IT MAGAZIN - Mein Leben, meine Zeit! Arbeitszeit in der ITK-Branche neu denken - IG Metall Baden-Württemberg
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DAS BRANCHE NMAGAZIN DER IG METALL ■ 1 2017 IT MAGAZIN Arbeitszeit in der ITK-Branche neu denken Mein Leben, meine Zeit! 6 Hewlett-Packard: 7 Neue ITK-Entgelterhebung 14 Fake News, Social Bots, Teilen und herrschen? der IG Metall Cyberangriffe: Was tun?
Gehälter in der ITK-Branche Wissen Sie eigentlich, was Sie wert sind? ook Entgelt in der ITK-Branche 2017 E -B ! s al ltlic h h 160 Seiten aktuelle und detaillierte Informationen zu Gehältern in der IT- und TK-Branche. uc r h ä A e Mit über 39.000 Entgeltdaten aus mehr als 152 Betrieben ist die Erhebung der IG Metall seit Jahren eine der fundiertesten und umfassendsten Entgeltanalysen auf dem Markt. Die Broschüre „Entgelt in der ITK-Branche 2017“ ist zum Preis von 19,90 Euro zu bestellen bei: Bund Verlag GmbH, Postfach, 60424 Frankfurt am Main Telefon: 069 795010-20, E-Mail: kontakt@bund-verlag.de oder als E-Book in allen gängigen E-Book-Stores zum Preis von 17,99 Euro. www.itk-igmetall.de IG Metall-Mitglieder erhalten die Broschüre oder das E-Book zum Vorzugspreis von 4,90 Euro über die jeweilige Geschäftsstelle. Herausgeber: IG Metall Vorstand, Ressort Angestellte, ITK, Studierende; Gestaltung: zplusz.de; gedruckt auf Papier aus verantwortungsvoller Waldwirtschaft
IN EIGENER SACHE ■ Liebe Kolleginnen und Kollegen, AUS DEM INHALT die IT-Messe CeBIT steht auch in diesem Jahr wieder ganz im Zei- chen der digitalen Transformation. Megatrends wie Big Data, künstliche Intelligenz, Robotik, Cloud Computing und das Internet of Things stehen ganz oben auf der Tagesordnung. Klar ist: Viele Seite 6 dieser Trends sind in den Betrieben längst angekommen und ver- In Windeseile hat sich Hewlett Packard Enterprise (HPE) ändern unsere Arbeitswelt rasant. Die IG Metall ist entschlossen, zerteilt – mit Aussicht auf Erfolg? die Chancen, die sich aus der digitalen Transformation ergeben, zu nutzen und die Risiken zu begrenzen. Gemeinsam mit den Beschäftigten wollen wir eine Arbeitswelt gestalten, in der es fair und gerecht zugeht und in der ihre Bedürfnisse im Vordergrund stehen. Die ITK-Branche ist der Treiber der digitalen Transformation. Und sie rühmt sich stets, modernste Arbeitsformen zu praktizieren – agiles, flexibles und mobiles Arbeiten. Von einer Vorreiterrolle für Gute Arbeit ist die Branche allerdings weit entfernt. Ein Blick auf die Arbeitszeiten in verschiedenen ITK-Unternehmen zeigt: Von Wunscharbeitszeiten können viele Beschäftigte hier nur träumen. Die in der Branche übliche „Vertrauensarbeitszeit“, wie beispiels- weise bei SAP und Hewlett Packard, (ver)führt zu unbezahlter Mehrarbeit und entgrenztem Arbeiten, um dem steigenden Leis- tungsdruck in den Betrieben Stand zu halten. Semcon Engineering Services: Mitbestimmung ausgehebelt ................................... 4 Um noch genauer zu erfahren, wo der Schuh bei den Beschäftigten drückt, führt die IG Metall gerade eine große bundesweite Nokia: Beschäftigtenbefragung durch. Erste Ergebnisse werden Ende Sozialtarif bleibt auf der Agenda ............................... 5 April vorliegen. In den ITK-Unternehmen findet die Befragung großen Zuspruch – von IG Metall-Mitgliedern und solchen, die es 19. ITK-Entgelterhebung der IG Metall: noch nicht sind. Das zeigt: Die Beschäftigten wollen beteiligt und Tarif zieht............................................................... 7 gefragt werden, wenn es um ihre Arbeitsbedingungen geht. Die Ergebnisse dieser Umfrage wollen wir in unsere Forderungen Arbeitszeit in der ITK-Branche neu denken: für die nächste Tarifrunde einbringen. Gerade in der ITK-Branche, Mein Leben, meine Zeit! ■ Kaum Konflikte um die Arbeitszeit ..................... 9 wo die Digitalisierung am weitesten fortgeschritten ist, sind viele neue Arbeitszeitmodelle vorstellbar, die den Kolleginnen und Kol- ■ Von Wunscharbeitszeiten weit entfernt ...............10 legen – je nach Lebenslage – mehr Raum für kreatives Arbeiten, Qualifizierung und eine bessere Vereinbarkeit von beruflichem ■ Zeitsouveränität durch mobiles Arbeiten?.........11 und privatem Engagement geben. ■ Arbeitszeitmodelle für Tarifverträge bieten den Beschäftigten in der ITK-Branche viele Vorteile. So belegt die neueste ITK-Entgelterhebung der IG Metall, dass Beschäftigte in tarifgebundenen Unternehmen deutlich mehr verschiedene Lebensphasen............................12 verdienen als in Betrieben ohne Tarifvertrag – aktuell rund 2,8 Pro- zent. Zudem sind sie hier aufgrund von Tarifregelungen zur Beschäftigungssicherung, Gesundheitsförderung und Qualifizie- ITK-Ausbildungs- und -Einstiegsentgelte: rung besser geschützt. Gute Startbedingungen ....................................... 13 Tarifverträge, sichere Arbeitsplätze und Gute Arbeit werden den Interview mit Prof. Dr. Michael Backes: Beschäftigten jedoch nicht geschenkt. Sie müssen von ihnen ein- „Wir müssen sicherheitsbewusster werden“ ........ 14 gefordert und durchgesetzt werden – zusammen mit der IG Metall. Die hohe Beteiligung der Kolleginnen und Kollegen in den ITK- Service ............................................................... 15 Unternehmen an der Beschäftigtenbefragung 2017 der IG Metall signalisiert uns ihre große Bereitschaft, Impressum ......................................................... 15 die ITK-Branche zum Vorreiter für Gute Arbeit weiterzuentwickeln. Was wir jetzt brauchen sind Mut, Entschlossenheit und auch mehr Mitglieder, um dabei gemein- sam und erfolgreich voranzukommen. Das IT-Magazin im Internet: Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall www.itk-igmetall.de Titelfoto: fotolia 3
