Inspirationen für die kulturelle Bildung - Museumspädagogik in Japan und Deutschland
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editorial Der Sinn und Nutzen von Austauschprogrammen erscheint manchmal fraglich, insbesondere die Nachhaltigkeit der im Ausland erworbenen Er- kenntnisse und deren Übertragbarkeit in die eigene Arbeit. Im Falle der deutsch-japanischen Austauschprogramme 2012-14 des Bundesverbands Museumspädagogik (BVMP) äußern sich die TeilnehmerInnen aus Japan und Deutschland mit einem klaren Ja zum Nutzen ihrer Aufenthalte. Nachdem schon in vergangenen Jahren in Standbein Spielbein (Heft Nr. 94 und Heft Nr. 100) über den japanisch-deutschen Austausch geschrieben wurde, berichten die AutorInnen in diesem Heft abschließend über ihre Erfahrungen, die sie in den drei Jahren im Austauschprogramm machten. Dabei kommen nicht nur die deutschen KollegInnen zu Wort, sondern auch drei KollegInnen aus Japan. Den am Austausch Beteiligten war dieser Perspektivwechsel wichtig, um den wechselseitigen Blick auf die jeweils andere Kultur und speziell um die Unter- schiede im Museumswesen deutlich zu machen. Bei einem Abschlusstreffen im April 2014 legten die anwesenden KollegInnen die relevanten Themen für dieses Schwerpunktheft fest. Deutlich wurde dabei, dass sich die Auswahl an den aktuell in der Museumspädagogik in Deutschland und Japan und speziell im BVMP diskutierten Fragestellungen orientiert. Mit „Inspiration Japan“ vermittelt uns Nicole Scheda in der Einleitung ei- nen persönlichen Blick auf den Austausch. Im Artikel von Beatrix Comman- deur und Rolf Witte, Leiter des Bereichs „Kulturelle Bildung International“ bei der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) in Impressum Remscheid, wird ein Überblick über die Austauschprogramme mit ihren Fra- Standbein Spielbein. Museumspädagogik aktuell gestellungen und den Interessen der BKJ und des Bundesministeriums für Fa- Nr. 104, April 2016 Herausgeber: milie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gegeben. Es schließen sich an Bundesverband Museumspädagogik e.V. ein Artikel von Anka Bolduan und Hannelore Kunz-Ott zum Thema „Qua- www.museumspaedagogik.org/standbein/standbein.php4 Chefredaktion: lifizierung für die Vermittlungsarbeit an Museen“, ein Thema das im BVMP Romy Steinmeier aktuell in der Fachgruppe „Qualifizierung“ bearbeitet wird. Da das Thema Eidelstedter Weg 63a für den BVMP derzeit so virulent ist, baten wir die japanische Kollegin Yôko D-20255 Hamburg fon + fa x: +49 (0) 40-491 69 59 Terashima über die Ausbildung zum „museums educator“ in Japan zu schrei- E-mail: romy.steinmeier@gmx.de ben. Anne Marr und Uwe Rautenberg geben uns Beispiele dafür, dass „Le- Themenredaktion: Anka Bolduan, Nicole Scheda benslanges Lernen“ unter ganz anderen gesellschaftlichen Voraussetzungen Redakteur Forschung: in Japan schon seit Jahren in Museen praktiziert wird. Dr. Matthias Hamann Tobias Nettke schreibt über die Bedeutung der japanischen Museen für Familien und den zu Titelbild: Uwe Rautenberg Deutschland unterschiedlichen Konzepten der Vermittlungsarbeit. Die The- Layout und Satz: men „Museum und Schule“ und „Volunteers“ wurden jeweils aus deutscher typografik, Michael Schulz, Hamburg E-mail: ms.typografik@gmx.de und japanischer Sicht von den AutorInnen Dr. Simone Mergen und dem japa- Druck: nischen Kollegen Mitsuo Kani und von Susanne Ristow und Issey Ikeuchi be- Druckerei der JVA Fuhlsbüttel, Hamburg arbeitet. Tanja Petersen erläutert zum Thema Partizipation in Japan, dass dies Anzeigen: Preise nach Anzeigenpreisliste 1/16, nicht nur als „Mitmachen“, sondern als „Teilhabe“ von Besucherinnen und Redaktionsschluss für Anzeigen nach Absprache Besuchern, also ein Mitgestalten an Inhalten und Formen verstanden wird. Erscheinungsweise und Bezug: Lassen Sie sich inspirieren von der Vielfalt der Erfahrungen, welche die Standbein Spielbein. Museumspädagogik aktuell TeilnehmerInnen der Austauschprogramme gemacht haben und bringen Sie erscheint 3x jährlich (Jahresabo EUR 22,–, Einzelheft EUR 8,–) die Themen in die Diskussionen mit KollegInnen und in die Fachgruppen und Für Mitglieder des Bundesverbandes Museumspädagogik e.V. Verbände ein. ist der Bezug der Zeitschrift im Mitgliedsbeitrag enthalten. Bank verbindung: Anka Bolduan und Nicole Scheda IBAN: DE90 2001 1002 0000 3280 205 (Redaktion Schwerpunktthema) Copyright bei den Herausgebern. Die Artikel geben nicht notwendigerweise die Meinung Die August-Ausgabe von Standbein Spielbein hat den Schwerpunkt „Ethno- der Herausgeber und der Redaktion wieder. logische Bildung in Museen und der Pädagogik“. Redaktionsschluss ist der ISSN 0936-6644 Standbein Spielbein. Museumspädagogik aktuell Nr. 105 15. Juni 2016. erscheint im August 2016. Redaktion Schwerpunktthema: Redaktionsschluss ist der 15.Juni 2016. Veronika Ederer: veronika.ederer@mobile-kultur-paedagogik.de Wir freuen uns über LeserInnenbriefe und Manuskripte, b ehalten uns allerdings Abdruck, Kürzungen und Änderungen vor. 2 Standbein Spielbein • No. 104 / 2016
inhalt thema Nicole Scheda, Inspiration Japan. Eine persönliche Anmerkung 4 Beatrix Commandeur/Rolf Witte, Deutsch-Japanische Studien programme für Fachkräfte der Museumspädagogik 2012–2014 6 Yôko Terashima, Die Notwendigkeit von grundlegenden Kriterien für die Ausbildung von MuseumspädagogInnen 11 Anka Bolduan/Hannelore Kunz-Ott, Qualifizierung für die Vermittlungsarbeit an Museen 14 Anne Marr/Uwe Rautenberg, Lebenslanges Lernen in Japan 17 Matthias Hamann, Familie im Museum – deutsch-japanische Parallelen(?) 21 Mitsuo Kani, Educational Activities at Museums for School Groups 25 Simone Mergen, Schule und Museum in Japan 28 Issey Ikeuchi, Voluntary Work in Museums 31 Susanne Ristow, Zum Stellenwert des Ehrenamtes in japanischen und deutschen Museen 34 Tanja Petersen, Partizipation in japanischen Museen 37 projekte Sylvia Günther/Annette Scherer, Spielzeug aus der „schlechten Zeit“ 40 Kathrin Gabler, All included: User generated Content im staatlichen Museum Ägyptischer Kunst München 45 museobilbox Johanna B. Lohff, Ein Museum für die Kinder der Zukunft 48 forschung Nora Wegner, Publikum für Dauerausstellungen gewinnen? 51 rubriken editorial 2 impressum 2 rezension 57 treffen – tipps – termine 59 neues vom verband 62 Standbein Spielbein • No. 104 / 2016 3
