Institutsbericht 2020 - Institut für sozial-ökologische Forschung

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Institutsbericht 2020 - Institut für sozial-ökologische Forschung
Institutsbericht   2020
Institutsbericht 2020 - Institut für sozial-ökologische Forschung
„Die Coronapandemie zeigt uns, dass ein Umdenken
stattfinden muss: Nachsorge als unausgesprochenes Leit-
prinzip des politischen und gesellschaftlichen Umgangs
mit den großen krisenhaften Entwicklungen im Anthropozän
können wir uns endgültig nicht mehr leisten. Konsequent
vorsorgendes Handeln lautet das Gebot der Stunde“.
Institutsbericht 2020 - Institut für sozial-ökologische Forschung
Wissen für eine
Institutsbericht 2020
                        nachhaltige Entwicklung
Institutsbericht 2020 - Institut für sozial-ökologische Forschung
Inhalt

                 4      Vorwort                                                     28     TRAPA India – Lösungsansätze zur Abwasserproblematik
                 6      Das ISOE                                                   		      in indischen Städten
                 8      Frankfurter Soziale Ökologie                                29     IntenKS – Intensivierung der Klärschlamm­behandlung
                                                                                   		      und -verwertung in China
                 9      Kognitive Integration und Innovation
                                                                                    29 P-Net – Regionales Netzwerk für ein ressourceneffizientes
               10       Transdisziplinär forschen                                  		 Phosphormanagement
               12       Highlights 2020                                             30     BioFAVOR II – Recycling von Fäkalien aus dezentralen Quellen
               14       Forschungs­schwerpunkte                                    		      im Low-Tech-Verfahren
                                                                                     30    PlastX – Mikroplastik in Fließgewässern
               16       Wasserressourcen und Landnutzung                             31    PlastX – Chemikalien in Kunststoffprodukten
               17       regulate – Nachhaltige Grundwassernutzung in Europa          31    PLASTRAT – Plastikeinträge in urbane Gewässer vermindern
2              18       EPoNa – Wasserwiederverwendung in Namibia
               18       PlastX – Plastikabfälle in Meeren und Ozeanen                36    Energie und Klimaschutz im Alltag
               19       NamTip – Kipppunkte in namibischen Trockengebieten           37    NaKoDi – Nachhaltiger Konsum und soziale Teilhabe
               19       ORYCS – Wildtier-Management­strategien in Namibia           38     LebensRäume – Instrumente zur bedürfnisorientierten
               20       LIMO – Landnutzung und integrierte Modellierung            		      Wohnraum­nutzung in Kommunen
              20        Weschnitz Dialog: Kommunikation und Beteiligung beim        38     TRI-HP – Trigenerationssysteme für die Nutzung verschiedener
             		         Management von Renaturierungsmaßnahmen                     		      erneuerbarer Energiequellen
                21      Tagesprognosemodell zum Trinkwasserbedarf in Hamburg         39    PlastX – Verpackungen und nachhaltiger Konsum
              21 Wasserbedarfsprognose 2050 für das Versorgungsgebiet               39     Blauer Engel – Umweltkommunikation für Kinder
             		 Harburg                                                            		      und Jugendliche
                                                                                    40     SuPraStadt – Verbesserte Lebens­qualität durch
               24       Wasserinfrastruktur und Risikoanalysen                     		      Suffizienzpraktiken im Stadtquartier

              25        netWORKS 4 – Resilient networks: Beiträge städtischer        40    ENGAGE – Engagement für nach­haltiges Gemeinwohl
             		         Versorgungs­systeme zur Klimagerechtigkeit                   41    Umweltbewusstsein in Deutschland 2020
              26        netWORKS 4 – Beiträge städtischer Versorgungs­systeme        41    Soziale Aspekte von Umweltpolitik
             		         zur Klima­gerechtigkeit (Anschlussprojekt)
              26        INTERESS-I – Integrierte Strategien zur Stärkung urbaner     44    Mobilität und Urbane Räume
             		         blau-grüner Infrastrukturen                                  45    Mobilitätslabor2020 – Alternativen zum eigenen Auto
              27        Abschätzung des Potenzials für die Nutzung von               46    Smyile – Zukunftsfähige Mobilität für Waldenbuch
             		         Betriebswasser in Frankfurt am Main
                                                                                     46    Freizeitmobilität in der Schweiz
              27        HypoWave – Neue Wege zur Abwasserwiederverwendung
             		         in der Landwirtschaft                                       47     PendelLabor – Nachhaltige Stadt-Umland-Mobilität
                                                                                   		      am Beispiel der Region Frankfurt Rhein-Main
              28 MULTI-ReUse – Modulares Aufbereitungssystem zur
             		 Wasserwiederverwendung

Institutsbericht 2020
Institutsbericht 2020 - Institut für sozial-ökologische Forschung
50     Biodiversität und Bevölkerung                                 64   SÖF-Nachwuchs­gruppen am ISOE
  51     IMAGINE – Integratives Management von Grüner Infrastruktur    64   PlastX – Kunststoffe als syste​mi­­sches Risiko für
 52      AJAP II – Umweltfreundliche und nachhaltige Bekämpfung       		    sozial-ökologische Versorgungssysteme
		       der Asiatischen Buschmücke                                    65   regulate – Regulation von Grundwasser in telegekoppelten
 52 MORE STEP – Nachhaltige Entwicklung des mongolischen              		    sozial-ökologischen Systemen
		 Steppenökosystems
  53     NormA – Normative Konflikte im Bereich Biodiversität          66   Vernetzt forschen – International forschen
 53 SoCoDES – Sozial-ökologische Dynamiken von                         70   Lehre und wissenschaftlicher Nachwuchs
		 Ökosystemleistungen                                                 73   Strategische Beratung
 54      Flutnetz – Verbesserung des Zugangs zur Notfallversorgung     74   Wissenschafts­koordination
		       bei Flutkatastrophen in Bangladesch
                                                                       75   Wissens­kommuni­kation                                             3
 54      SLInBio – Städtische Lebensstile und die Inwertsetzung
                                                                       76   Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
		       von Biodiversität
                                                                       83   Wissenschaftlicher Beirat

  56     Transdisziplinäre Methoden und Konzepte                       84   Nachhaltigkeit im ISOE

 57      Plattform tdAcademy für transdisziplinäre Forschung
		       und Studien
 58      SynVer*Z – Wirksamkeit von Forschung zur nachhaltigen
		       Transformation von Städten
  58     s:ne – Systeminnovation für Nachhaltige Entwicklung
 59      BioKompass – Kommunikation und Partizipation für die
		       gesellschaftliche Transformation zur Bioökonomie
 59 EKLIPSE – Mechanismus zur Unterstützung der europäischen
		 Biodiversitätspolitik
 60 Capital4Health – Transdisziplinär forschen für die
		 Gesundheitsvorsorge
  60     DINA – Diversität von Insekten in Naturschutzarealen
 61 Biodiversität und Klima: Sozial-ökologische
		 Biodiversitätsforschung
 61 Dilemmata der Nachhaltigkeit – Metakriterien für
		 Nachhaltigkeit

                                                                                                                                       ➜ ISOE.de
Institutsbericht 2020 - Institut für sozial-ökologische Forschung
Liebe Leserin, lieber Leser,
                                     ein Jahr dramatischer Entwicklungen liegt hinter uns. Die Covid-19-Pandemie
                                     hat viele Menschen in ihrem Alltag extrem belastet. Sie hat unser Zusammen-
                                     leben verändert und deutliche Spuren in der Wirtschaft hinterlassen. Sie hat aber
                                     auch dazu geführt, dass jene nahezu unsichtbaren Infrastrukturen endlich eine
                                     stärkere Würdigung erfahren, ohne die unsere Gesellschaft nicht funktionieren
                        würde – allen voran die Pflege. Es ist zu wünschen, dass all die Menschen, die diese Strukturen
                        nach Kräften tragen, deutlich mehr als nur symbolische Unterstützung erfahren.

                        Die zurückliegenden Monate zeigen mehr als deutlich, dass ein Umdenken stattfinden muss:
                        Nachsorge als unausgesprochenes Leitprinzip des politischen und gesellschaftlichen Umgangs
                        mit den großen krisenhaften Entwicklungen im Anthropozän können wir uns endgültig nicht
                        mehr leisten. Konsequent vorsorgendes Handeln lautet das Gebot der Stunde. Dass ein solches
4                       in einer Pandemie politisch möglich ist, wurde in einem immer noch verblüffenden Ausmaß
                        und in einem nie dagewesenen Tempo deutlich – ein Vorgang, der noch tiefer wissenschaft-
                        lich zu verstehen und gesellschaftlich aufzuarbeiten sein wird. Zu Beginn des Jahres haben
                        wir in der Zeitschrift GAIA einen Vorschlag vorgelegt, an welchen Prinzipen sich eine vor-
                        sorgende, sozial-ökologische Gestaltung der Gegenwart orientieren sollte. Aktuell arbeiten
                        wir daran, diesen Ansatz auf die Erfahrungen mit der Coronakrise zu übertragen.

