Moos und los! - 3|16 - Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren e.V - Bundesvereinigung ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
© Frank Eidel Eckart von Hirschhausen Kleinkunst ist große Kunst. Hätte ich nicht sehr früh im Le- ben die Chance gehabt, meine Leidenschaft für Zauberei und Kabarett auf kleinen Bühnen wie dem Scheinbar-Varieté, dem Zebrano-Theater oder in der Theater-AG der Schule auszu- probieren, wäre mein Leben sehr anders verlaufen. Deshalb DANKE an alle, die ehrenamtlich oder für kleines Geld die Künstler von morgen schon heute fördern. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, aber alle schon mal auf die Schnauze. Der große Wert von Bühnenkunst ist heute wich- tiger als je zuvor: sich einem Künstler, einer Idee, einem The- ma zu öffnen und hinzugeben. Analog. Auf dem eigenen Hin- tern, mit Herz und Kopf, verbunden mit anderen. Wenn dieses Wunder gelingt, entstehen positive Gemeinschaftserlebnis- se, die Künstler und Publikum verändern, manchmal für ein Leben lang. Das ist einer der Schätze unserer Kultur, die wir fördern und fordern müssen, für Jung und Alt, für Komik und Tragik, für laut und leise. www.hirschhausen.com Aus: Über uns. Imagebroschüre der Bundes- vereinigung Soziokultureller Zentren e.V., S. 20
SOZIOkultur 3 |2016 | E DI TOR I A L | 1 Für Geld gibt es viele Synonyme: Knete, Asche, Heu, Pinke, Kies, Zaster, Moneten, Kröten, Mäuse, Knöpfe, Mammon, Kohle und mehr. Um diese Ausgabe zu überschreiben haben wir uns für Moos entschieden. Es ist das einzige der sinnverwandten Worte, das für uns wichtige strukturelle Eigenschaften impliziert. Moos breitet sich meist am Boden aus. Es wächst nicht in den Himmel. Erst unzählige Blättchen, Stämmchen und Würzelchen bilden einen sichtbaren Teppich. Damit trifft es die Situation der Soziokultur gut. Ihre Leistungen werden von Abertausenden Engagierten erbracht. Sie unterbreitet niedrigschwellige Angebote und geht zur Sicherung des eigenen Betriebs mit vergleichsweise bescheidenen Beträgen um. Aber auch kleine Beträge müssen erst einmal da sein, bevor es ernsthaft „losgehen“ kann. In diesem Heft liegt der Schwerpunkt nicht auf Fördermitteln als Finanzierungs- quelle, sondern auf den Strukturen, die die Zentren schaffen, um Mittel einzu- nehmen beziehungsweise zu erwirtschaften. Und: mit diesen Mitteln transparent, demokratisch und rechtsgemäß umzugehen. Sowohl im Blick auf ihre Größe und ihr inhaltliches Angebot, als auch auf die verfügbaren Fördermittel füllen die soziokulturellen Zentren ein breites Spektrum. Entsprechend vielfältig sind die Formen, in denen sie ihre Arbeits- und Finanzie- rungsstrukturen ordnen beziehungsweise über die sie nachdenken. Genossen- schaften, GmbHs, Stiftungen und Fördervereine sind hier Stichworte. Zunehmend spielen digitale Möglichkeiten wie Crowdfunding eine Rolle. Vom Erbe-Werden über Spenden bis Merchandising reichen die Überlegungen, neue Quellen für ein Mindestmaß an verlässlicher Sockelfinanzierung zu erschließen. Andererseits ist womöglich manches soziokulturelle Werk zu vollbringen, ohne dass überhaupt Geld fließen muss. Immer wieder befinden sich deshalb neue Wege des Teilens und Tauschens in der Debatte. Das Thema wird ein Dauerbrenner bleiben. Hier geben wir einen aktuellen Einblick. Vielleicht finden Sie die eine oder andere Anregung. Ellen Ahbe, Geschäftsführerin der Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren e.V.
SOZIOkultur 3 |2016 | I NH A LT | 3 THEM A KONT I NE NT K U LT U R Moos und los! Tauschen und Teilen Alternative Arbeits- und Finanzierungsstrukturen Erstes Kultursymposium des Goethe-Instituts in Weimar JENNY ENDRO 18 Patchwork in Bewegung Arbeits- und Finanzierungsstrukturen in der Soziokultur BU NDE S K U LT U R P OLI T I K SI E GFRI E D DIT T L ER 5 Welche Rolle spielen Frauen im Kulturbereich? Zur Studie des Deutschen Kulturrates „Frauen in Kultur und Medien” Unterstützenswert G A B R I E L E SC H U LZ 20 Mit der Crowd zur Umsetzung der eigenen Projektidee MARKUS S EIT Z 7 P R OJ E K T „ J U GE ND I NS Z E NT RU M ! ” WORD UP! Geld regiert die Welt. Wer regiert das Geld? „U 18 Poetry Slam Festival” und Workshops in Speyer Der Verein Monetative e.V. setzt sich für eine gemeinnützige DA N I E LA G E I S / J O N A S TR E I B E L 22 Geldreform ein THOMAS G. B ET Z 8 V E R BA ND A K T U E LL Geld zerstört Beziehungen – Zeit ermöglicht sie! KSK / Position / Projekt „START” / Statistik 24 Interview mit Gabriele Donati, Gründer von TIMEREPUBLIK AU S DE N LÄ NDE R N KRI STI NE S C HÜ T T 9 KULTURENTWICKLUNGSPLANUNG: H A M BU R G Genossenschaften – ein wirtschaftliches Erfolgsmodell für viele Zwecke Die Elbphilharmonie reicht nicht aus EDDA RYD ZY 10 Stadtteilkultur zwischen Wertschätzung und Existenzbedrohung CORINNE EICHNER 26 Das Modell Stiftung Pfefferwerk Eine denkmalgeschützte Immobilie wird zum Stiftungskapital HAMBURG MARGI TTA HAERT EL 12 Ausgezeichnet Stadtteilkulturpreis 2016 an Zinnschmelze für Projekt Baue Utopiastadt! „Welcome Music Session”27 CHRI STI AN HAM PE 14 Die Initiative Mein Grundeinkommen NI E DE R S AC H S E N KRI STI NE S C HÜ T T 14 Die Orgel ist nicht mehr da! Nachhaltige Werbemittel Die Agentur für kreative ZwischenRaumNutzung in Hannover MARI E CZAR N IKO W 14 I N G R I D W AG E M A N N 28 Einer der Größten RHEINLAND-PFALZ Der Förderverein für das Kulturhaus Osterfeld e.V. in Pforzheim Kulturarbeit auf Augenhöhe SI E GFRI E D DIT T L ER 15 Symposium „REFUGIUM. Räume für Kultur(en) – Kulturarbeit mit, für und von Geflüchtete(n)” PORTRÄT: BERNDT URBAN UND DAS E-WERK ERLANGEN I N G M A R F LAC H / M A R G R E T STA A L 29 Kraft und Energie – und gewusst wie Berndt Urban am Werk oder: Die Wege des E-Werks Erlangen zu TIPPS 30 einer tragfähigen Finanzierungsstruktur IMPRESSUM 32 EDDA RYD ZY 16 ADRESSEN DER LANDESVERBÄNDE 32 Redakteur/-innen des Thementeils: S I E G F R IE D D I T T L E R , Geschäftsführer der Waschhaus Potsdam gGmbH E D DA RY DZ Y, freie Autorin mit Vortrags- und Lehrtätigkeit Titel: Tauschen und Teilen. Erstes Kultursymposium des Goethe-Instituts in Weimar © Goethe-Institut/Jörg Gläscher. Siehe Beitrag S. 18. Themenschwerpunkt der nächsten Ausgabe: Kreativer Widerstand
4 T H EM A SOZIOkultur 3|2016 MOOS UND LOS! Soziokultur stellt sich wichtigen gesell- schaftlichen Aufgaben. Trotz öffentlicher Förderung ist die Situation oft prekär. Alternative Arbeits- und Finanzierungs- strukturen eröffnen neue Handlungs- spielräume. Moos und los!