■NEWS ITK-ARBEITSMARKT: IMMER MEHR OFFENE STELLEN Die ITK-Branche wächst und dürfte ge- genwärtig rund 1 030 000 Beschäf- tigte aufweisen. Gerade im IT-Mittel- stand hat die Zahl der sozialversiche- rungspflichtigen Beschäftigten mit ei- nem Anstieg um fünf Prozent auf ■ Unify goes Atos Kolleginnen und Kollegen von Atos sowie von 413 733 im vergangenen Jahr kräftig Diebold Nixdorf durchgesetzt werden, für die zugelegt. Das belegt der aktuelle Mit- TARIFVERTRÄGE WACHSEN der Rahmentarifvertrag ebenfalls gilt. telstandsbericht des Branchenver- ZUSAMMEN Die Tarifbindung ist für alle Unify-Gesell- bands Bitkom. Überhaupt hätten sich Ab 2018 wird es einheitliche Tarifverträge schaften bis zum 31. Januar 2021 gesichert. die mittelständischen Unternehmen für Atos und Unify, der früheren und im Selbst für den Fall eines Verkaufs von Unify der Branche überdurchschnittlich ent- Januar 2016 von Atos übernommenen erhalten die Beschäftigten bis Ende 2020 wickelt. Die Mittelständler stünden für Enterprise Kommunikations-Sparte von und für mindestens 24 Monate ab dem 33 Prozent des Umsatzes und 54 Pro- Siemens (SEN), geben. Neben der Verein- Betriebsübergang (das heißt längstens bis zent der sozialversicherungspflichtig heitlichung der Tarifverträge wird zurzeit Ende 2022) einen Ausgleich zur Tariferhö- Beschäftigten in der IT-Wirtschaft, auch die strukturelle Integration von Unify hung NRW. ■ ■ ■ heißt es in dem Bericht. in den Atos-Konzern intensiv bearbeitet. Trotz des Beschäftigungswachstums Diese Prozesse werden von Betriebsräten fehlen aber in der ITK-Branche immer und IG Metall kritisch begleitet. mehr IT-Experten. Bitkom schätzt die Einige Unify-spezifische Tarifregelungen aktuelle Zahl der unbesetzten Stellen bleiben den Beschäftigten erhalten. Darun- auf rund 51 000. Das ist ein Rekord- ter der tarifliche Alterskündigungsschutz, ■ Semcon Engineering Services hoch und ein Anstieg um rund zwan- für die Eingruppierung wichtiger Unify-Job- zig Prozent innerhalb eines Jahres. In linien sowie Regelungen zur Ersteingruppie- MITBESTIMMUNG den Unternehmen der ITK-Branche rung und zur Altersteilzeit. Auch der seit Ja- AUSGEHEBELT seien insgesamt 20 500, bei Anwen- nuar 2015 geltende Tarifvertrag zur Beschäf- Bei dem Verkauf von Anteilen der Semcon- derunternehmen rund 30 500 Stellen tigungssicherung bleibt bestehen. Beteiligungs-GmbH – zu der auch der Ent- unbesetzt, so der Verband. 2017 gibt es noch eine gesonderte Lösung wicklungsdienstleister Semcon Enginee- Seit Jahren hört man von Bitkom, dass bei der Umsetzung der Tariferhöhung. Ab ring Services und die Semcon Wolfsburg mehr Jungen und Mädchen ermutigt dem 1. Januar 2018 gelten dann auch für GmbH zählen – an den finnischen Automo- werden sollten, sich für Informatik Unify die Atos-Regelungen auf der Basis bilzulieferer Valmet Automotive Inc. ver- oder einen anderen technischen Beruf des Rahmentarifvertrags „IT-Dienstleis- sucht die Geschäftsführung der Semcon zu entscheiden. Auch sollte Geflüchte- tungen“, den die IG Metall für den Konzern International AB Mitspracherechte des ten über Praktika der Einstieg in den abgeschlossen hat. Demnach werden Betriebsrats zu umgehen. IG Metall und deutschen Arbeitsmarkt ermöglicht grundsätzlich die Tariferhöhungen der Betriebsräte erfuhren von der Transaktion werden. Doch die Appelle des Bran- nordrhein-westfälischen Metall- und Elektro- erst aus den örtlichen Medien. chenverbands zeigen zu wenig Wir- industrie übernommen, wenn auch einen Im vergangenen Jahr hatte die Semcon- kung. Die IG Metall fordert daher, die Monat später. Spitze bereits die Tarifbindung im gesamten Ausbildungsstellen auszuweiten, die Sollten Arbeitgeber oder IG Metall geltend Bereich der Semcon-Beteiligungs-GmbH ge- Beschäftigten für neue Jobs zu quali- machen, dass die Tariferhöhung nicht der kündigt. Und schon damals bekamen die fizieren, die Chancen von älteren Be- Entwicklung in der IT-Branche entspricht, gibt Beschäftigten die „harte Haltung“ der Un- schäftigten und Frauen, sich beruflich es eine eigenständige Tarifrunde. Die Tarif- ternehmensführung zu spüren. Monatelang weiterzuentwickeln, zu verbessern und erhöhung muss dann gemeinsam mit den hatte sie die Gespräche mit der IG Metall insgesamt die Arbeitsbedingungen, insbesondere die Arbeitszeiten, in der Branche attraktiver zu gestalten. BERUFSFELD IT: BESCHÄFTIGUNGSLAGE/ARBEITSLOSIGKEIT 60 000 +++ 55 000 51 000 NOCH IMMER VIELE ARBEITSLOSE Bei der hohen Zahl an offenen Stellen, 50 000 müsste ein IT-Beruf eigentlich ein Job- 43 000 45 000 Garant sein. Nach dem deutschen On- 40 000 line-Portal für Statistik, Statista, ist dem aber längst nicht so. Danach ist 35 000 die Zahl der arbeitslosen ITler im Zeit- 27 600 30 000 raum 2012 bis 2015 sogar um 3 000 24 600 auf 27 600 angestiegen (siehe Schau- 25 000 bild). Die Daten belegen, dass der von 20 000 der Branche immer wieder betonte 2012 2013 2014 2015 2016 Mangel an Fachleuten vor allem Folge ■ Offene Stellen für IT-Experten fehlender Aus- und Weiterbildung ist. ■ Durchschittsbestand arbeitsloser IT-Fachleute Quelle: Bitkom, Bundesagentur für Arbeit, Stepstones 4
NEWS ■ CeBIT, Hannover-Messe, IAA IG Metall im Dialog verweigert. Stattdessen verlangte die Ge- schäftsführung einzelvertragliche Regelun- gen an den verschiedenen Standorten. „Vertrauensvolle Zusammenarbeit sieht anders aus“, sagt Lothar Ewald, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall-Geschäfts- stelle Wolfsburg. „Jetzt geht es darum, mit dem neuen Semcon-Eigentümer ins Gespräch zu kommen, um die Tarifhoheit wiederherzustellen und alle Arbeitsplätze zu sichern. Hierfür fordert die IG Metall eine klare Zusage!