Islam Schwerpunktthema - Jahrgang No. 2 März 15 - Kreisjugendring München-Stadt

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Islam Schwerpunktthema - Jahrgang No. 2 März 15 - Kreisjugendring München-Stadt
18. Jahrgang • No. 2 • März 15

                             Schwerpunktthema

                             Islam

www.kjr-m.de

     Hey Tom,
     don‘t make it bad ...

     Kunstvolle Baustelle
     mit Baklava und Brezn

     Demokratiescouts
     für München
Islam Schwerpunktthema - Jahrgang No. 2 März 15 - Kreisjugendring München-Stadt
2      Inhalt

           Aktuell                                                            Impressum
           Hearing im Kinder- und Jugendhilfeausschuss                         Ausgabe 2/2015 | erschienen am 9.3.2015
       4   Sozialpädagogisches Handeln                                         Verleger:    Kreisjugendring München-Stadt
           am Lebensort Schule                                                              im Bayerischen Jugendring,
           Münchener Hypothekenbank engagiert sich für benachteiligte                       Paul-Heyse-Str. 22, 80336 München
           Kinder                                                                           Telefon 089 / 51 41 06-978, Fax 089 / 51 41 06-45
                                                                                            E-Mail: info@kjr-m.de, Internet: www.kjr-m.de
       5   7.500 Euro für „Hilfe für Kids“
                                                                               Verantwortlich: Stefanie Lux, Vorsitzende
           Zwischennutzungsprojekt „Kö k“
                                                                               Redaktion: Angelika Baumgart-Jena (verantwortlich),
       6   Kunstvolle Baustelle mit Baklava und Brezn                          Michael Graber, Conny Haberstumpf, Kerstin Hof, Marko
           Runder Tisch Kinder- und Jugendpartizipation                        Junghänel, Carolin Keller, Petra Kutzner, Timo Rosenberg,
       7   Demokratiescouts für München                                        Manuela Sauer, Armin Schroth, Gecko Wagner, Ingrid Zorn.
                                                                               Unterstützung im Schwerpunktteil durch Cumali Naz und
           Spende für Sprachförderung                                          Gerhard Wagner
       7   1.000 Euro für „Hilfe für Kids“                                     Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt
                                                                               die Meinung des Heraus­gebers wieder.

           Angebote                                                            Titelbild: iStock
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                                                                               Layout: Fa-Ro Marketing, München
           Fachtag: Demokratische Bildung in der OKJA                          Druck: GPP Engelhardt GmbH, München
       18 „Ich allein könnte nichts ändern“                                    Gedruckt auf 100% Recyclingpapier
           Kalenderbeiträge gesucht!                                           Auflage: 2.800 Exemplare
       18 Kreativ-Wettbewerb „Weltreligionen“                                  Abonnementpreis: Der Bezug ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.
           Neues Kinderkulturprojekt im KJR                                    Erscheinungsweise: 8 Ausgaben jährlich
       19 Same Old Song – KiKS-Edition                                         Nächste Ausgabe
                                                                               Erscheinungsdatum: 27.4.2015
                                                                               Redaktionsschluss: 23.3.2015
           Kalender                                                            Schwerpunktthema: Junge Flüchtlinge in München
                                                                                     Gefördert aus Mitteln der
                                                                                     Landeshauptstadt München
           Ausstellung in der Färberei
       20 time ink

           Schwerpunkt: Islam
           Islam – eine Einführung                                              Religion und Freiheit, wie ich sie meine
       8   Gottes Wille                                                      14 Muslim-a in Bayern und sonst …
           „Närrisch, dass jeder in seinem Falle // seine besondere Mei-        Im Alter von drei Jahren kam ich als Kind türkischer Gastarbei-
           nung preist! // Wenn Islam ‚Gott ergeben‘ heißt, // In Islam         ter nach Bayern. Ein Jahr Kindergarten musste für die Vorbe-
           leben und sterben wir alle.“ Von Rainer Oechslen                     reitung auf die Schulzeit ausreichen. Im Raum stand dann die
                                                                                Frage nach dem Religionsunterricht. Von Gönül Yerli
           Religiöse Vielfalt im KJR München-Stadt
       9   Islamische Jugendverbände                                            Fasten in Monat Ramadan
           Die Tradition von Jugendverbänden nach deutschem Vorbild ist      15 Zeit der Besinnung und Dankbarkeit
           in den meisten anderen Ländern unbekannt. Kein Grund jedoch,         Das Fasten im Islam schließt an die Tradition aller mono­
           diese Verbände nicht als Mitglied im Kreisjugendring München-        theistischen Religionen an und gehört zu den fünf tragenden
           Stadt aufzunehmen.                                                   Säulen. Von Nermina Idriz

           Islamwahrnehmung und Islamfeindlichkeit in Deutschland               Fastenzeit: Erfahrungen aus der Offenen Kinder-
       10 Normalität sieht anders aus                                           und Jugendarbeit
           In Deutschland leben rund vier Millionen Menschen musli-          16 Respekt ist der Schlüssel
           mischen Glaubens. Ein Großteil von ihnen fühlt sich der frei-        Im Multikulturellen Jugendzentrum im Westend gibt es klare
           heitlich demokratischer Gesellschaftsordnung eng verbunden.          Regeln: Keine Beleidigungen – schon gar nicht, wenn es um
           Trotzdem gibt es Vorbehalte in der deutschen Bevölkerung.            Religion geht. Und es funktioniert. Ein Gespräch mit Ismail
           Von Cumali Naz                                                       Sahin. Von Marko Junghänel

           Islamischer Unterricht an bayerischen Schulen                        Fastenzeit: Erfahrungen aus der Offenen Kinder-
       10 Aus Wissen wird Handeln                                               und Jugendarbeit
           Der bayerische Modellversuch „Islamischer Unterricht“ erfüllt     17 Verantwortung der Pädagogik
           mehrere pädagogische Funktionen: Er vermittelt authentisches         Fasten und das quirlige Leben auf dem Abenteuerspielplatz
           Wissen über Glaubensinhalte und unterstützt zugleich die             ABIX gehen manchmal schwer zusammen. Gerade im Sommer.
           Persönlichkeitsbildung. Von Dr. Ulrich Seiser                        Ein Gespräch mit Bettina Tjan. Von Marko Junghänel

           Politischer Salafismus als radikale Jugendsubkultur*
       12 Wie kann das nur passieren?
           In den letzten Jahren hat sich der politische Salafismus zu
           einer radikalen Jugendsubkultur entwickelt. Sie spricht Jugend-
           liche aller sozialen Schichten oder religiösen, nationalen und
           kulturellen Herkünfte an. Von Claudia Dantschke

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Islam Schwerpunktthema - Jahrgang No. 2 März 15 - Kreisjugendring München-Stadt
Aktuell            3

Willkommen im Apple-Store!

