INTRAOPERATIVE PATIENTENLAGERUNG - SIGA/FSIA

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INTRAOPERATIVE PATIENTENLAGERUNG - SIGA/FSIA
Universitätsspital Basel
Departement Anästhesie
Abgabetermin 7. April 2008
Weiterbildung zur Anästhesiepflegefachfrau
Kurs 2006

INTRAOPERATIVE PATIENTENLAGERUNG

                                                     LAGERUNGSSCHÄDEN

                                             „BEST-PRACTICE“- LAGERUNGEN

                                             JURISTISCHE HAFTUNGSFRAGE

Edith Fässler

Weiherhofstrasse 26

4054 Basel

ed_faessler@gmx.ch                                             MÄRZ 2008
INTRAOPERATIVE PATIENTENLAGERUNG - SIGA/FSIA
Schriftliche Diplomarbeit                                Intraoperative Patientenlagerung

VORWORT
Motivation
In meiner Weiterbildung zur Anästhesiepflegefachfrau am Universitätsspital Basel
durchlief ich unter anderem ein dreimonatiges Praktikum in der Kinderanästhesie im
UKBB1. Für die jeweiligen Operationen mussten die Kinder mit höchster Sorgfalt von
der Anästhesie gelagert werden. Denn oftmals bemerkte man schon nach nur fünf
Minuten leichte Druckstellen auf der Haut, die z.B. von direktem Kontakt mit
daraufliegenden EKG-Kabeln herstammten. Dies machte mich dem Lagern von
Patienten gegenüber sehr aufmerksam, worauf ich mich entschieden habe, dieses
Thema in der Erwachsenenanästhesie etwas genauer zu durchleuchten.
Wie entscheidet die Juristik bei einem entstandenen Lagerungsschaden? Wer trägt
die rechtliche Verantwortung darüber? Wie lauten unsere Gesetzesartikel im
Gesundheitswesen über diese Fragen? Solche Fragestellungen finde ich im
Allgemeinen sehr interessant und möchte diese hier eingehender betrachten.

Ziel der Arbeit
Ich möchte mit meiner Arbeit einen kurzen Überblick über die häufigsten intra-
operativen Schädigungsarten schaffen. Ein weiteres Ziel ist das Herausfiltern von
den vier gängigsten Lagerungsarten nach „best-practice“ und neustem Wissens-
stand. Ein anderes Ziel meiner Arbeit ist eine vertiefte fachliche Auseinandersetzung
mit dem Lagerungsthema selber. Das letzte Thema über den juristischen Aspekt soll
dem Leser einen kurzen Einblick ins schweizerische Gesundheitsrecht geben.

Persönliche Bedeutung
Durch das Bearbeiten meiner Diplomarbeit erhoffe ich mir, fachliche Klarheit und
vertieftes Wissen über dieses Thema zu erlangen. Ebenfalls kann sie anderen
Auszubildenden eine Stütze bieten, sich mit dieser Thematik auseinander zu setzen.
Der juristische Teil soll für mich mehr eine persönliche Klärung sein. Ich habe über
die Zeit des Verfassens der Arbeit viele Meinungen und           Ansichten über die
juristische Regelung angehört, was mich mehr verwirrte als klärend wirkte. Somit
erhoffe ich mir ein juristisches Grundwissen aus erster Quelle aneignen zu können.

1
    Universitäts Kinderspital Beider Basel

Edith Fässler, März 2008                                                                i
INTRAOPERATIVE PATIENTENLAGERUNG - SIGA/FSIA
Schriftliche Diplomarbeit                                              Intraoperative Patientenlagerung

Schwierigkeiten beim Verfassen
„Viele Wege führen zu einer guten Anästhesie“. Dieser Satz ist jedem von uns
bekannt. Man hat eine Grundstruktur an notwendiger Theorie, man tastet sich an
erste individuelle Narkoseführungen heran, liest Guidelines, hört sich viele gut
gemeinte Ratschläge an, versucht mit der Zeit ein Fingerspitzengefühl zu
bekommen, sammelt Erfahrungswerte und ist nach kurzer Zeit schon mal ziemlich
verwirrt und sehr gefordert, eine Anästhesie ganz alleine durchzuführen. So habe ich
das jedenfalls empfunden, als ich mich ganz neu und unerfahren an die Anästhesie-
weiterbildung heranwagte.
In etwa so erging es mir nun erst kürzlich wieder, als ich mich mit dem juristischen
Aspekt meiner Diplomarbeit auseinandersetzte. Viele verschiedene Meinungen hörte
ich mir an, meine digitalen Recherche-Ergebnisse bezogen sich fast ausschliesslich
auf das Deutsche Recht im Ops2, und in der Schweizer Gesetzgebung fand ich mich
in diesem Dschungel an Artikeln nicht sehr zurecht.
Ich habe nun anhand meiner gefundenen Quellen in diesem Teil meiner Arbeit
versucht, einen ungefähren Abriss unserer Gesetzgeberin bezüglich meiner dritten
Fragestellung zusammenzufassen. Wie in unserer Anästhesie ist auch in unserem
rechtlichen System ein Grundgerüst an Gesetzen (must know) vorhanden, das es
anzuwenden gilt. Die jeweilige individuelle Betrachtung eines Schadensfalles kann
jedoch, wie in der Anästhesie, ebenfalls sehr dynamisch gestaltet werden.
Ich möchte die Leser3 darauf hinweisen, dass dies kein rechtlich geprüftes Dokument
ist.

Dank
Einen herzlichen Dank geht an Christoph Schori, der mir mit Rat, Ideen und
Coaching zur Seite stand.
Ebenfalls danken möchte ich der Rechtsabteilung vom Universitätsspital Basel,
welche mir ausdauernd meine Fragen beantwortet hat.
Besonderen Dank geht an mein privates Umfeld. Bei Computeruneinigkeiten und
Lektorat unterstützten sie mich geduldig und motivierend.

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    Gängige Abkürzung für Operationssaal
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    Die Verfasserin verwendet in der Arbeit die männliche Form, die weiblich ist sinngemäss mitgemeint.

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Schriftliche Diplomarbeit                                                            Intraoperative Patientenlagerung

INHALTSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG .......................................................................................................... 1
2. GESCHICHTLICHER HINTERGRUND .................................................................. 2
3. SCHÄDIGUNGSARTEN......................................................................................... 3
   3.1. Haut und Weichteile ......................................................................................... 3
   3.2. Gelenke und Bandapparat ............................................................................... 4
   3.3. Gefässe............................................................................................................ 4
   3.4. Augen............................................................................................................... 5
   3.5. Nerven ............................................................................................................. 5
      3.5.1. Plexus brachialis........................................................................................ 6
      3.5.2. Nervus ulnaris............................................................................................ 7
      3.5.3. Nervus radialis........................................................................................... 8
      3.5.4. Nervus medianus....................................................................................... 9
      3.5.5. Nervus peronaeus ..................................................................................... 9
      3.5.6. Nervus ischiadicus................................................................................... 10
      3.5.7. Nervus femoralis...................................................................................... 10
   3.6. Inzidenz von Lagerungsschäden ................................................................... 12
4. „BEST- PRACTICE“ - LAGERUNGEN ................................................................. 14
   4.1. Rückenlage (RL) ............................................................................................ 16
   4.2. Seitenlage (SL) .............................................................................................. 17
   4.3. Bauchlage (BL) .............................................................................................. 18
   4.4. Steinschnittlage (SSL).................................................................................... 20
5. JURISTISCHER ASPEKT .................................................................................... 21
   5.1. Aufbau unseres Rechtssystems..................................................................... 21
   5.2. Juristische Grundlagen des Arbeitsverhältnisses........................................... 22
6. ANWENDUNGSBEISPIEL ................................................................................... 23
   6.1. Wer fühlt sich verantwortlich für die Patientenlagerung im Ops? ................... 23
   6.2. Ein Lagerungsschaden entsteht. Wer ist juristisch haftbar?........................... 24
   6.3. Welche juristischen Schritte werden eingeleitet? ........................................... 27
   6.4. Interview mit Prof. D. Scheidegger, Chefarzt Anästhesie USB ...................... 29
7. ZUSAMMENFASSUNG........................................................................................ 30
8. LITERATURVERZEICHNIS.................................................................................. 33