“ ■ ■ ■ Mit neuen Messekonzepten sucht die IG Metall das Gespräch mit Beschäftigten aus der ITK-Branche, aber auch mit IT-Experten aus anderen Industriezweigen und ■ Nokia Entwicklungsdienstleistungsunternehmen. Speziell auch Studierende will sie mit ihren Informationsangeboten ansprechen. SOZIALTARIFVERTRAG BLEIBT AUF DER AGENDA Erstmals beteiligt sich die IG Metall in über Best-practice-Beispiele im Zen- Die IG Metall und der Betriebsrat von Nokia diesem Jahr nicht nur mit einem eigenen trum. Betriebsräte können an der Fach- Deutschland bangen weiter um den Erhalt Stand und einzelnen Vorträgen bezie- konferenz nach § 37 Abs. 6 Betriebs- des Standorts in München. Im Zuge der hungsweise Diskussionsrunden auf der verfassungsgesetz teilnehmen. Übernahme des Konkurrenten Alcatel- CeBIT und der Hannover-Messe. Dies- Weitere Details zu der Veranstaltung Lucent hatte der finnische Telekommunika- mal ist sie auf der CeBIT auch Mitorgani- im Internet unter: www.cebit.de/ tionskonzern im Mai 2016 angekündigt, satorin einer Konferenz im Rahmen der de/konferenzen-events/specials/ dass er beabsichtige, bis Ende 2018 ein von der Deutschen Messe organisierten cebit-digital-summits. Drittel der Belegschaft – und damit rund CeBIT Digital Summits. Gemeinsam mit Im Mittelpunkt der Vorträge und Dis- 1 400 Stellen – abzubauen. den Messeveranstalterinnen und -veran- kussionsrunden, die die IG Metall auf In München waren bis zum Jahresende 354 staltern, den Organisatorinnen und Or- der CeBIT und Hannover-Messe verant- Beschäftigte freiwillig über den Tarifver- ganisatoren von Job & Career sowie der wortet, stehen die Themen „Crowdwor- trag „Vermittlung in Gute Arbeit“ aus dem Gewerkschaft ver.di führt die IG Metall king und das Arbeiten auf digitalen Unternehmen ausgeschieden. Dieser sieht am 20. März 2017 die Fachkonferenz Plattformen“ sowie „faires Gehalt“. vor, möglichst viele Beschäftigte auf „Digitale Arbeitswelten“ im Messe-Kon- Auch diesmal organisiert die IG Metall Arbeitsplätze innerhalb der bestehenden ferenz-Center der CeBIT durch. Messerundgänge für Studierende. Nokia-Unternehmen und auch extern an Im Mittelpunkt der Tagung stehen die Ebenfalls zum ersten Mal wird die IG Me- andere Unternehmen zu vermitteln und sie neuen Herausforderungen in den tall im Oktober 2017 auf der Internatio- dabei beratend und finanziell – durch Unternehmen angesichts der fort- nalen Automobil-Ausstellung (IAA) ver- einen Entgeltzuschuss oder durch eine schreitenden Digitalisierung. Dazu treten sein. Auch hier wird sie den Aus- Abfindung – zu unterstützen. Nokia drängt zählt unter anderem, Fachleute mit stellungsbesucherinnen und -besuchern, dabei auf einen raschen und umfangrei- hoher digitaler Affinität für sich zu insbesondere den Beschäftigten aus chen Abbau. Jetzt hat das Unternehmen gewinnen und Beschäftigte an den der Automobilindustrie, für Gespräche angekündigt, weitere 450 Funktionen an Veränderungsprozessen zu beteiligen. und Informationen zur Verfügung ste- verschiedenen Nokia- und Alcatel-Lucent- Hierbei steht der Erfahrungsaustausch hen. Standorten zu streichen. An den Nokia-Standorten in Berlin als auch in Düsseldorf kam es bereits zu Teil- schließung betroffenen 107 Beschäftigten mit Abfindungen oder Übergang in eine schließungen. Auch hier schieden im Vor- konnten Gesamtbetriebsrat und IG Metall 12-monatige Transfer- und Qualifizierungs- feld etliche Kolleginnen und Kollegen frei- die Ausstiegsmodalitäten sozialverträglich gesellschaft, Angebote für die Beschäftig- willig im Rahmen des Tarifvertrags „Ver- regeln. „Damit ist es uns gelungen, das Un- ten zu Telearbeit und Altersteilzeit sowie zur mittlung in Gute Arbeit“ aus. Für die in Ber- ternehmen stärker in die Verantwortung zu Vermittlung auf Stellen innerhalb von Nokia lin noch verbliebenen und von der Teil- nehmen, die Betroffenen dabei zu unter- und der ALDB (Alcatel-Lucent Digitalfunk stützen, neue berufliche Entwicklungsmög- Betriebsgesellschaft), einer Tochter der lichkeiten wahrzunehmen“, sagt Astrid Die- Alcatel-Lucent GmbH. Auch in München will bitsch, Betriebsratsvorsitzende bei Nokia die IG Metall Verhandlungen mit dem Solutions Networks (NSN) in Berlin. Die Arbeitgeber über einen Sozialtarifvertrag Vereinbarung regelt Aufhebungsverträge aufnehmen. ■ ■ ■ 5
■UNTERNEHMEN Hewlett Packard Teilen und herrschen? Man kann gar nicht so schnell hinsehen, wie sich Hewlett Packard zerlegt. Es begann damit, wird. Und weiter geht’s mit einem „Spin-off- dass der Konzern im November 2015 das Geschäft mit Druckern und Computern (HP Inc.) Merger“, einer Abspaltung des Software- von dem Bereich Unternehmensdienstleistungen (Hewlett Packard Enterprise – HPE) ab- Bereichs von HPE und anschließender Ver- trennte. Seither ist HPE einem nicht enden wollenden Spaltungsprozess ausgesetzt. Klare schmelzung mit dem britischen Software-Her- Perspektiven, die die Beschäftigten dringend benötigen, fehlen jedenfalls. steller Micro Focus zum 1. September 2017. Noch in diesem Jahr dürfte sich zeigen, ob HPE steht unter Dauerbeschuss: Zum 1. Au- nuar 2017 die Abspaltung der Outsourcing- die Summe der HP-Einzelteile erfolgreicher gust 2016 lagerte das Unternehmen rund Sparte (HP Enterprise Services, kurz ES), wel- sein wird als die noch vor wenigen Jahren ge- 1 300 Stellen an die IT-Dienstleister Proservia che zum 1. April dieses Jahres mit der Com- hypte „OneHP“-Strategie und ob HP nicht und Datagroup aus. Dann erfolgte zum 1. Ja- puter Sciences Corp. (CSC) verschmolzen doch nur Übernahmekandidaten produziert. VERBLEIBENDE HPE-BEREICHE richtet Volker Müller, Vorsitzender des Ge- reits an allen sechs Standorten Betriebsrats- „Angeblich sollen die Abspaltungen das Pro- samtbetriebsrats bei Proservia. „Für uns be- wahlen stattfinden lassen. Allerdings herrscht fil von HPE schärfen“, sagt Annette Maier, deutete das zunächst einmal, wirksame Mit- bei der Datagroup ES GmbH ein Klima, in dem stellvertretende Betriebsratsvorsitzende bei bestimmungsstrukturen aufzubauen. Ein Betriebsräte nicht gewünscht sind.“ Die täg- HPE. „HPE konzentriert sich auf die Cloud mit Problem von vielen ist schon jetzt, dass den liche Zusammenarbeit mit der Geschäftsfüh- entsprechender Hardware und damit ver- meisten Kolleginnen und Kollegen ein Umzug rung der neuen GmbH laufe zwar bisher gut, knüpften Dienstleistungen. HPE kauft auch bevorsteht, weil sie die bisherigen HPE-Lo- gibt Schomaker zu verstehen. „Aber ein Ge- wieder ein – erst die Hochleistungscompu- kationen verlassen müssen.“ schäftsführer lässt deutlich seine Vorbehalte terschmiede SGI (Silicon Graphics) und zu- Auch die Geschäftsleitung müsse sich erst gegen Betriebsräte erkennen.“ letzt die Softwarefirma SimpliVity. Zugleich einmal einrichten, so Müller, um beispiels- aber geht die Verlagerung von Stellen in vor- weise Pannen wie bei der Berechnung der geblich billigere Länder weiter.