Islam Schwerpunktthema - Jahrgang No. 2 März 15 - Kreisjugendring München-Stadt
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18. Jahrgang • No. 2 • März 15 Schwerpunktthema Islam www.kjr-m.de Hey Tom, don‘t make it bad ... Kunstvolle Baustelle mit Baklava und Brezn Demokratiescouts für München
2 Inhalt Aktuell Impressum Hearing im Kinder- und Jugendhilfeausschuss Ausgabe 2/2015 | erschienen am 9.3.2015 4 Sozialpädagogisches Handeln Verleger: Kreisjugendring München-Stadt am Lebensort Schule im Bayerischen Jugendring, Münchener Hypothekenbank engagiert sich für benachteiligte Paul-Heyse-Str. 22, 80336 München Kinder Telefon 089 / 51 41 06-978, Fax 089 / 51 41 06-45 E-Mail: info@kjr-m.de, Internet: www.kjr-m.de 5 7.500 Euro für „Hilfe für Kids“ Verantwortlich: Stefanie Lux, Vorsitzende Zwischennutzungsprojekt „Kö k“ Redaktion: Angelika Baumgart-Jena (verantwortlich), 6 Kunstvolle Baustelle mit Baklava und Brezn Michael Graber, Conny Haberstumpf, Kerstin Hof, Marko Runder Tisch Kinder- und Jugendpartizipation Junghänel, Carolin Keller, Petra Kutzner, Timo Rosenberg, 7 Demokratiescouts für München Manuela Sauer, Armin Schroth, Gecko Wagner, Ingrid Zorn. Unterstützung im Schwerpunktteil durch Cumali Naz und Spende für Sprachförderung Gerhard Wagner 7 1.000 Euro für „Hilfe für Kids“ Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Angebote Titelbild: iStock Verwaltung: Jana Beyreuther Layout: Fa-Ro Marketing, München Fachtag: Demokratische Bildung in der OKJA Druck: GPP Engelhardt GmbH, München 18 „Ich allein könnte nichts ändern“ Gedruckt auf 100% Recyclingpapier Kalenderbeiträge gesucht! Auflage: 2.800 Exemplare 18 Kreativ-Wettbewerb „Weltreligionen“ Abonnementpreis: Der Bezug ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Neues Kinderkulturprojekt im KJR Erscheinungsweise: 8 Ausgaben jährlich 19 Same Old Song – KiKS-Edition Nächste Ausgabe Erscheinungsdatum: 27.4.2015 Redaktionsschluss: 23.3.2015 Kalender Schwerpunktthema: Junge Flüchtlinge in München Gefördert aus Mitteln der Landeshauptstadt München Ausstellung in der Färberei 20 time ink Schwerpunkt: Islam Islam – eine Einführung Religion und Freiheit, wie ich sie meine 8 Gottes Wille 14 Muslim-a in Bayern und sonst … „Närrisch, dass jeder in seinem Falle // seine besondere Mei- Im Alter von drei Jahren kam ich als Kind türkischer Gastarbei- nung preist! // Wenn Islam ‚Gott ergeben‘ heißt, // In Islam ter nach Bayern. Ein Jahr Kindergarten musste für die Vorbe- leben und sterben wir alle.“ Von Rainer Oechslen reitung auf die Schulzeit ausreichen. Im Raum stand dann die Frage nach dem Religionsunterricht. Von Gönül Yerli Religiöse Vielfalt im KJR München-Stadt 9 Islamische Jugendverbände Fasten in Monat Ramadan Die Tradition von Jugendverbänden nach deutschem Vorbild ist 15 Zeit der Besinnung und Dankbarkeit in den meisten anderen Ländern unbekannt. Kein Grund jedoch, Das Fasten im Islam schließt an die Tradition aller mono diese Verbände nicht als Mitglied im Kreisjugendring München- theistischen Religionen an und gehört zu den fünf tragenden Stadt aufzunehmen. Säulen. Von Nermina Idriz Islamwahrnehmung und Islamfeindlichkeit in Deutschland Fastenzeit: Erfahrungen aus der Offenen Kinder- 10 Normalität sieht anders aus und Jugendarbeit In Deutschland leben rund vier Millionen Menschen musli- 16 Respekt ist der Schlüssel mischen Glaubens. Ein Großteil von ihnen fühlt sich der frei- Im Multikulturellen Jugendzentrum im Westend gibt es klare heitlich demokratischer Gesellschaftsordnung eng verbunden. Regeln: Keine Beleidigungen – schon gar nicht, wenn es um Trotzdem gibt es Vorbehalte in der deutschen Bevölkerung. Religion geht. Und es funktioniert. Ein Gespräch mit Ismail Von Cumali Naz Sahin. Von Marko Junghänel Islamischer Unterricht an bayerischen Schulen Fastenzeit: Erfahrungen aus der Offenen Kinder- 10 Aus Wissen wird Handeln und Jugendarbeit Der bayerische Modellversuch „Islamischer Unterricht“ erfüllt 17 Verantwortung der Pädagogik mehrere pädagogische Funktionen: Er vermittelt authentisches Fasten und das quirlige Leben auf dem Abenteuerspielplatz Wissen über Glaubensinhalte und unterstützt zugleich die ABIX gehen manchmal schwer zusammen. Gerade im Sommer. Persönlichkeitsbildung. Von Dr. Ulrich Seiser Ein Gespräch mit Bettina Tjan. Von Marko Junghänel Politischer Salafismus als radikale Jugendsubkultur* 12 Wie kann das nur passieren? In den letzten Jahren hat sich der politische Salafismus zu einer radikalen Jugendsubkultur entwickelt. Sie spricht Jugend- liche aller sozialen Schichten oder religiösen, nationalen und kulturellen Herkünfte an. Von Claudia Dantschke 2|15
Aktuell 3 Willkommen im Apple-Store! Hey Tom, don’t make it bad … Am 22. Januar stand der Kinder- und Jugendtreff Zeugnerhof in Berg am Laim ganz so viel sei gesagt, im herkömmlichen Apple- im Zeichen eines saftig grünen, angebissenen Apfels. Ein verfrühtes Frühlings- Store nicht erhältlich und deshalb schon als Apfelfest? Nein, dieser Umstand war der starken Affinität des scheidenden KJR- Rarität einzustufen sind. Mit dabei u.a. die Vorsitzenden Tom Rausch zu den Produkten des Unternehmens mit dem Apfel-Logo iTom-Fotobuch-App, die jederzeit ausgiebige geschuldet, für die er auch gerne mal missionarisch unterwegs ist. Erinnerung an 12 Jahre Vorstandstätigkeit ermöglicht, BeHAppy – zum Vertreiben schlechter Laune mit Luftschlangen und Clownsnase und „App durch die Mitte – hin zum sinnvollen Leben“ mit göttlichen Emp- fehlungen vom RIVA NORD für ein erfülltes Leben (Liebe, Wein, Essen u.v.m.). Passend zur Jahreszeit beschenkte der Vorstand seinen Ex-Vorsitzenden mit einem fabelhaften, namentlich beschrifteten Holz- schlitten. Und natürlich hatte Tom Rausch auch selbst etwas für diesen Abend vorbereitet und nahm sich dabei Apple-Mitgründer Steve Jobs zum Vorbild. Dieser hatte bei Unternehmensevents mit dem Ausspruch „One more thing“ stets Außergewöhnliches und Überraschendes angekündigt, meist ein neues Apple-Produkt. Auch für Toms Präsentation die passende Inszenierung. Er gab ein Zeichen und schon erschienen hinter ihm auf der großen Leinwand die berühmten Worte „One more thing“. Er hielt einen großen AppTours – wenn Urlaubsfeeling dringend benötigt wird, kommen Palmen, Liegestuhl, Umschlag in die Höhe – Pause – zog aus dem Sonnenbrille und das Lied „Ab in den Süden“ zum Einsatz. großen Umschlag einen kleinen Umschlag heraus – Pause – Mitteilung, wie es zu dem Viele Freunde und Freundinnen, Wegge- Inbrunst den