegelt das weltweit sichtbare
                     und Hummeln oder Plagegeis-      Artensterben in Deutschland wider. Wissenschaftler
                     ter wie Mücken und Bremsen:      des etymologischen Vereins Krefeld haben von 1989
                     Insekten sind ein essentieller   bis 2016 eine Langzeitstudie auf mehreren Test-
Teil der Natur, sie erhalten unsere Ökosysteme und    flächen durchgeführt, die in Naturschutzgebieten
sie sichern uns unsere Nahrung. Als Bestäuber von     liegen. Gemeinsam mit Forschern der niederländi-
Nutz- und Wildpflanzen erbringen sie enorme Leis-     schen Radboud-Universität haben sie herausgefun-
tungen, die sich auch ökonomisch messen lassen.       den, dass die Gesamtmasse von Insekten in den
So haben Bestäuber laut Berechnungen der FAO          letzten drei Jahrzehnten um 75 Prozent abgenom-
eine weltweite jährliche Wirtschaftsleistung von      men hat.
212-521 Milliarden Euro. In Deutschland erreicht
der Nutzwert aller Bestäuberinsekten rund vier        Dieses großflächige Verschwinden hat vielfältige
Milliarden Euro im Jahr. Zudem sind Insekten für      Gründe – es gibt jedoch zwei Haupursachen: den
hunderte Arten, insbesondere Vögel und Kleintiere,    Verlust von Lebensraum und den großflächigen
eine unersetzbare Nahrungsgrundlage und haben in      Einsatz von Pestiziden (Herbizide, Insektizide und
ihrem Rang ganz unten in der Nahrungskette eine       Fungizide) in der Landwirtschaft. Oft sind diese
unschätzbar wichtige Rolle für viele weitere Lebe-    beiden Gründe miteinander verknüpft, da der stark
wesen. Auch als Verwerter von organischem Mate-       gestiegene Einsatz von Herbiziden den Verlust von
rial auf und im Boden sind Insekten unersetzlich.     Lebensraum und Nahrung für viele Insekten bedeutet.
Ohne sie würden wir sozusagen im Müll ersticken.

                                                                                                        5
Insekten schützen leicht gemacht! - Anleitung für Kommunen und Wildnisliebhaber - BROMMI
Artensterben                                            • 75% aller Nahrungspflanzen für Menschen
Der globale Verlust an Biodiversität, also an Lebens-     weltweit sind auf Bestäubung durch Insekten
räumen und Arten, hat in den letzten Jahrzehn-            angewiesen.
ten dramatische Ausmaße angenommen. Im April
2019 veröffentlichte der Internationale Biodiver-       • 40% aller Insekten sind vom Aussterben bedroht.
sitätsrat IPBES den ersten globalen Report zum
Zustand der Natur weltweit. Dafür werteten 500          • Der Hauptgrund ist der menschengemachte
Wissenschaftler aus der ganzen Welt rund 15 000           Lebensraumverlust.
verschiedene Studien zum Thema aus. Der Report
umfasst 1500 Seiten und kann hier in deutscher          Warum sind diese Zahlen wichtig? Weil sie uns
Übersetzung heruntergeladen werden.                     zeigen, dass wir jetzt handeln müssen. Und dass
                                                        wir handeln können. Denn viele Lebensräume sind
Die Ergebnisse sind dramatisch. Hier einige Auszüge:    nicht für immer zerstört. Gerade in unserer Kultur-
                                                        landschaft lassen sich viele Habitate mit kleinem
• Ca. 1 Million Arten weltweit sind in den              Aufwand wiederherstellen oder verbessern!
  nächsten Jahrzehnten vom Aussterben bedroht.
                                                        Die Abbildung unten macht den lokalen Arten-
• 75% aller Ökosysteme an Land wurden bereits           schwund, die Verarmung anschaulich: 68 % der
  stark vom Menschen verändert.                         Tagfalter-Arten sind gebietsweise, wie hier in
                                                        Düsseldorf, innerhalb von 100 Jahren ausgestorben.

Tagfalter in Düsseldorf um 1900                         Tagfalter in Düsseldorf um 2000

6
Insekten schützen leicht gemacht! - Anleitung für Kommunen und Wildnisliebhaber - BROMMI
• Eindämmung des Staubsaugereffekts auf Insek-
                                                     ten durch Licht
                                                     • Förderung und Unterstützung des Engagements
                                                     für Insekten in allen Bereichen der Gesellschaft

                                                     Auch der im Frühjahr 2019 veröffentlichte Master-
                                                     plan Stadtnatur, ein Maßnahmenprogramm der
                                                     Bundesregierung für lebendige Städte, hebt hervor,
Flächenmäßig gesehen hat die Landwirtschaft den      wie wichtig urbane Lebensräume für die Artenviel-
größten Einfluss auf den Bestand der Insekten,       falt sind. Hier heißt es in der Einleitung: „Stadtnatur
da rund die Hälfte der Fläche Deutschlands land-     ist unverzichtbar für die Erhaltung der biologischen
wirtschaftlich genutzt wird. Höhere Erträge und      Vielfalt. Städte sind im Vergleich zur umgebenden
geringerer Arbeitsaufwand sind für viele Landwir-    Landschaft oft artenreicher, da sie verschiedene
te überlebensnotwendig. Pestizide sind da schein-    Standortbedingungen auf kleinstem Raum beher-
bar unersetzbare Helfer, wichtige Lebensräume        bergen. Sie bieten für viele Arten wichtige Ersatzle-
wie Raine und Hecken verschwinden schnell unter      bensräume. Deutlich wird dies am Beispiel der Stadt
dem Pflug. Trotzdem, oder gerade deswegen haben      Berlin, wo mehr als 20 000 Tier- und Pflanzenarten
Kommunen eine wichtige Rolle beim Schutz von         zu finden sind. Von den 234 in Deutschland gefähr-
Insekten. Denn auf ihren Flächen besteht zunächst    deten oder vom Aussterben bedrohten Brutvogel-
einmal keine Notwendigkeit für hohe landwirt-        arten kommen zwei Drittel auch in Berlin vor. Auch
schaftliche Erträge. Die verschiedenen Arten von     für Insekten bieten Städte wertvolle Lebensräume.“
Flächen innerhalb des Stadt- oder Gemeindege-
bietes bieten zudem äußerst diverse Lebensräume      Der Ihnen vorliegende Ratgeber gibt Ihnen als
für Insekten und andere Kleintiere. Entsprechend     Kommune oder als interessierte/n Einwohner*in
gestaltete öffentliche Räume helfen außerdem, die    hilfreiche Tipps an die Hand, wie Sie Ihre Gemein-
Aufmerksamkeit der Menschen auf das Problem des      de auch für Insekten attraktiv machen können. Das
Arten- und Insektensterbens zu leiten.               Gute ist: Mit den Maßnahmen können Sie gleich-
                                                     zeitig gezielt die Ausgaben für die Grünflächen-
Die Bundesregierung hat im September 2019 das        pflege senken und erhöhen darüber hinaus auch die
Aktionsprogramm Insektenschutz verabschie-           Lebensqualität der Menschen.
det. Das Programm reicht leider nicht aus, um das
Insektensterben zu stoppen, dafür fehlen wichtige    Lebensräume für Insekten zu schaffen ist nicht
konkrete Maßnahmen. Einige Punkte sind jedoch        schwer und bedeutet häufig nur kleine Umstel-
gute Ansätze:                                        lungen in den jährlichen Arbeitsabläufen. Doch die
• Verbindliche Vorgaben durch ein Insekten-          positive Wirkung dieser Aktivitäten ist groß – und
schutz-Gesetz und parallele Rechtsverordnungen       zwar für alle Bewohnerinnen und Bewohner in Ihrer
mit Änderungen im Naturschutzrecht, Pflanzen-        Kommune. Deswegen: Machen Sie mit! Machen Sie
schutzrecht, Düngerecht sowie Wasserrecht            Ihre Stadt zu einer bunten Insel der Artenvielfalt!
• 100 Mio. € pro Jahr mehr für die Förderung von     Viel Spaß dabei!
Insektenschutz und für den Ausbau der Insekten-
forschung, die vom jeweils zuständigen Ressort       Ihr BUND
bereitgestellt werden
• Schutz und Wiederherstellung von Insektenlebens-
räumen in allen Landschaftsbereichen und in der
Stadt – insbesondere von Saum- und Randbiotopen
• Klare Vorgaben für eine umwelt- und naturver-
trägliche Anwendung von Pestiziden und deutliche
Reduzierung des Eintrags von Pestiziden und ande-
ren Schadstoffen in Insektenlebensräume

