IT- basierte Anwendungsszenarien zur Steigerung der Nachhaltigkeit in der Transportwirtschaft - Fakultät BWL

 
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IT- basierte Anwendungsszenarien zur Steigerung der Nachhaltigkeit in der Transportwirtschaft - Fakultät BWL
Nina Bauer, Jakob Zschocke: IT-basierte Anwendungsszenarien zur Steigerung der Nachhaltigkeit
                                                                     in der Transportwirtschaft
                           Universität Hamburg, Fakultät für Betriebswirtschaft, Hamburg 2021

IT- basierte Anwendungsszenarien zur Steigerung der
Nachhaltigkeit in der Transportwirtschaft

Nina Bauer1 und Jakob Zschocke2

Abstract: In der vorliegenden Arbeit werden verschiedene IT-basierte Anwendungsszenarien zur
Steigerung der Nachhaltigkeit in der Transportwirtschaft vorgestellt. Die Vermeidung von
Transporten, eine Verringerung des Transportbedarfs und die Reduzierung der negativen
Umwelteinflüsse stellen dabei Schlüsselkomponenten einer nachhaltigen Entwicklung im
Transportwesen dar. Die ökonomische Dimension der Nachhaltigkeit durch Effizienzsteigerung und
die dadurch resultierende Emissionseinsparung stehen bei den Betrachtungen im Vordergrund,
dennoch werden Möglichkeiten für eine erhöhte soziale Nachhaltigkeit aufgezeigt. Die
Notwendigkeit der Informations- und Kommunikationstechnologien für die Umsetzung der
aufgeführten Anwendungsszenarien wird dabei erläutert. Zudem werden diese in Bezug auf ihre
Einflussnahme der UN-Nachhaltigkeitsziele beurteilt.
Keywords: Netzwerk- und Tourenoptimierung, Sharing Economy, Transportlogistik 4.0,
Nachhaltige Transportlogistik, UN-Nachhaltigkeitsziele.

1
    Universität Hamburg, Fakultät für Betriebswirtschaft, Nina.Bauer@uni-hamburg.de
2
    Universität Hamburg, Fakultät für Betriebswirtschaft, Jakob.Zschocke@uni-hamburg.de
IT-basierte Anwendungsszenarien einer nachhaltigen Transportwirtschaft 1

Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis ....................................................................................................... 2
1      Einleitung ................................................................................................................... 3
    1.1       Problemstellung und Motivation ........................................................................ 4
    1.2       Zielsetzung der Arbeit ........................................................................................ 4
    1.3       Methodisches Vorgehen und Aufbau der Arbeit ................................................ 5
2      Theoretische Grundlagen............................................................................................ 5
    2.1       Transportwirtschaft............................................................................................. 5
    2.2       Nachhaltigkeit..................................................................................................... 9
    2.3       Informations- und Kommunikationstechnologien............................................ 12
    2.4       Themenüberschneidungen ................................................................................ 14
3      Methodik .................................................................................................................. 17
4      IT-basierte Lösungsansätze zur Steigerung der Nachhaltigkeit ............................... 18
    4.1       Netzwerk- und Tourenoptimierung .................................................................. 19
    4.2       Sharing-Ansätze in der Transportwirtschaft..................................................... 21
    4.3       Aspekte der Fahrzeugtechnik und Transportmittelwahl................................... 25
    4.4       Experteninterviews ........................................................................................... 26
5      Schlussfolgerung ...................................................................................................... 27
    5.1    Zusammenfassende Beurteilung der Lösungsansätze und ihre Auswirkung auf
    die Nachhaltigkeit......................................................................................................... 27
    5.2       Kritische Würdigung und Limitation der Arbeit .............................................. 28
    5.3       Ausblick und Veränderungen der Transportwirtschaft .................................... 29
6      Literaturverzeichnis .................................................................................................. 31
Eidesstattliche Erklärung .................................................................................................. 36
2 Nina Bauer und Jakob Zschocke

Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Leerfahrtenkilometer und Leerfahrtenanteil in Deutschland ................................ 7
Abb. 2: Eigendarstellung des Transportgüteraufkommens der Transportmittel in
Deutschland ........................................................................................................................ 8
Abb. 3: UN-Nachhaltigkeitsziele ..................................................................................... 11
Abb. 4: Nachbildung des Digitalisierungsindex in Deutschland an einem
Branchenvergleich ............................................................................................................ 16
Abb. 5: Untergliederung des Informations-Sharings in verschiedene Bereiche .............. 23
Abb. 6: Durchschnittliche Emissionen einzelner Verkehrsmittel im Güterverkehr in
Deutschland ...................................................................................................................... 26
IT-basierte Anwendungsszenarien einer nachhaltigen Transportwirtschaft 3

1     Einleitung
Innerhalb der letzten 30 Jahre stieg der weltweite Anteil der CO2 Emissionen um 60%.
Diese enorme Steigerung der ausgestoßenen Kohlenstoffdioxidmenge ist eine
Hauptursache für die globale Erwärmung und den daraus resultierenden spürbaren
Umweltauswirkungen und Naturkatastrophen.3 In der Folge entwickelt sich ein steigendes
Nachhaltigkeitsbewusstsein in Gesellschaft und Politik, zudem geraten Unternehmen
immer mehr in den Blick der Öffentlichkeit. So wünschen sich beispielsweise 89% der
Verbraucher mehr Nachhaltigkeit seitens der Unternehmen.4 Auch die Bundesregierung
sieht die „Wirtschaft als wichtige[n] Akteur und Multiplikator für mehr Nachhaltigkeit“5.
Durch die zunehmende Bedeutung der Nachhaltigkeit und Forderungen nach einer
nachhaltigen Unternehmenspolitik durch Politik und Gesellschaft versuchen
Unternehmen die negativen ökologischen Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit im Sinne
der Nachhaltigkeit zu reduzieren.6 Zudem versuchen Unternehmen selbst ihre
gesellschaftliche Verantwortung auszuweiten.7 Im Jahr 2017 verabschiedeten die
Vereinten Nationen (UN) 17 Ziele zur nachhaltigen Entwicklung bis 2030. Diese dienen
der Gewährleistung der Nachhaltigkeit auf ökologischer, ökonomischer und sozialer
Ebene. So werden beispielsweise der Klimaschutz als ökologischer Aspekt, eine
Verbesserung der Infrastruktur und Innovationsfähigkeit als ökonomischer Gesichtspunkt
sowie Maßnahmen zur Einhaltung der Menschenrechte und eine Verbesserung der
Arbeitsbedingungen als soziale Komponenten berücksichtigt.8 Die Bundesregierung
Deutschland sieht die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung als das Leitprinzip der
Politik an. Damit Entwicklungen nachhaltig tragfähig sind, müssen ökologische,
ökonomische und soziale Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen. Bezugnehmend auf die
ökologische Komponente hat sich die deutsche Bundesregierung bis 2030 ausgesprochen,
die Treibhausgase – Hauptursache der Erderwärmung – um 65% zu reduzieren.9 Neben
der Energiewirtschaft verzeichnet der Verkehrssektor als zweitgrößter Urheber der
Treibhausgase eine stetige Zunahme der Emissionen.10 Im Hinblick auf die Verursachung
von Stickoxiden vermisst er im Vergleich zu den anderen Wirtschaftssektoren den größten
Einfluss.11
Das gesellschaftliche Verlangen Güter jederzeit und an jedem Ort zur Verfügung zu
haben, zieht ein enormes Wachstum des Transportvolumens und der Lieferhäufigkeiten
sowie der Transportdistanzen mit sich.12 Seit 2005 verzeichnet das Güteraufkommen in
3
  Vgl. [St20].
4
  Vgl. [UD21]
5
  Vgl. [BWK21a]
6
  Vgl. [Mo19], S.1
7
  Vgl. [BWK21a]
8
  Vgl. [Mo19] S. 1
9
  Vgl. [BWK21a]
10
   Vgl. [UB21]
11
   Vgl. [Mo19], S. 2
12
   Vgl. [FHS04], S. 23
4 Nina Bauer und Jakob Zschocke

der Transportwirtschaft ein Wachstum von 16%.13 „Insbesondere die Aspekte von
umweltorientierten Logistikprozessen unter Berücksichtigung knapper Ressourcen
(Rohstoffe, Energie, Infrastruktur etc.) und sich zunehmend verschärfender nationaler und
internationaler Umweltvorschriften (Abfall- und Recyclingquoten, Schadstoffemissionen,
Lärm, Bodenversiegelung etc.) bilden die Basis zukünftiger elektrifizierter und digitaler
Logistik- und Mobilitätskonzepte“14. Durch die Integration von Trackingmöglichkeiten,
individuellen Kundenwünschen und weiteren Konzepten flexibleren Transports steigt die
Komplexität der Anforderung an die Transportwirtschaft weiter an. Im gleichen Zuge birgt
eine zunehmende Digitalisierung für Unternehmen wie für Verbraucher eine Vielzahl an
Möglichkeiten für eine ökonomische und ökologische Ausrichtung ihrer
Transportprozesse.15