abgewandelten Klassiker, bis kam, was in dem kleinen Umschlag zu finden fährtinnen und Weggefährten waren der schließlich der ganze Saal schmetterte „Hey ist – Pause – Öffnen des kleinen Umschlags „iNladung zur Verappschiedung“ gefolgt Tom, don’t make it bad, take a sad song and – Pause – Tata: eine hübsche Karte, die den und schnell füllte sich der große Saal des make it better, remember to let her into KJR und Apple in Herzform vereint. Sein Zeugnerhofs. your heart, then you can start to make it Abschiedsgeschenk für ALLE. Vielen Dank Steffie Lux, als Vorsitzende Toms Nach- better.” Und da in der Menge hielt ein Apple- lieber Tom und alles Gute! folgerin, führte eloquent und humorvoll Smartphone die Fahne hoch für die fehlenden Wie aus verlässlichen Quellen zu hören durch den Abend und zum Auftakt bzw. zum Feuerzeuge und leuchtete standhaft vor sich war, wurde noch bis 2 Uhr früh wild getanzt Aufwärmen kam Toms Lieblingsspiel zum hin – wer hat‘s gehalten? Natürlich Tom! und gefeiert! Hierzu liegen uns leider keine Einsatz: Das Schüttellied! Die Vorstandsmitglieder und Beschäftigten Fotos vor. Dann wurde es offiziell: Grußworte der aus KJR-Einrichtungen und der Geschäftsstel- Stadt München übermittelte Stadtrat Chri- le beglückten Tom Rausch mit wunderbaren, Frauke Gnadl, stian Müller, selbst ein ehemaliger KJR- individuellen und total nützlichen Apps, die, Öffentlichkeitsarbeit, KJR Vorsitzender, und er fand auch sehr persön- liche Worte für die lange Amtszeit von Tom Rausch. Für das Stadtjugendamt drückten Dr. Maria Kurz-Adam und Karl-Heinz Hummel ihre Wertschätzung aus, und Michael Stritar, Dekanatsjugendpfarrer bei der Evangelischen Jugend München (Toms Heimatverband), bedankte sich in einer launigen Rede bei Tom und lobpreiste dessen Wirken. KJR- Geschäftsführer Franz Schnitzlbaumer dank- te für die respektvolle und konstruktive langjährige Zusammenarbeit. Sein Geschenk „Espresso & Zubehör“ soll Tom an das mittäg- liche Ritual im KJR erinnern. Markus Schön, lange Zeit Vorstandskollege von Tom Rausch, hatte zum Apple-Apfel eine musikalische Eingebung. Die Single „Hey Jude“ der Beatles – beim Plattenlabel „Apple Records“ erschienen – zeigt auf dem Cover einen grünen Apfel und es lag nahe, den Song einfach umzudichten. So sang Markus, Mit der DemoApp spontan eine eigene Demo organisieren begleitet von seiner Roland-Orgel, voller 2|15
4 Aktuell Kinder-Weihnachtswunsch-Aktion von Katharina Riegel „Ich wünsch mir was…“ Alle Jahre wieder engagiert sich die Eventmanagerin Katharina Riegel von KS Events in der Weihnachtszeit (und natürlich auch davor) dafür, dass mög- lichst viele Wünsche von Kindern und Jugendlichen aus KJR-Einrichtungen erfüllt werden. So wurden im 12. Jahr der Aktion „Ich wünsch mir was…“ durch Firmenpatenschaf- ten im SBZ Sendling, dem Zeugnerhof und bei den Clubmäusen einzelne Kinderwünsche erfüllt, die diese zuvor auf Papier gemalt hat- ten. Im feierlichen Rahmen wurden dann die Kunstwerke an die Patinnen und Paten und die Geschenke an die jungen Künstlerinnen und Künstler übergeben. Aber damit nicht genug: 19 Einrichtungen formulierten mit ihren Besucherinnen und gewünschten Gegenstand oder Geld, um Ein ganz herzliches Dankeschön an Katha- Besuchern einen Gemeinschaftswunsch, der diesen zu realisieren. So kamen letztendlich rina Riegel für ihr jahrelanges und riesiges wiederum allen zugutekommen würde – vom 7.616 Euro zusammen – darunter auch 400 Engagement! Weitere Informationen zur Kin- Kinderspielzeug über die Tischtennisplatte Euro, die im Rahmen der von Katharina Riegel der-Weihnachtswunsch-Aktion „Ich wünsch bis zum gemeinsamen Ausflug. Insgesamt organisierten „Charity Wiesn“ gespendet mir was…“ unter www.ksevents.de/charity. beliefen sich die Gemeinschaftswünsche auf wurden. Damit konnten die Gemeinschafts- fast 15.000 Euro. Viele Geschenkpatinnen wünsche von immerhin 14 Einrichtungen Armin Schroth, und -paten spendeten entweder direkt den erfüllt werden. Abteilungsleiter OKJA Süd, KJR Hearing im Kinder- und Jugendhilfeausschuss Sozialpädagogisches Handeln am Lebensort Schule Im November 2013 beschloss der Kin- Er plädierte dafür, Schulsozialarbeit und zungen ab, hier müsse Schulsozialarbeit der- und Jugendhilfeausschuss (KJHA) JaS als nicht allzu unterschiedlich zu be- unterstützend wirken. auf Antrag der Vertreterinnen und trachten, da die Konzepte in seinen Augen Angelika Iser, Professorin für Schulsozial- Vertreter des Kreisjugendrings und nicht weit auseinander lägen. Vielmehr sei arbeit an der Hochschule München, betonte des Münchner Trichters ein Experten- die Frage zu stellen, warum der Bedarf an in ihrem Vortrag den Auftrag, den Jugend- hearing durchzuführen. Hintergrund Einzelfallarbeit in der Schule immer mehr hilfe an Schule habe, nämlich diese zu einem waren unterschiedliche Einschätzungen zunehme und warum hierfür zunehmend Lebensort für die Kinder und Jugendlichen zu zur Situation der sozialen Arbeit an die Schulsozialarbeit (und nicht andere machen, zu einem sozialpädagogischen Ort, Schulen und dem Stellenwert der Ein- Dienste) aktiv werde. an dem junge Menschen in ihrer Ganzheit zelfallarbeit in der Schulsozialarbeit Der erste Referent, Hermann Rademacker, gesehen würden. Aus diesem Verständnis von zwischen der Münchner Jugendarbeit ehemaliger Mitarbeiter am Deutschen Ju- Jugendhilfe an Schule entstünden positive und Jugendamt. Dieses Hearing fand gendinstitut, bezeichnet die Schulsozialar- Auswirklungen auf das Schulleben insgesamt am 13. Januar 2015 statt. beit* als Erfolgsgeschichte. Sie habe in den und die Chance, Benachteiligungen auszu- vergangenen Jahren deutlich an Bedeutung gleichen. Aus dieser lebensweltorientierten Stefan Fischer, Abteilungsleiter im Ju- gewonnen (wie die Jugendhilfe insgesamt) Perspektive (niedrigschwellig, präventiv, all- gendamt, stellte in seiner Begrüßung (in und müsse nun selbstbewusst ihre Leistungen tagsnah platziert) könne eine Einschränkung Vertretung für die erkrankte Jugendamts- unterstreichen. Schule und Jugendhilfe stün- auf § 13 SGB VIII nicht mitgetragen werden. leiterin) das soeben erschienene Rahmen- den beide vor der Herausforderung, ihre je ei- Sie sieht es daher als eine Herausforderung konzept der Landeshauptstadt München genen Leistungen systematisch aufeinander für München, hier zwei Konzepte zusam- „Schulsozialarbeit und Jugendsozialarbeit zu beziehen. Der Schulsozialarbeit komme menzubringen. Mit dem vorgestellten Rah- an Schulen (JaS)“ vor. In beiden