                                                                                                          7
Insekten schützen leicht gemacht! - Anleitung für Kommunen und Wildnisliebhaber - BROMMI
2   Was es
    nützt
Insekten schützen leicht gemacht! - Anleitung für Kommunen und Wildnisliebhaber - BROMMI
Was nützt es Ihnen,                                                Die Kostenersparnis
Insekten zu schützen?
                                                       Es gibt eine ganze Reihe von Aufgaben, die eine
                 Ein großflächiges Insektensterben     Kommune pflichtgemäß zu erledigen hat. Dazu
                 hätte dramatische Auswirkungen        gehören die Grünflächenpflege, die Pflege von
                 auf uns Menschen. Rund ein Drittel    Straßenrändern im Zuge der Verkehrssicherung,
                 aller Nahrungsmittel in der west-     Biotoppflege, Trink-, Grund- und Hochwasserschutz
                 lichen Welt geht direkt auf die       sowie das Ausgleichsflächenmanagement. Alle diese
                 Bestäubung durch Insekten zurück.     Aufgaben können im Zuge des Insektenschutzes so
Zu den auf bestäubende Insekten angewiesenen           ausgerichtet werden, dass letztendlich Arbeitszeit
Pflanzen zählen Äpfel, Kirschen, Zitrusfrüchte,        und Geld gespart und sogar gewonnen wird. Und
Feigen, Birnen, Spargel, Bohnen, Kohl, Mohrrüben,      zwar durch:
Gurken, Auberginen, Salat, Paprika, Kürbis und         • weniger Mahd
Tomaten. Und auch die Futterpflanzen unserer Nutz-     • weniger Anpflanzungen
tiere sind von der Bestäubungsleistung der Insekten    • wegfallende Ausgaben für Pestizide und
abhängig. Das Überleben der Menschen hängt also        • mehr Geld durch bessere Fördermöglichkeiten.
vom Überleben der Insekten ab. Das müsste eigent-
lich schon als Grund reichen, alles daran zu setzen,         Die höhere Attraktivität für
den kleinen Krabbeltieren das Überleben zu ermögli-          Naherholung und Tourismus
chen.
                                                       Blühende Wegränder und bunte Wiesen sind selten
Doch es gibt auch ganz pragmatische Gründe für         geworden. Getrimmter Rasen und eintönige Pflanz-
Kommunen, sich für den Schutz von Insekten einzu-      beete dominieren häufig das Gemeindebild. Ein viel-
setzen. Zumal die meisten Maßnahmen für Insek-         fältiger Lebensraum für Pflanzen und Tiere ist da
ten auch anderen bedrohten Arten helfen, darunter      ein echtes Alleinstellungsmerkmal, das regional und
Vögel, Fledermäuse und Blühpflanzen.                   überregional anziehend wirkt und die Lebensqua-

                                                                                                        9
Insekten schützen leicht gemacht! - Anleitung für Kommunen und Wildnisliebhaber - BROMMI
lität der Bürger fühlbar erhöht. In einer Stadt, in   tes ökologisches Konzept. Im September 2019 fand
der keine Pestizide versprüht werden, lebt es sich    die 2. Fachtagung zur Pestizidfreien Kommune statt.
zudem deutlich gesünder. Wichtig ist, beim neuen      Dort konnten sich Kommunen über pestizid- und
Umgang mit Grünflächen die Bürger*innen vor           biozidfreie Maßnahmen informieren und austau-
Ort mitzunehmen und den Mehrwehrt der neuen           schen. Eine Dokumentation finden sie hier.
Blütenpracht für Natur, Mensch und Kommune gut
zu kommunizieren.                                     Liste mit Förderprogrammen für Insektenschutz
                                                      in Kommunen:
         Ein leichterer Zugang zu
               Fördermitteln                          https://kommunale-biodiversitaet.de/leitfaden-
                                                      biodiversitaet/nutzen/leichterer-zugang-zu-
Es steht den Gemeinden in Deutschland eine große      foerdermitteln/uebersicht.html
Bandbreite an Förderprogrammen für insekten- und      https://www.gruen-in-die-stadt.de/ueber-uns/
biodiversitätsschützende Maßnahmen zur Verfü-         https://www.gruen-in-die-stadt.de/finanzieren/
gung. Darunter zum Beispiel das „Bundesprogramm       bund-laenderprogramme/zukunft-stadtgruen/
Biologische Vielfalt“, „Zukunft Stadtgrün“ und        https://www.kommbio.de/praxisbeispiele/
diverse EU-Mittel für die ländliche Entwicklung.
Voraussetzung für die Förderung ist ein ausgereif-

10
3   Schritt für
    Schritt
Insektenschutz: Wie geht das?                     Wichtig ist an diesem Punkt, die richtigen Ansprech-
     Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung                 partner*innen und Verantwortlichen innerhalb der
                                                        Verwaltung zu finden und gemeinsame Treffen zu
                 Aller Anfang ist schwer! Wich-         organisieren. Innerhalb der Gemeinde können das
                 tig ist, einfach loszulegen. Ist der   die Gartenbauamtsleiter*innen (bzw. Grünflächen-
                 Wille zur Veränderung da, lassen       amt oder Bauhof), Straßenbauamtsleiter*innen
                 sich alle Hürden über kurz oder        und Hausmeister*innen öffentlicher Einrichtun-
                 lang überwinden. Es braucht            gen (zum Beispiel von Schulen oder Krankenhäu-
                 zunächst eine/n Antreiber*in oder      sern) sein. Hierzu sollten erfahrene Personen wie
                 eine/n Initiator*in und dann einen     Landschaftsplaner oder Verantwortliche anderer
zentralen Verantwortlichen beziehungsweise eine         Gemeinden eingeladen werden, die bereits Ähnli-
zentrale Verantwortliche bei der Kommune. Initiiert     ches durchgeführt haben. Ein gutes Netzwerk sind
werden kann der Prozess aber auch von anderen           die Kommunen für die biologische Vielfalt oder die
Gruppen und Institutionen, wie zum Beispiel Verei-      pestizidfreien Kommunen des BUND: Link. Auch das
nen, Verbänden oder auch einzelnen engagierten          Netzwerk Blühende Landschaften stellt Beispiele
Bürgern.                                                und wertvolle Fachbeiträge bereit. Die Ortsgruppen
                                                        der Umweltverbände BUND und NABU sowie lokale
Nun gehen Sie auf die Suche nach Unterstützern!         Imkervereine verfügen über wertvolles Fachwissen
Sie werden überrascht sein, wie viele Menschen aus      und beteiligen sich gerne.
unterschiedlichsten Gruppen und Institutionen sich
für das Thema interessieren und begeistern lassen       Ist der Wille zur Veränderung da und vom Stadt- oder
und welche Bandbreite an Erfahrung und Kompe-           Gemeinderat beschlossen, sollte eine Bestandsauf-
tenzen sich so zusammenfinden lässt.                    nahme gemacht werden: Welche Flächen können
                                                        wir direkt beeinflussen, welche indirekt? Wo reicht