1.1      Problemstellung und Motivation

Einschränkungen und Forderungen von Gesellschaft und Politik stellen die
Transportwirtschaft vor große Herausforderungen und zwingen sie zum Handeln. Sowohl
international, als auch national wird das Transportaufkommen im Zuge der Globalisierung
weiteransteigen. Daher ist es notwendig Informations- und Kommunikationstechnologien
zur Problemlösung zu finden, um die Nachfrage- und Komplexitätssteigerung in der
Transportbranche mit der bestehenden Infrastruktur bedienen zu können. Zielsetzung ist
hierbei Kosten zu Senken und durch die Reduzierung des Verkehrsaufkommens, der
Vermeidung von Transporten oder der umweltgerechten Gestaltung der Transportmittel
negative Umwelteinflüsse zu reduzieren.16

1.2      Zielsetzung der Arbeit

In dieser Seminararbeit werden Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT)
basierte Anwendungsszenarien einer nachhaltigen Transportwirtschaft erläutert. Es
werden durch Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglichte
Lösungsansätze vorgestellt und ihr Beitrag zur Nachhaltigkeit beurteilt. Ein ganzheitliches
Nachhaltigkeitsverständnis im Sinne des Drei-Säulen-Modells der Nachhaltigkeit bildet
dabei die Bewertungsgrundlage. Eine entscheidende Problematik stellt die
Operationalisierung und Implementierung der Nachhaltigkeit in die Transportwirtschaft
dar. Diesbezügliche Veränderungen des Transportsektors, ausgelöst durch aufkommende
Informations-     und     Kommunikationstechnologien          und      ein     wachsendes
Nachhaltigkeitsbewusstsein der Gesellschaft, Politik und Wirtschaft, werden beschrieben.
Die Fragestellung, inwiefern die soziale und ökologische Nachhaltigkeit als logische
Folge des ökonomischen Wirtschaftens gesehen werden kann, wird mit Hilfe gezielter
13
   Vgl. [St21]
14
   [Lo19], S. 127
15
   Vgl. [Lo19], S. 127
16
   Vgl. [KD17], S.19
IT-basierte Anwendungsszenarien einer nachhaltigen Transportwirtschaft 5

Literaturrecherche und der Einbindung von praxisbasierten Expertenmeinungen beurteilt.

1.3        Methodisches Vorgehen und Aufbau der Arbeit

In Kapitel 2 werden die wichtigsten Grundlagen der drei Themengebiete – Informations-
und Kommunikationstechnologien, Nachhaltigkeit und Transportwirtschaft – erläutert. In
einem weiteren Schritt werden vorhandene Themenüberschneidungen jeweils zweier
dieser Themenbereiche definiert. Aufbauend auf diesen kann anschließend eine
ganzheitliche Betrachtung aller drei Themen und ihrer Berührungspunkte erfolgen. In
Kapitel 3 erfolgt die Beschreibung der Methodik in Form einer Literaturrecherche, die
Durchführung und dadurch erlangte Ergebnisse werden aufgeführt. Außerdem wird auf
die Ergänzung des theoretischen Wissens mittels einer praxisnahen Expertenbefragung
eingegangen. Hierbei wurde der Fokus vor allem auf die Fragestellung gelegt, inwiefern
die soziale und ökologische Nachhaltigkeit als logische Folge ökonomischen
Wirtschaftens in Transportunternehmen gesehen werden kann. In Kapitel 4 werden
verschiedene Anwendungen und Lösungsansätze zur Optimierung der Nachhaltigkeit in
der Transportwirtschaft aufgeführt, ermöglicht durch die Integration und den Einsatz von
IKT. Die aufgeführten Szenarien werden in Bezug auf ihre Potentiale, aufkommende
Herausforderungen und die Einflussnahme in Bezug auf das ganzheitliche
Nachhaltigkeitsverständnis bewertet. Abschließend erfolgt eine zusammenfassende
Betrachtung der vorgestellten Anwendungsszenarien und eine Einschätzung der
Auswirkung auf die Nachhaltigkeit. Begründet durch steigende Anforderungen an die
Transportwirtschaft wird im Anschluss ein Ausblick auf die Entwicklung der Branche hin
zu 4PL-Providern gegeben – 4PL-Provider werden im weiteren Verlauf erklärt.

2        Theoretische Grundlagen

2.1        Transportwirtschaft

Transport – als Teilsystem des Verkehrs – wird definiert als Ortsveränderung von Gütern
mit Hilfe von Transportmitteln.17 Die Transport- oder Verkehrswirtschaft beschreibt somit
eine, die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Verkehrs berücksichtigende,
Ortsveränderung von Gütern. Neben wirtschaftlichen Gesichtspunkten werden politisch-
rechtliche sowie umweltökonomische Konsequenzen berücksichtigt.18 Untergliedert wird
die Transportwirtschaft in den Personen- sowie den Güterverkehr.19 Im folgenden Verlauf
der Seminararbeit liegt der Fokus auf dem Güterverkehr. Begründet wird dies durch den
enormen Anstieg der Fahrleistung im Güterverkehr, also die jährlich in Kilometer
gemessene Fahrstrecke und den damit verbundenen Emissionen sowie ihre Auswirkungen
17
     Vgl. [CG13], S.3
18
     Vgl. [Sp21a]
19
     Vgl. [Ab02], S. 44
6 Nina Bauer und Jakob Zschocke

auf die Umwelt. Trotz einer Steigerung der Personenverkehrsdienstleistungen sinken die
CO2 Emissionen im Personenverkehr seit 1990, während sie im Güterverkehr bei
zunehmender Güterverkehrsleistung weiter ansteigen.20 Diese Zunahme der Fahrleistung
vermisst zwischen 1991 und 2019 einen Anstieg von 69 Prozent im Güterverkehr, im
Personenverkehr beträgt das Wachstum lediglich 29 Prozent. Beim Vergleich der
Schadstoffemissionen und der Lärmbelastung eines LKWs und PKWs ist der enorme
Sprung der Fahrleistung im Güterverkehr als besonders problematisch zu beurteilen und
mit erheblichen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt verbunden.21
In der aufgeführten Literatur ist häufig von Transportlogistik die Rede. Als Teilbereich
der Logistik erfolgt eine kurze Definition und Abgrenzung beider Themenbereiche. Für
den Begriff der Logistik gibt es keine einheitliche Definition. Pfohl definiert die Logistik
folgendermaßen: „Logistik ist der Prozess der Planung, Realisierung und Kontrolle des
effizienten, kosteneffektiven Fließens und Lagerns von Rohstoffen, Halbfabrikaten und
Fertigfabrikaten und den damit zusammenhängenden Informationen vom Liefer- zum
Empfangspunkt entsprechend der Anforderungen des Kunden“22.