Edith Fässler, März 2008                                                                                                    iii
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Schriftliche Diplomarbeit                                 Intraoperative Patientenlagerung

1. EINLEITUNG

Fragestellungen
Meine drei Fragestellungen lauten wie folgt:

    •   Welche allgemeinen Schäden können bei der intraoperativen Patienten-
        lagerung bei Erwachsenen in Allgemeinanästhesie auftreten?
    •   Wie sieht eine korrekte Lagerung nach „best-practice“ am Beispiel von den
        vier häufigsten Lagerungsarten - Rückenlage, Bauchlage, Seitenlage,
        Steinschnittlage - aus?
    •   Wer trägt die rechtliche Verantwortung für die Lagerung und mögliche
        Lagerungsschäden bei Patienten während der Anästhesie?

Aufbau und Methode
Meine Arbeit beginnt mit einer kurzen geschichtlichen Einleitung.
Der Hauptteil gliedert sich in drei Subgruppen, wovon jede eine oben genannte
Fragestellung bearbeitet. Nach einer allgemeinen Einführung im ersten Teil über
mögliche intraoperative Lagerungsschäden werden die einzelnen peripheren Nerven,
welche durch einen Lagerungsschaden besonders gefährdet sind, noch detailierter
betrachtet. Eine korrekte Lagerung nach „best-practice“ wird im darauf folgenden
Kapitel bearbeitet. Zur visuellen Veranschaulichung sind die vier Lagerungsarten mit
Bildern untermalt. Im letzten Teil erwähne ich nach einer allgemeinen Einleitung über
den Aufbau der Schweizer Gesetzgeberin den Aspekt der Juristik und ihre
Verantwortlichkeit. Nach dem Theorieteil schildere ich eine mögliche juristische
Konsequenz nach einem entstandenen Lagerungsschaden anhand eines fiktiven
praxisbezogenen Beispiels. Ein Interview über die spitalinterne Philosophie am
Departement Anästhesie rundet den ganzen Teil ab.
Im Schlussteil fasse ich gewonnene Ergebnisse und Kenntnisse zusammen und
nehme nochmals Rückblick auf meine drei Fragestellungen.

Zur Bearbeitung der Themen benutzte ich vorwiegend wissenschaftliche Literatur
(pub-med) und Studien, die ich über die Internetsuche gefunden habe. Ebenfalls
stützte ich mich auf Bücher, Weiterbildungsunterlagen und geführte Fachinterviews.

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2. GESCHICHTLICHER HINTERGRUND
Aufzeichnungen aus den Jahren 1854 und 1886 über die Aufgaben des Personals im
OP, welche in dieser Zeit als Lazarettgehilfen bezeichnet wurden, schreibt folgendes
vor:

Bild 1: Operationssaal (www.svpol.ch)            Bild 2: Lagerungstisch 1840 (Internet-
                                                 URL-Adresse nicht bekannt)

Am Operationstag:
Bereitstellung eines geeigneten Tisches. Sand streuen auf den Boden im Bereich
des Operationsgebiets. Der Kranke wurde in einem Lehnstuhl gelagert oder mit dem
Bett in die Mitte des Raumes geführt. Die Lagerung des Kranken wurde mit
Hilfsmitteln (Kissen) unterstützt. Die Raumtemperatur sollte bei 18° - 20° C liegen.
Üblicherweise wurde die Operation bei Tageslicht vorgenommen. Bei Eingriffen, die
einer künstlichen Beleuchtung bedurften, sollte das Personal mit hellbrennenden
Kerzen dafür sorgen. Ebenso mussten Trinkwasser, Essig, Wein und Riechwasser,
im Falle, dass der Kranke ohnmächtig werden sollte, bereitgestellt werden. Der
Krankenwärter sollte in liebevoller, tröstender Weise mit dem Kranken sprechen,
welches aber nicht in „Geschwätz“ ausarten durfte.
Nach der Operation:
Korrekte Wundreinigung. Der operierte Patient erhält ein Hemd. Das Umlagern des
Kranken vom Operationstisch ins Krankenbett erfolgte mit grosser Vorsicht. Der
Kranke wurde nach der Operation gezielt überwacht, insbesondere auf Gefahren wie
Blutungen, Ohnmacht, Erbrechen und Atmung.

In diesen Aufzeichnungen sind Aufgaben beschrieben, die auch heute noch für alle
fünf operativen Berufsgruppen (Operationslagerungs-, Instrumentier-, Raumpfleger-,
Anästhesiepersonal sowie Operateure), in einer etwas moderneren Form, gültig sind
(www.svpol.ch/Geschichte.pdf).

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3. SCHÄDIGUNGSARTEN
Ebenfalls wurde bereits vor mehr als 100 Jahren über Narkoselähmungen berichtet,
wobei erkannt wurde, dass es sich um Schädigungen während der Narkose und
nicht durch die Narkose handelte. Diese schafft durch die Ausschaltung der
Schutzreflexe und den Abbau des stützenden Muskeltonus die Voraussetzungen
dafür, dass vor allem durch Druck, Zerrung und Überstreckung Schäden verursacht
werden können (sog. mechanische Lagerungsschäden). Eine unzureichende
Polsterung oder unphysiologische Lagerungsposition stellen die Hauptgründe für das
Auftreten von Lagerungsschäden dar. Hinzu kommen diverse Risikofaktoren, welche
sich zusätzlich ungünstig auf den Organismus auswirken und das Schädigungsrisiko
erhöhen. Dazu zählen:

    •   Extremes Körpergewicht (Adipositas oder Kachexie)
    •   Nikotinabusus (Duchblutungsstörungen)
    •   Männliches Geschlecht (nur bei Ulnarisläsionen; siehe auch S.7)
    •   Höheres Alter
    •   Anatomische Anomalien (z.B.: Thoracic outlet syndrome)
    •   Jede vorbestehende Polyneuropathie (z.B.: Diabetes mellitus,           Alkohol-
        abusus, Malnutrition, Urämie)

Nicht nur Nerven, sondern auch andere Strukturen des Organismus sind ein Risiko
für iatrogen verursachte Schäden. Dazu gehören:

    •   Verletzungen der Haut und Weichteile
    •   Gelenke und Bandapparat
    •   Gefässe
    •   Verletzungen der Augen
    •   Schäden peripherer Nerven und Plexus

3.1. Haut und Weichteile
Die länger dauernde Immobilisierung auf dem Operationstisch kann zu Dekubiti
unterschiedlichen Grades führen. Besonders gefährdet sind exponierte Stellen wie
Fersen, Gesäss oder das Kreuzbein. Neben der lokalen Druckeinwirkung kommen

