Inspirationen für eine klimagerechte Kulturpolitik
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Zeit für Dieses Sonderheft der Kulturpolitischen Mitteilungen basiert auf der Veranstaltung »Von der Zukunft her – Sommerakademie für eine klimagerechte Kulturpolitik« des Instituts für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft. Diese fand am Donnerstag, 17. und Freitag, 18. September 2020 mit ungefähr 60 Teilnehmenden an t Zeit für Zukunft verschiedenen Orten in Wuppertal statt. I nspirationen für eine klimagerechte Kulturpolitik – Sensibilisieren, Motivieren, Aktivieren – Sonderausgabe der Kulturpolitischen Mitteilungen Herausgegeben von der Kulturpolitischen Gesellschaft e. V. Redaktion: Dr. Uta Atzpodien, Ulrike Blumenreich, Dr. Henning Mohr Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien it für ür
Inhalt 60 Bibliotheken und Nachhaltigkeit Hella Klauser 62 Künstlerisch-interdisziplinäre Vermittlung globaler Nachhaltigkeitsfragen Ralf Weiß 64 Leitfäden für n achhaltige 04 Grußwort Kulturveranstaltungen, -ein Dr. Günter Winands, BKM richtungen und -produktionen Annett Baumast 05 Grußwort Milena Karabaic, Guido Kohlenbach, 66 WEITERGEHEN ! Das Tutzin- Prof. Dr. Thomas Schleper, LVR ger Manifest und die Zukunft 44 Zukunftslabore, Küchen kultureller Nachhaltigkeit und Stadträume Dieter Rossmeissl und Achim Könneke Uta Atzpodien und Matthias Wanner 46 Klima-Kunst-Transfor mationsdiskurs im Museum Ralf Weiß 48 Von der Zukunft her gestalten? Hildegard Kurt Motivieren 28 Wege zu e iner zukunfts fähigen Soziokultur Aktivieren Davide Brocchi und Kristina Gruber 52 Klimaschutz in Museen 32 Nachhaltigkeit: erfolgreich anstoßen Kultur mit Allen Sabine Jellinghaus und Nils Krüger Sensibilisieren Lukas Hegemann 54 Medienformat zu Klima 68 Autor*innen 08 Zeit für Zukunft 34 Inspiration, Innovation schutz in der Literatur 72 Impressum Henning Mohr, Ulrike Blumenreich und Betriebsökologie Ralf Weiß und Uta Atzpodien Jacob Sylvester Bilabel 56 Nun ja! Das nächste Leben 14 Eine Sommerakademie 36 »Zwingt uns b itte!« geht aber heute an. im Zirkuszelt Hortensia Völckers und Kirsten Haß Juliane Moschell David J. Becher 38 Klimaschutz ist drehrelevant 58 Verändern in und 16 Wuppertal im Aufbruch Korina Gutsche mit Soziokultur Uta Atzpodien und Bettina Paust Mechthild Eickhoff 40 Nachhaltigkeit durch die 18 Neustart Kultur im Z eichen AKTE Zukunft der Nachhaltigkeit! Gespräch mit Birgit Schneider-Bönninger Ralf Weiß 22 Stadt und Z ukunft kuratieren Gespräch mit Uwe S chneidewind 02 03 ZEIT FÜR ZUKUNFT Inhalt
Ermutigung zu einer ökologisch orientierten Zeit für ein Umdenken Kulturpolitik und -praxis ist gekommen »Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehn.« J. W. V. GOETHE In dieser Broschüre zur ersten »Sommerakademie« der Kulturpolitischen Gesellschaft werden Zukunftsfragen thematisiert, die in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzen sind. Mehr denn je Seit nunmehr drei Jahrzehnten fasst der Weltklimarat der Vereinten Nationen regelmäßig das ist es eine systemrelevante Frage, was die Kultur in Bezug auf den Klimawandel – wenn wir nicht Wissen über global beobachtbare Klimaveränderungen zusammen. Schon im ersten Bericht 1990 sogar von einer »Klimakatastrophe« sprechen müssen – tun kann. Gerade jetzt – im Kontext der bestand wissenschaftlicher Konsens, dass der beobachtbare Anstieg von Treibhausgasen in der Corona-Krise – ist die Zeit für ein Um- oder Neudenken gekommen und damit die Chance, die Atmosphäre menschengemacht ist und Handlungsbedarf besteht. Bis heute nimmt die Konzen Grundlagen für eine nachhaltige Gesellschaft zu schaffen. Sicherlich ist das Stichwort Nach tration dennoch weiter zu. Problembewusstsein allein scheint zur Lösung nicht auszureichen. Es haltigkeit vielschichtig. In der »Sommerakademie« spielten Leitbilder, Förderrichtlinien und ist offenbar schwierig, die Lücke zwischen Wissen und Handeln zu schließen. Partizipation eine zentrale Rolle, wobei das Fahnenwort »Klimagerechtigkeit« den Roten Faden der Veranstaltung an mehreren Orten der Bergischen Metropole Wuppertal bildete. Zum Auftakt Kultur und Medien können dabei als breitenwirksame Träger und Vermittler von Werten und Iden fand man sich, niederschwellig und symbolträchtig zugleich, in einem luftigen Zirkuszelt wieder, titäten kritische Begleiter und Katalysatoren sein. Künstlerinnen und Künstler setzen sich seit jeher verortet direkt neben der Utopia-Stadt: So lässt sich Aufbruch markieren. in ihren Werken immer wieder mit dem Verhältnis von Natur und Kultur auseinander. Sie können auch im Hinblick auf die aktuellen, globalen Herausforderungen unserer heutigen Zeit dazu beitra Viel professionelle Artistik und die Kunst der Vermittlung werden dazugehören, wenn endlich gen, Kreativität und Innovation anzuregen, Visionen einer besseren Zukunft in die Breite zu tragen auch die Kultur einen Beitrag zum Gelingen des Projektes Nachhaltigkeit leisten will, das auf und so zwischen Wissen und Handeln zu vermitteln. das konzertierte wie entschlossene Engagement vieler angewiesen ist und bleiben wird. Des halb wurde unter Corona-Bedingungen und Einhaltung entsprechender Reglements noch die In den letzten Jahren wird zu Recht zunehmend über ökologische Fragen des Kulturschaffens analoge Plattform des persönlichen Austauschs in der Veranstaltungsfolge gewählt. Auch der selbst, der nachhaltigen, ressourcenschonenden Kunstproduktion wie deren umweltbewussten Landschaftsverband Rheinland (LVR) hat sich aufgemacht, in Kategorien der Nachhaltigkeit zu Konsumierung und Rezeption diskutiert. Vieles steckt hier aber noch in den Kinderschuhen. Der denken. Im Rahmen der Generationengerechtigkeit sieht er es als seine Pflicht, Klima- und Um Kultursektor ist – trotz des hohen ökologischen Bewusstseins ihrer meisten Akteurinnen und weltschutzmaßnahmen zu ergreifen und die zur Verfügung stehenden Ressourcen so zu nutzen, Akteure im privaten Lebensumfeld – mitnichten Speerspitze beim ökologischen Umbau unserer dass künftige Generationen nicht schlechter gestellt sind, ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Gesellschaft. Es hapert vor allem an einer konsequenten praktischen Umsetzung, weil diese zum einen mitunter als Beschränkung der künstlerischen Freiheiten wahrgenommen wird. Häufig Seit den 1980er Jahren kennt der LVR die Notwendigkeit des umweltbewussten Handelns und wird auch auf schlichtweg fehlende materiellen Möglichkeiten verwiesen; die Kultur als im Regel integriert Nachhaltigkeit in den Verwaltungsalltag. Es wurde ein breites Aktionsfeld entwickelt, fall unterfinanzierte Branche könne sich hohe Umweltstandards nicht leisten. All dies gilt es zu das Einfluss in alle Verwaltungsbereiche nimmt, aber auch die Beschäftigten nicht außen vor hinterfragen: denn der ökologische Fußabdruck lässt sich selbstverständlich auch in der Kultur ver lässt. Ob bei der Materialbeschaffung, beim Bau bzw. der Sanierung seiner Dienstgebäude, der bessern. Müssen Orchester, Kunstwerke, Künstlerinnen und Künstler, Besucherinnen und Besucher »EMAS«-Zertifizierung der Dienststellen oder der Einladung zur Teilnahme an diversen Klima etwa immer von A nach B fliegen? Was geschieht mit der Ausstellungsarchitektur nach Ende einer schutzkampagnen wie der Klima-Challenge: Umwelt-, Klima- und Ressourcenschutz ist LVR -weit Kunstausstellung? Werden Theater, Konzertsäle und Kulturhäuser nachhaltig gebaut oder saniert? mittlerweile in vielen Facetten zu finden. Was wird insgesamt unternommen, um Kultureinrichtungen nachhaltig zu betreiben und Kultur veranstaltungen umweltgerecht durchzuführen? Es gilt: »An den Taten sollt ihr sie erkennen.