Die Logistikkette (engl. supply chain) „umfasst den gesamten Güterfluss vom Lieferanten
zum Unternehmen, innerhalb des Unternehmens und von dort zu den Kunden“23. Die
Kernbereiche der Logistikkette stellen die Beschaffungs- Produktions-, Distributions-,
und Entsorgungslogistik dar. Sie umfassen eine Reihe von Transport- Lager und
Produktionsprozesse.24 Transportprozesse stellen einen entscheidenden Abschnitt der
Unternehmenslogistik dar. Mehr als ein Drittel der erbrachten Logistikleistungen wird
durch das Transportgeschäft erbracht, somit ist Transportlogistik eine wichtige Branche
mit Zukunfts- und großen Wachstumsaussichten.25 Die zentrale Funktion des Transports
stellt die Beförderung und der dazu notwenige Umschlag dar.26

„Jedes Transportsystem besteht aus einem Transportgut, dem Transportmittel und dem
Transportprozess“27. Sollte an einen bestimmten Lieferort das benötigte Transportmittel
nicht zur Verfügung stehen, ist ein Leertransport notwendig, welcher teilweise
Voraussetzung für einen Transportprozess ist.28 Im Jahr 2018 lag die Anzahl der
Leertransporte in Deutschland bei 155,4 Mio. Fahrten mit einer Kilometeranzahl von
6,595 Mrd. Kilometern.29
20
   Vgl. [BJS17], S. 216
21
   Vgl. [UB21b]
22
   [Pf17b], S. 12
23
   [Ar08], S. 4
24
   Vgl. [Ar08], S. 4
25
   Vgl. [Te18], S.17
26
   Vgl. [GW18a]
27
   [Pf17b], S.169
28
   Vgl. [Pf17b], S.169
29
   Vgl. [BDV20]
IT-basierte Anwendungsszenarien einer nachhaltigen Transportwirtschaft 7

        Fahrleistung deutscher Lastkraftfahrzeuge   Last-/ Leerkilometer deutscher
        im Inland im Zeitraum von 2006 bis 2020     Lastkraftfahrzeuge im Inland im Zeitraum
        in Mrd. km                                  von 2006 bis 2020

      Abb. 1: Leerfahrtenkilometer und Leerfahrtenanteil in Deutschland zwischen 2006 und 2020
            (Quelle: Bundesamt für Güterverkehr: Marktbeobachtung Güterverkehr. 2020)
Deutschlandweit wurden im Jahr 2020 4.568 Millionen Tonnen Güter durch
unterschiedliche Transportmittel transportiert. Mit 80% nimmt der Straßengüterverkehr
den mit Abstand größten Anteil des Transports ein, es folgt der Eisenbahnverkehr mit
einem Anteil von 8%, der Seeverkehr mit 6% und die Binnenschifffahrt mit 4%. Der
Luftverkehr sowie der Transport über Rohrleitungen spielt im Vergleich zum
Güterverkehr eine eher untergeordnete Rolle, weshalb diese hier nicht weiter aufgeführt
werden.30
30
     Vgl. [SB20]
8 Nina Bauer und Jakob Zschocke

                                  5.000
                                  4.500
                                                                                                                       Gesamtes
      Befördeungsmenge in 1 Mio

                                  4.000                                                                                Transportaufkommen
                                  3.500
                                                                                                                       Straßenverkehr
                                  3.000
               Tonnen

                                  2.500                                                                                Eisenbahnverkehr
                                  2.000
                                  1.500                                                                                Seeverkehr
                                  1.000
                                   500                                                                                 Binnenschifffahrt
                                     0
                                          2000
                                                 2002
                                                        2004
                                                               2006
                                                                      2008
                                                                             2010
                                                                                    2012
                                                                                           2014
                                                                                                  2016
                                                                                                         2018
                                                                                                                2020
     Abb. 2: Eigendarstellung des Transportgüteraufkommens der Transportmittel in Deutschland
          (Quelle: https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Transport-
          Verkehr/Gueterverkehr/Tabellen/gueterbefoerderung-lr.html. Zugriff: 02.01.2022)
Der große Anteil des Straßengüterverkehrs am gesamten Transportaufkommen und ein
Anteil von 95% der fossilen Kraftstoffnutzung begründen die Schwerpunktsetzung dieser
Seminararbeit auf den Straßengüterverkehr.31

Das Transportproblem beschäftigt sich mit der Befriedigung des Güterbedarfs zwischen
definierten Orten unter der Berücksichtigung verschiedener Nebenbedingungen, wie
Kapazitätsbeschränkungen, die Verfügbarkeit der Transportmittel oder Liefertreue. Ziele,
wie eine Maximierung der Kapazitätsauslastung und eine Minimierung der
Transportkosten werden bestmöglich erfüllt.32 „Das Transportproblem in einem
logistischen Netzwerk ist gekennzeichnet durch das Transportgut, die Struktur und
Beschaffenheit des Liefergebietes, die Standorte der Liefer- und Empfangspunkte sowie
durch die Art des Angebots und der Nachfrage seitens dieser Punkte“33. Den Aufbau der
Transportkette beschreibt die DIN 30781 als eine „Folge von technischen und
organisatorisch miteinander verknüpften Vorgängen, bei denen Personen oder Güter von
einer Quelle zu einem Ziel bewegt werden“34 zur Lösung des Transportproblems.
Unterschieden wird zwischen eingliedrigen und mehrgliedrigen Transportketten. Bei
eingliedrigen Transportketten sind Start und Zielpunkt im Direktverkehr und ohne
Unterbrechung miteinander verbunden, bei mehrgliedrigen Ketten findet hingegen ein
Wechsel von Transportmitteln statt. Man spricht von gebrochenem oder kombiniertem
Verkehr.35
31
   Vgl. [BMU21]
32
   Vgl. [GW18b]
33
   [Pf17b], S.170
34
   [FIS18]
35
   Vgl. [Pf17b], S. 179
IT-basierte Anwendungsszenarien einer nachhaltigen Transportwirtschaft 9

Die letzte Meile, als Teilbereich der Distributionslogistik, beinhaltet den letzten Weg der
Transportkette und den Gütertransport vom Händler zum Endkunden. 36 Der Fokus liegt
hierbei auf der Betrachtung technischer, zeitlicher und wirtschaftlicher Komponenten und
der daraus resultierenden Gestaltung der Geschäftsprozesse.37 Die Zustellung auf der
letzten Meile übernehmen vorwiegend Kurier-Express-Paket-Dienste (KEP).38 In
Deutschland wurden im Jahr 2019 3254 Millionen Sendungen über KEP übermittelt. Im
Vergleich zu 2012 stieg die Sendungsmenge um 50%.39 Dieses enorme Wachstum stellt
Paketzustelldienste in Kombination mit steigenden Kundenansprüchen, wie flexiblere
Zustellangebote oder schnellere Lieferungen, vor große Herausforderungen.40 „So
entscheiden Konsumenten heute oft nicht mehr aufgrund der Qualität der Produkte oder
der Beratung in stationären Geschäften über Widerkäufe, sondern der Qualität der
Zustellung“41. Vor allem in städtischen Regionen verändert sich der Anspruch der
Lieferung durch gesellschafts- und gesundheitspolitische Entwicklungen. Ansprüche sind
beispielsweise eine Reduktion der Fahrten, die Entzerrung des Verkehrsaufkommens und
Verlagerung der Zustellung in die Nacht, kontaktlose Zustellungen sowie die Verwendung
umweltfreundlicher Fahrzeuge.42
Zusammengefasst beschäftigt sich diese Seminararbeit aufgrund des großen Einflusses auf
die Nachhaltigkeit und Optimierungsmöglichkeiten mittels IKT mit dem
Straßengütertransport.