Hey Tom, don’t make it bad …
Am 22. Januar stand der Kinder- und Jugendtreff Zeugnerhof in Berg am Laim ganz                so viel sei gesagt, im herkömmlichen Apple-
im Zeichen eines saftig grünen, angebissenen Apfels. Ein verfrühtes Frühlings-                 Store nicht erhältlich und deshalb schon als
Apfelfest? Nein, dieser Umstand war der starken Affinität des scheidenden KJR-                 Rarität einzustufen sind. Mit dabei u.a. die
Vorsitzenden Tom Rausch zu den Produkten des Unternehmens mit dem Apfel-Logo                   iTom-Fotobuch-App, die jederzeit ausgiebige
geschuldet, für die er auch gerne mal missionarisch unterwegs ist.                             Erinnerung an 12 Jahre Vorstandstätigkeit
                                                                                               ermöglicht, BeHAppy – zum Vertreiben
                                                                                               schlechter Laune mit Luftschlangen und
                                                                                               Clownsnase und „App durch die Mitte – hin
                                                                                               zum sinnvollen Leben“ mit göttlichen Emp-
                                                                                               fehlungen vom RIVA NORD für ein erfülltes
                                                                                               Leben (Liebe, Wein, Essen u.v.m.).
                                                                                                  Passend zur Jahreszeit beschenkte der
                                                                                               Vorstand seinen Ex-Vorsitzenden mit einem
                                                                                               fabelhaften, namentlich beschrifteten Holz-
                                                                                               schlitten.
                                                                                                  Und natürlich hatte Tom Rausch auch
                                                                                               selbst etwas für diesen Abend vorbereitet
                                                                                               und nahm sich dabei Apple-Mitgründer
                                                                                               Steve Jobs zum Vorbild. Dieser hatte bei
                                                                                               Unternehmensevents mit dem Ausspruch
                                                                                               „One more thing“ stets Außergewöhnliches
                                                                                               und Überraschendes angekündigt, meist
                                                                                               ein neues Apple-Produkt. Auch für Toms
                                                                                               Präsentation die passende Inszenierung. Er
                                                                                               gab ein Zeichen und schon erschienen hinter
                                                                                               ihm auf der großen Leinwand die berühmten
                                                                                               Worte „One more thing“. Er hielt einen großen
 AppTours – wenn Urlaubsfeeling dringend benötigt wird, kommen Palmen, Liegestuhl,             Umschlag in die Höhe – Pause – zog aus dem
 Sonnenbrille und das Lied „Ab in den Süden“ zum Einsatz.                                      großen Umschlag einen kleinen Umschlag
                                                                                               heraus – Pause – Mitteilung, wie es zu dem
   Viele Freunde und Freundinnen, Wegge-       Inbrunst den abgewandelten Klassiker, bis       kam, was in dem kleinen Umschlag zu finden
fährtinnen und Weggefährten waren der          schließlich der ganze Saal schmetterte „Hey     ist – Pause – Öffnen des kleinen Umschlags
„iNladung zur Verappschiedung“ gefolgt         Tom, don’t make it bad, take a sad song and     – Pause – Tata: eine hübsche Karte, die den
und schnell füllte sich der große Saal des     make it better, remember to let her into        KJR und Apple in Herzform vereint. Sein
Zeugnerhofs.                                   your heart, then you can start to make it       Abschiedsgeschenk für ALLE. Vielen Dank
   Steffie Lux, als Vorsitzende Toms Nach-     better.” Und da in der Menge hielt ein Apple-   lieber Tom und alles Gute!
folgerin, führte eloquent und humorvoll        Smartphone die Fahne hoch für die fehlenden        Wie aus verlässlichen Quellen zu hören
durch den Abend und zum Auftakt bzw. zum       Feuerzeuge und leuchtete standhaft vor sich     war, wurde noch bis 2 Uhr früh wild getanzt
Aufwärmen kam Toms Lieblingsspiel zum          hin – wer hat‘s gehalten? Natürlich Tom!        und gefeiert! Hierzu liegen uns leider keine
Einsatz: Das Schüttellied!                        Die Vorstandsmitglieder und Beschäftigten    Fotos vor.
   Dann wurde es offiziell: Grußworte der      aus KJR-Einrichtungen und der Geschäftsstel-
Stadt München übermittelte Stadtrat Chri-      le beglückten Tom Rausch mit wunderbaren,       Frauke Gnadl,
stian Müller, selbst ein ehemaliger KJR-       individuellen und total nützlichen Apps, die,   Öffentlichkeitsarbeit, KJR
Vorsitzender, und er fand auch sehr persön-
liche Worte für die lange Amtszeit von Tom
Rausch. Für das Stadtjugendamt drückten
Dr. Maria Kurz-Adam und Karl-Heinz Hummel
ihre Wertschätzung aus, und Michael Stritar,
Dekanatsjugendpfarrer bei der Evangelischen
Jugend München (Toms Heimatverband),
bedankte sich in einer launigen Rede bei
Tom und lobpreiste dessen Wirken. KJR-
Geschäftsführer Franz Schnitzlbaumer dank-
te für die respektvolle und konstruktive
langjährige Zusammenarbeit. Sein Geschenk
„Espresso & Zubehör“ soll Tom an das mittäg-
liche Ritual im KJR erinnern.
   Markus Schön, lange Zeit Vorstandskollege
von Tom Rausch, hatte zum Apple-Apfel eine
musikalische Eingebung. Die Single „Hey
Jude“ der Beatles – beim Plattenlabel „Apple
Records“ erschienen – zeigt auf dem Cover
einen grünen Apfel und es lag nahe, den
Song einfach umzudichten. So sang Markus,
                                                Mit der DemoApp spontan eine eigene Demo organisieren
begleitet von seiner Roland-Orgel, voller

                                                                                                                                                   2|15
Islam Schwerpunktthema - Jahrgang No. 2 März 15 - Kreisjugendring München-Stadt
4      Aktuell

       Kinder-Weihnachtswunsch-Aktion von Katharina Riegel

       „Ich wünsch mir was…“
       Alle Jahre wieder engagiert sich die
       Eventmanagerin Katharina Riegel von
       KS Events in der Weihnachtszeit (und
       natürlich auch davor) dafür, dass mög-
       lichst viele Wünsche von Kindern und
       Jugendlichen aus KJR-Einrichtungen
       erfüllt werden.

         So wurden im 12. Jahr der Aktion „Ich
       wünsch mir was…“ durch Firmenpatenschaf-
       ten im SBZ Sendling, dem Zeugnerhof und
       bei den Clubmäusen einzelne Kinderwünsche
       erfüllt, die diese zuvor auf Papier gemalt hat-
       ten. Im feierlichen Rahmen wurden dann die
       Kunstwerke an die Patinnen und Paten und
       die Geschenke an die jungen Künstlerinnen
       und Künstler übergeben.
         Aber damit nicht genug: 19 Einrichtungen
       formulierten mit ihren Besucherinnen und          gewünschten Gegenstand oder Geld, um                Ein ganz herzliches Dankeschön an Katha-
       Besuchern einen Gemeinschaftswunsch, der          diesen zu realisieren. So kamen letztendlich     rina Riegel für ihr jahrelanges und riesiges
       wiederum allen zugutekommen würde – vom           7.616 Euro zusammen – darunter auch 400          Engagement! Weitere Informationen zur Kin-
       Kinderspielzeug über die Tischtennisplatte        Euro, die im Rahmen der von Katharina Riegel     der-Weihnachtswunsch-Aktion „Ich wünsch
       bis zum gemeinsamen Ausflug. Insgesamt            organisierten „Charity Wiesn“ gespendet          mir was…“ unter www.ksevents.de/charity.
       beliefen sich die Gemeinschaftswünsche auf        wurden. Damit konnten die Gemeinschafts-
       fast 15.000 Euro. Viele Geschenkpatinnen          wünsche von immerhin 14 Einrichtungen            Armin Schroth,
       und -paten spendeten entweder direkt den          erfüllt werden.                                  Abteilungsleiter OKJA Süd, KJR

