Internationales Währungssystem: Ist der US-Dollar als Leitwährung überholt?
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Internationales Währungssystem: Ist der US-Dollar als Leitwährung überholt? 3 In letzter Zeit wurden einige kritische Äußerungen zur Rolle des US-Dollar als Leitwährung laut. Sollte die amerikanische Zahlungseinheit als Weltleit- und Reservewährung ersetzt werden? Das Siechtum des ten. Dies wiederum führt in Antizipation US-Dollar als Leitwährung der drohenden Gefahr zu der Frage, ob Währungsreserven nicht in anderer Form Leitwährungen wechseln gehalten werden könnten. Beispielweise eben in einer internationalen Währungs- Der US-Dollar ist zweifellos die Leitwäh- einheit, wie den Sonderziehungsrechten rung der Weltwirtschaft. Diese Rolle hat (SZR) des Internationalen Währungsfonds. er seit dem Zweiten Weltkrieg inne, also Es wird also deutlich, dass eine Währung rund 65 Jahre. Das bedeutet aber auch, die Weltwirtschaft nur dann »leiten« kann, dass der US-Dollar nicht die erste Leit- wenn sie selbst eine stabile Währung ist währung war, denn vor ihm hatte das Bri- (vgl. Frenkel und Menkhoff 2000). tische Pfund diese Rolle inne und davor wiederum andere Währungen. Leitwäh- rungen kommen und gehen also, das Auch eine politische Debatte Lukas Menkhoff* scheint sicher. Nur geschieht dies über Aber die aktuelle Debatte hat auch einen lange Perioden und ist deshalb den jewei- politischen Akzent. Natürlich geht es da- ligen Beobachtern nicht immer so deut- bei nicht nur um die Frage der am bes- lich, wie es im Nachhinein aussieht. ten »geeigneten« Währung, sondern auch um Macht und Rang (vgl. o.V. 2009b). Typischerweise stammt die Leitwährung Kritik am US-Dollar aus der führenden Volkswirtschaft der je- weiligen Zeit, und dies war zuletzt sicher- Zurzeit ist die Debatte über die Rolle des lich die USA. Doch die relative Bedeutung US-Dollar als Leitwährung wieder aufge- der USA in der Weltwirtschaft sinkt. Im flammt, nachdem sie in den neunziger Grunde hatte die USA ihren Höhepunkt Jahren schon einmal heftig geführt wor- am Ende des Zweiten Weltkriegs erreicht den war. Auslöser der aktuellen Diskus- und verliert seitdem an relativer wirtschaft- sion sind Meinungsäußerungen von au- licher Bedeutung. Dies geschieht nicht torisierter chinesischer und danach russi- Jahr für Jahr, aber doch im Trend. In den scher Seite zum Thema (vgl. o.V. 2009a). ersten Nachkriegsjahren waren es vor al- Es wurde dafür plädiert,die Abhängigkeit lem die Europäer (inkl. der Osteuropäer) der Weltwirtschaft vom US-Dollar zu re- und Japaner, die aufgeholt haben, dann duzieren, indem bspw. eine internationa- kamen viele Schwellenländer dazu, vor al- le Währungseinheit die Aufgaben der Leit- lem die asiatischen Newly Industrializing währung übernimmt. Somit würde sozu- Countries (NICs, wie Korea). Richtig sagen politisch über die Ablösung des Schwung hat diese Entwicklung aber erst US-Dollar entschieden. bekommen, seitdem weitere bevölke- rungsreiche Volkswirtschaften offensicht- In dieser aktuellen Diskussion spiegeln lich schneller wachsen als die »alten« in- sich die grundlegenden Argumente für ei- dustrialisierten Länder. Der Fokus richtet ne Leitwährung wider, die einerseits ei- sich in erster Linie auf China, aber im ner ökonomischen, aber andererseits im- Grunde trifft dies auch auf Indien, Südost- mer auch einer politischen Logik folgen. asien und mit Einschränkungen auf La- Aus ökonomischer Sicht beunruhigt die teinamerika, arabische Staaten und man- Kritiker des US-Dollar in letzter Zeit die che Länder Afrikas zu. Die Gewichte in Gefahr einer Inflationierung dieser Wäh- der Weltwirtschaft verschieben sich nach- rung. Dies würde die gewaltigen Wäh- rungsreserven, die weltweit zu rund zwei * Prof. Dr. Lukas Menkhoff leitet das Institut für Geld Drittel in US-Dollar gehalten werden, ggf. und Internationale Finanzwirtschaft an der Univer- um hunderte Milliarden US-Dollar entwer- sität Hannover. 62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 16/2009
4 Zur Diskussion gestellt haltig und spürbar. Damit verschieben sich auch die politi- Rivalität zum Euro schen Gewichte, was der jüngste Wechsel von G-8 zu G-20 demonstriert. Chinn und Frankel (2008) haben sich in mehreren Aufsät- zen mit der Rivalität dieser beiden Währungen befasst. Wa- Ein Blick zurück auf den letzten Wechsel der Leitwährung ren sie noch bis vor wenigen Jahren der Auffassung, dass verdeutlicht die Mechanismen (vgl. Eichengreen 1996). Groß- der Euro in absehbarer Zeit kein ernsthafter Konkurrent wer- britannien war seit dem späten 18. Jahrhundert die führen- den würde, haben sie ihre Einschätzung jüngst geändert und de Volkswirtschaft, weil sie produktiv war, ihren Kapitalstock halten nun einen Wechsel in der Leitwährung bereits im kontinuierlich aufbauen konnte und über Wachstumsräu- nächsten Jahrzehnt für möglich. Dies hängt von verschie- me verfügte. Die USA überholten Großbritannien als größ- denen Bedingungen ab: Der Euro gewinnt an Gewicht, wenn te Volkswirtschaft Ende des 19. Jahrhunderts, politisch do- er in zusätzlichen Staaten als Währung eingeführt wird, was minierten sie durch den Verlauf des Ersten Weltkriegs und aus heutiger Sicht – aufgrund der bisher erfolgten Beitritte finanzwirtschaftlich gewannen sie schließlich Mitte des – plausibel erscheint. Dieser Modellrechnung zufolge hilft 20. Jahrhunderts die Oberhand. Damit sind wesentliche Fak- dem Euro ferner, wenn er weiterhin tendenziell gegenüber toren skizziert, die eine Währung benötigt, um eine interna- dem US-Dollar leicht aufwertet. Schließlich ist bedeutsam, tionale Leitwährung zu sein. Diese Faktoren werde ich im inwieweit der Finanzraum innerhalb der Europäischen Uni- Folgenden jeweils kurz ansprechen, um meine These zu be- on geöffnet bleibt und dadurch der Euro vom Finanzplatz gründen, dass sich der US-Dollar längst in der Phase des London profitiert. Siechtums als internationale Leitwährung befindet. Neben dem Euro gibt es aber auch andere Alternativen zum US-Dollar als Leitwährung. Ausgeschieden aus die- Faktoren für eine Leitwährung ser Diskussion ist wohl der japanische Yen, der in den Dis- kussionen der neunziger Jahre eine erhebliche Rolle spiel- Das volkswirtschaftliche Gewicht eines Staats, der die je- te. Ursächlich dafür ist die vergleichsweise bescheidene weilige Währung emittiert, beinhaltet neben der schieren Größe, Dynamik und Offenheit der japanischen Volkswirt- Größe sicher weitere qualitative Elemente. Dabei spielt schaft. Aus denselben Gründen hat auch die frühere die Produktivität eine Rolle, also die Leistungsfähigkeit D-Mark den US-Dollar nie wirklich