thema Inspiration Japan Eine persönliche Anmerkung Nicole Scheda Im November 2012 fuhren wir – sieben Mitglieder des Bundesverbands Mu- seumspädagogik – unter der Leitung von Beatrix Commandeur nach Japan, um an einem Fachkräfteaustausch für Museumspädagogen teilzunehmen. Jeder von uns hatte sicher andere Erwartungen, aber allen war klar, dass die eigenen museumspädagogischen Erfahrungen und Ideale auf dem Prüfstand standen. Nicht anders erging es den sieben Museumspädagogen, die sich 2013 und dann 2014 unter meiner Leitung ins „Land der aufgehenden Sonne“ auf- Foto: Birgit Baumgart machten und mit einem Rucksack voll von unverwechselbaren Erlebnissen und Erkenntnissen wiederkamen. Alle Teilnehmer des dreijährigen Austauschprogramms sprachen auf der Abschlussveranstaltung im Ap- ril 2014 davon, dass die Erfahrungen und Begegnungen in Japan zu den großartigsten Auslandserfahrungen gehörten, die sie je gemacht haben. Was also ist passiert in diesen drei- mal zwei Wochen? Was machten sie so ungewöhnlich? Vielleicht war es die Intensität, die ständige Reflexion im Kollegenkreis – von morgens früh bis abends spät – über das gerade Erlebte. Durch die Struktur des Austauschprogramms hatten wir viele Gelegenheiten, über die eigenen und die fremden Werte und Strukturen insbesondere in Be- zug auf unsere Profession nachzu- denken. An jedem Tag, den wir in Japan verbrachten, hatten wir ein dichtes Programm. Wir besuchten täglich mehrere Museen und lernten deren museumspädagogische Pro- gramme und Ausstellungskonzepte kennen. Wir trafen etliche japanische Kolleginnen und Kollegen, die alle so freundlich, hilfsbereit und sehr be- müht waren, aus unserem Aufenthalt in ihrem Land den bestmöglichen zu machen. Wie oft habe ich gedacht, von so viel Zugewandtheit – gerade weil sie nicht nur persönlich, sondern durchaus als professionelle Unter- stützung gemeint war – kann ich mir echt eine Scheibe abschneiden. Wenn man den ganzen Tag mit Kollegen verbringt – deutschen wie japanischen – dann vermischt sich 4 Standbein Spielbein • No. 104 / 2016
5 Foto: Birgit Baumgart bald Persönliches mit Beruflichem. Da werden persönli- Spaß haben können, die sich mit spontaner Kreativität che Erfahrungen zu Erlebnissen, die dann Erkenntnisse und freiem Gestalten schwer tun. Die Kinder, die das zu- für die museumspädagogische Arbeit bringen: Wir alle hause nicht gelernt haben. Die sich erst als Individuum ahnten wahrscheinlich nicht, dass „Deutschsein“ in Ja- finden müssen. Die kulturelle Bildung hat in Japan sehr pan bedeutet, eine Truppe von Chaoten zu sein. So muss- viel mehr mit einer „Kultur für alle“, mit einer demokra- ten wir uns von der japanischen Exkursionsleitung in der tischen – für alle gleich geltenden Lernerfahrungen – zu Warteschlange am Bahnhof recht rüde in Reih und Glied tun als wir deutschen Museumspädagogen auf den ersten rückten lassen und wurden für unser undiszipliniertes Blick gedacht haben. Sehr inspirierend! Anstehen mit einem bösen Blick bestraft. Wir waren zu laut, zu auffällig. Dabei hatten wir uns fest vorgenom- Nicole Scheda nicole.scheda@gmx.de men, alles zu tun, was sie von uns verlangte. Aber: ver- gebliche Liebesmüh, wenn man die Regeln nicht kennt. Nicole Scheda ist seit Ende der 1980er Jahre Wir hatten sie nicht gelernt, anders als die japanischen museumspädagogisch tätig. Seit 1992 arbeitet Schüler, die wir in den Museen dabei beobachten konn- sie schwerpunktmäßig in der Museumspäd- ten, wie sie geduldig in langen, ordentlichen Reihen vor agogik und Veranstaltungskonzeption beim LVR-Industriemuseum. Ehrenamtlich ist Ni- den Objekten saßen und den Ausführungen der japani- cole Scheda seit 1993 in verschiedenen Funk- schen Museumspädagogen lauschten. Wie sie alle das tionen beim Bundesverband Museumspäd- gleiche Bild gestalten sollten und dazu angehalten wur- agogik engagiert. So vertritt sie derzeit den den, im gleichen Winkel wie im Vorbild die vorbereiteten Bundesverband bei der Bundesakademie für Materialien aufzukleben. Eine Museumspädagogik fern kulturelle Bildung in Wolfenbüttel. von den deutschen Ideen des kreativen Chaos. Fern von der Idee „je individueller desto kreativer desto besser“! – das Credo der kulturellen Bildung in Deutschland, mit dem ich museumspädagogisch groß geworden bin. Zunächst irritierte mich diese andere, „japanische“ Idee vom Lernen, das vor allem auf Nachahmen beruht. Sie passte nicht zu meinen Idealen. Aber dann fand ich diese andere Art der kulturellen Bildung sehr anregend. Vielleicht muss ich in meiner museumspädagogischen Arbeit auch mehr mit Vorbildern arbeiten? Mit Chance auf Nachahmung, so dass auch die Kinder lernen und Standbein Spielbein • No. 104 / 2016 5
thema Deutsch-Japanische Studien programme für Fachkräfte der Museumspädagogik 2012 bis 2014 Beatrix Commandeur / Rolf Witte Der Bundesverband Museumspädagogik (BVMP) hat in den Jahren 2012 bis 2014 das Deutsch-Japanische Studienprogramm durchgeführt. Programm- verantwortliche und Delegationsleitung waren Beatrix Commandeur (2012 und 2013) und Nicole Scheda (2014). TeilnehmerInnen auf beiden Seiten wa- ren MuseumspädagogInnen aus den unterschiedlichsten Museen und Bun- desländern. Das Programm diente dem intensiven Austausch zwischen den deutschen und japanischen TeilnehmerInnen, dem Kennenlernen zahlreicher japanischer und deutscher Museen, der Begleitung unterschiedlichster mu- seumspädagogischer Programme und gab Zeit für intensiven Austausch und Diskussionen zur Museumspädagogik. Seit vielen Jahren finanziert das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) im Rahmen des Kinder- und Jugendplanes (KJP) das Deutsch-Japanische Studienprogramm für Fachkräfte im Bereich der kul- turellen Kinder- und Jugendbildung. Als Partnerorganisation des Ministeri- ums fungiert in Deutschland die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) mit ihrem Bereich „Kulturelle Bildung International“ (Ansprechpartner: Rolf Witte) und mit dem früheren BKJ-Vorstandsmitglied Japanisches Essen. Lutz Lienke als fachkundigem Ansprechpartner und japankundigem Vertre- Foto: Beatrix Commandeur ter des Fachverbands für Kunstpädagogik (BDK). In den Jahren vor 2012 wur- den Studienprogramme in den Be- reichen Tanz-, Musik-, Theater- und Kunstpädagogik durchgeführt. Die Studienprogramme zur Kunstpäda- gogik wurden gemeinsam von BDK und dem Bundesverband der Jugend- kunstschulen und kulturpädagogi- schen Einrichtungen (bjke) betreut und organisiert. Auf japanischer Seite hat von 2007 bis 2011 der Japan Arts Council (JAC) die Programme zwi- schen Theater- und KunstpädagogIn- nen begleitet und koordiniert. Für die museumspädagogischen Studienprogramme von 2012 bis 2014 waren auf der japanischen Seite das Ministry of Education, Cul- ture, Sports, Science & Technology (MEXT) und die Japanese Associa- tion of Museums (JAM) unsere ver- antwortlichen Partner. Für die deutschen Museumspäd- agogInnen begann das Austausch- programm jeweils mit einem inter- 6 Standbein Spielbein • No. 104 / 2016