                        Ohne die Wissenschaft – auch das hat die Pandemie deutlich gemacht – werden künftige
                        Krisen nicht zu beherrschen sein. Wissenschaftliche Debatten finden normalerweise für die
                        Öffentlichkeit kaum sichtbar auf wissenschaftlichen Konferenzen und in Fachzeitschriften
                        statt. Weil bei der Bekämpfung der Pandemie die Zeit drängt, wurde der Prozess der Quali-
                        tätsprüfung wissenschaftlicher Erkenntnisse in den letzten Monaten jedoch nachvollziehba-
                        rer. Das digitale Zeitalter machte es möglich, dass Bürger*innen nahezu „live“ dabei zusehen
                        können, wie Forschung funktioniert: dass sie von Versuch und Irrtum lebt, dass ihre Ergeb-
                        nisse zunächst nur vorläufig sind und dass der Erkenntnisfortschritt auf Kritik und Konsens-
                        findung angewiesen ist.

                        Eine Erhebung des WiD-Wissenschaftsbarometers zeigt, dass 73 Prozent der befragten Bür-
                        ger*innen während des Lockdowns angaben, der Wissenschaft zu vertrauen. Die Mehrheit der
                        Befragten befürwortet außerdem eine wissenschaftsbasierte Politik im Umgang mit Corona.
                        Doch worauf gründet dieses erstarkte Vertrauen in die Wissenschaft? Ein Grund könnte in der
                        zunehmenden Personalisierung von Wissenschaft liegen, die wesentlich durch die sozialen
                        Medien vorangetrieben wird. Aber Vertrauen und Glaubwürdigkeit entstehen vor allem dann,

Institutsbericht 2020
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so zeigen Studien aus der Forschung zur Wissenschaftskommunikation, wenn Wissenschaft
und ihren Akteuren Integrität, Expertise und Gemeinwohlorientierung zugeschrieben wird.
Gewinnen lassen sich diese Attribute aber nur durch aktive Dialogbereitschaft. Diese müssen
wir, ebenso wie die Fähigkeit zum Dialog, als Wissenschaftler*innen stärken. Dazu gehört vor
allem auch die Bereitschaft, offen über das zu reden, was wir nicht wissen. Anstatt nur For-
schungserfolge zu verkünden, müssen wir thematisieren, dass unsicheres Wissen und Nicht-
Wissen zur Forschung dazugehören.

In den letzten Monaten haben die offenen Diffamierungen von Wissenschaftler*innen immer
wieder gezeigt, dass vor allem die Funktionsweise der sozialen Medien diese Dialogbereit-
schaft zu einer alles andere als leichten Übung macht. Für die Wissenschaft insgesamt stellt
sich daher eine dringliche Aufgabe: Sie muss ihre traditionelle Rolle als ein Instrument der
Selbstaufklärung von Gesellschaft neu erfinden und konsequent beanspruchen. Und das heißt
auch: Sie muss aktiv dagegen arbeiten, von Dritten funktionalisiert zu werden, indem diese
den offenen Umgang mit den Grenzen des wissenschaftlichen Wissens ausnutzen, um auf
eine geradezu obszöne Weise Verschwörungstheorien anzuheizen. Hierin liegt eine weitere
Aufgabe für Wissenschaft – neben einer exzellenten und gesellschaftlich relevanten For-                 5
schung. Mit unserem Ansatz einer selbst-reflexiven, kritischen transdisziplinären Forschung
wollen wir einen Beitrag dazu leisten, die Wissenschaft dafür zu stärken.

Die zurückliegenden Monate haben auch uns und unsere Arbeit stark beeinflusst. Gleichzeitig
haben wir – wie so viele andere auch – in kürzester Zeit sehr viel Neues gelernt und Alterna-
tiven gefunden. Daher möchte ich an dieser Stelle persönlich allen Kolleginnen und Kollegen
des ISOE für ihre außerordentliche Motivation ganz herzlich danken. Durch diesen keines-
wegs selbstverständlichen Zusammenhalt und die Zusammenarbeit unter deutlich erschwer-
ten Bedingungen ist es uns möglich gewesen, unsere Arbeit in Forschung, Lehre und Transfer
verlässlich fortzuführen.

Danken möchte ich ganz herzlich im Namen aller Mitarbeiter*innen des ISOE unseren Ko-
operationspartner*innen, Freunden, Förderern und Kolleg*innen für das entgegengebrachte
Vertrauen. Sie alle haben uns in diesem auch für sie schwierigen Jahr bei unseren Projekten
auf vielfältige Weise unterstützt. Und nicht zuletzt gilt dieser Dank ausdrücklich auch dem
Land Hessen für die geleistete institutionelle Förderung und die wertvolle Unterstützung in
den zurückliegenden Monaten.

Dr. Thomas Jahn
Sprecher der Institutsleitung

                                                                                                ➜ ISOE.de
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Das ISOE

                        Das ISOE gehört zu den führenden unabhängigen        Akteure und ihr Wissen in den Forschungspro-
                        Instituten der Nachhaltigkeitsforschung. Seit mehr   zess ein. So tragen wir dazu bei, dass unsere
                        als 30 Jahren entwickeln wir wissenschaftliche       Lösungen in der Praxis besser angenommen und
                        Grundlagen und zukunftsweisende Konzepte für         umgesetzt werden. Was wir aus konkreten Fällen
                        Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft – regio-   lernen, verallgemeinern wir und erweitern auf
                        nal, national und international.                     diese Weise beständig unsere sozial-ökologische
                                                                             Wissensbasis.

                        Wir finden für komplexe Probleme nachhal-
6                       tige Lösungen. Für Mensch und Umwelt.                Wir kommunizieren offen und suchen den
                                                                             Dialog. Für mehr Wirkung und Engagement.
                        Verstehen und Gestalten gehören für uns zusam-
                        men: Wir forschen zielgerichtet und fallspezifisch   Wir sehen es als eine wichtige Aufgabe an, un-
                        zu drängenden globalen Phänomenen und Prob-          sere Forschungsergebnisse in Wissenschaft und
                        lemen wie Wasserknappheit, Klimawandel, Bio­         Gesellschaft zu tragen und zu diskutieren. Dafür
                        diversitätsverlust und Landdegradation. Für Kon-     kommunizieren wir regelmäßig die Ergebnisse
                        flikte finden wir tragfähige Lösungen, die neben     unserer Forschung, beraten Entscheidungsträger
                        den ökologischen auch die gesellschaftlichen und     und nehmen an öffentlichen Debatten teil.
                        ökonomischen Bedingungen berücksichtigen.
                        Die Frankfurter Soziale Ökologie als Wissenschaft
                        von den gesellschaftlichen Naturverhältnissen ist    Wir schaffen Denkräume. Für einen
                        die theoretische Grundlage unserer Forschung.        grundlegenden Wandel in Gesellschaft und
                                                                             Wissenschaft.

                        Wir forschen transdisziplinär. Für praxisnahe        Wir nehmen eine kritische Position ein, denn nur
                        und tragfähige Konzepte.                             so können wir erreichen, dass die Lösungen von
                                                                             heute nicht die Probleme von morgen werden.
                        Wir sind überzeugt, dass sich die komplexen Fra-     Anstatt starre Ziele zu verfolgen, sehen wir Ver-
                        gen bei der Zukunftssicherung nur mit integrati-     änderungen als Korridore möglicher und wün-
                        ven Methoden beantworten lassen. Wir beziehen        schenswerter Entwicklungen. Auf diese Weise ent­
                        daher die verschiedenen Interessenlagen der          stehen Alternativen – im Denken wie im Handeln.

