Panoptica frauen.kultur.tirol 2020 - Land Tirol

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Panoptica frauen.kultur.tirol 2020 - Land Tirol
4c Rot.    1c Schwa

                                        Outline.

Panoptica
frauen.kultur.tirol
2020

Shortmanual Land Tirol, Stand 12/2019
Panoptica frauen.kultur.tirol 2020 - Land Tirol
PA N O P T I CA
INHALT                                                                frauen.kultur.tirol 2020

VORWORT
  Landesrätin Dr. Beate Palfrader                                                          Seite 3

EINLEITUNG
  Petra Streng                                                                             Seite 5

KUNST
  May Hofer – ein farbenreiches Leben                                                      Seite 6
  Sylvia Hofer
  Wien, Wien nur du allein oder was es heißen kann, den Inn gegen die Donau zu tauschen   Seite 12
  Claudia Schneider
  Blicke – Worte – Taten – Kunstvermittlung aus weiblicher Sicht                          Seite 18
  Simone Gasser
  Frauen im Augustinermuseum Rattenberg                                                   Seite 24
  Barbara Randolf

KULTUR
  Laura Weidacher – Porträt einer ungewöhnlichen Künstlerin                               Seite 30
  Christine Riccabona und Verena Zankl
  Die ganze Welt ist Theater! Theater, Theater – die Bretter , die die Welt bedeuten?     Seite 36
  Michaela Hutz

KALEIDOSKOP
  Kann, muss, darf Jagd weiblich sein?                                                    Seite 44
  Andrea Aschauer
  Interview mit Frau Prof. Högl: Schlafes Schwester                                       Seite 50
  Renate Linser-Sachers
  Auf’nånd schaugen – Frauennetzwerke in Südtirol                                         Seite 56
  Sabine Geiger
  Die Geschichte der häuslichen Erwerbstätigkeit – Heimarbeit – damals und heute          Seite 62
  Andrea Pancheri

KALEIDOSKOP … DES MANNES
  Die erste Sirene – Biografische Erinnerungen                                            Seite 66
  Gunter Bakay

Autorinnen und Autoren                                                                    Seite 72
Panoptica frauen.kultur.tirol 2020 - Land Tirol
VORWORT

Die vielfältigen Leistungen von Frauen im Kunst-
und Kulturbereich sichtbar zu machen und ihre öf-
fentliche Wahrnehmung zu stärken – mit dieser
Intention wurde Panoptica vor mittlerweile acht
Jahren ins Leben gerufen. Zwar hat sich vieles zum
Positiven gewandelt, aber Chancengerechtigkeit ist
nach wie vor keine Selbstverständlichkeit, sondern
muss immer wieder aufs Neue eingemahnt und ver-
teidigt werden.

Die aktuelle Ausgabe der Panoptica 2020 zeigt in
vielen Facetten, wie Frauen leben und arbeiten und
welchen Beitrag sie für das Kunst- und Kulturleben
in Tirol und darüber hinaus leisten. Es sind ganz in-
                                                                                Foto: © Tanja Cammerlander
dividuelle Perspektiven und Formen, mit dem Le-
ben (und auch mit der Arbeit) umzugehen. Familie,
Haushalt und Erwerb sind nicht immer einfach zu           Streng, die wieder für eine spannende
bewerkstelligen. Und so manches persönliche Inte-         Themenauswahl gesorgt hat und als
resse wird hintangestellt. Doch von der Lebendig-         Chefredakteurin für Panoptica verant-
keit der Frauenkulturen zeugen die Artikel, die die       wortlich zeichnet. Ebenso danke ich
Bandbreite von Frausein widerspiegeln. Egal ob auf        den Autorinnen und dem Autor für ihre
der Bühne, hinter den Kulissen oder in der stetigen       Beiträge sowie allen Frauen, die mit
Auseinandersetzung mit dem Alltag – Tirol ist stolz       ihrem Können und ihrem Engagement
auf die vielfältigen Frauenaktivitäten! Es liegt in der   die Tiroler Kunst- und Kulturszene be-
Natur der Sache, dass manche still und andere öf-         reichern. Ich wünsche den Leserinnen
fentlichkeitswirksam agieren. Doch allen Frauen ist       und Lesern eine interessante Lektüre
gemein: Sie suchen ihren Weg und erbringen unver-         und neue Einblicke in die (weiblichen)
zichtbare Leistungen für die Gesellschaft.                Tiroler Lebenslandschaften!

Panoptica weckt ein Bewusstsein dafür, wie sehr das
Kunst- und Kulturleben in Tirol von Frauen geprägt
ist und stärkt weibliche Netzwerke – in Tirol und
durch die Einbindung Südtirols auch über die Lan-
desgrenzen hinweg. Vernetzung verleiht der kultur-        Dr.in Beate Palfrader
politischen Arbeit von Frauen das nötige Gewicht,         Landesrätin für Bildung, Kultur, Arbeit
ermöglicht Ermächtigung und Austausch und trägt           und Wohnen
dazu bei, eine Symmetrie der Geschlechter Wirk-
lichkeit werden zu lassen. Vielfältig, qualitätsvoll
und überraschend – so zeigt sich Panoptica auch in
der vorliegenden 8. Ausgabe. Mein Dank gilt Petra

                                                                               PANOPTICA 2020           3
Panoptica frauen.kultur.tirol 2020 - Land Tirol
EINLEITUNG
                                                                                                                                                                     Was verbindet eine Forscherin mit ei-
                                                                                                                                                                     ner Jägerin, was ist der Konnex zwi-
                                                                                                                                                                     schen Netzwerkerin und Künstlerin
                                                                                                                                                                     und wie werden Frauen auch darge-
                                                                                                                                                                     stellt? Fragen und Antworten, die sich
                                                                                                                                                                     in den einzelnen Beiträgen wiederfin-
                                                                                                                                                                     den, wenn auch die Spurensuche zum
                                                                                                                                                                     Nachdenken anregt. Wir leben auf ei-
                                                                                                                                                                     ner Bühne, ob wir es nun wollen oder
                                                                                                                                                                     nicht. Welche Funktion nun die einzel-
                                                                                                                                                                     ne Frau innehat, ist individuell. Den
                                                                                                                                                                     Charme einer Schauspielerin im grel-
                                                                                                                                                                     len Licht der Öffentlichkeit hat auch
                                                                                                                                                                     eine Regisseurin oder Kulissenschiebe-
                                                                                                                                                                     rin. Künstlerinnen fassen ihre Impressi-
                                                                                                                                                                     onen in Musik, in Worten oder Bildern.
                                                                                                                                                                     Auch das Erforschen, die wissenschaft-
                                                                                                                                                                     liche Bearbeitung und das Analysieren
                                                                                                                                                                     zeigen anhand der Beiträge weibliche
                                                                                                                                                                     Zugangsweisen.

                                                                                                                                                                     Die einzelnen Artikel der Panoptica
                                                                                                                                                                     sind dementsprechend bunt und sub-
                                                                                                  Weibliche Schutzfigur aus dem Amazonas-Gebiet aus Peru und weib-   jektiv gehalten. Und das ist auch gut
                                                                                                  liche Marionetten-Figur aus Myanmar                                so. Lassen wir der Vielfalt Freiraum,
                                                                                                                                                                     schauen wir auch einmal nach links
                                                                                                  Die Ausgabe der Panoptica 2020 beweist wieder-                     und rechts und versuchen auch männ-
                                                                                                  um, dass weibliche Lebenswelten, der Umgang mit                    liche Positionen zu verstehen.
                                                                                                  Kunst und Kultur, der Arbeit und dem Alltag reichhal-
                                                                                                  tige Themenkomplexe bieten. Das entspricht auch                    Die emanzipatorisch-feministische
                                                                                                  der alten Redewendung „etwas ist recht und billig”,                Ausrichtung des Slogans und Rede-
                                                                                                  es ist angemessen. Denn man darf nicht vergessen,                  wendung „Eine Frau ohne Mann ist wie
                                                                                                  dass erst im 18. Jahrhundert billig als wohlfeil ver-              ein Fisch ohne Fahrrad” ist klar erkenn-
                                                                                                  wendet wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt galt billig als              bar. Doch Sprichwörter sind nicht sel-
                                                                                                  Synonym für recht (rechtens). Die einzelnen Beiträ-                ten einseitig und realitätsfremd. Frau-
                                                                                                  ge der Panoptica sind also absolut angemessen der                  en behaupten sich – und dies beweisen
                                                                                                  doch unterschiedlichen Lebenswelten von Frauen.                    alle Autorinnen (bzw. Interviewpart-
                                                                                                  Es kommen unterschiedliche Blickweisen zutage,                     ner) dieser Ausgabe, nebst Autor, der
                                                                                                  historische Rückblicke und aktuelle Befindlichkeiten.              neben dem Weib‘ auch sich zu ergrün-
IMPRESSUM                                                                                                                                                            den sucht. Danke an alle Beteiligten
Eigentümer, Herausgeber und Verleger:
                                                                                                  Frauen leben vielleicht manchmal anders – doch sie                 und viel Vergnügen beim Lesen.
© Amt der Tiroler Landesregierung                                                                 sind in den gesellschaftlichen Kontext eingebunden,
Für den Inhalt verantwortlich: HR Dr. Thomas Juen, Abteilung Kultur,                              zum Teil auch in Schemata gepresst, die nicht viel
Michael-Gaismair-Straße 1, 6020 Innsbruck, email: kultur@tirol.gv.at
Redaktion: Dr. Petra Streng
                                                                                                  Freiraum zulassen. Doch Frauen holen sich ihren Frei-
Druck- und Gesamtherstellung: Alpina Druck, Innsbruck                                             raum, stetig, hoffnungsvoll, energiegeladen, wenn                  Petra Streng
Die mit Namen gekennzeichneten Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.   auch so manche Barrieren Stolpersteine darstellen.                 Redaktion

4   PANOPTICA 2020                                                                                                                                                                         PANOPTICA 2020   5
Panoptica frauen.kultur.tirol 2020 - Land Tirol
MAY HOFER
                                                    Meine Großmutter war eine lebhafte Frau, so je-
                                                    mand, die immer in Bewegung sein muss – sowohl
                                                    geistig als auch physisch. Sie konnte nie einfach nur
Ein farbenreiches Leben                             dasitzen, etwas musste sie immer tun, etwas schaf-
                                                    fen. Dazu kam ihr majestätisches Auftreten, die vor-
                                                    nehme Eleganz. Sie war nie nur angezogen, sondern
Sylvia Hofer                                        ihr ganzes Äußeres war von Kopf bis Fuß harmonisch
                                                    abgestimmt in Stil und Farbe. Eine kleine, energische
                                                    Person, die bis ins hohe Alter modebewusste Finesse
                                                    mit Extravaganz verbunden hat und auch damit ihr
                                                    durch und durch künstlerisches Naturell zum Aus-
                                                    druck brachte.