Angeboten dabei eine anwaltschaftliche Funktion für menkonzept sei ein erster Schritt gemacht, sieht er die drei Grundpfeiler für gelingendes die Schülerinnen und Schüler gegenüber allerdings gebe es drei zentrale Punkte, an sozialpädagogisches Handeln an Schulen der Schule zu. Gerade in einem gegliederten denen im Konzept nachgearbeitet bzw. diese verwirklicht: Schulsystem seien Druck, Belastung und Ri- deutlich festgeschrieben werden müssen: n sozialpädagogische Grundorientierung und siken immanent. So realisierten in München n Fallunabhängige, niedrigschwellige Ad- daher Ansiedelung in der Jugendhilfe und bspw. dreimal so viele Jugendliche einen hoc-Beratung muss aufgenommen werden. nicht in der Schule Schulartenabstieg wie einen Aufstieg. Der Beratung ist nicht in jedem Fall Einzel- n multiple Angebotsstrukturen erfolgreiche Umgang mit diesen Belastungen fallhilfe und kann daher nicht darunter n gute Kooperation mit der Schule hänge stark von den familiären Vorausset- subsumiert werden. Beratung darf sich 2|15
Aktuell 5 nicht auf schulische Probleme reduzieren Grundschule Lehrer-Wirth-Straße), Anita regierung seiner Auffassung nach durchaus lassen, sondern müsse ganzheitlich mög- Huber (BRK, Schulsozialarbeit Mittelschule enthalten seien. Eine restriktive Auslegung lich sein, da ansonsten die lebensweltliche Wittelsbacherstraße) und Markus Hönig (IG, der Richtlinien des Freistaats werde den Be- Orientierung verloren gehe. Schulsozialarbeit Mittelschule Schrobenhau- darfslagen in den Schulen nicht gerecht und n Ein offener Zugang zur Schulsozialarbeit ser Straße) zogen die Teilnehmenden ein über- liege auch nicht im Interesse des Jugendamts. muss gewährleistet sein, dazu bedarf es wiegend positives Fazit. Die Zusammenarbeit In seinem Abschluss-Statement stellte Mode- offener Angebote, ein aktives Zugehen zwischen Jugendhilfe und Schule wurde von rator Prof. Dr. Wolfgang Mack fest, dass die auf die Kinder und Jugendlichen und eine Seiten der Praxis der Schulsozialarbeit wie Münchner Entwicklung bisher grundsätzlich Niedrigschwelligkeit von Angeboten. von Seiten der Schulleitungen her als sehr gut gelaufen sei und dies in der Veranstaltung n Fallunabhängige Elternarbeit ist für gelin- erfolgreich entwickelt bezeichnet. Franz auch zum Ausdruck gekommen sei. Die Koope- gende und nachhaltige Arbeit notwendig. Schnitzlbaumer vom KJR merkte an, dass Zu- ration von Schule und Jugendhilfe sei aber ein Dazu muss die Schulsozialarbeit, unabhän- sammenarbeit vor Ort häufig nicht wegen der dynamisches Feld, in dem sich in den nächsten gig von Einzelfällen, Beratungsangebote fachlichen und organisatorischen Rahmenbe- Jahren noch viel verändern werde. Vor diesem für Eltern vorhalten und eine wertschät- dingungen, sondern trotz dieser Bedingungen Hintergrund wünschte er den Akteuren viel zende Kooperation mit allen Eltern auf- gut funktioniere. Wichtig sei eine Definition Erfolg für den weiteren Weg. bauen können. sozialpädagogischen Handelns in der Schule, die nicht nur von den Problemen, sondern Manuela Sauer, Franz Schnitzlbaumer, KJR In der anschließenden Podiumsdiskus- auch – und vor allem – von den Potenzialen der sion mit Stefan Fischer (Stadtjugendamt), Schülerinnen und Schüler ausgehe. Eine Re- * Weder er noch die nachfolgende Referentin Conrad Sottorf (Leitung Sozialbürgerhaus duktion der Sozialpädagogik an den Schulen unterschieden in ihren Vorträge zwischen Giesing-Harlaching), Franz Schnitzlbaumer auf die „Schwierigen“ greife zu kurz. Stefan verschiedenen Begriffen, sondern verstan- (Geschäftsführer KJR München-Stadt), Petra Fischer vom Jugendamt verwies nochmals den Schulsoziarbeit als die übergreifende Riedel-Perizonius (Schulleitung Mittelschule auf die konstruktiven Möglichkeiten, die im Bezeichnung für unterschiedliche konzep- Ichostraße), Gisela Schäfer (Schulleitung JaS-Förderprogramm der Bayerischen Staats- tionelle Schwerpunkte. Freizeitstätte für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge in der Bayernkaserne Eröffnung der „LOK Arrival“ Noch schnell die Tischtennisplatten Seit Anfang Februar ist die Halle 23 zwei Am Schluss räumten wir gemeinsam auf, zurechtgerückt und die Fußbälle auf- Tage die Woche für junge Flüchtlinge geöff- sogar die Fußballtrikots wurden von den gepumpt … Kurz vor Beginn herrschte net. Der Start war ein voller Erfolg. Die 40 Jungs nach dem Spiel feinst säuberlich Aufregung beim Team der LOK Freimann. Besucher freuten sich über das neue sport- zusammengelegt und in die Kiste gepackt. Wie viele Jugendliche aus aller Welt liche Angebot auf dem Gelände. Vor allem Mit einem zweiten pädagogischen Mitar- werden heute die LOK Arrival auf dem das Soccer-5-Feld stellte ein Highlight dar. beiter wird der Betrieb der Halle 23 ab dem Gelände der Bayernkaserne besuchen? Außerdem wurde gemalt, Karten und Feder- ersten März auf fünf Tage die Woche erwei- Ist tatsächlich ausreichend Tee einge- ball gespielt und viel gelacht. tert. Mehr Informationen zur „LOK Arrival“ kauft und kommen Spiele wie „Uno“ Vorhandene Sprachbarrieren konnten mit folgen in Kürze. überhaupt bei den Jugendlichen an? Englischkenntnissen und ein wenig Improvi- sationstalent erfolgreich bewältigt werden. Mirjam Scheck, LOK Freimann, KJR Münchener Hypothekenbank engagiert sich für benachteiligte Kinder 7.500 Euro für „Hilfe für Kids“ Die Münchener Hypothekenbank möch- te im Rahmen ihres Engagements für Nachhaltigkeit soziale Einrichtungen in München fördern. „Wir wissen, wie wichtig es ist, Kinder und Jugendliche schon früh zu unterstützen, vor allem, wenn sie aus einem sozial benachtei- ligten Umfeld kommen“, erläutert Dr. Patrick Wellas, bei der Bank für das Thema Nachhaltigkeit verantwortlich. Deshalb spendete die Münchener Hy- pothekenbank 7.500 Euro an „Hilfe für Kids“. Am Donnerstag, den 12. Februar über- tige Pfandbrief, den die Münchener Hypo- besonderes Anliegen, in unserem direkten reichte Bernhard Heinlein, Vorstand des thekenbank im September ausgegeben hat. Umfeld soziale Verantwortung zu überneh- Bankhauses, auf dem ABIX einen symbo- „In diesem Rahmen haben unsere an der men.“ Dies ist sichergestellt, denn die Spende lischen Scheck an KJR-Vorstandsmitglied Emission beteiligten Partner beschlossen, kommt zu 100 % benachteiligten Kindern und Marina Lessig und Andreas Giebel, den einen Teil ihrer Beratungsgebühr für einen Jugendlichen in München zugute. Schirmherrn von „Hilfe für Kids“. Anlass für sozialen Zweck zu spenden“, erklärt Wellas. die Spende war der weltweit erste nachhal- „Als Münchner Unternehmen ist es uns ein Frauke Gnadl, Projektleitung Fundraising, KJR 2|15