« Beispielgebend darf vielleicht die LVR -»Perspektivwerkstatt 2019« angeführt werden: »Zirkuläre Zukunft. Im Sinne der Cradle to Cradle Philosophie«, die das Dezernat Gebäude- und Liegenschafts Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) macht sich schon lange für management im September 2019 veranstaltete. Das Dezernat für Kultur und Landschaftliche eine gelebte Praxis der Nachhaltigkeit stark. Der im November 2020 erschienene Nachhaltigkeits Kulturpfleger hat soeben seine »Digitale Agenda« bis 2025 fortgeschrieben, und die Industriekultur, bericht der BKM listet eine Vielzahl von bereits durchgeführten Maßnahmen der letzten Jahre die es mit acht Museen in ehemaligen Fabriken betreibt, soll gleichfalls neu ausgerichtet werden: auf (HTTPS://WWW.BUNDESREGIERUNG.DE/STATISCH/NACHHALTIGKEITSBERICHT-BKM/#0) . Darunter fallen nicht nur ökologische jeweils im Sinne der Nachhaltigkeit und Zukunftssicherung. In diesem Geist, der nicht über den Aspekte, sondern auch Themen wie Geschlechtergerechtigkeit, hochwertige Bildungschancen Wassern schwebt, sondern in Praxis und Alltag eintaucht, hat das Dezernat gerne die »Sommeraka und der Erhalt des kulturellen Erbes. Besonders hervorgehoben sei das BKM-geförderte »Aktions demie« der Kulturpolitischen Gesellschaft unterstützt und setzt auf deren eigene Nachhaltigkeit: netzwerk Nachhaltigkeit in Kultur und Medien« (HTTPS://AKTIONSNETZWERK-NACHHALTIGKEIT.DE/) . Dieses wurde gern auch wieder unter Zirkuskuppeln und anderen Orten im Aufbruch zu neuen Ufern. bei der KuPoGe-Sommerakademie 2020 erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Verbindendes Element ist die Aktion. Kultur- und Medieneinrichtungen verbessern aktiv ihre Betriebsökologie Milena Karabaic / DEZERNENTIN FÜR KULTUR UND LANDSCHAFTLICHE KULTURPFLEGE LANDSCHAFTSVERBAND RHEINLAND (LVR) und zeigen, dass Kultur und Medien umwelt- und klimagerecht gestaltet werden können. Guido Kohlenbach / FACHBEREICHSLEITER REGIONALE KULTURARBEIT (LVR) Prof. Dr. Thomas Schleper / FACHBEREICHSLEITER ZENTRALE DIENSTE UND STRATEGISCHE STEUERUNGSUNTERSTÜTZUNG (LVR) Die BKM wird sich auch weiterhin intensiv für eine klimagerechte Kulturpolitik einsetzen und diese aktiv mitgestalten. Akteurinnen und Akteure aus Kultur und Medien fungieren in der Öffentlichkeit als Vorbilder und Multiplikatoren. Wenn es gelingt, Worten Taten folgen zu lassen, besteht eine gro ße Chance, nachhaltig in die Breite zu wirken. Mein Wunsch ist, dass Umwelt- und Klimaschutz in worte Grußw Kultur- und Medieninstitutionen selbstverständliche Praxis werden, und somit in wenigen Jahren vielleicht gar nicht mehr viele Worte darüber notwendig werden, weil die Taten für sich sprechen. Dr. Günter Winands / MINISTERIALDIREKTOR, AMTSCHEF BEI DER BEAUFTRAGTEN DER BUNDESREGIERUNG FÜR KULTUR UND MEDIEN 04 05 ZEIT FÜR ZUKUNFT ���������
08 Zeit für Zukunft 14 Eine Sommerakademie im Zirkuszelt 16 Wuppertal im Aufbruch 18 Neustart Kultur im Zeichen der Nachhaltigkeit! 22 Stadt und Zukunft kuratieren
Zeit für Zukunft Inspirationen für Nachhaltigkeit im Kulturbereich Von Utopiastadt bis zum Wuppertal Institut Die Sommerakademie startete im Zirkuszelt auf Utopiastadt an der Nordbahntrasse, wanderte zur Abendveranstaltung in den multikulturell auf- gestellten Veranstaltungsort Café ADA/INSEL e.V. und setzte am nächsten Morgen ihre Veranstaltung Vielseitig und konkret erfahrbar zeigt die Corona- »Von der Zukunft her – Sommerakademie in einem der ältesten soziokulturellen Kommuni- Pandemie unserer Gesellschaft, wie sehr ein Über- für eine klimagerechte Kulturpolitik« kationszentren die börse fort. Der Abschluss fand 1987 bzw. Umdenken von Gewohnheiten, Werten und im Wuppertal Institut statt – mit dem Launch alltäglichen Praktiken gefragt ist. Ob als Brennglas Mit der Veranstaltung »Von der Zukunft her – Som- des Aktionsnetzwerkes Nachhaltigkeit in Kultur Publikation: »Unsere oder Übungsfeld für zukünftige Szenarien laden die merakademie für eine klimagerechte Kulturpolitik« und Medien – gefördert von der Beauftragten der gemeinsame Zukunft – aktuellen Erfahrungen dazu ein, mehr denn je einen leistete die Kulturpolitische Gesellschaft (KuPoGe) Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) . Die der Brundtland-Bericht gemeinschaftlich-konstruktiven Umgang mit dem vom 17./18. September 2020 einen wichtigen Beitrag anschließende, vom WDR Forum aufgezeichnete der Weltkommis- Klimawandel in den Fokus zu rücken. Wissenstrans- zur Beantwortung der Fragestellungen und setzte und übertragene Podiumsdiskussion hat deutlich sion für Umwelt und fer, Teilhabe und Solidarität sind dabei wesentliche vitalisierende Akzente für mehr Nachhaltigkeit im gemacht, wieviel Aufmerksamkeit derzeit auf Fragen Entwicklung« Schlüsselbegriffe, die auch im Kulturbereich ein Kulturbereich. Bei einer Expedition durch vier ver- nach einer klimagerechten Kulturpolitik gerichtet ist. Umdenken einfordern, um ihre gesellschaftliche Ver- schiedene Orte der Stadt Wuppertal diskutierten ▷ Definition des Begriffs antwortung wahrzunehmen. rund sechzig Teilnehmende – selbstverständlich Nicht erst der aktuell dringende Umgang mit den 1982 Nachhaltige Ent- begleitet von den erforderlichen Abstands- und planetaren Herausforderungen der Klimakrise wicklung: »Dauerhafte Hygieneregelungen – über notwendige Perspektiven, macht ein zukunftsgewandtes, an Nachhaltigkeit Generalversammlung Entwicklung ist eine Fragen zur Transformation Praxisbeispiele und entstehende Netzwerke. Die hier orientiertes Denken und Handeln notwendig. In den der Vereinten Nationen Entwicklung, die vorliegende Broschüre »Zeit für Zukunft. Inspiratio- vergangenen Jahrzehnten schon gab es zahlreiche verabschiedet die »Welt- die Bedürfnisse der Somit steht auch der Kulturbereich vor wesentlichen nen für eine klimagerechte Kulturpolitik« trägt diese Bemühungen, bei denen sich auch die Kulturpoliti- charta für die Natur« 2 Gegenwart befriedigt, Fragen für die Transformation: Welchen Beitrag nun als Sonderheft der »Kulturpolitischen Mitteilun- sche Gesellschaft positioniert bat. Hier lohnt es sich, ohne zu riskieren, daß leisten Kulturinstitutionen, Kulturverwaltung und gen« zusammen, um auch andere Akteur*innen im einen Blick zurück zu werfen: künftige Generationen Kulturpolitik, um den Kulturbereich nachhaltiger Diskurs für Nachhaltigkeit zu sensibilisieren und eine ihre eigenen Bedürf- aufzustellen? Wie kann ein Wandel hin zu einer Leidenschaft für den Wandel zu wecken. nisse nicht befriedigen Nachhaltigkeitskultur unterstützt werden? Welche 1972 können.