2.2      Nachhaltigkeit

Als Ursprung und Grundlage des heutigen Nachhaltigkeitsverständnisses kann der 1987
formulierte Brutland-Report der World Commission on Environment and Development
angesehen werden. Nachhaltiges Handeln muss demnach so ausgerichtet sein „that it
meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to
meet their own needs”43. Dabei besitzt die Nachhaltigkeit eine ökonomische, ökologische
und soziale Dimension.44
Die ökonomische Nachhaltigkeit bezieht sich auf die „wirtschaftliche Leistung und dessen
Fortbestand“45. Unternehmerische Ziele betreffen zum Beispiel eine verbesserte
Wettbewerbsfähigkeit oder Rentabilität. Ökologische Nachhaltigkeit meint die Reduktion
von negativen Umweltauswirkungen. Diese werden unter anderem durch verbrauchte
Ressourcen oder Emissionen getrieben. Soziale Nachhaltigkeit zielt auf ein gerechteres
36
   Vgl. [Lo19], S. 153
37
   Vgl. [Pi20], S. 2
38
   Vgl. [Ko17], S. 17
39
   Vgl. [St21b]
40
   Vgl. [Pi20], S. 4
41
   [Vo20], S. 49
42
   Vgl. [Pi20], S. 4
43
   [BR87], S.6
44
   Vgl. [Mo19], S. 25
45
   [Mo19], S. 25
10 Nina Bauer und Jakob Zschocke

und angemesseneres Sozialsystem zur Erhöhung der Befindlichkeit ab. Konkrete
Maßnahmen      können      Thematiken        wie     bessere      Arbeitsbedingungen,
Entwicklungsmöglichkeiten oder eine gesteigerte Lebensqualität behandeln.46
In der Wertigkeit der drei sich gegenseitig beeinflussenden Nachhaltigkeitsdimensionen
unterscheiden sich ein schwaches und ein starkes Nachhaltigkeitsverständnis. Ein
schwaches Nachhaltigkeitsverständnis ist durch ökonomisches Handeln dominiert und
bezieht sich vor allem auf effiziente Ressourcennutzung und die Reduzierung der
Umweltauswirkungen innerhalb vorgegebener, ökonomischer Vorgaben. Bei einem
starken Nachhaltigkeitsverständnis hingegen ist die ökologische der ökonomischen
Komponente übergeordnet.47
In Bezug auf eine nachhaltige Transportwirtschaft bzw. Transportlogistik lassen sich drei
zentrale Stellschrauben der Nachhaltigkeit identifizieren: Die Vermeidung von
Transporten, das Vermindern des Transportbedarfs und die Reduzierung der negativen
Umwelteinflüsse in Bezug auf den Transport und der damit verbundene Logistikprozesse.
Eine Vermeidung von Transporten kann durch die Digitalisierung von Produkten oder
Gütersharing erfolgen. Wohingegen eine verminderter Transportbedarf aus gesteigerter
Auslastung, Volumenbündelung oder optimierter Transportstrecke resultiert. Durch
umweltfreundliche     Transportketten     oder     Transportmittel     sind     negative
Umweltauswirkungen reduzierbar. Diese werden hauptsächlich durch Emissionen wie
Lärm, Schadstoffe oder Abfälle und verbrauchte Ressourcen wie Energie, Rohstoffe,
Wasser und Boden verursacht.48
Damit eine Umsetzung und Vergleichbarkeit der Nachhaltigkeit möglich ist, muss diese
über die komplette Wertschöpfungskette hinweg implementiert und operationalisiert
werden. In Bezug auf die Nachhaltigkeit bereiten die „Multi-Dimensionalität, die
Notwendigkeit der Langzeitbetrachtung ihrer Wirkeffekte und ihr Einfluss auf allen
Ebenen naturgegebener und von Menschen geschaffener Systeme“49 Schwierigkeiten. Die
aktuell breiteste Grundlage zur Lösung dieser Problematik bilden die 17 von den
Vereinten Nationen formulierten Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable
development goals (SDGs), 2016 in Kraft getreten). Anhand von ca. 270 Indikatoren ist
die Nachhaltigkeit dadurch beurteilbar. Im Gegensatz zu dieser freiwilligen Verpflichtung
der globalen Wertegemeinschaft stellt die CSR-Richtlinie der EU eine erste gesetzliche
Berichtspflicht über die sozialen und ökologischen Aspekte für Unternehmen mit mehr als
500 Mitarbeitern dar (CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, 2017 in Kraft getreten).50
Diese Seminararbeit sollen die 17 SDGs als Beurteilungsgrundlage für eine nachhaltige
Transportwirtschaft zugrunde liegen.

46
   Vgl. [Mo19], S. 34
47
   Vgl. [Mo19], S. 26
48
   Vgl. [DF14] S.14f. und [Mo19], S. 32
49
   [GNR21], S. 156
50
   Vgl. [GNR21], S. 157f.
IT-basierte Anwendungsszenarien einer nachhaltigen Transportwirtschaft 11

                  Abb. 3: UN-Nachhaltigkeitsziele (Quelle: Die UN-Nachhaltigkeitsziele.
              https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/die-un-
                           nachhaltigkeitsziele-1553514. Zugriff: 02.01.2022)
Hierbei wird nachhaltiger Verkehr – und damit nachhaltiger Transport – nicht als
eigenständiges Nachhaltigkeitsziel, sondern als Querschnittsthema berücksichtigt. Die
Transportwirtschaft ist einerseits größtmöglicher Profiteur und Treiber der Realisierung
des Nachhaltigkeitsziels 9 – einer widerstandsfähigen, hochwertigen und nachhaltigen
Infrastruktur zur Unterstützung der wirtschaftlichen Entwicklung. Andererseits ist die
Transportwirtschaft zur Umsetzung der im Folgenden erläuterten Nachhaltigkeitsziele
3,6,7,11 und 12 unausweichlich miteinzubeziehen. Dabei thematisiert Ziel 3 die Zahl der
Verletzungen und Todesfälle aufgrund von Verkehrsunfällen und verunreinigter Luft,
Boden und Wasser. Ziel 6 berücksichtigt den notwendigen Zugang und die logistische
Bereitstellung von sauberem Trinkwasser. Durch Ziel 7 wird allgemein die Steigerung der
Energieeffizienz verfolgt, welche in der Transportwirtschaft z. B. durch leistungsstärkere
Transportstreckenoptimierung – wird in Abschnitt 4.1 ausführlich erläutert – oder
effizientere Transportmittel erreicht wird. Ziel 11 strebt eine bessere Luftqualität speziell
in Städten und Siedlungen an, ermöglicht durch emissionsarme Transportmittel und dicht
besiedelte Gebiete meidende Transportstreckenplanung. Die Reduzierung von entlang der
Logistikketten entstehender Verschwendung und Nahrungsmittelverlusten wird durch
Ziel 12 definiert.51