6 Aktuell Zwischennutzungsprojekt „Kö k“ Kunstvolle Baustelle mit Baklava und Brezn Etwa 100 Gäste kamen am 29. Januar 2015 zur Eröffnung der Baustelle im Kö k. Das Kö k ist ein jugendkulturelles Zwischennutzungsprojekt im Westend, das in Kooperation von Färberei und Multikulturellem Jugendzentrum West- end (MKJZ) konzipiert wurde. Bis zum Abriss des Gesamtgebäudes sollen die Räume für junge Kunst zwischenge- nutzt werden. Begegnen sollen sich hier Jugendliche, die Lust haben, Kunst zu schauen und Kunst zu machen, mit renommierten Kunst- und Kulturschaf- Fotos: Andrea Huber fenden, die dabei anleiten und mit ihnen Ausstellungen realisieren. Bei Baklava und Brezn gab es bei der Bau- Fotoausstellung „Mingabul – M’ham“ stelleneröffnung bereits einen Vorgeschmack auf das, was die nächsten drei Jahre entste- und die Hoffnung, dass sie Selbstwirksam- Julian Schulz führte aus, dass mit dem Pro- hen kann. Erstmals zeigte Johannes Brechter keit durch ihr Schaffen erfahren. An erster jekt Jugendlichen Teilhabe an Kunst und seinen Film „Plastic People Party erobert Stelle steht jedoch der Spaß an der Sache. Der Kultur ermöglicht werde. „Das Kö k ist eine München“. Im Rahmen eines Stipendiums der dritte Teil steht bereits in den Startlöchern. experimentelle und prozessorientierte Ver- Stiftung Nordkap hat Johannes Brechter 2012 Mehr unter www.johannesbrechter.de. zahnung, die einen künstlerischen Umgang in den Niederlanden die fiktive Partei „Plastic Gleichzeitig wurde die Fotoausstellung mit der bunten Stadtgesellschaft aufzeigt People Party“ (P.P.P.) gegründet. Jugendli- „Mingabul – M’ham“ gezeigt. Ihr Thema ist – ein lebendiger Ort für künstlerischen Frei- che der Stadt Dordrecht waren aufgefordert, Migration und Wandel der Stadt: Ein Phäno- raum, Begegnung und Austausch“, so Julian mit seiner Unterstützung aus Recycling- men dargestellt durch die Fotografien und Schulz. Thomas Hofstätter, stellvertretender Materialien eine Figur zu entwerfen und zu Videoaufnahmen, die aus der Zusammen- BA-Vorsitzender, betonte die Bedeutung des bauen. Die Jugendlichen wurden gefragt, arbeit der Künstlergruppe „Übungsraum“ Projekts für das Westend und sicherte die was ihnen wichtig ist und welche Positionen aus München und einigen Studierenden aus weitere Unterstützung des Projekts zu. oder Ziele sie mit ihrer Figur ausdrücken Istanbul und Birmingham entstanden sind. möchten. Im Stop-Motion-Trick-Verfahren Übungsraum ist ein Gemeinschaftsprojekt Viele gute Ideen entstanden die Szenen für den ersten Film der Fotografen Loc Nguyen und Andrea Huber „The Rise of the Plastic People Party“. Dieses mit Jugendlichen im Bereich Neue Medien. An Ideen mangelt es nicht: In Zusam- Projekt setzte Johannes Brechter 2014 in menarbeit mit Künstlerinnen und Künstlern München fort. Die neuen Mitglieder seiner Sofort losgelegt sind verschiedene Projekte wie zum Beispiel fiktiven Partei fand er auf Straßenfesten, Theater- und Breakdance-Workshops geplant. im Multikulturellen Jugendzentrum West- Kurz vor Weihnachten – die Stadtbibli- Auch für den Vorplatz des an ein Landhaus end, in der Färberei und in der Ichoschule othek war gerade ausgezogen – bekam das erinnernden „Kö k“ gibt es ein künstlerisches München. Rund 40 Teilnehmende entwarfen Team des Kö k die Schlüssel und fing direkt Gartenkonzept. Als medienpädagogisches und bauten einen Charakter und verliehen an, das Haus zu bespielen. Seit Dezember Projekt soll ein Westend-Stadtplan für und der Figur ihre Stimme, um im zweiten Teil finden regelmäßig Teesalons statt, bei denen mit Kindern und Jugendlichen erarbeitet des Stop-Trickfilmes „Plastic People Party bei einer Tasse Tee Ideen und Konzepte für werden. Zudem ist ein generationsüber- erobert München“ ihre Positionen und Ziele die Zwischennutzung eingebracht werden greifender Kö k-Chor angedacht. Im Keller zu formulieren. Brechter ging es bei dem Pro- können. „Die Teesalons sind schon eine werden ein Medienraum, eine Werkstatt und jekt in erster Linie darum, seine Leidenschaft erste Plattform für junge Kunst geworden. ein Schwarz-Weiß-Labor eingerichtet. Es hat für kreatives Arbeiten mit anderen zu teilen. Die Vernetzung hat bereits stattgefunden“, also vieles Platz unter dem flachen Dach! Das Projekt hat den Anspruch, Jugendlichen sagte die Projektleiterin Julia Ströder bei der künstlerische Kompetenzen zu vermitteln Baustelleneröffnung. KJR-Vorstandsmitglied Antje Henkel-Algrang, Färberei, KJR Der Künstler Johannes Brechter (Mitte) und die fiktiven Mitglieder seiner „Plastic People Party“ 2|15
Aktuell 7 Runder Tisch Kinder- und Jugendpartizipation Demokratiescouts für München Der Arbeitskreis Kinder- und Jugend- beteiligung hatte zu seinem diesjäh- rigen Runden Tisch am 12. Februar Benedikt Sturzenhecker, Professor für Sozialpädagogik und außerschulische Bildung an der Universität Hamburg, eingeladen, um das von ihm entwi- ckelte Konzept der Demokratiescouts kennenzulernen und mögliche Umset- zungen für München zu diskutieren. Die Demokratiescouts sind eine Idee, um unterschiedliche Gruppen in der Bevöl- Foto: Kerstin Hof kerung, die sich von bisher praktizierten Partizipationsformen nicht angesprochen fühlen, Beteiligung zu ermöglichen. Wich- tig sei dabei, jede einzelne Person in ihrer Individualität anzusprechen und deutlich zu machen „Du trägst etwas zum Gemein- auch wenn diese sehr wohl ein Interesse an sei von der paternalistischen „Wünsch-Dir- wesen bei“. Scouting meint dabei nicht die einer aktiven Mitgestaltung der Gesellschaft, was“-Partizipation wegzukommen und nicht unterschiedlichen Formen der politischen in der konkreten Ausprägung vor Ort, hät- die Frage nach Wünschen zu stellen, sondern Bildung oder den Auftrag zur Steigerung der ten. Der Offenen Kinder- und Jugendarbeit mit dem ehrlichen Interesse „Wer seid ihr?“, Wahlbeteiligung, sondern die Unterstützung, (OKJA) komme hier eine wichtige Rolle zu, „Was macht ihr?