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Wir leben Kooperation. Für unsere                     Meilensteine
Partner*innen und Mitarbeiter*innen.
                                                      1989 Das Institut nimmt seine Arbeit auf mit Projekten für
                                                      die Stadt Frankfurt am Main sowie Greenpeace
Zurzeit arbeiten ca. 60 Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter am ISOE, davon 39 Wissenschaftlerinnen       1994 Erste größere Verbund­projekte in den Themenfeldern
                                                      Wasser und Mobilität
und Wissenschaftler. Wir sind aktiver Partner in
lokalen, regionalen, deutschlandweiten und            1995 Beginn von Projekten zu Gender & Environment und
                                                      nachhal­tigem Konsum
internationalen Netzwerken und Kooperationen.
Bei unserer Arbeit werden wir von einem inter-        2000 Gutachten zur Förderung der Sozial-ökologischen
nationalen und fachübergreifenden Wissenschaft-       Forschung in Deutschland für das BMBF                                    7
lichen Beirat unterstützt. Als gemeinnütziges         2006 Buchveröffentlichung „Soziale Ökologie – Grundzüge einer
Institut finanzieren wir uns hauptsächlich durch      Wissenschaft von den gesellschaftlichen Naturverhältnissen“
öffentliche Fördermittel und Aufträge. Darüber
                                                      2008 Das ISOE ist Gründungspartner im Senckenberg
hinaus erhalten wir eine institutionelle Förderung    Biodiversität und Klima Forschungszentrum (SBiK-F)
durch das Land Hessen und werden von der
Stadt Frankfurt unterstützt.                          2008 Soziale Ökologie als Lehrgebiet im Masterstudiengang
                                                      Umweltwissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt
                                                      am Main

                                                      2012 SÖF*-Memorandum „Verstehen – Bewerten – Gestalten.
                                                      Transdisziplinäres Wissen für eine nachhaltige Gesellschaft“

                                                      2016 Start der Nachwuchsgruppe „PlastX – Kunststoffe
                                                      als systemisches Risiko für sozial-ökologische Versorgungs­
                                                      systeme“

                                                      2017 Special Issue „Social Ecology. State of the Art and Future
                                                      Prospects“ der Zeitschrift Sustainability

                                                      2019 Tagung „Aufbruch in die Gegenwart. Die sozial-ökologische
                                                      Zukunft heute gestalten“

                                                      2020 Start der Nachwuchsgruppe „regulate – Regulation von
                                                      Grundwasser in telegekoppelten sozial-ökologischen Systemen“

                                                     * Förderschwerpunkt Sozial-ökologische Forschung (www.fona.de)   ➜ ISOE.de
Frankfurter
                        Soziale Ökologie

                        Schon der Begriff verrät es: Angewandte For-          lernen, verallgemeinern wir und erweitern auf
                        schung ist ohne Grundlagenforschung nicht             diese Weise beständig unsere sozial-ökologische
                        denkbar. Dieser Maxime folgt auch das ISOE mit        Wissensbasis.
                        seinem Forschungsprogramm der „Frankfurter
                        Sozialen Ökologie“. Doch welche Funktion              Die Verbindung von Verstehen und Gestalten in
                        hat dieses Programm am ISOE, wie wird es in           der Sozialen Ökologie stellt besondere Anforde­
                        der täglichen Forschung mit Leben erfüllt?            rungen an die Forschung und an die beteiligten
                                                                              Wissenschaftler*innen. Sie bedeutet nämlich,
                        Allgemein sollen Forschungsprogramme helfen,          dass wir zugleich analytische Beobachter*innen
8                       weiterführende Hypothesen über den Forschungs-        und Teilnehmende an gesellschaftlichen Trans-
                        gegenstand zu formulieren und Forschungspro-          formationsprozessen sind. Für die wissenschaft­
                        zesse zu strukturieren, um diese methodisch zu        liche Arbeit ist es aber entscheidend, diese
                        prüfen. Das gilt auch für die Soziale Ökologie. Sie   beiden Rollen zu trennen, also das Deskriptive
                        erlaubt uns, gezielt zu fragen, wie Gesellschaften    und das Normative auseinanderzuhalten. Unser
                        ihre Beziehungen zu Natur regulieren und wann         Forschungs­programm stellt die Mittel bereit, um
                        Gefahr besteht, dass diese sich nicht nachhaltig      diese kritisch-konstruktive und selbstreflexive
                        entwickeln. Und sie hilft uns zu entscheiden,         Aufgabe zu leisten.
                        welches Wissen wir benötigen und wie wir es
                        integrieren müssen, um diese Fragen zu beant-         Diese Art des Arbeitens an und mit einem For-
                        worten.                                               schungsprogramm stellt uns vor zwei Aufgaben,
                                                                              die sich nur bedingt im Rahmen unserer Projekt-
                        Unser Programm geht aber noch einen Schritt           forschung bewältigen lassen: Erstens müssen
                        weiter. Denn wir wollen die gesellschaftlichen        wir die Soziale Ökologie kontinuierlich weiter­ent­
                        Naturverhältnisse nicht nur besser verstehen.         wickeln, auch indem wir die Fortschritte in
                        Wir wollen dieses Grundlagenwissen auch nutzen,       den relevanten Wissenschaftsbereichen integrie-
                        um Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie sich            ren. Zweitens müssen wir besonders auch unsere
                        nachhaltig gestalten lassen. Genau dies tun wir       neuen Mitarbeiter*innen darin befähigen, die
                        in unseren transdisziplinären Forschungs­             Grund­konzepte der Frankfurter Sozialen Ökologie
                        projekten an gesellschaftlichen Problemen, zum        erfolg­reich anzuwenden. Beide Aufgaben ver­
                        Beispiel bei der Versorgung der Bevölkerung           folgen wir in der aus Mitteln der institutionellen
                        mit sauberem Trinkwasser oder dem Verlust an          Förderung des Landes Hessen finanzierten
                        Artenvielfalt. Was wir aus diesen konkreten Fällen    Projektreihe „Kognitive Integration“.

Institutsbericht 2020
Kognitive Integration
und Innovation

                Ansprechpartner                      und Raumnutzung“ auf und verknüpfen ihn
                Thomas Jahn                          mit aktuellen Fortschritten aus der internationalen
                jahn@isoe.de
                                                     Forschung. Eine wichtige Rolle spielen dabei
                                                     auch drängende theoretische Probleme wie ein
                                                     gestaltungsorientiertes Verständnis sozial-ökolo-
                                                     gischer Transformationen.
Wie jede andere Forschungseinrichtung lebt
das ISOE von wissenschaftlichen Innovationen.        Freiräume für Kreativität
Damit diese entstehen können, braucht es eine        Das Projekt bietet aber auch Freiräume, in denen
dynamische Forschungsumgebung, die nach              die ISOE-Wissenschaftler*innen mit ungewöhn­                      9
außen und nach innen für neue Ideen offen ist.       lichen Ideen experimentieren können. In soge-
Mit dem Projekt „Kognitive Integration und           nannten Innovationsküchen können sie für eine
Innovation“ schafft das Institut dafür die Voraus-   begrenzte Zeit in selbst gewählten Arbeitsformen
setzungen. Das Besondere dabei: Am Projekt           projektungebunden forschen. „Kognitive Inte­
sind alle wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen       gration“ bedeutet aber auch noch etwas ganz
des Instituts beteiligt. Das Projekt aktiviert       Praktisches: Das Institut muss besonders seine
also die gesamte kognitive Diversität des ISOE,      neuen wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen
um wissenschaftliche Innovationen zu er­­-           darin befähigen, die Grundkonzepte der Sozialen
mög­lichen. Es setzt damit eine bereits 2001         Ökologie erfolgreich anzuwenden. Dies ermög­
be­gonnene Tradition fort.                           licht das Projekt durch speziell zugeschnittene
                                                     Einführungsseminare und regelmäßig statt­
Soziale Ökologie im Fokus                            findende Jours fixes, die den Wissensaustausch
Im Zentrum der Innovationsarbeit steht die           innerhalb des Instituts fördern.
Frankfurter Soziale Ökologie. Sie liefert die
theoretischen Grundlagen für die empirische,         ➜ www.isoe.de/ki3
transdisziplinäre Forschungsarbeit des ISOE.         Projektteam Alle wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen
Um sie weiterzuentwickeln, nimmt das Projekt         des ISOE
systematisch Impulse aus dem wissenschaftlichen      Gesamtkoordination keep it balanced (Dr. Florian Keil)
Umfeld des Instituts auf. Dafür gibt es mehrere      Laufzeit 04 / 2018 – 03 / 2021
Teams. Diese bereiten den eigenen Wissensstand       Finanzierung aus Mitteln der institutionellen Förderung
                                                     des Landes Hessen
in Themenbereichen der Sozialen Ökologie wie
„Wasser“, „Biodiversität“ und „Alltagspraktiken