SOZIOkultur 3 |2016 T H EM A 5 MOOS UND LOS! Patchwork in Bewegung Arbeits- und Finanzierungsstrukturen in der Soziokultur S I E G FRI E D D I T T LE R dann ist es nicht unbedingt einfach, die nöti- gen geringen Finanzen aufzutreiben. Doch der Umgang damit ist nicht schwer. Die Beteiligten Dynamische Vielfalt können die paar Zahlen im Kopf behalten. Die Die Diversität der soziokulturellen Zentren legt Buchhaltung bereitet wenige Schwierigkeiten Gedanken an Patchwork nahe. Unterschiedlich und Planungen erstrecken sich über kurze Zeit- wie ihre Größe oder inhaltliche Schwerpunkt- räume. setzung zeigen sich auch die Strukturen und Rechtsformen, mit deren Hilfe sie ihre Ziele ver- Das ändert sich, sobald die Anzahl der Mitstrei- folgen. Ebenso die Quellen, aus denen sich ihre ter/-innen wächst, Mitarbeiter/-innen eingestellt Einnahmen zusammensetzen. werden, größere Immobilien und ein dichterer Veranstaltungskalender eine Rolle spielen. Es Unter den mehr als 500 soziokulturellen Zent- entwickelt sich eine ganze Komplexität von ren gibt es solche, die vollständig ehrenamtlich Vorgängen, Aufgaben und Strukturen. Die wahr- arbeiten und andere mit 60 und mehr angestell- zunehmende Verantwortung reicht dann in die ten Mitarbeiter/-innen. Manche der Einrichtun- mittlere und fernere Zukunft. Nicht nur Mitar- gen arbeiten ohne feste Räume. Nicht wenige beiter/-innen, Vereinsmitglieder, Nutzer/-innen, verfügen über ganze Häuser und lassen andere Besucher/-innen, Spender/-innen und Förderer Nutzer/-innen in ihre Räume. Einige Länder und verlangen zu Recht Rechenschaft darüber, wie der Bund messen der Soziokultur einen hohen mit dieser Verantwortung umgegangen wird. beziehungsweise wachsenden Stellenwert zu, Auch die Finanzämter tun das. Hinter allen andere einen geringen. Entsprechend sieht die Strukturentscheidungen stehen die Fragen nach Förderbereitschaft aus. Im Durchschnitt erwirt- Demokratie, nach Transparenz und nach wirt- schaften die Zentren mit mehr als 82 Millionen schaftlicher Solidität. Euro knapp die Hälfte ihrer Einnahmen selbst. Dieser Durchschnitt steht für eine Spannbrei- Die Wahl haben te von sehr wenig bis zu über 80 Prozent. Die selbst erwirtschafteten Einnahmen stammen Es gibt sie nicht, die eine optimale Lösung für etwa zur Hälfte aus Eintrittsgeldern, darüber alle und alles. Das beginnt schon bei der Be- hinaus aus Kursgebühren, Gastronomie-Erlösen, wirtung. Kleine Zentren fahren oft gut damit, Vermietungen, Mitgliedsbeiträgen, Spenden ihre Veranstaltungen in den Räumen aufge- und anderem mehr.1 schlossener Gastwirte durchzuführen. Größere und große müssen je nach ihren Bedingungen Unabhängig von ihrer Größe gilt für die Zentren: entscheiden, ob sie die Gastronomie selbst be- Sie sind lebendig. Damit ändern sich auch ihre treiben oder sie verpachten oder mit externen finanziellen Bedingungen dynamisch. Zeit zum Caterern arbeiten. Ausruhen gibt es nicht. Auch jenseits der be- reitgestellten oder zu erlangenden Fördermittel Ähnlich verhält es sich mit den Rechtsformen, die bleibt die Geldfrage ein permanentes Thema. die Zentren für sich wählen. Für viele ist der ein- getragene gemeinnützige Verein die effektivste Variante. Andere haben sich dafür entschieden, Erfolg verpflichtet Aufbau der Ausstellung GmbHs oder Genossenschaften zu gründen. In AlarmTheater Bielefeld von Stella Hamberg„Herzrasen im – Zeit der Wunde(r)” Viele Aktive der Soziokultur haben klein ange- den seltensten Fällen war der beste Weg von An- Kunstraum Potsdam,© 2016 Cornelia Lembke fangen oder tun es jetzt, in diesen Tagen. Wenn fang an da. Es gab in den Jahrzehnten Entwick- Siehe S. 16 eine Gruppe Engagierter sich für eine soziokul- lungen mit Fortschritten, Rückschlägen, Krisen turelle Idee begeistert und diese neben dem und Konflikten, bevor die Entscheidung für die Job oder Studium zu verwirklichen beginnt, eine oder andere Form erstritten war.
6 T H EM A SOZIOkultur 3|2016 MOOS UND LOS! entsteht. Außerdem kann aus der Vernetzung mit Fundraising befassen, um künftig zielgerich- der neuen Strukturen und Werkzeuge ein Mehr- tet aus diesen Ressourcen zu schöpfen. Bei der fachnutzen entstehen. Ohne zu verschweigen, Erschließung neuer Quellen geht es um Unab- dass diese neuen zusätzlichen Finanzquellen ei- hängigkeit und auch darum, am Puls der Zeit zu nen enormen Aufwand an Qualifikation, Evalua- bleiben. Aber keineswegs darum, die öffentliche tion und Debatte erfordern: Auch hier gilt, dass Hand aus der Verantwortung zu entlassen. sich nach schwierigeren Entwicklungszeiten op- timale Wege auftun können. Soziokultur arbeitet an gesellschaftlichen Auf- gaben. Sie behandelt mit großer Flexibilität aktuelle Inhalte und Fragestellungen. Was sich Erben als Idee bundesweit in den Zentren an zeitgenössischer Neben den oben skizzierten Möglichkeiten und Kunst und Kultur abspielt ist wegweisend. Das den in der aktuellen Ausgabe angesprochenen sind mehr als hinreichende Gründe für öffentli- S IEGFRI E D DI TTLER Formaten geht es ständig darum, das Spektrum che Förderung. der Zugänge auszudehnen. Stellvertretend seien Wenn die für das jeweilige Zentrum richtige hier fünf Ideen genannt, die ebenfalls Alternati- Von Holland lernen Struktur gefunden wurde, bleibt eine tägliche ven zu den bisher begangenen Wegen darstel- große Aufgabe: Geld einnehmen. len können: Generell gilt es festzuhalten, dass die in Deutsch- 1. Manche privaten Geldgeber/-innen investie- land bestehenden Fördermodelle auch im inter- ren in „start ups“. Der eine oder andere von nationalen Vergleich standhalten können. Geld einnehmen ihnen lässt sich vielleicht überzeugen, auch Die Zentren strengen sich an, den Anteil der Ei- in soziokulturelle Projekte zu investieren, um Die Kommunen stellen in der Regel den Lö- geneinnahmen zu erhöhen. Dabei tasten sie sich so eine gesellschaftliche Rendite zu erhalten. wenanteil der öffentlichen Gelder und ermögli- zunehmend auf neue Wege vor. 2. In den nächsten zehn Jahren werden so chen so eine Sockelfinanzierung. Diese versetzt viele Gelder vererbt wie nie zuvor. Was etliche Zentren und Initiativen in die Lage, über- Die Mitarbeiter/-innen der Zentren beschäftigen spricht dagegen, dass soziokulturelle Zentren haupt agieren zu können. Unverzichtbar auch sich zum Beispiel mit Crowdfunding. Darüber darum werben, in Testamenten berücksich- die Aufstockungen durch die Länder, den Bund sind einzelne Projekte finanzierbar. Auch mit tigt zu werden? und öffentlich-rechtliche Stiftungen. Leider ist Crowdsourcing, worüber Schwarmkunst entste- 3. Mehr internationale Vernetzung bei der damit belastender bürokratischer Aufwand ver- hen kann. Die sogenannte share economy wird Durchführung von Projekten erschließt eine bunden. In diesem Zusammenhang wären hol- diskutiert. Sie sieht im Teilen das neue Haben. breitere Nutzung der europäischen Förder- ländische Verhältnisse ein Gewinn. In unserem Social payment-Anbieter wie FLUTTR ermögli- gelder. Nachbarland brauchen nämlich über Projektför- chen Mikrospenden. Durch die Herausgabe von 4. Eigenproduktionen können intensiver ver- derungen bis 20.000 Euro keine Einzelnachwei- Anteilsscheinen können Genossenschaften ge- marktet werden. se geführt zu werden. gründet oder in etlichen anderen Formen breite- 5. Gemeinsame Plattformen für den Ticketver- re Unterstützerkreise erschlossen werden. kauf erschließen neue Publikumsgruppen. Soziokulturelle Zentren verdienen politische Wertschätzung. Diese sollte sich darin ausdrü- Bei nahezu allen dieser mehr oder weniger neu- cken, dass die Gesamtfördersumme wächst und Souverän und innovativ en Ansätze geht es letztlich darum, eine noch dass der Anteil an institutioneller beziehungs- breitere ökonomische Basis für die Zentren zu Das ist die Hauptherausforderung: sich einen weise langfristiger Förderung gegenüber der schaffen beziehungsweise mehr Mittel zu gene- Überblick über die neuen Möglichkeiten von Fi- Projektförderung zunimmt. Außerdem verdie- rieren. Bereits jetzt braucht die Mittelbeschaf- nanzierungsmodellen zu verschaffen, ihn zu be- nen die Zentren Vertrauen, also auch eine spür- fung großen Aufwand. Allein die regelmäßigen halten und den richtigen Mix für das jeweilige bare Erleichterung der Förderverfahren statt Förderanträge fressen Unmengen Zeit. Macht es Zentrum zusammenzustellen. ausufernder bürokratischer Prozesse. Sinn, noch mehr davon zu investieren? Letztlich muss ja jedes Zentrum und jede Ini 1 as zählt? Soziokulturelle Zentren in Zahlen. W Unbedingt. Allen Zeitnöten und gelegentlichen tiative einen eigenen Weg finden, um alterna- Statistischer Bericht der Bundesvereinigung Unkenrufen zum Trotz zeigen sich die soziokul- tive Finanzierungsstrategien oder neue Struk- Soziokultureller Zentren e.V., Berlin 2015 turellen Zentren in der Lage dazu. Die diesbe- turmodelle zu entwickeln. Was passt zu uns, zu züglichen neuesten Trends werden von ihnen unserem Umfeld, zur Stadt, zu den Besucher/-in- mitgeprägt. nen, zum Programm? Ebenso spricht dafür, dass eine größere Unab- Es gilt, noch mutiger zu sein, wenn es darum S I E G F R I E D D I T T L E R ist Geschäftsführer hängigkeit von den einzelnen Geldgeber/-innen geht, Stellen zu schaffen, die sich professionell der Waschhaus Potsdam gGmbH.