« 3 Instrumente, Förderungen und Zertifizierungsmo- Die erste Sommerakademie der Kulturpolitischen delle braucht es? Wie können Plattformen für den Gesellschaft wurde von Dr. Henning Mohr und Konferenz der Vereinten Austausch geschaffen werden? Wie kann explizit Ulrike Blumenreich in Kooperation mit der freien Nationen über die der Austausch zwischen Wissenschaft und Kultur Wuppertaler Dramaturgin Dr. Uta Atzpodien konzi- Umwelt des Menschen verstärkt werden? Wie können die der Kultur inne- piert, die mit der Veranstaltung den Diskurs für eine (UNCHE) in Stockholm wohnenden Potentiale genutzt werden, um eine klimagerechte Kulturpraxis stärken, Akteur*innen zukunftsfähige nachhaltige Gestaltung der Gesell- sensibilisieren und für ein neues Handeln motivieren ▷ Publikation: »Die schaft weiter voranzubringen? wollten. Das Team entschied sich für Wuppertal als Grenzen des Wachs- Austragungsort, da es in der dortigen Stadtgesell- tums – Bericht des schaft bereits seit vielen Jahren eine Auseinanderset- Club of Rome zur Lage zung mit den Herausforderungen des Klimawandels der Menschheit« 3 gibt. Die Stadt ist bekannt für ein pulsierendes (Dennis Meadows) 1 bürgerschaftliches Engagement, eine engagierte freie Kunst- und Kulturszene und das internatio- nal renommierten Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie. Diese lieferten zahlreiche Anknüpfungspunkte für das vielfältige Programm: Mit vielseitigen Impulsen aus Theorie und Praxis der 2 unterschiedlichen Sparten und kultur(politischen) Felder, Good Practise-Beispielen, Design Thinking- Methoden und Podiumsdiskussionen gelang es, ein sowohl weitgefächertes als auch konkretes Wissen und auch Beispiele für zukunftsweisende Leitbilder der Kulturarbeit zusammenzutragen. 1 Globales Ereignis Ereignis auf Bundesebene KuPoGe-Aktivität 08 09 ZEIT FÜR ZUKUNFT Sensibilisieren
2000 2015 1997 Gipfeltreffen der Weltgipfel für Nach Weltklima- Vereinten Nationen 2002 haltige Entwicklung konferenz in Kyoto in New York in New York Weltgipfel »Nachhal- 2011 ▷ Kyoto-Protokoll, ▷Mileniumserklärung, tige Entwicklung« in ▷ »Sustainable verbindliche Ziele Mileniumsziele, Johannesburg 2004/2005 Deutscher Development Goals« für Emissions- 1998 MDGs Nachhaltigkeitskodex 12 (SDGs) / »Agenda höchstmengen ▷ Aufnahme der MDGs »Agenda 21 for Culture – 2030« 13 UNSECO Weltkon 2001/2002 in Aktionsplan United Cities and Local ferenz »Kulturpolitik Government« 10 1992 für Entwicklung« in KuPoGe: Zahlreiche Publiktion: »Perspek Stockholm Forschungsprojekte, tiven für Deutschland« ▷ Kultur als 4. Säule UN Weltkonferenz Tagungen und Publika- (nationale Nachhaltig- der Nachhaltigkeit 12 »Umwelt und Entwick- Aktionsplan tionen 6 keitsstrategie) 9 lung« in Rio de Janeiro »Kulturpolitik UNSESCO-Konvention für Entwicklung« ▷ »Tutzinger Manifest« über den Schutz und die ▷ Agenda 21, (Kultur als 4. Säule der Förderung kultureller Klimarahmen Abschlussbericht der Nachhaltigkeit) 7 Ausdrucksformen 11 konvention, Enquete-Kommission: Biodiversitäts »Konzept Nachhaltig- Rat für Nachhaltige konvention keit: Vom Leitbild zur Entwicklung 8 Umsetzung« 4 Aufnahme von Nachhaltigkeit als 10 Leitlinie kultupoliti schen Handels ins Grundsatzprogramm der KuPoGe 5 9 4 11 5 13 6 7 8 Globales Ereignis Ereignis auf Bundesebene KuPoGe-Aktivität 10 11 ZEIT FÜR ZUKUNFT Sensibilisieren
2021 Ein Blick zurück Die damit verbundene Impulswirkung hatte nationalen und internationalen Erfolg. Der Rat für 20 Jahre Bereits seit einem halben Jahrhundert steht das Nachhaltige Entwicklung empfahl auf Grundlage 2019/2020 »Tutzinger Manifest« Thema »Nachhaltigkeit« auf der Agenda. Auch die des »Tutzinger Manifestes«, in die Nachhaltigkeits- 2020 programmatische Verknüpfung zur Kulturpolitik strategie ein Kapitel zu Kultur und Nachhaltigkeit KuPoGe: »Kulturpo … kann inzwischen schon auf mehrere Jahrzehnte aufzunehmen. 2002 wurde das »Tutzinger Manifest« litische Mitteilungen« »Aktionsnetzwerk … zurückblicken: Die Kulturpolitische Gesellschaft hat auf der Rio-Nachfolgekonferenz in Johannesburg 2018 zur klimagerechten Nachhaltigkeit in Kultur … dabei eine nicht unerhebliche Rolle gespielt. Der vorgelegt. In den Folgejahren war die KuPoGe bei- Kulturpolitik 15 und Medien« 17 Zeitstrahl bietet eine chronologische Annäherung spielsweise bei der Gründung des Ratschlages Inter- »Projektbüro Nach- mit der Abbildung ausgewählter Ereignisse – und kultur 2004, als Mitglied der Bundesweiten Koalition haltigkeit und Kultur«, Projekt »Nachhaltige zwar auf drei Ebenen: international, national und be- Kulturelle Vielfalt und des Runden Tisches Bildung angedockt an den und klimagerechte zogen auf das Handeln der KuPoGe. Er beginnt 1972 für Nachhaltige Entwicklung vertreten. All diese Deutschen Kulturrat 14 Kulturpolitik« mit dem Jahr, in dem in Stockholm die erste Kon- Entwicklungen sind untrennbar verbunden mit dem ferenz der Vereinten Nationen über die Umwelt der viel zu früh gestorbenen Bernd Wagner, der sich als Sommerakademie Menschen »United Conference on Human Environ- langjähriger Leiter des Instituts für Kulturpolitik wie »Von der Z ukunft her« 16 17 ment« stattfand und die als Beginn der internationa- kaum eine andere Person aus dem Kulturbereich für len Umweltpolitik gilt. In diesem Jahr veröffentlichte Nachhaltigkeitsfragen stark machte. auch der Club of Rome den Bericht »Grenzen des Wachstums«, der von Dennis und Donella Meadows In den vergangenen sechs Jahren ist ein weiterer vom MIT erarbeitet wurde. Bedeutungszuwachs zu erkennen – auch durch den Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in New York, In den ersten 25 Jahren ist die thematische Ver- bei dem die 193 aktuellen Mitgliedsstaaten einstim- knüpfung von Nachhaltigkeit und Kultur bzw. mig die »Agenda 2030« verabschiedeten und sich Kulturpolitik wenig ausgeprägt. Dies ändert sich damit 17 übergeordnete nachhaltige Entwicklungs- Ende der 1990er Jahre: Auf internationaler Ebene ziele gaben. In Deutschland entstehen neue Netz- 14 wurde mit der UNESCO -Weltkonferenz »Kultur- werke und Verbindungen zwischen Akteur*innen: politik für Entwicklung« 1998 erneut in Stockholm wie beispielsweise 2018 das Projektbüro Nachhaltig- eine Verknüpfung der Themen Kultur, Entwicklung keit und Kultur in Kooperation von BUND sowie dem und Nachhaltigkeit