kulturellen Seminar. Dr. Heike Patzschke, Japanologin ●● ie sind die finanziellen, organisatorischen und per- W aus Köln, fungierte nicht nur während der Programme sonellen Grundlagen der museumspädagogischen Ab- in Deutschland als hervorragende Übersetzerin, sondern teilungen in den unterschiedlichen Museumsarten? führte die KollegInnen auch höchst fachkundig in die ●● Wer ist im Museum für die Museumspädagogik zu- japanische Lebensweise und in kulturelle Unterschiede ständig und wie werden diese Personen ausgebildet? ein. So gerüstet sind alle Teilnehmenden gut informiert ●● W ie und mit welchen Methoden erreichen wir Kinder in die Austauschprogramme gestartet. Insbesondere für und Jugendliche in der Schule und im Kindergarten? die Aufenthalte in Japan waren diese Erläuterungen und ●● F rühkindliche Bildung im Museum: Mit welchen Me- Hinweise zur japanischen Lebensart von unschätzbarem thoden erreicht man Kinder im Alter bis 7 Jahren? Wert. Es ist allerdings auch deutlich hervorzuheben, dass ●● Das Museum als Bildungsort für Schülerinnen und es das Verdienst sowohl von Frau Morii (Hauptverant- Schüler: Was unterscheidet Bildung im Museum zu wortliche der Partnerorganisation JAM in Japan) und von Bildung im Unterricht? Ist der Besuch von Museen Teil Herr Handa, als auch allen anderen japanischen KollegIn- der schulischen curricularen Aufgaben? nen war, die Begegnungsaufenthalte jenseits aller fachli- ●● W ie sind langfristige Kooperationen zwischen beiden chen Kompetenzen besonders angenehm gemacht zu ha- Ländern möglich? ben und so kulturelle Barrieren oder Unterschiede kaum ●● W ie und mit welchen Methoden erreichen wir Kinder spürbar geworden sind. und Jugendliche im Freizeitbereich? Für alle deutschen Teilnehmenden waren die Japanauf- ●● Inklusion/ Museum für alle: Wie erreichen wir Kinder enthalte auch neben dem intensiven und fachlichen Aus- und Jugendliche, die bisher nicht zu den BesucherIn- tausch über museumspädagogische Themen zur Kinder- nen zählten: zum Beispiel junge Menschen mit Behin- und Jugendbildung unvergleichliche Erlebnisse. derung, mit Migrationshintergrund, aus bildungsfer- Alle japanischen und deutschen TeilnehmerInnen nen Schichten etc.? Welche Methoden gibt es? Wie betonten ausdrücklich die große Bedeutung des jeweils muss eine barrierefreie Ausstellung, ein Museum für eingeplanten kurzen Homestay, einem Aufenthalt in ei- alle aussehen? ner gastgebenden Familie. Der Austausch auf beruflicher ●● Welche Kooperationen gibt es mit MultiplikatorInnen, Ebene, aber auch als Gast in privater Atmosphäre, wurde LehrerInnen, PädagogInnen, anderen kulturpädagogi- von allen Teilnehmenden äußerst positiv beurteilt. schen Einrichtungen etc.? Grundsätzlich dienen die Studienprogramme der ●● Politische Bildung im Museum: Wie vermittle ich Ge- beruflichen Qualifizierung der beteiligten Fachkräfte. schichte im Museum an SchülerInnen? Wie sehen Ge- Grundfragen sind: Wie sind die kulturell unterschiedli- denkstätten/ Historische Museen in Deutschland und chen Systeme in Japan und Deutschland im Bereich der Japan im Vergleich aus? Museumspädagogik vergleichbar? Welche interkulturell ●● Die Rolle von ehrenamtlicher Tätigkeit im Museum. wertvollen Sichtweisen dienen einem fundierten gegen- ●● Qualifizierung in der Museumspädagogik: Wie sehen seitigen Verständnis und einer möglichen zukünftigen Ausbildung und Fortbildung in Japan und Deutsch- offenen Annäherung? Welche bisherigen Sichtweisen land im Vergleich aus? verhindern einen Dialog auf Augenhöhe, welche (über- ●● Evaluation der museumspädagogischen Arbeit: Wel- holten) Bilder der Arbeit und des kulturellen Lebens der che Methoden der BesucherInnenforschung, Evalua- jeweiligen Partner existieren? Welche guten Methoden, tion, Wirkungsforschung gibt es? Ansätze und Ideen lassen sich übertragen und in die ei- gene Arbeit als neue Qualität integrieren? Wie verändert Ergebnisse sich die Wahrnehmung durch den interkulturellen Aus- tausch und welche Auswirkungen hat dies auf die kultu- Trotz vieler Ähnlichkeiten erkannten die TeilnehmerIn- relle Kinder- und Jugendarbeit am eigenen Arbeitsplatz? nen, dass deutsche und japanische Museen vielfach an- Die Austauschprogramme 2012-2014 hatten im We- dere Prämissen setzen und aus anderen Ursprüngen he- sentlichen zum Ziel, folgende gemeinsam mit den Part- raus agieren. Die japanischen kulturellen Besonderheiten nern entwickelte Fragestellungen durch zugehörige spiegeln sich auch und gerade in den Museen und deren Programmbausteine im Feld der Museumspädagogik zu Selbstverständnis wider. Museen gelten als Orte der Bil- beleuchten, vertieft zu diskutieren und durch Praxiser- dung, aber auch der Kontemplation. Dies beeindruckte fahrungen in Form von Workshops und Hospitationen die deutschen DelegationsteilnehmerInnen nachhaltig erfahrbar zu machen: – haben doch in der deutschen Museumslandschaft die ●● Gibt es Verbände der MuseumspädagogInnen? Themen Freizeit, Spaß sowie Event mittlerweile oft vor- ●● Sind sie spartenmäßig organisiert? rangige Bedeutung bekommen. ●● Wie ist eine Vernetzung möglich? Es gibt mithin auch große Unterschiede in den Zielen ●● Welche Möglichkeiten gibt es auf japanischer Seite, ein der Museumspädagogik für Schulkinder in Japan und Netzwerk von MuseumspädagogInnen zu schaffen? Deutschland: In Japan wird hauptsächlich an der Sach- Standbein Spielbein • No. 104 / 2016 7
5 Deutsches Essen. Foto: Koya Akiyama kompetenz der SchülerInnen gearbeitet. In Deutschland für Erwachsene (Einzel- wie Gruppen-BesucherInnen) dagegen geht es gleichberechtigt auch um die Vermitt- vorgehalten werden. So wurden etwa die Fragen erörtert, lung anderer Kompetenzen (wie z.B. Urteilskompetenz, ob es einen intergenerativen Dialog gibt, welche inklusi- Handlungskompetenz). ven Angebote für SeniorInnen, Demenzkranke und Men- Insbesondere im Verhältnis von Museum und Schule schen mit Behinderungen existieren, oder wie das Thema ist es von erheblicher Bedeutung, dass das japanische Migration aufgegriffen wird. Schulsystem gänzlich anders organisiert ist und Lern- Von besonderem Interesse war für alle Teilnehmenden methoden gravierend vom deutschen System abweichen. auch, wie Museen organisiert sind, insbesondere welche In viele japanische Museen sind deshalb LehrerInnen für Mitarbeiter-Strukturen es gibt. In diesem Zusammen- mehrere Jahre abgeordnet. Didaktische Grundzüge der hang war für die AustauschteilnehmerInnen natürlich Schule werden auf die Museumsinhalte übertragen. Im von vorrangiger Bedeutung, wie die Museumspädagogik Vordergrund steht dabei, genau zu schauen, welche Kom- personell aufgestellt und organisatorisch in die Muse- petenzen das Kind mitbringt und wie diese gezielt geför- umsarbeit eingebunden ist. Ebenso spielten Ausbildung dert werden können. Dies alles macht sich natürlich auch und Dotierung von MuseumspädagogInnen eine Rolle. in der Museumspädagogik mit SchülerInnen bemerkbar, Ferner wurden Fragen zur Qualitätssicherung und Eva- wie einige wenige Stichpunkte zeigen: luation von Programmen sowie Zahlen und Fakten, aber So gilt etwa die Wiederholung von Lernstoff in Japan auch die Rolle von Museen in der Gesellschaft, diskutiert. als wichtiges Element museumspädagogischer