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meist weitere ungünstige situationsbezogene Faktoren hinzu wie lange Bettlä-
gerigkeit, längere Hospitalisation, eine schlechte Perfusion durch anhaltende
Hypotoniephasen oder intraoperative Hypothermie.
Nicht zu unterschätzen sind die chemischen Lagerungsschäden (Desinfektions-
lösungen), die zu Blasenbildung bis hin zum Ablösen der Haut führen können.
Einerseits können Patienten allergisch auf Chemikalien reagieren, andererseits kann
es durch zu grosszügigem Gebrauch von Desinfektionsmitteln dazu kommen, dass
die unter dem Patienten befindende „Pfütze“ zu starken Hautirritationen führen kann.
Elektrische Lagerungsschäden (Verbrennungen) entstehen durch unsachgemässen
Gebrauch von Elektrogeräten im Ops wie defekte Kabel, vergessene Erdungsplatte
am Patienten oder kaputte Wärmematten, die zu heiss eingestellt sind (Bund, Heine
& Jaeger, 2005).

3.2. Gelenke und Bandapparat
Dem anästhesierten Patienten sind seine Schutzreflexe und Schmerzreaktionen
aufgehoben. Nicht selten sind sie ebenfalls mit Muskelrelaxantien relaxiert. Forcierte
Bewegungen können dadurch zu Schäden am Gelenk- und Bandapparat führen.
Deshalb ist es sehr wichtig, ausgelagerte Extremitäten vor dem Herabfallen zu
sichern und genügend Helfer zum Umlagern organisieren.
Speziell zu erwähnen sind hier die Rückenschmerzen, die laut Larsen (Larsen, 2006)
recht häufig von den Patienten beklagt werden. Ursächlich ist hier ebenfalls die
Relaxierung des Patienten resp. die rückenmarknahe Regionalanästhesie. Durch die
Erschlaffung der Rückenmuskulatur werden die hinteren Bänder und Muskeln stark
gedehnt, was zu postoperativen Rückenbeschwerden führen kann.

3.3. Gefässe
Zu Gefässschäden kommt es, wenn solche an exponierten Stellen massiv
komprimiert, oder wenn durch extreme Lagerungen Gefässe abgeknickt werden.
Besonders gefährdet sind zum Beispiel Patienten mit einer peripheren arteriellen
Verschlusskrankheit in Steinschnittlage. Durch Abknicken der unteren Extremitäten
sind sie besonders Ischämiegefährdet.

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Auch besteht die Gefahr, dass durch eine längerdauernde, lagerungsbedingte
Gewebshypoxie         ein   Kompartment-Syndrom   entstehen   kann.   Ein    spezielles
Augenmerk ist bei der Blutsperre geboten. Der Manschettendruck (100 – 150 mmHg
über dem systolischen Blutdruck gilt als ausreichend!) und die Anwendungsdauer
(höchstens zwei Stunden), sollten eingehalten werden, wenn man eine ischämische
Gewebsschädigung verhindern will. Eine Solche kann zu Nervenläsionen, Muskel-
schwäche, Rhabdomyolyse oder Kompartment-Syndrom führen.
„Shunt“-Arme werden dick in Watte gehüllt, locker fixiert und gegen Druckeinwirkung
durch eine angepasste Polsterung geschützt (Larsen, 2006; Pallmert).

3.4. Augen
Eine Hornhauterosion kann eine Folge sein von verminderter Tränenflüssigkeit oder
einer direkten Verletzung z.B. durch die Gesichtsmaske, Fingernägel, Katheter oder
Klebetücher. Starker Druck auf den Bulbus und Orbita kann zu einer Visusminderung
führen. Bereits nach zehnminütiger Druckeinwirkung in Bauchlage wurde sogar eine
irreversible Erblindung beobachtet (Pallmert).
Die beste Prophylaxe von Augenverletzungen sind geschlossene Augenlider und
eine druckfreie Lagerung des Orbitabereichs. Ausserdem können intraoperativ
künstliche Tränenflüssigkeit oder Augensalben angewendet werden (Larsen, 2006).

3.5. Nerven
Bedeutsame neurologische Komplikationen für den Anästhesisten im Zusammen-
hang mit der Lagerung betreffen fast ausschliesslich die peripheren Nerven.
Der periphere Nerv besteht stark vereinfacht aus dem Axon als zentrale leitfähige
Struktur, der Myelinscheide als Isolator und der Synapse als Übertragungsort für
chemische Transmitter.
Nicht vergessen werden dürfen die kleinen Blutgefässe, die jeder Nerv enthält. Wird
der Nerv komprimiert, kommt es sehr schnell zu einer Ischämie.
Hält die Druckeinwirkung und damit die Ischämie an, kommt es zu einer Läsion der
Myelinscheide. Diese wird als Läsion 1. Grades oder „Neuropraxie“ bezeichnet, was
zu einer vorübergehenden Blockade der Impulsleitung führen kann. Die spontane
Ausheilung dauert meist nur Tage bis wenige Wochen.

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Bei einer schweren Druckläsion kommt es zusätzlich zur Unterbrechung des Axons,
was als Läsion 2. Grades oder als „Axonotmesis“ bezeichnet wird. Das Axon muss
neu ausspriessen, und zwar mit einer Wachstumsgeschwindigkeit von 1-2 mm pro
Tag. Eine spontane Ausheilung dauert hier je nach Streckenlänge, welche die neu
aussprossenden Axone überbrücken müssen, viele Wochen bis Monate.
Eine Nervenläsion 3. Grades („Neurotmesis“), bei denen auch die bindegewebige
Hülle des Nerven zerstört wird, tritt (im Gegensatz zu Stich- oder Schnittver-
letzungen) bei alleiniger Druckeinwirkung nur in Ausnahmefällen auf (Bund, et al.,
2005; Larsen, 2006).

3.5.1. Plexus brachialis
Aus diesem „Armgeflecht“ entspringen viele Nerven und Gefässe.
Ursprung:
         C5-TH1. Die Nerven gruppieren sich unterhalb der Clavicula um die A.axillaris
         und teilen sich dann in die Armvenen auf. Beim
         Austritt aus dem Wirbelkanal sind die Nerven durch
         eine Faszie an die Wirbelsäule, und im weiteren
         Verlauf an den Humeruskopf fixiert. Zwischen diesen
         beiden Punkten verlaufen die Nerven in sehr enger
         Nachbarschaft mit Knochen (1.Rippe/Clavicula). 4
                                                                                                      4
                                                                          Bild 1: Plexus brachialis
Folgen:
         Durch diese Gegebenheit ist eine Dehnung des Plexus schnell einmal möglich
         mit der Folge von Nervenläsionen, ebenfalls von Gefässkompressionen mit
         nachfolgenden Ischämien in den zu versorgenden Gebieten.
Klinische Bedeutung:
         Eine Schädigung des Plexus brachialis kann zu charakteristischen Teilausfällen
         der Muskeln der oberen Extremität führen, ebenso zu einer Sensibilitätsstörung.
Praxis:
     •    Schulterabduktion nicht über 90°
     •    Keine Rotation des Kopfes zur Gegenseite eines abduzierten Armes
     •    Keine Hyperextension des Halses

4
    Quelle Bild 3: http://www.nccn.nl/nccn/patienteninfo/zenuwletsel/perifere_zenuwen

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    •    Entlastung der unteren Axilla in Seitenlage
    •    Schultergürtel nicht zurückfallen lassen
    •    Vorsicht beim Anbringen von Schulterstützen. Zu nahe am Hals angebracht,
         wird der Plexus zw. Clavicula und erster Rippe komprimiert. Zu weit aussen
         angebracht, wird der Plexus, durch Verschiebung des Humeruskopfes nach
         caudal, gedehnt.
         BEACHTE: Ein „schlecht funktionierendes“ Pulsoxymeter könnte auch ein
         Hinweis auf eine Gefässkompression bei unsachgemässer Lagerung sein!