hergestellt und ein Aktionsplan Deutschen Kulturrat und 2020 das Aktionsnetzwerk »Kulturpolitik für Entwicklung« verabschiedet. Um Nachhaltigkeit in Kultur und Medien (gefördert von den Jahrtausendwechsel sind dann auch in Deutsch- der BKM ), das in Zusammenarbeit verschiedener land verschiedene Aktivitäten zu verzeichnen. Partner*innen Pilotprojekte initiiert, dokumentiert Beispielsweise wird 2001 vom damaligen Bundes- und kommuniziert. kanzler Gerhard Schröder ein Rat für Nachhaltige Entwicklung eingerichtet, und im Folgejahr wird die nationale Nachhaltigkeitsstrategie »Perspektiven für Ausblick Deutschland« durch die Bundesregierung erstmals verabschiedet. Es zeigt sich: In den vergangenen 25 Jahren wurde einiges erreicht, aber es bleibt noch viel mehr zu tun, um über Wissenstransfer, Austausch und ge- Kulturpolitik und Nachhaltigkeit meinsames Gestalten zu einem zukunftsweisenden Handeln zu kommen. Jetzt wünschen wir erstmal 15 Seit Ende der 1990er Jahre engagiert sich auch viel Freude und zum Handeln anregende Einsichten die KuPoGe in diesem Themenfeld und treibt eine bei der Lektüre von »Zeit für Zukunft« und danken Verknüpfung von Nachhaltigkeit und Kultur voran. für all die spannenden Impulse, Einblicke und An- Bezüge zu dieser Schwerpunktsetzung finden sich regungen. / HENNING MOHR, ULRIKE BLUMENREICH, UTA ATZPODIEN im Grundsatzprogramm, in zahlreichen durch- geführten Tagungen, Forschungsprojekten und Publikationen wie zum Beispiel »Kultur und Agenda 21« oder »Kunst – Kultur – Nachhaltigkeit«. Besonders hervorzuheben ist das »Tutzinger Manifest«, das 2001 auf der Tagung »Ästhetik der Nachhaltigkeit« in der Evangelischen Akademie Tutzingen entstand. Dieses »Tutzinger Manifest« stellt einen program- matischen Shift dar, denn es forderte die gleichbe- rechtige Integration von Kultur – neben Ökologie, 16 Ökonomie und Sozialem – als vierte Säule in das Konzept »Nachhaltige Entwicklung« und eine engere Verknüpfung von Kulturpolitik und Nachhaltigkeit. Globales Ereignis Ereignis auf Bundesebene KuPoGe-Aktivität 12 13 ZEIT FÜR ZUKUNFT Sensibilisieren
Eine Sommer- akademie im Zirkuszelt Was hat denn das mit Nachhaltigkeit zu tun? Herzlich willkommen in Utopiastadt, dem andau- Ganz zu schweigen von der Möglichkeit, mal zu ernden Gesellschaftskongress mit Ambitionen und schauen, was zur Verfügung steht, um daran ent- Wirkung. Und Heimat des Utopiastadt-Campus, auf lang die verschiedenen Bedarfe zu sortieren. Wie dem wiederum das Zirkuszelt steht, das erfreulicher- viel kreativer könnte unser Alltag werden, wenn wir weise der Kulturpolitischen Gesellschaft als Ort zum nicht immer so sicher wären, dass wir das, was wir Start ihrer »Sommerakademie für eine klimagerech- gerade gerne hätten, auch einfach kaufen könnten. te Kulturpolitik« dienen konnte. Und zwar nicht aus Mangel an Geld, sondern aus Sommerakademie für eine klimagerechte Kulturpolitik am 17.9.2021. Zirkuszelt bei Utopiastadt. Gewohnheit. Ist klimagerechte Nachhaltigkeit Veranstaltungen können, wollen, müssen wir tat- mit einer fundamentalen Nachhaltigkeit in eben also nur Zirkus? Zurück zum Zirkuszelt: sächlich machen? Wie viele Projekte, Strukturen, Sti- diesen Experimentierräumen mit. Genau wie in den pendien – wenn wir dabei nicht Zeit, Kraft und Raum Räumen, die sich bereits während der Entwicklung Das Zirkuszelt wurde gebraucht von einem Zirkus Warum sollte man ein neues Zirkuszelt kaufen, genug haben, uns um die jeweiligen nachhaltigen von der Gebäudenutzung bis zum Flächenkauf ausgemustert, die Stühle darin sind zusammen- wenn einem ein gebrauchtes zuläuft? Denn nicht Klimaaspekte darin zu kümmern? in Utopiastadt ansiedelten: Urban Gardening mit gewürfelt von unterschiedlichen Vornutzungen, anders ist dieses auf dem Utopiastadt-Campus ge- der Frage nachhaltiger Lebensmittelerzeugung, der Boden ist nicht versiegelt. Drumherum geht landet: Ein Zirkus hatte die noch freien Flächen als Elektro- und Fahrradreparaturcafés mit der Frage es so weiter: Alte Überseecontainer, Paletten und Winterquartier genutzt, man kam ins Gespräch über Utopiastadt ist ein Raum, genau langfristiger Materialnutzung, die Gemeinschafts- Baumstümpfe als Sitzmöbel, ein ehemaliger Feuer- Veranstaltungen und ihre Orte – und auf die Idee, die diese Fragen in den Blick zu nehmen: werkstatt mit der Frage geteilter Werkzeugnutzung, wehrwagen-Aufbau als Geräteschrank für den Flächen für zwei im Sommer anstehende Großver- OpenDataL mit der Frage nachhaltiger Wissensnut- Gemeinschaftsgarten, und sogar die Sandfläche, anstaltungen mit einem Zirkuszelt zu gestalten. Man Gestartet 2011 auf rund 200 Quadratmetern Cowor- zung, Nähtreff, Gebäudesanierung, Design- und Wo- auf der wahlweise mit Schaufel und Eimer gespielt sprach über Mietpreise, und siehe da, das gebrauch- king-Space – dem ersten in Wuppertal – wuchs diese chenmärkte, Konzerte und Festivals, Gastronomie, oder auf Sonnenstühlen entspannt wird, ist mit dem te Zelt sollte ohnehin verkauft werden. So fand es Stadt in der Stadt binnen acht Jahren auf einen rund Lastenfahrradverleih, ... Sand gefüllt, der vorher auf Stadtfesten in der City als seine neue Heimat auf dem Utopiastadt-Campus. 40.000 Quadratmeter großen Utopiastadt-Campus. Cocktail-Beach diente. Eben weil es ohnehin schon da war. Und während damit der physische Raum für expe- Nur die Liegestühle, die Bestuhlung der Außengas- rimentelle Stadtentwicklung ganz greifbar wuchs, Nachhaltigkeit als Möglichkeitsraum: tronomie und drei oder vier der Sonnenschirme sind wuchs die Notwendigkeit zur Auseinandersetzung offensichtlich von Getränkeanbietern gesponsert. Oft Und die Kulturpolitik? Es mag Zeitgeist sein oder inhärent in Utopien einer Die Möglichkeitsräume ist es nicht zuletzt eine pragmatisch ökonomische besseren Welt – jedenfalls zieht sich die Frage nach Entscheidung, auf gebrauchte Dinge zurück zu Für mich gab es einen besonders spannenden Nachhaltigkeit von Anfang an durch alle Projekte sind hier nicht einfach greifen. Geld für brandneue Container oder ein bau- Moment während der Sommerakademie: Es wurde und Vorhaben in Utopiastadt. Und selbstverständlich marktfrisches Gerätehaus wäre nicht einfach so zur gerade debattiert, über spezielle Ausrichtungen von zieht diese Frage zahllose unvollständige Antworten nur offen, sondern wer- Verfügung. Aber warum sollte man ein neues Zirkus- Kulturförderprogrammen zu Nachhaltigkeit in der oder vollkommen gescheiterte Antwort-Versuche zelt kaufen, wenn einem ein gebrauchtes zuläuft? Umsetzung von Kunst- und Kulturvorhaben anzure- nach sich. Warum in all diesem Scheitern der andau- den immer von dem gen beziehungsweise sie zu fordern. Und aus Reihen ernde Gesellschaftskongress Utopiastadt aber auch derer, die offensichtlich dann für die Umsetzung von in der Nachhaltigkeitsfrage nicht nur Ambitionen, Ein interessanter