“ Zwar zeige Sonderzahlung zu Weihnachten künftig zu ver- sich HPE-Chefin Meg Whitman davon über- hindern. „Über allem steht jedoch die Frage: zeugt, den richtigen Weg eingeschlagen zu Was passiert, wenn HPE sein Auftragsvolumen haben, um nach der Abwicklung der ES-CSC- Schritt für Schritt und – wie vorgesehen – in- und Micro Focus-Transaktionen flinker zu nerhalb der kommenden fünf Jahre auf die ES/CSC (ENTSERV DEUTSCHLAND GMBH) werden und wieder zu Wachstum zurückzu- Hälfte reduzieren wird? Die Motivation der Ge- Bei ES/CSC – der Bereich firmiert jetzt als Ent- kehren. „Die Gefahr ist jedoch groß, dass schäftsleitung und die Hoffnungen der Beleg- Serv Deutschland GmbH – ist ebenfalls noch HPE aufgrund der zuletzt schwachen Ge- schaft darauf, neue Kunden zu akquirieren, Vieles im Umbruch. Der rund 2 700 Beschäf- schäftsergebnisse weiterhin schrumpft und sind groß. Aber noch weiß niemand, ob dies tigte umfassende, von HPE outgesourcte En- noch mehr Stellen abbaut“, so die Betriebs- auch gelingen wird“, gibt der Gesamtbetriebs- terprise-Service-Beratungszweig soll nun zum rätin. ratsvorsitzende zu bedenken. 1. April 2017 mit CSC verschmolzen werden. Rund 4 000 Beschäftigte werden in dem neuen Unternehmen, das künftig DXC.Tech- nology heißen soll, beschäftigt sein. Aktuell ist auch hier der Gesamtbetriebsrat dabei, an allen Standorten Interessenvertretungsstruk- turen aufzubauen beziehungsweise zu stabi- lisieren und Betriebsratswahlen stattfinden zu lassen. PROSERVIA DATAGROUP ENTERPRISE SERVICES GMBH „Das Unternehmen wird sich erst nach und Eine rosige Zukunft steht auch den abgespal- Ähnliche Fragen stellen sich auch beim IT- nach richtig strukturieren. Es wird voraussicht- tenen Bereichen von HPE nicht gerade bevor. Dienstleister Datagroup Enterprise Services lich eine Führungsstruktur in Clustern mit fla- Rund 800 Beschäftigte umfasst die durch GmbH. In diese neue Firma waren im Herbst cheren Entscheidungsebenen geben. Dann Outsourcing von 734 HPE-Kolleginnen und letzten Jahres 306 Beschäftigte von HPE out- werden Synergien geprüft, denn DXC.Techno- -Kollegen und Verschmelzung eines kleineren gesourct worden. „Auch bei uns gibt es ge- logy soll schneller und agiler Innovationen vo- IT-Dienstleistungsbereichs der Manpower spannte Neugier, ob sich das Unternehmen rantreiben als das bei HPE möglich war. Wo- Group in Dresden entstandene IT-Beratungs- am Markt halten wird, wenn HPE sein garan- möglich wird es dabei zu Stellenabbau kom- firma Proservia. Das Unternehmen muss sich tiertes Auftragsvolumen nach und nach zu- men“, sagt Claus Henrici, EntServ-Gesambe- erst noch finden – organisatorisch und auch rückfährt“, berichtet Redelf Schomaker, Ge- triebsratsvorsitzender. „Wir Betriebsräte mit Blick auf neue Geschäftsfelder. samtbetriebsratsvorsitzender der Datagroup rechnen mit vielen Veränderungen. Die Zu- „Proservia hat viele Kleinstbetriebe in ES GmbH. Und auch hier bereiten sich die Ar- kunft des neuen Unternehmens wird vor allem Deutschland, die zunächst in sechs Regio- beitnehmervertreterinnen und -vertreter auf davon abhängen, ob die Kunden und der nalbetrieben zusammengefasst wurden“, be- eine unsichere Zukunft vor. „Wir haben be- Markt diesen Wandel mitmachen.“ 6
E N T G E LT ■ 19. IG Metall-Erhebung: Entgelt in der ITK-Branche 2017 Tarif zieht – geregelte Standards schützen Die alljährliche ITK-Entgelterhebung der IG Metall spiegelt die jeweilige Lage der Branche Nach der diesjährigen ITK-Entgelterhebung zuverlässig wider. Die Branche wächst durch den forcierten digitalen Wandel. Aber die arbeitet der größte Teil der Beschäftigten Unsicherheit in den Unternehmen ist groß, wie lange dieser Trend noch anhält und wohin (47,1 Prozent) in tarifgebundenen Betrieben er führt. Dies zeigt sich an ständigen Umstrukturierungen, an Stellenaufbau bei gleich- mit einer Wochenarbeitszeit von bis zu zeitigem Arbeitsplatzabbau und an strengen Kostenregimes in den Betrieben. In dieser 37,5 Stunden und nur 25 Prozent mit einer Situation haben die Beschäftigten, die über geregelte Arbeitsstandards verfügen, einen regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Stunden. Vorteil. In Unternehmen mit Tarifvertrag wird nicht nur besser verdient, belegt die dies- Bei nichttarifgebundenen Unternehmen jährige ITK-Entgelterhebung. Auch der Schutz der Beschäftigten vor Leistungsdruck, aus- ist das Verhältnis umgekehrt: 23,1 Prozent ufernden Arbeitszeiten und Arbeitsplatzverlust ist dort stärker. der dort Beschäftigten arbeiten in der Regel bis zu 37,5 und 51,6 Prozent 40 Wochen- Big Data, Cloud Computing, Industrie 4.0 Ausbildungs- und Einstiegsgehälter wurden stunden. und mobiles Internet sind die großen The- in der ITK-Branche im vergangenen Jahr Hinzu kommt, dass es in Unternehmen mit men in den ITK-Unternehmen. Sie treiben deutlich erhöht (siehe Seite 13). Allgemein Tarifvertrag oft auch tarifliche Regelungen die Branche voran. Das bleibt nicht ohne lag die durchschnittliche Entgeltsteigerung zur Beschäftigungs- und Standortsiche- Folgen: Die Zahl der Beschäftigten nimmt in der ITK-Branche 2016 bei 2,3 Prozent, im rung, Qualifizierung sowie zur Vereinbarkeit zu, der Innovationsgrad steigt, die Arbeits- Vorjahr erreichte sie 1,3 Prozent. von Beruf und Familie gibt und damit weit anforderungen wachsen. Aber viele Unter- Beschäftigte in tarifgebundenen Unterneh- bessere Arbeitsstandards als in nichttarif- nehmen wollen ihre Kosten niedrig halten. men verdienten auch 2016 mit einer durch- gebundenen Unternehmen. So werden gleichzeitig Arbeitsplätze verla- schnittlichen Steigerung um 2,8 Prozent gert und abgebaut, gehen Qualifikationen deutlich mehr. Bei ihren Kolleginnen und verloren und wächst in den Betrieben der Kollegen in Betrieben ohne Tarifvertrag DIE WICHTIGSTEN DATEN Leistungsdruck. haben sich die Gesamtgehälter in der ■ Der diesjährigen 19. ITK-Entgelterhe- Die meisten ITK-Unternehmen benötigen ITK-Branche nur um 1,6 Prozent erhöht. bung der IG Metall liegen Daten aus mehr qualifiziertes Fachpersonal. Mehr als Summiert man die Differenz zwischen 152 Betrieben