“ den jungen Menschen zu einen eigenen Weg in die Stadtgesellschaft da sie besonders benachteiligte Kinder und begegnen. Konkrete Ideen und Wünsche und die Beteiligung an ihr zu finden. Jugendliche erreicht. könnten erst in der Aushandlung mit ande- Verschiedene lokale Kinder- und Jugend- In den Demokratiescouts sieht Sturzen- ren entstehen, im Abgleichen der eigenen milieus seien mittlerweile von der kommu- hecker eine Alternative zu herkömmlichen Freiheit mit der der anderen. Diesen Raum nalen Öffentlichkeit abgekoppelt, politisch Partizipationsangeboten. Die Scouts sind müssten Kinder und Jugendliche bekommen. aktive Erwachsene und Gremien fänden hauptamtliche Fachkräfte, die mit Kindern Die Scouts sind dabei tatsächlich als Pfadfin- keinen Zugang mehr zu ihnen, Partizipation und Jugendlichen in Kontakt treten, dort wo der zu verstehen, die Wege in abgekoppelte werde immer wieder in konventionellen For- sie sich aufhalten, die deren Anliegen auf- Kinder- und Jugendszenen suchen und dann men angeboten, die vielfach benachteiligte nehmen und versuchen, eine Verbindung mit mit diesen gemeinsam die Verbindung zu Kinder und Jugendlichen nicht ansprächen, etablierten Strukturen herzustellen. Wichtig und das Aktivwerden in Öffentlichkeit und Stadtgesellschaft umsetzen. Spende für Sprachförderung Sigrid Huber aus dem Direktorium der Landeshauptstadt München stellte die Pla- 1.000 Euro für „Hilfe für Kids“ nungen für eine städtische Leitlinie Bürger- beteiligung vor. Neben den gesetzlich veran- kerten Beteiligungsprozessen, beispielsweise im Baugesetzbuch, will die Landeshauptstadt künftig auch für andere Prozesse Strukturen schaffen. Geplant ist, dass eine Arbeitsgrup- pe, die zu gleichen Teilen aus Mitgliedern des Stadtrats, der Referate und der Münch- ner Bürgerschaft besetzt ist, Vorschläge erarbeitet, die dann mit gesellschaftlichen Organisationen diskutiert werden sollen. Dazu soll es einen Aufruf an die Münchner Bevölkerung geben, sich für einen Platz in der Arbeitsgruppe zu bewerben. Die Teilneh- menden werden dann per Los ausgewählt. In der abschließenden Podiumsdiskussion machte der KJR-Vertreter auf dem Podium, Gerhard Wagner, noch einmal deutlich, dass Manchmal läuft’s im Leben besser als gedacht. Dann kann man sich einfach nur die OKJA einer der wenigen Orte sei, an dem freuen oder als Dankeschön eine Spende auf den Weg bringen – so geschehen im Fall für junge Menschen Partizipation und Demo- von Peter Lutzenberger und seinem Unternehmen „teamlutzenberger“. Und dieser kratieerfahrung möglich seien. „Die Unter- Weg führte schnurstracks zu „Hilfe für Kids“. Am 3. Februar fand in der Kindervilla Theresia die offizielle Scheckübergabe statt. Siegfried Berner, stellvertretender stützung von Selbstbestimmungsprozessen Einrichtungsleiter, zeigte zunächst die Einrichtung, die übrigens in diesem Jahr das und Hilfe bei der Übernahme gesellschaft- 10-jährige Bestehen feiert, und informierte über Besucherstruktur, pädagogische An- licher Verantwortung sind selbstverständ- gebote, Nachhaltigkeit in allen Bereichen und natürlich auch über die sinnvolle und liche Aufgaben der Jugendarbeit.“ wichtige Maßnahme „Linguino-Sprachförderkurs“. Benachteiligten Kindern Bildung zu ermöglichen, das war der Wunsch von Peter Lutzenberger, deshalb trägt die Spende Manuela Sauer, von 1.000 Euro dazu bei, auch in diesem Jahr wieder einen Sprachförderkurs realisie- Referentin für Grundsatzfragen, KJR ren zu können. Frauke Gnadl, Projektleiterin Fundraising 2|15
8 Islam Foto: Wikimedia, Creative Commons Eine der fünf Säulen im Islam: Eine Pilgerreise nach Mekka Islam – eine Einführung Gottes Wille „Närrisch, dass jeder in seinem Falle // seine besondere Meinung preist! // Wenn Männer sollen darum nicht zu zweit in einem Islam ‚Gott ergeben‘ heißt, // In Islam leben und sterben wir alle.“ Mit diesem geschlossenen Raum sein, es sei denn, sie Gedicht aus dem „West-östlichen Divan“ fasste Johann Wolfgang von Goethe 1819 wären Ehegatten oder Familienmitglieder. sein Verständnis des Islams zusammen: Islam heißt Ergebung – Ergebung in Gott. Für alle anderen wäre die Versuchung zu groß. So ist es für Muslime in Ordnung, Goethe hat den Kern muslimischer Fröm- geschieht, ich nehme es an, weil es von Gott wenn ich mit einer muslimischen Bekannten migkeit getroffen: Gott hat nicht nur einmal kommt. Man hat mit Recht den Islam die Eisenbahn fahre (sofern der Waggon gut diese Welt wunderbar geschaffen, er erhält „Religion eines radikalen Gottvertrauens“ besetzt ist). Aber es wäre bedenklich, wenn und lenkt sie auch jetzt. Nichts geschieht genannt. Der andere Aspekt ist der Gehor- ich sie allein im Auto mitnehmen würde. ohne seinen Willen. Der Muslim bemüht sich, sam gegen Gottes Willen. Der gehört zum Zu dieser „Ethik der Vorsicht“ gehört auch, den Willen Gottes anzunehmen. Mehr noch: Glauben – auch zum christlichen. Für sehr dass viele muslimische Frauen Männern Er versucht, sich diesem Gott mit ganzer viele Muslime bedeutet dieser Gehorsam nur ungern oder gar nicht die Hand zur Seele hinzugeben. Die dänische Autorin Ta- nia Blixen hat in ihrem letzten Buch ihrem Was bedeutet Religion für dich?* muslimischen Diener Farah ein Denkmal I gesetzt: „Zum Unterschied von vielen mo- ch selbst bin konfessionslos. Meine Eltern sind Christen. Sie sind aber nicht sehr dernen christlichen Ideengängen gibt sich gläubig. Traditionelle Feste wie Weihnachten und Ostern werden in der Familie der Islam nicht damit ab, die Wege Gottes gefeiert. In der Schule besuche ich den Ethik-Unterricht. Auch meine ältere Schwe- vor dem Menschen zu rechtfertigen. Sein Ja ster ist konfessionslos – sie hat noch nie gebetet und war noch nie im Gottesdienst. ist umfassend und unbedingt. Denn der Lie- Rene, 14 Jahre bende misst nicht den Wert seiner Geliebten nach einem sittlichen oder gesellschaftlichen jedoch, immer den sichereren Weg zu wäh- Begrüßung reichen. Oder sie tun es nur, um Maßstab.“ Dazu passt, was der islamische len. Ein Beispiel: Muslime sind zum Essen den ahnungslosen nichtmuslimischen Mann Mystiker Rumi (1207 - 1273) sagt: „Es gibt eingeladen. Man sagt ihnen, die Speisen nicht zu brüskieren. Denn auch das ist ein nur zwei Gefühle des Menschen gegen Gott: seien „halal“, entsprächen also den mus- Gebot des Glaubens: Du sollst möglichst Geduld und Dankbarkeit.“ limischen Vorschriften. Aber sie sind sich niemanden in Verlegenheit bringen. nicht sicher, ob sie dieser Aussage trauen Hingabe und Vertrauen dürfen. So entschließen sich einige der Gä- Unterschiedliches Verständnis ste, lieber nichts zu essen und nur Wasser von Gott Wie bei jeder anderen Spiritualität gibt zu trinken. Ein anderes Beispiel: Der Islam es auch in der islamischen Frömmigkeit ist zwar nicht leibfeindlich. Doch Sexualität Damit bin ich über den Gehorsam des Glau- zwei unterschiedliche Aspekte, die sich im gehört in die Ehe – nur in die Ehe. Frauen und bens bereits zum Alltag des Zusammenlebens glücklichen Fall ergänzen, im unglücklichen miteinander konkurrieren. Der eine Aspekt * Statements von Kindern und Jugendlichen aus dem Kinder- und Jugendraum RIVA NORD auf ist das Vertrauen in Gott: Was auch immer die Frage nach der Bedeutung von Religion in ihrem Leben 2|15