Arbeit, Für die TeilnehmerInnen aus Japan waren neben den was den vom hiesigen Verständnis von Museumspädago- spezifisch museumspädagogischen Fragen vor allem der gik geprägten deutschen Teilnehmenden eher fremd an- museale Umgang mit Geschichte sowie das Verständnis mutete. Ähnliches gilt für die Nachahmung als Lehr- und vom Museum als Ort der Freizeit bedeutsam. Darüber Lernprinzip, der zuweilen der Vorrang gegenüber freiem, hinaus fand die föderale Struktur und Trägerschaft der kreativen Arbeiten eingeräumt zu werden scheint. Die- Museumslandschaft in Deutschland auf Bundes-, Lan- sem insgesamt eher edukativen, auf Vermittlung abruf- des- und kommunaler Ebene besonderes Interesse. baren Wissens ausgerichteten Ansatz entspricht auch das Zur Darstellung von Geschichte und dem Umgang mit Maß an Disziplin, welches von den SchülerInnen und Ju- Geschichte in Museen bemerkte Satomi Okazaki in Bezug gendlichen bei der Teilnahme an museumspädagogischen auf das Haus der Geschichte in Bonn: Die Darstellung der Programmen erwartet wird. Objekte in den Museen und wie BesucherInnen an die Da Museen nicht nur für Kinder und Jugendliche Pro- Objekte heran geführt werden, sei für sie neu und unge- gramme anbieten, interessierte sowohl die deutschen wie wöhnlich. BesucherInnen können selbst ihren Weg durch auch die japanischen KollegInnen, welche Programme die Ausstellung finden und übernehmen dabei eine aktive Rolle. Mayumi Iuchi zum Museum Neukölln: „Hier werden über die Ob- jekte die Geschichten der Menschen bewahrt und vermittelt. Nicht nur Kinder brauchen einfache, verständ- liche Vermittlungsformen, sondern alle BesucherInnen. Nicht nur Wissen wird abgefragt, sondern es kommt auch darauf an, wie die Objekte wir- ken und wie die BesucherInnen die Ausstellung ref lektieren.“ Dass Ge- schichte in deutschen Museen auch bildungsfernen Zielgruppen ver- mittelt werden kann, erwähnte eine Teilnehmerin als positiv. Ihr war auf- gefallen, dass gerade auch Geschichte von schwierigen Zeiten in deutschen Museen thematisiert werde. Die deutschen TeilnehmerInnen in Japan beeindruckten unter ande- rem folgende Themen: die hohe Zahl an ehrenamtlich Tätigen in Museen sowie die Friedenserziehung im Mu- seum. 8 Standbein Spielbein • No. 104 / 2016
In der japanischen Museumslandschaft sind ehren- trieben werden? Wie können zukünftige Generationen, amtliches Engagement und generationenübergreifendes insbesondere Kinder und Jugendliche, an dieses Thema Lernen zwei untrennbare Seiten einer Medaille. In Japan herangeführt werden? ist vor allem der Zusammenhang zwischen lebenslangem Lernen und dem Einsatz als Volunteer von großer Be- Wie geht es weiter? deutung. Um ehrenamtlich arbeiten zu können, benötigt man Wissen und Bildung – damit ist lebenslanges Ler- Von allen Seiten wurde die Fortsetzung des fachlichen nen gewissermaßen garantiert. Das sorgt einerseits für und kollegialen Austauschs nach Abschluss der sechs vom selbstgesteuerte Lernprozesse bei den Volunteers und an- BMFSFJ finanzierten Studienprogramme in beiden Län- derseits unterstützen die ehrenamtlichen Mitarbeitenden dern ausdrücklich gewünscht. Dies muss nun allerdings die BesucherInnen beim Lernen. ohne die solide Grundfinanzierung aus dem Kinder- und Die japanische Seite berichtete, dass die unzähligen Jugendplan des Bundes bewerkstelligt werden, denn die ehrenamtlichen Mitarbeitenden und deren vielfältige Förderung wird abwechselnd allen Bereichen der Kultu- Einsatzmöglichen das Resultat eines sehr langfristigen rellen Kinder- und Jugendbildung zur Verfügung gestellt. Prozesses sind: Seit den 1980er Jahren gibt es in Japan So finden aktuell bis 2017 deutsch-japanische Studien- einen Wandel in der Erwachsenenbildung. 1992 gab das programme im Bereich der Tanzpädagogik statt und ab Kultusministerium eine erste Richtlinie zur ehrenamtli- 2018 voraussichtlich im Bereich der Spielpädagogik. chen Arbeit im Rahmen des lebenslangen Lernens heraus Auf der japanischen Seite wurden vom Partner JAM die und ermöglichte so die Arbeit von Volunteers in Kultur Qualitätskriterien des BVMP mittlerweile ins Japanische einrichtungen. Dazu gehörte, die Museen dem bürger- übersetzt und werden demnächst veröffentlicht. schaftlichen Engagement zu öffnen. Seit Mitte der 90er Der BVMP unterstützte mit einem Letter of Intent die Jahre besteht ein japanweiter Austausch zwischen den Bewerbung Kyotos für die International Council of Mu- Volunteers in Museen. Als erste Häuser hatten sich die seums – General Conference 2019. Kyoto konnte sich ge- öffentlichen Museen für Volunteers geöffnet, allerdings genüber Cincinnati durchsetzen und wird 2019 die Kon- primär um Kosten zu senken. Jedoch auch, aber das stand ferenz mit dem Thema „Museums as Cultural Hubs: The an zweiter Stelle, um das Museum für Alle zu öffnen. Future of Tradition“ ausrichten. Im Sommer 2015 trafen Der spezifisch japanische Ansatz, verstärkt ehrenamt- sich alle deutschen MuseumspädagogInnen, die an den liche Kräfte im Museum mit der Zielsetzung zum Einsatz drei Austauschprogrammen in Japan teilgenommen hat- zu bringen, das generationenübergreifende Lernen zu ten, und beschlossen die Gründung einer Fachgruppe fördern, könnte auch für die deutsche museumspädago- Internationales innerhalb des BVMP. Die Mitgliederver- gische Debatte interessante Aspekte beinhalten. Dabei sammlung des BVMP stimmte dieser Gründung im Sep- ist es selbstverständlich, dass dieser Ansatz nicht frei von tember 2015 zu und benannte als Sprecher der Gruppe Dr. kritischen Anmerkungen ist. So dürften stets die Fragen Matthias Hamann (Direktor des Museumsdienstes Köln, mitschwingen, ob der verbreitete Einsatz von Ehrenamt- Vorsitzender des Landesverbandes Museumspädagogik lichen nicht die Wertigkeit der Museumspädagogik bzw. NRW und Teilnehmer des dritten Studienprogrammes). professioneller Museumsarbeit generell mindert, ob die Außerdem wurde mit Kollegen aus Japan die gemeinsame Qualität der Museumsarbeit hinreichend gewährleistet Herausgabe dieses Sonderheftes „Japan“ im Rahmen der ist und ob sich die zuständigen öffentlichen Stellen nicht Publikationsreihe Standbein Spielbein des BVMP be- der Verantwortung für die Bildungsarbeit im Museum schlossen. entziehen – um nur einige wenige Punkte zu nennen. Neben individuellen bilateralen Beziehungen zwi- Gleichwohl scheint es angesichts der offenbar guten Er- schen deutschen und japanischen Museen und Muse- fahrungen in Japan durchaus Wert, diesen Ansatz vertieft umspädagogInnen sollen auch die Verbandsbeziehungen zu erörtern und ihn nicht vorschnell ad acta zu legen. zwischen dem BVMP und JAM weiter ausgebaut werden. Der Besuch des Hiroshima Peace Museums war in den Ein konkreter Anlass könnte die Beteiligung und Stär- Studienprogrammen in Japan jeweils ein wesentlicher kung der Museumspädagogik auf der Kyoto-ICOM-Kon- Bestandteil. Für alle Teilnehmenden war es etwas Be- ferenz 2019 sein. sonderes, diesen Ort, der alle Beteiligten emotional au- Beatrix Commandeur ßerordentlich berührte, überhaupt besuchen zu können. LVR-Industriemuseum Im Mittelpunkt der Diskussionen mit dem Museumsdi- Alte Dombach, 51465 Bergisch Gladbach rektor und der Museumspädagogin standen folgende Fra- beatrix.commandeur@netcologne.de gestellungen: Wie kann die derzeitige Dauerausstellung, die noch sehr vom Grauen des Atombombenabwurfes Rolf Witte witte@bkj.de geprägt ist, auch für zukünftige Generationen neu auf- gestellt werden? Wie kann eine Vermittlungsarbeit, die auch auf Zeitzeugengesprächen basiert, in Zukunft be- Standbein Spielbein • No. 104 / 2016 9