3.5.2. Nervus ulnaris
Läsionen im Bereich des N.ulnaris sind die häufigsten Lagerungsschäden.
Anscheinend wurde in einer umfangreichen Studie bewiesen, dass Männer anfälliger
auf Ulnarisläsionen seien. Dies wird in dieser Tabelle von Cheney gut ersichtlich.

        Bild 2: (Cheney, Domino, Caplan, Posner, 1999, Table 2)

Ursprung:
    Der N.ulnaris geht vom Plexus brachialis ab und zieht mit vielen Verzweigungen
    durch den Arm. Er verläuft an der Innenseite
    des Oberarmes zum Ellbogenhöcker, wo er
    am epicondylus medialis humeri durch die
    Haut tastbar und wegen seiner Oberfläch-
    lichkeit auf Druckeinwirkungen sehr verletzlich
    ist. Des weiteren zieht er ellenseitig am
    Unterarm in Richtung Hand.                               Bild 3: a) Pronation   b) Supination
                                                             (Bund, Heine & Jaeger, 2005)

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    Folgen:
    Bei Flexion des Ellbogens auf 90° nimmt der Abstand zwischen Humerus und
    Olecranon um 5 mm zu. Dabei werden der Kubitaltunnel und damit auch der
    N.ulnaris komprimiert. In Pronationsstellung ist der Nerv ganz besonders
    druckgefährdet. In Supinationsstellung wird er durch das Olecranon geschützt.
    Eine Lagerung in dieser Stellung ist jedoch keine Garantie, dass keine
    Schädigungen auftreten können.
Klinische Bedeutung:
    Patienten klagen über Sensibilitätsstörungen im vierten und fünften Kleinfinger.
    Ulnarisversorgte Handmuskeln beeinträchtigen ebenso die Feinmotorik, des
    Weiteren sind ein schwacher Händedruck oder Krallhände beschrieben.
Praxis:
    •   Keine Pronation
    •   Keine Adduktion
    •   Keine Flexion
    •   Keine übermässige Schulterrotation
    •   Luftdruckmanschetten möglichst hoch am Oberarm anbringen, nicht über dem
        Ellbogengelenk festmachen
    •   Gute Abpolsterung des Ellbogens, resp. des Handgelenkes
    •   Die Arme während der Operation regelmässig bewegen
    •   Korrekt ist: Vorderarm in Supination oder Neutralstellung positionieren

3.5.3. Nervus radialis
Ursprung:
    Der N.radialis geht vom Plexus brachialis ab und zieht mit vielen Verzweigungen
    durch den ganzen Arm. Er windet sich durchwegs spiralförmig um den Humerus,
    mit exponiertem Verlauf auf der Oberarmaussenseite. Ebenfalls druckgefährdet
    ist er am distalen Unterarm, lokalisierbar mit einer Handbreite über dem Hand-
    gelenk auf der Armaussenseite.
Klinische Bedeutung:
    Mögliche Funktionsausfälle bei einer Schädigung ist eine Fallhand. Die Hand
    kann nicht im Handgelenk gestreckt, nicht abduziert und nur noch schwach

Edith Fässler, März 2008                                                                  8
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    supiniert werden. Ausserdem kann es zu Sensibilitätsstörungen am lateralen und
    hinteren Oberarm, am Daumen und am Handrücken führen.
Praxis:
    •   Der Arm darf nicht über die Tischkante hinunterhängen
    •   Stangen, OPS-Tuchgestänge und andere Bügel müssen einen ausreichenden
        Abstand zum Patienten aufweisen
    •   Handgelenke druckfrei und nicht zu straff fixieren

3.5.4. Nervus medianus
Ursprung:
    Er zieht wie die anderen Armnerven vom Plexus brachialis her durch den Arm. Er
    gibt uns lagerungstechnisch gesehen keine grossen Probleme.
Praxis:
    •   Vielleicht gut zu wissen, dass seine Nähe zur A.brachialis und zur V.basilica
        im Bereich der Ellenbeuge ihn beim Legen eines intravenösen oder arteriellen
        Zugangs in Gefahr bringt, und dass er bei einer paravenösen Infusion in
        diesem Bereich ebenfalls gefährdet ist.
        Die engste Stelle im Verlauf dieses Nervs ist der Karpaltunnel.

3.5.5. Nervus peronaeus
An den unteren Extremitäten wird der N.peronaeus am häufigsten lagerungsbedingt
geschädigt, und zwar in Höhe des Fibulaköpfchens.
Ursprung:
    Der N.peronaeus ist einer der beiden Hauptäste des N.ischiadicus. Er zieht
    seitlich des Knies am Fibulaköpfchen vorbei. Dort teilt er sich in zwei Äste.
Klinische Bedeutung:
    Eine Lähmung führt zur Spitzfussstellung resp. zu Sensibilitätsstörungen am
    lateralen Unterschenkel und Fussrücken.
Praxis:
    •   Kein Druck durch Stangen im Bereiche des Fibulaköpfchens
    •   Gutes Polstern in Seitenlage

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3.5.6. Nervus ischiadicus
Ursprung:
    Aus dem letzten lumbalen und den ersten drei sacralen Rückenmarkssegmenten
    (L4 –S3). Er zieht an der Dorsalseite des Oberschenkels in Richtung Kniekehle.
    Am Oberschenkel teilt er sich in N.peronaeus communis und N.tibialis.
Klinische Bedeutung:
    Bei einer Ischiadicusparese würde der Patient postoperativ vor allem über
    unangenehme Missempfindungen oder Schmerzen im Fuss klagen und erst bei
    der Mobilisation die Lähmung bemerken, die alle Unterschenkelmuskeln betrifft.
Praxis:
    •   Bei einer Hüftbeugung über 90° darf das Knie nie gestreckt sein
    •   Keine extreme Hüftaussenrotation
    •   Hüftflexion bis 90°

3.5.7. Nervus femoralis
Ursprung:
    Der N.femoralis isoliert sich aus dem Plexus lumbosacralis und hat seinen
    Ursprung aus dem ersten bis vierten Lendensegment (L1-L4).
Klinische Bedeutung:
    Eine Femoralislähmung kann zu schwerwiegenden Bewegungsstörungen führen.
    Das aktive Beugen des Hüftgelenks kann nicht mehr erfolgen.
Praxis:
    •   Sorgfältige Polsterung der Leiste in Bauchlage
    •   Keine starke Abduktion des gestreckten Beines
    •   Keine starke Aussenrotation des Beines

(Basisdokument, 2003, Bund, et al., 2005, Von Büren, 2008, Pallmert, Szadkowski,
2006, Krettek & Aschemann, 2006)

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   Bild 6: Überblick über gewebeschädigende Druckpunkte (Gomes & Stanko, 2006)