Verfassen Sie eine Ideensammlung und vielleicht         eine kleine Veränderung in der Pflege, wo können
schon eine ersten Projektskizze. Laden Sie alle inte-   wir schon bei der Neuanlage von Grünflächen insek-
ressierten Menschen ein und überlegen Sie, was          tenfreundlich planen?
Inhalt des Projekts sein könnte: einzelne Verän-
derungen am Grünflächenmanagement oder ein              Hat sich erst einmal ein Netzwerk von Menschen
ganzes Paket an Maßnahmen? Soll es ein großes           gebildet, die etwas für die Artenvielfalt in der
Projekt mit Fördermitteln geben? Schon eine Verän-      Gemeinde tun wollen, lassen sich auch große
derung an der Häufigkeit und dem Zeitpunkt des          Aufgaben mit Leichtigkeit bewältigen. Es ist sinn-
Mähens (fachlich gesprochen eine Veränderung des        voll, nach verschiedenen Bereichen und Zuständig-
Mahdregimes) auf öffentlichen Flächen und Stra-         keiten vorzugehen. Dabei sind folgende Fragen zu
ßenrändern kann viel Gutes für Insekten bewirken.       klären:

12
• Wer pflegt Parks und andere Grünflächen?             büro hinzuzuziehen. Diese können in der Regel nicht
• Wer ist für die Bepflanzung der städtischen          nur fachlich planen und beraten, sondern bringen
  Beete zuständig?                                     Erfahrung in der Umsetzung solcher Projekte mit.
• Wer pflegt die Straßenränder und Gehwege?            Sie können oft auch die Koordination und Öffent-
• Wer ist für die Pflege des Schulhofs zuständig?      lichkeitsarbeit übernehmen.
• Wie können wir Einfluss auf die verpachteten
  landwirtschaftlichen Flächen nehmen?                 Und dann? Kann‘s losgehen mit dem konkreten
• Wie erreichen wir die Öffentlichkeit?                Insektenschutz in Ihrer Kommune!

An dieser Stelle kann es sinnvoll sein, einen exter-
nen Dienstleister, wie zum Beispiel ein Planungs-

                                                                                                       13
4   Der richtige
    Ort
Dieses interaktive Wimmelbild und alle nachfolgenden Inhalte gibt es auch hier

An welchen Orten kann man Insekten                      Konstellation und der zeitliche Ablauf können
     besonders gut schützen?                            hierbei ganz unterschiedlich aussehen. Manchmal
                                                        können es einzelne Personen in der Verwaltung sein,
               Besiedelte Gebiete, ob kleine            die den Prozess vorantreiben, bei größer angeleg-
               Gemeinde oder Großstadt, haben           ten Projekten vielleicht sogar ein ganzes Projektma-
               eine Vielzahl an Insektenlebens-         nagement.
               räumen zu bieten. Oftmals an ganz
               unerwarteten Stellen. Wir stellen        Im BUND-Netzwerk „Pestizidfreie Kommune“ haben
               Ihnen die genauen Orte in Ihrer          sich bereits über 500 Kommunen zusammenge-
Kommune vor, an denen Sie Insekten am besten            schlossen. Ihnen allen gemeinsam ist der Verzicht
schützen können, und wie Sie dies am besten tun         auf Glyphosat oder auf mehrere Pestizide in der
können.                                                 kommunalen Anwendung und teilweise auch auf
                                                        den von ihnen verpachteten landwirtschaftlichen
                  Rathaus                               Flächen. Viele Kommunen haben dazu im Stadt-
 Hier wird entschieden, ob und wie sich eine            oder Gemeinderat einen Beschluss gefasst. Hier
  Gemeinde für den Insektenschutz einsetzt.             finden Sie eine Muster-Beschlussvorlage für den
 Über 500 Kommunen haben sich in Deutsch-               Gemeinderat, die Sie an Ihre Bedürfnisse anpassen
  land bereits dem Netzwerk „Pestizidfreie              können.
   Kommune“ angeschlossen und zeigen:
                   es geht!                                  Infotafeln/Öffentlichkeitsarbeit
                                                        Nehmen Sie Bürgerinnen und Bürger mit beim
Jede Stadt, jede Gemeinde hat eine Verwaltung.           Projekt Insektenschutz. Infomieren Sie sie vor
Hier werden die Weichen gestellt für das, was in          dem Start, warum blühende Wiesen Insek-
den Parks, Straßen und öffentlichen Anlagen des           ten und Menschen glücklich machen. Und:
Gemeindegebiets passiert. Gute Partner und Voran-          Kommunizieren Sie Ihr Blumenmeer nach
treiber im Rathaus sind also von großer Wichtigkeit     außen, die Besucher werden es Ihnen danken.
für eine erfolgreiche Umsetzung von insektenschüt-
zenden Maßnahmen in der Kommune. Die genaue             Wenn sichtbare Veränderungen auf den Flächen

                                                                                                         15
der Gemeinde umgesetzt werden sollen, müssen                             Grünflächen
die Bürgerinnen und Bürger mitgenommen werden.           Einfach rüber mit dem Rasenmäher und „gut
Ohne die richtige Kommunikation kann es sonst           is‘“? Für Insekten sind kurzgeschnittene Rasen
schnell zu Unmut kommen. Wurden Straßen- und            ein Graus. Kein Unterschlupf, keine Nahrung
Wegränder jahrzehntelang einmal im Monat akku-            = kein Schmetterling. Selten und abschnitts-
rat getrimmt, kann schon ein verändertes Mahdre-         weise gemähte Grünflächen verwandeln Ihre
gime (siehe Kapitel Grünflächen auf dieser Seite)           Gemeinde hingegen in ein summendes
schnell zu einem Gefühl von Unordnung und                                 Blütenmeer.
Nachlässigkeit in der Grünflächenpflege führen.
Um dem zuvorzukommen hilft es, die Bewohner-            Das von Imkern, Landwirten und Naturschüt-
Innen frühzeitig und am besten direkt vor Ort zu        zern gegründete „Netzwerk Blühende Landschaf-
informieren. Ist einmal klar erklärt, warum jetzt       ten“ bringt es auf den Punkt: „Wir brauchen einen
auf manchen Flächen Blumen ausblühen dürfen,            Übergang vom öffentlichen Grün zum öffentlichen
werden die meisten Menschen dem positiv gegen-          Bunt.“ Gemeint ist damit, dass auf vielen Flächen der
über treten. Mit kleinen Infotafeln, die sich einfach   Kommunen, an denen heute monatlich getrimm-
vor der blühenden Pracht in die Erde stecken lassen,    ter Rasen wächst, eigentlich regionale Blühpflan-
lässt sich ganz leicht Verständnis für die Maßnah-      zen stehen könnten: also eine ideale Weide für eine
me wecken. Und ein bisschen Umweltbildung gibt          Vielzahl von Fluginsekten.
es gratis dazu! Aber auch breit verteilte Flyer, das
Angebot für Führungen oder Infoveranstaltungen          Beispiel Park: Auf bestimmten Flächen ist regel-
haben in einigen Kommunen gute Dienste geleistet.       mäßig kurz geschnittener Rasen nötig und sicher-
                                                        lich auch von den meisten Einwohnern gewünscht.
Beispieltafeln:                                         Es lassen sich jedoch in jeder Grünanlage auch
https://kommunale-biodiversitaet.de/media/              Flächen finden, die nicht zwangsläufig wöchentlich
Default/Downloads/Bluehflaechenschilder_.pdf            geschnitten werden müssen, sondern nur ein- bis
                                                        zweimal pro Jahr.