51
     Vgl. [Sc20], S.21ff.
12 Nina Bauer und Jakob Zschocke

2.3     Informations- und Kommunikationstechnologien

Bevor die Veränderungen und Auswirkungen, ausgelöst durch Informations- und
Kommunikationstechnologien (IKT), auf die Transportwirtschaft im weiteren Verlauf der
Seminararbeit betrachtet werden können, ist eine Unterscheidung zwischen
Digitalisierung und digitaler Transformation notwendig.
Die „Digitalisierung ist die strategisch orientierte Transformation von Prozessen,
Produkten, Dienstleistungen bis hin zur Transformation von kompletten
Geschäftsmodellen       unter     Nutzung       moderner      Informations-   und
Kommunikationstechnologien mit dem Ziel, nachhaltige Wertschöpfung effektiv und
effizient zu gewährleisten“52. Es steht die Veränderung von Geschäftsprozessen in
bestehenden Geschäftsmodellen und die dafür notwendigen, den Geschäftsprozess
maßgeblich prägenden IKT im Vordergrund.53
Digitale Transformation hingegen kann als „Veränderung von Wertschöpfungsprozessen
durch die Weiterentwicklung bestehender und Implementierung neuer digitaler
Technologien, Anpassungen der Unternehmensstrategien auf Basis neuer digitalisierter
Geschäftsmodelle sowie den Erwerb der dafür erforderlichen Kompetenzen bzw.
Qualifikationen“54 angesehen werden. Hierbei ist die Entwicklung neuer
Geschäftsmodelle und Anwendungen auf Basis innovativer Informations- und
Kommunikationstechnologien maßgebend. In einer verbindenden Betrachtung dieser
beiden Begrifflichkeiten kann die Digitalisierung als Werkzeug zur Realisierung des
Wandlungsprozesses, der digitalen Transformation verstanden werden.55
Im Folgenden soll das Internet der Dinge (IoT), Künstliche Intelligenz (KI), Blockchain,
Predictive Analytics, Cloud Computing und Big Data repräsentativ für IKT ausgeführt
und in Bezug auf ihre Anwendung in der Transportlogistik beurteilt werden, da diesen
große Wachstumspotentiale in der Transportlogistik zugesprochen werden.56 Grundlage
des Internet der Dinge (IoT) – Technologien zur Verknüpfung der virtuellen-digitalen
Welt und einer real-physischen Welt57 – sind die sogenannten Cyber-Physischen Systeme,
„welche mittels Sensoren die Prozesse der realen, physischen Welt überwachen und durch
Aktuatoren steuernd bzw. regulierend auf diese einwirken. Sie integrieren die daraus
gewonnenen Daten in die virtuelle (Informations-)Welt“58. Die dadurch entstehenden,
umgangssprachlich als „intelligent“ benannten Objekte können untereinander
kommunizieren und Prozesse steuern. Für die Transportlogistik relevante Informationen,
z. B. bezüglich Fahrzeugverschleiß, Fahrzeugemissionen oder Frachtzuständen können in
die Logistikkette integriert und so zur Analyse bereitgestellt werden.59 In diesem
52
   [Be19], S. 9
53
   Vgl. [Be19], S. 196
54
   [SGB17], S. 51
55
   Vgl. [KSI18], S. 104
56
   Vgl. [Pf17a], S.41
57
   Vgl. [Vo20], S.86
58
   [Be19], S. 384
59
   Vgl. [Be19], S. 384 und [Vo20], S. 87
IT-basierte Anwendungsszenarien einer nachhaltigen Transportwirtschaft 13

Zusammenhang können Cyber-Physische Systeme als eine Quelle von Big Data
angesehen werden – einer großen Datenmenge verschiedener Formate, welche mit hoher
Geschwindigkeit ausgewertet werden muss.60 Big-Data-Anwendungen in der
Transportlogistik betreffen z. B. Routen- und Tourenoptimierungen, tagesaktuelle
Kapazitätsplanung oder Wartungsmonitoring.61 Dennoch erzeugt nicht das reine Sammeln
von Daten, sondern das gezielte Auswerten dieser einen Mehrwert für Unternehmen.62
Dafür kommt unter anderem Künstliche Intelligenz (KI) – Verfahren zur
Mustererkennung und Erschließung von Zusammenhängen in großen Daten – zum
Einsatz.63 Das Erzeugen von Informationen und Wissen aus Daten kann dabei in
deskriptive, prädikative, präskriptive und kognitive Analytik unterschieden werden.
Deskriptive Analysen ermitteln Zusammenhänge in Daten und bereiten
Vergangenheitsdaten auf. In prädiktiven Analysen werden Vorhersagen über zukünftige
Ereignisse basierend auf Vergangenheitsmustern getroffen. Präskriptive Analysen
hingegen modellieren unter Hinzunahme von mathematischen Modellen, wie z. B.
stochastischen Methoden oder Wahrscheinlichkeitsbäumen, eine effiziente Lösung
unternehmerischer Probleme. In der kognitiven Analyse werden über neuronale Netze die
Vorgehensweise des menschlichen Gehirns nachgebildet. „Grundlage sind trainierte
Algorithmen, die aus neuen Daten lernen und das bestehende Datenmodell kontinuierlich
weiterentwickeln“64. Einschränkungen ergeben sich insofern, als dass die zu
analysierenden Daten vorher strukturiert werden müssen und Aussagen für die Zukunft
lediglich auf Vergangenheitsdaten basieren.65 Die aufgezeigten Analysen können
Entscheidungen und Prozesse unterstützen oder als Grundlage von Geschäftsmodellen
fungieren.66 Sie werden insbesondere zur Entscheidungsunterstützung in Echtzeit, z. B.
für notwendige Umplanungen aufgrund von Verkehrsstauungen oder für Prognosen z. B.
hinsichtlich der Transportbedarfsermittlung herangezogen werden.67 Künstliche
Intelligenz wird unter anderem für den Aufbau autonomer Systeme und die automatisierte
Ausführung von Routineaufgaben verwendet.68 Die generierten Informationen können
über die Cloud an einem beliebigen Ort, in einer beliebigen Menge, einem spezifischen
Abnehmer zur Verfügung gestellt werden.69 Frachtenbörsen, welche im Folgenden unter
Abschnitt 4.2 ausgeführt werden, stellen dafür ein großes Anwendungspotential dar. Die
Blockchain, „ein verschlüsselter, manipulationssicherer und dezentralisierter, kooperativ
genutzter Datenspeicher“70 kann dabei als Grundlage für eine rechtssichere
Dokumentation von Informationen entlang der Logistikketten angesehen werden.
Ineffizienzen, entstanden durch fehlende Kommunikation bzw. Transparenz entlang
60
   Vgl. [Be19], S.447
61
   Vgl. [Vo20], S. 97
62
   Vgl. [Pf17a], S. 31
63
   Vgl. [SW19], S. 447,
64
   [SW19], S. 448,
65
   Vgl. [SW19], S. 448 und [Be19], S. 353
66
   Vgl. [SW19], S. 449
67
   Vgl. [Pf17a], S. 31 f.
68
   Vgl. [Vo20], S. 90, [Pf17], S. 32
69
   Vgl. [Pf17a], S. 7
70
   [HBV20], S.7
14 Nina Bauer und Jakob Zschocke

dieser Logistikketten, können so verhindert und die Ursachen dafür beweisbar werden.71

2.4     Themenüberschneidungen

Nachhaltigkeit in der Logistik
Für die Logistik spielt das Thema Nachhaltigkeit eine große Rolle. Um Forderungen von
Gesellschaft und Politik gerecht zu werden sehen sich immer mehr Unternehmen im
Zugzwang mehr Nachhaltigkeit in ihre Prozesse zu integrieren.72 Zudem stellen
Kosteneinsparungen durch eine Verminderung des Rohstoffbedarfs, eine
Risikoverminderung durch die Kontrolle ökologischer Risiken, Steigerung immaterieller
Werte durch ein verbessertes Unternehmensimage und Umsatzsteigerungen durch eine
Differenzierung zu anderen Unternehmen weitere Vorteile und mögliche Beweggründe
für eine ökologische Ausrichtung der Unternehmen dar. 73
Aufgrund hoher Implementierungskosten sowie einem Mangel an Information,
Transparenz und Fachkräften zögern Unternehmen bei der Umsetzung nachhaltiger
Prozesse.74 „Green Logistics ist [...] die Ausrichtung der Logistikfunktionen an den Zielen
der ökologischen Nachhaltigkeit. Ziele sind dabei Ressourcenschonung (d. h. verbesserte
Ressourceneffizienz) und Umweltverträglichkeit (d. h. verminderte Auswirkungen von
Emissionen)“75. Bei grüner Logistik liegt der Fokus der Betrachtung im Transport, da
dieser den größten Umwelteinfluss hat .76 „So können zunächst Maßnahmen zur
Minimierung der Umweltauswirkungen von Planung, Steuerung und Kontrolle sowie
Durchführung der eingehenden und ausgehenden Material-, Waren- und
Informationsflüsse als grüne Logistik bezeichnet werden.“77 Vermeidung von
Transporten, eine Verringerung des Transportbedarfs oder der Transportstrecke sowie die
Reduktion der Transportschädlichkeit stellen die wichtigsten Maßnahmen zur
Gewährleistung einer grünen Logistik dar.78 Im Gegensatz zur Schwerpunktlegung der
grünen Logistik auf die Transportprozesse geht es im grünen Supply Chain Management
um die ökologische Ausrichtung der gesamten Lieferkette.79 Diese schließt die
Beschaffungs-, Produktions-, Distributions-, und Entsorgungslogistik mit ein und betrifft
somit die gesamte Wertschöpfungskette. „Überbetriebliches nachhaltiges Management
[...] ist eine Vision, an der Unternehmen ihre Aktivitäten heutzutage ausrichten sollten.“80
Ergänzend zu der rein ökologischen Nachhaltigkeitsbetrachtung oben vorgestellter
Konzepte beschäftigt sich nachhaltiges Supply Chain Management zunehmend mit der
71
   Vgl. [HBV20], S.569 und [Vo20], S.91
72
   Vgl. [Mo19], S. 1
73
   Vgl. [De15], S. 23
74
   [Mo19] S.31
75
   Vgl. [De15], S. 23
76
   Vgl. [Mo19], S.32
77
   [Mo19], S.32
78
   Vgl. [De15], S. 26
79
   Vgl. [Mo19] S.33
80
   [GNR21], S.165
IT-basierte Anwendungsszenarien einer nachhaltigen Transportwirtschaft 15