       Hearing im Kinder- und Jugendhilfeausschuss

       Sozialpädagogisches Handeln
       am Lebensort Schule
       Im November 2013 beschloss der Kin-                  Er plädierte dafür, Schulsozialarbeit und     zungen ab, hier müsse Schulsozialarbeit
       der- und Jugendhilfeausschuss (KJHA)              JaS als nicht allzu unterschiedlich zu be-       unterstützend wirken.
       auf Antrag der Vertreterinnen und                 trachten, da die Konzepte in seinen Augen           Angelika Iser, Professorin für Schulsozial-
       Vertreter des Kreisjugendrings und                nicht weit auseinander lägen. Vielmehr sei       arbeit an der Hochschule München, betonte
       des Münchner Trichters ein Experten-              die Frage zu stellen, warum der Bedarf an        in ihrem Vortrag den Auftrag, den Jugend-
       hearing durchzuführen. Hintergrund                Einzelfallarbeit in der Schule immer mehr        hilfe an Schule habe, nämlich diese zu einem
       waren unterschiedliche Einschätzungen             zunehme und warum hierfür zunehmend              Lebensort für die Kinder und Jugendlichen zu
       zur Situation der sozialen Arbeit an              die Schulsozialarbeit (und nicht andere          machen, zu einem sozialpädagogischen Ort,
       Schulen und dem Stellenwert der Ein-              Dienste) aktiv werde.                            an dem junge Menschen in ihrer Ganzheit
       zelfallarbeit in der Schulsozialarbeit               Der erste Referent, Hermann Rademacker,       gesehen würden. Aus diesem Verständnis von
       zwischen der Münchner Jugendarbeit                ehemaliger Mitarbeiter am Deutschen Ju-          Jugendhilfe an Schule entstünden positive
       und Jugendamt. Dieses Hearing fand                gendinstitut, bezeichnet die Schulsozialar-      Auswirklungen auf das Schulleben insgesamt
       am 13. Januar 2015 statt.                         beit* als Erfolgsgeschichte. Sie habe in den     und die Chance, Benachteiligungen auszu-
                                                         vergangenen Jahren deutlich an Bedeutung         gleichen. Aus dieser lebensweltorientierten
          Stefan Fischer, Abteilungsleiter im Ju-        gewonnen (wie die Jugendhilfe insgesamt)         Perspektive (niedrigschwellig, präventiv, all-
       gendamt, stellte in seiner Begrüßung (in          und müsse nun selbstbewusst ihre Leistungen      tagsnah platziert) könne eine Einschränkung
       Vertretung für die erkrankte Jugendamts-          unterstreichen. Schule und Jugendhilfe stün-     auf § 13 SGB VIII nicht mitgetragen werden.
       leiterin) das soeben erschienene Rahmen-          den beide vor der Herausforderung, ihre je ei-   Sie sieht es daher als eine Herausforderung
       konzept der Landeshauptstadt München              genen Leistungen systematisch aufeinander        für München, hier zwei Konzepte zusam-
       „Schulsozialarbeit und Jugendsozialarbeit         zu beziehen. Der Schulsozialarbeit komme         menzubringen. Mit dem vorgestellten Rah-
       an Schulen (JaS)“ vor. In beiden Angeboten        dabei eine anwaltschaftliche Funktion für        menkonzept sei ein erster Schritt gemacht,
       sieht er die drei Grundpfeiler für gelingendes    die Schülerinnen und Schüler gegenüber           allerdings gebe es drei zentrale Punkte, an
       sozialpädagogisches Handeln an Schulen            der Schule zu. Gerade in einem gegliederten      denen im Konzept nachgearbeitet bzw. diese
       verwirklicht:                                     Schulsystem seien Druck, Belastung und Ri-       deutlich festgeschrieben werden müssen:
       n sozialpädagogische Grundorientierung und        siken immanent. So realisierten in München       n Fallunabhängige, niedrigschwellige Ad-
          daher Ansiedelung in der Jugendhilfe und       bspw. dreimal so viele Jugendliche einen            hoc-Beratung muss aufgenommen werden.
          nicht in der Schule                            Schulartenabstieg wie einen Aufstieg. Der           Beratung ist nicht in jedem Fall Einzel-
       n multiple Angebotsstrukturen                     erfolgreiche Umgang mit diesen Belastungen          fallhilfe und kann daher nicht darunter
       n gute Kooperation mit der Schule                 hänge stark von den familiären Vorausset-           subsumiert werden. Beratung darf sich

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Islam Schwerpunktthema - Jahrgang No. 2 März 15 - Kreisjugendring München-Stadt
Aktuell               5

  nicht auf schulische Probleme reduzieren      Grundschule Lehrer-Wirth-Straße), Anita          regierung seiner Auffassung nach durchaus
  lassen, sondern müsse ganzheitlich mög-       Huber (BRK, Schulsozialarbeit Mittelschule       enthalten seien. Eine restriktive Auslegung
  lich sein, da ansonsten die lebensweltliche   Wittelsbacherstraße) und Markus Hönig (IG,       der Richtlinien des Freistaats werde den Be-
  Orientierung verloren gehe.                   Schulsozialarbeit Mittelschule Schrobenhau-      darfslagen in den Schulen nicht gerecht und
n Ein offener Zugang zur Schulsozialarbeit      ser Straße) zogen die Teilnehmenden ein über-    liege auch nicht im Interesse des Jugendamts.
  muss gewährleistet sein, dazu bedarf es       wiegend positives Fazit. Die Zusammenarbeit      In seinem Abschluss-Statement stellte Mode-
  offener Angebote, ein aktives Zugehen         zwischen Jugendhilfe und Schule wurde von        rator Prof. Dr. Wolfgang Mack fest, dass die
  auf die Kinder und Jugendlichen und eine      Seiten der Praxis der Schulsozialarbeit wie      Münchner Entwicklung bisher grundsätzlich
  Niedrigschwelligkeit von Angeboten.           von Seiten der Schulleitungen her als sehr       gut gelaufen sei und dies in der Veranstaltung
n Fallunabhängige Elternarbeit ist für gelin-   erfolgreich entwickelt bezeichnet. Franz         auch zum Ausdruck gekommen sei. Die Koope-
  gende und nachhaltige Arbeit notwendig.       Schnitzlbaumer vom KJR merkte an, dass Zu-       ration von Schule und Jugendhilfe sei aber ein
  Dazu muss die Schulsozialarbeit, unabhän-     sammenarbeit vor Ort häufig nicht wegen der      dynamisches Feld, in dem sich in den nächsten
  gig von Einzelfällen, Beratungsangebote       fachlichen und organisatorischen Rahmenbe-       Jahren noch viel verändern werde. Vor diesem
  für Eltern vorhalten und eine wertschät-      dingungen, sondern trotz dieser Bedingungen      Hintergrund wünschte er den Akteuren viel
  zende Kooperation mit allen Eltern auf-       gut funktioniere. Wichtig sei eine Definition    Erfolg für den weiteren Weg.
  bauen können.                                 sozialpädagogischen Handelns in der Schule,
                                                die nicht nur von den Problemen, sondern         Manuela Sauer, Franz Schnitzlbaumer, KJR
   In der anschließenden Podiumsdiskus-         auch – und vor allem – von den Potenzialen der
sion mit Stefan Fischer (Stadtjugendamt),       Schülerinnen und Schüler ausgehe. Eine Re-       * Weder er noch die nachfolgende Referentin
Conrad Sottorf (Leitung Sozialbürgerhaus        duktion der Sozialpädagogik an den Schulen         unterschieden in ihren Vorträge zwischen
Giesing-Harlaching), Franz Schnitzlbaumer       auf die „Schwierigen“ greife zu kurz. Stefan       verschiedenen Begriffen, sondern verstan-
(Geschäftsführer KJR München-Stadt), Petra      Fischer vom Jugendamt verwies nochmals             den Schulsoziarbeit als die übergreifende
Riedel-Perizonius (Schulleitung Mittelschule    auf die konstruktiven Möglichkeiten, die im        Bezeichnung für unterschiedliche konzep-
Ichostraße), Gisela Schäfer (Schulleitung       JaS-Förderprogramm der Bayerischen Staats-         tionelle Schwerpunkte.

Freizeitstätte für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge in der Bayernkaserne

Eröffnung der „LOK Arrival“
Noch schnell die Tischtennisplatten                Seit Anfang Februar ist die Halle 23 zwei       Am Schluss räumten wir gemeinsam auf,
zurechtgerückt und die Fußbälle auf-            Tage die Woche für junge Flüchtlinge geöff-      sogar die Fußballtrikots wurden von den
gepumpt … Kurz vor Beginn herrschte             net. Der Start war ein voller Erfolg. Die 40     Jungs nach dem Spiel feinst säuberlich
Aufregung beim Team der LOK Freimann.           Besucher freuten sich über das neue sport-       zusammengelegt und in die Kiste gepackt.
Wie viele Jugendliche aus aller Welt            liche Angebot auf dem Gelände. Vor allem           Mit einem zweiten pädagogischen Mitar-
werden heute die LOK Arrival auf dem            das Soccer-5-Feld stellte ein Highlight dar.     beiter wird der Betrieb der Halle 23 ab dem
Gelände der Bayernkaserne besuchen?             Außerdem wurde gemalt, Karten und Feder-         ersten März auf fünf Tage die Woche erwei-
Ist tatsächlich ausreichend Tee einge-          ball gespielt und viel gelacht.                  tert. Mehr Informationen zur „LOK Arrival“
kauft und kommen Spiele wie „Uno“                  Vorhandene Sprachbarrieren konnten mit        folgen in Kürze.
überhaupt bei den Jugendlichen an?              Englischkenntnissen und ein wenig Improvi-
                                                sationstalent erfolgreich bewältigt werden.      Mirjam Scheck, LOK Freimann, KJR

Münchener Hypothekenbank engagiert sich für benachteiligte Kinder

7.500 Euro für „Hilfe für Kids“
Die Münchener Hypothekenbank möch-
te im Rahmen ihres Engagements für
Nachhaltigkeit soziale Einrichtungen
in München fördern. „Wir wissen, wie
wichtig es ist, Kinder und Jugendliche
schon früh zu unterstützen, vor allem,
wenn sie aus einem sozial benachtei-
ligten Umfeld kommen“, erläutert Dr.
Patrick Wellas, bei der Bank für das
Thema Nachhaltigkeit verantwortlich.
Deshalb spendete die Münchener Hy-
pothekenbank 7.500 Euro an „Hilfe
für Kids“.