16
Generell ist es empfehlenswert, nicht die gesam-       Der optimale Mähzeitpunkt (in der Fachsprache
te Fläche zum gleichen Zeitpunkt zu mähen, um          „Mahd“ genannt) ist dabei sehr unterschiedlich,
zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedli-        Technik und Vorgehen ist fast wichtiger: Schon bei
che Lebensräume zu erhalten und auf diese Weise        nur einer Mahd pro Jahr werden, je nach eingesetz-
unterschiedlichen Insektenarten zu helfen. Es          ter Mahdtechnik, zehn bis 50 Prozent aller Insek-
hilft zudem, wenn einige Bereiche nur mit einem        ten auf der Fläche getötet und bei dreifacher Mahd
Abstand von zwei, drei Jahren gemäht werden. Die       verschwinden auch die letzten Schmetterlinge.
dann erhaltenen Pflanzenstängel und mehrjährigen
Arten bieten vorzüglichen Unterschlupf für Wildbie-    Um eine kraut- und blumenreiche Vegetation zu
nen und andere Insekten. Die goldene Regel ist: Eine   fördern, sollte der Schnitt erfolgen, wenn die Gräser
räumlich und zeitlich differenzierte Wiesenpflege      in Blüte stehen, also je nach Region und Klima
trägt dazu bei, möglichst viele Pflanzen-, Insekten-   zwischen Mai und Juli. Sollen bestimmte Insekten-
und Vogelarten auf einer Wiese zu fördern.             arten geschützt werden, kann die Flugzeit der Tiere
                                                       ein optimaler Mahdtermin sein, weil diese vor der

                                                                                                         17
Mähmaschine in die benachbarten Flächen auswei-         Schneidende Mahdwerkzeuge benutzen: Die
chen können. Wichtig ist, dass auf diesen noch          Insektenverluste können auch auf der zu mähen-
ungemähten Flächen Nektar- und Eiablagepflanzen         den Fläche reduziert werden, wenn schneidende
zur Verfügung stehen.                                   Mähmaschinen zum Einsatz kommen – also entwe-
                                                        der ein selbstfahrender oder ein an einen Traktor
Auch die Tageszeit hat einen großen Einfluss auf        montierter Balkenmäher oder eine Handsense. Die
mögliche Tierverluste. Grundsätzlich ist die Mittags-   derzeit gebräuchlichsten Mähgeräte besitzen Rota-
zeit empfehlenswert für die Mahd. Bei Sonnen-           tionklingen (dazu gehört auch der Rasenmäher),
schein sind zum Beispiel nachtaktive Raupen tief in     welche die Vegetation (und die Insekten) mehrfach
der Vegetation verborgen und Falter fliegen vor dem     schneiden, schlagen und zerkleinern, so dass es zu
Mähwerk davon, während sie in den Morgen- und           erheblichen Verlusten bei den Insekten kommt. Von
Abendstunden in den Pflanzen ruhen. Schäden kann        der Verwendung von Mulchgeräten ist ganz abzura-
die Mahd jedoch zu allen Zeitpunkten verursachen.       ten, da diese die Vegetation extrem stark zerkleinern
                                                        und das gehäckselte Gras auf der Fläche belassen.
Wichtige Ansätze bei der Mahd, also                     Darunter kommt es zu Licht- und Luftabschluss
beim Mähen sind:                                        und Feuchte fördert die Schimmelbildung. Außer-
Seltener mähen: Pflanzen und Schmetterlinge brau-       dem kommen unter der Mulchdecke die Keimblätter
chen viel Zeit, um sich entwickeln zu können. Pflan-    von Blühpflanzen nicht mehr ans Licht. Das Mahd-
zen müssen Blätter und Blüten entfalten, damit          gut sollte daher abtransportiert und wenn möglich
sich Raupen und Falter von ihnen ernähren können.       in einer Biogasanlage energetisch genutzt werden.
Deshalb sollte eine Fläche nur ein- bis zweimal         Eine Schnitthöhe von acht bis zehn Zentimetern ist
pro Jahr oder auch nur jedes zweite Jahr gemäht         zu empfehlen, weil so am Boden lebende Tiere sowie
werden. Diese Anzahl der Mahdtermine richtet            die Rosetten von Pflanzen und die daran lebenden
sich nach der Nährstoffversorgung der Standor-          Entwicklungsstadien der Insekten geschont werden.
te, die den Pflanzenwuchs und die Insektenvielfalt
beeinflusst. Auf nährstoffarmen Standorten soll-
te eine Mahd pro Jahr oder alle zwei Jahre ausrei-
chend sein. Denn umso nährstoffärmer eine Fläche
ist, desto mehr Arten finden sich dort. Bei niedri-
ger Nährstoffversorgung sind zwei und bei starker
Nährstoffversorgung zeitweise drei Mahdtermine
im Jahr zu empfehlen.

Wichtig ist, nicht die gesamte Fläche zu mähen,
sondern stets etwa zehn bis 30 Prozent der Fläche
mit ihrer Vegetation und den daran lebenden Insek-
ten ungemäht zu belassen. So kann bei jedem Mahd-
termin ein Teil der Insektenpopulationen überleben,     Mahdgut beräumen: Verbleibt das Mahdgut drei bis
sich weiterentwickeln und später von hier aus die       sieben Tage auf der Fläche (bereits zusammenge-
gemähten Bereiche wieder besiedeln. Die Mahd            recht), können Insekten von den gemähten Flächen
kann streifenweise, mosaikartig oder auch selektiv      in benachbarte, nicht gemähte Vegetation auswei-
erfolgen, so dass gezielt bestimmte Pflanzenbestän-     chen und sich dort weiter entwickeln. Dies vermin-
de von der Mahd ausgeschlossen werden. Wichtig          dert die Insektenverluste bei der Mahd.
ist es auch, einen kleinen Teil der Fläche über den
Winter stehen zu lassen und erst im Frühjahr zu         Ästhetische Gedanken: Da ungemähte Grünfla-
mähen, weil diese Flächen Überwinterungshabitat         chen im Stadtgebiet bei vielen Bürgern das Gefühl
für viele Raupen und Larven darstellen.                 auslöst, die Kommune kümmere sich nicht mehr
                                                        richtig oder komme mit der Pflege nicht hinterher,
                                                        hat sich als einfache aber wirksame Maßnahme das

18
regelmäßige Mähen eines 1 bis 1,5 m breiten Strei-    mehrjährige, heimische Stauden ersetzt werden.
fens entlang des Weges erwiesen. Dadurch, even-       Diese Umstellung kommt dem Bedürfnis der Bürger
tuell in Kombination mit einem Hinweisschild, wird    nach Blütenreichtum nach und ist zudem wesent-
klar dass die Fläche nicht „ungepflegt“ ist sondern   lich günstiger im Unterhalt.
einer so gewünschten und geplanten Maßnahme
unterliegt.                                           Viele blühende einheimische Stauden müssen nur
                                                      einmal gepflanzt werden und bleiben dann für
                 Pflanzbeete                          mehrere Jahre erhalten. Jäten und Neupflanzung ist
  Primeln, Stiefmütterchen und Co. verzieren          nur einmal im Jahr nötig. Zur Unterdrückung von
   in vielen Städten Fußgängerzonen oder              Unkraut eignet sich am besten Miscanthus-Mulch.
 Mittelinseln. Doch die Zuchtpflanzen bieten          Rindenmulch tendiert dazu, den Boden zu versau-
  kaum Nahrung für Insekten und man muss              ern. Pestizide sind nicht notwendig. Wichtig:
sie ständig auswechseln. Besser: mehrjährige          Schneidet man die trockenen Stängel erst im Früh-
     einheimische Stauden pflanzen. Spart             jahr zurück, bieten sie den Insekten im Winter guten
  Arbeit und Geld und hilft Wildbienen und            Unterschlupf.
       Schmetterlingen beim Überleben.
                                                      Eine Liste mit insektenfreundlichen Stauden finden
In fast jeder Gemeinde gibt es Anpflanzungen in       Sie unter: www.bluehende-landschaft.de/fix/doc/
Fußgängerzonen und an öffentlichen Plätzen. Oft       NBL-14-Staudenliste-1008.pdf
sind dies Wechselpflanzungen wie zum Beispiel von
Primeln und Stiefmütterchen, die im Abstand weni-                  Straßenbegleitgrün
ger Monate neu bepflanzt werden. Dieses Vorgehen          Rasenflächen an Straßen sind meist aus
ist mit einem hohen personellen und finanziellen      Verkehrssicherheitsgründen glatt rasiert. Dabei
Aufwand verbunden. Insekten haben in der Regel         gibt es eine gleichsam naturnahe wie für den
nicht viel von der künstlichen Blütenpracht, da in     Verkehr sichere Möglichkeit, diese Abschnitte
den gezüchteten Pflanzen (zum Beispiel den Stief-         insektenfreundlich zu gestalten: einfach
mütterchen) kaum noch Nektar zu finden ist. Solche    einteilen in einen eher streng gemähten und in
Pflanzungen lassen sich aber ohne großen Aufwand      einen wildwüchsig gehaltenen Teil. Und schon
insektenfreundlich gestalten, in dem sie durch                    gibt’s wieder mehr Käfer.