                                                                                                               ➜ ISOE.de
Transdisziplinär
                        forschen

                        Welche Aufgaben kann und muss Wissenschaft           legend, die unterschiedlichen Erwartungen der
                        heute wahrnehmen? Der Veränderungsdruck,             beteiligten Akteure zu verstehen, ebenso wie
                        der auf Wissenschaft heute ausgeübt wird, ist        deren Beziehungen zueinander und ihre Hand-
                        groß: Einerseits sieht sich die Wissenschaft einer   lungs- und Entscheidungsmöglichkeiten in Bezug
                        wachsenden politischen und wirtschaftlichen          auf politische Machtverhältnisse.
                        Einflussnahme ausgesetzt. Andererseits wächst
                        der legitime Anspruch an die Wissenschaft,           Mithilfe des transdisziplinären Forschungsmodus
                        zur Lösung der Probleme des globalen Wandels         greifen wir diese Komplexität auf. Die Ansätze
                        das notwendige Wissen zur Verfügung zu stellen.      und Methoden der transdisziplinären Forschung
10                      Hinzu kommt die Forderung, nicht-wissenschaft-       sind geeignet, die Erkenntnisse verschiedener
                        liche Akteure an der Erzeugung wissenschaft­         wissenschaftlicher Disziplinen und die Erfahrun-
                        lichen Wissens und der Bewertung seiner Folgen       gen und das Wissen unterschiedlicher gesell-
                        zu beteiligen.                                       schaftlicher Akteure zusammenbringen. Dies er-
                                                                             möglicht uns ein tief greifendes Verständnis
                        Seit 30 Jahren widmet sich das ISOE diesen Her-      sozial-ökologischer Systeme und eine differen-
                        ausforderungen mit dem Forschungsprogramm            zierte Einschätzung von Krisensituationen.
                        der „Frankfurter Sozialen Ökologie“. Im Fokus        Unsere Arbeit konzentriert sich auf die Themen-
                        stehen hier das veränderte Verhältnis zwischen       bereiche Wasser, Energie, Mobilität und Biodiver-
                        Natur und Gesellschaft und die Frage, wie diese      sität. Wir untersuchen, inwieweit diese Themen
                        gesellschaftlichen Naturverhältnisse erkannt,        miteinander verbunden sind und wie sie von
                        bewertet und gestaltet werden können. In unse-       globalen Entwicklungen beeinflusst werden. Wel-
                        rem Forschungsprogramm verbinden wir Grund-          che Rolle spielen zum Beispiel die Urbanisierung,
                        lagen- mit anwendungsnaher Forschung: Wir            der Klimawandel, der Biodiversitätsverlust oder
                        bearbeiten zentrale theoretische Frage­stellungen    demografische Entwicklungen für eine nach­
                        der Sozialen Ökologie und liefern in unserer         haltige Veränderung von Versorgungssystemen?
                        Projektforschung Erkenntnisse, die konkrete          Die für diese Integrationsprozesse geeig­neten
                        Wege in eine nachhaltige Entwicklung aufzeigen.      transdisziplinären Methoden werden am ISOE
                        Hierfür untersuchen wir die komplexen Strukturen     ständig weiterentwickelt. So können die Alterna-
                        gesellschaftlicher Probleme immer auch mit Blick     tiven, die wir aufzeigen, besser in der Praxis
                        auf die unterschiedlichen Akteursgruppen aus         angenommen und umgesetzt werden – als gang-
                        Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Denn für ein   bare Wege in Richtung einer nachhal­tigen Trans-
                        umfassendes Problemverständnis ist es grund­         formation der Gesellschaft.

Institutsbericht 2020
Der transdisziplinäre
             Forschungsprozess

               Gesellschaftliche                                               Gemeinsamer                                        Wissenschaftliche
               Probleme                                                        Forschungs­                                        Probleme
                                                                                gegenstand

                                                                                                                                                                                          11

                 Gesellschaftlicher                                           Produktion von                                       Wissenschaftlicher
                     Diskurs                                                  neuem Wissen                                              Diskurs

               Ergebnisse für die                                                                                                 Ergebnisse für die
               gesellschaftliche                                            Transdisziplinäre                                     wissenschaftliche
               Praxis                                                          Integration                                        Praxis

Zum Weiterlesen
Jahn, Th. / D. Hummel / L. Drees / S. Liehr / A. Lux /   Lux, A. / M. Schäfer / M. Bergmann / Th. Jahn / O. Marg /       Hummel, D. / Th. Jahn / F. Keil / S. Liehr / I. Stieß (2017):
M. Mehring / I. Stieß / C. Völker / M. Winker /          E. Nagy / A.-C. Ransiek / L. Theiler (2019): Societal effects   Social Ecology as Critical, Trans­disciplinary Science –
M. Zimmermann (2020): Sozial-ökologische                 of transdisciplinary sustainability research – How can          Conceptualizing, Analyzing and Shaping Societal
Gestaltung im Anthropozän. GAIA 29 (2), 93–97            they be strengthened during the research process?               Relations to Nature. Sustainability 9 (7), 1050
                                                         Environmental Science and Policy 101, 183–191

                                                                                                                                                                                   ➜ ISOE.de
Highlights
                        2020

                        Wissenschaftsrat                                     Shaping a Better Planet
                                             In seiner Stellungnahme hat                            Die „ISOE-Lecture“ an der
                                             der Wissenschaftsrat zu Be-                            Goethe-Universität Frank-
                                             ginn des Jahres die positive                           furt ist eine Vorlesungsreihe
                                             Entwicklung des ISOE seit                              für Studierende, Wissen-
                                             der Evaluation im Juli 2016                            schaftler*innen und interes-
                        gewürdigt. Der Wissenschaftsrat zeigte sich be-      sierte Öffentlichkeit. Ihre Themen sind aktuelle
                        eindruckt von dem Prozess der strukturellen und      Fragen der Nachhaltigkeitsforschung. Der Umwelt-
                        inhaltlichen Neuausrichtung, den das ISOE seit       wissenschaftler und Anthropozänforscher Erle C.
12                      der Evaluation in Gang gesetzt habe. Er begrüßte     Ellis (University of Maryland) zeigte in seiner
                        nachdrücklich vor allem die wissenschaftliche        im Februar stattfindenden Lesung „Shaping a
                        Weiterentwicklung des unabhängigen For-              Better Planet in the Age of Humans“, wie Gesell-
                        schungsinstituts.                                    schaften globalen Herausforderungen wie dem
                                                                             Klima­wandel begegnen können.
                        Special Issue
                                              Mit dem transdisziplinären     Gestaltungsprinzipien
                                              Forschungsansatz kann in                             Der Ruf nach sozial-ökolo-
                                              der Nachhaltigkeitsforschung                         gischen Transformationen
                                              die Lösung komplexer                                 ist in der Coronakrise lauter
                                              gesellschaftlicher Probleme                          geworden. Aber wie kann
                        gezielt unterstützt werden. Wie aber kann die                              dieser Gestaltungsprozess
                        transdisziplinäre Forschung ihre Wirkung opti-       gelingen, wenn dazu ein gemeinsames Handeln
                        mal entfalten? Was ist bei der Integration der       in der Gegenwart notwendig ist? In einem Bei-
                        unterschiedlichen Wissensformen zu beachten?         trag der Zeitschrift GAIA stellen Autor*innen des
                        Wissenschaftler*innen des Forschungsprojekts         ISOE sechs Gestaltungsprinzipien zur Diskussion.
                        TransImpact haben sich diesen Fragen gewidmet        Dazu gehören Prinzipien für den Umgang mit
                        und gemeinsam mit internationalen Gastau-            Komplexität, für die Teilhabe der Akteure in
                        tor*innen in einer Online-Sonderausgabe der          einem demokratischen Gestaltungsprozess oder
                        Zeitschrift Environmental Science & Policy Ant-      für die Stärkung der Widerstands­fähigkeit sozial-
                        worten gefunden.                                     ökologischer Systeme gegenüber den Folgen
                                                                             von Umweltveränderungen.

Institutsbericht 2020
tdAcademy                                           Nachwuchsgruppe regulate
                      Der Bedarf an transdiszi­                          Grundwasser ist die wich-
                      plinärer Forschung wächst.                         tigste Trinkwasserressource
                      Gleichzeitig fehlen in For-                        weltweit und zugleich ein
                      schung und Lehre Strukturen                        einzigartiger Lebensraum
                      und Orte zur Weiterentwick-                        für verschiedene Tierarten.
lung und Verbreitung von transdisziplinären         Doch der Schutz dieser wertvollen Quelle wird –
Methoden, Konzepten und Kompetenzen. Diese          lokal und global – vernachlässigt. Zur Über­
Lücke wurde im Juli mit Gründung einer Akade-       nutzung tragen auch überregionale Wirkungen
mie für transdisziplinäre Forschung geschlossen.    bei. Seit September untersucht die vom Bundes­         13
Diese will neues Wissen über die Wirksamkeit        ministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
von transdisziplinärer Forschung generieren. Alle   geförderte Nachwuchsgruppe regulate unter
Ergebnisse werden einer größeren Gruppe von         der Leitung des ISOE diese Fernwirkungen, um
Expert*innen vorgestellt, gemeinsam geprüft und     Lösungen für eine nachhaltige Grundwasser­
weiterentwickelt.                                   bewirtschaftung in Europa aufzuzeigen.