   Am Donnerstag, den 12. Februar über-         tige Pfandbrief, den die Münchener Hypo-         besonderes Anliegen, in unserem direkten
reichte Bernhard Heinlein, Vorstand des         thekenbank im September ausgegeben hat.          Umfeld soziale Verantwortung zu überneh-
Bankhauses, auf dem ABIX einen symbo-           „In diesem Rahmen haben unsere an der            men.“ Dies ist sichergestellt, denn die Spende
lischen Scheck an KJR-Vorstandsmitglied         Emission beteiligten Partner beschlossen,        kommt zu 100 % benachteiligten Kindern und
Marina Lessig und Andreas Giebel, den           einen Teil ihrer Beratungsgebühr für einen       Jugendlichen in München zugute.
Schirmherrn von „Hilfe für Kids“. Anlass für    sozialen Zweck zu spenden“, erklärt Wellas.
die Spende war der weltweit erste nachhal-      „Als Münchner Unternehmen ist es uns ein         Frauke Gnadl, Projektleitung Fundraising, KJR

                                                                                                                                                      2|15
Islam Schwerpunktthema - Jahrgang No. 2 März 15 - Kreisjugendring München-Stadt
6      Aktuell

       Zwischennutzungsprojekt „Kö k“

       Kunstvolle Baustelle mit Baklava und Brezn
       Etwa 100 Gäste kamen am 29. Januar
       2015 zur Eröffnung der Baustelle im
       Kö k. Das Kö k ist ein jugendkulturelles
       Zwischennutzungsprojekt im Westend,
       das in Kooperation von Färberei und
       Multikulturellem Jugendzentrum West-
       end (MKJZ) konzipiert wurde. Bis zum
       Abriss des Gesamtgebäudes sollen die
       Räume für junge Kunst zwischenge-
       nutzt werden. Begegnen sollen sich
       hier Jugendliche, die Lust haben, Kunst
       zu schauen und Kunst zu machen, mit
       renommierten Kunst- und Kulturschaf-

                                                                                                                                                           Fotos: Andrea Huber
       fenden, die dabei anleiten und mit
       ihnen Ausstellungen realisieren.

          Bei Baklava und Brezn gab es bei der Bau-       Fotoausstellung „Mingabul – M’ham“
       stelleneröffnung bereits einen Vorgeschmack
       auf das, was die nächsten drei Jahre entste-      und die Hoffnung, dass sie Selbstwirksam-         Julian Schulz führte aus, dass mit dem Pro-
       hen kann. Erstmals zeigte Johannes Brechter       keit durch ihr Schaffen erfahren. An erster       jekt Jugendlichen Teilhabe an Kunst und
       seinen Film „Plastic People Party erobert         Stelle steht jedoch der Spaß an der Sache. Der    Kultur ermöglicht werde. „Das Kö k ist eine
       München“. Im Rahmen eines Stipendiums der         dritte Teil steht bereits in den Startlöchern.    experimentelle und prozessorientierte Ver-
       Stiftung Nordkap hat Johannes Brechter 2012       Mehr unter www.johannesbrechter.de.               zahnung, die einen künstlerischen Umgang
       in den Niederlanden die fiktive Partei „Plastic      Gleichzeitig wurde die Fotoausstellung         mit der bunten Stadtgesellschaft aufzeigt
       People Party“ (P.P.P.) gegründet. Jugendli-       „Mingabul – M’ham“ gezeigt. Ihr Thema ist         – ein lebendiger Ort für künstlerischen Frei-
       che der Stadt Dordrecht waren aufgefordert,       Migration und Wandel der Stadt: Ein Phäno-        raum, Begegnung und Austausch“, so Julian
       mit seiner Unterstützung aus Recycling-           men dargestellt durch die Fotografien und         Schulz. Thomas Hofstätter, stellvertretender
       Materialien eine Figur zu entwerfen und zu        Videoaufnahmen, die aus der Zusammen-             BA-Vorsitzender, betonte die Bedeutung des
       bauen. Die Jugendlichen wurden gefragt,           arbeit der Künstlergruppe „Übungsraum“            Projekts für das Westend und sicherte die
       was ihnen wichtig ist und welche Positionen       aus München und einigen Studierenden aus          weitere Unterstützung des Projekts zu.
       oder Ziele sie mit ihrer Figur ausdrücken         Istanbul und Birmingham entstanden sind.
       möchten. Im Stop-Motion-Trick-Verfahren           Übungsraum ist ein Gemeinschaftsprojekt            Viele gute Ideen
       entstanden die Szenen für den ersten Film         der Fotografen Loc Nguyen und Andrea Huber
       „The Rise of the Plastic People Party“. Dieses    mit Jugendlichen im Bereich Neue Medien.             An Ideen mangelt es nicht: In Zusam-
       Projekt setzte Johannes Brechter 2014 in                                                            menarbeit mit Künstlerinnen und Künstlern
       München fort. Die neuen Mitglieder seiner          Sofort losgelegt                                 sind verschiedene Projekte wie zum Beispiel
       fiktiven Partei fand er auf Straßenfesten,                                                          Theater- und Breakdance-Workshops geplant.
       im Multikulturellen Jugendzentrum West-              Kurz vor Weihnachten – die Stadtbibli-         Auch für den Vorplatz des an ein Landhaus
       end, in der Färberei und in der Ichoschule        othek war gerade ausgezogen – bekam das           erinnernden „Kö k“ gibt es ein künstlerisches
       München. Rund 40 Teilnehmende entwarfen           Team des Kö k die Schlüssel und fing direkt       Gartenkonzept. Als medienpädagogisches
       und bauten einen Charakter und verliehen          an, das Haus zu bespielen. Seit Dezember          Projekt soll ein Westend-Stadtplan für und
       der Figur ihre Stimme, um im zweiten Teil         finden regelmäßig Teesalons statt, bei denen      mit Kindern und Jugendlichen erarbeitet
       des Stop-Trickfilmes „Plastic People Party        bei einer Tasse Tee Ideen und Konzepte für        werden. Zudem ist ein generationsüber-
       erobert München“ ihre Positionen und Ziele        die Zwischennutzung eingebracht werden            greifender Kö k-Chor angedacht. Im Keller
       zu formulieren. Brechter ging es bei dem Pro-     können. „Die Teesalons sind schon eine            werden ein Medienraum, eine Werkstatt und
       jekt in erster Linie darum, seine Leidenschaft    erste Plattform für junge Kunst geworden.         ein Schwarz-Weiß-Labor eingerichtet. Es hat
       für kreatives Arbeiten mit anderen zu teilen.     Die Vernetzung hat bereits stattgefunden“,        also vieles Platz unter dem flachen Dach!
       Das Projekt hat den Anspruch, Jugendlichen        sagte die Projektleiterin Julia Ströder bei der
       künstlerische Kompetenzen zu vermitteln           Baustelleneröffnung. KJR-Vorstandsmitglied        Antje Henkel-Algrang, Färberei, KJR

        Der Künstler Johannes Brechter (Mitte) und die fiktiven Mitglieder seiner „Plastic People Party“

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Islam Schwerpunktthema - Jahrgang No. 2 März 15 - Kreisjugendring München-Stadt
Aktuell                                   7

Runder Tisch Kinder- und Jugendpartizipation

Demokratiescouts für München
Der Arbeitskreis Kinder- und Jugend-
beteiligung hatte zu seinem diesjäh-
rigen Runden Tisch am 12. Februar
Benedikt Sturzenhecker, Professor für
Sozialpädagogik und außerschulische
Bildung an der Universität Hamburg,
eingeladen, um das von ihm entwi-
ckelte Konzept der Demokratiescouts
kennenzulernen und mögliche Umset-
zungen für München zu diskutieren.