Beatrix Commandeur ist seit 1992 Museums Uta Rinklebe, MACHmit! Museum Berlin pädagogin am LVR-Industriemuseum und seit www.machmitmuseum.de 1992 ehrenamtlich tätig im Landesverband Susanne Ristow, Museum Kunstpalast Düsseldorf Museumspädagogik NRW und im Bundesver- www.smkp.de und www.susanneristow.com band Museumspädagogik, außerdem aktiv in der BKJ (Bundesvereinigung Kulturelle Kin- Nicole Scheda, LVR-Industriemuseum Solingen der- und Jugendbildung) und im Trägerverein www.industriemuseum.lvr.de der Akademie Remscheid. Peter Schüller, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen Düsseldorf www.kunstsammlung.de Kouya Akiyama (Mr.), Sagamihara City Museum, Tokio Rolf Witte, Ausbildung als Diplom-Sozialar- www.remus.dti.ne.jp/~sagami beiter (FH) an der Hochschule für Sozialwe- sen in Freiburg, mit Schwerpunkt Kinder- und Yukimi Dohi (Ms.), Hiroshima Peace Memorial Museum Jugendarbeit. 1990 bis 1995 Leiter des „In- www.pcf.city.hiroshima.jp/index_e2.html ternationalen Jugend-Kulturzentrums“ und Maki Fujii (Ms.), Toyota Automobile Museum, Nagoya des „Deutsch-Französischen Forums Junger www.toyota.co.jp/Museum/index-j.html Kunst“ in Bayreuth. Seit 1996 Leiter des Be- Juniko Furukawa (Mrs.), Yamanashi prefectural reichs „Kulturelle Bildung International“ bei Museum of Literature der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- www.yamanashi-kankou.jp/foreign/english/english013.html und Jugendbildung (BKJ) in Remscheid. Akiko Ichijo (Ms.), National Museum of Modern Art, Tokio Fakten www.momat.go.jp/index.html 2012-2014: Sechs Austauschprogramme in drei Jahren, je drei in Issei Ikeuchi (Mr.), Kyushu National Museum Japan und drei in Deutschland für jeweils 12 Tage. Teilnehmende 21 www.kyuhaku.com/ japanische KollegInnen und 19 deutsche KollegInnen: Mayumi Iuchi (Ms.), Researcher, Katsushika City Museum Birgit Baumgart, Staatliches Museum Schwerin www.museum.city.katsushika.lg.jp www.museum-schwerin.de Jiro Iwamoto (Mr.), WAKAYAMA, Prefectural Museum of History Katrin Boemke, Jugend im Museum (JIM) www.hakubutu.wakayama-c.ed.jp www.jugend-im-museum.de Marie Kakogawa (Ms.), Northern Culture Museum Anka Bolduan, Übersee-Museum Bremen hoppou-bunka.com/english/ncme1.htm www.uebersee-museum.de Mitsuo Kani (Mr.), Minokamo City Museum Beatrix Commandeur, LVR-Industriemuseum Bergisch Gladbach www.forest.minokamo.gifu.jp www.industriemuseum.lvr.de Yui Kato (Ms.), Japanese Association of Museums Dr. Matthias Hamann, Museumsdienst Köln www.j-muse.or.jp/en/index.php www.museenkoeln.de/museumsdienst Minoru Kuge (Mr.), Hiroshima Prefectural Museum of History Marianne Hilke, LVR-Archäologischer Park Xanten/ www.manabi.pref.hiroshima.lg.jp/rekishih/cover_e.html LVR-RömerMuseum Taro Kuranari (Mr.), Naha Municipal Tsuboya Pottery Museum www.apx.lvr.de www.edu.city.naha.okinawa.jp/tsuboya Regina Ille-Kopp, Stadtmuseum Hornmoldhaus, Megumi Nachida (Ms.), Okinawa Prefectural Bietigheim-Bissingen Museum and Art Museum www.stadtmuseum.bietigheim-bissingen.de www.museums.pref.okinawa.jp/english/museum/index.html Hannelore Kunz-Ott, Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen Ami Nishida (Ms.), Tabacco & Salt Museum, Tokio www.museen-in-bayern.de/landesstelle/index.htm www.jti.co.jp/Culture/museum/index.html Marie Lorbeer, MACHmit! Museum Berlin Satomi Okazaki (Ms.), Yokohama Museum of Art www.machmitmuseum.de www.yaf.or.jp/yma/english/ Anne Marr, Museum Villa Stuck München Masanori Oki (Mr.), Japanese Association of Museums www.villastuck.de www.j-muse.or.jp/en/index.php Dr. Simone Mergen, Haus der Geschichte Young-Ja Park (Ms.), National Museum of Modern Art Kyoto der Bundesrepublik Deutschland Bonn www.momak.go.jp/English/ www.hdg.de Riwa Suzuki (Ms.), Shoto Museum of Art Peter Mesenhöller, Rautenstrauch-Joest-Museum, www.shoto-museum.jp/index.html Museumsdienst Köln www.museenkoeln.de/rautenstrauch-joest-museum Minako Takahashi (Ms.), Yamatane Museum of Art www.yamatane-museum.jp/english/index.html Antje Nolte, Besucher-Dienste der Staatlichen Museen zu Berlin www.smb.museum/smb/bildung Yoko Terashima (Ms.), National Museum of Western Art, Tokio www.nmwa.go.jp/en/ Tanja Petersen, Jüdisches Museum Berlin www.jmberlin.de Uwe Rautenberg, Bomann-Museum Celle www.bomann-museum.de 10 Standbein Spielbein • No. 104 / 2016
thema Die Notwendigkeit von grund- legenden Kriterien für die Ausbildung von Museumspädago- ginnen und -pädagogen Yôko Terashima Im Jahre 2014 nahm ich an einem deutsch-japanischen Austausch von Mu- seumspädagoginnen und -pädagogen teil und erhielt so die wunderbare Gelegenheit, museumspädagogische Aktivitäten in verschiedenen Museen Deutschlands mit eigenen Augen zu erleben. Wir lernten die Programme ver- schiedener Museen und Organisationen kennen, führten einen Meinungs- austausch mit den Verantwortlichen für Museumspädagogik und konnten auf diese Weise überaus wertvolle Erfahrungen gewinnen. Insbesondere die Ak- tivitäten des Bundesverbands Museumspädagogik e.V. (BVMP) und der Baye- rischen Museumsakademie in München boten uns gute Gelegenheiten, noch einmal über die fachliche Qualifikation der Pädagoginnen und Pädagogen, die mit den museumspädagogischen Aktivitäten in den Museen betraut sind, so- wie die ihren Aktivitäten zugrunde liegenden Leitgedanken zu reflektieren. Wie sollte die Weiterbildung für Museumspädagoginnen und -pädagogen aussehen? Yôko Terashima (in heller Jacke) im Western Art Museum in Tokio im Ge- Auch im Zusammenhang mit der Rolle der Museen in der Gesellschaft sind in spräch mit der deutschen Delegation. den letzten Jahren die Erwartungen an die Museumspädagogik gestiegen. In Foto: Uwe Rautenberg Folge dessen wird von den Museumspädagoginnen und -pädagogen gefordert, Standbein Spielbein • No. 104 / 2016 11