    Bild 7: Überblick über nervenschädigende Druckpunkte (Gomes & Stanko, 2006)

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3.6. Inzidenz von Lagerungsschäden
Die Inzidenz von Lagerungsschäden in Deutschland wird von Oexmann und Wienzek
(2006) mit etwa 50 pro 10`000 Narkosen angegeben, davon Nervenläsionen in 6 bis
12 von 10`000 Narkosen, was 0.12% entspricht. Am häufigsten betroffen waren der
Plexus brachialis, N.ulnaris, N.radialis und N.peronaeus. Im Review von Cheney
(1999) hingegen fanden sie 670 Nervenschäden von insgesamt 4`183 untersuchten
Fällen. Dies entspricht 6%, was im Vergleich zu Oexmann und Wienzek (2006) ein
Mehr von 133% wäre.
In dieser Tabelle gilt aber zu berücksichtigen, dass alle Regionalanästhesieschäden
dazugezählt wurden! Ebenfalls zu berücksichtigen sind die verschiedenen Auswahl-
kriterien, wie diese Zahlen zustande gekommen sind. Weniger ist hier die
Betrachtung der Zahlen interessant, sondern zeigt uns die Tabelle die Relation
zwischen den einzelnen betroffenen Nerven in absteigender Reihenfolge auf.

Bild 8: (Cheney, 1999, Table 1)

Im Bild 9 sehen wir eine genauere
Betrachtung des Plexus brachialis.
10% von 83 untersuchten Fällen
bezogen sich auf die Patientenla-
gerung (durch falsche Armlagerung, Bild 9: (Cheney, 1999, Table 5)
Kopf überstreckt, oder durch Schul-    “Factors associated with Brachial Plexus Injuries”

terstützen). 16 % der Plexusschäden wurden jedoch durch Regionalanästhesien
(Block) verursacht.

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Die aktuellste Graphik vom USB5 über Hautverletzungen und Nervenläsionen besagt,
dass im 2006 bei fünf Patienten Nervenläsionen entstanden. Allerdings war die
Ursache das Legen von diversen Kathetern wie z.B. die Einlage des PICCO`s auf
der Intensivpflege, zentrale Venenkatheter und arterielle Kathetereinlagen bei
Herzpatienten. Es entstanden also keine lagerungsbedingten Nervenschäden.
Eindrücklich ist jedoch die differenzierte Graphik der Hautverletzungen, wobei auch
hier nicht alle auf Lagerungsschäden zurückzuführen sind. 


Bild 10: (Monte, Datenanalyse USB, 2008)

FACIT: Die Studienangaben über intraoperativ verursachte Lagerungsschäden
            fielen im Vergleich mehrerer Studien sehr unterschiedlich aus. Mannigfaltige
            Auswahlkriterien wie die Altersgruppe, die ASA-Klassifikationen, die Dauer
            der Operation oder eine spezielle Lagerungsposition erschwerten eine
            konkrete Nennung von Zahlenangaben. Betrachten wir jedoch die Trend-
            darstellung, in welcher z.B. das Verhältnis von der Lokalisation der
            Nervenschädigung zur auftretenden Häufigkeit darstellt, ist klar der N.ulnaris
            und Plexus brachialis am verletzlichsten. Die Studien zeigen auch auf, dass
            intraoperative Lagerungsschäden existieren und wir durch eine sorgfältige
            Lagerung solche vermindern können.

5
    Universitätsspital Basel

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4. „BEST- PRACTICE“ - LAGERUNGEN
Wie ich schon in der Einleitung erwähnt habe, führe ich in diesem praktischen Teil
meiner Diplomarbeit Theorie und Praxis zusammen, und versuche anhand von
den vier geläufigsten Lagerungsformen (Rückenlage, Bauchlage, Seitenlage,
Steinschnittlage)       die       wesentlichsten    Punkte      für   eine    optimale    Lagerung
herauszufiltern.
Es ist wichtig, dass man jeden Patienten in der Vorbereitung nach der
Bequemlichkeit der Liegeposition fragt. Hier können schon allfällige Schonhaltungen
vom Patienten übernommen werden, und man gibt ihm ein Gefühl von Ernst-
Nehmen, Vertrauen schenken und Wohlbefinden fördern.
Die Informationsquelle im OP-Programm gibt uns die Art der Lagerung an. Unter der
Berücksichtigung            der    Lagerungswahl         (Diagnose,    Topographie,       Zugangs-
möglichkeiten,      Begleiterkrankungen)           und    des   Patientengutes      (junger,    alter,
verwirrter, prämedizierter Patient), wird eine möglichst schonende Lagerungsposition
angestrebt.
Unter die allgemeinen Regeln gehören:

    •   Komfort und Sicherheit für den Patienten gewährleisten (Intimsphäre, Wärme,
        Patient nie alleine lassen)
    •   Keine Apparate bedienen, die nicht beherrscht werden (z.B. Fernsteuerung
        des Ops -Tisches)
    •   Kontrolle aller Kabel, Schläuche, Konnektionen vor und nach dem Lagern
        kontrollieren
    •   Wichtige     Infos        aus   der   Krankengeschichte       an     die   Lagerungspflege
        weitergeben
    •   Das Kommando für eine Lageveränderung trägt IMMER der Anästhesist, der
        am Kopfende des Patienten steht. Er sichert beim Umlagern den Kopf und
        den Endotrachealtubus
    •   Nicht unbedingt erforderliche Monitor- und Infusionsleitungen werden
        diskonnektiert, eine längere Überwachungslücke darf aber nicht auftreten
    •   Auch der Tubus wird kurzzeitig von der Beatmung diskonnektiert, um eine
        Dislokation durch Zug sicher zu vermeiden

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    •   „Final Lagerungs-Check“: vor dem Abdecken der sterilen Tücher wird die
        korrekte Lagerung durch die Anästhesie nochmals kontrolliert
        (Schori, zitiert in Gomes & Stanko).

Bei der Patientenlagerung für die Operation ist das Beachten der drei wichtigsten
Prophylaxen von grosser Bedeutung.

Dekubitusprophylaxe:
Wichtig für die Dekubitusprophylaxe ist die Weichlagerung. Aber auch die Sorge für
eine gute Durchblutung, das Verhindern von Auskühlung und das möglichst rasche
Vorgehen zur Verhinderung langer Liegezeiten gehören dazu.
Weiche Unterlagen machen nichts anderes, als dass sie die Auflagefläche
vergrössern. Je mehr sich die Unterlage der aufliegenden Körperfläche anpasst,
umso besser verteilt sich der Druck, und umso geringer ist der Druck pro cm2.

Kontrakturprophylaxe:
Eine Kontraktur entsteht, wenn ein Gelenk längere Zeit nicht durchbewegt wird. Mit
einer physiologischen Lagerung kann man schon viel vorbeugen, was aber ein
aktives,    halbstündliches   Bewegen     der   Gelenke   nicht   ausschliesst.     Kurze
Eingriffszeiten sind auch hier ein wichtiger Faktor.

Thromboseprophylaxe:
Sie ist eine wichtige Massnahme zur Genesung des Patienten. Intraoperativ tragen
die Patienten Antithrombosestrümpfe, und postoperativ wird eine frühzeitige
Mobilisation gefördert. Zusätzlich erhalten die Patienten täglich eine blutverdünnende
Injektion bis zur vollen Mobilisation, oder je nach beurteiltem Risiko allenfalls auch
länger (Gomes, 2004).