SOZIOkultur 3 |2016 T H EM A 7 MOOS UND LOS! Unterstützenswert Mit der Crowd zur Umsetzung der eigenen Projektidee Unter den alternativen Finanzierungsmodellen hat sich in den letzten Jahren Crowdfunding als Instrument etablieren können, das ohne die Hilfe von Banken die Umsetzung vieler Ideen ermöglicht. MA RK US SEITZ nanzieren. Bereits im Oktober 2015 wurde der erste Solarcontainer in Mali in Betrieb G rundgedanke des Crowdfun- genommen. Er versorgt das Dorf Mourdi- ding ist die Finanzierung, das ah mit sauberer Energie, was vorher durch Funding, für ein Projekt unter Dieselgeneratoren geschah. Die mobilen Einbeziehung vieler Teilha- Systeme könnten in Zukunft viele entle- ber/-innen, der Crowd. Als Gegenleis- gene Gebiete in Afrika mit Energie versor- tung für die Geldgeber/-innen steht beim gen, bereits drei Container wurden durch klassischen reward-based Crowdfunding Crowdinvesting finanziert. Die Crowd er- kein Zinsertrag, sondern ein mit der Idee hielt hierbei neun Prozent Zinsen pro Jahr verbundenes Produkt oder ein Danke- für ihr Investment. Bei diesem Modell ha- schön, das auch immateriell sein kann. ben sowohl die Gründer/-innen als auch Ein Beispiel, das im letzten Jahr große die Crowd profitiert und nebenbei zur Ver- Resonanz erfuhr, ist das Hotel „magdas“ besserung der Umweltsituation und des in Wien, das sich dem Selbstverständ- Lebensstandards vieler beigetragen. nis nach als Social Business versteht. In ihm finden Flüchtlinge Arbeit, die ansonsten men beziehungsweise Kapital zugänglich. Als Ein Gelingen der eigenen Projektidee ist durch kaum eine Chance auf geregelte Beschäftigung Investor/-in erhält man entweder einen festen die Finanzierung über die Crowd noch nicht gesi- und gesellschaftliche Integration hätten. Durch Zins auf das investierte Kapital, das nach einer chert. Vorab sollten sich Gründer/-innen bewusst Crowdfunding wurden für das Projekt rund bestimmten Zeitspanne zurückgezahlt wird, sein, dass Crowdinvesting ein arbeitsintensiver 85.000 Euro gesammelt. Als Gegenleistung er- oder man partizipiert anteilsmäßig an der Wert Prozess ist, der nicht zwangsläufig zur Generie- hielt man für 100 Euro Unterstützung eine Nacht entwicklung des Projekts. Die erfolgsabhängige rung des erforderlichen Kapitals führt. Die Vor- im Doppelzimmer oder für 45 Euro ein T-Shirt. Rendite findet vor allem bei Crowdinvesting für teile liegen in der Auseinandersetzung mit der Doch auch an die ganz großen Spender/-innen Startups Anwendung. Der Hauptunterschied Crowd. Diese kann hilfreiche Tipps geben, die so wurde gedacht. Wer 5.000 Euro zu dem Projekt zum Crowdlending liegt darin, dass Crowd gar nicht zur eigenen Idee zu passen scheinen. beitrug, wird im Foyer namentlich genannt. investments meist über nachrangige Darlehen So ist Crowdinvesting nicht nur wegen seines laufen. Diese Anlageform ist mit besonderen finanziellen Nutzens als sinnvolle Finanzierungs- Das Hotel „magdas“ ist ein klassisches Crowd- Risiken verbunden und kann zum kompletten methode anzusehen, sondern auch die inkludier- funding Projekt, bei dem die Geldgeber/-innen Verlust des eingesetzten Kapitals führen. Unter- te Berater/-innentätigkeit durch die Crowd kann handfeste non-monetäre Gegenleistungen er- nehmer/-innen haben durch die nachrangigen zum Gelingen eines Vorhabens beitragen. halten. Daneben gibt es noch weitere Crowd- Darlehen die Möglichkeit, eigenkapitalähnliches funding-Modelle. Zum einen das spenden-ba- Kapital unabhängig von Banken zu generieren. M A R K U S S E I T Z ist Redakteur bei crowdfunding.de. sierte Crowdfunding (donation-based), bei dem Sollte das Projekt realisiert werden, hat man die Crowd keine Gegenleistung für ihr Geld durch die Vielzahl von Investor/-innen bereits bekommt. Das Prinzip findet oft bei gemeinnüt- eine gute Grundlage für die Vermarktung des zigen Projekten Anwendung. Beim Crowdlen- Produktes. Die Bindung der Crowd an das Vorha- ding (lending-based Crowdfunding) verleiht die ben ist gegenüber der klassischen Finanzierung crowdfunding.de – Das Crowdfunding Informa Crowd ihr Geld als Kredit zu einem vorab ver- vorteilhaft, da man quasi Beratungsleistungen tionsportal | Was ist Crowdfunding? Wie findet einbarten Zinssatz. Beim Crowdinvesting, auch durch die Crowd mitgeliefert bekommt. Generell man das passende Modell? Welche aktuellen Pro equity-based Crowdfunding genannt, wird die ist Crowdfunding beziehungsweise Crowdinves- jekte gibt es? Und welche Plattformen kann man Crowd am finanziellen Erfolg des Projekts betei- ting ein guter Indikator, ob das Produkt bezie- selbst nutzen? Zu diesen und vielen weiteren Fragen ligt. Dies findet vor allem bei der Gründung von hungsweise die Idee später funktionieren wird. informiert crowdfunding.de seit 2011. Ziel des Unternehmen, in der Immobilien-Branche oder Sollte die erforderliche Summe nicht generiert Informationsportals ist es, Interessierten Orientierung im Bereich der erneuerbaren Energien Anwen- werden können, ist das Vertrauen der potenziel- zu geben und einen transparenten Marktüberblick zu schaffen – unabhängig, neutral und umfassend. dung. Die Investition der Crowd ist vor allem len Anleger/-innen nicht hoch genug, und das Das Informationsportal wurde von 2011 bis 2015 durch die finanzielle Rendite motiviert. Projekt sollte noch einmal überdacht werden. aus Eigenmitteln aufgebaut und wird nichtkommer- ziell betrieben. Um die Seite weiterhin qualitativ Da man bereits mit relativ kleinen Beiträgen in Ein Beispiel für ein Crowdinvesting ist das Vor- hochwertig betreiben zu können, wurde 2016 ein die Projekte investieren kann, ist Crowdinvesting haben der Africa GreenTec, mobile Solarcontainer Finanzierungskonzept entwickelt, das auf der Website auch für Anleger/-innen mit geringem Einkom- zur dezentralen Energieversorgung in Afrika zu fi- transparent dargelegt wird. | www.crowdfunding.de