   Die Demokratiescouts sind eine Idee, um
unterschiedliche Gruppen in der Bevöl-

                                                                                                                                                Foto: Kerstin Hof
kerung, die sich von bisher praktizierten
Partizipationsformen nicht angesprochen
fühlen, Beteiligung zu ermöglichen. Wich-
tig sei dabei, jede einzelne Person in ihrer
Individualität anzusprechen und deutlich
zu machen „Du trägst etwas zum Gemein-         auch wenn diese sehr wohl ein Interesse an      sei von der paternalistischen „Wünsch-Dir-
wesen bei“. Scouting meint dabei nicht die     einer aktiven Mitgestaltung der Gesellschaft,   was“-Partizipation wegzukommen und nicht
unterschiedlichen Formen der politischen       in der konkreten Ausprägung vor Ort, hät-       die Frage nach Wünschen zu stellen, sondern
Bildung oder den Auftrag zur Steigerung der    ten. Der Offenen Kinder- und Jugendarbeit       mit dem ehrlichen Interesse „Wer seid ihr?“,
Wahlbeteiligung, sondern die Unterstützung,    (OKJA) komme hier eine wichtige Rolle zu,       „Was macht ihr?“ den jungen Menschen zu
einen eigenen Weg in die Stadtgesellschaft     da sie besonders benachteiligte Kinder und      begegnen. Konkrete Ideen und Wünsche
und die Beteiligung an ihr zu finden.          Jugendliche erreicht.                           könnten erst in der Aushandlung mit ande-
   Verschiedene lokale Kinder- und Jugend-        In den Demokratiescouts sieht Sturzen-       ren entstehen, im Abgleichen der eigenen
milieus seien mittlerweile von der kommu-      hecker eine Alternative zu herkömmlichen        Freiheit mit der der anderen. Diesen Raum
nalen Öffentlichkeit abgekoppelt, politisch    Partizipationsangeboten. Die Scouts sind        müssten Kinder und Jugendliche bekommen.
aktive Erwachsene und Gremien fänden           hauptamtliche Fachkräfte, die mit Kindern       Die Scouts sind dabei tatsächlich als Pfadfin-
keinen Zugang mehr zu ihnen, Partizipation     und Jugendlichen in Kontakt treten, dort wo     der zu verstehen, die Wege in abgekoppelte
werde immer wieder in konventionellen For-     sie sich aufhalten, die deren Anliegen auf-     Kinder- und Jugendszenen suchen und dann
men angeboten, die vielfach benachteiligte     nehmen und versuchen, eine Verbindung mit       mit diesen gemeinsam die Verbindung zu
Kinder und Jugendlichen nicht ansprächen,      etablierten Strukturen herzustellen. Wichtig    und das Aktivwerden in Öffentlichkeit und
                                                                                               Stadtgesellschaft umsetzen.
Spende für Sprachförderung                                                                        Sigrid Huber aus dem Direktorium der
                                                                                               Landeshauptstadt München stellte die Pla-
1.000 Euro für „Hilfe für Kids“                                                                nungen für eine städtische Leitlinie Bürger-
                                                                                               beteiligung vor. Neben den gesetzlich veran-
                                                                                               kerten Beteiligungsprozessen, beispielsweise
                                                                                               im Baugesetzbuch, will die Landeshauptstadt
                                                                                               künftig auch für andere Prozesse Strukturen
                                                                                               schaffen. Geplant ist, dass eine Arbeitsgrup-
                                                                                               pe, die zu gleichen Teilen aus Mitgliedern
                                                                                               des Stadtrats, der Referate und der Münch-
                                                                                               ner Bürgerschaft besetzt ist, Vorschläge
                                                                                               erarbeitet, die dann mit gesellschaftlichen
                                                                                               Organisationen diskutiert werden sollen.
                                                                                               Dazu soll es einen Aufruf an die Münchner
                                                                                               Bevölkerung geben, sich für einen Platz in
                                                                                               der Arbeitsgruppe zu bewerben. Die Teilneh-
                                                                                               menden werden dann per Los ausgewählt.
                                                                                                  In der abschließenden Podiumsdiskussion
                                                                                               machte der KJR-Vertreter auf dem Podium,
                                                                                               Gerhard Wagner, noch einmal deutlich, dass
 Manchmal läuft’s im Leben besser als gedacht. Dann kann man sich einfach nur                  die OKJA einer der wenigen Orte sei, an dem
 freuen oder als Dankeschön eine Spende auf den Weg bringen – so geschehen im Fall             für junge Menschen Partizipation und Demo-
 von Peter Lutzenberger und seinem Unternehmen „teamlutzenberger“. Und dieser
                                                                                               kratieerfahrung möglich seien. „Die Unter-
 Weg führte schnurstracks zu „Hilfe für Kids“. Am 3. Februar fand in der Kindervilla
 Theresia die offizielle Scheckübergabe statt. Siegfried Berner, stellvertretender             stützung von Selbstbestimmungsprozessen
 Einrichtungsleiter, zeigte zunächst die Einrichtung, die übrigens in diesem Jahr das          und Hilfe bei der Übernahme gesellschaft-
 10-jährige Bestehen feiert, und informierte über Besucherstruktur, pädagogische An-           licher Verantwortung sind selbstverständ-
 gebote, Nachhaltigkeit in allen Bereichen und natürlich auch über die sinnvolle und           liche Aufgaben der Jugendarbeit.“
 wichtige Maßnahme „Linguino-Sprachförderkurs“. Benachteiligten Kindern Bildung
 zu ermöglichen, das war der Wunsch von Peter Lutzenberger, deshalb trägt die Spende           Manuela Sauer,
 von 1.000 Euro dazu bei, auch in diesem Jahr wieder einen Sprachförderkurs realisie-
                                                                                               Referentin für Grundsatzfragen, KJR
 ren zu können. Frauke Gnadl, Projektleiterin Fundraising

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Islam Schwerpunktthema - Jahrgang No. 2 März 15 - Kreisjugendring München-Stadt
8      Islam

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        Eine der fünf Säulen im Islam: Eine Pilgerreise nach Mekka

       Islam – eine Einführung

       Gottes Wille
       „Närrisch, dass jeder in seinem Falle // seine besondere Meinung preist! // Wenn                 Männer sollen darum nicht zu zweit in einem
       Islam ‚Gott ergeben‘ heißt, // In Islam leben und sterben wir alle.“ Mit diesem                  geschlossenen Raum sein, es sei denn, sie
       Gedicht aus dem „West-östlichen Divan“ fasste Johann Wolfgang von Goethe 1819                    wären Ehegatten oder Familienmitglieder.
       sein Verständnis des Islams zusammen: Islam heißt Ergebung – Ergebung in Gott.                   Für alle anderen wäre die Versuchung zu
                                                                                                        groß. So ist es für Muslime in Ordnung,
          Goethe hat den Kern muslimischer Fröm-       geschieht, ich nehme es an, weil es von Gott     wenn ich mit einer muslimischen Bekannten
       migkeit getroffen: Gott hat nicht nur einmal    kommt. Man hat mit Recht den Islam die           Eisenbahn fahre (sofern der Waggon gut
       diese Welt wunderbar geschaffen, er erhält      „Religion eines radikalen Gottvertrauens“        besetzt ist). Aber es wäre bedenklich, wenn
       und lenkt sie auch jetzt. Nichts geschieht      genannt. Der andere Aspekt ist der Gehor-        ich sie allein im Auto mitnehmen würde.
       ohne seinen Willen. Der Muslim bemüht sich,     sam gegen Gottes Willen. Der gehört zum          Zu dieser „Ethik der Vorsicht“ gehört auch,
       den Willen Gottes anzunehmen. Mehr noch:        Glauben – auch zum christlichen. Für sehr        dass viele muslimische Frauen Männern
       Er versucht, sich diesem Gott mit ganzer        viele Muslime bedeutet dieser Gehorsam           nur ungern oder gar nicht die Hand zur
       Seele hinzugeben. Die dänische Autorin Ta-
       nia Blixen hat in ihrem letzten Buch ihrem       Was bedeutet Religion für dich?*
       muslimischen Diener Farah ein Denkmal