5 Yôko Terashima hielt im Rahmen des Austauschprogramms am 9. Oktober 2014 auf der Herbsttagung der Bayerischen M useumsakademie den Vortrag „Museum education in Japan“ dass sie die erforderlichen Fähigkeiten und Qualifikatio- nen auffrischen und an Weiterbildungen teilnehmen, um sich neue Kenntnisse und Auffassungen anzueignen. Während unseres Aufenthaltes in Deutschland erhiel- ten wir die Gelegenheit, einen halben Tag lang an einer solchen Weiterbildungsveranstaltung teilzunehmen: an der Herbstakademie der Bayerischen Museumsakademie. Auf dieser sich über zwei Tage erstreckenden Fachtagung wurden in verschiedenen Museen in die Praxis umge- setzte museumspädagogische Programme vorgestellt und Forschungsergebnisse präsentiert. Zum Beispiel ging es unter anderem um Methoden der Kunstbetrachtung in Kunstmuseen, die Rolle der Kunstvermittlerinnen und -vermittler sowie den Einsatz von digitalen Medien und Workshops. Des Weiteren hielt auch der für seine Besu- cherforschung berühmte amerikanische Wissenschaft- ler Dr. John H. Falk einen Vortrag, und es gab viele The- men, die auch für Japan von Interesse sind, weshalb diese Weiterbildungsveranstaltung inhaltlich für uns überaus interessant war. Auch in Japan wird Weiterbildung für die Museumspäd agoginnen und -pädagogen gefordert, aber wahrschein- lich stellt sich die Situation hier etwas anders dar als in Deutschland. Im Jahr 2010 führte das Amt für Kulturelle Angelegenheiten eine Fragebogenuntersuchung (Umfra- geforschung über die Funktionen von Museumspädago- gik) an tausend führenden Museen (gültige Antworten von 657 Museen) durch, um Leitlinien für die Verbesse- rung der Funktionen der Museumspädagogik erstellen zu können und herauszufinden, wie die Aus- und Weiterbil- dung für Museumspädagoginnen und -pädagogen gestal- tet werden sollte. Die Umfrage ergab, dass zahlreiche Mu- seen Probleme und zu lösende Aufgaben weniger in der der Museumspädagogik ist, um damit die Basis für ihre Museumspädagogik selbst, sondern vielmehr in der Or- Aktivitäten zu schaffen. Natürlich ist es auch wichtig, ganisation und im Personal sehen, der Basis für die muse- gleichzeitig die aktuell erforderlichen Kenntnisse und umspädagogischen Aktivitäten. Darauf war auch vorher eine Methodenlehre anzubieten, damit die tagtäglichen schon hingewiesen worden. Zum Beispiel gibt es nur we- Aktivitäten durchgeführt werden können. Aber es ist nige Museen, die überhaupt eine Fachabteilung eingerich- wohl keine Übertreibung zu sagen, dass wir ohne die tet bzw. Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter für Museums Grundvor aussetzung, das heißt die Leitgedanken der pädagogik eingestellt haben. Selbst wenn es qualifizierte Museumspädagogik, auch nicht wissen, wie das Idealbild Museumspädagoginnen oder -pädagogen gibt, sind diese einer qualifizierten Museumspädagogin oder eines quali- oft nur befristete, nicht reguläre Honorarkräfte, und in fizierten Museumspädagogen aussieht. den meisten Fällen ist die Museumspädagogik eine Auf- gabe, die von Kuratorinnen oder Kuratoren in Doppel- Kriterien für die Museumspädagogik funktion, d.h. zusätzlich zur eigenen Arbeit ausgeübt wird. Außerdem stellte sich heraus dass, da damit die In Japan bieten der Japanese Council of Art Museums sowie notwendige Basis für die Museumspädagogik gar nicht weitere Organisationen, in denen je nach Sparte Kunst- gegeben ist, auch die Leitgedanken, Ziele und Richtlinien und Wissenschafts- oder andere Museen kooperieren, für die pädagogischen Aktivitäten selbst keineswegs klar oder wissenschaftliche Akademien und Gesellschaften festgelegt sind und kontinuierliche, langfristigen Plänen wie die Museum Management Academy Weiterbildungen folgende Aktivitäten gar nicht möglich sind. zum Thema Museumspädagogik an, doch die erste Gele- Betrachtet man die Ergebnisse dieser Untersuchung, genheit, etwas über Museumspädagogik zu lernen, erhält kann man wohl sagen, dass das, was wir in der gegen- man beim Erwerb der Qualifikation zur Kuratorin oder wärtigen Situation der Museumspädagogik in Japan zum Kurator. Wenn man während des Studiums an einer jetzt benötigen, eine Fortbildung über die Leitgedanken Universität all die Fächer belegt, die vom Ministerium für 12 Standbein Spielbein • No. 104 / 2016
Erziehung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie finanzielle Mittel für Aktivitäten oder Personalkürzun- vorgegeben sind, kann man sich auch alle Qualifikationen gen, die alle gelöst werden müssen, aber es lässt sich wohl aneignen, die für die Arbeit im Museum notwendig sind. sagen, dass die Aufgabe, welche die Museumspädagogin- Zu den zu belegenden Fächern gehören Theorie der Mu- nen und -pädagogen jetzt lösen sollten, darin besteht, seumspädagogik sowie auch Grundrisse des lebenslangen mit dem Blick auf künftige Aktivitäten die Kriterien, das Lernens. heißt die Leitgedanken für die Museumspädagogik zu Ideal wäre es wahrscheinlich, die oben erwähnten erarbeiten. Auch in diesem Sinne war unser Austausch, Leitgedanken der Museumspädagogik zunächst im Fach bei dem wir die Aktivitäten der Museumspädagogik in Theorie der Museumspädagogik, einem Pflichtfach für Deutschland kennenlernen und an der Fachtagung der den Erwerb der Qualifikation einer Kuratorin oder eines Bayerischen Museumsakademie teilnehmen konnten, für Kurators, zu studieren und sich dann nach der Aufnahme unsere künftigen Aktivitäten außerordentlich wertvoll. der Arbeit an einem Museum bezüglich der konkreten Yôko Terashima Praxis je nach Sparte des Museums weiterzubilden. Aber terashima@nmwa.go.jp die Leitgedanken der Museumspädagogik, die alle in der (Aus dem Japanischen von Dr. Heike Patzschke) Welt der Museen Aktiven teilen sollten, sind gegenwär- tig nirgendwo schriftlich fixiert, was meines Erachtens Yôko Terashima, currently the Head Educator eigentlich das größte Problem darstellt. Da es keine ge- of the National Museum of Western Art, To- meinsamen Leitgedanken gibt, die man miteinander tei- kyo, with five years (1989–1993) experience in managing art education programs at the To- len könnte, ist es auch nicht möglich, Positionierungen kyo National Museum and four years (1985– und Richtlinien festzulegen oder auch zu verstehen, wo- 1988) experience teaching art history and de- rin die fachliche Expertise von Museumspädagoginnen sign at high school level. Responsible for the und -pädagogen eigentlich besteht. NMWA’s development and implementation Konkret gesagt, benötigen wir auch in Japan Kriterien of learning programs and resources for learn- ers of all ages. Member of the Education Committee of the Japanese wie die vom BVMP ausgearbeiteten „Qualitätskriterien Council of Art Museums and was its secretary from 2001 through für Museen: Bildungs- und Vermittlungsarbeit“. Zum 2008. Also Adjunct Associate Professor at the Open University of Beispiel denke ich, dass der darin enthaltene Punkt „I Japan and a co-author of the text book “Museum Education” in 2012. Leitgedanken“ hilfreich bei der Festlegung von den je- weiligen Bedingungen der einzelnen Museen entspre- chenden Positionierungen und Richtlinien für die Mu- seumspädagogik sein könnte. Außerdem könnte, wenn es solche Kriterien gäbe, jedes Museum