Islam 9 von Muslimen und Nichtmuslimen gelangt. naiv. Er hat aber zumeist versucht, seine bracht. Sie wurden zum Gespött ihrer Pariser Doch noch einmal zurück zur Theologie. Ideen über Wahlen durchzusetzen. Seine „Kollegen“, als diese es mit ihren Methoden Woher kommt die Konzentration der Anhänger wurden viel häufiger Opfer von in die Abendnachrichten des nationalen Muslime auf den Willen Gottes und damit Gewalt, Unrecht und Folter, als dass sie selbst Fernsehens brachten. Die Attentäter von auf einen von den Geboten Gottes durch- zu Gewalt griffen. Gerade in den ersten Wo- Paris haben drei Tage lang 80.000 Polizisten strukturierten Alltag? Der letzte Grund chen dieses Jahres kann man Nachrichten aus auf Trapp gehalten – es war ihnen wert, dafür liegt im Verständnis Gottes selbst. Gott ist Ägypten lesen, dass die Muslimbruderschaft zu sterben. nach muslimischem Verständnis so tran- wieder einmal brutal verfolgt wird. Hat dann der Terrorismus, wie viele Mus- szendent, so einzig und in sich ruhend, Was wir jetzt in Paris und zuvor in New lime sagen, „mit dem Islam nichts zu tun“? dass es schwierig ist zu sagen: Gott hat sich York, London oder Madrid erlebt haben, ist Das wäre zu einfach. Christliche Fundamen- offenbart. Das hieße ja schlimmstenfalls, nicht die Fortsetzung, sondern der Bruch mit talisten sind mir mit ihrer Gegnerschaft zu dass die Menschen meinten, Gott durch und den traditionellen Konzepten des Islams und Evolutionstheorie, Homosexualität und ihrer durch zu kennen. Die Geschöpfe würden sich des Islamismus. Liebe zu Gott spielt keine Belagerung von Arztpraxen, in denen Abtrei- neben ihren Schöpfer stellen. Oder es könnte Rolle mehr, auch nicht der Versuch, andere bungen stattfinden, zutiefst unsympathisch heißen: Etwas in der Welt – die Offenbarung Menschen „zum Islam einzuladen“ und schon – aber ich könnte darum nicht sagen, dass nämlich – wäre zugleich ein „Stück“ von gar nicht eine Politik, die auf Mehrheiten diese Leute keine Christen sind. Es bleibt, Gott. Das ist ein christlicher Gedanke, kein setzt. Terroristen sind Menschen, die all das so glaube ich, den Muslimen nichts anderes islamischer. Gott ist, so bekennt der Islam, längst aufgegeben, die keine Spiritualität übrig als den Christen, Juden und allen an- kein Teil der Welt und nichts Weltliches ist entwickelt haben, die stattdessen aus wirk- deren: die Auseinandersetzung mit dunklen Gott. Gott hat zu seinen Propheten geredet. licher oder vermeintlicher Marginalisierung Kapiteln der eigenen Geschichte und Fehlent- Was hat Gott seinen Propheten geoffenbart? heraus um jeden Preis Aufmerksamkeit su- wicklungen innerhalb der eigenen Religion. Seinen Willen, den die Menschen tun sollen chen. Ein französischer Religionssoziologe und können. Denn die Sünde – auch das gibt ein Beispiel: Da haben muslimische Ju- Dr. Rainer Oechslen, Beauftragter für gehört wesentlich zum Islam – ist niemals gendliche aus Straßburg es durch Anschläge interreligiösen Dialog und Islamfragen, so stark in einem Menschen, dass sie das auf Synagogen bis in die Lokalzeitung, ge- Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern Tun des Willens Gottes definitiv verhindern könnte. Gott selbst bleibt auch in der Kund- gabe seines Willens der Unerforschliche. Mit neunundneunzig schönen Namen wird er angerufen. Aber der hundertste Name Gottes Religiöse Vielfalt im Kreisjugendring München-Stadt bleibt ein Geheimnis. Dieses Bild des Islams ist gekennzeichnet durch Hingabe an Gott, Liebe zu Gott und Islamische Jugendverbände Gehorsam gegen Gottes Gebote. Wie steht es Die Tradition von Jugendverbänden nach verband sieht es als seine Aufgabe, Kindern dann mit dem hässlichen Bild des Islams, das deutschem Vorbild ist in den meisten an- und Jugendlichen den Weg zur Bildung zu nach dem 11. September 2001 und nun wieder deren Ländern unbekannt. Dort sind eher erleichtern. Das regelmäßige Treffen sowie nach dem 7. Januar 2015 die Diskussion im lose Verbindungen junger Menschen zu Bildungsseminare sind wichtige Bestand- Westen beherrscht? Zuerst muss festgestellt finden. So unterscheiden sich auch solche teile der Jugendgruppen. Daneben kommen werden, dass der sogenannte „Islamismus“ Jugendverbände von den traditionell deut- auch Freizeitangebote wie Ausflüge oder – also der Versuch, das Leben der Gesell- schen, die sich über die islamische Religion, Film- und Spielabende nicht zu kurz. Der schaften nach islamischen Grundsätzen Tradition und Kultur definieren. Kein Grund Jugendverband nimmt zudem regemäßig an zu gestalten – in der ersten Hälfte des 20. jedoch, diese Verbände nicht als Mitglied Bildungsmaßnahmen und Freizeitfahrten Jahrhunderts aus Abwehr gegen die als er- im Kreisjugendring München-Stadt (KJR) des Landesverbands teil. drückend empfundene Überlegenheit dieses aufzunehmen. Denn Jugendverbände sind Westens entstanden ist. Annemarie Schimmel vor allem auch eines: Spiegel einer bunten Gemeinschaft junger Aleviten (1922 - 2003), die große deutsche Kennerin und vielfältigen Stadtgesellschaft. des Islams, hat dieses Denken so beschrieben: Die Gemeinschaft junger Aleviten (GJAM) Es will, „… die einfachen islamischen Werte Türkisch-Islamische Union der fördert die Interessen der jungen Aleviten wieder im Leben verwirklichen und alles Gute Anstalt für Religionen e.V. in München. Sie hilft bei der Lösung ihrer nur im Islam sehen. Der Islam ist Allheilmittel (DITIB) wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen gegen Arbeitslosigkeit, Kommunismus, Ka- Probleme und unterstützt das Erlernen pitalismus, Feminismus, kurz gegen alles … Der Landesjugendverband DITIB Südba- der deutschen Sprache. Ferner hilft sie bei In Ländern, in denen Armut und wachsende yern vereint und vertritt 91 Jugendgruppen Fragen der Wohnungssuche, Gesundheit so- Arbeitslosigkeit herrschen, wo auch zum Teil der DITIB-Gemeinden in Südbayern auf wie Schul-, Aus- und Weiterbildung. Junge noch Nachwehen des Kolonialismus zu spüren Landesebene. Gewählt durch eine Grün- Menschen sollen in der Entfaltung ihrer sind und für viele negative Entwicklungen dungsversammlung und bestehend aus Persönlichkeit und in ihren Fähigkeiten zu Recht oder zu Unrecht verantwortlich Delegierten der DITIB-Gemeinden fungiert bestärkt werden. Die Gemeinschaft junger gemacht werden, da kann eine Bewegung, der Landesjugendverband als zentrale Aleviten in München pflegt die alevitische die ein einfaches Programm hat, leicht An- Anlaufstelle in Südbayern für Fragen der Kultur, Musik und Folklore durch Kurse, hänger finden – selbst wenn diese Anhänger Jugendarbeit. Seminare, Ausstellungen und Veranstal- oft kaum mehr vom Koran kennen als seinen tungen. Insbesondere setzt sich die GJAM Namen und vielleicht die Kapitel, die sie beim für die Zusammenarbeit mit deutschen und Gebet rezitieren müssen.