                                                    In der kleinen galizischen Industriestadt Chybi bei
                                                    Krakau, damals zur Donaumonarchie gehörend,
                                                    wurde meine Großmutter am 8. September 1896 als
                                                    Maria Ottawa geboren. Ihr Vater ist der Leiter der
                                                    k. u. k. Zuckerfabrik und Bürgermeister von Chybi,         May und Anton Hofer, 1919         Foto: Privat
                                                    der seiner Tochter eine Weltreise verspricht, so-
                                                    bald sie größer ist. Als Maria elf Jahre alt ist, stirbt
                                                    er. Es folgt eine unruhige Wanderschaft, denn die          „Südtirol war für mich ein völliges
                                                    Mutter entschließt sich, zunächst nach Mähren, zu          Neuland. Es war eine Wüste um mich
                                                    Verwandten, und dann nach Pola (heutiges Pula in           herum, und ich war ganz auf mich al-
                                                    Kroatien) zu ziehen, wo die Brüder der Mutter als          lein angewiesen. Es war eine schwieri-
                                                    Marineoffiziere stationiert sind. Hier erlebt sie die      ge Zeit, und ich habe mich erst müh-
                                                    Eleganz des Kaiserreiches der letzten Jahre, die sie       sam eingewöhnen müssen”, wird sie
                                                    bis an ihr Lebensende prägen wird.                         später sagen.

                                                    Da sie immer auf eigenen Beinen stehen will und er-        Maria legt sich den Künstlernamen
                                                    füllt ist vom Drang, selbst etwas zu schaffen, über-       May zu und zusammen mit ihrem
                                                    siedelt Maria während des Ersten Weltkrieges nach          Mann Anton nehmen sie an Wettbe-
                                                    Wien, inskribiert an der Kunstgewerbeschule (spä-          werben, internationalen Ausstellun-
                                                    ter Akademie für angewandte Kunst) und belegt              gen und den Handwerksmessen in Pa-
                                                    die Klassen für Textil bei Rosalie Rothansl, Email         ris, Florenz und München teil, die die
                                                    bei Adele von Starke und Modezeichnen bei Eduard           einzige Möglichkeit darstellen, in der
                                                    Wimmer-Wisgrill.                                           europäischen Szene aufzutreten und
                                                                                                               wofür sie viele Anerkennungsdiplome
                                                    Trotz des Krieges bleibt die Kunstszene in Wien le-        und Preise bekommen.
                                                    bendig und Maria begegnet Künstlern der Sezession
                             Tabernakeltüre mit
                             Pelikan, 1973, Email
                                                    wie Josef Hoffmann oder Koloman Moser und des-             Mit der befreundeten Familie Valier
                             Limoges, Kapelle       sen Meisterschüler Anton Hofer, einem Multitalent          beschließen sie 1931, eine Pension
                             Jesuheim, Girlan       in Architektur, Malerei und Grafik. 1919 heiraten sie      an der Adria zu eröffnen. Die Pension
                             Foto: Privat
                                                    und nachdem Anton Hofer eine Professur an der              „Belvedere” ist weit und breit das ein-
                                                    Akademie für angewandte Kunst ablehnt, folgt Ma-           zige Hotel in dem kleinen Fischerdorf
                                                    ria ihrem Mann schweren Herzens nach Bozen. Sie            Miramare bei Rimini, ein schlichter
                                                    wäre viel lieber in einer Großstadt geblieben. Die         Bau, zu dem Anton Hofer die Pläne
                                                    provinzielle Enge und das traditionelle Kunstver-          erstellt. Die künstlerischen Aktivitä-
                                                    ständnis in Südtirol erlebt sie Zeit ihres Lebens als      ten verlagert May, inspiriert vom Meer
                                                    bedrückend.                                                und der Umgebung, in das Bemalen

6   PANOPTICA 2020 | KUNST                                                                                                     PANOPTICA 2020 | KUNST      7
Panoptica frauen.kultur.tirol 2020 - Land Tirol
von Bastmatten mit Temperafarben                                                                                                                                              wie ihre Farben sind: Kindheitserinne-
und aus den selbst gesammelten Mu-                                                                                                                                            rungen von alten Städtchen mit wind-
scheln stellt sie collagenartige Bilder                                                                                                                                       schiefen Häusern, Blumen, Tiere, En-
zusammen, mit denen sie die Wände                                                                                                                                             gel, die Sonne oder religiöse Themen,
der Pension schmückt.                                                                                                                                                         ganz gleich ob Buddha, der gute Hirte
                                                                                                                                                                              oder eine Pietà. Mit ihren Werken ver-
Ihr Sohn Arno (1923-2017) erlebt zu-                                                                                                                                          zaubert sie die Betrachtenden, lädt ein
sammen mit Willy (dem späteren                                                                                                                                                zum Verweilen und Begutachten der
Künstler) und Kurt Valier wunderbare                                                                                                                                          Details und zieht sie in ihren Bann.
Sommer der Freiheit am Meer. Durch
den Zweiten Weltkrieg wird das Hotel                                                                                                                                          Ab 1964 nimmt die Künstlerin an zahl-
1942 geräumt und geschlossen, jedoch                                                                                                                                          reichen Ausstellungen in Italien und im
von 1946 bis 1962 wiedereröffnet.                                                                                                                                             Ausland teil. Vor allem ihre Paneele aus
                                                                                                                                                                              Stoffmosaik lösen große Bewunderung
Immer bereit, Neues zu wagen, kehrt                                                                                                                                           aus: „Dorf meiner Heimat” (1950), das
May Hofer nach dem Zweiten Welt-                                                                                                                                              an ihren Geburtsort erinnert; „Hahn
krieg als Gasthörerin an die Akademie                                                               Aus dem Zyklus "Die Erschaffung der Welt, 5. Tag", 1969, Stoffapplika-    kündigt den Morgen an” (1961) und
                                                                                                    tion, Österreichisches Museum für angewandte Kunst, Wien Foto: Privat
für angewandte Kunst nach Wien zu-                                                                                                                                            die „Versunkene Stadt” (1968), das von
rück. Dort besucht sie die Klasse für                                                                                                                                         der Bozner Sparkasse erworben wird.
Email bei Professor Nedbal und lernt                                                                                                                                          Das Wiener Museum für angewandte
bei dessen Frau Marika Nedbal-Dol-                                                                                                                                            Kunst kauft ihren „Schöpfungszyklus”,
nizka, einer Ukrainerin, die Technik                                                                                                                                          ein textiles Mosaik in drei Abschnitten
des russischen Netzemails. Nach der                                                                                                                                           von jeweils 65 x 65 cm (1969).
endgültigen Schließung des Hotels
(1962) verschafft sie sich den Freiraum                                                                                                                                       Später entstehen in Email die Taber-
für ihre eigentliche Leidenschaft, die                                                                                                                                        nakel für das Jesuheim in Girlan und
Kunst, und nach ihrer Rückkehr nach                                                                                                                                           das Altenheim in Kastelruth, für das
Bozen bezieht May Hofer das helle,                                                                                                                                            sie auch eine Pietà schuf, sowie das
inspirierende Atelier von Sophie und                                                                                                                                          Emailbild „Der gute Hirte” für das
Emanuel Fohn in der Leonardo-da-Vin-                                                                                                                                          Völser Schwesternheim. Ihre späten
ci-Straße, in dem vorher bereits die                                                                                                                                          Bildteppiche „Der Fund der Dame von
Gebrüder Stolz arbeiteten.                                                                                                                                                    Elche” (1990), „Die Königin von Saba”
                                                                                                                                                                              (1990) und „Der Turm von Babel”
May Hofer wird künftig ihr künstleri-                                                                                                                                         (1995) finden große Beachtung.
sches Talent mit zwei sehr unterschied-
lichen Materialien zum Ausdruck brin-     Modezeichnung, 1918, Wien                  Foto: Privat                                                                             May Hofer wird mit ihren Arbeiten und
gen: Stoff und Email. Die weichen                                                                                                                                             Ausstellungen zur Grande Dame der
Stoffapplikationen setzt sie so zusam-                                                                                                                                        Südtiroler Kunstszene. Sie ist mit den
men, dass teilweise sehr große Pan-       getragen, dem vor dem Brennen die gewünschte                                                                                        Künstlern Markus Vallazza und Gott-
neaus entstehen. Die wie ein Mosaik       Form gegeben wird. Letztere Technik ist das inzwi-                                                                                  hard Bonell eng befreundet, mit der
aus übereinander gelegten Stoffstü-       schen in Vergessenheit geratene Netzemail.                                                                                          Bildhauerin Sieglinde Tatz-Borgogno
cke fügen sich Schicht für Schicht zu     Sowohl die Bildteppiche als auch die Kompositionen                                                                                  entstehen gemeinsame Arbeiten. In
einem Bildteppich zusammen. Das           in Limoges-, Cloisonné- und Netzemail sind Erupti-                                                                                  ihrer Wohnung empfängt sie als beg-
Email, bei dem das Rohmaterial aus        onen voller Farben, temperamentvoll, leidenschaft-                                                                                  nadete Gastgeberin Jung und Alt aus
einem matten Pulver besteht, wird zu      lich, sehnsuchtsvoll.                                                                                                               dem Kulturmilieu.
einer schimmernden, glasähnlichen
Substanz gebrannt; das Pulver wird        May Hofers Arbeiten sind geprägt vom östlichen                                                                                      Am 8. Juli 1988 wird ihr als 92-Jährige
entweder auf statisches Kupfer oder       Kulturraum, den slawischen Volksweisheiten, den           Altarkreuz, 1975, Email Cloisonné, Kapelle im Schwesternheim in Völs      das Ehrenkreuz der Republik Öster-
auf ein biegsames filigranes Netz auf-    archaischen Mythen, wobei die Motive so vielfältig        am Schlern                                                 Foto: Privat   reich für ihre Verdienste im Bereich