8 T H EM A SOZIOkultur 3|2016 MOOS UND LOS! Geld regiert die Welt. Wer regiert das Geld? Der Verein Monetative e.V. setzt sich für eine gemeinnützige Geldreform ein Soziokultur unterliegt wie jede/-r einzelne Bürger/-in den Bedingungen des allgemeinen Geldsystems – ohne Einfluss auf seine (Un-) Ordnung zu haben. Führen niedrige Zinsen zum Schwund von Bankeinlagen, so ist auch die Soziokultur davon betroffen. Müssen für desolate Banken Steuergelder eingesetzt werden, so stehen diese nicht als Fördermittel zur Verfügung. Gute Gründe, sich darüber Gedanken zu machen. T H OM AS G. BETZ litisch unvertretbar und mit Demokratie und Bereits unmittelbar nach der ersten großen sozialer Marktwirtschaft unvereinbar. Weltwirtschaftskrise der frühen 1930er Jahre D ie wenigsten Menschen wissen, dass Um das zu ändern, wurde 2012 in Berlin der hatte der berühmte US-Ökonom Irving Fisher nur der geringste Teil unserer Zah- gemeinnützige Verein Monetative e.V. gegrün- diese Probleme erkannt. Er formulierte einen lungsmittel, nämlich Münzen und det als gemeinnützige Geldreformbewegung für entsprechenden Reformvorschlag. Das „100%- Banknoten, von der Zentralbank, ein stabiles, gerechtes und nachhaltiges Geld- money“ wurde damals bereits intensiv disku- also einer Institution der öffentlichen Hand, system. Mittlerweile gibt es in fast 20 Ländern tiert, ging dann allerdings in den Wirren des geschöpft und in Umlauf gebracht wird; hinge- der Welt entsprechende Schwesterorganisatio- Zweiten Weltkrieges zunächst verloren. Um die gen rund 90 Prozent der modernsten Geldform, nen, die sich zu einem globalen Dachverband Jahrtausendwende wurde der Gedanke vom nichtstoffgebundenes Giralgeld, von privaten, zusammengeschlossen haben: „International deutschen Ökonomen Joseph Huber wieder auf- gewinnorientierten und nicht dem Gemeinwohl Movement for Monetary Reform“ gegriffen und zum „Vollgeld“ weiterentwickelt. verpflichteten Unternehmen, den Geschäfts- banken. Geld, das diese Banken als Kredit Keine Verstaatlichung der Banken, Öffentliche Kontrolle der Geld- ausreichen oder mit dem sie selbst Vermögens- werte ankaufen, entstammt also nicht etwa aber Verstaatlichung des Geldes! schöpfung einer Ersparnis oder Refinanzierung, sondern wird durch einen einfachen Buchungsvorgang Ziel ist eine sogenannte Vollgeldreform: Die Eine Vollgeldreform hat bedeutende Vorteile: aus dem Nichts geschaffen. Dies verschafft den gesamte Geldschöpfung soll einer öffentlichen Das Geldsystem wird einfacher und transparen- Banken nicht nur einen durch nichts zu recht- Instanz zugeführt werden, eben der Monetative, ter. Das Vollgeld ist sicher, da die laufenden Kon- fertigenden Wettbewerbsvorteil gegenüber neben Legislative, Exekutive und Judikative die ten außerhalb der Bankbilanzen geführt werden. anderen Wirtschaftsteilnehmer/-innen, sondern nunmehr vierte staatliche Gewalt. Sie ist in ih- Der Zahlungsverkehr ist deshalb bei Bankpleiten ist auch die tiefere Ursache von Konjunktur- rem Handeln ähnlich unabhängig und nur dem nicht mehr gefährdet. Durch eine stetige und ausschlägen und Finanzkrisen, Ungleichheit Gesetz verpflichtet wie die Gerichte, aber auch angemessene Entwicklung der Geldmenge wer- und Überschuldung, Inflation und Deflation, rechenschaftspflichtig gegenüber Parlament den Konjunktur- und Börsenzyklen moderater Spekulationsblasen und Bankenzusammenbrü- und Öffentlichkeit. Ihr genauer Status wird in verlaufen. Weil die Geldmenge sich im Einklang chen. Denn der größte Teil der privaten Giral- einem Gesetz definiert. Damit soll das marode mit der Realwirtschaft verändert, ist Geldwert geldschöpfung dient heute rein spekulativen Fundament unserer Geldordnung repariert wer- stabilität gewährleistet. Neu geschöpftes Geld Finanzgeschäften, die der Realwirtschaft nicht den. Die Vision ist ein Geld- und Finanzsystem kommt zins- und tilgungsfrei in Umlauf, da es nutzen, sondern schaden. im Dienste der Gesellschaft. Wahre Demokratie ohne Verschuldung entsteht. Das mindert den kann erst dann verwirklicht werden, wenn die Zwang zum Wirtschaftswachstum. Die Gewin- Private Gewinne – gesellschaft- Bürger/-innen auch die Macht über die Geld- ne aus der Geldschöpfung (sogenannte Seig- schöpfung in den Händen halten. niorage) und die Vorteile der Erstverwendung liche Verluste neuen Geldes kommen der öffentlichen Hand Wenn Banken durch spekulative Finanzgeschäf- und damit allen zugute. Und schließlich: Durch te oder übermäßige Kreditrisiken in Schieflage die einmaligen Umstellungsgewinne bietet sich geraten, sind Giralgeld-Guthaben der Kunden die Chance, die Staatsschulden ohne Einschnitte gefährdet. Aber wenn sich der Staat für die be- ganz erheblich abzubauen, in Deutschland um drohten Guthaben und die zugehörigen Banken 60 bis 70 Prozent! verbürgt, werden letztlich die Verluste der pri- Jahrestagung 2016 Im Prinzip ist die Vollgeldreform nur eine Wie- vaten Banken auf die Allgemeinheit abgewälzt. derholung: Denn schon einmal hat technischer Die Gewinne und Privilegien aus der Giralgeld- Das Geld der Zukunft Fortschritt im Geldwesen den Staaten vorüber- schöpfung hingegen fließen weiterhin den priva- gehend das Geldschöpfungsmonopol entwun- ten Banken zu. Die für das Marktgeschehen und Bargeld, Digital, Cash, Fintechs? den: Anstelle und in Ergänzung der staatlichen die Gesellschaft so folgenreiche Geldschöpfung Münzen gaben private Banken private „Bank- privaten Geschäftsbanken zu überlassen, welche 12. November 2016 | Frankfurt/M. noten“ (daher der Name) aus, was zu ganz keinen gesamtwirtschaftlichen und gesellschaft- www.monetative.de ähnlichen Entwicklungen und schließlich Pro- lichen Zielen verpflichtet sind, ist ordnungspo- blemen wie heute geführt hat. Nach und nach