herausfordern können. der Firmen und damit die Frage, ob sie die Rolle eines Leit- Es bleiben demnach die angesprochenen Alternativen zum lands entsprechend umsetzen können. Besonders wich- US-Dollar: eine internationale Währung, bspw. die SZR, tig ist zudem die Internationalität der Volkswirtschaft, also der Euro und derzeit noch als Außenseiter der chinesi- ihre Verflechtung, wie sie z.B. in Im- und Exporten zum sche Yuan. Eine Prognose über diese Alternativen ist auf- Ausdruck kommt. In dieser Hinsicht sind die USA eher in grund der Langfristigkeit mit der der Wechsel einer Leit- absoluter als in relativer Hinsicht mit führend, da ja bspw. währung geschieht, kaum seriös möglich. Es mag von da- das kleinere Deutschland ähnlich hohe absolute Export- her erstaunen, dass dies weniger für die Prognose über werte erreicht. die Zukunft des US-Dollar gilt. Hier kann man vergleichs- weise gut einschätzen, dass sich der US-Dollar als Leit- Ein entscheidender Grund, warum die USA nicht früher Groß- währung im Siechtum befindet. britannien als Leitwährungsland abgelöst hatten, war die schwache Verfassung des Finanzsektors. Die Leitwährung spielt nicht nur im Außenhandel eine Rolle, bspw. bei der Langfristiger Trend Fakturierung, sondern ebenfalls im internationalen Kapital- verkehr. Letzteres setzt aber einen entwickelten und stabi- Die Gründe für dieses Siechtum liegen weniger in Fehlern len Finanzsektor voraus. der USA begründet als in einer kaum zu ändernden rela- tiven Dynamik offener Volkswirtschaften. Sofern die Welt- Im Unterschied zu diesen fundamentalen Faktoren wird die wirtschaft weiter so offen verfasst bleibt wie in den letzten Debatte häufig auch anhand von Indikatoren geführt, die an- Jahrzehnten, kann man von einer Einkommensangleichung zeigen, ob oder in welchem Ausmaß eine Währung bereits vieler Volkswirtschaften in Richtung der reichen Länder aus- internationale Leitwährung ist. Zu diesen Indikatoren zählt gehen. Dieser Konvergenzprozess ist kein Naturgesetz, an erster Stelle die Nutzung einer Währung als Devisenre- aber es spricht doch vieles dafür, dass zahlreiche bevöl- serve, die Nutzung als Fakturierungswährung, als Vehikel- kerungsreiche Staaten den Einkommensabstand zu den währung im Devisenhandel, als Denomination internationa- heute reichen Ländern verkleinern können. In diesem An- ler Wertpapieremissionen usw. Eine Übersicht dazu bieten gleichungsprozess muss die relative Bedeutung einer nur bspw. Caves et al. (2007), die zeigt, dass der US-Dollar in noch wenig wachsenden Volkswirtschaft mit 300 Mill. Ein- jeder Hinsicht vorn oder jedenfalls mit vorne liegt. Die einzi- wohnern, selbst wenn sie mit das höchste Pro-Kopf-Ein- ge ernsthafte Konkurrenz ist aktuell der Euro. kommen hat, schrumpfen. Die USA verfügen über rund 5% ifo Schnelldienst 16/2009 – 62. Jahrgang
Zur Diskussion gestellt 5 Abb. 1 te Weltwirtschaft in Mitleidenschaft gezo- Anteil des US-amerikanischen BIP am Welt-BIP von 1950–2006 gen hat. Natürlich wird dadurch das »US- in % Modell« einer vergleichsweise gering regu- 30 lierten und gesteuerten Wirtschaft kritischer als zuvor gesehen. Sowohl europäische als 25 auch asiatische Länder grenzen sich nun deutlicher gegenüber diesem Wirtschafts- 20 modell ab. In gewisser Weise stehen die USA wieder ein wenig wie in der ersten Hälf- te des letzten Jahrhunderts da, als sie als 15 »unreif« für eine führende Rolle in der Welt- wirtschaft galt. Diese Sicht scheint gerade 10 in asiatischen Ländern an Gewicht zuzu- 1950 1952 1954 1956 1958 1960 1962 1964 1966 1968 1970 1972 1974 1976 1978 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 nehmen. Folglich wird dort bewusster als bspw. in Europa über eine Schwächung des Die Berechnung basiert auf Geary-Khamis (International) Dollars. US-Dollar als Leitwährung nachgedacht. Quelle: Angus Maddison, Universität Groningen. Dabei bleibt es nicht nur beim Nachdenken, sondern es werden Maßnahmen zur regio- der Weltbevölkerung, aber – in Kaufkraftparität – über fast nalen Kooperation ergriffen, sowohl inner- 20% des Einkommens; beide Werte werden voraussicht- halb der südostasiatischen Staaten als auch in Verbindung lich sinken. Beide Werte jedoch waren Ende des Zweiten mit ostasiatischen Ländern. Weltkriegs noch sehr viel höher, so dass die USA schon heute nicht mehr die relative Bedeutung wie ehedem ha- ben (vgl. Abb. 1). Aktive Maßnahmen Chinas Dazu kommen qualitative Änderungen. Die USA haben nicht Gerade China bemüht sich offensichtlich, die relative Rol- mehr den mit Abstand größten Binnenmarkt, was lange ein le seiner eigenen Währung zu stärken und dadurch die Rol- Wettbewerbsvorteil war; auch die Produktivität ist nicht mehr le des US-Dollar zu schwächen. Ansatzpunkt ist es, den bei weitem führend. Hinzu kommen makroökonomische Pro- Außenhandel stärker über den chinesischen Yuan, statt über bleme, wie sie das so genannte doppelte Defizit zum Aus- den US-Dollar abzuwickeln. Das ökonomische Kalkül ba- druck bringt. Das Haushaltsdefizit schränkt den Handlungs- siert auf der zunehmenden Bedeutung Chinas als Handels- spielraum ein, und das Leistungsbilanzdefizit hat doch mit partner, so dass der bilaterale Handel bequemer in Yuan als häufig mehr als 5% zum Bruttoinlandsprodukt ein beträcht- in US-Dollar abgewickelt werden kann. Hinzu kommt die liches Ausmaß angenommen, das die Politik der USA mit- hohe Stabilität des Yuan im Vergleich mit dem volatileren telfristig beeinflussen muss. Zwei weitere »weiche« Fakto- US-Dollar. China scheint ein Mehrstufenprogramm vor Au- ren kommen hinzu. gen zu haben, indem der Yuan zunehmend als internatio- nale Währung eingesetzt werden soll (o.V. 2009c). Dieses Zum einen hat die Glaubwürdigkeit der US-amerikanischen Programm startet in den chinesischen Grenzprovinzen so- Politik in weiten Teilen der Welt eher abgenommen und da- wie in Hongkong. Darüber hinaus bietet China vorteilhafte mit die Bereitschaft eine Führungsrolle ihrer Währung hin- Konditionen in der Kooperation mit einzelnen Ländern der zunehmen. Die USA sind mit ihrer Wirtschafts- und Gesell- Region, wie Indonesien, Kambodscha oder Malaysia. Dies schaftsordnung keineswegs mehr das automatische Vorbild soll mit allen südostasiatischen Ländern ausgebaut wer- anderer Länder, sondern werden kritischer als zuvor gese- den. Schließlich bietet China bilaterale Swap-Abkommen hen. Selbst in Deutschland, das den USA besonders viel zur Handelsabwicklung auch lateinamerikanischen und an- zu verdanken hat, lässt sich dieser Prozess beobachten und deren Ländern an. Sollten diese Maßnahmen greifen, dann schwächt sich erst in jüngster Zeit wieder etwas ab. Dies wird der Yuan – erst recht wenn China weiter stärker wächst wird auch von US-Beobachtern eingeräumt (vgl. Chinn and als die übrige Welt – auch auf der internationalen Bühne Frankel 2008). eine wichtige Rolle spielen und damit indirekt den US-Dol- lar schwächen. Schädliche Finanzkrise Ausblick Zum anderen haben fragwürdige Entwicklungen an den US-Finanzmärkten eine seit Jahrzehnten nicht mehr erleb- Aus meiner Sicht scheint absehbar, dass der US-Dollar aus te Finanz- und Wirtschaftskrise ausgelöst, die die gesam- den dargelegten Gründen als Leitwährung abgelöst werden 62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 16/2009