Aspekt von Nachhaltigkeit: ehrlichen Anspruch an Förderprogramm-Forderungen zuständig sind, kam sondern auch Wirkung vorweisen kann? Weil hier der ehrliche Seufzer, dann käme man ja irgendwann die Möglichkeitsräume nicht einfach nur offen sind, die großen Gelingens Vermutlich gibt es im westlichen Wohlstand in gar nicht mehr zum eigentlichen Programm. Das sondern immer von dem ehrlichen Anspruch an die Lagern, auf Dachböden oder selbst dekorativ im Ess- war dann aber nicht das frustrierte Ende der Debat- großen Gelingensfragen von Nachhaltigkeit begleitet fragen von Nach- zimmer mehr Stühle als Hintern, die darauf platziert te, sondern der Start derselben in ein Thema, das für werden: Commons, Allmende, Gemeinwohl – und werden können. Warum also sind wir eigentlich so mein Empfinden in der Kunst- und Kulturdebatte Suffizienz. haltigkeit begleitet: viel mehr daran gewöhnt, uns etwas auszudenken, noch viel zu selten auftaucht: Suffizienz. Und so lange diese als gute Geister über den vielen was wir gerne hätten, um es einzukaufen oder pro- Nicht bei der Nutzung von gegebenen Möglich- utopischen Ideen in Überlegungen oder Umsetzun- Commons, Allmende, duzieren zu lassen, als zu überlegen, was wir gerade keiten. Darin gelangen viele, gerade freischaffende gen schweben, läuft einem, wenn man will, auch mal so in etwa brauchen, und dann mal herauszufinden, Künstler*innen oft zu unfreiwilliger Meisterschaft. ein gebrauchtes Zirkuszelt zu. / DAVID J. BECHER Gemeinwohl – und wo das jemand gerade nicht mehr braucht? Nein, in der grundsätzlichen Frage: Wie viele Weiterführende Informationen: Suffizienz. www.utopiastadt.eu DAVID J. BECHER 14 15 ZEIT FÜR ZUKUNFT Sensibilisieren
Wuppertal Orte für jedes A lter, Netzwerke und Freiräume Wie wollen wir leben? im Aufbruch »Wie wollen wir leben?« bestimmt wie ein roter Fa- Mit Blick in die Zukunft jeder Stadt entpuppen sich den das Klima im Tal. Das international renommierte Kinder als wesentliche Akteur*innen, so in der Alten Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie hat Feuerwache im Quartier Mirke, die seit Jahrzehnten dazu beigetragen, dass sich Wuppertal selbst zur der wachsenden Kinderarmut entgegenwirkt, zu Transformationsstadt deklarierte. Zum 25. Jubiläum Teilhabe an Gesellschaftsprozessen anregt. Der des Instituts hieß es 2016 auf Plakaten stadtweit: Transformation & Klima Kulturkindergarten an der Nordbahntrasse verwebt »Making Utopia possible«. Als Leitpublikation er- offensiv künstlerische Impulse mit Engagement für schien 2018 das Buch »Die große Transformation. Schon in Zeiten der Moderne standen die alten Nährboden für Kunst, kulturelle Vielfalt. Pittoresk und bunt, direkt an der Eine Einführung in die Kunst gesellschaftlichen Wupperstädte in ihrer Mischung aus traditioneller, Kultur und Stadtentwicklung Wupper in Unterbarmen gelegen, weckt die Junior Wandels« mit der Frage, wie nachhaltiger Wohlstand früh-, dann hochindustrieller Innovationskultur Uni, die Wuppertaler Kinder- und Jugenduniversität und gutes Leben aussehen können. Prof. Dr. Uwe beispielhaft für Aufbrüche. 1929 wurde aus bereits Im Spannungsfeld von engem Tal und weitem Blick für das Bergische Land gGmbH, mit ihrer »Pädagogik Schneidewind, seit Herbst 2020 Oberbürgermeister weltbekannten urbanen Teilen die Großstadt Wup- aus der Höhe gärt ein vielschichtiger Nährboden der leuchtenden Augen« experimentelle Lernfreude. der Stadt Wuppertal, benennt hier die gesellschaft- pertal, die schon damals einen Sinn für Experimente für Kunst, Kultur und Stadtentwicklung. Viele lichen Wenden, die für eine nachhaltige Entwicklung in sich trug. Ihre hoch entwickelte wissenschaftliche einzelne und vernetzte Aktive tragen dazu bei. Mit Im ehemaligen Textilwerk Bünger in Wichlinghausen notwendig sind. Eine »Zukunftskunst« brauche sie: und künstlerische Kultur prägte Architektur und wachsender Akzeptanz und Solidarität gelingt es an der Nordbahntrasse haben die Montag Stiftungen Im Wuppertaler Transformationsmodell finden Menschen im 20. Jahrhundert. Eine »lange, schmale, zunehmend gemeinsam, Ideen, Werte und Zusam- mit BOB Campus ein gemeinnütziges urbanes Nach- Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Stadtentwicklung, sehr seltsame Aktionistenstadt« erinnert sich in menhalt in Stadt und Welt zu tragen und Strukturen barschaftsprojekt in Planung. An Industriekultur Kunst und Kultur zueinander. Quer durch die Ak- einem Interview (DIE BESTE ZEIT 2/2018) der bundesweit en- zu verändern: Der Verein Wuppertalbewegung hat fehlt es in Wuppertal nicht. Zudem gibt es urban tionistenstadt Wuppertal wanderte im September gagierte kulturpolitische Reporter Peter Grabowski, mit viel bürgerschaftlichem Engagement den Um- vielfältige Zusammenschlüsse, wie )) freies netz werk 2020 die Kulturpolitische Gesellschaft mit »Von selbst Wuppertaler. Ob in den 1990er-Jahren, als ein bau der Nordbahntrasse zu einer kilometerlangen )) KULTUR , EinTopf – Solidarfonds für Kulturschaf- der Zukunft her – Sommerakademie für eine klima- Musikmagazin Wuppertals Flair so umschrieb, oder Freizeitachse gegen eine Vielzahl anfänglicher fende, den Kulturrat, das Künstlerinnen Netzwerk gerechte Kulturpolitik«, um mit vielen Expert*innen heute: Es ist eine Stadt mit Höhen und Tiefen, vibrie- Widerstände vorangetrieben und umgesetzt. Utopia- YAYA oder Freiräume, die für kollaborativ-kreatives konkret zukunftsweisende Praktiken und Wege zu rendem Puls, kreativem Aktionismus und vielseitigen stadt versteht sich als kreativer altersübergreifender Arbeiten und ein Neuverhandeln von Beziehungen erforschen. / UTA ATZPODIEN UND BETTINA PAUST Potenzialen. Vergangenheit und Gegenwart finden Gesellschaftskongress im alten Mirker Bahnhof an genutzt werden und zukunftsweisende Werte erfahr- mit Blick in die Zukunft zueinander. In der einst flo- der Nordbahntrasse. Beide lenken überregional, bar machen. Das entstehende Pina Bausch Zentrum rierenden Textilstadt und überregional anziehenden gar international Blicke auf die Stadt, locken Fach- erprobte sich mit dem digitalen Festival »Wir bauen Kulturmetropole haben die verschiedenen Nieder- besucher*innen an. In vielen Stadtvierteln Wupper- ein Haus«, um Wandlungsprozesse anzustoßen. gänge immer wieder enorme Entwicklungspotenzia- tals funkelt es innovativ: Die Färberei strahlt seit le freigesetzt und Neues entstehen lassen. Jahrzehnten mit ihrem Fokus auf Soziokultur und Im Spannungsfeld von engem Inklusion, die Mobile Oase Oberbarmen führt auf Eigenwillig schlängelt sich die vor 120 Jahren erbau- den Straßen im Osten der Stadt fragend, forschend te stadtplanerische und verkehrstechnische Meister- und kreativ erfrischend Dialoge mit Menschen, die Tal und weitem Blick gärt ein leistung Schwebebahn durch das Tal, schwingt und sonst nicht im Blickfeld stünden. Im Westen betreibt schwebt