                                                        I
       gesetzt: „Zum Unterschied von vielen mo-             ch selbst bin konfessionslos. Meine Eltern sind Christen. Sie sind aber nicht sehr
       dernen christlichen Ideengängen gibt sich            gläubig. Traditionelle Feste wie Weihnachten und Ostern werden in der Familie
       der Islam nicht damit ab, die Wege Gottes            gefeiert. In der Schule besuche ich den Ethik-Unterricht. Auch meine ältere Schwe-
       vor dem Menschen zu rechtfertigen. Sein Ja       ster ist konfessionslos – sie hat noch nie gebetet und war noch nie im Gottesdienst.
       ist umfassend und unbedingt. Denn der Lie-       Rene, 14 Jahre
       bende misst nicht den Wert seiner Geliebten
       nach einem sittlichen oder gesellschaftlichen   jedoch, immer den sichereren Weg zu wäh-         Begrüßung reichen. Oder sie tun es nur, um
       Maßstab.“ Dazu passt, was der islamische        len. Ein Beispiel: Muslime sind zum Essen        den ahnungslosen nichtmuslimischen Mann
       Mystiker Rumi (1207 - 1273) sagt: „Es gibt      eingeladen. Man sagt ihnen, die Speisen          nicht zu brüskieren. Denn auch das ist ein
       nur zwei Gefühle des Menschen gegen Gott:       seien „halal“, entsprächen also den mus-         Gebot des Glaubens: Du sollst möglichst
       Geduld und Dankbarkeit.“                        limischen Vorschriften. Aber sie sind sich       niemanden in Verlegenheit bringen.
                                                       nicht sicher, ob sie dieser Aussage trauen
        Hingabe und Vertrauen                          dürfen. So entschließen sich einige der Gä-       Unterschiedliches Verständnis
                                                       ste, lieber nichts zu essen und nur Wasser        von Gott
          Wie bei jeder anderen Spiritualität gibt     zu trinken. Ein anderes Beispiel: Der Islam
       es auch in der islamischen Frömmigkeit          ist zwar nicht leibfeindlich. Doch Sexualität      Damit bin ich über den Gehorsam des Glau-
       zwei unterschiedliche Aspekte, die sich im      gehört in die Ehe – nur in die Ehe. Frauen und   bens bereits zum Alltag des Zusammenlebens
       glücklichen Fall ergänzen, im unglücklichen
       miteinander konkurrieren. Der eine Aspekt       * Statements von Kindern und Jugendlichen aus dem Kinder- und Jugendraum RIVA NORD auf
       ist das Vertrauen in Gott: Was auch immer         die Frage nach der Bedeutung von Religion in ihrem Leben

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Islam Schwerpunktthema - Jahrgang No. 2 März 15 - Kreisjugendring München-Stadt
Islam           9

von Muslimen und Nichtmuslimen gelangt.           naiv. Er hat aber zumeist versucht, seine         bracht. Sie wurden zum Gespött ihrer Pariser
Doch noch einmal zurück zur Theologie.            Ideen über Wahlen durchzusetzen. Seine            „Kollegen“, als diese es mit ihren Methoden
   Woher kommt die Konzentration der              Anhänger wurden viel häufiger Opfer von           in die Abendnachrichten des nationalen
Muslime auf den Willen Gottes und damit           Gewalt, Unrecht und Folter, als dass sie selbst   Fernsehens brachten. Die Attentäter von
auf einen von den Geboten Gottes durch-           zu Gewalt griffen. Gerade in den ersten Wo-       Paris haben drei Tage lang 80.000 Polizisten
strukturierten Alltag? Der letzte Grund           chen dieses Jahres kann man Nachrichten aus       auf Trapp gehalten – es war ihnen wert, dafür
liegt im Verständnis Gottes selbst. Gott ist      Ägypten lesen, dass die Muslimbruderschaft        zu sterben.
nach muslimischem Verständnis so tran-            wieder einmal brutal verfolgt wird.                 Hat dann der Terrorismus, wie viele Mus-
szendent, so einzig und in sich ruhend,              Was wir jetzt in Paris und zuvor in New        lime sagen, „mit dem Islam nichts zu tun“?
dass es schwierig ist zu sagen: Gott hat sich     York, London oder Madrid erlebt haben, ist        Das wäre zu einfach. Christliche Fundamen-
offenbart. Das hieße ja schlimmstenfalls,         nicht die Fortsetzung, sondern der Bruch mit      talisten sind mir mit ihrer Gegnerschaft zu
dass die Menschen meinten, Gott durch und         den traditionellen Konzepten des Islams und       Evolutionstheorie, Homosexualität und ihrer
durch zu kennen. Die Geschöpfe würden sich        des Islamismus. Liebe zu Gott spielt keine        Belagerung von Arztpraxen, in denen Abtrei-
neben ihren Schöpfer stellen. Oder es könnte      Rolle mehr, auch nicht der Versuch, andere        bungen stattfinden, zutiefst unsympathisch
heißen: Etwas in der Welt – die Offenbarung       Menschen „zum Islam einzuladen“ und schon         – aber ich könnte darum nicht sagen, dass
nämlich – wäre zugleich ein „Stück“ von           gar nicht eine Politik, die auf Mehrheiten        diese Leute keine Christen sind. Es bleibt,
Gott. Das ist ein christlicher Gedanke, kein      setzt. Terroristen sind Menschen, die all das     so glaube ich, den Muslimen nichts anderes
islamischer. Gott ist, so bekennt der Islam,      längst aufgegeben, die keine Spiritualität        übrig als den Christen, Juden und allen an-
kein Teil der Welt und nichts Weltliches ist      entwickelt haben, die stattdessen aus wirk-       deren: die Auseinandersetzung mit dunklen
Gott. Gott hat zu seinen Propheten geredet.       licher oder vermeintlicher Marginalisierung       Kapiteln der eigenen Geschichte und Fehlent-
Was hat Gott seinen Propheten geoffenbart?        heraus um jeden Preis Aufmerksamkeit su-          wicklungen innerhalb der eigenen Religion.
Seinen Willen, den die Menschen tun sollen        chen. Ein französischer Religionssoziologe
und können. Denn die Sünde – auch das             gibt ein Beispiel: Da haben muslimische Ju-       Dr. Rainer Oechslen, Beauftragter für
gehört wesentlich zum Islam – ist niemals         gendliche aus Straßburg es durch Anschläge        interreligiösen Dialog und Islamfragen,
so stark in einem Menschen, dass sie das          auf Synagogen bis in die Lokalzeitung, ge-        Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern
Tun des Willens Gottes definitiv verhindern
könnte. Gott selbst bleibt auch in der Kund-
gabe seines Willens der Unerforschliche. Mit
neunundneunzig schönen Namen wird er
angerufen. Aber der hundertste Name Gottes         Religiöse Vielfalt im Kreisjugendring München-Stadt
bleibt ein Geheimnis.
   Dieses Bild des Islams ist gekennzeichnet
durch Hingabe an Gott, Liebe zu Gott und
                                                   Islamische Jugendverbände
Gehorsam gegen Gottes Gebote. Wie steht es            Die Tradition von Jugendverbänden nach        verband sieht es als seine Aufgabe, Kindern
dann mit dem hässlichen Bild des Islams, das       deutschem Vorbild ist in den meisten an-         und Jugendlichen den Weg zur Bildung zu
nach dem 11. September 2001 und nun wieder         deren Ländern unbekannt. Dort sind eher          erleichtern. Das regelmäßige Treffen sowie
nach dem 7. Januar 2015 die Diskussion im          lose Verbindungen junger Menschen zu             Bildungsseminare sind wichtige Bestand-
Westen beherrscht? Zuerst muss festgestellt        finden. So unterscheiden sich auch solche        teile der Jugendgruppen. Daneben kommen
werden, dass der sogenannte „Islamismus“           Jugendverbände von den traditionell deut-        auch Freizeitangebote wie Ausflüge oder
– also der Versuch, das Leben der Gesell-          schen, die sich über die islamische Religion,    Film- und Spielabende nicht zu kurz. Der
schaften nach islamischen Grundsätzen              Tradition und Kultur definieren. Kein Grund      Jugendverband nimmt zudem regemäßig an
zu gestalten – in der ersten Hälfte des 20.        jedoch, diese Verbände nicht als Mitglied        Bildungsmaßnahmen und Freizeitfahrten
Jahrhunderts aus Abwehr gegen die als er-          im Kreisjugendring München-Stadt (KJR)           des Landesverbands teil.
drückend empfundene Überlegenheit dieses           aufzunehmen. Denn Jugendverbände sind
Westens entstanden ist. Annemarie Schimmel         vor allem auch eines: Spiegel einer bunten        Gemeinschaft junger Aleviten
(1922 - 2003), die große deutsche Kennerin         und vielfältigen Stadtgesellschaft.
des Islams, hat dieses Denken so beschrieben:                                                         Die Gemeinschaft junger Aleviten (GJAM)
Es will, „… die einfachen islamischen Werte          Türkisch-Islamische Union der                  fördert die Interessen der jungen Aleviten
wieder im Leben verwirklichen und alles Gute         Anstalt für Religionen e.V.                    in München. Sie hilft bei der Lösung ihrer
nur im Islam sehen. Der Islam ist Allheilmittel      (DITIB)                                        wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen
gegen Arbeitslosigkeit, Kommunismus, Ka-                                                            Probleme und unterstützt das Erlernen
pitalismus, Feminismus, kurz gegen alles …           Der Landesjugendverband DITIB Südba-           der deutschen Sprache. Ferner hilft sie bei
In Ländern, in denen Armut und wachsende           yern vereint und vertritt 91 Jugendgruppen       Fragen der Wohnungssuche, Gesundheit so-
Arbeitslosigkeit herrschen, wo auch zum Teil       der DITIB-Gemeinden in Südbayern auf             wie Schul-, Aus- und Weiterbildung. Junge
noch Nachwehen des Kolonialismus zu spüren         Landesebene. Gewählt durch eine Grün-            Menschen sollen in der Entfaltung ihrer
sind und für viele negative Entwicklungen          dungsversammlung und bestehend aus               Persönlichkeit und in ihren Fähigkeiten
zu Recht oder zu Unrecht verantwortlich            Delegierten der DITIB-Gemeinden fungiert         bestärkt werden. Die Gemeinschaft junger
gemacht werden, da kann eine Bewegung,             der Landesjugendverband als zentrale             Aleviten in München pflegt die alevitische
die ein einfaches Programm hat, leicht An-         Anlaufstelle in Südbayern für Fragen der         Kultur, Musik und Folklore durch Kurse,
hänger finden – selbst wenn diese Anhänger         Jugendarbeit.                                    Seminare, Ausstellungen und Veranstal-
oft kaum mehr vom Koran kennen als seinen                                                           tungen. Insbesondere setzt sich die GJAM
Namen und vielleicht die Kapitel, die sie beim                                                      für die Zusammenarbeit mit deutschen und
Gebet rezitieren müssen.“                            Islamische Jugend                              ausländischen Jugendorganisationen im
                                                                                                    Sinne der Solidarität, Völkerverständigung
 Aufmerksamkeit                                       Die Islamische Jugend in München un-          und Integration ein.
 statt Überzeugung                                 terstützt junge Menschen in ihrer individu-
                                                   ellen, kulturellen, religiösen und sozialen      Quelle: Arbeitsbericht 2013,
  Dieser Islamismus, der im Islam das „All-        Entwicklung. Bildung und Beschäftigung           Kreisjugendring München-Stadt
heilmittel“ für alle gesellschaftlichen und        sind Schlüssel zur Integration. Der Jugend-
privaten Probleme sieht, ist sicher ein wenig