8   PANOPTICA 2020 | KUNST                                                                                                                                                                 PANOPTICA 2020 | KUNST   9
Panoptica frauen.kultur.tirol 2020 - Land Tirol
Hochzeitsanzeige May und Anton Hofer, 1919, Entwurf Anton Hofer
                                                           Foto: Privat

                                                           der Wissenschaft und der Kunst verliehen. In ihrer
                                                           Dankesrede sagt sie: „Dass Österreich, mein Hei-
                                                           matland, mir diese Ehrung zukommen lässt, erfüllt
                                                           mich mit großer Freude. Auch danke ich Bozen und
                                                           Südtirol, dass es mich angenommen und gefördert
                                                           hat. Ich habe in meinem Alter viele Kreuze zu tra-
                                                           gen. Das Kreuz, das ich heute angeheftet bekam, ist
                                                           dabei ganz etwas Besonderes.”

                                                           Trotz des Verlustes ihres Augenlichts in den letzten
                                                           Jahren ihres Lebens arbeitet sie mithilfe ihrer Assis-
                                                           tentin Martina Varesco unermüdlich weiter. „Weißt
                                                           du, heute Nacht, als ich nicht schlafen konnte, habe
                                                           ich in Gedanken wieder einen neuen Bildteppich
                                                           entworfen”, erzählt sie mir wenige Wochen vor ih-
                                                           rem Tod. Sie ist wohl das beste Beispiel dafür, wie
                                                           jung ein Mensch mit über hundert Jahren sein kann.

                                                           Ihr Leben war geprägt durch die bewegte Geschich-
                                                           te Europas des 20. Jahrhunderts, sie war ein Kind
                                                           ihrer Zeit, das drei Jahrhunderte erlebte – eine au-
                                                           ßergewöhnliche Frau und Künstlerin in jedem Sinne.

Der gute Hirte, 1975, Netzemail, Kapelle im Schwes-        May Hofer starb am 3. Mai 2000 in Bozen im Alter
ternheim in Völs am Schlern                 Foto: Privat   von 103 Jahren.                                                   Die letzte Gaslaterne, 1992, textile Applikation            Foto: Privat

10   PANOPTICA 2020 | KUNST                                                                                                                                                     PANOPTICA 2020 | KUNST   11
Panoptica frauen.kultur.tirol 2020 - Land Tirol
WIEN, WIEN NUR DU ALLEIN ODER                           Den Inn gegen die Donau zu tauschen heißt auch,
                                                        Berge gegen Flachland, Bier gegen Wein, „Woss??”
                                                                                                                  len kann, so wie in den Bergen. Sie
                                                                                                                  sind beeindruckt von den prunkvollen
                                                        gegen „Wie bitte?” auszuwechseln. Es werden               Fassaden der Häuser und die Fassa-
WAS ES HEISSEN KANN, DEN INN                            schneereiche Winter gegen heiße Sommer ge-
                                                        tauscht: Statt am Wochenende mit der Rodel auf
                                                                                                                  den der kunstvoll geschminkten Men-
                                                                                                                  schen- übrigens wird beides davon
GEGEN DIE DONAU ZU TAUSCHEN.                            den Berg, nach der Arbeit mit dem Rad an die Do-
                                                        nau. Bald ist es zehn Jahre her, seit ich aus Innsbruck
                                                                                                                  durch Facharbeit erschaffen und muss
                                                                                                                  instandgehalten werden und beides
                                                        nach Wien gezogen bin, ich bin somit als Exiltirole-      dient als Aushängeschild.
Claudia Schneider                                       rin Expertin auf diesem Gebiet.
                                                                                                                  Bei den TirolerInnen, die nun den
                                                        Als Jugendliche fand ich es immer relativ unnötig,        Schritt wagen in die Hauptstadt zu
                                                        ja fast lächerlich, wenn die „Großen” zum Studie-         übersiedeln, gibt es ebenso nur zwei
                                                        ren nach Wien gingen, um dort dann mit denselben          Varianten: Sie lieben es oder sie kön-
                                                        FreundInnen in einer Wohngemeinschaft zu leben            nen sich ganz und gar nicht einleben,
                                                        wie die Jahre davor und sich auch sonst mit fast          fühlen sich unwohl, wollen zurück.
                                                        ausschließlich altbekannten Gesichtern zu umge-           Beides gibt es häufig. Um es anders
                                                        ben, sprich: Einfach nur die Stadt zu wechseln, nicht     auszudrücken: Wäre ich Spediteurin,
                                                        das Umfeld, sich aber dennoch von da an als Groß-         würde ich mich allein auf Übersiedlun-
                                                        stadtmensch zu fühlen. Deshalb wollte ich das nie.        gen von Tirol nach Wien – und eben
                                                        Die Pläne meiner FreundInnen, mich miteinberech-          auch wieder zurück spezialisieren. Wer
                                                        net, nach der Matura nach Wien zu gehen und eine          schon nach fünf Monaten wieder zu-
                                                        Wohngemeinschaft zu gründen (die gefühlt milli-           rück will, bekäme 15 % Rabatt, wer die
                                                        onste Tiroler WG in Wien), ließ mich dementspre-          Firma weiter empfiehlt, sogar 20 %.
                                                        chend kalt, was nicht an den FreundInnen lag oder
                                                        daran, dass ich Wien nicht gemocht hätte. Sondern,        Die, die bleiben fügen sich sehr gut
                                                        ich wollte erstens: nicht weg aus dem überschauba-        ein in den Flickenteppich der Wiener
                                                        ren Innsbruck, und zweitens: wenn, dann richtig –         Kunst und Kulturszene von der auch
                                                        also weiter weg, zumindest dorthin, wo ich wirklich       ich irgendwie ein Teil bin. Gerade in
                                                        nicht sehr viele kenne. Aber dann ist das passiert,       der Kunst und Kulturszene tönen ge-
                                                        was immer passiert: Es kam alles anders als gedacht,      fühlt überall die starken „K” und „Sch”
                                                        und das ist gut so. Plötzlich fand ich mich nach der      Laute des Berglandes von den Wän-
                                                        Matura und dem ersten Studienjahr in Innsbruck, in        den, Fassaden oder Bühnenbildern
                                                        Wien wieder.                                              wider. Ich will an dieser Stelle keine
                                                                                                                  Aufzählung von berühmten, erfolg-
                                                        Es gibt viele Gründe in die Hauptstadt zu ziehen,         reichen TirolerInnen einfügen, auch
                                                        aber, so scheint es, nur zwei Varianten, wie sich         wenn es genügend Beispiele von
                                                        TirolerInnen zu Wien verhalten: Die Einen finden          KünstlerInnen gibt, die das geschützte
                                                        die Stadt unmöglich, viel zu groß, die WienerInnen        Tal, die bergige Landschaft gegen das
                                                        überheblich und unfreundlich, viel zu wenig na-           flachere Donaugebiet ausgetauscht
                                                        turverbunden, und dann noch diese schrecklichen           haben. Fast scheint es, als würden
                                                        Winter – statt zauberhaften Schnee am Berghang,           sich auch hier die Gegensätze anzie-
                              Foto: Claudia Schneider   graue Kälte in den Häuserschluchten ... Und ja: Der       hen: Die als raunzend und sudernd
                                                        Wiener-Winter bleibt eine Herausforderung, auch           verschrienen WienerInnen verlangen
                                                        nach Jahren noch …                                        geradezu nach den als dickköpfig und
                                                                                                                  eigenbrötlerisch geltenden TirolerIn-
                                                        Die Anderen sind fasziniert von der Größe der Stadt,      nen und umgekehrt. Nur durch das
                                                        sehen die Möglichkeiten des Lebens in einer Metro-        Gegenüber wird Identität geschaf-
                                                        pole, doch können nie so ganz glauben, dass man           fen. Das Wienerische, und hier lehne
                                                        sich in dieser Stadt tatsächlich richtig zuhause füh-     ich mich weit aus dem dreiflügeligen