6 Zur Diskussion gestellt wird. Allerdings profitiert er derzeit von positiven Netzwerk- effekten, die jede Leitwährung stabilisieren. Aber das wird das Ende nur verzögern und nicht verhindern, deshalb der Begriff des »Siechtums«. Weniger klar ist, wie es weiterge- hen wird: Welche Währung oder welche Konstruktion von Währungen beerbt den US-Dollar und wann vollzieht sich der Wechsel? Hier sind mehrere Szenarien denkbar. In kei- nem Szenario jedenfalls scheint plausibel, dass der US-Dol- lar seinen 100. Geburtstag als Leitwährung erleben wird, und selbst der 75. ist fraglich geworden. Literatur Stephan Schulmeister* Caves, R.E, J.A. Frankel und R.W. Jones (2007), World Trade and Pay- ments, An Introduction, 10. Auflage, Addison-Wesley, Reading et al. Chinn, M. und J.A. Frankel (2008), »Why the Dollar Will Rival the Euro«, In- ternational Finance 11(1), 49–73. Eichengreen, B. (1996), Globalizing Capital, A History of the International Mo- netary System, Princeton University Press, Princeton. Globalisierung ohne supranationale Frenkel, M. und L. Menkhoff (2000), Stabile Weltfinanzen? Die Debatte um Währung: Ein fataler Widerspruch eine neue internationale Finanzarchitektur, Springer, Berlin et al. o.V. (2009a), »China fordert neue Weltwährung«, Capital, 24. März. o.V. (2009b), »Weitere Kritik am Dollar als Leitwährung«, Frankfurter Allgemei- Die Globalisierung von Märkten und Unternehmen seit dem ne Zeitung, 11. Juli. o.V. (2009c), »Yuan soll den Dollar ablösen«, Frankfurter Allgemeine Zei- Zweiten Weltkrieg wurde nicht von einer schrittweisen tung, 1. Juli. Schaffung eines supranationalen Währungssystems be- gleitet. Im Gegenteil: Der US-Dollar spielte permanent die Doppelrolle als nationale Währung der USA und als (Er- satz-)Weltwährung. Unter den Bretton-Woods-Regeln war der Dollarkurs (wenigstens) stabil, seit Anfang der siebzi- ger Jahre ist die »key currency« zur instabilsten aller Re- servewährungen geworden. Alle bedeutenden »Turbulen- zen« in der Weltwirtschaft sind direkt mit der Doppelrolle des Dollar als Weltwährung und als nationale Währung ver- knüpft (zu den nachfolgenden Ausführungen vgl. im Detail Schulmeister 2000). Hauptfunktionen des Dollar als Weltwährung und als US-Währung Drei Funktionen sind charakteristisch für den US-Dollar als globale »key currency«: • Alle Rohstoffe (»standard commodities«) notieren in Dol- lar. Sein Wechselkurs ist daher (auch) ein supranationa- ler »flow price«. • Der größte Teil internationaler Forderungen/Verbindlich- keiten werden in Dollar gehalten (dies gilt insbesondere für Schulden der »emerging market economies«). Sein Zinssatz und Wechselkurs sind daher (auch) suprana- tionale »asset prices«. • Der Dollar fungiert als »vehicle currency« im supranatio- nalen »foreign exchange market«. * Dr. Stephan Schulmeister ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Österrei- chischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO), Wien. ifo Schnelldienst 16/2009 – 62. Jahrgang
Zur Diskussion gestellt 7 Als nationale Währung sind Zinssatz und Abb. 2 Wechselkurs des Dollar wichtige Faktoren Dollarkurs und Welthandelspreise der US-Wirtschaftsentwicklung, sie werden effektiver Dollarkurs a) Welthandelspreise daher in hohem Maß von den Interessen der 1986 = 100 in $ 130 140 USA und damit von ihrer Wirtschaftspolitik beeinflusst. 120 120 110 100 Die Konflikte zwischen den »nationalökono- mischen« Interessen der USA am Einsatz von 100 80 Zinssatz und (indirekt) Wechselkurs des Dol- 90 60 lar als Instrumente einer »inward looking« Wirtschaftspolitik und den »globalökonomi- 80 40 schen« Interessen des Gesamtsystems an 70 20 einer stabilen Weltwährung prägten die Wirt- schaftsentwicklung seit Anfang der siebziger 60 0 Jahre. Dies gilt insbesondere für Ölpreis- 1966 1969 1972 1975 1978 1981 1984 1987 1990 1993 1996 1999 2002 2005 2008 a) Gegenüber DM, Franzosischem Franc (ab 1999 Euro), Pfund, Yen. schocks und Inflationsdynamik, für die Schul- Quelle: IWF, Oxford Economics (OEF). denkrisen der Entwicklungsländer und für das Anschwellen der Auslandsverschuldung der USA. Als Folge einer auf die USA beschränkten Rezession 1970 sowie einer steten Verschlechterung der US-Leistungs- bilanz sagten sich die USA 1971 von den Bretton-Woods- Dollarkurs, Ölpreisschocks und Inflationsdynamik Verpflichtungen los. Darauf sank der Dollarkurs bis 1973 um 25%. Im Oktober 1973 nützte die OPEC den Yom- Schwankungen des Dollarkurses verändern ceteris paribus Kippur-Krieg, um eine Verdreifachung des Ölpreises durch- nicht nur die Terms of Trade zwischen den USA und den üb- zusetzen (vgl. Abb. 1). Diese Sequenz in einem globalen rigen Ländern (Folge der Rolle des Dollar als nationaler Wäh- Verteilungskampf wiederholte sich zwischen 1977 und rung der USA), sondern zwischen jedem Länderpaar, und 1979. Zunächst verlor der Dollar wieder 25% an Wert, zwar in Abhängigkeit vom Anteil der Rohstoffe an den Ge- 1979 folgte der zweite Ölpreisschock (wieder nützte die samtexporten bzw. -importen (Folge der Rolle des Dollar als OPEC die Verunsicherung durch politische Turbulenzen, Weltwährung). Sinkt etwa der Wechselkurs des Dollar ge- diesmal in Form des Golfkriegs zwischen dem Iran und genüber der D-Mark bzw. dem Euro, so verschlechtern sich dem Irak). die Terms of Trade nicht nur für die USA, sondern etwa auch für Saudi-Arabien: Die Dollarpreise von Importen aus Beide Ölpreisschocks zogen einen Anstieg der Inflation Deutschland steigen, während der Dollarpreis von Erdöl (vgl. Abb. 2) und der Arbeitslosigkeit nach sich (via zwei konstant bleibt. Rezessionen). Diese Konstellation deutete man als Wi- derlegung des Keynesianismus, der Kon- nex zu den Dollarentwertungen und damit Abb. 1 zur Aufgabe des Systems fester Wechsel- Dollarkurs und Ölpreisschwankungen kurse wurde nicht wahrgenommen. a) effektiver Dollarkurs Rohölpreise 1986 = 100 in $ Um die hohe Inflation im eigenen Land zu 130 70 bekämpfen, steigerte die US-Notenbank ab 1980 den Leitzins dramatisch, dies trug 120 60 wesentlich zur exorbitanten Dollaraufwer- 110 50 tung zwischen 1980 und 1985 und zu ei- nem gleichzeitigen Rückgang des Ölprei- 100 40 ses bei. Auf die nachfolgende Dollarabwer- 90 30 tung reagierte Saudi-Arabien mit dem Ver- such, einen dritten Ölpreisschock vorzube- 80 20 reiten, scheiterte aber, da die Marktmacht 70 10 der OPEC dazu nicht mehr ausreichte (vgl. dazu Schulmeister 2000). Seit 2001 zeigt 60 0 1970 1973 1976 1979 1982 1985 1988 1991 1994 1997 2000 2003 2006 sich wieder eine markant inverse Entwick- a) Gegenüber DM, Franzosischem Franc (ab 1999 Euro), Pfund, Yen. lung von Dollarkurs und Ölpreise (sowie der Quelle: IWF, Oxford Economics (OEF). meisten Rohstoffpreise), gefördert durch 62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 16/2009