sozialen Komponente der Nachhaltigkeit. So wird hierbei der ganzheitliche
Nachhaltigkeitsansatz verfolgt.81 „Beiden Konzepten gemein ist, dass die Langfristigkeit
der Maßnahmen und des Betrachtungshorizonts eine wichtige Rolle spielt“.82
Grüne IT
„Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) kann einen Beitrag zur
Verbesserung wirtschaftlicher und ökologischer Faktoren in der Logistik leisten. Dabei
muss das Paradoxon von Energieverbrauch in der IT den Energieeinsparungen durch die
IT gegenübergestellt werden“83. Zunehmende Implementierung von Informations- und
Kommunikationstechniken haben nicht nur einen höheren Energieverbrauch, sondern
auch einen Anstieg der CO2 Emissionen zur Folge. So haben IKT einen Anteil von 2% an
den weltweiten CO2 Emissionen einen haben einen größeren negativen Umwelteinfluss
als der Flugverkehr.84
„Green IT ist [definiert als] ein Bewusstseinswandel im Unternehmen, der auf der
Implementierung von grünen IT-Komponenten bestehend aus Hardware und Software
beruht. Ergänzend können IT-Komponenten mit grünem Strom betrieben werden“85.
Neben einer nachhaltigen Optimierung der Prozesse muss die IKT selbst
ressourcensparend und sozial gerecht gestaltet werden. Für die Produktion der IKT werden
verschiedene Rohstoffe, deren Abbau von ausbeuterischen Arbeitsbedingungen oder
Menschenrechtsverletzungen geprägt ist, eingesetzt. Unternehmen, Politik und
Gesellschaft stehen in Verantwortung gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen und
Lieferketten sozial gerechter zu gestalten.86 Neben der Rohstoffgewinnung ist auch die
fachgerechte Entsorgung der teilweise giftigen Substanzen ein wichtiger Baustein von
Green IT.
Der Energiebedarf der IT steigt jährlich um 17 Prozent im Jahr 2020 benötigten IT-
Komponenten 10 Mrd. kWh, ein Großteil davon wird noch aus fossilen Brennstoffen
gewonnen.87 2020 lag der Anteil der erneuerbaren Energien im Stromsektor bei 46
Prozent.88 Der Energiebedarf der IKT muss dem enormen Energieeinsparungspotential
gegenübergestellt werden. „So kommen Schätzungen zu dem Ergebnis, dass allein KI
durch höhere Effizienz zu einem prognostizierten Einsparpotenzial von 1,5 bis 4,0 Prozent
von Treibhausgas-Emissionen bis 2030 beitragen kann und dies insbesondere in den
Bereichen Energie und Transport“89.
Durch zusätzliche Investitionen in nachhaltige Hardware-Komponenten, steigt der
81
   Vgl. [Mo19], S.34
82
   [Mo19], S.34
83
   [Lo19], S. 140
84
   Vgl. [Lo19], S. 142
85
   [Lo19], S. 144
86
   Vgl. [HRA20], S. 19
87
   Vgl. [Lo19], S. 145, [Hi20] S. 1
88
   Vgl. [BWK21b]
89
   [HRA20], S. 19
16 Nina Bauer und Jakob Zschocke

Nachhaltigkeitseinfluss weiter an. Aufgrund hoher Anschaffungskosten, der
Umstrukturierung interner Prozessabläufe, wie der nicht offensichtlichen Kostenreduktion
durch den Einsatz von Green IT zögern Unternehmen jedoch bei der Integration von Green
IT in ihre Prozessabläufe.90
Transportlogistik 4.0
Transportlogistik 4.0 wird in dieser Seminararbeit als Begrifflichkeit – geprägt durch die
oben ausgeführten Themengebiete Transportwirtschaft und IKT – verstanden, welche die
Veränderungen der Transportlogistik und -wirtschaft, ausgelöst durch die digitale
Transformation, beschreibt.91 Für eine Einordnung des bereits bestehenden Einflusses der
digitalen Transformation auf die Logistikbranche kann der Digitalisierungsindex des
Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWi) herangezogen werden.

              Digitalisierungsindex - Branchenvergleich Deutschland
                                   IKT
                          Fahrzeugbau
      Elektrotechnik und Maschinenbau
       Unternehmensnahe Dienstleister
      Grundstoffe, Chemie und Pharma
                            Tourismus
                               Handel
     Sonstiges verarbeitendes Gewerbe
                   Verkehr und Logistik
     Sonstiges produzierendes Gewerbe
                                          0,0   50,0   100,0 150,0 200,0 250,0 300,0
                2021     2020                            Wert in Punkten

     Abb. 4: Nachbildung des Digitalisierungsindex in Deutschland an einem Branchenvergleich
                   (Quelle: Digitalisierung der Wirtschaft in Deutschland, 2021)
Dieser Index ermittelt anhand von 37 Indikatoren die digitale Reife der verschiedenen
Wirtschaftsbereiche Deutschlands und verdeutlicht den Nachholbedarf der Verkehr- und
Logistikbranche in Bezug auf die Digitalisierung im Brachenvergleich. In einer genaueren
Betrachtung kann Transportlogistik 4.0 als „daten- und vernetzungsbasierte Unterstützung
überbetrieblicher Transporte mittels digitaler Technologien zur transparenteren, agileren
und effizienteren Steuerung, Organisation, Durchführung und Abwicklung“92 definiert
werden. Die Transportlogistik 4.0 ist dabei auf eine erhöhte Automatisierung,
90
   Vgl. [Lo19], S. 147
91
   Vgl. [GT20], S. 78
92
   [Pf17a], S. 3
IT-basierte Anwendungsszenarien einer nachhaltigen Transportwirtschaft 17

Skalierbarkeit und Autonomie fokussiert, um effizienter wirtschaften und
Kostenersparnisse erzielen zu können.93 Ein wesentliches Merkmal ist der prozess- und
unternehmensübergreifende Ansatz einer schnittfreien Kommunikation entlang der
Wertschöpfungskette, um flexibel auf Änderungen zu reagieren und Aufträge zu
vermitteln94. Als Voraussetzung für eine Transportlogistik 4.0 gelten „die intelligente
Aufbereitung, Verknüpfung, Auswertung und Nutzung von unternehmensbezogenen und
-übergreifenden Daten“95 sowie die fehlende Standardisierung dieser Technologien.96
Resultierend ergeben sich aus der Transportlogistik 4.0 neue Nutzenpotentiale und eine
Erhöhung jeglicher Wertschöpfungsprozesse.97 Letztendlich würde eine stabil und
flexible, lückenlos automatisierte Logistikkette resultieren, die sich mittels der in
Abschnitt 2.3 aufgeführten Technologien autark selbst steuern würde.98