                                                                                                       19
Als Straßenbegleitgrün bezeichnet man alle zur         Für den Rest der Fläche, den Extensivbereich,
Straße gehörenden Grasflächen, Gehölze und             können ohne Mehraufwand für die Straßenmeisterei
Hecken. Diese Flächen können wertvolle Lebens-         naturschutzfachlich abgestimmte Pflegekonzep-
räume für Insekten sein, gerade da sie keinem          te angewandt werden. Die dadurch entstehenden
finanziellen Nutzungsdruck unterliegen. Soweit         und gepflegten Flächen können äußerst wertvoll
die Verkehrssicherungspflicht der Gemeinde beach-      sein. Hier sollte die Pflege auf das notwendige
tet wird, können sie sehr gut nach ökologischen        Maß beschränkt werden. Um vorrückende Gehölze
Gesichtspunkten gepflegt werden.                       zurückzudrängen, reicht der Schnitt einmal im Jahr,
                                                       viele Abschnitte können auch nur alle zwei bis drei
Das Pflegekonzept sollte grundsätzlich in zwei         Jahre gemäht werden.
Zonen eingeteilt sein: Eine Intensivzone, welche
vom Fahrbahnrand bis zum Graben reicht, erwei-         Wichtig ist, dass der Schnitt des Extensivbereichs
tert um Sichtflächen, Mittelstreifen und Rastplätze.   nicht zeitgleich mit dem des Intensivbereichs
Hier ist eine intensive Standardpflege aus Gründen     erfolgt, da sich so Kleintiere während oder nach
der Verkehrssicherheit und des Wasserabflusses         der Maßnahme in die stehengelassenen Berei-
unabdingbar. Von Vorteil ist es, wenn schneiden-       che zurückziehen können. Insofern ist es sinnvoll,
de Mähwerkzeuge wie selbstfahrende Balkenmä-           den Extensivbereich nach dem zweiten Schnitt des
her eingesetzt werden und das Mahdgut nach dem         Intensivbereichs im Spätsommer/Herbst zu mähen.
Schnitt beräumt wird, um eine Nährstoffanreiche-
rung auf den Flächen zu verhindern.                    Ist der Extensivbereich breit genug, kann er paral-
                                                       lel zur Straße in mehrere Streifen eingeteilt werden,
                                                       welche zeitversetzt gemäht werden. Diese sollten
                                                       mindestens zwei Meter breit sein. Auf diese Weise
                                                       lassen sich differenzierte Bereiche herstellen. Für
                                                       den Insektenschutz wäre es am besten, wenn jeder
     Intensivbereich             Extensivbereich       dieser Streifen nur alle zwei Jahre gemäht würde.

20
Kleingärten und Privatgärten                       Eine weitere Möglichkeit, Insektenschutz in der
       Um Privat-Gärtner*innen für eine                  Kommune zu verankern, ist die Aufnahme bestimm-
     insektenfreundliche Gartengestaltung                ter Klauseln in die Satzungen von Kleingartenan-
      zu gewinnen, braucht es eine gute                  lagen. Denkbar ist beispielsweise der Verzicht auf
   Kommunikation und Beispielflächen. Legt               Pestizide oder das Bekenntnis zu regionalen Blüh-
  die Kommune selbst wildblühende Wiesen                 pflanzen und insektenfreundlichen Anpflanzun-
  an und stellt sie Lehrmaterialien oder auch            gen. Auch in Kleingartenanlagen sind Vorträge und
  insektenförderliches Saatgut zur Verfügung,            Veranstaltungen zur insektenfreundlichen Garten-
        spornt das zum Nachmachen an.                    pflege sinnvoll.

Auch in privaten Außenanlagen liegt ein riesiges         Hier finden Sie interessante Informationen, wie die
Potential für insektenfreundliche Lebensräume.           Gemeinde Tännesberg das Thema Artenvielfalt in
Während die Gemeinde auf ihre eigenen Flächen            Gärten vorangebracht hat:
direkten Zugang hat, lässt sich auf private Gärten nur   https://kommunale-biodiversitaet.de/marktplatz/
über die richtige Kommunikation Einfluss nehmen.         beispiele/beispiel/gartenvielfalt.html
Besonders wichtig ist hier auch die Vorbildfunktion
der öffentlichen Hand: Wer blühende Bienenweiden             Insektenfreundliche Beleuchtung
an allen Ecken, gepaart mit Informationstafeln und           Rund eine Milliarde nachtaktive Insekten
Hilfestellungen findet, wird sich bald auch um den       verenden in Deutschland an Straßenlaternen –
eigenen Garten Gedanken machen.                           pro Nacht. Diesen Verlust können Kommunen
                                                         deutlich senken, in dem sie insektenfreundliche
Die Gemeinde kann unterstützend tätig werden:              Straßenlampen anbringen, Lichtquellen aufs
Informationsveranstaltungen über das neue Stadt-          Nötigste verringern und gerade in der Nähe
bild können auch Lehrmaterial für den Privatgarten        von Biotopen möglichst ganz vermeiden: da
enthalten und es können Beratungen angeboten                        freut sich der Nachtfalter!
werden. Denkbar ist außerdem eine Bereitstel-
lung oder Teilfinanzierung von regionalem Saatgut        Künstliche Lichtquellen sind seit vielen Jahrhunder-
und Obstbäumen innerhalb der Gemeinde. Hierfür           ten ein wichtiger Teil des Alltags der Menschen. Licht
können auch Fördermittel beantragt werden.               bietet Sicherheit in der Nacht, verströmt Behag-
                                                         lichkeit und dient auch immer öfter als Verschöne-
                                                         rung. Die Kehrseite der Medaille ist, dass sich seit