8 Zur Diskussion gestellt Spekulation von Finanzinvestoren auf den Abb. 3 Derivatmärkten (vgl. Abb. 1). Dollarzins, Welthandelsinflation und Realzins für internationale Dollarschulden Die inverse Beziehung zwischen Dollarkurs in % 50 und Dollarpreisen ist im gesamten Welt- Dollarzinsen handel noch stärker ausgeprägt als im 40 Realzins für internationale Schulden Rohstoffhandel (vgl. Abb. 2). Wertet der 30 Welthandelsinflation auf Dollarbasis Dollar ab (auf), so steigen (fallen) alle nicht 20 in Dollar notierenden Preise (etwa Indus- 10 triewaren aus Deutschland, wenn sie in 0 Dollar umgerechnet werden). Dies ist nicht nur ein statistisches Artefakt, da der Groß- -10 teil internationaler Schulden in Dollar ge- -20 halten wird. -30 -40 1970 1973 1976 1979 1982 1985 1988 1991 1994 1997 2000 2003 2006 Dollarkurs, Dollarzins und Quelle: IWF, Oxford Economics (OEF). internationale Schuldenkrisen Der Realzins einer internationalen Dollarschuld eines Lan- Fazit: Die zumeist exogenen Schocks zugeschriebenen des ergibt sich als nomineller Dollarzins minus Verände- Turbulenzen in der Weltwirtschaft wie Ölpreisschocks und rung seiner Exportpreise auf Dollarbasis (die Schuld muss Schuldenkrisen wurden in hohem Maß durch endogene ja durch Exporterlöse in Dollar bedient werden). Abbil- Faktoren verursacht, genauer gesagt, durch die Vertei- dung 3 zeigt seine Schwankungen für den Durchschnitt lungs- und Bewertungseffekte der Schwankungen von aller Länder. Zinssatz und Wechselkurs des Dollar in seiner Doppelrol- le als nationale Währung der USA und als Weltwährung. Als Folge der hohen Dollarinflation war der Realzins in den Das Ausmaß dieser Schwankungen wird nicht nur durch siebziger Jahren extrem negativ. Dies förderte das »recyc- die extrem diskretionäre Wirtschaftspolitik der USA ver- ling of petro-dollars« in Form steigender Auslandsschulden stärkt, sondern auch durch die Rolle des Dollar als »vehi- vieler Entwicklungsländer, insbesondere in Lateinamerika cle currency« im – hochgradig spekulativen – Devisen- (Mexico, Brasilien und Argentinien waren damals die »Tiger- handel. länder«). Die Dollaraufwertung ab 1980 und damit der (ab- solute) Rückgang der Dollarpreise im Welthandel ließ den Realzins 1981 auf annähernd 20% springen, 1982 brach die Das Defizit in der US-Leistungsbilanz und seine internationale Schuldenkrise aus (während die Dollarabwer- Finanzierung nach Ponzi-Art tungen der siebziger Jahre die Auslandsschulden perma- nent abgewertet hatten, wurden sie nun massiv aufgewer- Für die USA hat sich das Verhältnis ihrer Wirtschaft zu jener tet, vgl. Abb. 3). der übrigen Länder seit Mitte der 1980er Jahre günstig ent- wickelt: In den neunziger Jahren ergab sich eine ähnliche Entwick- lung, diesmal in Ostasien. Die »Tigerländer« finanzierten • Gemessen an der Kaufkraftparität international gehan- ihren Boom teilweise durch Auslandkredite in Dollar, als delter Güter und Dienstleistungen (Tradables) ist der Dol- der Dollar 1995 aufzuwerten begann, stieg der Realzins lar unterbewertet, die Exporte der USA sind daher in einer Dollarschuld wieder sprunghaft an (vgl. Abb. 3). Bei- den vergangenen 20 Jahren rascher gewachsen als spiel: Alle Erlöse eines südkoreanischen Unternehmens jene der übrigen Industrieländer (wichtigste Ausnah- aus Exporten (ohne jene in die USA) gingen – in Dollar me: Deutschland). gerechnet – massiv zurück. 1997 kam es zur Schulden- • Die US-Importe wuchsen allerdings noch stärker, die USA krise der »Tigerländer« Ostasiens. Diese breitete sich in absorbierten einen immer größeren Teil von Gütern und der Folge auf Russland, Brasilien und Argentinien aus, die Dienstleistungen ausländischer Produktion (vgl. Abb. 4). Forderung nach einer neuen »globalen Finanzarchitek- Dazu hat eine stark nachfrageorientierte Wirtschaftspo- tur« wurde stärker. Doch die Lage entspannte sich ver- litik wesentlich beigetragen (umgekehrt förderte eine an- blüffend schnell: Zur Bekämpfung der Rezession senk- 1 Zur Debatte um die Folgen unterschiedlicher Währungsstruktur von Er- ten die USA den Dollarzins auf 1%, der Dollarkurs ging trägen (Flows) und Schulden (Stocks) vgl. Eichengreen, Hausmann und massiv zurück und damit auch der Realzins einer inter- Panizza (2003); Eichengreen und Hausmann (2005) sowie Lane und Mi- nationalen Dollarschuld (vgl. Abb. 3).1 lesi-Ferretti (2005a). ifo Schnelldienst 16/2009 – 62. Jahrgang
Zur Diskussion gestellt 9 Abb. 4 als Dagobert Duck. Deutschland erarbeitet Porsches, Mer- Dollarkurs und Außenwirtschaftsdynamik der USA cedes und BMWs, gefahren werden sie in den USA. Da- für erhält Deutschland ein wachsendes Dollarvermögen, Importe i. w. S. nominell das in den USA angelegt werden muss. Auch wenn Lesitungsbilanzsaldo Exporte i. w. S. nominell Mrd. $ Mrd. $ Deutschland dafür keine Zinsen bekommt, sondern sie sich 200 2500 gewissermaßen selber zahlt, steht dieser Handel hoch im Kurs. Die deutschen Exporterfolge sichern Arbeitsplätze, 0 2000 einzig sie haben das Wachstum in den letzten 20 Jahren gestützt. -200 1500 -400 1000 Die Doppelrolle des Dollar schafft zusätzliche Probleme sys- temischer Natur im Verhältnis zwischen den USA und dem -600 500 Rest der Welt: -800 0 • Die USA können selbst die Verzinsung ihrer Auslands- 1971 1975 1979 1983 1987 1991 1995 1999 2003 2007 schuld reduzieren, indem die Notenbank den Leitzins senkt und/oder Dollaranleihen aufkauft. Nettovermögensposition der USA gegenüber dem Rest der Welt • Die USA sind nicht auf die Kreditbereitschaft der übrigen Mrd. $ Länder angewiesen (ein weit verbreiteter Irrtum). Geht 1500 letztere zurück, dann sinkt eben der Dollarkurs (ein Leit- Realvermögen 0 währungsland kann prinzipiell den Rest der Welt mit ei- gener Währung »überschwemmen«, solange ihm eine -1500 Abwertung egal ist). -3000 • Mit jeder Dollarabwertung erfolgt eine Umverteilung der -4500 Finanzvermögen zugunsten der USA als Folge