12   PANOPTICA 2020 | KUNST                                                                                                   PANOPTICA 2020 | KUNST   13
Panoptica frauen.kultur.tirol 2020 - Land Tirol
Holzfenster des Gründerzeithauses in       oder mehr verleiht, ja, sogar ohne Bergführerlizenz             Vergessen wird aber manchmal, dass das nicht auch        nicht Kaffeekultur, denn die Göttin des
dem ich lebe, konnte nur dieses ge-        kennt man sich also TirolerIn irgendwie notgedrun-              heißt, umgekehrt wäre das genauso. Es verhält sich       Cafés wäre oft unsagbar traurig wüsste
nuin Wienerische werden, weil es von       gen mit Touristen aus. Das war für mich als Innsbru-            hier ähnlich, wie mit dem Schließen der Augen: nur       sie, was in manchen – auch den altehr-
den aus allen Ecken der Welt in Wien       ckerin ein Faktor, der mir das Eingewöhnen in Wien              weil ich selbst nichts mehr sehe, heißt das noch lan-    würdigen Cafés als Melange und Co
zusammenkommenden und nach ei-             leichter machte: denn, auch die Altstadt in Inns-               ge nicht, dass ich unsichtbar bin. Das kann als klei-    über den Bartresen wandert. Ich dachte
ner „Heimat” Suchenden imaginiert,         bruck hat nicht weniger TouristInnen die sich durch             ner Merksatz helfen, und es wurde auch mir sehr          mir jedenfalls, dass mir die Ideen hier
zugleich erschaffen und durch ständi-      die Gässchen schieben, als der erste Bezirk.                    schnell klar. Weil ich selbst mit Kaisermühlen Blu-      in einem echten Wiener Café quasi von
ge Wiederholung auch aufrechterhal-                                                                        es aufgewachsen bin und so glaube einen Einblick         allein kommen würden. Doch schon die
ten wurde. Wien ist nun mal das, was       Gäbe es da nur nicht diese Sprachbarriere … Waaaas              ins Wienerische zu haben, kann ich nicht erwarten,       erste Enttäuschung: Der mich bedie-
daraus gemacht wird.                       und Wiiie Bitte? Wer nicht sofort verstanden wird,              dass mein Tiroler Dialekt nicht auffällt oder gar ver-   nende Kellner, ist sehr zuvorkommend
                                           ist kurz verunsichert, ob durch die Entwurzelung ei-            standen wird. Enttäuschend war für mich nur, dass        und freundlich und hat wenig mit den
Jede Stadt hat ihre Verhaltenscodes        nem auf kurz oder lang die eigene Sprache abhan-                dieser „echte” Wiener (Fernseh-) Dialekt gar nicht       „echten” Grantlern in weißem Hemd
– ohne diese zu kennen, ist man Out-       den gekommen ist. Deutlich wie nie wird einem die               so viel gesprochen wird, aber vielleicht verbringe       und Sakko zu tun, die den Titel „Herr
siderIn. Wer in Innsbruck zu viel Siezt,   eigene Dialekt-Einfärbung der Sprache vor Augen                 ich nur zu wenig Zeit in Kaisermühlen. Wer weiß.         Ober” verdient haben. Ober ist nämlich
gilt schnell als abgehoben, wer in Wien    geführt. Ob man sich darauf in Schweigen hüllt, die                                                                      tatsächlich eine passende Bezeichnung,
zu wenig Siezt, gilt als unhöflich oder    Flucht ergreift oder die Frage als Aufforderung ver-            Ich schreibe diesen Artikel im Übrigen, wie könnte       denn ein Ober hat die Oberherrschaft.
Landei. Übrigens gelten Bergjacke          steht, die eigene Lebensgeschichte zu erzählen, ist             es auch anders sein: im Kaffeehaus. Denn: so steht       Nur wer in seiner Gunst steht, wird ger-
und -schuhe in Wien nicht als norma-       charakterabhängig. Da quasi die ganze Filmbran-                 es in jedem Reiseführer der Welt: Wien ist bekannt       ne, oder überhaupt bedient, andre so
les Stadtoutfit.                           che Österreichs in Wien angesiedelt ist, die großen             für seine Kaffeehauskultur- und ich sage absichtlich     lange ignoriert, bis sie entweder aufge-
                                           Medien ebenso, sind alle ÖsterreicherInnen, woher                                                                        ben und gehen, oder sich durch diese
Es gibt aber auch Gemeinsamkeiten.         sie auch kommen mögen, mehr oder minder an den                                                                           Hartnäckigkeit im Ausharren ebendiese
Als TirolerIn ist man quasi naturge-       Wiener Dialekt gewöhnt. Zumindest in diese Rich-                                                                         Gunst verdient haben.
mäß an Tourismus gewöhnt. Auch,            tung gibt es keine großen Verständnisschwierigkei-
wer keine Gästezimmer, Ski, Rodeln         ten. Von Wortspielereien einmal abgesehen.

                                                                                 Foto: Tillman Schneider                                                                                      Foto: Claudia Schneider

14   PANOPTICA 2020 | KUNST                                                                                                                                                       PANOPTICA 2020 | KUNST         15
Panoptica frauen.kultur.tirol 2020 - Land Tirol
Nebenbei bemerkt bin ich froh in die-                                                                         Apropos Geschmack. Die Wiener Küche ist nicht nur      die so gut zum Wienerschnitzel pas-
ses Café gefunden zu haben. Denn mit                                                                          österreichischer Sozial-Kleber, sondern relativ hoch   sen. Hier ein wichtiger Punkt für alle
der Orientierung ist das so eine Sache.                                                                       angesehen- relativ deshalb, weil ich denke, dass vor   TirolerInnen, die in Wien ein Schnitzel
Es ist gar nicht so leicht, sich als Inns-                                                                    allem die WienerInnen selbst sie hoch schätzen-        bestellen: Preiselbeeren muss man
bruckerin in Wien zu orientieren. War-                                                                        und naja objektiv ist das nicht ganz. Sieht man sie    leider immer extra bestellen (oft auch
um? Weil wir es von Kinderschuhen an                                                                          nüchtern an – ja das ist ein Wortspiel – steht fest:   bezahlen) ...
gewöhnt sind zu wissen, wo Norden                                                                             die Wiener Küche ist vielseitig. Es gibt Fleisch, es
ist, denn dafür hat man ja die Nordket-                                                                       gibt Fleischlos, es gibt süße, sogenannte Mehlspei-    Ob letztendlich das alte Sieczynski-
te. Dementsprechend leicht ist es auch                                                                        sen, es gibt einfach und sehr kompliziert. Gerade      Lied mit dem klingenden Refrain
die andren Himmelsrichtungen zwar                                                                             die Klassiker sind höchstens nicht unbedingt Super-    „Wien, Wien nur du allein, sollst stets
nicht präzise, aber ausreichend nach-                                                                         food. Wienerschnitzel, Sachertorte, Apfelstrudel.      die Stadt meiner Träume sein.” oder
vollziehen zu können. Wie, frage ich                                                                          Immerhin besteht letzterer zum Großteil aus Obst       doch Falcos „Wien, nur Wien du kennst
also in die Runde, wie, ja wie nur, soll                                                                      (gut schmecken tut er wegen viel Butter und Sem-       mich up kennst mich down. Du kennst
das denn in Wien klappen, wo sie hier                                                                         melbrösel, aber egal). Von diesen Klassikern der       mich. Nur Wien, nur Wien du nur al-
einfach – ob aus Platzgründen, weil                                                                           Wiener Küche, ist der Apfelstrudel so etwas, wie die   lein ...” besser zur Stadt passt, muss
sie vergessen wurde, oder aus Bosheit                                                                         healthy soultion, das Menue III in der Kantine. Die    wohl jede/r für sich entscheiden.
– keine Nordkette hingestellt haben.                                                                          Marillenmarmelade, zwischen den Schoko-Boden-
Vollkommen verloren und dann noch                                                                             teilen und unter der Glasur der Sachertorte, kann      Aber, Wien lass dir eines gesagt sein:
mit soviel mehr Stadt um sich herum,                                                                          trotz Wachauer-Marillen nicht als gesund gelten,       Ich kenne dich auch up und down, also
muss erst einmal gelernt werden, sich                                                                         tut mir leid. Eben sowenig, wie die Preiselbeeren,     pass auf, denn: ich bleib jedenfalls hier.
zurechtzufinden. Und gleich eine Klar-
stellung: Der U-bahnplan ist nicht als
geographischer Orientierungsplan ge-
dacht und funktioniert dafür auch ganz
und gar nicht. Also müssen, so ganz
ohne Nordkette, Strategien entwickelt
werden. Sich an auffälligen Kirchtür-
                                                                                    Foto: Tillman Schneider
men orientieren? Funktioniert nicht.
Denn Wien hat zwar keine Berge, aber
Berg- und Bergsteigergassen, die zwar        länger wurden, darüber möchte ich hier lieber nicht
niemals ihren Namen gerecht werden,          schreiben. Ebensowenig über die unverständliche
aber dennoch ein tatsächliches Gefälle       Vorliebe der Wiener für Einbahnen oder davon wie
beschreiben, sprich: Wien ist hügelig        erstaunlich lange man herumkurven muss, wenn
und somit sind wenig, bis keine Punk-        man nur ein einziges Mal das Abbiegen verpasst hat.
te von überall sichtbar. Zweite Mög-         Denn das ist eine der Wien-Erfahrungen, die man bei
lichkeit: sich vollends auf Navi-Künste      einem Besuch mit Auto sowieso nicht „umfahren”
und Akkulaufzeit des Smartphones             kann. Insgesamt ist es bei mir besser geworden und
verlassen. Das war und ist für mich          ich würde trotzdem kein Geld darauf verwetten, dass
keine Option, weil ich es wichtig finde,     ich es in diesem Leben noch schaffen werde, mich
mich in meiner Umgebung auszuken-            selbst sicher durch gewisse Winkel des ersten Bezirks
nen und zumindest ungefähr zu wis-           zu navigieren, denn immer noch erwische ich mich,
sen, wo ich mich geographisch aufhal-        wie ich manchmal freudig überrascht feststelle,
te. Wie oft ich zu spät gekommen bin,        dass ich tatsächlich ohne Umwege zum Ziel gelan-
weil ich zwar schon in der Querstraße        ge. Das Problem hierbei: Jedesmal vorher nachzu-
des Treffpunkts war, aber dann in die        sehen kratzt zu sehr an meinem Tiroler Stolz und
falsche Richtung losgesteuert bin, weil      durch ein Nachfragen unfreundlich angeschnauzt
ich die Reihenfolgen von Nebenstra-          werden, genauso. Das ist jedoch Geschmackssache.
ßen noch immer verwechsle; Wie oft           Und der Geschmack ist es auch, der ein wichtiger
meine Lauferkundungen um einiges             Wohlfühl-Indikator ist.                                                                                                                            Foto: Tillman Schneider