3     Methodik
Damit IT-basierte Lösungsansätze für eine nachhaltige Transportwirtschaft aufgezeigt und
diese in Bezug auf die Nachhaltigkeit beurteilt werden können, musste ein
interdisziplinärer Konsens aus den oft unabhängig voneinander betrachteten
Themengebieten – Informations- und Kommunikationstechnologien, Nachhaltigkeit und
Transportwirtschaft – hergestellt werden. Ein Überblick über die Grundlagen der drei
Themengebiete wurde durch eine qualitative Forschung in Form einer Literaturrecherche
gewonnen. Dabei wurden primär die Datenbanken von Google Scholar und der Deutschen
Nationalbibliothek ausgewertet. Allein in Google Scholar ließen sich 25.100 Ergebnisse
für den Suchbegriff „Informationstechnologien“, 413.000 Ergebnisse für den Suchbegriff
„Nachhaltigkeit“ und 13.500 Ergebnisse für den Suchbegriff „Transportwesen“ finden
(Stand: 11.12.2021). Natürlich beinhalten die oben genannten Datenbanken noch
wesentlich mehr potenziell relevante Quellen, da auch synonym verwendete Suchbegriffe
wie z.B. „grün“ anstelle von „nachhaltig“ berücksichtigt wurden.
Auffällig war dabei, dass die Ergebnisse aus der qualitativen Literaturrecherche oftmals
zwei der drei Themengebiete – IKT, Nachhaltigkeit und Transportwirtschaft – erläutern,
aber keine Literatur bezüglich Informationstechnologien in der Transportwirtschaft und
deren konkrete Auswirkung auf Nachhaltigkeitsaspekte gefunden werden konnte. In
Einzelfällen wurden zwei der drei Themengebiete ausführlich diskutiert und das dritte
Themengebiet unspezifisch erwähnt. Diese Forschungslücke möchte unsere Seminararbeit
schließen.
Für eine weitere Vertiefung der Seminararbeit wurde eine Abstufung bezüglich der
Relevanz der drei Themengebiete vorgenommen. Das Transportwesen als Teil der
93
   Vgl. [Be19], S. 478 und [Be19], S. 714
94
   Vgl. [Be19] S. 195 f., [Pf17a], S. 12
95
   [Be19], S. 194
96
   Vgl. [Pf17a], S. 37
97
   Vgl. [Pf17a], S. 44
98
   Vgl. [GT20], S. 79
18 Nina Bauer und Jakob Zschocke

Logistik stellt dabei lediglich den Bezugsrahmen der Seminararbeit dar, während der
Schwerpunkt auf die Lösungsansätze, welche durch IKT ermöglicht werden und eine
Steigerung der Nachhaltigkeit zur Folge haben, gerichtet ist.
Darauf basierend wurde eine zweite gezielte qualitative Untersuchung der
Literaturdatenbanken des Beluga-Katalogs der Universität Hamburg und der A-Journals
aus den Themengebieten „Wirtschaftsinformatik“, „Nachhaltigkeitsmanagement“ und
„Logistik“ des VHB-Jourquals durchgeführt. Zudem wurden Publikationen mit erhöhter
Relevanz für diese Seminararbeit nach dem Prinzip der Rückwärtssuche erforscht.
Im Zuge der qualitativen Literaturrecherche ist von einigen Publikationen, meist in Form
einer kurzen Randbemerkung, die Frage nach der Ursache oder Motivation für eine
gesteigerte Nachhaltigkeit in der Transportwirtschaft aufgegriffen worden. Eine
verbesserte Nachhaltigkeit wird dabei oftmals als logische oder beiläufige Folge des
effizienten Wirtschaftens beschrieben.99 Diese Seminararbeit möchte dahingehend einen
Überblick über untersuchte Literatur geben und die existierende Forschung durch
Meinungen aus der Praxis ergänzen. Dafür wurden ein Experteninterview mit einer
klassischen, traditionellen Spedition durchgeführt und ein Experteninterview mit einem
Startup für Anwendungen von (teil) automatisierten Transportmitteln. Die ausgewählten
Experten waren:
•         Georg Dettendorfer, Vize-Vorsitzender der Industrie- und Handelskammer (IHK)
          München und Oberbayern, Mitglied des Verkehrsausschusses des Industrie- und
          Handelskammertag (DIHK) und Geschäftsführer der Spedition „Johann
          Dettendorfer“.
•         Stefan Jokiel, FERNRIDE GmbH, Abteilung Marketing, mit Sitz in München

4        IT-basierte Lösungsansätze zur Steigerung der Nachhaltigkeit
Wie bereits in Abschnitt 2.2 erläutert, lassen sich in Bezug auf eine nachhaltige
Transportwirtschaft bzw. Transportlogistik drei zentrale Stellschrauben der
Nachhaltigkeit identifizieren: Die Vermeidung von Transporten, das Vermindern des
Transportbedarfs und die Reduzierung der negativen Umwelteinflüsse in Bezug auf den
Transport und die damit verbundene Logistikprozesse. Im Folgenden werden
diesbezügliche Lösungsansätze präsentiert und die Notwendigkeit von Informations- und
Kommunikationstechnologien für ihre Umsetzung und eine möglichst zukunftsorientierte
Planung und Steuerung der Logistikprozesse thematisiert. Größtenteils auf der
Digitalisierung basierende Lösungsansätze für einen verminderten Transportbedarf durch
optimale Transportwege werden im Abschnitt 4.1 erläutert. Dabei steht die ökonomische
Dimension der Nachhaltigkeit durch Effizienzsteigerung und daraus resultierende
Emissionseinsparungen im Vordergrund, dennoch werden Möglichkeiten für eine erhöhte
99
     Vgl. [GT20], S. 82
IT-basierte Anwendungsszenarien einer nachhaltigen Transportwirtschaft 19

soziale Nachhaltigkeit aufgezeigt. In den Nachhaltigkeitsauswirkungen äquivalent sind
Sharing Aspekte zu nennen, welche größtenteils aus der digitalen Transformation
resultieren und im Abschnitt 4.2 ausgeführt werden. Diese können nicht nur ebenso den
Transportbedarf durch Volumenbündelung reduzieren, sondern auch teilweise zur
Vermeidung dieser beitragen. Eine weitere, Transport vermeidende Technologie stellt der
3D-Drucker da. In Abschnitt 4.3 werden Aspekte zur Reduzierung von negativen
Umweltauswirkungen, verursacht durch die weiterhin benötigten Transporte,
ausgeführt.100

4.1     Netzwerk- und Tourenoptimierung

In gewisser Weise ist die Nachhaltigkeit seit jeher als Grundprinzip in der
Transportlogistik     verankert,     allerdings    nicht     dem       ganzheitlichen
Nachhaltigkeitsverständnis entsprechend. So sind die Transportkosten weitestgehend
unabhängig von der transportierten Menge und hauptsächlich durch die zurückzulegende
Strecke, und damit durch Kraftstoffverbrauch und ausgestoßene Emissionen beeinflusst.
Ein wirtschaftliches Denken und Handeln ergibt infolgedessen eine effiziente
Ressourcennutzung und Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs und der Emissionen.101
Neben der Bündelung von Transportströmen werden folgende Lösungsansätze der
Transport- und Tourenplanung zur Verringerung der emissionsbehafteten Transporte
erläutert: Die Planung der Transportwege und -mittel, die Gestaltung der Transportnetze
sowie die Organisation des Fahrzeugeinsatzes.102 Unter gewissen einschränkenden
Nebenbedingungen, wie z. B. der Kapazität der Transportmittel, wird die Summe der
möglichen Transportverbindungen zwischen Versand– und Empfangsorten meist
hinsichtlich der minimalen Transportkosten ermittelt.103 Die Optimierung der
Transportwege wird ebenso bei der Gestaltung der Transportnetze berücksichtigt. Diese
betrifft „in erster Linie die Festlegung der Anzahl und der Standorte der Knoten
[Lagerorte] des Netzes, soweit sie nicht als Versand- oder Empfangsorte feststehen“104.
Die Planung des Fahrzeugeinsatzes (Tourenplanung) hat „ganz allgemein die Aufgabe,
kleinere Transportaufträge, die einzeln ein Fahrzeug nicht auslasten, zu Touren
zusammenzufassen“105. Auch hier wird unter bestimmten Voraussetzungen die zu
fahrende Strecke, welche ausgehend von einem Depot eine gewisse Anzahl von Kunden
miteinander verknüpft, minimiert.106
Den Lösungsansätzen ist gemein, dass sie meistens hinsichtlich der Transportkosten
minimiert werden. Im Sinne des ganzheitlichen Nachhaltigkeitsverständnisses ist eine
Optimierung der Transportwege nicht nur im Sinne der Wirtschaftlichkeit, sondern auch
100
    Vgl. [DF14], S. 15 und [Mo19], S. 32
101
    Vgl. [Ar08], S. 9, S.13
102
    Vgl. [Ar08], S. 137
103
    Vgl. [Ar08], S. 138
104
    [Ar08], S. 140
105
    [Ar08], S. 144
106
    Vgl. [Ar08], S. 144
20 Nina Bauer und Jakob Zschocke