von Be- Finanzvermögen wertungseffekten: Der Wert ihrer Bruttodollarschulden -6000 bleibt gleich, jener ihrer Bruttoforderungen gegenüber -7500 dem Ausland steigt (in Dollar gerechnet). Spiegelverkehrt -9000 ergibt sich eine Entwertung der »erarbeiteten« Dollarfor- 1971 1975 1979 1983 1987 1991 1995 1999 2003 2007 derungen der fleißigen Gläubigerländer (vgl. dazu Gou- rinchas und Rey 2006a; 2006b; Lane und Milesi-Ferret- Quelle: IWF, Fed. ti 2005a; 2005b). gebotsorientierte Politik in neo-merkantilistischen Län- Die Problematik der Doppelrolle des Dollar hängt auch di- dern wie Deutschland den »export push«). rekt mit der globalen Finanzkrise zusammen: Seit Mitte der • Ihr rasant steigendes Leistungsbilanzdefizit konnten die 1980er Jahre hat sich die Ponzi-Akkumulation der Netto- USA durch Kredite in eigener Währung finanzieren, da finanzschulden der USA drastisch beschleunigt, sie erreich- diese die Weltwährung darstellt. Als einziges Land sind ten 2007 etwa 9 000 Mrd. US-Dollar (vgl. Abb. 4 und 5). die USA keiner Leistungsbilanzschranke unterworfen: Je- Die Gläubigerländer mussten ihren Dollarschatz in den USA der einzelne Exporteur akzeptiert Dollars, er kann sie ja anlegen, angesichts extrem niedriger Zinsen und rückläufi- sofort in eine andere Währung umtauschen (oder vorweg ger Emission von Staatsanleihen (das Budgetdefizit der USA absichern). Die Gesamtheit aller übrigen Länder kann das verbesserte sich ab 2003 markant) erschienen die »collate- nicht, irgendwer muss den immer größer werdenden Dol- ralized debt obligations« immer attraktiver. larschatz halten. • Die USA finanzieren ihre »current account« überdies nach Ponzi-Art: Seit 1984 übersteigt die Kreditaufnah- Systemimmanente oder systemerneuernde me der USA den Zinsendienst für ihre bestehende Aus- Lösungen? landsschuld (netto gerechnet, vgl. Abb. 5). Dies hat den Prozess der Akkumulation der Auslandsschulden der Das Leistungsbilanzdefizit und die Auslandsverschuldung USA (= Forderungen der übrigen Länder) beschleunigt der USA stellen den Rest der Welt, insbesondere die wich- (vgl. Abb. 4). tigsten Gläubigerländer wie China, Japan oder Deutschland, vor folgendes Dilemma: In ein sarkastisches Bild gesetzt (dabei nehme ich das »Sparerland« Deutschland als »pars pro toto« der übrigen • Entweder sie verringern ihre Bereitschaft, wie bisher Dol- Länder): Die USA als Mr. Ponzi handeln mit Deutschland larforderungen zu akkumulieren, dann wird der Wechsel- 62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 16/2009
10 Zur Diskussion gestellt Abb. 5 Aus diesem Grund hatte Keynes (1980a; Neuverschuldung der USA – ihre Ponzi-Finanzierung 1980b) die Schaffung einer supranationalen Währung (»Bancor«) vorgeschlagen, welche 400 aus einem Bündel der wichtigsten nationa- 200 len Währungen bestehen sollte. Er konnte sich aber mit diesem Vorschlag 1944 in Bret- 0 ton Woods nicht durchsetzen. Die neue He- -200 gemonialmacht USA wollte – nach dem bri- tischen Pfund – nunmehr ihre Währung als -400 Leitwährung sehen. -600 Leistungsbilanz Zinserträge, netto Wie könnte eine neue Weltwährung unter -800 sonstiges Kapitalerträge, netto heutigen Bedingungen gestaltet sein? Es -1000 würde reichen, wenn der »Globo« den Dol- 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 lar, Euro, Renminbi und Yen umfasste. Die drei Wechselkurse zwischen diesen Wäh- Quelle: IWF, Fed. rungen sollten innerhalb enger Bandbrei- ten stabilisiert werden (wie in der EU zwi- kurs des Dollar noch mehr sinken und das Wirtschafts- schen 1986 und 1992). Das Niveau der Wechselkurse ori- wachstum in den Gläubigerländern dämpfen; entiert sich an der Kaufkraftparität von Tradables (die Da- • oder die Gläubigerländer akkumulieren weiterhin Dollar- tenbasis des »International Comparison Project« ermög- forderungen, dann wird die stetig steigende Auslands- lich ihre Berechnung, vgl. Schulmeister 2005). Die Wäh- verschuldung der USA letztlich eine umso stärkere Dol- rungen der übrigen Länder werden in Relation zum »Glo- larabwertung nach sich ziehen. bo« stabilisiert. Innerhalb des derzeitigen Währungssystems kann dieses Derzeit erscheint ein solches Konzept – es entspricht den Dilemma nur dadurch überwunden werden, dass die Gläu- Überlegungen der UNCTAD (2009) sowie der Stiglitz- bigerländer ihre Importe aus den USA ausweiten und so Kommission (vgl. UNO 2009), geht aber darüber hinaus den Wechselkurs des Dollar stützen. Dies ist gleichzeitig – utopisch. Allerdings: In meiner Einschätzung wird sich Voraussetzung dafür, dass die USA irgendeinmal einen die Krise nach dem momentanen Intermezzo »Wir ma- Leistungsbilanzüberschuss erzielen und so einen Teil ihrer chen weiter wie bisher« vertiefen. Dies wird die Bereit- Auslandsschulden zurückzahlen. Ein solcher Ausweg aus schaft zum (Ver-)Lernen und zu politischen Innovationen dem Schuldendilemma erfordert freilich einen Wechsel in stärken. der Wirtschaftspolitik der wachstumsschwachen Über- schussländer wie Deutschland oder Japan zu einem Kurs, welcher stärker als bisher die Binnennachfrage stimuliert. Literatur Solange dies nicht erfolgt, werden Wirtschaftspolitiker in den USA das Leistungsbilanzdefizit als Begründung für ein Eichengreen, B. und R. Hausmann (Hrsg.) (2005), Other People’s Money: Debt Denomination and Financial Instability in Emerging Market Economies, »talking the dollar down« heranziehen, um so die eigenen University of Chicago Press, Chicago. Exporte zu fördern. So werden sich die Exportüberschüs- Eichengreen, B., R. Hausmann und U. Panizza (2003), »Currency Mismat- ches, Debt Intolerance and Original Sin: Why They are Not the Same and se der »Neo-Merkantilisten« schließlich als Geschenke an Why it Matters«, NBER Working Paper, October . die USA entpuppen. Gourinchas, P.O. und H. Rey (2006a), »International Financial Adjustment«, Working Paper, Version vom 3. April. Gourinchas, P.O. und H. Rey (2006b), »From World Banker to World Ventu- Der Befund über die Folgen der Doppelrolle des Dollar re Capitalist: US External Adjustment and the Exorbitant Privilege«, in: R.H. Cla- rida (Hrsg.), G7 Current Account Imbalances: Sustainability and Adjustment, in den letzten 35 Jahren legt nahe, dass ein grundle- Bureau of Economic Research Conference Report, University of Chicago gender Systemwechsel nötig ist. Eine immer stärker glo- Press, Chicago. Keynes, J.M. (1980a), The Collected Writings of John Maynard Keynes, balisierte Wirtschaft braucht eine supranationale »key Vol. XXV, Activities 1940–1944, Macmillan – Cambridge University Press, currency«, also eine echte Weltwährung (so wie die Na- Cambridge. tionalstaaten dermaleinst die regionalen Währungen und Keynes, J.M. (1980b), The Collected Writings of John Maynard Keynes, Vol. XXVI, Activities 1941–1944, Macmillan – Cambridge University Press, der Euroraum kürzlich die nationalen Währungen »über- CAmbridge. wanden«). Hauptgrund: Der unlösbare Grundkonflikt zwi- Lane, P.R. und G.M. Milesi-Ferretti (2005a), »Financial Globalization and Ex- change Rate«, IMF Working Paper, January. schen den »nationalökonomischen« Interessen des Leit- Lane, P.R. und G.M. Milesi-Ferretti (2005b), »A Global Perspective on Exter- währungslandes und den »globalökonomischen« Inte- nal Positions«, IMF Working Paper, August. ressen der Weltwirtschaft als (geschlossenes) Gesamt- Schulmeister, S. (2000), »Globalization without global money: the double ro- le of the dollar as national currency and as world currency«, Journal of Post system. Keynesian Economics 22(3), 365–395. ifo Schnelldienst 16/2009 – 62. Jahrgang