mit über 171 000 Be- 50 000 ITK-Spezialisten werden aktuell in den Tarifentgelten und Nicht-Tarifentgel- schäftigten und insgesamt 39 061 Ent- Deutschland gesucht. Das ist ein Anstieg ten, so verdienten Beschäftigte in nicht- geltinformationen zugrunde. um zwanzig Prozent gegenüber dem letz- tarifgebundenen Unternehmen über den ■ Danach gab es eine durchschnittliche ten Jahr. Dies zeigt: Die Unternehmen kom- Zeitraum von 2008 bis 2016 rund 12,5 Pro- Entgeltsteigerung um 2,3 Prozent. Für men zunehmend unter Druck, mit guten zent weniger als diejenigen in tarifgebun- Beschäftigte in nicht tarifgebundenen Arbeitsstandards die „besten Köpfe“ ein- denen. Unternehmen erhöhten sich die Ge- zufangen. Dafür bietet die diesjährige ITK- samtgehälter um durchschnittlich 1,6 Entgelterhebung der IG Metall zahlreiche FLEXIBLE ARBEITSZEITEN Prozent und damit wie- Belege. OFT UNZUREICHEND GEREGELT derholt weitaus gerin- Vor allem der Bedarf nach Software-Exper- Flexible Arbeitszeit und mobiles Arbeiten ger als bei den Be- ten ist groß. Deshalb erstaunt es nicht, dass sind in der ITK-Branche vielfach Normalfall, schäftigten aus Betrie- gerade bei dieser Berufsgruppe das Jah- aber oft unzureichend geregelt. Auch dabei ben mit Tarifvertrag resentgelt überdurchschnittlich gestiegen haben Beschäftigte in tarifgebundenen Un- (plus 2,8 Prozent). ist – beispielsweise in der Gruppe Software ternehmen einen Vorteil: Für sie gibt es ei- ■ Ebenfalls deutlich er- Ingenieur/in II um 3,3 Prozent gegenüber nen abgesteckten Rahmen bei der täglichen höht wurden die dem Vorjahr (siehe Schaubild). Auch die und wöchentlichen Arbeitszeit. Ausbildungs- und Einstiegsgehälter in der ITK-Branche JAHRESGEHÄLTER Beispiele aus der ITK-Entgeltanalyse 2016 der IG Metall (siehe gesonderte (in Euro) Auswertung Seite ERHEBUNGSJAHR 13). TÄTIGKEIT 2014 2015 2016 ERHÖHUNG 2016 Bestelladresse: Die 19. Entgelterhebung der IG Metall „Entgelt in der ITK-Branche BERATUNG/CONSULTING 2017“ kann sowohl als gebundene Senior Consultant (B3) 69434 70 212 71 641 2,0 % Ausgabe als auch als E-Book-Version SERVICE TECHNIK beim Bund-Verlag bestellt werden, te- Netzwerk Techniker/-in (ST2) 44 609 45 060 46 016 2,1 % lefonisch unter 0 69-795010-20 oder KAUFMÄNNISCHE ADMINISTRATION online über: kontakt@bund-verlag.de. Projektbearbeiter/-in (KA2) 52 184 52 525 53 568 2,0 % Mitglieder der IG Metall erhalten eine inhaltsgleiche Sonderausgabe bei den SOFTWAREENTWICKLUNG örtlichen IG Metall-Geschäftsstellen. Softwarespezialist/-in (SW2) 54 841 55 652 57466 3,3 % Mehr unter: www.itk-igmetall.de 7
SCHWERPUNKT ■ Der Umbruch in der IT- und Telekommunikationsbranche aufgrund des forcierten Wandels digitaler Technik, Produkte und Dienste schlägt sich in veränderten und sich ständig wandelnden Arbeitsprozessen nieder. Die geleistete Arbeit lässt sich heute vor allem als agil und flexibel, häufig auch als mobil beschreiben. Dabei sind die Unternehmen in verstärktem Maße darauf angewiesen, die Beschäftigten einzubinden. Das aber geschieht nicht immer konfliktfrei. Ein zentrales Aushandlungsfeld ist die Arbeitszeit, die immer auch Lebenszeit ist. Dehnt sich die an die Arbeit gebundene Zeit aus, bleibt weniger Zeit für andere Zwecke – ob Familie, Hobby oder Weiterbildung. Die IG Metall will mit ihrer bundesweiten Kampagne „Mein Leben – meine Zeit! Arbeit neu denken“ mit vielen Beschäftigten der ITK-Berufe ins Gespräch kommen, um gemeinsam mit ihnen zu besser plan- baren und beeinflussbaren Arbeitszeiten zu gelangen. ■ ■ ■ Flexible Arbeitszeit mit kurzfristigen Ände- keine Einbahnstraße sein und nicht dazu men und sofern keine betrieblichen Be- rungen, entgrenztes Arbeiten, permanente führen darf, „dass die Arbeit mein Privat- lange entgegenstehen, mal länger und Erreichbarkeit: In den ITK-Berufen machen leben stark beeinträchtigt“. Und genauso mal kürzer arbeiten und die Differenz zu die Beschäftigen zunehmend die Erfahrung, viele fordern die Zusage des Arbeitgebers, ihrer Vertragsarbeitszeit zeitnah ausglei- dass der Zugriff des Arbeitgebers auf ihre „Freizeit nehmen zu können, wenn ich sie chen können. Auf diese Möglichkeit wollen Arbeits- und Lebenszeit immer umfassen- kurzfristig brauche“. Überdies fühlen sich viele nicht mehr verzichten. Dafür sind der wird. Dem können sie sich kaum ent- insbesondere ITKler „bei der Arbeit gehetzt sie oft sogar zu vielen Zugeständnissen ziehen, ohne Nachteile befürchten zu müs- oder unter Zeitdruck“ und stellen fest, dass bereit. sen. Die Folge ist, dass in vielen Unterneh- sich ihre tägliche Arbeitszeit häufig „kurz- So veranschaulicht eine Grafik der Hans- men der ITK-Branche – beispielsweise bei fristig auf Anforderung des Betriebs“ ändert Böckler-Stiftung, dass Beschäftigte mit re- SAP – psychische Erkrankungen und Fehl- und dass der „Betrieb erwartet, dass ich lativ selbstbestimmten und flexiblen Ar- zeiten aufgrund von psychischen Belastun- auch außerhalb meiner normalen Arbeits- beitszeiten weit mehr Überstunden leisten gen zunehmen. zeit erreichbar bin“ (z. B. per E-Mail oder als diejenigen, die nach festen Zeitvorga- Dabei zeigt die letzte Beschäftigtenumfrage Handy). ben arbeiten. Danach kommen Beschäftigte der IG Metall 2013 – gerade auch unter ITK- mit festen Arbeitszeiten auf rund drei Über- lern – deutlich: Die meisten Beschäftigten KAUM KONFLIKTE UM DIE ARBEITSZEIT stunden pro Woche. In Unternehmen mit wünschen sich andere Arbeitszeiten – plan- Auffällig ist jedoch, dass es bisher in den Vereinbarungen zu Gleitzeit und Arbeits- bar und ohne Konflikte beeinflussbar, ge- wenigsten Unternehmen der ITK-Branche zeitkonten sowie in Betrieben, in denen die sundheitsförderlich und lebensfreundlich. wegen der Arbeitszeit zu Konflikten flexiblen Arbeitszeiten vom Arbeitgeber be- Sie wollen ihre Arbeit und ihre privaten Le- kommt. In einem Teil der Betriebe herrscht stimmt sind, leisten Arbeitnehmerinnen bensverhältnisse in Einklang bringen und „Vertrauensarbeitszeit“ vor. Damit ist zu- und Arbeitnehmer wöchentlich rund vier die Möglichkeit haben, die Arbeitszeit an meist verbunden, dass Arbeitszeiten nicht Überstunden. Und dort, wo sie stärker ihre jeweilige Lebenslage anzupassen. erfasst und damit auch nicht kontrolliert selbstbestimmt ihre Arbeitszeit regeln kön- Foto: fotolia Über 90 Prozent der befragten ITK-Beschäf- werden. Die Beschäftigten dürfen darauf nen, kommen sie auf acht Überstunden pro tigten sind der Ansicht, dass Flexibilität „vertrauen“, dass sie im gesetzlichen Rah- Woche. WER KEINE VORGABEN HAT, ARBEITET LÄNGER So viele Überstunden pro Woche arbeiten Beschäftigte mit … festen Arbeitszeiten Gleitzeit oder vom Arbeitgeber bestimmten selbstbestimmten Arbeitszeitkonto flexiblen Arbeitszeiten flexiblen Arbeitszeiten 3 4 4 8 Quelle: SoEP 2006 und 2011, Shvartsman/Beckmann 2016 9