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4.1. Rückenlage (RL)
Kopf und Hals:
    •   Den Kopf auf einem Gelkissen oder einem Kopfring lagern, dass sich die
        Halswirbelsäule in Mittelstellung befindet, ruckartige seitliche Drehungen des
        Kopfes sind zu vermeiden
    •   Bei knöchernen Erkrankungen der Halswirbelsäule soll versucht werden, die
        im Wachzustand vom Patienten eingenommene Haltung beizubehalten
    •   Ein optimaler Augenschutz wird durch Augensalbe und Zukleben der Lider
        erreicht
     Gefährdete Stellen sind: Plexus brachialis, Hinterkopf, spina scapulae!

Arme:
ANGELAGERT:
    •   Die Arme können am Körper angelagert sein,
        mit Polsterung am Ellenbogen und mit einer
        Stoffrolle in der Hand versehen. Achtung vor
        anlehnenden Operateuren! Zur Entlastung des
        Plexus brachialis kann hier das Schlüsselbein Bild 11: Arm angelagert
        durch ein Polster unter der Schulter von der ersten Rippe abgehoben werden.
AUSGELAGERT:
    •   Der Arm darf maximal 90° abduziert werden
    •   Das Drehgewind des „Armbänkli“ wird auf der
        Seite auf Schulterhöhe fixiert
    •   Anheben des ausgelagerten Armes decken- Bild 4: Arm ausgelagert (Krettek
        wärts über das Niveau des Schultergelenkes, & Aschemann, 2006)
        ev. mit Unterpolsterung der Schulter
    •   Das Auslagern des Armes geschieht auf einer gepolsterten Schiene
    •   Der Oberarm wird im Schultergelenk leicht innenrotiert, das Ellenbogengelenk
        leicht gebeugt und die Hand supiniert
    •   Die ganze Hand muss auf der Schiene gelagert sein – ein hinunterhängen
        lassen des Handgelenkes ist strengstens zu vermeiden
    •   Lange Arme können auch Ellenbogenfrei gelagert werden. Der aufliegende
        Druck muss sich gleichmässig auf den Unterarm verteilen können

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HOCHGELAGERT:
    •    Der Winkel zw. Thorax und Oberarm darf maximal 90° betragen
    •    In der Ellenbeuge wird ebenfalls 90° flektiert, auf das Schultergelenk und den
         Plexus brachialis darf kein Zug ausgeübt werden
     Gefährdete Stellen sind: N.ulnaris, N.radialis, Plexus brachialis, Olecranon,
         epicondylus medialis!

Beine:
    •    Die Hüfte und das Kniegelenk sind leicht
         gebeugt zu lagern
    •    Beine entkreuzen
    •    Achillessehne und Ferse dürfen nicht über den Bild 5: korrekt gelagerte Beine
         Operationstisch hinausragen                       (Krettek & Aschemann, 2006)

     Gefährdete Stellen sind: N.peronaeus, Fersen!

Wirbelsäule:
    • Durch Lagerungskissen am wachen Patienten die schmerzhaften Bereiche
         entlasten.

4.2. Seitenlage (SL)
Kopf:
    •    Die Halswirbelsäule in gerader Linie zur Brustwirbelsäule lagern
    •    Das Ohr muss auf dem Kopfpolster frei liegen
    •    Die Augen sind frei zugänglich, gesalbt und zugeklebt
     Gefährdete Stellen sind: Plexus brachialis, Ohr!

Schultern und Arme:
    •    Der darunterliegende Arm wird leicht aussenrotiert, Vorderarm in Supination,
         ganzer Arm auf der gepolsterten Schiene
    •    Die untere Schulter wird so weit nach vorne gezogen, dass das Schulterblatt
         am Rücken keine Stufe mehr bildet

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    •    Den obenliegenden Arm nicht über 90° cranial dehnen, die ganze Hand ist auf
         der Stütze aufgelagert und fixiert
     Gefährdete Stellen sind: Plexus brachialis, N.radialis, N.ulnaris, Acromion,
         Olecranon, Epicondylus medialis!

Beine:
    •    Weiches Kissen zwischen die Beine legen, so dass sie sich nicht mehr
         berühren
    •    Freilagerung des lateralen Knöchelbereichs.
     Gefährdete Stellen sind: N.ischiadicus, N.fibularis, N.peronaeus, Fussnerven,
         Trochanter major, Malleolus!

Achtung: Falls eine Vakuummatratze benutzt wird und die Luft schon abgesaugt
wurde (Matratze ist hart!), darf die Lage des Patienten nicht mehr verändert werden.
Sonst drohen Druckstellen unterschiedlichen Grades.

Bild 6: Seitenlage von vorne (Krettek                  Bild 7: Seitenlage von hinten (Krettek
& Aschemann, 2006)                                     & Aschemann, 2006)

4.3. Bauchlage (BL)
Kopf:
    •    Korrekte Kopfschale wählen, damit Tubus, Nase und Augen frei sind und
         nirgends aufliegen
    •    Den Tubus mit Pflasterfixation so sichern, dass aus dem Mund heraus-
         fliessender Speichel eine Extubation durch Zug verhindert wird
    •    Die Augäpfel zusätzlich mit Tupfer polstern
    •    Der Kopf wird auf gleicher Höhe mit der Hals- und Brustwirbelsäule gelagert

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    •    Gerades, achsengerechtes Lagern des Kopfes (kein Drehen zur Seite)
    •    Wenn es geht, den Kopf alle 30 min wenig nach links und nach rechts drehen
         zur Entlastung des Druckpunktes
     Gefährdete Stellen sind: Augapfel, Nase, N.trigeminus, N.facialis!

Rumpf und Becken:
    •    Der Bauch wird frei gelagert
    •    Die Polsterung darf nicht zu weit axillär liegen
    •    Die Mamillen von Patientinnen cranial medial positionieren
    •    Männliche Genitalien liegen frei
     Gefährdete Stellen sind: Kompression von Mamillen und Genitalien, Plexus
         brachialis, Vena-Cava-Compressionssyndrom!

Arme:
    •    Die Arme sind ausgelagert
    •    Die Arme nicht über die Horizontalebene der Schulter lagern
    •    Ellenbeuge gut polstern oder frei lagern
    •    Die Arme maximal 90° abduzieren
    •    falls die Arme angelagert sein müssen, dann mit der Handfläche nach oben.
     Gefährdete Stellen sind: Plexus brachialis, N.ulnaris, Olecranon!

Beine:
    •    Die Patella frei lagern
    •    Die Zehen nicht aufliegen lassen
     Gefährdete Stellen sind: Patella, Zehen, Nerven und Sehnen am Fussrücken!

  Bild 16: Bauchlage (Krettek &                             Bild 17: Kopfposition in BL
  Aschemann, 2006)                                          (Krettek & Aschemann, 2006)

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4.4. Steinschnittlage (SSL)
Kopf und Arme:
    •    Für das Lagern des Kopfes und der Arme gilt das gleiche Prinzip wie bei der
         Rückenlage
Beine:
    •    Die in STIEFELN gelagerten Beine dürfen maximal 45° gespreizt werden
    •    Die Hüfte wird max. 100°, besser jedoch nur 90 ° flektiert
    •    Die Knie werden ebenfalls 90° gebeugt
    •    Die in BEINSCHALEN gelagerten Beine dürfen ebenfalls max. 45° gespreizt
         werden, die Oberschenkel sind leicht aussenrotiert
    •    Die Knie genau in die Schalenwölbung positionieren
     Gefährdete Stellen sind: N.ischiadicus, N.peronaeus, N.femoralis!
     Das Hochlagern der Beine bewirkt eine Autotransfusion von bis zu 600 ml
         Blut! Cave vor respiratorischen und zirkulatorischen Veränderungen!
     Umgekehrt stellt sich bei der Zurücklagerung das Problem eines plötzlichen
         Volumenmangels durch Abnahme des venösen Rückstroms!