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Islam Schwerpunktthema - Jahrgang No. 2 März 15 - Kreisjugendring München-Stadt
10     Islam

       Islamwahrnehmung und Islamfeindlichkeit in Deutschland

       Normalität sieht anders aus
       In Deutschland leben rund vier Millio-
       nen Menschen muslimischen Glaubens
       (München: über 110.000). Ein Groß-
       teil von ihnen fühlt sich Rechtsstaat
       und freiheitlich demokratischer Ge-
       sellschaftsordnung eng verbunden.
       Trotzdem nehmen Teile der Bevölke-
       rung das kaum wahr und stehen dem
       Islam immer kritischer gegenüber.
       Ablehnung und Misstrauen sind allge-
       genwärtig. Islamistische Extremisten

                                                                                                                                                         Foto: Caruso Pinguin, Creative Commons
       und islamfeindliche Pegida-Demons-
       trationen machen die Sache auch nicht
       einfacher.

         Wie wird der Islam in Deutschland wahr-
       genommen? Warum ist die Angst davor so
       verbreitet? Wann, wo und wie zeigt sich Is-
       lamfeindlichkeit? Eine aktuelle Umfrage des
       Emnid-Instituts im Auftrag der Bertelsmann-
                                                         Provokation statt Verständnis – die Pegida-Bewegung schürt Hass auf den Islam
       Stiftung gibt aufschlussreiche Antworten auf
       diese Fragen. Im Rahmen dieser Befragung
       vom November 2014 wurden zentrale Fragen            Der Islam – eine Gefahr für unser Land?      Magazinbeiträge den Islam im Kontext von
       zur Islamwahrnehmung in der deutschen            „Ja“, sagt mehr als die Hälfte der Deutschen.   Terrorismus, religiöser Intoleranz, Funda-
       Bevölkerung, die bereits im Religionsmonitor     Tendenz steigend. Zwei zentrale Einstel-        mentalismus, Unterdrückung von Frauen und
       2012 enthalten waren, neu erhoben. So konn-      lungen hat die Bertelsmann-Stiftung in          Integrationsproblemen“ thematisiert. Für
       ten Veränderungen im Islambild zwischen          ihrer Befragung erfasst: „Als wie bedrohlich    die Muslime in Deutschland bedeutet dieses
       2012 und 2014 erfasst werden.                    bzw. wie bereichernd nehmen Sie den Islam       Stimmungsbild vor allem eines – Ausgren-
                                                        wahr?“ sowie Zustimmung/Ablehnung zur           zung. Sie leiden unter dem negativen Bild.
       Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:         Aussage „Der Islam passt durchaus in die           Überraschend ist, dass politische Ein-
       n Muslime in Deutschland sind mit Staat und      westliche Welt“. Bereits 2012 waren 53 Pro-     stellung und Bildung der Befragten kaum
         Gesellschaft eng verbunden – unabhängig        zent der nicht-muslimischen Bevölkerung         Einfluss auf das Islambild haben. So fühlen
         von der Intensität ihres Glaubens. Dies        der Meinung, der Islam sei sehr oder eher       sich Bürgerinnen und Bürger, die sich poli-
         hatte bereits der Religionsmonitor von         bedrohlich. Mittlerweile ist diese Zahl auf     tisch links oder mitte-rechts zuordnen, am
         2012 ergeben. So stimmten 90 Prozent           57 Prozent gewachsen. Noch stärker ist die      stärksten durch den Islam bedroht. Nur bei
         der Muslime der Aussage zu, dass die De-       Zahl derer gestiegen, die der Ansicht sind,     Hochschulabsolventen sinkt die Feindlich-
         mokratie eine gute Regierungsform ist. 93      der Islam passe nicht in die westliche Welt:    keit etwas. Allerdings sagen auch in dieser
         Prozent waren der Meinung, man solle allen     von 52 auf 61 Prozent. 40 Prozent sagen, sie    Gruppe 46 Prozent, der Islam sei bedrohlich;
         Religionen gegenüber offen sein, und 85        fühlten sich durch die Muslime wie Fremde       40 Prozent sind der Meinung, die Religion
         Prozent fanden, jede Religion habe einen       im eigenen Land. 24 Prozent fordern gar,        passe nicht in die westliche Welt. Der Islam
         wahren Kern.                                   dass die Einwanderung von Muslimen nach         wird mehr als Ideologie denn als Religion
       n Das Leben als religiöse Minderheit prägt re-   Deutschland verboten werden soll.               wahrgenommen. Am stärksten findet sich
         ligiöse Orientierungen und Werthaltungen          In der Ablehnung des Islams gibt es regi-    die Ablehnung unter den Unzufriedenen, sie
         der Muslime in Deutschland. Diese denken       onale Unterschiede: In Nordrhein-Westfalen      scheint Projektionsfläche für Ängste zu sein.
         häufiger über Glaubensfragen nach und          wohnt ein Drittel der Muslime. Dort fühlen      Fazit: Islamfeindlichkeit greift in der Mitte
         sind insgesamt liberaler als Muslime in der    sich 46 Prozent der Bürgerschaft bedroht.       der Gesellschaft Raum.
         Türkei.                                        In Sachsen, wo kaum Muslime leben und die          Die Sonderauswertung zieht aus diesen
       n Der offenen Haltung vieler Muslime in          Pegida-Bewegung viele Anhänger hat, sind        Ergebnissen folgende Schlussfolgerungen:
         Deutschland steht eine zunehmend ab-           dies 78 Prozent. Entscheidend ist bei diesem    n Der Islam sollte als Teil Deutschlands an-
         lehnende Haltung der Mehrheit der Be-          Befund, dass das Islambild der Deutschen           erkannt und mit den christlichen Konfes-
         völkerung gegenüber. Die vier Millionen        durch deren persönliche Kontakte mit Mus-          sionen und dem Judentum in Deutschland
         in Deutschland lebenden Muslime leiden         limen geprägt wird. Gibt es diesen nicht,          gleichgestellt werden.
         unter einem negativen Image, das durch         steigt die Ablehnung. Auch das Alter ist        n Deutschland muss für seine Zukunftsfä-
         die Minderheit radikaler Islamisten und die    für die Einstellung relevant. Unter den über       higkeit eine Kultur der Anerkennung und
         Medienberichterstattung geprägt wird.          54-Jährigen fühlen sich 60 Prozent durch den       der Offenheit entwickeln, die religiöse wie
       n Islamfeindlichkeit ist keine gesellschaft-     Islam bedroht; bei den 16- bis 25-Jährigen         kulturelle Vielfalt zulässt.
         liche Randerscheinung, sondern findet          hingegen nur 39 Prozent.                        n Deutschland braucht ein inklusives Wir-
         sich in der Mitte der Gesellschaft. Sie wird                                                      Gefühl.
         als salonfähiger Trend zur Legitimation         Trägt die „Lügenpresse“ Schuld?                n Die Menschen benötigen mehr Wissen über
         diskriminierender und ausgrenzender                                                               die religiöse Vielfalt in der Gesellschaft.
         Verhaltensweisen genutzt.                        Die zunehmende Ablehnung des Islams           n Politik sollte gesellschaftlichen Dialog und
       n Regelmäßige persönliche Kontakte helfen,       könnte laut des aktuellen Sonderberichts           interreligiöse Begegnung fördern.
         Vorurteile gegenüber Muslimen abzubau-         der Bertelsmann-Stiftung auch an der Medi-
         en. Häufig aber fehlen allerdings Gelegen-     enberichterstattung liegen. In den vergan-      Cumali Naz, Beauftragter für interkulturelle
         heiten zur Begegnung.                          genen Jahren hätten „etwa 80 Prozent aller      Arbeit im KJR München-Stadt