Instagram                                           Globale Aktionswoche
                      Es gehört zum Selbstver-                             Expert*innen des ISOE
                      ständnis des ISOE, dass                              wirkten im Rahmen der von
                      wir die Ergebnisse unserer                           Fridays for Future veran­
                      Forschung einer breiten                              stalteten Globalen Aktions-
                      Öffentlichkeit zugänglich                            woche an zahlreichen
machen. Um verstärkt national wie international     Diskussionsveranstaltungen mit, etwa zu den
jene Zielgruppen zu erreichen, die sich überwie-    Themen Stadtentwicklung und Verkehr, mit dem
gend via Smartphone oder Tablet informieren –       Ziel, den Dialog zu fördern und zur Reflexion
das sind vor allem Jugendliche und junge            über den Klimawandel und seine Folgen anzu­
Erwachsene im Alter von 15 bis 25 Jahren –          regen. Zudem nahmen Mitarbeitende des ISOE
kommuniziert das ISOE seit Herbst 2019 auch         am 20. September an der Demonstration in
auf Instagram. Das ISOE war damit eines der         Frankfurt am Main teil und schlossen sich als
ersten Institute der Nachhaltigkeitsforschung in    Teil der Scientists for Future den Forderungen
Deutschland, das auf Instagram präsent ist.         der Jugendlichen von Fridays for Future an.

                                                                                                    ➜ ISOE.de
Forschungs­
                        schwerpunkte

                        Wasserressourcen und Landnutzung                     sowie Strategien, um diese zu minimieren. Dabei
                                              Wasser prägt das gesamte       spielt die Zusammenarbeit mit den involvierten
                                              System Erde: Land und          Akteuren eine zentrale Rolle.
                                              Boden, das Klima, die Men-
                                              schen und die Biodiversität.   Energie und Klimaschutz im Alltag
                                              Deshalb ist es wichtig, das                          Anspruchsvolle Klimaziele,
                        Management der Wasserressourcen integriert zu                              wie das 1,5-Grad-Ziel,
                        betrachten und dabei das Ineinandergreifen loka-                           sind ohne eine Veränderung
                        ler, regionaler und globaler Dynamiken zu ver-                             von alltäglichen Routinen
14                      stehen. Wasser ist eine knappe Ressource. Daher                            und Konsummustern nicht
                        muss sie nachhaltig genutzt und bewirtschaftet       zu erreichen. Zugleich ist es wichtig, die Lebens­
                        werden, vor allem in wasserarmen Regionen.           qualität der Menschen zu erhalten und soziale
                        Das ISOE untersucht die Handlungsmotive gesell-      Teilhabe für alle Bevölkerungsgruppen zu ermög-
                        schaftlicher Akteure, führt sozial-ökologische       lichen. Mithilfe von sozialempirischen Studien,
                        Folgenabschätzungen und Modellierungen durch,        Feldversuchen und Wirkungsanalysen unter­
                        erstellt Prognosen zur Wasserbedarfsentwicklung      suchen wir, wie Wege in einen postfossilen All-
                        und entwickelt Szenarien.                            tag eröffnet werden können – beispielsweise
                                                                             durch klimafreundliche und ressourcenschonende
                        Wasserinfrastruktur und Risikoanalysen               Konsumpraktiken, die Verbreitung CO2-armer
                                             Die Wasserwirtschaft steht      Technologien oder die Entwicklung innovativer
                                             weltweit vor großen Heraus-     Wohnkonzepte.
                                             forderungen: Überalterte
                                             und unzureichende Infra-
                                             strukturen gefährden die
                        Effizienz und Nachhaltigkeit der Wassernutzung.
                        Hinzu kommen umstrittene Substanzen, die ver-
                        mehrt im Grund- und Trinkwasser nachgewiesen
                        werden. Das ISOE erarbeitet innovative Konzepte,
                        mit denen Infrastrukturen nachhaltig transfor-
                        miert und an veränderte Rahmenbedingungen
                        angepasst werden können. Außerdem entwickeln
                        wir Methoden zur Abschätzung komplexer Risiken

Institutsbericht 2020
Mobilität und Urbane Räume                            Biodiversität wahrgenommen und wertgeschätzt
                     Das Verkehrsaufkommen            wird und welche Auswirkungen Bevölkerungs­
                     wächst – mit deutlichen          entwicklungen, zum Beispiel Migration und
                     Folgen für Mensch und Um-        Urbanisierung, auf die Biodiversität haben.
                     welt. Das ISOE untersucht,
                     wie Mobilitätssysteme            Transdisziplinäre Methoden und Konzepte
nachhaltig und klimaneutral transformiert werden                             Transdisziplinäre Forschung
können. Da neue Mobilitätsangebote und Pla-                                  will Wirkungen erzielen,
nungsideen nicht per se nachhaltig sind, unter­                              in dem sie gesellschaftliche
suchen wir, wie sie gestaltet sein müssen,                                   Probleme adressiert und           15
damit Mobilitätspraktiken und Mobilitätsstile                                hierfür integrierte Lösungen
nachhal­tiger werden können. Die zukunfts­            entwickelt. Neben praktischem Handlungswissen
orientierte Entwicklung urbaner Räume ist eng         soll zudem wissenschaftliches Wissen erweitert
mit dem Thema Mobilität verbunden. Neben              werden, sodass transdisziplinäre Forschung auch
Analysen zur Nutzung und Akzeptanz von Mobi-          wissenschaftlich wirkungsvoll ist. Kritische
litätsangeboten sowie zu Mobilitätsbedürfnissen       Transdisziplinarität reflektiert dabei die Bedingun-
entwickeln wir schließlich Maßnahmen, mit             gen der Wissensproduktion und die Folgen der
denen wir die Veränderungen in der Stadt- und         Anwendung des neu erzeugten Wissens. Unsere
Mobilitätskultur kommunikativ begleiten.              Kernaufgabe ist es, die grundlegenden Methoden
                                                      und Konzepte hierfür zu erarbeiten, indem
Biodiversität und Bevölkerung                         transdisziplinäre Prozesse erforscht, begleitet und
                     Biologische Vielfalt ist eine    unterstützt werden.
                     der wichtigsten Lebens-
                     und Überlebensgrundlagen
                     unserer Gesellschaft: Bio­
                     diversität sichert unsere
Ernährung und unserer Gesundheit, sie dient un-
serer Erholung und bietet wertvolle ästhetische
und kulturelle Aspekte. Damit besitzt Biodiversität
nicht nur eine materielle, sondern auch eine
wichtige symbolische Dimension. Vor diesem
Hintergrund forscht das ISOE zu der Frage, wie

                                                                                                        ➜ ISOE.de
Forschungs­schwerpunkt

                        Wasserressourcen und
                        Landnutzung
                        Wasser ist eine zentrale Ressource für viele
                        gesellschaftliche Bereiche. Auch für intakte Öko-                 „Um Wassersicherheit
16                      systeme und die vielfältigen Formen von Land-                     weltweit gewährleisten
                        nutzung ist Wasser unerlässlich. Trotz zahlreicher   zu können, brauchen wir ein fundamen­
                        Impulse für ein nachhaltigeres Management            tales Umdenken, bei dem die viel­
                        bleiben jedoch wesentliche Probleme bislang
                                                                             fältigen Kopplungen von Wasser und
                        ungelöst. Dazu zählen Übernutzung und Ver-
                        schmutzung unserer Gewässer oder die Degra­
                                                                             Landnutzung stärker berücksichtigt
                        dation von Grundwasserkörpern, Feuchtgebieten        werden.“
                        und Savannen. Ziel unserer Forschung ist, ein        Ansprechpartner
                        besseres Verständnis dieser Probleme zu ge­          Stefan Liehr, liehr@isoe.de
                        winnen, robuste Lösungsstrategien zu entwickeln
                        und damit einen Beitrag zu den Sustainable
                        Development Goals zu leisten. Dies setzt ein
                        fundiertes Wissen über die Zusammenhänge
                        zwischen gesellschaftlichen Entwicklungen und
                        der Wasser- sowie Landnutzung voraus – lokal,
                        regional und global. Schwerpunkte unserer
                        Forschung sind Kipppunkte von Ökosystemen,
                        konflikthafte Nutzungsdynamiken unter dem
                        Einfluss multipler Faktoren und die Rolle von
                        Telekopplungen auf krisenhafte Belastungssitua-
                        tionen. Die neue Nachwuchsgruppe regulate
                        wird in den kommenden Jahren unsere Forschung
                        hierzu mit wertvollen Beiträgen bereichern.