    Bild 18: Steinschnittlage in Stiefeln       Bild 19: Steinschnittlage in Beinschalen
    (Krettek & Aschemann, 2006)                 (Bildquelle URL-Adresse unbekannt)

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5. JURISTISCHER ASPEKT

5.1. Aufbau unseres Rechtssystems
Die Schweiz ist auf vier Gesetzesbücher aufgebaut. Kurz gesagt ist die
Bundesverfassung (BV) das Gesetz aller Gesetze. In der Verfassung ist der
politische Wille des Staates, eine Demokratie zu sein, niedergeschrieben. Ebenso
wird darin festgelegt, wie diese „Demokratie“ organisiert ist. Sie ist in drei Gewalten
aufgeteilt. Die Legislative (Parlament macht die Gesetze), die Exekutive (Verwaltung,
die die Gesetze anwendet) und die Judikative (das Gericht sorgt für das Einhalten
der vorgegebenen Gesetze).

Ein anderes Organisationsprinzip ist die Aufgabenteilung zwischen Bund und
Kantonen (Föderalismus). Hier gilt der Grundsatz: Die Kantone sind zuständig,
sofern eine Aufgabe nicht ausdrücklich dem Bund übertragen wird.
Schliesslich regelt die Bundesverfassung auch die Stellung des Bürgers in der
Gesellschaft, das Wahlrecht, sowie die Freiheitsrechte.

Das Zivilgesetzbuch (ZGB) gehört in den privaten Haushalt. Es regelt das
Familienrecht, Kindsrecht, Vormundschaftsrecht, sowie Erbrecht.

Das Obligationenrecht (OR) regelt Verträge. Es enthält Bestimmungen für die
Handels- und Geschäftswelt.

Das Strafgesetzbuch (StGB) regelt menschliche Verhaltensweisen, die die
Gesellschaft nicht toleriert, mit Strafe.

Allgemeine wissenswerte Hinweise:

    •   Wichtig für die Pflegeberufe zu wissen ist die Einteilung des Rechts. Man
        unterscheidet zwischen öffentlichem und privatem Recht. Der Unterschied ist
        sehr komplex und nicht einfach verständlich. Im Gesundheitswesen ist dieser
        Unterschied jedoch sehr zentral, deshalb wird er hier noch speziell erwähnt.

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        Wer in einem öffentlichen Spital arbeitet, untersteht öffentlich-rechtlichem
        Arbeitsrecht. Wer dagegen z.B. von einem privaten Spital angestellt ist,
        untersteht dem privaten Recht nach dem Einzelarbeitsvertrag des OR
        (Schneider, 1994; Landolt, 2004).

    •   Für die Spitäler sind grundsätzlich die Kantone zuständig.

    •   Die    Zahl    der   veröffentlichten   Bundesgerichtsentscheide     zu   ärztlichen
        Haftungsfällen ist auch in der Schweiz am Zunehmen. Allerdings wurden die
        meisten Fälle von den Beteiligten bis jetzt gütlich beigelegt. Seitens des
        Bundesgerichts (oberste nationale Gerichtsinstanz) liegen diesbezüglich noch
        zuwenig wegweisende Urteile vor.

    •   Im Spitalbereich ist es auf Grund der Vielzahl der Beteiligten schwierig, die
        Haftung festzustellen, wenn ein Schaden eintritt.

    •   Die genaue Darstellung des Haftungssystems im Gesundheitswesen ist
        komplex und mit diversen Artikeln des OR verstrickt. Dazu ist jeder einzelne
        Artikel mit definierten Voraussetzungen oder Entlastungsbeweisen gespickt,
        die erbracht werden müssen, um ein Gesetz überhaupt anwenden zu können.

    •   Bei den in der letzten Zeit durchgeführten Revisionen von kantonalen
        Gesundheitsgesetzen wurde festgestellt, dass verschiedene Gesundheits-
        berufe zunehmends selbständiger arbeiten und nicht mehr grundsätzlich unter
        der Aufsicht der Ärzte stehen.

5.2. Juristische Grundlagen des Arbeitsverhältnisses
Rechtsgrundlage für das Arbeitsverhältnis bilden:
    •   Arbeitsvertrag
    •   Personalreglement
    •   Berufsbild

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Schriftliche Diplomarbeit                                Intraoperative Patientenlagerung

Im Arbeitsvertrag werden dann die spezifischen Details geregelt, auf die im Falle
einer Unklarheit, zurückgegriffen wird. Je detaillierter der Arbeitsvertrag ausgear-
beitet ist, umso klarer und einfacher wird die Handhabung sein. Im Falle einer
Konfliktsituation sind deshalb alle Grundlagen zur Beurteilung zuzuziehen.

Das Personalreglement regelt neben allgemeinen Inhalten wie Arbeitszeit, Ferien
usw. auch Elemente, die vom Arbeitgeber als relevant und für den Betrieb als
praktikabel bezeichnet werden. Dieses Personalreglement ist Bestandteil des
Anstellungsverhältnisses und somit rechtsgültige Grundlage.

Im Berufsbild (Dokument des Berufsverbandes, in dem kantonale Grundlagen
definiert und berufsspezifische Fähigkeiten dokumentiert sind) wird festgehalten,
welche Arbeiten aufgrund der absolvierten Ausbildung und Qualifikation selbständig
oder unter Beaufsichtigung ausgeführt werden können.

6. ANWENDUNGSBEISPIEL

6.1. Wer fühlt sich verantwortlich für die Patientenlagerung im Ops?
Am Anfang des operativen Eingriffes steht die Lagerung des Patienten auf dem
Operationstisch. Sie soll einerseits für den Operateur optimale Voraussetzungen für
den spezifischen Eingriff schaffen, andererseits dem Anästhesisten die Überwa-
chung und Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen nicht erschweren und die Gefahr
von Lagerungsschäden möglichst gering halten.

Der Patient wird am USB von einem speziellen Mitarbeiter, der als Lagerungspfleger
ausgebildet ist, in Empfang genommen und zuerst einmal auf einen für diese Art der
Operation vorgesehenen weichen Operationstisch umgelagert. Nach erfolgter
Anästhesierung des Patienten wird dieser vom Anästhesieteam (Lagerungspflege,
Anästhesiepflege, Anästhesiearzt, ev. Operateur) in die korrekte Lagerung gebracht.
Alle im Team erzielen eine möglichst schonende, Schäden verhindernde und
trotzdem für alle Ansprüche geeignete Lagerung. Somit fühlen sich alle im Team
verantwortlich für eine gute Lagerung des Patienten.