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Islam                                                          11

Islamischer Unterricht an bayerischen Schulen

Aus Wissen wird Handeln
Der bayerische Modellversuch „Is-
lamischer Unterricht“ (IU) erfüllt
mehrere pädagogische Funktionen:
Er vermittelt authentisches Wissen
über Glaubensinhalte und unterstützt
zugleich die Persönlichkeitsbildung.
Muslimische Schülerinnen und Schüler
sehen sich auf Augenhöhe mit Mit-

                                                                                                                                                   Foto: Alevitische Gemeinde Deutschland e.V.
schülern anderer Bekenntnisse ange-
sprochen und behandelt. Sie erhalten
Angebote zur Identitätsfindung und
religiösen Positionierung, sehen sich
wertgeschätzt und sind leichter bereit,
eine andere Perspektiven einzuneh-
men.

   Der Unterricht ist grundlegend für die
Wertebildung: Muslimische Jugendliche
entdecken, dass traditionelle Tugenden,          Modellversuch mit Breitenwirkung – der Islamunterricht in Bayern wird ausgeweitet
Menschenrechte und Grundwerte der europä-
ischen Demokratien nicht im Widerspruch zur     ler unterstützt und ihre Sprachkenntnisse        weitere fünf Jahre verlängert. Die Gründe
islamischen Glaubenslehre stehen und sich       vertieft.                                        dafür sind zunächst fachlicher Natur: Der
sogar damit besser verstehen lassen.               Durch eine gute Implementierung in die        ursprünglich für Grund- und Mittelschulen
   Schließlich wirkt der IU bei der gesell-     schulischen Abläufe hat der IU auch schul-       konzipierte Lehrplan wird nach Schularten
schaftlichen Integration. Jugendliche erle-     organisatorische Hürden genommen: Der            differenziert. Die Evaluation ergab, dass die
ben bereits die Schulgemeinschaft und im        Unterricht ist an der Mehrzahl der Schulen       Passung der Lehrwerke zum Lehrplan noch zu
weiteren Sinne die ganze Gesellschaft als die   mit dem christlichen Religionsunterricht im      verbessern ist. Es werden außerdem Materi-
ihre. Durch die interreligiöse Information      Vormittagsstundenplan gekoppelt.                 alien zur Fachsprache Deutsch im Islamischen
wird das Verständnis für nichtmuslimische          Auch die Lehrerbildung ist auf einem          Unterricht erarbeitet. In Vorbereitung ist
Sichtweisen vorbereitet, und die Gestaltung     guten Weg: 90 Prozent der Lehrkräfte an          auch eine akademische Lehrerbildung für das
des Unterrichts in deutscher Sprache festigt    den 72 Schulen, die an der Evaluation teil-      Unterrichtsfach am Gymnasium.
die Brücken zur sogenannten Mehrheitsge-        nahmen, können das Zertifikat „Islamische
sellschaft.                                     Religionslehre“ vorweisen. Außerdem kann          Verlässliche Partnerschaften
                                                man „Islamischen Unterricht“ jetzt auch als
 Islamunterricht ist                            Unterrichtsfach für das Lehramt studieren.          Für die von vielen Muslimen gewünschte
 persönlichkeitsbildend                            Im Blick auf die Standorte ist bereits eine   Etablierung des IU als Regelangebot müsste
                                                für einen Modellversuch nicht typische Grö-      eine zentrale Voraussetzung erfüllt sein, die
  In allen genannten Aspekten vollzieht         ßenordnung erreicht: Der Unterricht war im       nicht in der Hand des Staates liegt: Ein isla-
sich islamischer Religionsunterricht im         Schuljahr 2013/2014 an 177 Grundschulen,         mischer Religionsunterricht auf der Grundla-
Rahmen des staatlichen Erziehungs- und          78 Mittelschulen, vier Realschulen und           ge von Artikel 7 Absatz 3 setzt eine islamische
Bildungsauftrags und wird der Forderung         zwei Gymnasien eingerichtet. Die Standorte       Religionsgemeinschaft als Kooperationspart-
                                                                                                 ner des Staates voraus. Diese muss von ihren
                                                                                                 Mitgliedern legitimiert sein, verbindliche
 Was bedeutet Religion für dich?                                                                 Aussagen zu Glaubenswahrheiten zu machen.
                                                                                                 Sie muss dazu auch die Gewähr der Dauer

 M
          it zunehmendem Alter wächst mein Interesse am Glauben. Ich tausche mich intensiv       bieten und ausreichend Mitglieder haben, um
          mit gläubigen Freundinnen aus. Ich möchte gern in die Koranschule gehen und            an den Schulen landesweit repräsentiert zu
          mehr wissen. Es gibt halt leider sehr viele Regeln und man weiß nicht so genau,        sein und die Bildung von Religionsgruppen zu
 was man alles einhalten muss. Obwohl ich kein Kopftuch trage und auch nicht alle Regeln         ermöglichen, die den Klassenbildungsricht­
 einhalte, möchte ich gern viel mehr über den Islam wissen, die Gebete kennen. Abends            linien entsprechen. Die Mitglieder müssen
 bete ich ein bestimmtes muslimisches Gebet. Tagsüber bete ich noch nicht, dafür muss ich        bei der Religionsgemeinschaft verwaltet
 erst die Gebete lernen. Fasten finde ich eine Riesenherausforderung. Beim Schulausflug          werden und wären den Schulen am Ort im
 durfte meine Freundin nichts trinken – alle anderen haben getrunken und Eis gegessen.           Einzelnen zu melden, damit dort der Besuch
 Cagla, 12 Jahre                                                                                 des Pflichtunterrichts Religion gewährleistet
                                                                                                 werden kann. Bis sich eine solche Religi-
von Artikel 131 der Bayerischen Verfassung      befinden sich schwerpunktmäßig in groß-          onsgemeinschaft konstituiert hat, werden
gerecht, dass Schule nicht nur Wissen und       städtischen Ballungsgebieten, aber auch          wir weiterhin auf Übergangslösungen wie
Können vermittelt, sondern auch Herz und        in bevölkerungsschwächeren Regionen. An          den IU angewiesen sein, die sich in ihrer
Charakter bildet.                               bayerischen Grund-, Mittel- und Realschulen      pädagogischen Wirkung allerdings kaum von
  Die Evaluation von 2014 hat belegt,           sind an den Standorten alle Jahrgangsstufen      einem verfassungskonformen islamischen
dass der Modellversuch diesen Ansprüchen        ausgebaut. Deutschlandweit einzigartig ist       Religionsunterricht unterscheiden dürften.
gerecht wird. Eltern und Schulen bestäti-       der IU auch an zwei Nürnberger Gymnasien
gen, dass er persönlichkeitsbildend und         eingerichtet.                                    Dr. Ulrich Seiser, Bayerisches Staatsministeri-
integrativ wirkt, dass er die interreligiöse      Mit Blick auf den Erfolg wird das Islam-       um für Bildung und Kultus, Wissenschaft und
Dialogfähigkeit der Schülerinnen und Schü-      projekt ab dem Schuljahr 2014/2015 um            Kunst

                                                                                                                                                                                                 2|15
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