■SCHWERPUNKT selbst unter Druck steht oder aber „Sach- Dr. Oliver Pfaff, Sprecher des Wirtschaftsausschusses zwänge“ beziehungsweise äußere Um- bei Atos, Frankfurt stände – wie etwa der Einsatz bei einem externen Kunden oder unvorhergesehene LANGZEITMODELLE GEFRAGT Anforderungen des Unternehmens – ver- meintlich keine Spielräume zulassen. Dann »Modelle, die die Lebensarbeitszeit betreffen, sind bei uns auf wäre es gut, ein solides Gerüst aus Tarif- der Agenda. Bisher jedoch ziert sich die Arbeitgeberin, darüber vertrag und betrieblichen Vereinbarungen zu verhandeln. Sie befürchtet zu hohe Rückstellungen, um bei- zur Verfügung zu haben, das Flexibilität auf spielsweise Sabbaticals oder auch großzügige Altersteilzeit zu beiden Seiten – Arbeitgeber sowie Arbeit- ermöglichen. Wir haben zwar heute schon viele Möglichkeiten, nehmerinnen und Arbeitnehmer – zulässt die die Beschäftigten nutzen können, um flexibel zu arbeiten – und „rote Linien“ zieht, um sich vor dem Gleitzeitkonten, die in Freizeit ausgeglichen werden, flexible Vollzeitarbeit zwischen ausufernden Zugriff des Arbeitgebers 35 und 40 Wochenstunden, ein Anspruch darauf, die Arbeitszeit über maximal zwei schützen zu können. Jahre hinweg zu verkürzen und danach automatisch zur Vollzeitarbeit zurückzukehren. Notwendig sind beispielsweise klare und Aber viele wünschen sich heute längere Auszeiten; Modelle, mit denen sie Arbeitszeit verbindliche Zeit-Verfügungsrechte, die je- langfristig ansparen können, um früher aus dem Beruf aussteigen, sich zwischendurch dem Beschäftigten einen Anspruch darauf weiterbilden oder mal etwas völlig anderes machen zu können – eine große Reise bei- sichern. So gibt es beispielsweise bei Atos spielsweise. Dazu bedarf es allerdings einer neuen Kultur im Unternehmen. Das tut ein abgestuftes Wahlarbeitszeitmodell, das sich noch immer schwer damit, wenn auch Männer mal Erziehungsurlaub nehmen.« es Beschäftigten ermöglicht, bei einer ta- riflichen Referenzarbeitszeit von 37,5 Stun- den zwischen 35 und 40 Wochenstunden Die Vertrauensarbeitszeit wird demnach häufig vom Arbeitgeber zur Leistungskon- zu arbeiten und dies vertraglich zu verein- vielfach idealisiert. Mit der Wunscharbeits- trolle missbraucht wird. baren. Abweichend von der Vertragsarbeits- zeit der Beschäftigten hat sie oft nicht Die Folge ist: Es gibt keine nötigen Erhol- zeit können sie ihre Arbeitszeit überdies viel zu tun, weil die Rahmenbedingungen phasen mehr, stattdessen Arbeiten ohne bis zu 24 Monate weiter absenken oder er- für weitgehend selbstbestimmte Arbeitszei- Ende. „Die agilen Methoden bieten viele höhen. Danach kehren sie automatisch wie- ten zumeist nicht stimmen. Das haben die Chancen“, kommentiert Tobias Kämpf, Wis- der zur (längeren) vertraglich vereinbarten IG Metall-Kolleginnen und Kollegen bei senschaftler am Institut für sozialwissen- Wochenarbeitszeit zurück. SAP bei der Beschäftigten-Befragung der schaftliche Forschung (ISF) München, die Auch weitgehende Gleitzeitregeln, wie sie IG Metall 2013 festgestellt: Die normale Ar- neuen Arbeitsformen. „Aber sie sind keine bereits seit vielen Jahren bei der Software beitszeit beträgt in dem Softwareunterneh- Selbstläufer. Sie müssen nachhaltig gestal- AG bestehen, bieten einen guten Rahmen, men 40 Wochenstunden, allerdings arbeiten tet werden.“ um entgrenztes Arbeiten zu verhindern, ins- rund 60 Prozent der SAP-Beschäftigten wö- besondere weil sie daran gekoppelt sind, chentlich mehr als 40 Stunden. Die ge- ARBEITSZEIT BEGRENZEN dass die Arbeitszeit erfasst wird. „Rund 80 wünschte Arbeitszeit liegt deutlich niedri- „Solange man sich mit dem Vorgesetzten Prozent der Kolleginnen und Kollegen ger: Mehr als die Hälfte der Befragten versteht, ist die Arbeitszeit in der Regel kein schreiben ihre Arbeitszeiten auf. Vielleicht möchte weniger als 40 Stunden, 20 Prozent Problem“, sagt Annette Maier, stellvertre- liegt es an dem hohen Altersdurchschnitt wollen 40 und nur 10 Prozent mehr als 40 tende Betriebsratsvorsitzende bei Hewlett – mehr als 50 Jahre – im Unternehmen, Stunden arbeiten. Packard Enterprise. Schwierig wird es, dass die meisten von ihnen darauf achten, wenn dies nicht der Fall ist, der Vorgesetzte ihre Arbeitszeit im Rahmen zu halten“, be- VON WUNSCHARBEITSZEITEN WEIT ENTFERNT Auch die neuen agilen Arbeitsformen, die sich Annette Maier, stellvertretende Betriebsratsvorsitzende in der ITK-Branche immer weiter durchsetzen Hewlett Packard Enterprise (HPE): sind nicht gerade geeignet, Wunscharbeits- GEFÄHRDUNGSBEURTEILUNGEN NUTZEN zeiten zu realisieren. Oft laufen hierbei die Arbeitszeiten sogar völlig aus dem Ruder. »Die Vertrauensarbeitszeit führt bei uns immer wieder dazu, Agiles Arbeiten stellt darauf ab, dass die dass viele Kolleginnen und Kollegen mehr arbeiten als sie müss- Beschäftigten über die Arbeitsprozesse ten. Bis zu zwanzig Stunden Mehrarbeit pro Monat müssen nicht stärker mitentscheiden können. Dadurch einmal genehmigt werden. Auf Dauer kann dies gesundheitliche sollen Innovationen beschleunigt werden. Folgen haben. Deshalb suchen wir nach Lösungen, die diejenigen Häufig jedoch bleiben herkömmliche Hier- schützen, die diese ständige Mehrbelastung nicht wollen. Wir archien und Führungspositionen weiterhin haben jedoch keinen Tarifvertrag, den wir nutzen können, um aufrecht erhalten. Dies aber schränkt die die Arbeitszeit in engeren Grenzen zu halten. Ein