16   PANOPTICA 2020 | KUNST                                                                                                                                                       PANOPTICA 2020 | KUNST            17
BLICKE – WORTE – TATEN
                                                         Seit einigen Jahren präsentiert das Frauenkulturma-       (Mitarbeiter des Museums). Da wurde
                                                         gazin „Panoptica” inhaltlich gesehen eine große Viel-     viel mehr auf Fakten und Daten Wert ge-
                                                         falt an Beiträgen von und über Frauen im Kunst- und       legt. In meinen Führungen stehen immer
Kunstvermittlung aus weiblicher Sicht                    Kulturbereich der gesamten Euregio (Europaregion
                                                         Tirol – Südtirol – Trentino).
                                                                                                                   die Menschen, die Personen in ihrer Zeit
                                                                                                                   mit den Problemen und Herausforde-
                                                         In der aktuellen Ausgabe darf ein Blick auf die „Kunst-   rungen, die sich daraus ergeben, wie sie
Simone Gasser                                            vermittlung aus weiblicher Sicht” geworfen werden,        damit umgegangen sind, welche Hand-
                                                         in Worte gekleidet und wenn möglich zu Taten auf-         lungen und Werke daraus entstanden
                                                         fordernd.                                                 sind und ein Vergleich zu unserer Zeit im
                                                                                                                   Mittelpunkt.
                                                         Der Bereich der Kunstvermittlung sollte auch den Be-
                                                         reich der Kulturvermittlung miteinbeziehen, da die        Also finde ich persönlich, dass beim
                                                         Vermittlung, abgesehen von den speziellen „Kunst-         weiblichen Vermittlungspersonal (meine
                                                         museen” in unserer Europaregion, meist in kleineren       jetzt nicht nur mich) ein eher gesamt-
                                                         und kulturgeschichtlichen Museen, oder, wohl auch         heitlicher Aspekt im Vordergrund steht.”
                                                         dem Tourismus geschuldet, durch Stadt-, Orts- und
                                                         Regionsführungen, stattfindet. Wird nun recher-
                                                         chiert und die breite Angebotspalette der einzelnen
                                                         Institutionen durchforstet, so ergibt sich der starke
                                                         Eindruck, dass Kunst- und Kulturvermittlung ziem-
                                                         lich „weiblich” ist.

                                                         Um eine Bestätigung dieses Eindrucks zu erhalten,
                                                         wurden einige Frauen aus dem Bereich der Kunst-
                                                         und Kulturvermittlung zu diesem Thema befragt, die
                                                         Frage „Vermitteln Frauen anders?” wurde gestellt.
                                                         Hier drei Beispiele.

                                                         Frau Mag.a Sandra Malez vom Verband der Kulturver-
                                                         mittlerinnen mit Sitz in Linz – Oberösterreichisches
                                                         Landesmuseum, antwortete darauf: „ … wir wissen,          Führung durch Mag.a Noggler-Gürtler
                                                                                                                   Foto: Museum der Völker, 2019
                                                         dass der Beruf "Kulturvermittlung" eher weiblich ist.
                                                         Das hängt vor allem mit den Rahmenbedingungen
                                                         zusammen: In Museen, in denen die Rahmenbedin-            Mag.a Lisa Noggler-Gürtler, Museum
                                                         gungen für KulturvermittlerInnen besser sind (fixe        der Völker Schwaz, antwortete:
                                                         Anstellung mit gesichertem Verdienst) gibt es mehr        „JA, VIELE Frauen vermitteln anders -
                                                         männliche Kollegen, als in Institutionen mit prekären     aufgrund anderer Sozialisierung, gelern-
                                                         Arbeitsbedingungen.”                                      ter Rollenverteilung, aber nicht alle…”

                                                         Frau Dr. Barbara Thaler, freiberufliche Kunsthistori-     Persönliche Erfahrungen als ehren-
                                                         kerin in Innsbruck: „JA!” (Anm.: auf die Frage „Vermit-   amtliche MuseumsführerIn im Haus
Familiensonntag zur "Auswahl 15" im Aargauer Kunsthaus   teln Frauen anders?”) – Aus meiner eigenen Erfahrung      der Fasnacht in Imst, bestätigen die
Foto: ullmann.photography                                (Stadtmuseum, Goldenes Dachl, Rathaus; vor allem          „weibliche Sicht”. Jene von Männern
                                                         Volksschulklassen und Senioren) kann ich sagen, dass      seit jeher bestimmte und ausgeführte
                                                         ich vor allem auf den menschlich-zwischenmenschli-        Tradition, die im Imster Schemenlau-
                                                         chen Bereich der historischen Protagonisten oder der      fen seit Generationen geerbt und ver-
                                                         Objekte eingehe.                                          erbt, wird, als Frau zu vermitteln, ist
                                                         Im Goldenen Dachl hatten wir nach der Umgestaltung        eine Herausforderung, der sich aktuell
                                                         einen Vorschlag für eine Führung von unserem Max          nur zwei (!) ImsterInnen stellen. Ganz

18    PANOPTICA 2020 | KUNST                                                                                                           PANOPTICA 2020 | KUNST   19
Als Mittler, welche die Beziehung zwischen Objekt        Dieses Berufsbild wurde im Rahmen
                                                                                                       und Betrachter begleiten, können die Kunst- und Kul-     der ICOM CECA Preconference anläss-
                                                                                                       turvermittler verstanden werden. Ihre Aufgabe ist es,    lich des Österreichischen Museumsta-
                                                                                                       Neugierde zu wecken, Fragestellungen zu eröffnen         ges in Steyr im Oktober 2017 von 130
                                                                                                       und gemeinsam mit den „Konsumenten” Antworten            Kulturvermittlerinnen und Kulturver-
                                                                                                       auf Fragen zu entdecken. Durch Kunst- und Kultur-        mittlern aus ganz Österreich beschlos-
                                                                                                       vermittlung sollte ein allgemeiner Zugang zu Kultur-     sen und trat am 11. Oktober 2017 in
                                                                                                       gut geschaffen werden, die zu vermittelnden Inhalte      Kraft.
                                                                                                       müssen natürlich auf die Zielgruppen abgestimmt
                                                                                                       werden, um nachhaltige Ergebnisse zu erzielen.           Große Aufgaben und ein weites Betäti-
                                                                                                                                                                gungsfeld zeigen sich in der Auflistung,
                                                                                                       Unter dem Begriff „Kunstvermittlung” wird vieles         stark sind die Forderungen und das En-
                                                                                                       verstanden, was mit Kunst und Kultur zusammen-           gagement des Vereins, vorallem für
                                                                                                       hängt, darunter auch Museums-, Kunst- und Kultur-        die Mitglieder. Erinnern wir uns kurz
                                                                                                       pädagogik, Kulturelle Bildung, Historische Bildungs-     an das Statement von Mag.a Malez:
                                                                                                       arbeit, Musik- und Kunsterziehung.                       Kunst- und Kulturvermittlung ist eher
                                                                                                                                                                „weiblich”. Gibt es eine fixe Anstellung
                                                                                                       Betrachten wir nun das Berufsfeld „Kunst- und Kul-       mit gesichertem Verdienst, so gibt es
                                                                                                       turvermittlerIn” ein wenig genauer. Auf der Home-        mehr männliche Kollegen. Institutio-
                                                                                                       page des Österreichischen Verbandes der Kulturver-       nen mit „prekären Arbeitsbedingun-
                                                                                                       mittlerInnen wird definiert:                             gen” weisen mehr weibliche Vermittle-
                                                                                                                                                                rInnen auf … wie sieht es also aus mit
                                                                                                       _ KulturvermittlerInnen initiieren inklusive Bildungs-   den Rahmenbedingungen?
                                                                                                         und Kommunikationsprozesse. Sie machen Pro-
                                                                                                         gramm für ein heterogenes Publikum auf Basis
Kindergartenführung im Haus der Fasnacht
                                                                                                         aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen und Fra-    Professionelle Kunstvermittlung
Foto: HdF Imst                                                                                           gestellungen. Hierfür recherchieren, selektieren und
                                                                                                         interpretieren sie auf Basis aktueller Forschungser-   Welche Voraussetzungen für eine pro-
                                                                                                         kenntnisse Inhalte für ein heterogenes Publikum.       fessionelle Kunstvermittlung sind ge-
selbstverständlich zeigt sich als Frau      „Kunst- und Kulturvermittlung bezeichnet alle Aktivi-        Sie betreiben interdisziplinäre Netzwerkarbeit.        fragt? Kunstvermittlung ist mehr als
ein anderer Blick auf die Dinge, die        täten, die das künstlerische und kulturelle Erbe im Kon-                                                            Kunstpädagogik und die Vermittlung
Wortwahl ist eine andere, die Vermitt-      text der vermittelnden Institutionen interessierten Per-   _ KulturvermittlerInnen arbeiten an der Program-         künstlerischer Praxis. Theoretische
lung erfolgt durch ausgewählte Taten.       sonen (Rezipienten) verständlich zugänglich machen           mierung und inhaltlichen Ausrichtung der Insti-        Kunstgeschichte, welche historisches
Natürlich werden Fakten, Daten, etc.        und zur Partizipation anregen”, so die Kunsthistorike-       tution mit. Sie wählen und entwickeln adäquate         Wissen und klare Fakten darbringt,
ebenso sachlich vermittelt, der Blick-      rin Mag. Dr. Marion Gruber, im Jahre 2006.                   Formate und Methoden, mit denen die Inhalte auf        kann nur ein Teil der Kunstvermittlung
winkel des weiblichen Geschlechts ist                                                                    personale und mediale Weise vermittelt werden          sein. Welche Ausbildung wird also be-
ein anderer, ganz ohne Zweifel, gewiss      Alle Aktivitäten, welche interessierten Personen In-         (Apps, Audioguides, Ausstellungs- und Künstle-         nötigt, um zwischen den Objekten der
jedoch respektvoll und voller Stolz auf     formationen, Geschichten und Fakten zugänglich               rInnengespräche, Begleithefte, BesucherInnen-          unterschiedlichen Institutionen und
die Tradition und die lange Kulturge-       machen, werden im Allgemeinen als Vermittlung be-            kataloge, Diskussionen, Führungen, Raumtexte,          den interessierten „Konsumenten” zu
schichte!                                   zeichnet. Im Bereich der Kunst- und Kulturvermitt-           Workshops etc.). Sie kuratieren partizipatorische      vermitteln?
                                            lung betreffen die aufbereiteten und bereitgestellten        Aktionen sowie Interventionen und setzen Pro-
                                            Informationen das künstlerische und kulturelle Erbe          grammschwerpunkte. Dies bedingt eine ständige          Nicht nur die Zielgruppen zeigen ihre
Was ist nun eigentlich                      einer Gesellschaft. So können Kulturgüter und Kunst-         Reflexion von Theorie und Praxis.                      Bedürfnisse auf, auch das zu Vermit-
Kunstvermittlung?                           werke als Informationsträger gesehen werden. Zu                                                                     telnde ist nicht bedürfnislos. Kunst-
                                            bedenken ist, dass die Kunst- und Kulturvermittlung        _ KulturvermittlerInnen gehen bei ihrer Tätigkeit        vermittlerInnen und Kunstvermittler
Aufsätze, die darüber verfasst wurden,      nicht wertfrei ist. Der Inhalt der Vermittlung ist ge-       von der Gegenwart aus. Sie diskutieren die gesell-     müssen sich mit der zu vermittelnden
stammen größtenteils von Frauen …           bunden an die Institution und die jeweiligen Vermitt-        schaftliche Relevanz der institutionellen Fragestel-   Materie auseinandersetzen, sich ei-
so sollte in Folge deren weiblicher Blick   ler, die Interpretation der Information entspricht der       lungen und der musealen Objekte und setzen sie in      narbeiten, Verständnis aufbringen.
auf die Thematik geworfen werden.           spezifischen Auffassung und Position der Institution.        aktuelle Kontexte.                                     Vermutlich werden die tiefen Bedeu-