im Sinne von (direkten) ökologischen und sozialen Kriterien oder der Vorgabe von
entsprechend einschränkenden Nebenbedingungen notwendig. Dies könnte die
entstehenden Emissionen, die Sicherheit von Rastplätzen107, die Unfallgefahr bestimmter
Strecken, Ressourceneffizienz oder das Meiden von dichtbesiedelten Flächen betreffen.108
Notwendig für die Implementierung solcher Kriterien in Optimierungsmodelle ist das
Messbarmachen der Nachhaltigkeitsfaktoren – wie bereits in Abschnitt 2.2 erläutert. So
können z. B. emittierte Schadstoffe verringert werden, wenn Daten über Beschleunigungs-
und Bremsverhalten gemessen und auswertbar werden.109 Allgemein bilden Informationen
über Transportmittel, Kunden, Straßennetz und Restriktionen die Datengrundlage für
Optimierungsmodelle.110
Zur Lösung dieser Optimierungsverfahren kommt Software zu Einsatz, welche aufgrund
der „exponentiell mit der Problemgröße wachsenden Anzahl von Lösungen […] für
kombinatorische      Optimierungsprobleme      […]     [oftmals]   keine    effizienten
Lösungsverfahren“111 darstellen können. Eine leistungsfähigere Hard- und Software kann
demnach zu einer nachhaltigen Transportwirtschaft beitragen, indem sie komplexere,
mehrere Zielsetzungen und Einschränkungen berücksichtigende Modelle effizient,
stromsparend und optimal lösen kann. Erst dadurch können die in Abschnitt 2.3
erläuterten, durch das Internet der Dinge gewonnenen Daten berücksichtigt werden.
Eine Erweiterung der erläuterten, meist auf theoretischen Annahmen und
Vereinfachungen basierenden Optimierungsmodelle stellt das Einbeziehen von
Echtzeitdaten dar.112 Statt einer fest definierten Planung, welche vorgegebene
Restriktionen und Zielsetzungen statisch einbezieht, können auf Echtzeitdaten basierende
Optimierungsmodelle flexibel auf unberücksichtigte Einflüsse und Ereignisse reagieren.
So würde z.B. eine intelligente Transportwegoptimierung bei Meldungen von Staus oder
Unfällen eine angepasste Optimierung durchführen, eine alternative Transportstrecke
vorgeben und die Unfallgefahr im Straßenverkehr sowie Verzögerungen vermindern.113
Eine intelligente Netzwerkoptimierung hingegen könnte beispielsweise bei einem Ausfall
des Kühlsystems in einem mit verderblichen Lebensmitteln beladenen LKW durch eine
erneute Optimierung einen näher gelegenen Lagerort auswählen. Auch hier ermöglicht
erst die Verfügbarkeit und Aufbereitung solch erhobener Daten eine optimierte Reaktion
des Modells. Eine Schwierigkeit stellt dabei die qualitative Einschätzung des Störfaktors
dar, welcher ggf. eine Reihe von vorgeschlagenen Lösungsszenarien initiiert.114
Unterstützt wird die Erstellung von Lösungsszenarien und anschließenden Beurteilung
dieser von Künstlicher Intelligenz.115 Dabei ist auf die möglichen Probleme des Einsatzes
von Künstlicher in der Transport- und Tourenplanung hinzuweisen: Durch die
107
    Vgl. [Vo20], S. 181
108
    Vgl. [Sc20], S. 22
109
    Vgl. [GT20], S. 82
110
    Vgl. [Ar08], S.150
111
    Vgl. [Ar08], S. 48, S. 143
112
    Vgl. [Ar08], S. 139
113
    Vgl. [Vo20], S. 38 f.
114
    Vgl. [Vo20], S. 40
115
    Vgl. [Vo20], S. 40, S. 44
IT-basierte Anwendungsszenarien einer nachhaltigen Transportwirtschaft 21

Berücksichtigung einfließender Parameter ohne Kenntnis über dessen Ursache können
sich selbstverstärkende Prozesse entstehen. So würde beispielsweise eine auf Künstlicher
Intelligenz basierenden Tourenoptimierung für eine Tour eine längere Fahrzeit einplanen,
wenn der Fahrer bei jeder Tour eine zusätzliche Pause einlegen würde.116
Allgemein hat die Digitalisierung eine zunehmende Auflösung der bestehenden Grenzen
zwischen traditionellen Disziplinen der Netzwerkoptimierung und Transport- und
Routenoptimierung117 zur Folge. Sowohl daraus, als auch aus der Implementierung von
Echtzeitdaten ergibt sich eine Zunahme der Komplexität und der einbezogenen
Datenmenge von Logistikketten und ihren Lösungsmodellen.118 Die Lösungsvorgänge
und damit verknüpfte Analysen erfordern den Umgang mit großen Datenmengen, welche
die Leistungsfähigkeit konventioneller IKT-Lösungen übersteigt und Künstliche
Intelligenz sowie Big-Data-Analyse-Methoden erfordern.119 Damit entstehen durch neue
Informations- und Kommunikationstechnologien – letztendlich durch die
Transportlogistik 4.0 – neue Optimierungsstrategien zur Lösung von umfangreicheren und
mehr Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigenden Modellen.120 Durch diese
Modelloptimierungen und Big-Data-Analysen – z.B. des Vergleichs von geplanten und
tatsächlich benötigten Zeiten der Transportstrecke – wird vor allem eine
Effizienzsteigerung hinsichtlich der Auslastung und damit eine Minimierung der
Transportkosten erreicht.121 Es resultiert eine erhöhte Nachhaltigkeit der ökologischen
Dimension durch erhöhte Ressourceneffizienz und geringere verursachte Emissionen,
sowie eine mögliche Berücksichtigung von sozialen und ökologischen Aspekten.

4.2      Sharing-Ansätze in der Transportwirtschaft

Die durchschnittliche PKW-Auslastung in Deutschland beträgt aktuell 1,46 Personen pro
Fahrzeug.122 Durch einen Mobilitätsanstieg in Zusammenhang mit hohen Sprit- und
Fahrzeugunterhaltungskosten werden Mitfahrgelegenheiten deshalb sehr attraktiv.
Digitale Plattform-Konzepte nutzen dieses Potential in Kombination mit einem
verändertem Nachhaltigkeitsbewusstsein der Gesellschaft.123 Sie stellen eine Online-
Mitfahrzentrale zur Vernetzung von Fahrern und potentiellen Mitfahrern*innen dar und
ermöglichen neben einer effizienteren Auslastung der Fahrzeuge eine Kostenreduktion
durch Aufteilung der Sprit- und Unterhaltungskosten. Beispielsweise konnte Europas
größte Mitfahrzentrale BlaBlaCar mit 70 Millionen registrierten Nutzern jährlich rund 1,6
Millionen Tonnen CO2 einsparen, sowie die Fahrzeugauslastung durchschnittlich auf 3,9
116
    Vgl. [Vo20], S. 44
117
    Vgl. [Vo20], S. 45
118
    Vgl. [Be19], S. 168
119
    Vgl. [Vo20], S.28
120
    Vgl. [GT20], S. 82
121
    Vgl. [Vo20], S. 43
122
    Vgl. [DB18]
123
    Vgl. [Fe15], S. 35
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