SOZIOkultur 3 |2016 T H EM A 9 MOOS UND LOS! wurde das Problem erkannt und schließlich den Zunehmender Schwung Initiative hat Ende 2015 mehr als 100.000 Un- privaten Banken das Drucken privaten Geldes Inzwischen findet die Idee immer weitere Ver- terschriften bei der Regierung eingereicht und verboten. Das alleinige Recht des Staates auf breitung: Radio, TV, Tageszeitungen und Wirt- damit eine Volksabstimmung über das Vollgeld Erschaffung des öffentlichen Gutes Geld wurde schaftsmagazine berichten; eine IWF-Studie initiiert, die 2018 durchgeführt werden wird. wieder auf ihn zurückgeführt, auf die staatli- simuliert das Modell im Computer mit positiven www.monetative.de chen „Notenbanken“. Vor circa 100 Jahren war Resultaten und würdigt es entsprechend; an dieser Prozess in den meisten Ländern abge- Universitäten und auf Konferenzen, aber auch schlossen. Aber jetzt brauchen wir die (Voll-) in den Parlamenten Islands, Hollands und Eng- T H O M A S G. B E T Z ist Gründungs- und Geldreform 2.0! lands wird darüber diskutiert. Die Schweizer Vorstandsmitglied der Monetative e.V. Geld zerstört Beziehungen – Zeit ermöglicht sie! Interview mit Gabriele Donati, einem der Gründer von TIMEREPUBLIK mich an, weil er in den Lokalnachrichten einen Zukunftsmodell. Die Gemeinde ruft ihre Bürger Bericht über eine Zeitbank in unserer Heimat- über das Portal zur Mitarbeit bei kommunalen stadt Lugano gesehen hatte. Dort tauschten alle Aufgaben auf: bei der Reinigung des Stadtparks Kunden im Wesentlichen Gefallen aus und jeder zum Beispiel, beim Aufbauen des Weihnachts- Austausch wurde in einem Buch dokumentiert. baums oder bei der Organisation von Festen. Da kamen wir auf die Idee, eine globale digitale Für die verdiente Zeit können die Bürger dann Zeitbank zu erschaffen. Das war 2012. Räume nutzen, als Büros, gemeinsame Werk- stätten oder für Feste. Wir experimentieren auch Was war deine ursprüngliche Motivation? mit Wohnraum und Steuern, die mit Zeit oder Die Erkenntnis, dass etwas an der Art unseres Mithilfe statt mit Geld bezahlt werden. Umgangs miteinander grundlegend falsch war, und der Wunsch, das zu ändern! In der soziokulturellen Arbeit werden viele Geld ist ein wunderbares Werkzeug und sehr Aufgaben von Freiwilligen und Ehrenamt- effizient, aber leider kann es nicht bewerten, was lichen erledigt, was im Übermaß zu Frust- wirklich zählt und uns glücklich macht. Wir er- rationen führen kann. Glaubst du, dass die GA BRIELE DONATI kannten, dass wir in einer Welt der Transaktionen Bezahlung mit Zeit hier zu mehr Anerken- leben und Zeitbanking das perfekte Werkzeug nung und Befriedigung führen kann? Das Internetportal TIMEREPUBLIK.com bie- sein könnte, um viele dieser Transaktionen in Be- Unbedingt. Wir wollten uns von der Freiwilli- tet Mitgliedern die Möglichkeit, kostenlos ziehungen zu verwandeln. Wir wollen lieber den gen-Kultur absetzen. Die wird einfach oft nicht Talente und Tätigkeiten anzubieten oder Aufbau von Vertrauen ermöglichen als Geld zu ernstgenommen, weil die Leute kein direktes zählen. Das letztendliche Ziel ist doch Vertrauen, Return of Investment sehen. Ein weiteres Pro- anzufragen. Wenn Personen miteinander das – wie wir alle wissen – sehr viel mehr wert blem sind Hierarchien, die im Ehrenamt oft einen Austausch vereinbaren, wird die für ist als Geld und viele Türen öffnen kann. entstehen und nicht besonders hilfreich sind, die Tätigkeit aufgewendete Zeit der aus- wenn man Mitgefühl, Würde und Vertrauen ent- führenden Person gutgeschrieben. Sie kann Ist es möglich, mit TIMEREPUBLIK soziokul- wickeln will. Wir denken, Zeit ist das perfekte turelle Projekte zu verwirklichen? Gibt es Mittel, menschliche Tätigkeit zu bewerten und diese Zeit dann für benötigte Dienste ver- dafür Beispiele? zu bezahlen. Zeit schafft gerechten Ausgleich. wenden. Mit Gabriele Donati, TIMEREPUB- Ja, es gibt sehr viele Möglichkeiten. Wir unter- Zeit ist die Ressource, die wir alle gleicherma- LIK-Mitbgründer, Komponist und Jazz-Bas- stützen zum Beispiel in New York mit Connect ßen zur Verfügung haben. Es ist schon verrückt, sist, sprach Kristine Schütt. Hunts Point eine der ärmsten Gemeinden in der dass sich bei allen Unterschieden in Religion, südlichen Bronx, dazu haben wir eine Websei- Geschlecht oder Kultur alle in einer Sache einig te eingerichtet, die als Teil der globalen TIM- sind: Eine Stunde ist eine Stunde. Schon allein Wie hast du mit TIMEREPUBLIK angefangen? EREPUBLIK-Gemeinschaft funktioniert. In der dies sollte zeigen, dass Zeitbanking der einzige Mein alter Schulfreund und Mitgründer von TIM- ersten Phase versuchen wir, die Talente und Ausweg aus der Misere ist. EREPUBLIK Karim Vanini und ich waren immer Fähigkeiten der Anwohner/-innen zu erfassen Zur Person Gabriele Donati: https://timerepublik. daran interessiert, Empathie, Würde und Vertrau- und sie für Kunstprojekte mit namhaften Künst- com/gab, zu den Projekten: https://timerepublik.com/ en zwischen Menschen als Wert erfassbar zu ma- ler/-innen zur Mitarbeit zu gewinnen. Diese connecthuntspoin chen. Wir haben endlose Nächte mit der Ideensu- Projekte helfen, die Lebensqualität im Quartier che für die praktische Umsetzung verbracht. Das zu verbessern. war vor 2005, vor der Revolution der sozialen In Italien hat uns der Bürgermeister der K R I S TI N E S C H Ü T T ist Musikerin und Musik- Medien, die von Facebook ausging. Viele Jahre kleinen Gemeinde von Sarre um Rat und Hilfe pädagogin und im RAW-tempel in Berlin tätig. war alles bloße Theorie. Eines Tages rief Karim gebeten. Gemeinsam erarbeiten wir nun ein Seit 2014 ist sie aktives Mitglied bei TIMEREPUBLIK.