Institutsbericht 2020
regulate – Nachhaltige Grundwasser-                  Ressource Grundwasser. Die Nachwuchsgruppe
nutzung in Europa                                    arbeitet dabei mit Stakeholdern in vier Fall­
                                                     studien Europas, um lokal neues Wissen zu gene-
Grundwasser ist die wichtigste Trinkwasser­          rieren und daraus übergreifende Rückschlüsse
quelle weltweit und eine zentrale Ressource zur      für ein angepasstes Management zu ziehen mit
Nahrungsmittelproduktion. Als Lebensraum für         Anwendungspotenzial in Europa und anderen
besondere Tierarten zeichnet es sich zudem durch     Regionen weltweit.
eine einzigartige Biodiversität aus. Trotz ihrer
wichtigen Rolle im Ökosystem und für den             Impulse für die europäische Wasserpolitik
Menschen sind Grundwasserkörper durch Klima-         Das Projekt analysiert die Schwächen der
wandel, Übernutzung und Verschmutzung ge-            aktuellen europäischen Wasserpolitik und ent-
fährdet. Zwar besteht in Europa mit der Wasser-      wirft vor dem Hintergrund von Telekopplungen
rahmenrichtlinie ein umfassender gesetzlicher        anwendungsorientierte Empfehlungen. Damit
Rahmen, doch die darin gesetzten Ziele, dass         möchte regulate den Gestaltungsprozess der
Grundwasser bis 2027 in einem mengenmäßig            europäischen Wasserpolitik für die Zeit nach
und chemisch guten Zustand sein soll, werden         2027 aktiv be­gleiten und insbesondere über die
voraussichtlich nicht flächendeckend erreicht.       Einbindung eines Stakeholder-Gremiums neues                        17
Die Ursachen hierfür ergeben sich aus dem            Wissen in die Praxis bringen.
Zusammenspiel von regional unterschiedlicher
Verfügbarkeit von Grundwasser und nicht nach-        ➜ www.regulate-project.eu
haltigen Nutzungspraktiken sowie unklaren            Ansprechpartner*in Fanny Frick-Trzebitzky, frick@isoe.de;
Rechtsansprüchen.                                    Robert Lütkemeier, luetkemeier@isoe.de
                                                     Projektpartner Goethe-Universität Frankfurt am Main,
                                                     Fachbereiche Geowissenschaften /Geographie und Sprach-
Grundwasserschutz: Nitratbelastung                   und Kulturwissenschaften; Universität Koblenz-Landau, Fach-
führt zu Konflikten                                  bereich Natur- und Umweltwissenschaften; Universität Trier,
                                                     Fachbereich Raum- und Umweltwissenschaften
Die Nachwuchsgruppe regulate untersucht, auf
                                                     Laufzeit 09 / 2020 – 08 / 2025
welche Art und Weise Grundwasserkörper in
                                                     Förderung Bundesministerium für Bildung und Forschung
Europa beeinträchtigt werden – aus hydrologi-        (BMBF), Fördermaßnahme Nachwuchsgruppen in der Sozial-
scher, geografischer, ethnologischer und öko­        ökologischen Forschung
logischer Perspektive. Dabei erforscht das Projekt
Telekopplungen, also Fernwirkungen, die lokal
zu Problemen von Qualität und Verfügbarkeit
führen, ihren Ursprung allerdings aufgrund sozio-
ökonomischer und politischer Verflechtungen
in anderen Regionen haben. In diesen Fern­
wirkungen nimmt das Projekt insbesondere die
Problemlagen von Nitratbelastung und Dürren in
den Blick und analysiert darin Konflikte, Normen
und Werte im Umgang mit der unsichtbaren

                                                                                                                 ➜ ISOE.de
EPoNa – Wasserwiederverwendung                                 PlastX – Plastikabfälle in
                        in Namibia                                                     Meeren und Ozeanen
                        Abwasser wird in trockenen Regionen als                        Für den Schutz der Weltmeere ist es von zentraler
                        Ressource immer wichtiger, auch in den globalen                Bedeutung, den Eintrag von Plastikmüll in die
                        Nachhaltigkeitszielen spielt die Wiederver­                    Umwelt zu reduzieren. Aber wie sehen tragfähige
                        wendung von Wasser eine zentrale Rolle. Das                    Managementstrategien aus und wie können sie
                        Forschungsteam von EPoNa untersucht im                         erfolgreich umgesetzt werden? Die Nachwuchs-
                        Norden Namibias, wie kommunales Abwasser                       gruppe PlastX untersucht im Teilprojekt
                        mit möglichst geringem technischem Aufwand                     „Governance von Meeresmüll: eine multiskalare
                        so aufbereitet werden kann, dass es ganzjährig                 Betrachtung“, welche Faktoren eine langfristige
                        für die Futtermittel­produktion genutzt werden                 und nachhaltige Minimierung von Plastikein­
                        kann. Das recycelte Wasser stammt aus einer                    trägen in die Weltmeere fördern beziehungsweise
                        sanierten Abwasserteichanlage, deren Leistungs-                hemmen. Hierfür wird das Zusammenspiel von
                        fähigkeit im Zuge des Forschungsvorhabens                      globalen Regulierungen und lokalen Initiativen,
                        langfristig gesichert werden soll. Dazu werden                 etwa mithilfe von Experteninterviews und Fall-
18                      technische und nicht-technische Maßnahmen                      studien, analysiert. So hat das Team auf der
                        kombiniert. Für den nachhaltigen Betrieb der                   vietnamesischen Insel Phu Quoc – einer Region
                        Anlage und zur Übertragung des Konzepts in                     mit hoher Eintragsrate – untersucht, wie das
                        Nachbarstädte wurde zum Beispiel eine Kläran­                  Problem Meeresmüll vor Ort wahrgenommen
                        lagenpartnerschaft zwischen Kommunen ins                       wird, welche Rolle der Tourismus sowohl bei
                        Leben gerufen. Dadurch konnte der Austausch                    der Verschärfung des Problems als auch bei der
                        von Fachwissen und Erfahrungen sowie perso-                    Entwicklung von Lösungen spielt und wie
                        nellen und tech­nischen Ressourcen gefördert                   Minimierungsstrategien umgesetzt werden.
                        werden. Zudem hat das Projektteam gemeinsam                    Gemeinsam mit Akteuren vor Ort und mit einer
                        mit den lokalen Akteuren nachhaltige kommu-                    internationalen Naturschutzorganisation werden
                        nale Managementstrukturen entwickelt.                          Best Practices für ein nachhaltiges Abfall- und
                                                                                       Wassermanagement entwickelt.
                        ➜ www.isoe.de/epona
                        Ansprechpartner Martin Zimmermann, zimmermann@isoe.de          ➜ www.plastx.org
                        Projektpartner TU Darmstadt, Institut IWAR, Fachgebiet         Ansprechpartnerin Johanna Kramm, kramm@isoe.de
                        Abwasserwirtschaft (Leitung); Institut für Umwelttechnik und   Projektpartner Praxispartner aus den Bereichen Entwicklungs-
                        Management an der Universität Witten /Herdecke; Hochschule     zusammenarbeit und Naturschutz
                        Geisenheim, Institute für Bodenkunde und Pflanzenernährung
                        und Gemüsebau; Aqseptence Group GmbH; H. P. Gauff Ingeni-      Laufzeit 04 / 2016 – 12 / 2021
                        eure GmbH & Co. KG – JBG                                       Förderung Bundesministerium für Bildung und Forschung
                        Laufzeit 09 / 2016 – 08 / 2020                                 (BMBF), Fördermaßnahme Nachwuchsgruppen in der
                                                                                       Sozial-ökologischen Forschung
                        Förderung Bundesministerium für Bildung und Forschung
                        (BMBF), Fördermaßnahme WavE