wichtiges Instrument für uns wäre Qualität der Entscheidungen und die Eigen- eine wirksame psychische Gefährdungsbeurteilung, die ja auch gesetzlich vorgeschrie- regie der jeweiligen Teams ein. So gibt es ben ist. Darüber verhandeln wir seit langer Zeit mit dem Arbeitgeber. Der möchte sich in der Praxis viele Beispiele dafür, dass aber am liebsten alle organisatorischen Änderungen, die aus solch einer Beurteilung etwa Vorgesetzte als Scrum-Master ein Ar- folgen könnten, vom Leib halten. Lieber sollen die Beschäftigten persönlich Prävention beitspaket nach dem anderen „durchja- betreiben und sich individuell widerstandsfähiger – Stichwort: Resilienz – machen. Ein gen“, die Intervalle – die sogenannten weiterer Ansatzpunkt wären Überlastungsanzeigen. Damit könnten Beschäftigte oder Sprints – immer wieder verkürzen und stän- Teams den Arbeitgeber oder den Vorgesetzten auf Probleme und kritische Situationen dig neue Anforderungen in die Prozesse etwa als Folge von Personalmangel, schlecht organisiertem Personaleinsatz oder stän- hineingeben. Hinzu kommt, dass die bei diger Mehrarbeit hinweisen, die ihre Gesundheit gefährden.« 10 agilem Arbeiten erforderliche Transparenz
SCHWERPUNKT ■ Unternehmen nicht ausdrücklich befürwor- Eberhard Schick, IG Metall-Mitglied und Mitglied der tet. So gibt es keine entsprechende Verein- Fraktion „Pro Mitbestimmung“ im Betriebsrat der SAP SE barung bei der größeren SAP SE. Die zen- trale Frage ist, ob der Vorgesetzte mitzieht. ÜBERSTUNDENAUSGLEICH IN TAGEN Den Arbeitsort und die Arbeitszeit können »Bei SAP wurde in letzter Zeit nicht viel über Arbeitszeit geredet. die Beschäftigten nur in Abstimmung mit Wir haben ja Vertrauensarbeitszeit. Damit ist oder scheint das seiner Führungskraft wählen.“ Thema „flexibel Arbeiten“ erledigt zu sein. Dagegen steht die Auch für viele Crowdworker wird die Ar- Zunahme der psychischen Erkrankungen und Fehlzeiten aufgrund beitszeit verstärkt zum Problem. Die „Frei- von psychischen Belastungen. Wir glauben an einen Zusammen- heit“, die diese Arbeitsform mit sich bringt, hang. Deshalb ist eine Diskussion über die Arbeitszeit vonnöten. hat deutliche Schattenseiten, die sich nicht Im SAP-Unternehmen, das für Beratung und Vertrieb zuständig nur in einer oft prekären Vergütung und un- ist, der SAP Deutschland, gibt es eine Vereinbarung über Vertrauensarbeitszeit. Kern- zureichenden sozialen Sicherung ausdrü- punkt ist, dass sie die Möglichkeit definiert, Überstunden in Form von ganzen freien cken. Sie wird vielfach auch den Erwartun- Tagen auszugleichen. Der Mitarbeiter muss mindestens zwei Wochen vor dem von gen an Zeitsouveränität nicht gerecht. ihm gewünschten Ausgleichstag einen Antrag stellen. Und der Vorgesetzte muss darauf Nach einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung binnen einer Woche reagieren, wenn er dem widersprechen möchte. Falls er den Termin liegt die Arbeitszeit von Crowdworkern, die nicht genehmigt, muss der Manager einen anderen Ausgleichstag vorschlagen. Für hauptberuflich ihr Geld auf Marktplatz-In- einen kurzfristigen Wunsch nach einem freien Tag müssen sich Manager und Mitarbeiter ternetplattformen verdienen, bei 31,57 Wo- einig sein.« chenstunden – und dies zu völlig unter- schiedlichen Uhrzeiten, überwiegend je- doch abends. Kommen dann noch unvor- richtet Arno Völker, Betriebsratsvorsitzen- Arbeiten überhaupt ermöglicht wird, hängt hergesehene Kundenanforderungen oder der bei der Software AG. vielfach vom Gutdünken des Vorgesetzten Lösungsprobleme hinzu, was häufig der Fall ab. Zeitsouveränität: oft Fehlanzeige. ist, kann sich die Arbeitszeit leicht bis in ZEITSOUVERÄNITÄT DURCH MOBILES In einigen Unternehmen, unter anderem bei die Nachtstunden, wenn nicht sogar auf ARBEITEN? BMW, Daimler und Bosch – haben Betriebs- den ganzen Tag erstrecken. Selbst mobiles Arbeiten, das in der ITK- räte und IG Metall Regelungen durchgesetzt, Branche schon fast überall selbstverständ- wonach anerkannt ist, dass Mobilarbeit Ar- ARBEITSZEITMODULE FÜR VERSCHIEDENE lich ist, trägt in der Praxis kaum dazu beitszeit ist. Sie räumen den Beschäftigten LEBENSPHASEN bei, Arbeit und Leben in einer ausgewo- mehr Autonomie ein, wenn sie von einem Nicht zuletzt werden für immer mehr ITK- genen Balance zu halten (siehe auch Aus- anderen Arbeitsort aus – etwa vom Kunden, Beschäftigte Lebensphasen orientierte Ar- gabe 4/2013 des IT-Magazins). Die Be- von zu Hause oder von unterwegs – ihrer beitszeitmodelle wichtiger. So lässt sich schäftigten bezahlen bei dieser Arbeits- Arbeit nachgehen. Vielfach ist ein Recht auf nicht nur beobachten, dass eine bessere form häufig damit, dass sie für den Arbeit- Nichterreichbarkeit geregelt. Diese Verein- Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht geber ständig erreichbar sein müssen – barungen machen inzwischen auch in der nur von Frauen, sondern verstärkt auch von abends an Wochentagen, am Wochenende ITK-Branche, zum Beispiel bei SAP Deutsch- Männern eingefordert wird. Oliver Pfaff, und selbst im Urlaub. Hinzu kommt: In land, Schule. „Grundsätzlich können bei Betriebsrat bei Atos in Frankfurt, berichtet, längst nicht allen ITK-Unternehmen wird SAP Deutschland alle Mitarbeiterinnen und dass zunehmend jüngere Leute Arbeitszeit- mobile Arbeit als Arbeitszeit erfasst. Dem- Mitarbeiter an der Mobilarbeit teilnehmen“, modelle nachfragen, die es ihnen erlauben, entsprechend ist sie nicht geregelt und berichtet SAP-Betriebsratsmitglied Eberhard zeitweilig ganz aus dem Job auszusteigen wird auch nicht vergütet. Und ob mobiles Schick. „Aber diese Arbeitsform wird vom – etwa in Form eines Sabbaticals – oder Foto: fotolia 11