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6.2. Ein Lagerungsschaden entsteht. Wer ist juristisch haftbar?
Gemäss den kantonalen Gesetzen über die Ausübung der Medizinalberufe ist die
Durchführung der meisten Behandlungen, zumindest der Invasiven, dem Arzt
vorbehalten. Die anderen Gesundheitsberufe arbeiten meist unter der Aufsicht eines
Arztes (Prinzip der Delegation, wobei gewisse Delegationsvoraussetzungen zu
beachten sind!), der normalerweise für allfällige Schäden haftet, die sie im Rahmen
ihrer Tätigkeit verursachen. Der Arzt haftet allerdings nicht, wenn die Angehörigen
der Gesundheitsberufe ihre Kompetenzen überschreiten oder ihren Beruf selbständig
ausüben (Vollenweider, 2001).

Im Spital wird im Allgemeinen in Teams gearbeitet, das sich aus Ärzten,
Pflegepersonal und weiteren Gesundheitsfachleuten zusammensetzt. Durch den
andauernden Fortschritt der Medizin und der Bewältigung immer zahlreicheren und
komplexeren Aufgaben, ist es notwendig, dass die Ärzte die Leistung von
qualifizierten Hilfspersonen6 in Anspruch nehmen.

Aufgrund der offiziellen Befähigung, die die einzelnen Berufsgruppen durch ein
eidgenössisches Diplom nachweisen, erlangen sie eine höhere Kompetenz und
Selbständigkeit. Dies führt dazu, dass diese Personen eine eigene Haftung trifft.
Auch hat der Gesetzgeber die Ausübung der Medizin zwischen den so genannten
„Medizinalberufen“ aufgeteilt und den Ärzten die Möglichkeit eingeräumt, einen Teil
ihres Tätigkeitsmonopols an die medizinischen Hilfspersonen zu delegieren. Diese
Hilfspersonen sind somit nicht mehr untergebenes Personal, sondern erhalten den
Status von qualifiziertem Fachpersonal. Die Qualifikation muss nachgewiesen sein
(Schneider, 1994).

Unselbständigerwerbendes Pflegepersonal steht in keinem direkten Vertrags-
verhältnis zum Patienten, sondern zum Arbeitgeber (Spital, Heim oder Spitexbetrieb),
bei dem es angestellt ist. In der Regel handelt es sich dabei um einen privaten

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    Eine Hilfsperson wird im juristischen Sinne als Hausgenosse und Arbeitnehmer der haftbaren Person
bezeichnet. Der Begriff ist keinesfalls eine Bezeichnung der Funktion oder der Stufe der Ausbildung:
das sind z.B. Mitarbeiter im Labor, in der Röntgenabteilung, in der Hotellerie tätiges Personal,
Pflegepersonal oder Mitarbeiter im Ops.

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Arbeitsvertrag (Art. 319ff OR) oder ein öffentlich-rechtliches Angestelltenverhältnis.
Dem Arbeitgeber steht ein allgemeines Weisungsrecht zu. Im Artikel 321d ff OR ist
die Befolgung von Anordnungen und Weisungen festgehalten:

    •   „1) Der Arbeitgeber kann über die Ausführung der Arbeit und das Verhalten
        der Arbeitnehmer im Betrieb oder Haushalt allgemeine Anordnungen erlassen
        und ihnen besondere Weisungen erteilen.
    •   2) Der Arbeitnehmer hat die allgemeinen Anordnungen des Arbeitgebers und
        die ihm erteilten besonderen Weisungen nach Treu und Glauben zu befolgen.“

Das Weisungsrecht beinhaltet ebenfalls eine Instruktionspflicht. Der Arbeitgeber
muss bei der Auswahl, Instruktion und Überwachung der Arbeitnehmer die gehörige
Sorgfalt walten lassen (vgl. Art. 55 und 101 OR). Ebenso verpflichtet sich der Arbeit-
nehmer zum Einholen von Instruktionen (Vollenweider, 2001).

Vereinfacht ausgedrückt bedeutet dies, dass wir Pflegekräfte durch den Erhalt
unseres Fähigkeitsdiplomes als Dipl. Anästhesiepflegepersonal eine gewisse
ausübende Selbständigkeit, höhere Fachkompetenz und Verantwortlichkeit erlangen.
Im Arbeitsverhältnis sind unsere Aufgaben und unsere Qualifikationen beschrieben
und festgelegt. Wir arbeiten jedoch in einem Beruf, in dem sich pflegerische und
ärztliche Tätigkeiten nicht scharf voneinander trennen lassen. Grundsätzlich ist jeder
für sein eigenes Verhalten haftbar. Trotzdem sind Gesetze notwendig, in denen
dieser unklare „Graubereich“ möglichst gering gehalten werden sollte. Das
allgemeine Weisungsrecht befähigt den Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer besondere
Qualifikationen zu erlassen, der diese zu befolgen hat. Damit dieses Gesetz zur
Anwendung kommt, muss der Arbeitgeber wegen der dazugehörigen Instruktions-
pflicht den Arbeitnehmer angemessen über seine Aufgaben instruieren und anleiten
(Art. 55 / 101 OR).

Der Arzt und die Gesundheitsfachleute haften persönlich für Schäden, die sie ihren
Patienten zufügen (Regel über die Vertragshaftung Art. 97 OR / 398 OR und Haftung
für unerlaubte Handlungen Art. 41 OR). Der Geschäftsherr kann jedoch auch für die
Schäden haftbar gemacht werden, die seine Mitarbeiter verursacht haben. Dies wird
im OR, Artikel 55 (Bundeskanzlei, 1995, S. 14) dargelegt:

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         “1. Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder
              andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen
              Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle
              nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen
              Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei
              Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.
          2. Der Geschäftsherr kann auf denjenigen, der den Schaden gestiftet hat,
              insoweit Rückgriff nehmen, als dieser selbst schadensersatzpflichtig ist.“

Dieses Gesetz sagt aus, dass in diesem Falle das Spital für den Schaden haftet, den
seine Arbeitnehmer verursachen. Der Arbeitgeber kann sich jedoch von der Haftung
befreien, wenn die drei folgenden Entlastungsbeweise erbracht werden:
    •   Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer mit der gebotenen Sorgfalt aus-
        wählen und sich vergewissern, dass dieser über angemessene Eigenschaften,
        Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt.
    •   Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer für diese Aufgaben angemessen
        anleiten.
    •   Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer über das Ausführen seiner Verrich-
        tungen angemessen überwachen.

Im Merkblatt zum Arbeitsverhältnis beim Kanton Basel-Stadt wird die Haftbarkeit
folgendermassen ausgedrückt:
„Wenn eine Mitarbeitende/ein Mitarbeitender bei der Ausübung seiner Aufgaben
einem Dritten widerrechtlich einen Schaden zufügt, haftet primär der Staat. Dieser
kann jedoch auf die Mitarbeitende/den Mitarbeitenden Rückgriff nehmen, so weit der
Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurde. Ebenso haftet die/der
Mitarbeitende für den widerrechtlichen Schaden, den sie/er vorsätzlich oder grob
fahrlässig direkt dem Staat zugefügt hat.“

FACIT: Man könnte dem Rechtssystem vorwerfen, dass es das Spitalpersonal von
          seiner Verantwortung entbindet, da in erster Linie das Spital für die Schäden
          haftet, die den Patienten zugefügt werden. Es ist daran zu erinnern, dass
          sowohl die Ärzte als auch das Pflegepersonal auf jeden Fall auf strafrechtli-
          cher oder disziplinarischer Ebene individuell belangt werden können.

Edith Fässler, März 2008                                                                  26
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