10 T H EM A SOZIOkultur 3|2016 MOOS UND LOS! Genossenschaften – ein wirtschaftliches Erfolgsmodell für viele Zwecke KulturGenossenschaft Neue Kammerspiele eG EDDA RYDZY Die erste Kulturgenossenschaft in FAKTEN UND ZAHLEN Brandenburg D Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung stellen ie Kammerspiele Kleinmachnow sind das größte Kulturzentrum im Gemeindeverband Teltow-Kleinmachnow-Stahnsdorf. Sie bieten laut Gesetz die wichtigsten Merkmale von Genossenschaften dar. ihren Gästen viele Möglichkeiten der Unterhaltung und Eigenakti- Zu ihnen zählt weiterhin das Identitätsprinzip. Es besagt, dass die vität. Im Angebot befinden sich Kino, Konzerte, Lesungen und Kinderpro- Miteigentümer/-innen beziehungsweise Träger/-innen zugleich gramme an, dazu Theaterschulkurse, Musical-, Gesangs- und Instrumen- Geschäftspartner/-innen, unbedingt aber Eigenkapitalgeber/- tal-Unterricht und Räume, um zu feiern oder sich zu treffen. Das Schröders hilft gegen Hunger und Durst. innen sind. Eine Mitgliedschaft muss über ökonomische An- Nicht immer waren die Kammerspiele Kleinmachnow ein so breit auf- teile – zum Beispiel Grund und Boden, Maschinen, Geräte oder gestelltes soziokulturelles Zentrum. Die längste Zeit ihrer fast 80-jährigen finanzielle Geschäftseinlagen – erworben werden. Im Fall von Existenz hießen sie aus gutem Grund Lichtspieltheater. Sie waren auch als Misserfolgen haften die Mitglieder nur bis zur Höhe ihrer Anteile. solches ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt in der Gemeinde Kleinmach- Das Prinzip der Genossenschaften entwickelte sich bereits vor now. Nachdem zahlreiche Spielstätten dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer gefallen waren, fanden hier viele Schauspieler/-innen ohne Engagement dem 15. Jahrhundert. Überlieferte Bezeichnungen für diese frühen zusammen. Das Lichtspieltheater mauserte sich zusätzlich zur beliebten Formen sind Einungen, Gilden oder Knappschaften. Von Anfang an Theaterbühne. Es gibt also eine lange Bühnentradition und Erfahrungen waren die Zwecke der Gründungen sehr unterschiedliche. Man tat darin, das „Handwerk“ der darstellenden Künstler/-innen und Musi- sich zusammen, um gemeinsam Alpen zu bewirtschaften, Berg- ker/-innen weiterzugeben. Ein umfassender Umbau und eine Modernisie- rung des Gebäudes zu Beginn der 1970er Jahre verbesserten die Arbeits- bau zu betreiben, Deiche zu erhalten oder sich gegenseitig ein und Programmbedingungen erheblich. würdiges Begräbnis zu ermöglichen. Um die gemeinsamen Ziele Vor der Wende stellte die Finanzierung kein Problem dar. Sie war staatlich verlässlich verfolgen zu können, wurde in der Regel die Veräu- gesichert. Doch knapp 20 Jahre nach der Wende drohte das Aus. Die Klein- ßerung des Gemeineigentums beschränkt. machnower suchten mit Herzblut nach neuen Betreiber/-innen. Schließlich erhielten Carolin Huder und Michael Martens den Zuschlag für ihre Kon- Das modernere Genossenschaftswesen geht auf die An- zepte zur Weiternutzung. Für das Management der finanziellen Grund fänge der Industrialisierung zurück. In dieser Zeit litten viele lagen hatten sie die Gründung der ersten Kulturgenossenschaft in Bran- Wirtschaftsbereiche Not. Man suchte nach Möglichkeiten, die denburg vorgeschlagen. Das war eine anspruchsvolle Aufgabe. Sie hatten Arbeiten und Geschäfte erfolgreicher zu organisieren. Als Be- ein und ein halbes Jahr Zeit, um 200 Genossenschaftsanteile à 250 Euro zu veräußern. Das war die Voraussetzung, um die volle Förderung durch die gründer dieser Bewegung gilt Robert Owen. Er besaß im Norden Gemeinde zu erhalten. Heute bilden mehr als 170 Mitglieder – „KulturGe- Englands eine Baumwollspinnerei und wollte dort gleichzeitig nossen“ – die Genossenschaft. Laut Satzung darf jedes Mitglied maximal die Arbeits- und Lebensbedingungen sowie das Betriebsergebnis 20 Anteile erwerben. Weitere „KulturGenossen“ sind herzlich willkommen. verbessern. Das Genossenschaftsprinzip erwies sich dabei als so www.neuekammerspiele.de erfolgreich, dass viele seinem Beispiel folgten. 2004 verzeichnete die Europäische Union mehr als 300.000 Genossenschaften mit 140 Millionen Mitgliedern. Wie sich auch in Deutschland zeigt, hält dieser Erfolg bis heute an. Unter allen Eigentumsformen wiesen Genossenschaften im Jahr 2012 mit 0,6 Prozent die niedrigste Insolvenzrate aus. Seit 2004 stieg ihre Anzahl von rund 5.700 um fast 40 Prozent auf 7.600. Sie umfassen jetzt insgesamt 20 Millionen Mitglieder. Banken und Wohnungsbaugenossenschaften bilden die größten Bereiche. In Handwerk und Produktion, Landwirtschaft, Einkauf und Vertrieb sind sie stark vertreten. Neugründungen in jüngerer Zeit fanden vor allem im innovativen und alternativen Bereich statt. Sie verfolgen zunehmend soziale und kulturelle Zwecke.
SOZIOkultur 3 |2016 T H EM A 11 MOOS UND LOS! Kulturgenossenschaft Lich eG Gewerbehof Saarbrücker Straße eG Stabilisierung und Sicherung durch Eine Genossenschaft zum gegen- die Kulturgenossenschaft seitigen Vorteil D D en Beginn setzte das Kino Traumstern in Lich bei Gießen. Es wurde er Gewerbehof in der alten KönigStadt fußt auf einer langen und 1983 mit der Absicht gegründet, ein soziokulturelles Zentrum der wechselvollen Geschichte. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun- Region zu werden. Auf der Bühne im Kinosaal fanden von Anfang derts konnte sich hier die Brauerei Königstadt erfolgreich entwi- an Theateraufführungen und Konzerte statt. Regionale Gruppen trafen sich ckeln. Nach wenigen Jahrzehnten bildete sie mit zahlreichen Erweite- in der angeschlossenen Kneipe Statt Gießen. Die Kinomacher/-innen ko- rungsbauten sowie mit Kegelbahn, Karussell und Einkaufszonen für die operierten von Anfang an mit vielen Vereinen, Institutionen und Gruppen Anwohner/-innen ein eindrucksvolles Ensemble. Nach den wirtschaftlichen in der Region. Um das umfangreiche Angebot aufrecht erhalten zu können, Folgen des Ersten Weltkrieges wurde die große Ausschankhalle zum Urauf- gründete sich im Umfeld des Kinos Traumstern 2003 der Kulturförderver- führungskino der UFA. In den ehemaligen Brauereikomplex zogen Hand- ein künstLich e.V. Dieser neue Verein übernahm ab sofort alle Liveveran- werks-, Produktions-, Lager- und Fuhrbetriebe ein. Diese kleinteilige Nut- staltungen im Kino, auf der 2002 neu eröffneten Kleinkunstbühne in der zung setzte sich nach dem Zweiten Weltkrieg und über die Wende hinaus Gaststätte Statt Gießen und ab 2006 auch regelmäßige Veranstaltungen fort. Es gesellten sich Künstler/-innen und Medienunternehmen hinzu. In im Kulturzentrum Bezalel Synagoge. Der Verein künstLich engagiert sich den ersten Jahren bewirtschaftete der Stadtbezirk das Gelände. Nach lan- im Bereich der Kinder- und Jugendbildung und unterstützte 2006 die Grün- gen, intensiven Entwicklungsprozessen unter Einbeziehung der ansässigen dung des Jugendtheaterprojektes „Theater Traumstern“. 2007 wurde unter Betriebe konnte die Genossenschaft Gewerbehof Saarbrücker Straße eG dem Dach von künstLich der Kinderzirkus Allez Hopp gegründet. den Gewerbehof im Jahr 2003 kaufen. Wie überall in der Soziokultur gaben die Finanzen ständig Grund zum Ihr Ziel besteht in der langfristigen Sicherung und Entwicklung des Nachdenken. Obwohl mit der Unterzeichnung eines neuen Pachtvertrages Standorts bei günstigen Mieten. Bei ihren 53 Mitgliedern handelt es sich zwischen der Kino Traumstern GbR und der Bitburger Baugruppe im Früh- um auf dem Gewerbehof ansässige Firmen. Sie sind Miteigentümer/-in- sommer eine Phase von Stabilisierung erreicht war, entschlossen sich die nen und bestimmen die Entwicklung mit. Für alle Flächen gilt das Kosten- Aktiven zur Gründung der Kulturgenossenschaft Lich, die 2014 eingetragen Mieten-Prinzip. Die Miete bleibt langfristig stabil. Es gibt viel Raum zum wurde. So ließen sich mehrere wichtige Ziele erreichen. Die Pachtverhältnis- Probieren und Expandieren. Die Genossenschaft nutzt und fördert die re- se konnten durch den Erwerb der Liegenschaft langfristig gesichert werden. gionalen Wirtschaftskreisläufe und hat in der Anfangsphase auch Beschäf- Durch die Einlagen der Genossenschaftsmitglieder stabilisierte sich die Fi- tigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen integriert. Sie ist eine Plattform nanzlage des Zentrums. Die involvierten Kulturbereiche – Kino Traumstern, für innovative Projekte und Existenzgründer/-innen. Theater Traumstern, Kinderzirkus Allez Hopp, künstLich e.V. – konnten nicht Von Ateliers und Architekt/-innen über Spielzeug- und Geigenbauer/-in- nur langfristig gesichert, sondern auch ausgebaut werden. Zielgerichtete nen, Filmproduktion und Markenentwicklung, Tischlerei und Bauträgerge- Maßnahmen der Instandhaltung, Modernisierung und Erweiterung der Ge- sellschaft bis zum Steuerberater hat sich eine bunte Firmenpalette nieder- bäude Kinosaal und Foyer, Gastraum und Küche, Biergarten mit Grünflächen gelassen – zum gegenseitigen Vorteil. und Hinterhaus wurden real möglich. Durch Zusammenführung der beste- Foto: © GIDAK | www.gidak.de henden mit neuen kulturellen Aktivitäten unter einem Dach entstanden Sy- nergien für den Aufbau neuer Projekte. www.kulturgenossenschaft-lich.de E D DA RY DZ Y ist freie Autorin mit Vortrags- und Lehrtätigkeit.