über der Wupper, vorbei an ungewöhn- die Kunststation im Bahnhof Vohwinkel eine Kunst- lichen Relikten der Industriekultur. Renommierte galerie mitten im Verkehrsknotenpunkt, die mit dem vielschichtiger Nährboden Künstler*innen wie die Choreografin Pina Bausch 5-Nischen-Projekt von Bildhauer Ecki Lowisch direkt mit dem Tanztheater Wuppertal, der vielseitig en- am Bahnhofvorplatz einen erfahrbaren Kunstort hat gagierte Musiker Peter Kowald – als einer der vielen entstehen lassen. Im Luisenviertel in Elberfeld wird für Kunst, Kultur und international prägenden Freejazzer der hiesigen der sich selbst so nennende ort, ein smarter weißer Avantgarde – oder auch der seit 1977 in Wuppertal Raum, von der Peter-Kowald-Gesellschaft betrieben lebende Bildhauer Tony Cragg mit seinem weltweit und führt experimentierfreudig sowohl lokale als Stadtentwicklung. renommierten »Skulpturenpark Waldfrieden« haben auch internationale Künstler*innen zusammen. mit ihren innovativen Akzenten und Praktiken den Mit ihrem Upcycling-Café Swane bietet Selly Wane visionären Klang der Stadt verstärkt. Nicht nur sie. einen pulsierenden Begegnungsraum für Kunst und Menschen aller Kulturen. Wenig weiter, im ehema- ligen Bücherschiff im Haus der Jugend Elberfeld, ist UTA ATZPODIEN UND BETTINA PAUST das LOCH beheimatet, ein Kunst- und Musikort. Alle drei Orte wurden mehrfach mit Preisen des Bundes ausgezeichnet, für ihr quirlig vielseitiges künstlerisch außergewöhnliches und die Kulturszene belebendes Programm. 16 17 ZEIT FÜR ZUKUNFT Sensibilisieren
Neustart Kultur sich als Einrichtung der Kulturveranstaltungen des Kultur for Future Bundes in Berlin seit der Einführung eines EMAS - Umweltmanagementsystems im Jahr 2013 und der Vollständig angekommen sind Nachhaltigkeit im Zeichen der Schaffung einer Klima AG im Jahr 2015 nach und und Klimawandel im Kulturbereich dann im ver- nach für die Etablierung und Weiterentwicklung von gangenen Jahr, vor der Corona-Pandemie, durch Nachhaltigkeitsaktivitäten eingesetzt. Im Frühjahr die Jugendklimabewegung Fridays For Future. Das 2020 hätten dann auch die »Ludwigsburger Schloss- Dortmunder U zeigte die Ausstellung »Cartoons for Nachhaltigkeit! festspiele« mit ihrem Programm unter dem großen future«, das Netzwerk Grüne Bibliotheken startete Schwerpunkt Nachhaltigkeit und den 17 Zielen der die Initiative »Libraries For Future«, das Kulturbüro UN -Agenda 2030 gestanden, was dann Corona-be- Rheinland-Pfalz beteiligte sich an den weltweiten dingt ausgesetzt werden musste. Klimastreiks, der Verband der Schriftstellerinnen und Schriftsteller veröffentlichte ein Statement zur Unterstützung der Fridays-for-Future-Bewegung, Aufbruch in eine andere Moderne Positionierung von Kulturverbänden die Dramaturgische Gesellschaft organisierte eine Tagung »Klimakrise auf der Bühne«, der Produzen- So einiges ist anders im Jahr der globalen Corona- Durchbruch einer Kultur der Nachhaltigkeit Nicht nur einzelne Theater-, Film- oder Musikfestivals tenverband deutscher Filmproduzenten startete Pandemie. Damit verbunden ist der sehr mensch- sehen in der Nachhaltigkeitsagenda der Vereinten eine »Freiwillige Selbstverpflichtung zur nach- liche und wohl auch natürliche Reflex, es möge bald Was Till Briegleb beim Programm »Neustart Kultur« Nationen eine Herausforderung für ihre Kulturarbeit. haltigen Filmproduktion«. Neben vielen weiteren wieder vorbei sein und wieder so sein wie vorher. vermisste, dass Monika Grütters die Weichen der Kulturverbände unterschiedlicher Kulturbereiche Aktivitäten vielfältiger Kulturakteur*innen sorgten Gilt das nach dem pandemiebedingten Stillstand Kultur mit einer richtungweisenden These auf Zu- sind aktuell dabei, eigene Positionen zu entwickeln auch Medienberichte wie »Die Kunst der Schein- auch für die Kultur und ihren Neustart? Gibt es für kunft stellt, ist bei einer kulturellen Avantgarde des oder ihre Mitglieder bei Aktivitäten im Bereich Kli- heiligkeit«, »Klimaschutz in der Kunst: Macht mal die Kultur ein Weiter-So wie zuvor? Oder sollte der Wandels bereits klar zu beobachten. Auch wenn Tino maschutz und Nachhaltigkeit zu unterstützen. Der Pause!« oder »Das Ende der Orgien« für Aufmerk- krisenbedingte Neustart auch ökologisch und ge- Sehgal für die Kultur insgesamt bemerkt, dass sie 30 Deutsche Bibliotheksverband zählt die Umsetzung samkeit und öffentlichen Druck. Die Tate in London sellschaftlich zur Arbeit an einer neuen Kultur der Jahre Nachhaltigkeit verschlafen und ihre Vorreiter- der »Agenda 2030« zu den künftigen Aufgaben der hat den Klimanotstand ausgerufen. Internationale Nachhaltigkeit genutzt werden? rolle eingebüßt habe, gibt es mit dem Greta-Effekt Bibliotheken, hat dazu ein Informationsportal einge- Beispiele wie der Konzertverzicht von Coldplay aus eine neue Dynamik im Kulturbereich. Pioniere einer richtet und im Jahr 2016 schon eine Stellungnahme Klimaschutzgründen, die Ankündigung der Band Kultur der Nachhaltigkeit haben sich bereits lange zum Entwurf der »Deutschen Nachhaltigkeitsstra- Massive Attack, zusammen mit Forscher*innen eine Alles anders vor Fridays For Future auf den Weg gemacht. Dabei tegie« eingereicht. In einem Modellvorhaben des Klimabilanz für die Musikindustrie zu erstellen, oder liegt in der Vollbremsung vom rasenden Stillstand Bundesverbands Soziokultur hat der Verband mit die Auszeichnung der Londoner Kuratorin für Öko- Schon vor der Verbreitung des Covid19-Virus waren zum viralen Stillstand im Jahr 2020 ein besonderes Förderung des Rats für Nachhaltige Entwicklung logie Lucia Pietroiusti mit einem »Goldenen Löwen« die Dinge anders: durch weitere globale Krisen wie Momentum und ein kultureller Wendepunkt. Wie in mit einem »Nachhaltigkeitskodex in der Soziokultur« in Venedig warfen zusätzlich die Frage auf, wie es in Migrationsströme und Erderwärmung, durch ge- der Stunde Null nach Ende des Zweiten Weltkriegs einen Handlungsrahmen für Kulturbetriebe ent- der deutschen Kulturszene aussieht. Durch aktuelle sellschaftlichen und technologischen Wandel mit Er- mit dem Einzug einer amerikanischen Kultur oder wickelt. In einem Positionspapier »Umsetzung der Recherchen und eine Medienanalyse der Kulturpoli- neuerbaren Energien und Digitalisierung oder durch wie am Ende des Kaiserreichs mit den Anfängen Agenda 2030 ist eine kulturelle Aufgabe« hatte der tischen Gesellschaft wurden in Deutschland solche geopolitische Machtverschiebungen zwischen den einer demokratischen Kultur (pandemiebegleitet Deutsche Kulturrat Anfang 2019 ein kulturpolitisches Good Practice Beispiele und Vorreiteraktivitäten für globalen Großmächten. Ob es dadurch besser wird, von der Spanischen Grippe), hat die Corona-Pan- Signal an seine 258 Mitgliedsverbände gesetzt. Eine alle Kulturbereiche sichtbar. Auch zwischen Bad wenn es anders wird, wagte bereits der Aufklärer demie sichtbar gemacht, dass