Institutsbericht 2020   Wasserressourcen und Landnutzung
NamTip – Kipppunkte in namibischen                             ORYCS – Wildtier-Management­
Trockengebieten                                                strategien in Namibia
Ökosysteme sind nicht unendlich belastbar, das                 Die Art der Landnutzung spielt neben Klima­
gilt auch für Savannen. Wird der Druck zu groß,                veränderungen bei der Wüstenbildung von
etwa durch klimatische Extremereignisse wie                    Savannen eine wichtige Rolle. Insbesondere die
Dürren oder durch einen wachsenden Landnut-                    konventionelle Viehhaltung setzt die Ökosysteme
zungsdruck, kann in Trockengebieten der Prozess                in semiariden Regionen unter Druck. Bewirt-
der Wüstenbildung (Desertifikation) unumkehrbar                schaftungsstrategien mit Wildtieren gelten als
werden: Die Savannen-Ökosysteme „kippen“ –                     geeigneter, da endemische, also heimische Tier­
mit weitreichenden Folgen etwa für die Arten-                  arten meist besser an die lokalen Klimabedingun-
vielfalt. Im Forschungsprojekt NamTip werden                   gen angepasst sind. Doch diese Nutzungsform
am Beispiel der namibischen Waterberg-Region                   bringt zahlreiche Konflikte mit sich, weil Farmer,
ökologische und sozio-ökonomische Dynamiken                    Dorfgemeinschaften und Behörden mit sehr
untersucht, die zu Kipppunkten führen, und                     unterschiedlichen politischen Prioritäten, wirt-
geeignete Gegenmaßnahmen identifiziert. Ziel                   schaftlichen Interessen und Wertvorstellungen
ist es, mögliche Frühwarnzeichen zu erkennen.                  aufeinandertreffen. Im Forschungsprojekt ORYCS                      19
Das ISOE verantwortet das Teilvorhaben „Sozial-                sollen diese Konflikte verstanden und geeignete
ökologische Prozesse und Farmerwissen“. Dazu                   Lösungen entwickelt werden. Zudem untersucht
gehört die Analyse der Wahrnehmung von Deser-                  das Projekt, ob Wildtier-Managementstrategien
tifikationsprozessen durch die Akteure vor Ort                 die lokalen Savannen-Ökosysteme im Vergleich
sowie deren lokales Wissen und die damit zu-                   zur Viehwirtschaft schonen können und welche
sammenhängenden Landnutzungspraktiken. Um                      Optionen daraus für eine angepasste Land­nutzung
ein Voranschreiten der Desertifikation zu verhin-              entstehen, auch mit Blick auf die Herausforde-
dern, entwickelt das ISOE zudem Strategien für                 rungen des Klimawandels. Das ISOE konzentriert
ein nachhaltiges Weidemanagement.                              sich auf die vielschichtigen Handlungsmotive
                                                               und das lokale Wissen der Stakeholder.
➜ www.isoe.de/namtip2
Ansprechpartner Stefan Liehr, liehr@isoe.de                    ➜ www.orycs.org
Projektpartner Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität       Ansprechpartner Stefan Liehr, liehr@isoe.de
Bonn (Leitung); Eberhard Karls Universität Tübingen; Univer­   Projektpartner Universität Potsdam (Leitung); FU Berlin; Namibia
sität zu Köln; Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ;    University of Science and Technology (NUST); University of Nami-
University of Namibia (UNAM); Namibia University of Science    bia (UNAM); Namibian Ministry of Environment and Tourism (MET)
and Technology (NUST); EduVentures (EduV); Agri-Ecological
Services (AGRA)                                                Laufzeit 02 / 2019 – 01 / 2022

Laufzeit 04 / 2019 – 02 / 2022                                 Förderung Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF),
                                                               Fördermaßnahme SPACES-II
Förderung Bundesministerium für Bildung und Forschung
(BMBF), Fördermaßnahme BioTip

                                                                                                                            ➜ ISOE.de
LIMO – Landnutzung und                                        Weschnitz Dialog: Kommunikation
                        integrierte Modellierung                                      und Beteiligung beim Management
                                                                                      von Renaturierungsmaßnahmen
                        Der Druck auf die Ökosysteme wächst – nicht
                        nur durch den fortschreitenden Klimawandel, son-              Etwa 90 Prozent der deutschen Oberflächen­
                        dern auch durch intensive Landwirtschaft.                     gewässer sind nicht in dem guten ökologischen
                        Eine chronische Übernutzung der Boden- und                    Zustand, wie ihn die EU-Wasserrahmenrichtlinie
                        Wasserressourcen ist die Folge. Aber auch neue                vorschreibt. Schadstoffeinträge sind zu hoch und
                        Infrastrukturprojekte hinterlassen zunehmend                  der Zustand von Biodiversität und Gewässer-
                        ihre Spuren in Natur und Landschaft. Die Anfor-               struktur entspricht nicht den Zielvorgaben. Dies
                        derungen an Ökosystemleistungen sind heute                    gilt auch für die ca. 60 Kilometer lange Wesch-
                        vielfältig und führen häufig zu Konflikten                    nitz, ein Nebenfluss des Rheins im Süden Hessens
                        zwischen verschiedenen Nutzungsgruppen. Im                    und Norden Baden-Württembergs. Mit der Deich-
                        Forschungsprojekt LIMO analysiert das Team                    sanierung auf einem ca. 4,5 Kilometer langen
                        aus Natur- und Sozialwissenschaftler*innen die                Abschnitt bietet sich ein einmaliges Gelegen-
                        komplexen Wirkungszusammenhänge gesell-                       heitsfenster für eine umfassende Renaturierung
20                      schaftlicher und ökologischer Prozesse. Im                    des Flusses. Im Forschungsprojekt „Weschnitz
                        Mittelpunkt stehen kritische Kipppunkte der                   Dialog“ werden im Zuge der Deichsanierung auf
                        Ökosysteme und die möglichen Folgen für die                   der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse Kommu-
                        Biodiversität. Insbesondere die Zusammenführung               nikations- und Beteiligungsformate entwickelt.
                        unterschiedlicher Modellierungsansätze, wie                   Das laufende, erweiterte Beteiligungsverfahren im
                        agentenbasierte Modellierung und Bayes’sche                   Rahmen der Hochwasserschutzmaßnahme wird
                        Netze, aber auch ein genauer Blick auf Stake­                 hierdurch ergänzt. Für den wissenschaftlichen
                        holder und ihr lokales Praxiswissen ermöglichen               Begleitprozess werden Dialogformate mit einer
                        neue Zugänge zum Verständnis sozial-ökologi-                  vorgeschalteten Konfliktanalyse sowie einer
                        scher Systeme. Für tiefere Einblicke in die                   interaktiven Informations- und Beteiligungsplatt-
                        Systemdynamiken dienen weitergehende Kopp-                    form (verfügbar unter www.weschnitz-dialog.de)
                        lungen von akteursbezogenen mit ökologischen                  kombiniert.
                        Modellen.
                                                                                      ➜ www.isoe.de/weschnitz-dialog
                        ➜ www.isoe.de/limo                                            Ansprechpartnerin Katja Brinkmann, brinkmann@isoe.de
                        Ansprechpartner Stefan Liehr, liehr@isoe.de                   Praxispartner Gewässerverband Bergstraße; Geo-Naturpark
                        Projektpartner Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung,   Bergstraße-Odenwald
                        Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum         Laufzeit 04 / 2019 – 04 / 2021
                        (SBiK-F); Goethe-Universität Frankfurt am Main,               Förderung Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU)
                        Fachbereich Geowissenschaften / Geographie
                        Laufzeit 01 / 2015 –12 / 2021
                        Finanzierung aus Kooperationsmitteln der Senckenberg
                        Gesellschaft für Naturforschung und aus Eigenmitteln