20    PANOPTICA 2020 | KUNST                                                                                                                                                PANOPTICA 2020 | KUNST    21
tungen zahlreicher Kunstwerke nicht                                                                den (meist) selbst bezahlt, im bestmöglichen Fall
entschlüsselt oder den „Konsumen-                                                                  vom „Auftraggeber” finanziell unterstützt. Das vor-
ten” gänzlich vermittelt werden. Die                                                               wiegend freiberuflich tätige „Kulturpersonal” der In-
Aufbereitung durch die Gruppe der                                                                  stitutionen – fixe Anstellungen oder langfristige Ver-
Kunstvermittler ist notwendig, im Ge-                                                              träge sind Mangelware – sollte also neben fachlicher
genzug ist aber auch ein Kompromiss                                                                Kompetenz (Universitätsabschluss) auch eine fun-
gefragt, welcher mit den „Konsumen-                                                                dierte Ausbildung in der Vermittlungsarbeit vorwei-
ten” getroffen werden muss. Durch                                                                  sen. In unserer Tourismusregion wäre es natürlich
die große Breite unterschiedlichster                                                               auch nicht schlecht, Fremdsprachenkenntnisse (1
Zielgruppen können eine bessere Ein-                                                               oder 2 oder 3 ?) aufzuweisen und somit das Angebot
teilung und adäquatere Angebote vor-                                                               der Kultureinrichtungen glänzen zu lassen. Wenn es
bereitet werden.                                                                                   zu einem „Auftrag” kommt, so darf auch die Vorbe-
                                                                                                   reitungsarbeit, das Einarbeiten in eine neue Thema-
Dialogische Führungen, Kunstgesprä-                                                                tik, etwaige Übersetzungsarbeiten usw. nicht außer
che, Workshops, Spezialführungen,                                                                  Acht gelassen werden. Ob diese Aufgaben mitein-
Themenführungen, Director’s Choice,                                                                gerechnet oder berechnet werden können, ist oft
private Führungen, usw. – die Liste lie-                                                           Grund für Diskussionen.
ße sich noch länger weiterführen. Mu-
seen sind kreativ und bereit, Vieles im
Bereich Kunst- und Kulturvermittlung                                                               Und das digitale Zeitalter?
anzubieten und „zu verkaufen”.                                                                                                                              Digitale Zeitreise in den Swarovski Kristallwelten
                                                                                                   Viele Museen bieten Audioguides und digitale Mög-        Foto: Simone Gasser

                                                                                                   lichkeiten der Kunstvermittlung an. Bis Inhalte und
Ausbildung und Anerkennung                                                                         Themen aufbereitet und für die digitale Verwendung
                                                                                                   vorbereitet und oft auch übersetzt werden, vergeht       Würden museale Institutionen nicht
                                           Vermittelte Emotionen in den Swarovski Kristallwelten
Wie bereits mehrfach erwähnt, ist die      Foto: Simone Gasser
                                                                                                   viel Zeit und auch der finanzielle Aufwand ist nicht     ideale Plattformen bieten, um das
Tätigkeit der Kunst- und Kulturver-                                                                zu unterschätzen.                                        kulturelle Erbe, Kunst und Kultur von
mittlerInnen ein frauendominiertes                                                                                                                          damals und heute, von Mensch zu
Feld. Museumspädagogik, die Aus-           Werfen wir einen Blick auf ein themenspezifisches       Werden in naher Zukunft neue Medien die persön-          Mensch zu vermitteln, um im digitalen
bildung zum „Vermittler” wird meist        Studienprogramm an der „Angewandten” (Universi-         liche Kunst- und Kulturvermittlung ersetzen oder         und oft unpersönlichen Zeitalter einen
in den Universitätslehrgängen nicht        tät für angewandte Kunst) in Wien. Das Institut für     wäre es angebracht, sich in Österreich mit der The-      persönlichen Gegenpol mit intensiven
als Unterrichtsfach angeboten. Nach        Kunstwissenschaften, Kunstpädagogik und Kunst-          matik und Problematik der Kunst- und Kulturver-          Blicken, starken Worten und nachhal-
einem Studienabschluss kann für ein        vermittlung, welches von Frau Univ. Prof. Barbara       mittlung intensiver auseinanderzusetzen?                 tigen Taten darzustellen?
weiterführendes Studium – natürlich        Putz-Plecko als Vorstand geleitet wird, bietet ein
selbst zu bezahlen – aus einer Vielzahl    Studienprogramm an, in welchem künstlerische
an Lehrgängen gewählt werden. Die          Praxis eng mit kunst- und kulturwissenschaftlicher,
Preise sind hoch und viele, meist Frau-    designtheoretischer, architekturtheoretischer sowie
en, „jobben” in Museen und kulturellen     didaktischer Reflexion verknüpft wird und damit für
Institutionen, üben sich in der Praxis     Berufe im Schnittfeld von Kunst und Bildung vorbe-
und versuchen, mit diesen Tätigkeiten      reitet und ausbildet. Ein Problembewusstsein für die
ein wenig Geld für die Zusatzausbil-       soziale und historische Dimension von Kunst und
dung zu verdienen. Werden Vergleiche       Ästhetik sollte durch dieses Programm geschaffen
mit Deutschland angestellt, so lässt       werden sowie ein kritisches Verständnis von Funkti-
sich erkennen, dass das Berufsfeld         onen und dem fundamentalen Zusammenhang von
„Museumspädagogik” schon länger            Kunst, Kulturtheorien und Gesellschaft.
ein anerkannter Berufszweig (und so-
mit auch eine sichere Einnahmequelle)      Auch in den Bundesländern werden von Kulturins-
im musealen Bereich ist. In Österreich     titutionen und Initiativen Lehrgänge und Seminare
kann davon erst geträumt werden …          angeboten, die kostenpflichtigen Programme wer-

22   PANOPTICA 2020 | KUNST                                                                                                                                                       PANOPTICA 2020 | KUNST     23
FRAUEN IM AUGUSTINERMUSEUM                                       Das Augustinermuseum war nie ein Frauenkloster –
                                                                 doch Frauen haben hier „ihre” Spuren hinterlassen
                                                                 – direkt oder indirekt – in Vergangenheit, Gegenwart
RATTENBERG                                                       und Zukunft.