Zur Diskussion gestellt 11 Schulmeister, S. (2005), Purchasing Power Parities, Exchange Rates and In- ternational Price Competitiveness, WIFO study, Wien. UN Commission of Experts of the President of the UN General Assembly on Reforms of the International Monetary and Financial System (2009), Reom- mendations, 19 March 2009, http://www.un.org/ga/president/63/letters/recommendationExperts200309.pdf. UNCTAD (2009), The Global Economic Crisis: Systemic Failures and Multi- lateral Remedies, Report by the UNCTAD Secretariat Task Force on Sys- temic Issues and Economic Cooperation, New York and Geneva, http://www.unctad.org/en/docs/gds20091_en.pdf. Bernd Kempa* Dollarkrise und Leitwährungsstatus In letzter Zeit häufen sich kritische Kommentare zur Rolle des US-Dollar als Leitwährung auf den internationalen Gü- ter- und Finanzmärkten. Diese begründen sich aus Zwei- feln an der Wertstabilität des Dollar sowie der Erwartung, dass die USA zukünftig ihre wirtschaftliche und politische Vormachtstellung verlieren könnten. Dabei ist allerdings nicht offensichtlich, welche Währung das Potential hat, den Dollar in seiner Funktion als Leitwährung zu ersetzen. Ne- ben dem Euro als unmittelbarem Konkurrenten werden häufig der chinesische Yuan sowie die Sonderziehungs- rechte des Internationalen Währungsfonds als Alternativen genannt. Welche Währung kann den Dollar als Leitwährung ablösen? Generell zeichnet sich eine Leitwährung dadurch aus, dass sie als international wichtigste Transaktions-, Anla- ge- und Reservewährung fungiert. Hierzu muss sie un- eingeschränkt in andere Währungen konvertierbar sein und ausreichend Liquidität im globalen Maßstab gewähr- leisten können. Zu diesem Zweck sollte das Leitwährungs- land über offene, tiefe und gut entwickelte Finanzmärk- te verfügen. Vertrauen und internationale Akzeptanz in die Leitwährung werden auch dadurch gefördert, dass das Leitwährungsland die innere Wertstabilität der Wäh- rung durch eine nachhaltig auf Preisniveaustabilität aus- gerichtete Geld- und Finanzpolitik sichert, einen hohen Grad an makroökonomischer Stabilität besitzt und eine bedeutende wirtschaftliche und politische Rolle in der Weltwirtschaft spielt. * Prof. Dr. Bernd Kempa leitet das Institut für Internationale Ökonomie an der Universität Münster. 62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 16/2009
12 Zur Diskussion gestellt Diese Kriterien werden von den Vereinigten Staaten nach Jahre geschaffene künstliche Währungseinheit, die zwar wie vor am besten erfüllt. Dies zeigt sich deutlich an der nicht auf den Devisenmärkten gehandelt, aber vom IWF und Bedeutung, welcher dem US-Dollar als Reservewährung zu- einigen anderen internationalen Organisationen als Rechen- kommt. Dabei wird der Eindruck, dass der Dollar an Attrak- einheit verwendet wird. Die Mitgliedsländer des IWF halten tivität als Reservewährung verloren habe, von den Fakten bereits Teile ihrer Währungsreserven in SZR als Guthaben nicht gestützt. Mit einem Anteil von 64% an den weltweiten gegenüber dem IWF, und jedes Mitgliedsland ist verpflich- Devisenreserven nimmt der Dollar eine herausragende Stel- tet, in einem gewissen Rahmen Zahlungen in Form von SZR lung ein. Dieser Anteil lag zu Anfang des Jahrzehnts zwar zu akzeptieren. SZR setzen sich aus Dollar, Euro, Yen und mit knapp 72% etwas höher, das gegenwärtige Niveau ent- britischem Pfund zusammen, wobei die relativen Gewich- spricht aber in etwa seinem Durchschnittswert der letzten tungen auf der Basis der Anteile der beteiligten Länder am 15 Jahre, und in absoluten Zahlen war die Nachfrage nach Weltexport sowie ihrer Reservebestände beim IWF bestimmt Dollar als Reservewährung mit über 2,5 Billionen Dollar noch werden. Da sich der Währungskorb auf eine kleine Anzahl nie so hoch wie heute (vgl. IMF 2009). von Währungen beschränkt und dem Dollar mit einem An- teil von 44% das größte Gewicht zufällt, müsste zunächst Der Euro hat aufgrund seiner Stabilität sowie der Größe über seine Neukonstruktion, möglicherweise in Verbindung des Euroraums gute Chancen, als Reservewährung lang- mit einer Reform der Stimmrechtsanteile beim IWF, nach- fristig gegenüber dem Dollar an Bedeutung zu gewinnen. gedacht werden. Dieser Prozess birgt jedoch erhebliche po- Chinn und Frankel (2007) prognostizieren gar, dass der litische Brisanz und ist kaum geeignet, das notwendige Ver- Euro um das Jahr 2022 den Dollar als Leitwährung ablö- trauen in die SZR als Leitwährung zu fördern. sen wird. Allerdings sind solche Prognosen vor dem Hin- tergrund der wirtschaftlichen und politischen Heterogeni- täten sowie der strukturellen und demographischen Pro- Worauf ist die gegenwärtige Dollarkrise bleme der Teilnehmerländer des Euroraums mit großer Un- zurückzuführen? sicherheit behaftet. Auch hier sprechen die Fakten zudem bislang gegen eine zunehmende Bedeutung des Euro. So Der US-Dollar ist als Transaktions- und Reservewährung auf hat sich der Anteil des Euro an den weltweiten Devisenre- den internationalen Güter- und Finanzmärkten gegenwärtig serven im Laufe der letzten zehn Jahre zwar von knapp nicht nur alternativlos, sondern er wird auch stärker als je- 18% zu Beginn der Europäischen Währungsunion auf der- mals zuvor nachgefragt. Vor diesem Hintergrund ist nicht zeit 26,5% erhöht. Im Vergleich mit der Summe der Re- unmittelbar ersichtlich, warum sein Status als Leitwährung servewährungsanteile der im Euro aufgegangenen ehema- überhaupt in Frage gestellt wird. In der Tat bringt die Ver- ligen nationalen Währungen inklusive des ECU fällt der Ge- wendung des Dollar sowohl für die USA als auch für den meinschaftswährung aber heute keine größere Bedeutung Rest der Welt erhebliche Vorteile mit sich. Die USA genie- zu als ihren Vorläuferwährungen