alte Vorstellungen ganze Reihe von grünen Initiativen im Kulturbereich Oldesloe und Bonn, Köln und Kressbronn, Leipzig Georg Christoph Lichtenberg nicht zu entscheiden, und Leitbilder grenzenloser Verfügbarkeiten fragil sind auf Nachhaltigkeits- und Klimakonferenzen der und Ludwigsburg gibt es wegweisende Beispiele für war sich aber sicher, dass es nur dann gut werden geworden sind und eine Kultur der Nachhaltigkeit Vereinten Nationen zurückzuführen. Dazu gehört klimaneutrale Museen, für die nachhaltige Veran- könnte, wenn es anders wird. Wenn es in den zwanzi- auf dem Durchbruch ist. auch als Meilenstein das 2001 im Vorfeld des UN- staltung von Musikfestivals, für Nachhaltigkeit in der ger Jahren des 21. Jahrhunderts eine Sicherheit gibt, Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung aufgestellte Filmförderung, für Bibliotheken als Dritte Orte der ist es wohl diejenige, dass es auch ohne weiteres Zu- »Tutzinger Manifest« für die Stärkung der kulturell- Nachhaltigkeit oder für Medienformate zu Klima- tun grundlegend anders wird und vermutlich sogar Kultur auf UN-Weltklimakonferenzen ästhetischen Dimension nachhaltiger Entwicklung. schutz in der Literatur. stärker als Gesellschaft und Kultur es gut finden. »Ou atterir?« (wo landen?) fragten Bruno Latour und Von der Initiierung von Projekten wie »SAVE THE auch der Gropius Bau in der Ausstellung »Down to WORLD « durch das Theater Bonn im Jahr 2014 bis Vollständig angekommen sind Earth«. Wo wir gelandet sind, haben Ulrich Beck und zum Bekenntnis von Kultureinrichtungen zu den Andreas Reckwitz mit der »Weltrisikogesellschaft«, 17 globalen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten der »Reflexiven Modernisierung« und dem »Ende der Nationen wie der Berlinale im Jahr 2020 haben Nachhaltigkeit und K limawandel Illusionen« auf den Begriff gebracht. Unter den Be- sich Kulturschaffende und Kultureinrichtungen dingungen von Corona, Klimawandel und Geopolitik kreativ und auch institutionell immer wieder mit lässt sich insofern bekräftigen, dass alles noch viel den Herausforderungen von Klimawandel und im Kulturbereich durch die grundlegender anders wird. Ob Lichtenberg dann Nachhaltigkeit auseinandergesetzt. Als interdiszi- in der heutigen Zeit sagen würde: Es muss resilient plinäres Bonner Theaterfestival gestartet, avancierte werden, wenn es nachhaltig werden soll? »SAVE THE WORLD « zu einem kulturellen Partner Jugendklimabewegung Fridays der Vereinten Nationen, der auf UN-Weltklima- konferenzen zunächst ein Eröffnungsprogramm und dann 2018 zur »COP 24« in Katowice ein ganzes For Future. Kulturprogramm gestaltete. Auch die »Berlinale« hat RALF WEIẞ 18 19 ZEIT FÜR ZUKUNFT Sensibilisieren
So wie das B auhaus Verharren oder Aufbruch Nachhaltigkeit durch Kultur Nach dem Corona-Nullpunkt eröffnet sich für den Beim zweiten Feld Nachhaltigkeit durch Kultur in Weimar und Kulturbereich die Wahl: ein Verharren und Fest- geht es nicht nur um die Rolle des Kultursektors halten an überkommenen Regeln, Praktiken und bzw. einer Kultur im engeren Sinne, sondern um Mustern. Oder: ein Wahrnehmen und Öffnen für eine das übergreifende und transdisziplinäre Zusam- neue Zeit mit einem ebenso notwendigen wie be- menwirken des Kulturbereichs mit anderen ge- Dessau für den freienden Aufbruch einer Kultur der Nachhaltigkeit. sellschaftlichen Bereichen an Zukunftsperspektiven Dessen Kraft speist sich nicht nur aus der gegenwär- einer Weltgemeinschaft, die den Nährboden ihres tigen Vitalität der von der Generation Greta auf den Heimatplaneten wertschätzt und pflegt statt sich Kulturbereich übergesprungenen Energie. Sie baut so einzurichten, als gäbe es eine zweite Erde. Für insgesamt auf 20 Jahren Pionierarbeit zu kultureller eine solche, globale Vision stehen die UN Agenda Aufbruch in die Nachhaltigkeit, auf einer 30-jährigen, weltweiten 2030 und die 17 Nachhaltigkeitsziele, die der Welt- Verbreitung des Leitbildes einer Nachhaltigen Ent- risikogesellschaft eine gemeinsame Perspektive als wicklung und auf einem 75-jährigen Wirken der Ver- Weltgemeinschaft von Erdbürger*innen eröffnen. einten Nationen seit der Stunde Null nach Ende des Auf Ebene der Europäischen Union findet sich diese Moderne stehen, Zeiten Weltkrieges auf. So gehören zu den wesent- Perspektive im Gedanken einer Next Generation EU lichen Grundpfeilern einer Kultur der Nachhaltigkeit und im Europäischen Green Deal, der nach dem die Leitgedanken der Klimagerechtigkeit sowie der historischen Vorbild des Roosevelt’schen New Deal Universalität von Kultur und die Vorstellung der Ar- der 1920er Jahre ein Erneuerungsprogramm für könnte ein »neues beit an einer Kultur des Allgemeinen, die einer Logik die heutige Zeit der globalen Klimakrise aufstellt. der Partizipation aller folgt, zugleich aber von allen Inzwischen beinhaltet der Europäische Green Deal auch eine »Entkulturation« verlangt, wie es Andreas als Bestandteil einer Next Generation EU auch ein Reckwitz benannte. Ein Neustart Kultur im Zeichen großes kulturelles Projekt, das ebenfalls auf ein der Nachhaltigkeit steht unter diesen Leitgedanken historisches Vorbild zurückgreift. Angekündigt ist die Bauhaus« für den und bewegt sich auf zwei Feldern: Nachhaltigkeit in Errichtung eines neuen Europäischen Bauhauses, der Kultur und Nachhaltigkeit durch Kultur. bei dem Künstler*innen mit unterschiedlichen Disziplinen zusammenarbeiten und Nachhaltigkeit mit einer eigenen Ästhetik verbinden. So wie das Aufbruch in eine Nachhaltigkeit in der Kultur Bauhaus in Weimar und Dessau für den Aufbruch in die Moderne und Industriemoderne stehen, könnte Nachhaltigkeit in der Kultur bedeutet eine Ausein- ein »neues Bauhaus« im Sinne Joseph Beuys für andersetzung des Kulturbereichs, der Kultureinrich- den Aufbruch in eine zweite, nachhaltige Moderne zweite, nachhaltige tungen und der Kulturschaffenden mit der eigenen stehen. Als »grünes Bauhaus« (R. KOMAR) oder »Bauhaus Nachhaltigkeit, mit der Nachhaltigkeit des Kultur- der Erde« (H. J. SCHELLNHUBER) könnte das Europäische betriebs und der Kulturveranstaltungen. Oder wie es Bauhaus in seinem Manifest einen Neustart der Kul- Yilmaz Dziewior, Kurator des Deutschen Pavillons auf tur im Zeichen der Nachhaltigkeit ausrufen: »Wollen, der nächsten Kunstbiennale in Venedig veranschau- erdenken, erschaffen wir gemeinsam die neue, nach- Moderne stehen. licht: »Ich versuche schon länger, meine Flugreisen haltige Kultur der Zukunft.« / RALF WEIẞ so weit wie möglich zu reduzieren. Und nach Corona werden wir alle mehr per Videokonferenz kommuni- Literatur: zieren.