                                                                                                            21
der Einführung der Straßenbeleuchtungen im 19.         Anlockwirkungen unterschiedlicher Lampentypen:
Jahrhundert die Menge an Lichtquellen exponenti-       (HCI TT) Metallhalogendampf-Hochdrucklampe
ell gesteigert hat. In Deutschland stehen inzwischen   3000-6500 K 198-372 Insekten/Nacht
knapp sieben Millionen Straßenlaternen. Sie werden     (NAV T) Natriumdampf-Hochdrucklampe 2.000 K
zu einer tödlichen Falle für Insekten: Forscher der    		162,9 Insekten/Nacht
Universität Mainz haben berechnet, dass bis zu         LED 6000 K     74,9 Insekten/Nacht
eine Milliarde nachtaktive Insekten pro Nacht in       LED 3000 K     41,1 Insekten/Nacht
Deutschland an Straßenlaternen verenden.
                                                       Aus diesem Vergleich wird deutlich, dass Natri-
Insekten orientieren sich normalerweise an natür-      umdampf-Hochdrucklampen          (NAV    T)   oder
lichen Lichtquellen – in der Nacht sind dies nur       LED-Lampen die deutlich insektenschonendere
wenige, wie Sterne oder der Mond. Den meisten          Alternative sind. Weitere Untersuchungen haben
Arten reicht dabei schon eine Lichtstärke von nur      gezeigt, dass die Anlockwirkung beim Einsatz von
0,0015 bis 0,6 Lux. Die Insekten halten einen rech-    Natriumdampf-Niederdrucklampen nochmals nied-
ten Winkel zum Mond und können sich aufgrund           riger ist. Diese senden fast monochromatisches
der großen Entfernung zum Mond so in einer gera-       Licht mit einer Wellenlänge von 590 Nanometer
den Linie orientieren. Künstliche Lichtquellen sind    aus. Dies ist weit oberhalb der 380-400 nm, das die
jedoch um ein Vielfaches heller, näher und über-       meisten Insekten wahrnehmen können. Eine Natri-
strahlen natürliche Lichtquellen. Fliegen Insekten     umdampf-Niederdrucklampe ist für Insekten also
an einer Lampe vorbei, orientieren sie sich nun an     weniger sichtbar und deshalb nicht so gefährlich,
dieser. Beim Umkreisen der Lampe ändert sich der       wenn auch nicht völlig unbedenklich.
Flugwinkel dann immer schneller und sie kommen
dem Licht unweigerlich immer näher. Irgend-            Warm-weiße LED-Leuchten bilden zwar ein deut-
wann fallen sie entweder erschöpft zu Boden oder       lich breiteres Spektrum ab, aber emittieren ebenfalls
verbrennen an der künstlichen Lichtquelle.             nicht unterhalb von 400 nm. Sie sind damit für Insek-
                                                       ten nur schwer wahrnehmbar. LED-Lampen haben
Ein besonderes Problem stellt der Spektralbereich      zusätzlich noch den Vorteil, dass sie bei gleicher
beziehungsweise die Wellenlänge des verwendeten        Leuchtkraft deutlich weniger Strom verbrauchen.
Lichtes dar, quasi die Farbe der Lampe. Die immer      So macht eine Umstellung auf LED-Leuchtmit-
noch weit verbreitenden Quecksilberdampf-Hoch-         tel nicht nur ökologisch, sondern auch ökono-
drucklampen (HME-Lampen) oder Metallhalogen-           misch Sinn und fördert den Klimaschutz. Durch
dampf-Hochdrucklampen (HCI-Lampen) sehen für           die Umstellung eines Stadtteils auf LED-Leuchten
das menschliche Auge weiß aus, da sie im gesam-        senkte die Stadt Kiel den Stromverbrauch um ganze
ten Spektralbereich von 320-720 Nanometer (nm)         48 Megawattstunden pro Jahr. Dies gilt auch für
strahlen. Unterhalb von 400 nm können Menschen         den privaten Einsatz: günstige LED-Leuchtmittel
dieses Licht aber nicht mehr wahrnehmen. Nacht-        mit geringem Stromverbrauch und insektenfreund-
falter beispielsweise nehmen aber Licht im Bereich     lichem Lichtspektrum findet man inzwischen in
von 280-600 nm wahr. Insekten werden deshalb           jedem Leuchtmittel-Geschäft. Anders als noch vor
von Lampen dieses Typs besonders angelockt.            einigen Jahren sind diese auch nicht mehr teurer in

22
der Anschaffung und haben außerdem eine länge-                     Streuobstwiesen
re Lebensdauer als herkömmliche Straßenlampen.         Alte Obstbaumwiesen sind eine Oase der
Projekte zur Umrüstung auf stromsparende und         Artenvielfalt. Sie sind blütenreich, bieten viele
insektenfreundliche Beleuchtung sind oftmals über     Unterschlupfmöglichkeiten für Insekten und
verschiedene Geldgeber förderfähig, wie beispiels-    zur Ernte auch für Menschen einen reichen
weise über den Fonds für Regionale Entwicklung der   Tisch. Gemeinden sollten alles daran setzen,
EU (EFRE).                                             bestehende Streuobstwiesen zu erhalten.
                                                      Bürger*innen sollten bei der Pflege beraten
Der BUND empfiehlt:                                  und beim Neuanlegen von Obstbaumwiesen
• Insektenfreundliche Leuchtmittel                                  gefördert werden.
  (Natriumdampf-Niederdrucklampen oder
  bevorzugt LED-Lampen) einsetzen                    Wenn hochstämmige Obstbäume weitflächig
• Unnötige Lichtemissionen durch Gehäuse mit         entweder in Reihe oder locker verstreut auf Wiesen
  Richtcharakteristik vermeiden                      oder Äckern angepflanzt sind, spricht man von
• Lampen möglichst niedrig anbringen, um eine        Streuobstwiesen. Sie werden in der Regel extensiv
  weite Abstrahlung in die Umgebung zu vermeiden     bewirtschaftet und bieten Hunderten von Tier- und
• Lampen verwenden, die nur nach unten strahlen      Pflanzenarten einen wertvollen Lebensraum auf
• Abgeschlossene Lampengehäuse gegen das 		          mehreren Stockwerken.
  Eindringen von Insekten einsetzen
• Gehäuse verwenden, deren Oberflächen nicht         Die Wiesen im Unterwuchs werden nur sehr selten
  heißer als 60°C werden                             gemäht und kaum oder gar nicht gedüngt. So werden
• Zeitschaltuhren, Dämmerungsschalter und            sie besonders arten- und blütenreich und bieten
  Bewegungsmelder einbauen.                          Insekten wie Bienen, Hummeln und Schmetterlin-
                                                     gen einen reich gedeckten Tisch. Außerdem finden
Insgesamt sollte Außenbeleuchtung sparsam            hier durch einen im Jahr meist späten Mahdzeit-
verwenden werden, insbesondere im Nahbereich         punkt Bodenbrüter eine Heimat. Spitzmaus, Feld-
von insektenreichen Biotopen. Dies hat auch den      maus und Igel profitieren gemeinsam mit Rehen,
Vorteil, dass weniger Energie verbraucht wird und    Hasen und Vögeln vom Fallobst um die Bäume. An
die Stromkosten sinken.                              den Stämmen der Obstbäume finden sich Flechten

                                                                                                    23
und Moose, in der Rinde leben Käfer. Auch morsche     Schafwolle und -fleisch etc.). Die Neuanlage von
Stellen im Holz werden von totholzbewohnenden         Streuobstwiesen befördert die Gemeinde, indem
Insekten genutzt. In den Baumhöhlen finden Singvö-    sie ihre Bürgerinnen und Bürger dazu berät und
gel und Spechte einen Nistplatz. Auch Fledermäuse     Zuschüsse für junge Bäume gewährt. Die Kommune
nutzen Spalten und verlassene Höhlen als Quartier.    kann natürlich auch selbst tätig werden. So eignen
Die Baumspitzen werden von diversen Brutvögeln        sich beispielsweise Streuobstwiesen im Rahmen
bewohnt, auch Garten- und Siebenschläfer suchen       von Kompensationsmaßnahmen hervorragend zur
hier nach Nahrung. Freistehende Äste dienen Greif-    ökologischen Aufwertung ehemals intensiv genutz-
vögeln als Ansitz bei der Jagd auf Mäuse.             ter Wiesen und Äcker.

Was können Sie tun?                                                     Friedhöfe
Streuobstwiesen sind in vielen Gegenden selten        Friedhöfe sind oft die größten Grünflächen in
geworden, da sie nicht die gleichen Erträge wie        Gemeinden und sollten für ihre Besucher in
Hochleistungs-Obstplantagen bringen. Wichtig ist,      einem gepflegten Zustand sein. Das schließt
die noch bestehenden Streuobstwiesen unbedingt           den Insektenschutz jedoch nicht aus. Die
zu erhalten, denn gerade die alten Bäume sind von     Artenvielfalt wird zum Beispiel erhöht, indem
hohem ökologischen Wert. Hier kann die Gemeinde       man Insekten-unfreundliche große Kiesflächen
bei der Pflege unterstützen, beispielsweise durch      zu Wiesen oder Staudenbeeten umwandelt
den Verleih von Maschinen (Balkenmähern) oder                  und auf Pestizide verzichtet.
indem sie kostenlose Kurse zum Obstbaumschnitt
anbietet. Wichtig ist, dass die Mahd den ökologi-     Friedhöfe sollen Orte der Stille und des Gedenkens
schen Grundsätzen zur Pflege von Grünfläche folgt.    sein. Hierzu gehört für die meisten Menschen auch
Diese können Sie hier nachlesen: Kapitel Grünflä-     ein gepflegtes Erscheinungsbild. Dieses schließt
chen auf S. 16                                        eine ökologische angepasste und insektenfreundli-
                                                      che Bewirtschaftung jedoch nicht aus. Häufig sind
Die Gemeinde kann Kooperationen zu Schäfern           Friedhöfe neben Parks die größten Grünflächen einer
vermitteln, um die Wiesen kurzzeitig beweiden zu      Gemeinde. Insbesondere alte Friedhöfe mit altem
lassen, unterstützen kann sie auch beim Vermarkten    Baumbestand sind in dicht besiedelten Gebieten die
der Produkte (von Säften, frischem Obst, Schnäpsen,   Bereiche mit der höchsten Artenvielfalt, gleichzeitig