                                                                 - Hl. Maria Magdalena: Statue aus der Spätgotik;
Einblicke in Historisches und Gegenwärtiges                        eher ländlicher Herkunft; bezeichnend hier sind
                                                                   die eher derben Gesichtszüge in relativ naiver
Barbara Randolf                                                    Manier; und bezeichnend ist weiters ihr Kopf; der
                                                                   Künstler hat sie mit einem Kropf dargestellt – und
                                                                   dies kommt nicht von ungefähr: in der damaligen
                                                                   Zeit herrschte Jodmangel und Kröpfe waren daher
                                                                   keine Seltenheit (übrigens auch von Medizinhisto-
                                                                   rikern bestätigt); der Künstler hat sich eine Frau
                                                                   aus der Bevölkerung als Model ausgesucht; Ma-
                                                                   ria Magdalena ist dabei prinzipiell eine besondere
                                                                                                                                            Hl. Notburga, Öl auf Leinwand, um 1780
                                                                   Frauengestalt in der Überlieferung: eigentlich sind                      Foto: Augustinermuseum Rattenberg
                                                                   es drei Magdalenen”geschichten” die komprimiert
                                                                   wurden; das Ziel dabei war es, neben der Hl. Maria
                                                                   und der „sündigen” Eva eine Frau darzustellen, die                       - Hl. Notburga: ihre Überlieferung ist
                                                                   sich bekehrte, die nach langer Zeit ihren „rechten”                        untrennbar mit Rattenberg verbun-
                                                                   Weg fand (ganz unter dem Motto: vom Saulus                                 den, obwohl historische Fakten feh-
                                                                   zum Paulus)                                                                len; doch sie hat hier wie überhaupt
                                                                                                                                              im Tiroler Unterland ihre Spuren
                                                                                                                                              hinterlassen; im erweiterten Sinne
                                                                                                                                              kann man sie auch als erste Gewerk-
                                                                                                                                              schafterin bezeichnen; und seit eini-
                                                                                                                                              gen Jahren ist sie auch Patronin der
                                                                                                                                              Trachtenträger

                                                                                                                                               „Eine zierliche Frau mit einer Sichel
                                                                                                                                               in der Hand, die Sichel auf Gemäl-
                                                                                                                                               den oft auch über ihr schwebend:
                                                                                                                                               Notburga als Magd eines Bauern in
                                                                                                                                               Eben am Achensee. Notburga mit
                                                                                                                                               einem Schlüsselbund: die „Beschlie-
                                                                                                                                               ßerin” der Herren von Rottenburg.
                                                                                                                                               Ein Leichenzug, von einem Ochsen-
                                                                                                                                               gespann gezogen, quert den Inn: er
                                        Hl. Notburga, Öl auf
                                        Leinwand, um 1780
                                                                                                                                               bleibt in Eben, dem gewünschten
                                        Foto: Augustinermuseum                                                                                 Begräbnisort, stehen. Dort zieht
                                        Rattenberg
                                                                                                                                               jetzt noch der Hl. Leib der Notbur-
                                                                                                                                               ga im Zentrum des Hochaltares, gar
                                                                                                                                               nicht dienstbotenmäßig, sondern
                                                                                                                                               hochherrschaftlich reich gekleidet
                                                                                                                                               von den adeligen Damen der Fa-
                                                                                                                                               milie Tannenberg von Tratzberg,
                                                                 Maria Magdalena, Holz, gefasst, um 1520, Pfarre St. Ulrich am Pillersee-      wiederum die Sichel der ehemali-
                                                                 Foto: Augustinermuseum Rattenberg                                             gen bäuerlichen Dienstmagd in der

24   PANOPTICA 2020 | KUNST                                                                                                                                    PANOPTICA 2020 | KUNST   25
Hand, zahlreiche Pilger an. Nicht                                                                                Und so, wie sie hier dargestellt ist, geht sie auf
     wenige davon kommen aus Bayern,                                                                                  eine Fehlinterpretation deutscher Rom-Pilger zu-
     wo die Notburgaverehrung beson-                                                                                  rück. Diese sind auf ihrem Weg dorthin in den itali-
     ders blüht – fast wäre man versucht,                                                                             enischen Kirchen und Domen auf sog. Volto Santo
     Notburga als bayerische Heilige in                                                                               Darstellungen gestoßen. Das waren Darstellungen
     Tirol zu bezeichnen. Tatsächlich ist                                                                             mit Christus am Kreuz, der aber nicht – wie bei uns
     Notburga die einzige Tirolerin, die                                                                              üblich – mit einem Lendentuch bekleidet, sondern
     heilig gesprochen wurde!                                                                                         in eine prunkvolle Ärmeltunika gehüllt war, was die
                                                                                                                      deutschen Pilger als Frauenkleid interpretiert haben.
     Im späteren 13. Jahrhundert als                                                                                  Und da das mit dem Vollbart der Figur nicht zusam-
     Tochter eines Hutmachers aus Rat-                                                                                menpasste, haben sie die Geschichte einer anderen
     tenberg geboren, wurde ihr Ge-                                                                                   Frau am Kreuz, der hl. Wilgefortis umgeschrieben
     burtshaus durch eine Gedenktafel                                                                                 und daraus die hl. Kümmernis gemacht.
     „bestimmt”. Ihr Lebensweg war                                                                                    Demnach soll die hl. Kümmernis in frühchristlicher        Johanneshauptteller, 19. Jahrhundert
     so hart wie damals ganz allgemein                                                                                Zeit gelebt haben und die Tochter eines portugiesi-       Foto: Augustinermuseum Rattenberg

     das Schicksal der unteren Stände,                                                                                schen Königs gewesen sein, die sich zum Christen-
     die lange Zeit für die Geschichts-                                                                               tum bekehrt und dann ihren heidnischen Verlobten          - Johanneshaupt und „weibliche”
     forschung „uninteressant” waren.                                                                                 nicht mehr heiraten will. Sie bittet Gott, er möge sie      Volksmedizin: Salome forderte für
     Nicht so Notburga: die Magd, die                                                                                 doch hässlich machen, und Gott lässt ihr über Nacht         ihren Tanz ja das Haupt Johannes
     sicher ihre „Leistung” brachte (sonst                                                                            einen Vollbart wachsen, sodass ihr Verlobter tatsäch-       des Täufers; in der Volksreligiosität
     wäre sie wohl nicht zur Beschließe-                                                                              lich nichts mehr mit ihr zu tun haben will, was man         hat man dies unmittelbar umge-
     rin im Adelshaushalt aufgestiegen),                                                                              ihm im Grunde auch nicht verübeln kann. Ihr Vater           setzt: das Haupt, der Kopf steht pars
     kann als Prototyp unserer heutigen        Hl. Kümmernis, Öl auf Leinwand, Anfang 19. Jahrhundert, Privatbesitz   war aber so erzürnt darüber, dass diese anscheinend         pro toto für menschliche Anliegen,
                                               Foto: Augustinermuseum Rattenberg
     Gewerkschafter gelten – sie wei-                                                                                 gute Partie nicht zustande gekommen ist, dass er            die damit verbunden werden; also
     gerte sich, nach dem Angelus-Läu-                                                                                seine Tochter ans Kreuz hat schlagen lassen, um sie         es waren vor allem Frauen, die sich
     ten weiter zu arbeiten und hängte            gestellt wird eine Frau mit Bart, mit langem Ge-                    ihrem wahren Bräutigam – Christus – möglichst ähn-          bei Migräne oder Kopfschmerzen
     ihre Sichel in die Luft. Als solche ist      wand, ans Kreuz genagelt; die Überlieferung dazu                    lich zu machen.                                             an den Heiligen wandten; dazu nah-
     sie ein Gegenstück zum spanischen            berichtet: sie habe sich heimlich zum Christentum                                                                               men sie die künstlerische Nachbil-
     Hl. Isidor, für den Engel den Pflug          bekehrt und wollte trotz dem Willen ihres „heid-                    Der Kult der hl. Kümmernis hat sich ab dem 15. Jahr-        dung seines Kopfes, hoben sie über
     führten, und mit ihm flankiert sie           nischen” Vaters nicht einen ebenso heidnischen                      hundert besonders im süddeutschen Raum und in               ihr Haupt – Genesung sollte folgen
     zahlreiche Altäre. Ihre Verehrung            Prinzen heiraten; sie betete zu Gott um Hilfe und                   Tirol verbreitet. Und bald schon ist eine zweite Le-
     breitete sich nicht nur nach Bayern          in der Nacht vor der Hochzeit wuchs ihr ein Bart;                   gende mit ins Spiel gebracht worden, nämlich die          - Frau und künstlerische Aussagen:
     sondern bis nach Slowenien aus.              absolut unannehmbar für ihren Bräutigam; ihr Va-                    des armen Spielmannes, die auch dem Bild darge-             Maria Peters – Sonderausstellung
     Wie bei so vielen berühmten Perso-           ter war so erzürnt, dass er – so die Überlieferung                  stellt ist: Im Verlauf ihrer Verehrung hat man bald an-     im Sommer 2018
     nen mischte sich in ihre Lebensge-           – sie ebenso wir ihr Gott kreuzigen ließ; es gibt zu                gefangen, Bildwerke von ihr in Kirchen und Kapellen
     schichte die Legende, verlockte sie          ihrer „Geschichte” noch Varianten, die aus dem                      aufzustellen. Eines Tages ist ein armer Spielmann an      Die Künstlerin Maria Peters (*1966 in
     zur Vermarktung. Die Hl. Hildegard           italienischen Raum kommen; Fakt ist, dass sie in                    einer dieser Darstellungen vorbeigekommen, hat            Tirol) nennt sich selbst eine Erzählerin.
     von Bingen ist jetzt vor allem Patro-        Tirol und Südtirol eine beliebte Heilige, gerade für                sich der traurigen Geschichte der Heiligen erinnert       In ihren Arbeiten und Ausstellungen
     nin für Bio-Produkte, Mozart kann            Frauenanliegen war                                                  und ihr zu Ehren ein Stück auf seiner Geige gespielt.     collagiert sie Bilder und Texte zu räum-
     sich gegen Mozartkugeln nicht weh-                                                                               Als Dank hat ihm die Kümmernis einen goldenen             lich erfahrbaren Geschichten.
     ren und auch unsere Notburga wird         Dieses kleine Bild vom Ende des 18. Jahrhunderts                       Schuh zugeworfen, den der arme Spielmann sicher
     touristisch für verschiedenartige         stellt eine Heilige dar, die vielleicht nicht allen be-                gerne genommen hat. Aber wie das Leben eben so            Seit 2016 arbeitet Peters an einem
     Produkte genutzt, „benützt”." (zit.       kannt ist. Es handelt sich tatsächlich um eine Heilige                 spielt: Er wurde verhaftet, des Diebstahls angeklagt      Zyklus mit dem Titel Lost to regain –
     Herta Arnold, Ausstellung im Augus-       und nicht um einen Heiligen, obwohl es auf den ers-                    und zum Tode verurteilt. Am Tag seiner Hinrichtung        Die Suche nach dem Paradies und
     tinermuseum Rattenberg 2001)              ten Blick so aussieht. Dargestellt ist hier die hl. Küm-               hat man ihm dann gestattet, nochmals vor der hl.          wieder zurück. In Episoden (ähnlich
                                               mernis, eine Heilige, die es in Wirklichkeit nie gege-                 Kümmernis zu spielen, und da hat sie ihm vor Zeu-         einer TV-Serie oder einem Fortset-
- Hl. Kümmernis: ihre Darstellung              ben hat, deren Kult sich aber bis ins 14. Jahrhundert                  gen auch noch den 2. Schuh zugeworfen, wodurch            zungsroman) erzählt sie die Lebens-
  wird oftmals (eigentlich zumeist)            zurückverfolgen lässt.                                                 seine Unschuld bewiesen war. (zit. Augustinermuse-        geschichten von 24 Frauenfiguren,
  mit Jesus Christus verwechselt; dar-                                                                                um Rattenberg, H. Drexel)                                 die nacheinander leben und die sich