“ Islamische Jugend ausländischen Jugendorganisationen im Sinne der Solidarität, Völkerverständigung Aufmerksamkeit Die Islamische Jugend in München un- und Integration ein. statt Überzeugung terstützt junge Menschen in ihrer individu- ellen, kulturellen, religiösen und sozialen Quelle: Arbeitsbericht 2013, Dieser Islamismus, der im Islam das „All- Entwicklung. Bildung und Beschäftigung Kreisjugendring München-Stadt heilmittel“ für alle gesellschaftlichen und sind Schlüssel zur Integration. Der Jugend- privaten Probleme sieht, ist sicher ein wenig 2|15
10 Islam Islamwahrnehmung und Islamfeindlichkeit in Deutschland Normalität sieht anders aus In Deutschland leben rund vier Millio- nen Menschen muslimischen Glaubens (München: über 110.000). Ein Groß- teil von ihnen fühlt sich Rechtsstaat und freiheitlich demokratischer Ge- sellschaftsordnung eng verbunden. Trotzdem nehmen Teile der Bevölke- rung das kaum wahr und stehen dem Islam immer kritischer gegenüber. Ablehnung und Misstrauen sind allge- genwärtig. Islamistische Extremisten Foto: Caruso Pinguin, Creative Commons und islamfeindliche Pegida-Demons- trationen machen die Sache auch nicht einfacher. Wie wird der Islam in Deutschland wahr- genommen? Warum ist die Angst davor so verbreitet? Wann, wo und wie zeigt sich Is- lamfeindlichkeit? Eine aktuelle Umfrage des Emnid-Instituts im Auftrag der Bertelsmann- Provokation statt Verständnis – die Pegida-Bewegung schürt Hass auf den Islam Stiftung gibt aufschlussreiche Antworten auf diese Fragen. Im Rahmen dieser Befragung vom November 2014 wurden zentrale Fragen Der Islam – eine Gefahr für unser Land? Magazinbeiträge den Islam im Kontext von zur Islamwahrnehmung in der deutschen „Ja“, sagt mehr als die Hälfte der Deutschen. Terrorismus, religiöser Intoleranz, Funda- Bevölkerung, die bereits im Religionsmonitor Tendenz steigend. Zwei zentrale Einstel- mentalismus, Unterdrückung von Frauen und 2012 enthalten waren, neu erhoben. So konn- lungen hat die Bertelsmann-Stiftung in Integrationsproblemen“ thematisiert. Für ten Veränderungen im Islambild zwischen ihrer Befragung erfasst: „Als wie bedrohlich die Muslime in Deutschland bedeutet dieses 2012 und 2014 erfasst werden. bzw. wie bereichernd nehmen Sie den Islam Stimmungsbild vor allem eines – Ausgren- wahr?“ sowie Zustimmung/Ablehnung zur zung. Sie leiden unter dem negativen Bild. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick: Aussage „Der Islam passt durchaus in die Überraschend ist, dass politische Ein- n Muslime in Deutschland sind mit Staat und westliche Welt“. Bereits 2012 waren 53 Pro- stellung und Bildung der Befragten kaum Gesellschaft eng verbunden – unabhängig zent der nicht-muslimischen Bevölkerung Einfluss auf das Islambild haben. So fühlen von der Intensität ihres Glaubens. Dies der Meinung, der Islam sei sehr oder eher sich Bürgerinnen und Bürger, die sich poli- hatte bereits der Religionsmonitor von bedrohlich. Mittlerweile ist diese Zahl auf tisch links oder mitte-rechts zuordnen, am 2012 ergeben. So stimmten 90 Prozent 57 Prozent gewachsen. Noch stärker ist die stärksten durch den Islam bedroht. Nur bei der Muslime der Aussage zu, dass die De- Zahl derer gestiegen, die der Ansicht sind, Hochschulabsolventen sinkt die Feindlich- mokratie eine gute Regierungsform ist. 93 der Islam passe nicht in die westliche Welt: keit etwas. Allerdings sagen auch in dieser Prozent waren der Meinung, man solle allen von 52 auf 61 Prozent. 40 Prozent sagen, sie Gruppe 46 Prozent, der Islam sei bedrohlich; Religionen gegenüber offen sein, und 85 fühlten sich durch die Muslime wie Fremde 40 Prozent sind der Meinung, die Religion Prozent fanden, jede Religion habe einen im eigenen Land. 24 Prozent fordern gar, passe nicht in die westliche Welt. Der Islam wahren Kern. dass die Einwanderung von Muslimen nach wird mehr als Ideologie denn als Religion n Das Leben als religiöse Minderheit prägt re- Deutschland verboten werden soll. wahrgenommen. Am stärksten findet sich ligiöse Orientierungen und Werthaltungen In der Ablehnung des Islams gibt es regi- die Ablehnung unter den Unzufriedenen, sie der Muslime in Deutschland. Diese denken onale Unterschiede: In Nordrhein-Westfalen scheint Projektionsfläche für Ängste zu sein. häufiger über Glaubensfragen nach und wohnt ein Drittel der Muslime. Dort fühlen Fazit: Islamfeindlichkeit greift in der Mitte sind insgesamt liberaler als Muslime in der sich 46 Prozent der Bürgerschaft bedroht. der Gesellschaft Raum. Türkei. In Sachsen, wo kaum Muslime leben und die Die Sonderauswertung zieht aus diesen n Der offenen Haltung vieler Muslime in Pegida-Bewegung viele Anhänger hat, sind Ergebnissen folgende Schlussfolgerungen: Deutschland steht eine zunehmend ab- dies 78 Prozent. Entscheidend ist bei diesem n Der Islam sollte als Teil Deutschlands an- lehnende Haltung der Mehrheit der Be- Befund, dass das Islambild der Deutschen erkannt und mit den christlichen Konfes- völkerung gegenüber. Die vier Millionen durch deren persönliche Kontakte mit Mus- sionen und dem Judentum in Deutschland in Deutschland lebenden Muslime leiden limen geprägt wird. Gibt es diesen nicht, gleichgestellt werden. unter einem negativen Image, das durch steigt die Ablehnung. Auch das Alter ist n Deutschland muss für seine Zukunftsfä- die Minderheit radikaler Islamisten und die für die Einstellung relevant. Unter den über higkeit eine Kultur der Anerkennung und Medienberichterstattung geprägt wird. 54-Jährigen fühlen sich 60 Prozent durch den der Offenheit entwickeln, die religiöse wie n Islamfeindlichkeit ist keine gesellschaft- Islam bedroht; bei den 16- bis 25-Jährigen kulturelle Vielfalt zulässt. liche Randerscheinung, sondern findet hingegen nur 39 Prozent. n Deutschland braucht ein inklusives Wir- sich in der Mitte der Gesellschaft. Sie wird Gefühl. als salonfähiger Trend zur Legitimation Trägt die „Lügenpresse“ Schuld? n Die Menschen benötigen mehr Wissen über diskriminierender und ausgrenzender die religiöse Vielfalt in der Gesellschaft. Verhaltensweisen genutzt. Die zunehmende Ablehnung des Islams n Politik sollte gesellschaftlichen Dialog und n Regelmäßige persönliche Kontakte helfen, könnte laut des aktuellen Sonderberichts interreligiöse Begegnung fördern. Vorurteile gegenüber Muslimen abzubau- der Bertelsmann-Stiftung auch an der Medi- en. Häufig aber fehlen allerdings Gelegen- enberichterstattung liegen. In den vergan- Cumali Naz, Beauftragter für interkulturelle heiten zur Begegnung. genen Jahren hätten „etwa 80 Prozent aller Arbeit im KJR München-Stadt 2|15