24
ist der Besucherdruck in der Regel wesentlich gerin-   sowie die Aufteilung innerhalb des Friedhofs lassen
ger als in öffentlichen Parkanlagen.                   sich mit Hecken aus heimischen Gehölzen bepflan-
                                                       zen. Das Laub der Bäume sollte zudem im Herbst
Um das Potential von Friedhöfen zu nutzen und die      nicht überall entfernt werden, es bietet im Winter
Artenvielfalt weiter zu fördern, gibt es eine Viel-    vielen Insekten Unterschlupf und Nahrung.
zahl von Möglichkeiten, denn Friedhöfe vereinen
verschiedenste Lebensräume: Wiesen, Hecken, alte              Landwirtschaftliche Flächen
Bäume, Brachen, alte Gemäuer und blühende Beete                     und Pachtflächen
(siehe auch „Pflanzbeete“ S. 19). Eine einfache        Landwirtschaftliche Flächen sind nachweislich
aber dennoch wichtige Maßnahme für den Insek-             reicher an Insekten, wenn sie ökologisch
tenschutz ist der Verzicht auf Pestizide auf Wegen,      und ohne Pestizide bewirtschaftet werden.
Parkplätzen und Beeten sowie die Aufforderung an             Kommunen können eine schonende
die Besucher, bei der Grabpflege das Gleiche zu tun.         Bewirtschaftung fördern, indem sie
Größere temporär ungenutzte Bereiche lassen sich        entsprechende Klauseln in die Pachtverträge
mit regionalem Saatgut in Blühflächen umwandeln.       einfügen. Dafür gibt es bereits gute Beispiele.
Das spart Arbeit in der Pflege und bietet Nahrung                  Einfach nachmachen!
für tausende Insekten. Immer noch findet man auf
Friedhöfen große repräsentative Kiesflächen. Diese     Landwirtschaftlich genutzte Flächen spielen eine
sind Wüsten für heimische Insekten. Wege sollten       besonders wichtige Rolle für Insekten. Äcker und
so schmal wie notwendig gestaltet sein, der Rest der   Wiesen sind in der Regel wesentlich größer als
Flächen kann zu Staudenbeeten oder Blühwiesen          andere kommunale Grünflächen und bieten daher
umgestaltet werden. Das Mahdregime auf Flächen,        potentiell einer wesentlich größeren Zahl von
die nicht täglich betreten werden, kann zudem          Insekten einen Lebensraum. Andererseits werden in
ähnlich dem auf anderen öffentlichen Flächen           der konventionellen Landwirtschaft auch größere
(siehe S. 16) sein. Die Abgrenzung des Geländes        Mengen an Pestiziden und Insektiziden eingesetzt

                                                                                                       25
– einer der Hauptgründe für den starken Rückgang                           Gehwege
von Insekten. Auch wenn die Kommune selbst keine         Um Löwenzahn zwischen Kopfsteinpflastern
Landwirtschaft betreibt, gibt es einige Stellschrau-     zu entfernen, gibt es für Insekten (und für die
ben, um die Landwirtschaft in und um die Kommune         Anwohner) viel gesündere Verfahren als mit
insektenfreundlicher zu machen.                           der Giftspritze anzurücken. Das Kraut kann
                                                           mit großer Hitze abgetötet oder auch mit
Ein bewährter Ansatz, der bereits von vielen Gemein-     Bürsten weggekratzt werden. Entsprechende
den genutzt wird, ist die Aufnahme einer Klausel in        Geräte gibt es für den Hausgebrauch und
Pachtverträge mit Landwirten. Diese kann entwe-            auch passend für kommunale Fahrzeuge.
der das Verbot des Einsatzes aller oder bestimmter
Pestizide (Glyphosat und Neonikotinoide) enthal-        Gehwege, ob gepflastert oder asphaltiert, müssen
ten, oder eine Verpachtung nur an Bio-Landwirte.        aus Gründen der Verkehrssicherung von Bewuchs
Ökologischer Landbau hat erwiesenermaßen einen          frei gehalten werden. Obwohl das Pflanzenschutz-
äußerst positiven Effekt auf die Biodiversität in der   gesetz grundsätzlich das Ausbringen von Pestiziden
Landschaft – und damit auch auf Insekten.               auf befestigten Flächen wie Gehwegen und Plätzen
                                                        verbietet, werden hierfür häufig Ausnahmegeneh-
Auf Grünland kann die extensive Nutzung im Pacht-       migungen durch die zuständigen Landesbehörden
vertrag festgeschrieben werden, also kein minera-       erteilt. Durch Pestizide werden in der Regel nicht nur
lischer Dünger, spätere und seltenere Mahd oder         die ungewünschten Wildkräuter abgetötet, sondern
eine Beweidung mit traditionellen Weidetieren wie       auch Kleininsekten. Überleben sie die Behandlung,
Schafen, Ziegen und einheimischen, alten Rinder-        besteht die Gefahr dass sie von Vögeln oder Repti-
rassen. Auch die Verpflichtung zu größeren Saat-        lien gefressen werden und sich die Gifte so weiter
abständen, Blühflächen, Schutzmaßnahmen für             oben in der Nahrungskette ablagern. Dabei stehen
Lerchen, Feldhamster und Rebhuhn oder zur Pflan-        zum Kampf gegen den sogenannten „Unkrautdruck“
zung von Bäumen oder Hecken sind denkbar. Diese         auf gepflasterten Flächen zahlreiche nichtchemi-
Vorgaben können nach und nach bei der Vergabe           sche Alternativen zur Verfügung.
neuer oder der Verlängerung bestehender Pacht-
verträge eingeführt werden, da bereits bestehende       Einteilen lassen sich diese nichtchemischen Verfah-
Verträge in der Regel Bestandsschutz haben.             ren in zwei Gruppen: in thermische und in mechani-
                                                        sche Verfahren. Die thermische Unkrautentfernung
Entsprechende Beispiel-Pachtverträge finden Sie         erfolgt durch starke Hitze auf die Pflanzen, entwe-
unter: www.pestizidfrei-verpachten.de                   der in Form von Wasserdampf und Heißwasser, von
                                                        Infrarot oder durch direktes Abflammen. Der Effekt
                                                        ist immer der Gleiche: Durch die starke Hitze (von
                                                        mehr als 90°C) gerinnt das Eiweiß in den Zellen
                                                        der Pflanzen, gleichzeitig bringt die sich ausdeh-
                                                        nende Zellflüssigkeit die Zellen zum Platzen. Die

26
behandelten Pflanzenteile sterben sofort ab, durch                  Straßenbäume
wiederholte Behandlungen ist bei mehrjährigen        Vor allem alte Straßenbäume verbessern die
Unkräutern auch eine Wurzelwirkung gegeben.            Luft sowie das Klima in der Stadt und sie
                                                     reduzieren den Lärm. Für das Wohlbefinden
Die mechanische Unkrautentfernung funktioniert         der Bevölkerung sind sie somit essentiell.
in der Regel durch rotierende Drahtbürsten, welche    Ebenso für Insekten. Kommunen sollten den
die Pflanzen aus den Zwischenräumen herauskrat-      Schutz und die Pflege alter Baumbestände an
zen. Auch diese Geräte lassen sich an Fahrzeuge      allererste Stelle setzen – und dort, wo irgend
anbauen. Für beide Verfahren existieren Lösun-        möglich, zusätzlich neue Bäume pflanzen.
gen zum Anbau an kommunale Fahrzeuge (Klein-
schlepper oder ähnliches) sowie Handgeräte für den   Bäume finden sich in jeder Stadt oder Gemeinde.
Hausgebrauch. Sie benötigen keine Ausnahmege-        Sie säumen Straßen und Plätze und bilden auf dem
nehmigung nach dem Pflanzenschutzgesetz.             Land an Straßen Alleen. Gerade in dicht bebau-
                                                     ten Innenstädten erfüllen Bäume äußerst wichtige
Der BUND empfiehlt den Kommunen als umwelt-          (nicht nur) ökologische Funktionen.
verträglichste Alternative den Einsatz von mecha-
nischen Verfahren.                                   Straßenbäume, als herausragende natürliche
                                                     Elemente im Straßenraum, unterliegen in der Zahl
Eine gute Zusammenstellung von verfügbaren Geräten   zwar den Park- und Gartenbäumen, haben für die
gibt es hier.                                        Stadt aber wegen ihrer Exponiertheit eine beson-
                                                     ders große Bedeutung: Sie sind im alltäglichen
                                                     Leben unmittelbar erlebbar, sie spenden in heißen
                                                     Sommern Schatten, schützen vor Wind und Regen,
                                                     lassen die Jahreszeiten erleben und sind Lebensort
                                                     für unzählige Tiere und in ihren Baumscheiben auch
                                                     für weitere Pflanzen. Außerdem wirken Bäume wie
                                                     kleine Klimaanlagen in der Stadt: Sie senken nach-