26    PANOPTICA 2020 | KUNST                                                                                                                                                                       PANOPTICA 2020 | KUNST   27
Sonderausstellung Lost to regain (Maria Peters), Augustinermuseum Rattenberg                      Foto: Maria Peters

ihre Lebenserinnerungen mit Hilfe ei-                 ren Auftritt. Sie ist in Geschichte vernarrt und bereist
nes Zaubers jeweils weitervererben.                   archäologische Stätten in Griechenland und Ägypten
Der Erzählzeitraum umspannt dabei                     – die dabei entstandenen Bilder und Tagebuchblätter
etwa 2000 Jahre und reicht vom 19.                    zeichnen ihre wichtigsten Lebensstationen nach.
Jahrhundert bis ins Jahr 3968.
                                                      Kommentare aus der Zukunft, gemalt und geschrie-
Die Erinnerungen der Protagonistin-                   ben von Lieke/Nachfolgerin 22 aus dem Jahr 3675,
nen dieser Geschichte werden mit Hil-                 ergänzen diese historischen Berichte.
fe eines Zaubers von einer Figur auf
die nächste weitergegeben, deshalb                    In einem ehemaligen Männerkloster sind, wie aus-
bekommen alle Figuren neben einem                     geführt, auch Frauen präsent. Seien es nun heilige
Namen auch die Bezeichnung „Nach-                     Frauen oder Objekte die für Frauenbelange inter-
folgerin/Nummer XX”. Sie alle sind                    essant sind. Aktuelle Positionen, wie etwa von der
künstlerisch tätig und Peters arbeitet                Künstlerin Maria Peters, zeigen vielleicht Stilbrüche,
für die Ausstellungen in unterschiedli-               sind aber auch Kommentare zu weiblichen Lebens-
chen Identitäten.                                     welten und deren Interpretationen. Man kann also
                                                      absolut Frau sein, um in ein Männerkloster und Sak-
In „Dinner mit Odysseus” im Augusti-                  ralmuseum zu kommen …
nermuseum hat nun Anastasija-So-
phie/Nachfolgerin 01 ihren spektakulä-                                                                                 Sonderausstellung Lost to regain (Maria Peters), Augustinermuseum Rattenberg                  Foto: Maria Peters

28   PANOPTICA 2020 | KUNST                                                                                                                                                                           PANOPTICA 2020 | KUNST       29
LAURA WEIDACHER – PORTRÄT EINER                                                                                   Laura Weidacher passt in keine Schublade. Sie ist
                                                                                                                  ein kritischer, wacher Geist und fasziniert mit ihrem
                                                                                                                                                                          Mezzosopranistin – ein glorioser Kar-
                                                                                                                                                                          rierestart. Zudem: In dieser Zeit wird
                                                                                                                  Esprit, ihrem ansteckenden Elan und ihrem Humor.        Laura Weidacher zweifache Mutter.
UNGEWÖHNLICHEN KÜNSTLERIN                                                                                         Kaum zu glauben, dass sie heuer 80 Jahre alt gewor-
                                                                                                                  den ist.
                                                                                                                                                                          Sie heiratet 1969 den Kunstmaler
                                                                                                                                                                          Rudolf Buchli, ist nun schweizerisch-
                                                                                                                                                                          österreichische Doppelbürgerin und
Anlässlich ihres 80. Geburtstages                                                                                 Das Forschungsinstitut Brenner-Archiv hat 2011 eine     trägt den Namen Weidacher-Buchli.
                                                                                                                  Sammlung übernommen, die Laura Weidachers
Christine Riccabona und Verena Zankl                                                                              künstlerisches Schaffen dokumentiert. In bislang        Das normale Leben einer Doppelbelas-
                                                                                                                  drei Kassetten werden Texte, Fotografien, Ausstel-      tung aus Hausfrau/Mutter und Opern-
                                                                                                                  lungsbroschüren, Konzepte zu Installationen und         sängerin beginnt. Als sie das Angebot
                                                                                                                  „Kunst-am-Bau”-Projekten sowie die Masterbänder         eines Engagements an die Komische
                                                                                                                  der Filmmitschnitte ihrer Liveperformances archi-       Oper in Berlin wegen des damals gel-
                                                                                                                  viert. Diese bieten die Gelegenheit, das Werk der       tenden Schweizer Eherechts nicht an-
                                                                                                                  Autorin, Fotografin, intermedialen Künstlerin und       nimmt und sich für den Verbleib in der
                                                                                                                  Performerin kennenzulernen oder vielmehr ihr ela-       Familie entscheidet, bricht sie ihre Ge-
                                                                                                                  boriertes, facettenreiches Sprach-, Kunst- und Me-      sangskarriere schweren Herzens ab.
                                                                                                                  dienwerk zu ‚entdecken‘. Im Rahmen eines Seminars       Der Traum ist ausgeträumt. Dennoch
                                                                                                                  der Universität Innsbruck ist 2012 eine erste Bache-    bewirkt diese Lebensentscheidung ihre
                                                                                                                  lorarbeit entstanden (Julia Schwarz, siehe Onlinele-    produktivsten Jahre als Künstlerin in der
                                                                                                                  xikon LiteraturTirol.at, Eintrag zu Laura Weidacher).   Schweiz. In den 1970er-Jahren – an der
                                                                                                                                                                          Seite ihres Künstlerpartners, von dem
                                                                                                                  Obwohl Laura Weidacher bereits seit 1961 in der         sie sich 1985 trennen wird – beginnt sie
                                                                                                                  Schweiz lebt, besucht sie ein- bis zweimal im Jahr      zu schreiben, zu fotografieren, erste
                                                                                                                  ihre Heimatstadt Innsbruck. Die feinsinnige Autorin     Liveperformances zu realisieren, Hap-
                                                                                                                  hat in der literarischen Gesellschaft des Turmbundes    penings zu organisieren, sich an Aus-
                                                                                                                  ein kulturelles Umfeld, eine „Oase”, eine „Heimat in
                                                                                                                  der Heimat” gefunden, wie sie einmal geschrieben
                                                                                                                  hat. Dass sie in der Schweiz eine künstlerische Kar-
                                                                                                                  riere gemacht hat und bis heute aktive Kulturjourna-
                                                                                                                  listin ist, dürfte in Tirol weniger bekannt sein.

                                                                                                                  Laura Weidacher wird 1940 in Innsbruck geboren
                                                                                                                  – ein Kriegskind. Ihr Vater ist der bekannte Musi-
                                                                                                                  kerpoet Sepp Weidacher, die Familie wohnt in der
                                                                                                                  Innsbrucker Hofburg mit Blick auf das Landestheater
                                                                                                                  und den Leopoldsbrunnen. Laura Weidacher besucht
                                                                                                                  in den ersten Nachkriegsjahren die Schule in St. Ni-
                                                                                                                  kolaus und Hötting und erlebt trotz der schwierigen
                                                                                                                  Nachkriegszeit eine glückliche Kindheit. Sie singt im
                                                                                                                  Chor der Musikschule, besucht das Konservatorium,
                                                                                                                  studiert Geige und Sologesang, erhält Schauspiel-
                                                                                                                  unterricht und möchte Opernsängerin werden.

                                                                                                                  Als junge Frau geht sie 21-jährig nach Basel zum –
Laura Weidacher in der Rolle des Cherubino in Mozarts Oper „Le nozze die Fiagro”, Stadttheater St. Gallen, 1968
Foto: Sammlung Weidacher, Forschungsinstitut Brenner-Archiv                                                       selbst finanzierten – Gesangsstudium, 1967 schließt
                                                                                                                  sie es ab, bekommt ein Stipendium für das Interna-
                                                                                                                                                                          Laura Weidacher: Palimpsest Orfeo. Acryl und
                                                                                                                  tionale Opernstudio am Opernhaus Zürich und ein         Gouache auf Papier, 1985
                                                                                                                  erstes Engagement am Opernhaus in St. Gallen als        Foto: Sammlung Weidacher, Forschungsinstitut Brenner-Archiv

30    PANOPTICA 2020 | KULTUR                                                                                                                                                                PANOPTICA 2020 | KULTUR                    31
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