seine eigenen Aktivitäten selbst evaluieren. Wie ich bereits in meinen Ausführungen dargelegt habe, als ich auf der Fachtagung der Bayerischen Museumsakademie die Gelegenheit er- hielt, die Museumspädagogik an Kunstmuseen in Japan vorzustellen, sind wir in Japan an einem Punkt angelangt, an dem es gilt, dafür zu sorgen, dass die Aktivitäten und Erfahrungen, die auf der Grundlage der Anstrengungen und Fähigkeiten von einzelnen Verantwortlichen gesam- melt worden sind, nicht als Leistungen von Individuen enden, sondern dass auf dieser Grundlage auch in Japan Kriterien erarbeitet werden, in denen die Bedeutung und die Ziele der Museumspädagogik erfasst werden, die dann von allen geteilt werden können. Dadurch, dass die Muse- umspädagoginnen und -pädagogen sich dann nicht an in- dividuellen Wertvorstellungen, sondern an den gemein- samen Kriterien orientieren, werden auch diejenigen, die die Bedeutung der Museumspädagogik bis dahin noch nicht begriffen haben verstehen, wie notwendig es ist, eine grundlegende Basis für die Museumspädagogik zu schaffen, was wiederum zu einer Verbesserung der Qua- lität der Ausbildung und der Arbeit der Museumspäd agoginnen und -pädagogen führen wird. Auf Grund der schwierigen wirtschaftlichen Lage gibt es zahlreiche Probleme, wie zum Beispiel unzureichende Standbein Spielbein • No. 104 / 2016 13
thema Qualifizierung für die Vermittlungsarbeit an Museen Anka Bolduan / Hannelore Kunz-Ott Ausbildung und Fortbildung Qualifizierung für die Vermittlungsarbeit an den Museen in Japan und Deutschland war eines der zentralen Themen während der deutsch-japani- schen Austauschprogramme. Sowohl die japanischen KollegInnen während ihrer Besuche in Deutschland wie auch die deutschen KollegInnen in Japan traten in einen intensiven Dialog über die Unterschiedlichkeit der Berufsbil- der wie auch der Qualifizierung für ihre Arbeit. In Japan gibt es ähnlich wie in Deutschland keine staatlich anerkannte Qua- lifikation zum Museumspädagogen, aber der Abschluss als Kurator ist anders als in Deutschland staatlich autorisiert. Die meisten Kuratoren an den Museen haben mehrere Aufgaben in den Arbeitsfeldern der Museen und sind auch zu- ständig für die Vermittlungsarbeit, was sich positiv auf die Ausstellungsum- Science Communicator im MIRAIKAN. setzung auswirkt. So wurde bei den Besuchen in verschiedenen japanischen Foto: Anka Bolduan Museen deutlich, dass die Gestaltung der Ausstellungen sehr stark unter dem Aspekt der Vermittlung an unterschiedliche Zielgruppen (Erwachsene, Kinder, Blinde) umgesetzt wurden. Bei un- serem Besuch 2014 im „Fuchu Municipal Field Museum“ erläuterte uns der Kurator Yasuyuki Fukasawa das Kon- zept der neuen Dauerausstellung. Die Dauerausstellung besteht aus einem umfangreichen Hands on-Bereich für Kinder und Informationseinheiten für erwachsene Besu- cher. Neben Vitrinen mit Originalobjekten von der Stein- zeit bis in die Zeitgeschichte gibt es mehrere Modelle und interaktive Mitmach- und Multimedia-Stationen. Die Kollegen im FMFM betonten ihren Schwerpunkt auf der qualitativen Vermittlungsarbeit. Mit diesem Ziel haben sie die Anzahl der ausgestellten Objekte stark reduziert, um einzelne besser herausstellen zu können. Es gibt viele erlebnispädagogische Programme, Vorträge und kreative Angebote. Volunteers aus Fuchu unterstützen die kurato- rische Museumsarbeit, dadurch sind auch die Meinungen der Bürger im Museum präsent. Die Ausbildung zum Kurator kann auf verschiedenen Wegen erfolgen. Die häufigste Art ist das Studium an den Universitäten. Das Curriculum ist durch das MEXT, dem Ministerium für Bildung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie, festgelegt und beinhaltet Veranstal- tungen mit den Inhalten: Einführung in das Lebenslange Lernen, Einführung in die Museologie, Museumsma- nagement, Museumssammlung, Konservierung, Muse- umsausstellung, Information und Medien für Museen, Museumspraktikum. Circa 10.000 Studenten in Japan erhalten so die Qualifikation zum Kurator, doch ein Be- schäftigungsverhältnis an den Museen und museums- ähnlichen Einrichtungen erhalten nur wenige. 14 Standbein Spielbein • No. 104 / 2016
5 Hands on im Fuchu Municipial Field Museum. Foto: Anka Bolduan Fortbildungen Die Vermittlerinnen und Vermittler in japanischen Mu- seen streben wie ihre deutschen Kolleginnen und Kolle- gen auch während ihres Berufslebens nach Professiona- lität und qualitätvoller Arbeit. Sie suchen den fachlichen Austausch und Anregungen im In- und Ausland zu neuen Vermittlungsmethoden und Entwicklungen in der Bildungsarbeit. Im Jahr 2011 wurde von der Agency for Cultural Affairs, einer Unterabteilung des MEXT, zusätzlich ein jährlich stattfindender fünftägiger Fortbildungskurs für Muse- umspädagogen von Kunst- und Geschichtsmuseen etab- liert, da die Ausbildung in museum education zu einem bedeutenden Faktor des japanischen Museumswesens ge- worden ist. Diese Kurse können Museumsmitarbeiter mit unterschiedlichen Voraussetzungen besuchen wie die as- sistent curators oder andere Museumsmitarbeiter, welche die vom MEXT etablierten Kurse für Museumspersonal besucht haben. Weiterbildung von Museumskuratoren Bei einer Veranstaltung im japanischen Kultusministe- rium 2012 informierte man die deutsche Delegation über die Aus- und Weiterbildung von Museumsfachleuten. Das Practical Social Education Research Center, eine Ab- teilung des National Institute for Educational Policy Re- search, getragen vom Bildungsministerium, bietet jedes Jahr einen dreitägigen Fortbildungskurs für Kuratoren an, in dem auch museumspädagogische Themen behandelt werden. So ist jeder neue Museumsdirektor aufgefordert, an den Weiterbildungskursen teilzunehmen. Kuratoren, beiter werden in internen Schulungen weitergebildet. Die die mehr als sieben Jahre berufstätig sind, erhalten fach- Science Communicators durchlaufen im Miraikan eine spezifische Lehrgänge. Darüber hinaus wurden im Jahr halbjährige Ausbildung und sind in die Planung von Aus- 2012 fünf Personen zur Fortbildung in ausländische Mu- stellungen und Neupräsentationen involviert. seen nach Deutschland, Großbritannien, in die USA und Museum wird hier als ideale Ergänzung des schuli- nach Australien geschickt. schen Curriculums verstanden, allerdings transportiert und stärkt die Inszenierung informelle Lernformen. Eh- Museumsinterne Fortbildungen renamtliche Kräfte suchen aktiv den Dialog mit dem Publikum, führen Experimente vor und geben bei Bedarf Eine weitere Möglichkeit der Qualifizierung von Ver- vertiefte Erläuterungen. So wird durch verbale Kommu- mittlern findet über die museumsinternen Fortbildungen nikationsmaßnahmen die in der Inszenierung allgegen- statt. Je nach Einsatz unterschiedlicher Vermittler gehen wärtige mediale Vermittlung gestützt und bedarfsgerecht die Museen oder museumsähnlichen Einrichtungen ver- gelenkt. schiedene Wege in der Vermittlungsarbeit. Interessant war für uns das Beispiel einer museumsähnlichen Insti- Schulungen für ehrenamtliche Helfer tution. Das Vermittlungsprogramm des Miraikan, Japans Nationales Museum für Zukunftsforschung und Inno- Neben den hauptamtlichen Museumsfachkräften traf die vation, wird von einer Abteilung entwickelt, der auch deutsche Delegation in fast jedem japanischen Museum 50 Science Communicators angehören. Sie betreuen zu- zahlreiche Freiwillige (Volunteers), die unterschiedlichste sammen mit ehrenamtlichen Kräften unterschiedlichen Aufgaben im Bereich des Besucherservices zu bewältigen Alters die Programme. Somit setzen sich die Vermittler hatten. Bereits im Eingangsbereich erwarten sie den Be- aus drei Gruppen zusammen: hauptamtliche Pädagogen, sucher, begrüßen ihn freundlich, zeigen den Weg oder Ehrenamtliche und Science Communicators. Diese Mitar- weisen auf aktuelle Veranstaltungen hin. Durch Schu- Standbein Spielbein • No. 104 / 2016 15