                                                                                                    27
weisbar die Umgebungstemperatur um bis zu 10°C.       digen Ämter, Streusalz im Winter und schlech-
Dies geschieht durch die Überschattung großer         te Behandlung bei Baumaßnahmen sind weitere
Bereiche und indem die Bäume Wasser über ihre         Reibungspunkte.
Blätter verdunsten.
                                                      Da Bäume bis zur vollen Entfaltung ihrer Wohl-
Bäume verringern auch die Schadstoffbelastung         fahrtswirkungen Jahrzehnte benötigen, ist dem
in der Luft. Feinstaub lagert sich auf den Blättern   Schutz alter Bäume absoluten Vorrang vor Nach-
ab und wird später vom Regen in die Kanalisation      pflanzungen einzuräumen. Ein ernsthafter städ-
befördert, wo er nicht mehr gefährlich ist. Bäume     tischer Naturschutz setzt sich dafür ein, dass
nehmen auch Stickoxide in ihre feinen Blattöff-       Straßenbäume samt ihrer Baumscheiben erhalten
nungen auf. Indem Bäume der Luft Kohlendioxid         bleiben und gepflegt werden. Das befriedigt auch
entnehmen und Sauerstoff ausstoßen, tragen sie        das wichtige Bedürfnis der BewohnerInnen nach
zur gesunden Luft in der Stadt und zum Klimaschutz    unmittelbarem Naturerleben.
bei. Mit ihren dicht belaubten Kronen schwächen
Laubbäume zudem vor allem im Sommer die Schall-       Wir empfehlen:
reflexion zwischen den Häuserfronten ab. Die Stadt    • Straßenbäume sollten durch bessere Pflege
wird also durch sie ruhiger. Und: Lärm wird als         und schonendere Behandlung bei jeglicher Art
weniger belästigend empfunden, wenn Lärmquellen         von Bauprojekten im kommunalen Raum
zum Beispiel durch Bäume, verdeckt sind.                erhalten bleiben,
                                                      • Baumschutzverordnungen bzw. -satzungen
All dies macht Bäume für viele Stadtbewohner zu         sollten so gestaltet und umgesetzt werden, dass
einem Kristallisationspunkt für städtisches Wohl-       sie den Baumbestand effektiv sichern,
befinden und Naturschutzbewusstsein. Gleichzeitig     • durch ein kommunales Baumkataster sollte der
ist die Stadt für den Baum aber auch ein extremer       Bestand ermittelt und dessen Entwicklung
Standort: Durch die versiegelte und stark verdich-      dokumentiert werden,
tete Oberfläche kommt wenig Wasser bis an die         • an neu angelegten Straßen und – wo irgend
Wurzeln, die Abwärme und Strahlung von Bauwer-          möglich – an existierenden, baumlosen Straßen
ken erhöht die Umgebungstemperatur. Häufig ist          sollten neue Bäume gepflanzt werden,
auch das Wurzelwachstum durch Pflanzgruben            • in besonders heißen und trockenen Sommer
eingeschränkt. Mangelnde Pflege durch die zustän-       sollten die Bürger dazu aufgefordert werden,

28
beim Gießen der Bäume zu helfen,
• Reduzierung der Streusalzmenge.

Bei Neupflanzungen muss entsprechendes Augen-
merk auf die Auswahl der Baumarten gelegt
werden. Diese sollten dem Stadtklima (das dem
Klimawandel besonders stark ausgesetzt werden
sein wird) angepasst sein und den höheren Tempe-
raturen, Trockenperioden und Belastungen durch
Abgase standhalten können. Allerdings Vorsicht
bei Exoten: Viele standortfremde Baumarten sind
zwar eventuell resistenter gegenüber Hitzestress.
Allerdings finden einheimische Insekten dort kaum
Lebensraum. Auch invasive Insektenarten haben oft
keine natürlichen Feinde, wodurch sie sich zahlreich
vermehren können und viele Kommunen nur noch
Insektizide als Ausweg sehen. Bei Neupflanzungen
von Straßenbäumen sollte deshalb eher auf heimi-
sche Arten wie Traubeneiche, Esche oder Winterlinde
gesetzt werden.

Umfangreiche Informationen zum Thema finden
sich bei der Bayerischen Landesanstalt für Wein-       Anfang ist gemacht, wenn der Schulhof pestizidfrei
und Gartenbau, die seit vielen Jahren Studien zum      gepflegt wird. Dies ist auch leicht zu vermitteln: Wer
Thema Stadtgrün durchführt.                            will schon Gifte dort, wo unsere Kinder spielen. Aber
                                                       Schulhöfe bieten noch viel mehr Möglichkeiten der
Weitere Informationen gibt es auch hier:               ökologischen und Insektenfreundlichen Gestaltung.
https://www.grueneliga-berlin.de/themen-               Generell gilt: Umso grüner und wilder, umso mehr
projekte2/umweltberatung/baumschutz-in-berlin/         können Kinder und Jugendliche den Ort nutzen, um
strasenbaume/                                          Naturerfahrung zu machen und eigene Abenteuer
                                                       zu erleben. Versiegelte Flächen können aufgebro-
      Spielplätze, Sportplätze und                     chen werden, regionale Stauden und Hecken sowie
                 Schulhöfe                             Bäume als Schattenspender gepflanzt werden. Tolle
   Dort, wo Kinder sich aufhalten muss der             Konzepte finden sich auch unter dem Stichwort
     Einsatz von Pestiziden tabu sein. Ein             „Essbare Stadt“ oder „Essbarer Pausenhof“, wo die
   naturnaher Schulhof, Spielplätze, die mit           Voraussetzung bei jeder Neupflanzung die Essbar-
Obstbäumen gesäumt sind oder wildwüchsige              keit der Früchte der Pflanzen ist. Ein guter Kontakt
Blumenwiesen an Sportplätzen: Das alles hilft          zum Hausmeister oder der Hausmeisterin sind hier-
nicht nur den Insekten, sondern sind zentrale          bei wichtig.
  Bausteine, um den Kindern und auch ihren
Eltern die Natur näher zu bringen. Los geht’s!         Naturnahe Schulhöfe sind auch grüne Klassenzim-
                                                       mer. Im Biologieunterricht lassen sich zusammen
Orte, an denen sich unsere Kinder aufhalten, soll-     mit den SchülerInnen tolle Projekte mit Insekten
ten sicher und frei von Gift sein. Sie bieten großes   entwickeln, von der Beobachtung bis zur Herstellung
Potential für Umweltbildung, und zwar nicht nur        von geeigneten Lebensräumen auf dem Schulgelän-
für Kinder und Jugendliche: Schülerinnen und           de. Hilfe bei der Umsetzung eines grünen Schulhofs
Schüler tragen Gelerntes zu den Eltern weiter und      bietet z.B. die Beratungsstelle „Grün macht Schule“.
auf dem Spielplatz können die Erwachsenen sich
beim Warten auf die Kleinen informieren. Ein erster

                                                                                                          29
Sie können auch lesen