zu Mitte der neunziger ßen als Leitwährungsland das außerordentliche Privileg, Jahre (vgl. IMF 2009). durch die Bereitstellung internationaler Dollarliquidität Kapi- tal importieren zu können. Dabei halten Nichtamerikaner Als weiterer Kandidat, in Zukunft die Rolle einer Leitwährung ihre Dollaranlagen zumeist in niedrig verzinslichen amerika- zu übernehmen, wird gelegentlich auch der chinesische nischen Staatsanleihen. Ein Teil dieser Kapitalimporte wird Yuan genannt. Die chinesische Währung wird in zunehmen- seitens der USA wiederum in hochverzinsliche Auslandsin- dem Maße zu Transaktionszwecken in Teilen Südostasiens vestitionen kanalisiert, wodurch für die Vereinigten Staaten verwendet und könnte sich dort zu einer Regionalwährung beträchtliche Zinsgewinne entstehen. Letztere werden da- entwickeln. Um die Rolle einer Weltleitwährung übernehmen bei auf jahresdurchschnittlich 1,2% des US- amerikanischen zu können, müsste die chinesische Volkswirtschaft jedoch BIP geschätzt (vgl. Cline 2005, 262). wesentlich stärker globalisieren. Neben einer Vertiefung und Liberalisierung der chinesischen Kapitalmärkte ist vor allem Aber auch der Rest der Welt hat bislang vom Status des die freie Konvertibilität des Yuan eine notwendige Voraus- Dollar als Leitwährung profitiert. Der Dollar hat in den letz- setzung für seine internationale Verwendung als Reserve- ten Jahrzehnten im Vergleich zu vielen anderen Währungen währung. eine hohe innere Wertstabilität im Sinne geringer Inflations- raten aufgewiesen. Die Tiefe und Liquidität der amerikani- Wenn auf absehbare Zeit keine einzelne Währung die Nach- schen Finanzmärkte sowie das ökonomische Gewicht der folge des US-Dollar als Leitwährung antreten kann, dann amerikanischen Volkswirtschaft auf den Weltmärkten ma- wäre möglicherweise eine Korbwährung eine geeignete Al- chen den Dollar nicht nur als Transaktions- und Reserve- ternative. In diesem Zusammenhang sind die Sonderzie- währung attraktiv. Insbesondere Länder mit weniger liqui- hungsrechte (SZR) des Internationalen Währungsfonds (IWF) den Finanzmärkten profitieren vom Dollar als Leitwährung als supranationale Reservewährung ins Gespräch gebracht auch aufgrund günstiger Refinanzierungsbedingungen auf worden. Die SZR sind eine vom IWF zu Ende der sechziger den amerikanischen Anleihemärkten. ifo Schnelldienst 16/2009 – 62. Jahrgang
Zur Diskussion gestellt 13 Die mit dem Export von Dollarliquidität resultierenden Net- pe von Dollargläubigern geschürt, wobei der Vertrauensver- tokapitalimporte können von den Vereinigten Staaten zur Fi- lust des Dollar überwiegend auf die eigenen Währungspo- nanzierung von Güterimporten aus dem Rest der Welt ver- litiken dieser Länder zurückgeführt werden kann. Zum einen wendet werden. Diese finden ihren Niederschlag in einem haben sich die Überschussländer durch die Anhäufung von korrespondierenden Leistungsbilanzdefizit der USA. Wäh- Dollarreserven in erheblichem Maße von Schwankungen des rend das amerikanische Leistungsbilanzdefizit zu Ende der Dollarkurses abhängig gemacht. Dabei wertet die amerika- neunziger Jahre mit 3% des amerikanischen Bruttoinlands- nische Währung bereits seit Anfang des Jahrzehnts multi- produkts bereits eine kritische Marke erreicht hatte, weite- lateral ab. Allein zwischen 2002 und 2004 verlor der Dollar te es sich in den Folgejahren weiter aus und erreichte im etwa 15% im gewichteten Durchschnitt gegenüber den Wäh- Jahre 2006 seinen Höhepunkt mit über 6% des US-ameri- rungen der US-Handelspartner. Diese Schwächephase setzt kanischen BIP. Da sich die Leistungsbilanzsalden buchhal- sich seit 2006 und insbesondere seit Ausbruch der Finanz- terisch weltweit zu null saldieren, schlagen sich die Gegen- krise Mitte 2007 fort. Zugleich haben die Überschussländer positionen zum amerikanischen Defizit in entsprechenden ihre Dollarguthaben überwiegend auf den als besonders li- Leistungsbilanzüberschüssen im Rest der Welt nieder. Auf quide und sicher geltenden amerikanischen Vermögens- diese Weise wird die aus den USA abfließende Dollarliqui- märkten angelegt. Diese Anlagestrategie ist für die Gläubi- dität in die Überschussländer transferiert und steht diesen gerländer nicht nur wenig rentabel, sondern sie hat auch Ländern somit zu Transaktions- und Reservezwecken zur ursächlich zur Entstehung der Preisblase auf den amerika- Verfügung. nischen Vermögensmärkten als Auslöser der gegenwärti- gen Finanz- und Wirtschaftskrise beigetragen. Problematisch an diesem Transfer ist nicht seine Existenz, denn diese ist notwendiger Bestandteil der Leitwährungs- funktion. Bedenklich ist vielmehr die Höhe des amerikani- Wie kann die Dollarkrise überwunden werden? schen Leistungsbilanzsaldos und die Tatsache, dass sich die Gruppe der Überschussländer und primären Dollargläu- Durch die sehr expansive Geld- und Fiskalpolitik in den USA biger auf einige wenige Volkswirtschaften beschränkt. Letz- ist die aktuelle Inflationsgefahr zwar gestiegen, aber im Rest tere finden sich überwiegend in den aufstrebenden asiati- der Welt sieht die Situation kaum anders aus, so dass nicht schen Volkswirtschaften, den Erdöl exportierenden Natio- mit einem weiteren dramatischen Verfall des Dollar auf den nen sowie einigen europäischen Ländern. Ende des Jahres Devisenmärkten zu rechnen ist. Dafür spricht auch die Tat- 2007 vereinte diese Ländergruppe mit knapp 5 Billionen US- sache, dass die Dollargläubiger, allen voran China und Ja- Dollar etwa drei Viertel der weltweiten Devisenreserven auf pan, kein Interesse daran haben dürften, durch schlagarti- sich (vgl. Deutsche Bundesbank 2008). Dabei hält China mit ge Umschichtungen ihrer zentralen Devisenbestände einen 2 Billionen US-Dollar momentan fast ein Drittel aller weltwei- Kursverfall des Dollar auszulösen. Zudem ist Amerika auf ten Dollarreserven, Japan folgt mit etwa 1 Billion US-Dollar, dem Weg aus der Rezession schon weiter als viele andere und auf Russland entfallen ca. 400 Mrd. US-Dollar. Länder, und auf längere Sicht werden die USA auf ihren vergleichsweise hohen Trendwachstumspfad zurückkehren, Die Motivation für die Anhäufung solch enormer Dollarreser- der durch eine günstige demographische Entwicklung in den ven seitens der Überschussländer ist dabei im Wesentlichen USA gestützt wird. auf zwei Faktoren zurückzuführen. Zum einen waren die Erfahrungen mit der Asienkrise der Jahre 1997 und 1998 Unabhängig davon sind Amerikas Hauptgläubigerländer gut prägend, als der rasche Abzug von Portfoliokapital aufgrund beraten, ihre Währungsreserven zukünftig stärker zu diver- der seinerzeit unzureichenden Reservebestände zu Wäh- sifizieren. Zugleich kann die