12 T H EM A SOZIOkultur 3|2016 MOOS UND LOS! P R OJ E K T Das Modell Stiftung Pfefferwerk Eine denkmalgeschützte Immobilie wird zum Stiftungskapital MA RGITTA HAERTEL • berufliche Bildung und Volksbildung oder besondere Kompetenzen und Kenntnisse • generationsübergreifende Gemeinwesenar- erwerben. Ebenso fördert sie niedrigschwellige Ein Kulturstandort als Finanzierungsquelle beit (darunter Kinder- und Jugendhilfe, Alten- Bildungs- und Beratungsangebote für Zugewan- hilfe, Wohlfahrtspflege, mildtätige Zwecke) derte und Geflüchtete und Angebote zur Unter- für soziokulturelle Projekte – was wie eine • Kultur stützung leistungsschwächerer Schüler/-innen Frage anmuten könnte, ist seit einiger Zeit • Völkerverständigung aus sozial benachteiligten Familien. bei uns gelebte Praxis. Die Stiftung Pfeffer- werk ist Eigentümerin eines vor allem für Den geförderten Projekten gemeinsam ist, dass Anfangs dachte niemand an sie – in vielfältigen Formaten und mit verschiede- kulturelle und soziale Zwecke genutzten eine Perspektive des Pfeffer- nen Konzepten oder Methoden – dazu beitragen, ehemaligen Brauereigeländes in Berlin und Benachteiligten den Zugang zum Arbeitsmarkt bergs als Stiftungskapital. kann dank ihrer Erbpachteinnahmen Zu- zu erleichtern, oder dass neue Arbeitsplätze im wendungen ausreichen. gemeinnützigen Sektor entstehen. Meist zielen Projekte im Jugendhilfe- und Jugendfreizeit die Projekte darauf ab, Eigeninitiative und das bereich, Neugründungen sowie Kapazitätser- I n diesem Jahr beläuft sich der Gesamtbetrag Gemeinwesen in benachteiligten Quartieren zu weiterungen von Einrichtungen der Kindertages der Zuschüsse bisher auf rund 160.000 Euro, stärken, und sie helfen mit, Vielfalt in der Stadt betreuung mit besonderen konzeptionellen bewilligt für 45 Projekte stadtweit. Die Sta- zu befördern. Alle Details können unter www. Schwerpunkten und Angebote für benachteiligte tistik 2015 weist Projektförderungen von stpw.org in den Fördergrundsätzen und -richt Menschen wie Alleinerziehende, Wohnungslose über 200.000 Euro für 67 Einzelvorhaben aus. linien nachgelesen werden. oder erwachsene Analphabeten sind weitere Nicht zufällig sind die Zuwendungsempfänger, Das Spektrum der förderfähigen und der zentrale Themen für die Förderpraxis. Die Auf- die recht unbürokratisch und flexibel finanzielle schon unterstützten Aktivitäten umfasst eine zählung lässt sich noch fortsetzen, beispielswei- Mittel bekommen, vor allem kleine freie Träger. breite Palette. Einen Schwerpunkt setzt die Stif- se um Projekte, wo benachteiligte Menschen Sie können Personalkosten (auch Honorare), tung Pfefferwerk bei Beratungs- und Praxispro- (Jugendliche, Geflüchtete, Langzeitarbeitslose) Sachmittel einschließlich Mieten und auch In- jekten zur beruflichen Orientierung vor allem in ihrem Umfeld gemeinsam gärtnern, oder um vestitionszuschüsse erhalten, meist als Fehlbe- für benachteiligte Jugendliche, die freie Träger Zuwendungen, die Künstler/-innengruppen un- darfsfinanzierung. Der Maximalbetrag liegt bei an beziehungsweise in Kooperation mit Schulen terstützen, im Arbeitsmarkt Kultur anzukommen. 6.000 Euro pro Projekt und Jahr, Misch- oder oder im Freizeitbereich durchführen. Im Förder- Das Stiftungsmodell wurde Ende der 1990er Kofinanzierung durch andere Zuwendungsgeber programm „Mit Deiner Idee geht mehr!“ stellt Jahre mit der für Arbeit zuständigen Senatsver- sind möglich. Neben der Gemeinnützigkeit des sie Sachmittel speziell für die Umsetzung von waltung des Landes Berlin entwickelt. Es bein- Antragstellers zählt zu den Grundvoraussetzun- Ideen zur Verfügung, mit denen Pankower Ju- haltete, mit der denkmalgeschützten Immobilie gen, dass die Aktivitäten in Berlin stattfinden, gendliche ihr Lern- und Lebensumfeld mitgestal- Pfefferberg als Stiftungskapital eine Stiftung zu und natürlich, dass sie einem der sechs nachste- ten wollen. Sie gewährt auch Zuschüsse für Kon- gründen, die die Immobilie langfristig an einen hend genannten Zwecke zuzuordnen sind: zepte und Projekte, bei denen es darum geht, professionellen Projektentwickler verpachtet. • Umweltschutz dass Menschen mit Migrationshintergrund, Dieser hätte zunächst auf eigene Kosten die Flä- • Denkmalschutz insbesondere Frauen, einen formalen Abschluss chen zu sanieren und könnte sie danach einem
SOZIOkultur 3 |2016 T H EM A 13 MOOS UND LOS! festgeschriebenen Nutzungskonzept gemäß die Grenzen Berlins bekannt wurde. Die gGmbH erwartet. Selbst nachdem eine Konzeptanpas- vermieten. Die Stiftung würde monatlich einen etablierte Angebote auch an anderen Standor- sung Ende 2002 die Handlungsspielräume deut- Erbbauzins erhalten und mit diesen Einnahmen ten, erschloss nach und nach weitere Finanzie- lich erweiterte, ging es nur schrittweise voran. arbeitsmarktorientierte Projekte in Berlin för- rungsquellen und konnte so viele Einrichtungen Jahrelang gab es nur wenige Nutzer auf dem dern. – Das wurde mit Leben erfüllt und mag übernehmen und dauerhaft betreiben. Areal, meist Pfefferwerk-Organisationen. aus heutiger Sicht recht simpel klingen. Doch Seither ist viel passiert. Der Pfefferberg hat ein vor und nach der Übertragung der Immobilie an neues Gesicht – aus sanierter historischer Bau- die Pfefferwerker/-innen hatten die beteiligten substanz und auch aus Neubauten, mit einem Akteure noch einen langen Weg zu gehen. spannenden und sehr internationalen Nutzer/-in- Die Gründungsgeschich te der Stiftung Pfeffer nen- und Nutzungsmix. Vor allem junge Besu- werk ist eng verbunden mit zivilgesellschaft- cher/-innen und kulturinteressierte Gäste aus lichem Engagement. Sie geht zurück in die aller Welt zieht es an diesen Ort, der wesentlich 1980er Jahre. Am Anfang stand eine Idee, die geprägt ist durch die Präsentation und Produk bald für viele zu einer Vision wurde: Aus dem tion von Kunst und Kultur – Architektur, bildende von langjähriger industrieller Nutzung gepräg- Kunst, Konzerte, Theater, Tanz … Auf dem Gelän- ten Gelände der einstigen Brauerei Pfefferberg de wird auch geforscht, getagt, aus- und weiter- sollte künftig und dauerhaft ein Ort der Sozio- gebildet. Man kann preiswert übernachten, lecker kultur werden. Dafür taten sich engagierte Ak- essen und hauseigenes Bier verkosten. Soziale teure aus dem Umfeld zusammen und gingen Belange wie die Integration von Menschen mit ans Werk. Getragen von der Aufbruchstimmung Beeinträchtigungen in den Arbeitsmarkt oder die der Wendezeit schien ihnen (fast) alles möglich. Ausbildung benachteiligter Jugendlicher haben Aber höchstwahrscheinlich dachte damals noch einen gleichberechtigten Platz gefunden. niemand an eine Perspektive des Pfefferbergs Mit dem Pfefferberg ist Berlin um einen auch als Stiftungskapital. Zunächst wurde 1990 ein international renommierten Standort reicher Verein gegründet, Pfefferwerk e.V. Verein zur geworden, und die Stiftung Pfefferwerk verfügt Förderung von Stadtkultur. Wenig später folgte Erst Ende 1999 gelang es, den Pfefferberg zu über eine sehr solide Finanzbasis. Und nicht zu die Gründung einer gGmbH. Die heutige Pfeffer erwerben; die Realisierung einer Kombination vergessen – die Pfefferwerk Stadtkultur gGmbH, werk Stadtkultur gGmbH sollte anfangs „le- aus Stiftungsidee, Erbpachtmodell und Stand- seit 2002 durch Zustiftung der Gesellschafteran- diglich“ Träger arbeitsmarktfinanzierter Maß- ortentwicklung schien möglich. Die Pfefferwerk teile Tochtergesellschaft der Stiftung Pfefferwerk, nahmen auf dem Pfefferberg sein, so bei der Stadtkultur gGmbH war diejenige Institution, zählt mit mehr als 800 Beschäftigten heute zu anstehenden Bautätigkeit. Trotz des enormen die nach langwierigen Verhandlungen vom den großen sozialen Trägern in Berlin. Engagements der Protagonist/-innen zeich- Land Berlin die Zuwendung für den Ankauf des Fotos: Ansichten © Rolf Matthes (S. 12 l., r.), nete sich bald ab, dass es wohl länger dauern Pfefferberg-Geländes erhielt – nach unserer Margitta Haertel (S. 12 M.) | Im Kunst- und Atelier- würde als erhofft. Viele Hürden taten sich auf, Kenntnis ein bis heute einmaliger Vorgang. Sie haus Meinblau © Bernhard Draz (o. l.) | Internationale zu den wichtigsten zählte die Eigentumsfrage. wurde damit zur Gründungsstifterin der Stif- Klänge in Haus 13 © Thomas Ernst (o. r.) | Pfeffer- Die Pfefferwerker/-innen reagierten. Der Verein tung Pfefferwerk. Diese schloss einen Erbbau- berg 1990 © Klaus Michalek (M.) | www.stpw.org organisierte als Mieter auf dem Pfefferberg- rechtsvertrag mit der eigens dafür gegründeten Areal einen im Laufe des Nachwendejahrzehnts Pfefferberg Entwicklungs GmbH & Co. KG ab. stetig wachsenden Veranstaltungsbetrieb und Allerdings gestalteten sich Sanierung und Im- M A R G I T TA H A E RT E L ist Vorsitzende des sorgte so dafür, dass der Kulturstandort über mobilienentwicklung erheblich schwieriger als Vorstands der Stiftung Pfefferwerk.