Islam 11 Islamischer Unterricht an bayerischen Schulen Aus Wissen wird Handeln Der bayerische Modellversuch „Is- lamischer Unterricht“ (IU) erfüllt mehrere pädagogische Funktionen: Er vermittelt authentisches Wissen über Glaubensinhalte und unterstützt zugleich die Persönlichkeitsbildung. Muslimische Schülerinnen und Schüler sehen sich auf Augenhöhe mit Mit- Foto: Alevitische Gemeinde Deutschland e.V. schülern anderer Bekenntnisse ange- sprochen und behandelt. Sie erhalten Angebote zur Identitätsfindung und religiösen Positionierung, sehen sich wertgeschätzt und sind leichter bereit, eine andere Perspektiven einzuneh- men. Der Unterricht ist grundlegend für die Wertebildung: Muslimische Jugendliche entdecken, dass traditionelle Tugenden, Modellversuch mit Breitenwirkung – der Islamunterricht in Bayern wird ausgeweitet Menschenrechte und Grundwerte der europä- ischen Demokratien nicht im Widerspruch zur ler unterstützt und ihre Sprachkenntnisse weitere fünf Jahre verlängert. Die Gründe islamischen Glaubenslehre stehen und sich vertieft. dafür sind zunächst fachlicher Natur: Der sogar damit besser verstehen lassen. Durch eine gute Implementierung in die ursprünglich für Grund- und Mittelschulen Schließlich wirkt der IU bei der gesell- schulischen Abläufe hat der IU auch schul- konzipierte Lehrplan wird nach Schularten schaftlichen Integration. Jugendliche erle- organisatorische Hürden genommen: Der differenziert. Die Evaluation ergab, dass die ben bereits die Schulgemeinschaft und im Unterricht ist an der Mehrzahl der Schulen Passung der Lehrwerke zum Lehrplan noch zu weiteren Sinne die ganze Gesellschaft als die mit dem christlichen Religionsunterricht im verbessern ist. Es werden außerdem Materi- ihre. Durch die interreligiöse Information Vormittagsstundenplan gekoppelt. alien zur Fachsprache Deutsch im Islamischen wird das Verständnis für nichtmuslimische Auch die Lehrerbildung ist auf einem Unterricht erarbeitet. In Vorbereitung ist Sichtweisen vorbereitet, und die Gestaltung guten Weg: 90 Prozent der Lehrkräfte an auch eine akademische Lehrerbildung für das des Unterrichts in deutscher Sprache festigt den 72 Schulen, die an der Evaluation teil- Unterrichtsfach am Gymnasium. die Brücken zur sogenannten Mehrheitsge- nahmen, können das Zertifikat „Islamische sellschaft. Religionslehre“ vorweisen. Außerdem kann Verlässliche Partnerschaften man „Islamischen Unterricht“ jetzt auch als Islamunterricht ist Unterrichtsfach für das Lehramt studieren. Für die von vielen Muslimen gewünschte persönlichkeitsbildend Im Blick auf die Standorte ist bereits eine Etablierung des IU als Regelangebot müsste für einen Modellversuch nicht typische Grö- eine zentrale Voraussetzung erfüllt sein, die In allen genannten Aspekten vollzieht ßenordnung erreicht: Der Unterricht war im nicht in der Hand des Staates liegt: Ein isla- sich islamischer Religionsunterricht im Schuljahr 2013/2014 an 177 Grundschulen, mischer Religionsunterricht auf der Grundla- Rahmen des staatlichen Erziehungs- und 78 Mittelschulen, vier Realschulen und ge von Artikel 7 Absatz 3 setzt eine islamische Bildungsauftrags und wird der Forderung zwei Gymnasien eingerichtet. Die Standorte Religionsgemeinschaft als Kooperationspart- ner des Staates voraus. Diese muss von ihren Mitgliedern legitimiert sein, verbindliche Was bedeutet Religion für dich? Aussagen zu Glaubenswahrheiten zu machen. Sie muss dazu auch die Gewähr der Dauer M it zunehmendem Alter wächst mein Interesse am Glauben. Ich tausche mich intensiv bieten und ausreichend Mitglieder haben, um mit gläubigen Freundinnen aus. Ich möchte gern in die Koranschule gehen und an den Schulen landesweit repräsentiert zu mehr wissen. Es gibt halt leider sehr viele Regeln und man weiß nicht so genau, sein und die Bildung von Religionsgruppen zu was man alles einhalten muss. Obwohl ich kein Kopftuch trage und auch nicht alle Regeln ermöglichen, die den Klassenbildungsricht einhalte, möchte ich gern viel mehr über den Islam wissen, die Gebete kennen. Abends linien entsprechen. Die Mitglieder müssen bete ich ein bestimmtes muslimisches Gebet. Tagsüber bete ich noch nicht, dafür muss ich bei der Religionsgemeinschaft verwaltet erst die Gebete lernen. Fasten finde ich eine Riesenherausforderung. Beim Schulausflug werden und wären den Schulen am Ort im durfte meine Freundin nichts trinken – alle anderen haben getrunken und Eis gegessen. Einzelnen zu melden, damit dort der Besuch Cagla, 12 Jahre des Pflichtunterrichts Religion gewährleistet werden kann. Bis sich eine solche Religi- von Artikel 131 der Bayerischen Verfassung befinden sich schwerpunktmäßig in groß- onsgemeinschaft konstituiert hat, werden gerecht, dass Schule nicht nur Wissen und städtischen Ballungsgebieten, aber auch wir weiterhin auf Übergangslösungen wie Können vermittelt, sondern auch Herz und in bevölkerungsschwächeren Regionen. An den IU angewiesen sein, die sich in ihrer Charakter bildet. bayerischen Grund-, Mittel- und Realschulen pädagogischen Wirkung allerdings kaum von Die Evaluation von 2014 hat belegt, sind an den Standorten alle Jahrgangsstufen einem verfassungskonformen islamischen dass der Modellversuch diesen Ansprüchen ausgebaut. Deutschlandweit einzigartig ist Religionsunterricht unterscheiden dürften. gerecht wird. Eltern und Schulen bestäti- der IU auch an zwei Nürnberger Gymnasien gen, dass er persönlichkeitsbildend und eingerichtet. Dr. Ulrich Seiser, Bayerisches Staatsministeri- integrativ wirkt, dass er die interreligiöse Mit Blick auf den Erfolg wird das Islam- um für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Dialogfähigkeit der Schülerinnen und Schü- projekt ab dem Schuljahr 2014/2015 um Kunst 2|15
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