5 Japan 2012 fikationen für die Vermittlungsarbeit eher in einem Mas- terstudium, postgradual oder in Form von Fortbildungen und museumsinternen Schulungen vermittelt. Die japanischen KollegInnen waren besonders auch am Entstehen des BVMP und seinen Potenzialen des Aus- tauschs und der Weiterbildung über den Bundesverband und die Regionalverbände interessiert, denn einen sol- chen Fachverband gibt es bisher nicht in Japan. Anka Bolduan anka.bolduan@arcor.de Hannelore Kunz-Ott kunz-ott@museumspaedagogik.org Dr. Hannelore Kunz-Ott, Kunsthistorike- rin; Vorstandsarbeit für den Bundesverband Museumspädagogik e.V. seit 2000; seit 1995 Referentin für Museumspädagogik bei der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern. Anka Bolduan, Beratung, Expertise und Fortbildungen für Museumspädagogik und Schulprojekte; Vorstandsmitglied im RV Norddeutschland und Mitarbeit in weiteren Gremien des BVMP. 1985 – 201 4 Leitung des Referats Bildung und Vermittlung am Über- lungen werden diese engagierten Laien auf ihre künftigen see-Museum Bremen mit Schwerpunkt Kin- Aufgaben vorbereitet. Das Hiroshima Friedensmuseum der und Jugendliche. z.B., das seine ehrenamtlichen Mitarbeiter über Aufrufe in der Tageszeitung gewonnen hatte, veranstaltet fünf bis sechs Fortbildungen, bis die Neuen über die grund- sätzlichen Ziele und Abläufe eines Museumsbesuchs von Gruppen informiert sind. In der täglichen Praxis werden sie dann von älteren Volunteers betreut. Besonders eindrucksvoll waren die Zahlen der freiwil- ligen Helfer im National Museum of Science and Nature in Tokyo. Das Museum, eine Mischung aus Technik- und Naturkundemuseum, wurde 1930 in einer historisieren- den Architektur in Form eines Flugzeuges, eröffnet. Eine große Zahl von täglich wechselnden 40 bis 50 Ehrenamt- lichen unterstützt die Besucher während des Museums- rundgangs: Man gibt inhaltliche und organisatorische Auskünfte im Eingangsbereich und in den Ausstellungs- räumen, insbesondere in der Kinderabteilung mit ihren Modellen und Versuchsanordnungen sind ihre Ratschläge und Tipps gefragt. 2012 zählte das naturkundliche Mu- seum insgesamt 412 freiwillige MitarbeiterInnen. 1986 hatte man speziell für Vermittlungsfragen dieses Freiwil- Berichtigung ligensystem eingeführt (Educational Volunteer System). Die Volunteers erhalten zwar vom Haus Schulungen, or- In der Dezemberausgabe Nr. 103/2015 von Standbein ganisieren sich jedoch weitgehend selber. Spielbein hat sich leider ein Fehler eingeschlichen, den Fazit: Museumspädagogik ist in den japanischen und wir sehr bedauern. den deutschen Museen zu einem bedeutenden Faktor des Der Name der Autorin des Aufsatzes „How can Museumswesens geworden. In beiden Ländern fehlt je- Cognitive Dissonance help the Museum Educator?“ doch eine staatlich anerkannte Berufsqualifikation. Wäh- wurde falsch geschrieben. Der korrekte Name der Kol- rend in Japan Museumspädagogik Teil des Studiums zum legin lautet: Andrea Weltzl Fairchild. Wir bitten um Kurator ist, werden in Deutschland die fachliche Quali- Entschuldigung. 16 Standbein Spielbein • No. 104 / 2016
thema NIHON NO SHÔGAI GAKUSHÛ Lebenslanges Lernen in Japan Anne Marr / Uwe Rautenberg Gleich am ersten Morgen fand eine Vorstellungsrunde im Tokioer Museum of Modern Art statt, bei der wir unsere Häuser präsentierten und Aspekte der japanischen Museumspädagogik vorgestellt bekamen. Ein Absatz in einer Power-point-Folie zur „Mission of Education“ erregte unsere besondere Auf- merksamkeit: „Encourage and support self-directed life long learning among people of all ages and background, at all levels of capability and interest“. In den darauffolgenden zwei Wochen hatten wir in den verschiedenen Museen immer wieder die Gelegenheit, etwas von dem mitzubekommen, was damit wohl gemeint sein könnte. Das lebenslange Lernen ist für die japanische Gesellschaft keine dahinge- sagte Floskel in der Bildungsdebatte, sondern ist schon lange ein wichtiger Bestandteil der „Social Education“ (ja richtig: Sozialerziehung), die vom heu- tigen MEXT dem ehemaligen „Mombu-sho-“ (Ministerium für Unterricht, Wissenschaft, Sport und Kultur, der Regierung Japans) gefördert wird. Dieses Ministerium fördert die Angebote von verschiedenen Bildungsmöglichkei- ten und Programme durch die japanische Regierung. Es gab z.B. umfassende Programme, um das lebenslange Lernen für Frauen zu fördern, mit dem Titel „Höhere Schule des lebenslangen Lernens für Frauen“. Auch das Lebenslange Lernen der Älteren zu fördern war und ist ein fester Bestandteil des minis- teriellen Bildungsprogramms. Ältere Menschen haben in Japan traditionell eine andere Stellung als in unserer Kultur. Friedrich Fürstenberg, emeritier- Unterwegs, auf dem Weg zurück ter Professor für Soziologie der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn betont, nach Tokio. Foto: Uwe Rautenberg dass ältere Menschen in Japan zumindest öffentlich mehr als in Deutschland respektiert werden.1 Schon seit über tausend Jahren gibt es Feste in den Gemeinden für die Alten, um sie zu ehren und seit 1975 ist der „Tag der Alten“ als nationaler Feiertag einge- führt. Auch der Shinto-Glauben mit seiner ausgeprägten Ahnenvereh- rung spielt eine Rolle bei der Ehrer- bietung der Alten. Ältere Mitbürger sind in Japan sehr aktiv für die Ge- meinschaft – so pflegen sie in den Stadtteilen öffentliche Anlagen oder halten die Busstationen in Ordnung. Dazu ist auch die Infrastruktur mit Altenclubs und Tagestreffs für Senio- rinnen und Senioren entwickelter als in Deutschland. Bei der Integration der Alten in freien Tätigkeiten für die Gemeinschaft kommt Japan durch- aus eine Vorbildfunktion zu. Die von Professor Fürstenberg er- wähnten Altenklubs werden auch ausführlich in dem Buch von Sepp Linhart „Organisationsformen alter Standbein Spielbein • No. 104 / 2016 17
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