Reservehaltung bei einer wei- rungs- und Bankenkrisen in den betroffenen Ländern führ- teren Wechselkursflexibilisierung auch erheblich im Niveau te. Ein entsprechendes Reservepolster kann somit als Ver- reduziert werden. Wenn die weltweite Dollarnachfrage im sicherung gegen zukünftige Krisen gesehen werden. Zum Gefolge dieser Anpassungen auf ein geringeres Niveau ab- anderen basiert die Reservenakkumulation auch auf einer sinkt, werden die USA aufgrund der ins Land zurückflie- mangelnden Wechselkursflexibilität. Gerade der letzte As- ßenden Dollarbestände gezwungenermaßen eine längere pekt wird vielfach als Hauptursache für die Entstehung der Phase von Leistungsbilanzüberschüssen realisieren. Die- globalen Ungleichgewichte ins Feld geführt (vgl. Dooley et ser Prozess erfordert eine Erhöhung der gesamtwirtschaft- al. 2003). Hierbei wurden in den zurückliegenden Jahren Un- lichen Sparquote in den USA, so dass der amerikanische terbewertungen der Währungen in einer Reihe der Über- Konsum relativ zum amerikanischen Produktionsniveau sin- schussländer durch gezielte Devisenmarktinterventionen zu- ken muss, um auf diese Weise die erforderlichen amerika- gunsten des Dollar aufrechterhalten. nischen Nettoexporte zu generieren. Dieser Anpassungs- prozess ist durch die fallenden Vermögenswerte im Zuge Die Zweifel an der Leitwährungsfunktion des Dollar werden der Finanz- und Wirtschaftskrise bereits angeschoben wor- im Wesentlichen von dieser verhältnismäßig kleinen Grup- den. Aufgrund des dynamischen Trendwachstums der USA 62. Jahrgang – ifo Schnelldienst 16/2009
14 Zur Diskussion gestellt muss das Konsumniveau der USA im Zuge dieser Anpas- sung im Übrigen nicht notwendigerweise in ihrer absoluten Höhe zurückgehen. Die trendmäßige Abwertung des Dollar, welche durch die Fi- nanz- und Wirtschaftskrise beschleunigt wurde, ist somit Teil des notwendigen Anpassungsprozesses zum Abbau der globalen Ungleichgewichte. Der Dollar wird dabei für län- gere Zeit schwächer notieren, um die erforderlichen Leis- tungsbilanzüberschüsse in den USA zu ermöglichen. Ver- gleichbare Dollarschwächen sind in der Vergangenheit be- reits mehrfach aufgetreten. So wertete sich der Dollar im Laufe der siebziger Jahre sowie in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre erheblich ab, aber in keinem Fall hat dies dem Norbert Walter* Status des Dollar als Leitwährung geschadet. Die gegenwärtige Dollarschwäche wird im Wesentlichen nur aus Sicht der unmittelbar betroffenen Dollargläubiger als Dol- Die Weltwährung im Taumel – wohin larkrise empfunden. Im Zuge einer Korrektur der globalen führt der Weg des Dollar? Ungleichgewichte wird der Dollar jedoch wieder an Vertrau- en und Glaubwürdigkeit gewinnen, so dass er auch weiter- Die Welt steckt in der Krise und mit ihr die seit fast hin die Rolle als dominante Fakturierungswährung im inter- 100 Jahren unangefochtene Weltwährung – der Dollar. nationalen Handel ausfüllen kann. Dafür sprechen auch die Geht die jahrelange Dominanz nun zu Ende? Die seit lan- mit der verbreiteten Verwendung einer Transaktionswährung gem anhaltende Abwertung gegenüber Euro und Yen auftretenden Netzwerkeffekte im Hinblick auf die Vorteile schürt Zweifel an der Stabilität des Dollars. Der Harvard- für alle Akteure, ebenfalls diese Währung zur Abwicklung Ökonom Kenneth Rogoff rechnet bereits mit Inflations- ihrer internationalen Geschäfte zu nutzen. Solche Netzwerk- raten in den USA von 5 bis 6% in den kommenden Jah- effekte sind jedoch weniger bedeutend im Hinblick auf die ren. Um die Schuldenlast zu reduzieren, sei dies die po- Verwendung als Reservewährung, bei der neben Liquiditäts- litisch opportunste Lösung. Die nächste Krise wäre da- aspekten auch Diversifikationsargumente eine entscheiden- mit auch schon vorprogrammiert, da China auf Dauer de Rolle spielen.1 Während der Dollar somit aller Voraussicht nicht mehr zur Finanzierung der wachsenden Schulden nach seinen Status als Leitwährung behält, wird er nach dem in den USA bereit sei.1 Abbau der überschüssigen Dollarliquidität als Reservewäh- rung jedoch langfristig an Bedeutung verlieren. Und so wächst der internationale Druck auf den Dollar. Nicht nur in China und Russland wünscht man sich einen Wech- sel, auch in Europa hört man lauter werdende Rufe nach Literatur einer neuen multipolaren Weltwährungsordnung.2 Der Zu- sammenbruch von Lehman Brothers, die wachsende Ver- Chinn, M. und J.A. Frankel (2007), »Will the Euro Eventually Surpass the Dollar as Leading International Reserve Currency?«, in: R.H. Clarida (Hrsg.), schuldung von öffentlichen und privaten Haushalten sowie G7 Current Account Imbalances, University of Chicago Press, Chicago, die hohe Auslandsverschuldung der USA geben Anlass zur 283–338. Sorge. Einige Regierungen sehen bereits den Euro als zu- Cline, W.R. (2005), The United States as a Debtor Nation, Peterson Institu- te for International Economics, Washington, D.C. künftige Nummer 1 – die Hoffnung auf wachsendes Pres- Deutsche Bundesbank (2008), »Neuere Entwicklungen im internationalen tige für die noch junge Gemeinschaftswährung ist bereits Finanzsystem«, Monatsberichte, Juli, 15–31. Dooley, M.P., D. Folkerts-Landau und P. Garber (2003), »An Essay on the spürbar. Aber auch eine andere Zukunft für das Währungs- Revived Bretton Woods System«, NBER Working Paper 9971. regime ist denkbar: So bringen Chinesen und Russen die Eichengreen, B (2005), »Sterling’s Past, Dollar’s Future: Historical Perspecti- ves on Reserve Currency Competition«, NBER Working Paper 11336. Forderung ein, Sonderziehungsrechte (SDR) des Interna- IMF (2009), Currency composition of Official Foreign Exchange Reserves tionalen Währungsfonds als neue Weltwährung zu etablie- (COFER), International Monetary Fund, Washington, D.C. ren. Sie wünschen sich eine physisch (Gold oder Rohstof- fe) oder durch einen Devisenkorb gedeckte Währung, die 1 Die Rolle des Dollar als dominante Reservewährung kann als historischer * Prof. Dr. Norbert Walter ist Chefvolkswirt der Deutschen Bank Gruppe, Sonderfall betrachtet werden. So wurden vor dem ersten Weltkrieg ne- Deutsche Bank Research. ben dem britischen Pfund auch französische Franc und Deutsche Mark 1 Kenneth Rogoff im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntags- als Reservewährungen verwendet, und in den 1920er und 1930er Jahren zeitung vom 16. August 2009. waren die Hauptreservewährungen Pfund, Franc und Dollar (vgl. Eichen- 2 Frankreichs Staatspräsident Sarkozy auf dem Weltwirtschaftsgipfel am green 2005). 10. Juli 2009 in L’Aquila (Italien). ifo Schnelldienst 16/2009 – 62. Jahrgang
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