Institutsbericht 2020   Wasserressourcen und Landnutzung
Tagesprognosemodell zum                               Wasserbedarfsprognose 2050 für
Trinkwasserbedarf in Hamburg                          das Versorgungsgebiet Harburg
Damit die Versorgung mit Trinkwasser sicher­          Damit Wasserversorger auch in der Zukunft die
gestellt werden kann, müssen langfristige Ent-        benötigten Wassermengen zur Verfügung stellen
wicklungen ebenso wie tägliche Schwankungen           können, müssen sie in der Lage sein, den Bedarf
des Wasserbedarfs präzise vorhergesagt werden.        möglichst genau abzuschätzen: Welche demo­
Kurzfristig machen sich vor allem Witterungs­         grafischen und wirtschaftlichen Entwicklungen
verhältnisse wie zunehmende Hitzeperioden             sind für ein Versorgungsgebiet zu erwarten?
sowie das Arbeits- und Freizeitverhalten der          Welchen Einfluss haben Klima und Witterung auf
Nutzer*innen im Tagesspitzenbedarf bemerkbar.         die künftig notwendigen Wassermengen? Werden
Gerade Letzteres wird aktuell insbesondere durch      die erkennbaren Änderungen des Wassernut-
die Covid-19-Pandemie deutlich. Für Wasser­           zungsverhaltens durch die Covid-19-Pandemie
versorger ist es wichtig, die kurzfristige Bedarfs-   fortbestehen? Das ISOE erstellt für den Wasser­
entwicklung mithilfe systematisierter Erfahrungs-     beschaffungsverband (WBV) Harburg eine
werte aus der Vergangenheit möglichst genau           Wasserbedarfsprognose mit einem Zeithorizont
vorhersagen zu können. Dadurch können die             von 30 Jahren bis 2050. Die Prognose dient dazu,              21
Wasserförderung präziser gesteuert und Reserven       für zukünftig durchzuführende Wasserrechts­
für Spitzenbelastungen vorgehalten werden.            verfahren die Entwicklung des jährlichen Wasser-
Hierzu hat das ISOE im Auftrag von HAMBURG            bedarfs nachzuweisen und unterstützt den WBV
WASSER ein nichtlineares Prognosemodell zur           bei seinen mittelfristigen betrieblichen Planun-
Simulation des täglichen Trinkwasserbedarfs           gen. Dafür entwickelt das Projektteam eigene
erstellt. Die Ergebnisse dieses Modells sind dabei    Algorithmen und nutzt statistische Verfahren und
ebenfalls für das vom ISOE entwickelte Langfrist-     „Künstliche Neuronale Netze“, um den Wasser­
modell relevant, um die Auswirkungen des Klima­       bedarf auf Basis demografischer, siedlungsstruk-
wandels auf den Spitzenbedarf abzuschätzen.           tureller, sozioökonomischer und klimatischer
                                                      Einflussfaktoren zu simulieren.
➜ www.isoe.de/tragesprognosemodell-hamburg
Ansprechpartner Stefan Liehr, liehr@isoe.de           ➜ www.isoe.de/wasserbedarfsprognose-wbv-harburg
Laufzeit 10 / 2018 – 12 / 2020                        Ansprechpartner Stefan Liehr, liehr@isoe.de
Auftraggeber Hamburger Wasserwerke GmbH               Laufzeit 04 / 2020 – 12 / 2020
                                                      Auftraggeber Wasserbeschaffungsverband (WBV) Harburg

                                                                                                             ➜ ISOE.de
Veröffentlichungen                                                  ORYCS Master tandem on Elephant movements
                                                                                            Ronja Kraus und Ivonne Makando (2020). Research Programme
                        Der Müll in unseren Meeren. Ursachen, Folgen, Lösungen              Newsletter 3 (Juli 2020), 4
                        Heide Kerber und Johanna Kramm (2020). Geographische
                                                                                            Approaching the interaction between society and wildlife
                        Rundschau 7/8, 16–20
                                                                                            Ronja Kraus, Robert Lütkemeier, Meed Mbidzo, Morgan
                        Mikroplastik – Risiken im Spiegel der Medien und der                Hauptfleisch und Stefan Liehr (2020). Research Programme
                        Wissenschaft Johanna Kramm und Carolin Völker (2019).               Newsletter 2 (April 2020), 23
                        Der Bürger im Staat 69 (4), 209–215
                                                                                            First assessment of perspectives on wildlife management
                        Möglichkeiten der Wirkungsmodellierung blau-grün-grauer             Robert Lütkemeier, Ronja Kraus, Meed Mbidzo und Stefan Liehr
                        Infrastrukturen Fanny Frick-Trzebitzky und Stefan Liehr (2020).     (2019). Research Programme Newsletter 1 (Dezember 2019), 8
                        In: Jan Hendrik Trapp und Martina Winker (Hg.): Blau-grün-graue
                        Infrastrukturen vernetzt planen und umsetzen. Ein Beitrag zur
                        Klimaanpassung in Kommunen. Berlin: Difu, 50–56                     Vorträge
                        Modellierung der Entfaltung von Klimawirkungen im Quartier
                                                                                            Klimafolgen – Eine Aufgabe für Natur- & Sozialwissen­
                        Fanny Frick-Trzebitzky und Stefan Liehr (2020). In: Jan Hendrik
                                                                                            schaften … und einen Pastor Marburger Science Slam, KFZ
                        Trapp und Martina Winker (Hg.): Blau-grün-graue Infrastrukturen
                                                                                            Marburg, 17. November 2020, Marburg/Livestream (Lukas Drees)
                        vernetzt planen und umsetzen. Ein Beitrag zur Klimaanpassung
                        in Kommunen. Berlin: Difu, 71–78                                    Landscape permeability for elephant movement –
                                                                                            Assessing the cumulative impact of game-proof fences and
                        Möglichkeiten und Grenzen der sozial-ökologischen Model-
                                                                                            land management by applying least-cost corridor analyses
22                      lierung von Wirkungen blau-grün-grauer Infrastrukturen
                                                                                            Poster, SPACES II Virtual Midterm Meeting, Bundesministerium
                        Fanny Frick-Trzebitzky und Stefan Liehr (2020). In: Jan Hendrik
                                                                                            für Bildung und Forschung (BMBF), 21. Oktober 2020, online
                        Trapp und Martina Winker (Hg.): Blau-grün-graue Infrastrukturen
                                                                                            (Ronja Kraus, Robert Lütkemeier, Stefan Liehr)
                        vernetzt planen und umsetzen. Ein Beitrag zur Klimaanpassung
                        in Kommunen. Berlin: Difu, 79–81                                    Adaptive Governance – Telekopplungen als Herausforderung
                                                                                            in der Regulation von Grundwasser Auftakttreffen des Netz-
                        Regulation der Ressource Grundwasser raumplanerisch und
                                                                                            werks „TheoAdapt“ –Theorizing Climate Adaption, Lehrstuhl für
                        infrastrukturell gestalten. Transformationspotenziale am
                                                                                            Wirtschaftsgeographie, Universität Jena, 12.–13. Oktober 2020,
                        Beispiel der Metropolregion Rhein-Main Thomas Kluge
                                                                                            Jena/online (Fanny Frick-Trzebitzky)
                        (2020). Der WasserMEISTER (2), 10–11
                                                                                            Gleiches Recht für Alle? Wie die Weltbevölkerung mit
                        Die Regulation der Ressource Grundwasser raumplanerisch
                                                                                            sauberem Trinkwasser versorgt werden kann Workshop,
                        und infrastrukturell gestalten. Transformationspotenziale
                                                                                            Seminar „Wege zu sauberem Wasser“, STUBE Hessen,
                        am Beispiel der Metropolregion Rhein-Main Thomas Kluge
                                                                                            9.–11. Oktober 2020, Fulda (Thomas Kluge)
                        (2020). gwf-Wasser/Abwasser 161 (4), 64–73
                                                                                            Enacting the phenomenon microplastics as (not) a risk:
                        Fundierte Vorausschau statt bloßer Schätzung. Bedarfs­
                                                                                            Engaging with Barad’s Agential Realism Seminar Bremen
                        prognosen Stefan Liehr und Robert Lütkemeier (2019).
                                                                                            NatureCultures-Lab, Universität Bremen. 5. Oktober 2020,
                        der gemeinderat 63 (12/19–1/20), 56–57
                                                                                            online (Johanna Kramm)
                        Entwicklung und Anwendung wasserwirtschaftlicher Proxies
                                                                                            Nachhaltiges Wassermanagement vor dem Hintergrund
                        und Szenarien in Vergangenheit und Zukunft. Schlussbericht
                                                                                            von Konflikten Impuls-Statement zum Dürredialog der
                        Stefan Liehr, Robert Lütkemeier, Denise Marx und Oliver Schulz
                                                                                            Arbeitsgemeinschaft Umwelt der Bundestagsfraktion Bünd-
                        (2019). Frankfurt am Main
                                                                                            nis 90 / Die Grünen, 5. Oktober 2020 (Fanny Frick-Trzebitzky,
                        Spatial and Temporal Dynamics of Urban Wetlands in an               Robert Lütkemeier)
                        Indian Megacity over the Past 50 Years Katja Brinkmann, Ellen
                                                                                            Weschnitz Dialog – Kommunikation und Beteiligung beim
                        Hoffmann und Andreas Bürkert (2020). remote sensing 12 (4), 662
                                                                                            Management von Renaturierungsmaßnahmen entlang der
                        Challenges and solutions for a Smart Water Future in Indian         Weschnitz Auftakt-Workshop „Nachhaltigkeitsdilemmata am
                        cities – the case of Coimbatore Marius Mohr, Marc Beckett,          Beispiel des Water-Energy-Food-Nexus – Expertendialog,
                        Stefan Liehr, Alyssa Weskamp, Philip Okito und Sina Okito (2019).   Knowledge- und Toolsharing“, DBU, 29. September 2020, online
                        Watersolutions (4), 32–35                                           (Katja Brinkmann, Stefan Liehr)

Institutsbericht 2020   Wasserressourcen und Landnutzung
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