14 T H EM A SOZIOkultur 3|2016 MOOS UND LOS! Baue Utopiastadt! Den Bahnhof Wuppertal-Mirke als Labor für städtische, kulturelle und gesellschaftliche Entwicklung zu sanieren und auszubauen ist Ziel der utopiastadt GmbH. Alle Wuppertaler/-innen sind eingeladen, den Erhalt des denkmalgeschützten Gebäudes an der Nordbahntrasse tat- und fi- nanzkräftig zu unterstützen: zum Beispiel mit der Baustein-Spende oder der 1-m²-Spende für den Ankauf weiterer Flächen. Finanziert wurden auf diese Weise schon 300 Quadratmeter. Über Online-Einkäufe bei circa 100 Händler/-innen werden Spenden generiert. Das kostenlos nutzbare Lasten- Auf ähnlichem Prinzip basieren die Only-Hut-Konzerte: Auch hier soll das fahrrad „Fienchen“ macht den Sinn einer Spende im wahrsten Wortsin- Bewusstsein für die künstlerische Leistung geschärft werden, bevor dafür ne er-fahr-bar. „Einfach melden!“ können sich alle, die sich anderweitig Geld in selbst gewählter Höhe fließt. „Die Bezahlung ist das eine, wahre einbringen und HERO werden möchten. Auf www.clownfisch.eu wird be- Begeisterung für etwas jedoch das Ausschlaggebende im Dialog der Ma- schrieben, was wofür gebraucht wird. Interessant ist das Supporter-Ticket, cher auf der einen und Nutzer auf der anderen Seite“, erklärt Geschäfts- das für eine bestimmte Veranstaltung erworben werden kann. Hierbei führer Christian Hampe. Denn Utopiastadt versteht sich als „andauernder handelt es sich nicht um Eintritt, sondern um die Wertschätzung für eine Kultur- und Gesellschaftskongress mit Ambitionen und Wirkung.“ Aktion oder ein Ereignis, theoretisch unabhängig vom Erlebnis. www.clownfisch.eu Ellen Ahbe Die Initiative Mein Grundeinkommen Der Verein Mein Grundeinkommen entstand als Initiative von Michael Bohmeyer aus Berlin. Er will den Diskurs über das bedingungslose Grund- einkommen durch beispielhafte Verwirklichung voranbringen: Wie fühlt es sich an, es zu bekommen? Hörst du dann auf, zu arbeiten? Was für Veränderungen löst es in deiner Lebensgestaltung aus? Er begann 2014 mit einer Crowdfunding-Aktion und einer Internetplattform: Mein Grund- einkommen e.V. ist eine Gemeinschaft, in der Menschen mitteilen, was sie tun würden, wenn für ihr Einkommen gesorgt wäre. Viele der Mitglieder posten in ihrem Profil auf diese Frage, sie würden sich mehr für soziale Freiräumen, so Gewinnerin Katrin: „Für mich stellt das Grundeinkommen Projekte engagieren. Etwas Künstlerisches wagen. Und mehr Zeit mit ihrer die Frage: Was würdest du tun, wenn du keine Angst hättest?“ Familie oder mit Freunden verbringen. Bisher zeigt die Aktion deutlich, dass Menschen anderen ein Grund- Seit Geld gesammelt wird, sind schon über 50 Grundeinkommen für einkommen gönnen, ganz ohne Gegenleistung! Und dass Menschen vor jeweils ein Jahr generiert worden. Immer, wenn 12.000 Euro zusammen- allem soziale Wesen sind und nicht nur wegen des Geldes arbeiten! Laut gekommen sind, werden sie an die Bewerber/-innen verlost. Diese Verlo- einer Meinungsumfrage befürworten 73 Prozent der Deutschen prinzipiell sungen finden öffentlich mit Livestream statt, oft drehen Gewinner/-innen ein bedingungsloses Grundeinkommen!1 dabei das Glücksrad für die nächsten. Sie erzählen auch von gewonnenen 1 www.mein-grundeinkommen.de/blog/1368 Kristine Schütt Merchandising nachhaltig produziert Mehr als 10.000 Menschen haben 2016 die Workshops und Veranstaltun- gen des „Yiddish Summer Weimar” besucht. Viele verbringen seit Jahren mehrere Tage oder gar Wochen bei dem Festival. Häufig äußerten Besu- cher/-innen den Wunsch, auch etwas „Materielles“ mitzunehmen. Die Veranstalter/-innen wollten jedoch keine Merchandisingprodukte anbie- ten, deren Leben begrenzt und deren Herstellung fragwürdig ist. Die Wer- bemittel sollten vielmehr auch eine Funktion haben, im Alltag verwendet werden können und nachhaltig produziert worden sein. Daher werden seit diesem Sommer unter anderem Trinkschalen und meisters Stefan Wolf, der das Festival seit vielen Jahren unterstützt. Eine Fächer verkauft. Das Design stammt von Sayumi Yoshida. Die bildende ähnliche Funktion wie die Trinkschalen haben die Fächer, mit denen nun Künstlerin Nina Naußed bedruckte 33 der Trinkschalen mithilfe einer kera- die Konzerte im stets heißen Kulturzentrum mon ami gut gekühlt erlebt mischen Umdrucktechnik – jede ist daher ein Unikat. Auf ihnen wird das werden können. Neu sind ebenfalls Beutel aus Biobaumwolle, in denen Lied „Zumer Weimar“ des jiddischen Chansonniers und Liedermachers Workshopinformationen für Teilnehmer/-innen verpackt werden und de- Arkady Gendler zitiert, das er bei seinem Festivalbesuch 2009 komponiert ren freie Flächen zur Gestaltung einladen. hat und das das in Weimar neu entstehende jiddische Leben feiert. Der ge- www.othermusicacademy.eu, http://yiddishsummer.eu/de/service/ysw-goods.html samte Liedtext befindet sich übrigens im Büro des Weimarer Oberbürger- Fotos: © Yulia Kabakova Marie Czarnikow
Sie können auch lesen