« Wie das Beispiel der Green Consultants im Beuys, Joseph (1984): »Dieser Flappmann von Bürgermeister«, Filmbereich zeigt, konfrontiert die Nachhaltigkeit in: Hamburger Rundschau vom 13.9.1984 in der Kultur den Kulturbetrieb mit einer Aufgabe, Briegleb, Till (2020): »Kunst in der Krise – S päter Neustart«, in: für den die Kultur auf unterschiedlichen Ebenen Süddeutsche Zeitung vom 4.6.2020 RALF WEIẞ Unterstützung benötigt. So möchte die Kulturstif- Komar, Reinhard (2008): Grünes Bauhaus 1. Wir brauchen völlig neue Formen, Oldenburg: dbv tung des Bundes über ein neues Pilotvorhaben in 15 bis 20 Kultureinrichtungen aus unterschiedlichen Reckwitz, Andreas (2020): Das Ende der Illusionen. Politik, Ökonomie und Kultur in der Spätmoderne, Bonn: Bundes Kultursparten breite Erfahrungen zur Ermittlung zentrale für politische Bildung (s. S. 59) einer Klimabilanz sammeln. In welche Richtung Rosa, Hartmut (2020): Unverfügbarkeit, Berlin: Suhrkamp Nachhaltigkeit in der Kultur gehen kann, hat das Sehgal, Tino (2020): »Die Kultur hat etwas von ihrer Kulturamt der Stadt Dresden als Vision 2030 bei Vorreiterrolle eingebüßt«, in: monopol vom 7.9.2020 der Erstellung des neuen Kulturkonzepts formuliert: Schellnhuber, John (2019): »Das macht mich manchmal schlaflos«, in: Berliner Zeitung vom 12.11.2019 »Jeder Kulturbetrieb hat seit 2020 erfolgreich eine Nachhaltigkeitsstrategie implementiert, die einer- seits Maßnahmen zum Klimaschutz enthält und die andererseits innere soziale und wirtschaftliche Strukturen zukunftsfähig aufgestellt hat.« 20 21 ZEIT FÜR ZUKUNFT Sensibilisieren
Stadt und Über Deine Arbeit am Wuppertal Institut hast Was heißt das konkret für die Stadt? Du in den letzten Jahren wissenschaftliche Die acht Punkte des 100 Tage-Programms vermit Akzente und Impulse gesetzt, greifbar über Dein teln das: In den ersten vier Punkten geht es darum, Zukunft Buch »Die große Transformation. Eine Einführung erstmal eine Transformationsfähigkeit in der Stadt in die Kunst gesellschaftlichen Wandels« (2018). zu stärken. Der Fokus liegt hier auf der Verwaltung, Was heißt es, als frisch gebackener Oberbürger- um ihre Kraft ganz anders zu nutzen. Hier investiere meister transformative Ideen in die lokale Politik ich in Gespräche mit Führungskräften. Vieles kann zu tragen? nur mit den unterschiedlichen Leistungsbereichen kuratieren Als Wissenschaftler und Transformationsforscher in der Verwaltung funktionieren, die es für so eine habe ich mich mit organisatorischen und gesell Veränderung und Transformation zu gewinnen gilt. schaftlichen Veränderungsprozessen beschäftigt, Das Begeistern und Mitnehmen all derjenigen ist in denen ganz unterschiedliche Akteur*innen und gefragt, die entweder öffentliche Landes- oder Bun Gruppen involviert sind. Es ist faszinierend zu spüren, desmittel oder private Mittel in die Stadt investieren was so eine Stadt für ein hochinteressanter und wollen und müssen, wenn wir vorankommen wollen. verwobener Komplex ist, mit einem großen Ver Auch die Bürgerbeteiligung mit den konkret poli Ein Gespräch mit dem neuen O berbürgermeister waltungsapparat von über 5.000 Menschen, mit ganz eigenen politischen Mechanismen, Unternehmen tisch Aktiven vor Ort und die zivilgesellschaftlichen Kräfte sind wichtig. Egal, was wir konkret verändern Wuppertals Uwe S chneidewind und vielen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen. Hier gibt es viele Kraftzentren, die gut zusammenwirken müssen, wenn man die Stadt voranbringen will. wollen: Wir müssen erstmal veränderungsfähig sein. Wir gehen die großen ökologischen Themen, wie Klimaneutralität 2035, mit wissenschaftlicher Unter Transformationsaspekten sitze ich nun mitten Für mich ist hier ein in der Herzkammer, dort, wo all diese Stränge zu sammenlaufen. In der Rolle des Oberbürgermeisters Wertekern wesent- heißt es, sie in einer klugen Weise aufeinander zu be ziehen. Ich fühle mich wie ein Kurator umgeben von lich, ein Anerkennen lauter Kunstwerken: Politische, wirtschaftliche und Was geschieht, wenn Nachhaltigkeitswissenschaft Verwaltungskunstwerke, die es gilt, miteinander zu der Würde einer verbinden. Wie schaffen wir es, dass das Ganze mehr und Politik zusammenkommen? Seit November 2020 ist als seine Teile? Welche Rolle spielen Transformations- und jeden und eines jeden ist Uwe Schneidewind n euer Oberbürgermeister der anderen. Dies gilt für Nachhaltigkeitskriterien für die weitere Entwick- lung der Stadt und konkret für den Kunst- und Stadt Wuppertal, gewählt als g emeinsamer Kandidat von alle Menschen auf Kulturbereich? Eine nachhaltige Entwicklung kann sich auf ganz diesem Planeten, unterschiedliche Ebenen beziehen. Für mich ist BÜNDNIS 90 / Die Grünen und der CDU. Seit 2010 ist der hier ein Wertekern wesentlich, ein Anerkennen der heute und für künftige Würde einer jeden und eines jeden anderen. Dies Wirtschaftswissenschaftler in Wuppertal und hat als lang- gilt für alle Menschen auf diesem Planeten, heute Generationen. und für künftige Generationen. Das ist ein radikales Weiterdenken der Grundidee von Menschenrechten jähriger Präsident des W uppertal Instituts für Klima, U mwelt und menschlicher Würde. Es gilt, die Chance für ein UWE SCHNEIDEWIND gutes Leben zu ermöglichen und jeden Menschen in und Energie lokal bis global zukunftsweisende Impulse ge- seiner Würde und seinen Entfaltungsmöglichkeiten anzuerkennen. Dieser Kompass für eine gute Stadt politik ist getragen von der Idee der gleichen Würde Begleitung an und konkretisieren das technisch und setzt. Kürzlich sprach er mit Blick auf seine neue Aufgabe in aller 362.000 Menschen, die in dieser Stadt leben. Es ökonomisch mit Landes- und Bundesunterstützung. heißt, sie so zu gestalten, dass jede*r eine Chance Hier geht es um die knappste Ressource jeder Stadt, der lokalen Politik vom »Eintauchen in eine Laborsituation«, hat, ein gutes Leben zu führen und seine Potenziale zu entwickeln. Das muss sozial und ökologisch aus die Fläche. Wie verhandeln wir den Umgang mit Fläche im Sinne einer guten Stadtentwicklung? Wie buchstabiert werden. Technisch und ökonomisch denken wir die Innenstädte der Zukunft jenseits er möchte »Menschen in die Zukunft mitnehmen«. Die Dra- braucht es dafür neue Infrastrukturen. Es geht um reiner Shoppingzentren? Es geht um das soziale Investitionen, Finanzmittel. Politisch braucht es und kulturelle Miteinander samt aller Bildungs-, maturgin Dr. Uta A tzpodien kennt ihn aus verschiedenen handfeste und konkrete Rahmenbedingungen. All dies hat eine kulturelle Dimension, weil – sozial und Teilhabe- und Entwicklungsmöglichkeiten. Wir wollen Wuppertal zu einer diskriminierungsfreien ökonomisch bedingt – neue Formen der Achtsam Stadt machen. Genau das ist eine Brücke zur grund Arbeitskonstellationen und ist mit ihm im Gespräch. keit gefragt sind. All dies gut zusammenzudenken, legenden Idee von Nachhaltigkeit. Jede, jeder, egal, das haben wir »Zukunftskunst« genannt. was für einer Herkunft, was für einer Orientierung, wird mit der angemessenen Würde behandelt. 22 23 ZEIT FÜR ZUKUNFT Sensibilisieren
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