■SCHWERPUNKT einer dauerhaft geregelten Drei- bis Vier- Tage-Woche oder einer befristeten Teilzeit- arbeit nachzugehen. Diesbezüglich mangelt es allerdings in den meisten ITK-Unternehmen an Phantasie und attraktiven Lösungen, die insbesondere den Wünschen der „Generation Y“ entgegenkom- men. So fehlt es allenthalben an Arbeitszeit- modulen, die in unterschiedlichen Lebens- phasen genutzt werden können – unter an- derem für Aus- und Weiterbildung, Kinder- erziehung und die Pflege Angehöriger, für eine berufliche oder persönliche Neuorien- tierung zwischendurch oder einen zeitlich gestreckten Übergang in die Rente. Gerade mit der fortschreitenden Digitalisierung las- sen sich hier Lösungen denken, die über die teilweise bereits praktizierten Arbeitszeit- konten weit hinausgehen. Für die ITK-Unternehmen steht heute fest: Foto: fotolia Entscheidend für ihren Erfolg sind die Be- schäftigten. Das gilt erst recht mit Blick auf die fortschreitende Globalisierung und Di- gitalisierung. Damit die notwendigen Ver- änderungsprozesse gelingen, wird es für Karin Kneer, Crowdworkerin sie immer wichtiger, die Beschäftigten in diese Prozesse einzubeziehen. Ständige ES IST NICHTS PLANBAR Weiterbildung wird zur Voraussetzung un- »Seit fast drei Jahren arbeite ich als Crowdworkerin auf Mikro- ternehmerischen Erfolgs. Vor allem kleinere taskPlattformen. Das mache ich gerne und es passt auch zu mei- und mittelständische Unternehmen geraten nem Leben. Damit werde ich nicht reich, aber keine Anfahrtszeit unter starken Weiterbildungsdruck. Es zum Job und kein Verkehrsstau morgens sind schon echte Vor- muss künftig verstärkt darum gehen, Qua- teile. Wann und wieviel ich arbeite, kann ich selbst bestimmen. lifizierungszeiten fest in dem jeweiligen Ar- Aber ich sitze auch jeden Tag viele Stunden vor dem Computer. beitszeitsystem eines Unternehmens zu Wenn genug Jobs online sind, kann ich meine Zeit gut planen. verankern oder den Beschäftigten Anreize Schwieriger wird es, wenn wenig Jobs reinkommen. Dann bin ich zu geben, sich für die digitale Transforma- den ganzen Tag auf dem Sprung und warte, dass sich etwas tut. Im Voraus weiß man tion weiterzuqualifizieren. nie, wann und wie viele Aufträge wieder online sind. Dann müssen auch mal andere Dinge wie Einkaufen, Arztbesuch usw. verschoben werden. Häufig wird auch an einem BESCHÄFTIGTE BETEILIGEN Wochenende oder Feiertag gearbeitet. Ich habe jedoch das Glück, für einige Jobs freige- Die IG Metall will mit ihrer Arbeitszeit-Kam- schaltet zu sein, auf denen eine sogenannte „White List“ liegt. Das bedeutet, hieran pagne Beschäftigte in der ITK-Branche und kann nur eine begrenzte Anzahl Leute arbeiten. Dank dieser Jobs kann ich meine Ar- den IT-Abteilungen anderer Unternehmen beitszeit gut planen. Andere Jobs, die für alle zugänglich sind, werden schneller abge- einladen, ihre Ideen und Wünsche zur Ar- arbeitet, als man gucken kann. Wer auf diese Art sein Geld verdienen will, steht unter beitszeit zu äußern. Wie muss diese ge- großem Stress. Einkommen und Freizeit sind nicht planbar.« staltet sein, um größere Freiräume für Krea- tivität in der Arbeit zu schaffen, eine aus- gewogene Work-Life-Balance zu sichern, Lösungen für unvorhergesehene oder ge- Arno Völker, Betriebsratsvorsitzender bei der Software AG plante Lebensereignisse zu ermöglichen und Qualifizierungsansprüche verankern zu GLEITZEIT HAT SICH BEWÄHRT können? »Bei uns gibt es bereits seit Jahren Regelungen über Gleitzeit In vielen ITK-Unternehmen läuft die Be- und Langzeitkonten. Die haben bisher ausgereicht, um die Ar- schäftigtenbefragung auf vollen Touren. Auf beitszeiten flexibel und zugleich in abgesteckten Grenzen zu hal- Basis der dabei gewonnenen Ergebnisse ten. Inzwischen haben sich alle im Unternehmen daran gewöhnt, will die IG Metall zusammen mit den Be- dass freitags nur noch die Hälfte der Beschäftigten im Betrieb schäftigten Forderungen an die Arbeitgeber ist und viele von ihnen im Home-office arbeiten. Selbst in den stellen und diese gemeinsam mit ihnen po- Entwicklungsbereichen haben sich unsere Gleitzeitregelungen litisch, tariflich und betrieblich durchset- bewährt. Nachjustieren müssen wir bei den Beratern, die häufig zen. Es geht darum, den Raum für Gute Ar- beim Kunden vor Ort sind. Lange Reisezeiten müssen ausgeglichen werden. Wir be- beit zu erweitern, die Entgrenzung der Ar- sprechen dies gerade in der regelmäßig tagenden Arbeitszeitkommission, und unsere beitszeit einzudämmen, dem Verfall geleis- Personaler zeigen sich inzwischen einsichtig. Diese Arbeitszeitkommission bringt es teter Arbeitszeit zu begegnen und den Zeit- mit sich, dass die Arbeitszeit ständiges Thema im Unternehmen ist. Deshalb können wir und Lebensbedürfnissen der Menschen auf veränderte Bedürfnisse der Beschäftigten – etwa die größere Nachfrage nach El- größeres Gewicht in einer hoch produk- ternzeit, Mobilarbeit oder auch Altersteilzeit – zeitnah in ihrem Interesse reagieren.« 12 tiven, digitalen Arbeitswelt beizumessen.
I N T E R N A T I O NXAXLXE XS ■ Ausbildungs- und Einstiegsentgelte in der ITK-Branche Gute Startbedingungen Die ITK-Branche braucht gut qualifizierten Nachwuchs. Der immer wieder von den Ar- Mit einem Klick lassen sich jeweils die beitgebern behauptete Fachkräftemangel hat zumindest bewirkt, dass die Unterneh- Gehälter in 380 Berufen aufrufen. Unter men seit 2014 wieder dabei sind, ihre Ausbildungskapazitäten auszuweiten – auch der Berufsgruppe EDV/IT-Berufe sind unter wenn dies bisher längst nicht reicht. Und auch die Vergütungen für Azubis sowie die anderem die durchschnittlichen Brutto- Gehälter für Neueinsteiger ziehen – wie bereits im vergangenen Jahr – weiter an. monatseinkommen von Fachinformatikern, Informatikern, IT-Beratern, IT-System- Viele ITK-Unternehmen scheinen erkannt vergütungen sogar um Elektronikern und -Kaufleuten aufgelistet. zu haben, dass sie sich ihren Fachkräfte- durchschnittlich sechs Die Beträge basieren durchweg auf den nachwuchs nicht ohne weiteres „von der Prozent gegenüber dem Angaben, die das WSI durch seine Online- Stange“ kaufen können, sondern vermehrt Vorjahr. Umfrage gewonnen hat, an der sich selbst etwas dafür tun müssen. Sie haben Auch bei den Einstiegsge- alle Beschäftigten beteiligen können daher vielfach ihre Ausbildungskapazitäten hältern gab es eine Erhö- (www.lohnspiegel.de). ausgeweitet und geben auch mehr Frauen hung, wenn auch mit 2,6 Gerade Berufseinsteigern empfiehlt die die Chance, einen IT-Beruf auszuüben. Dar- Prozent eher moderat. IG Metall, sich ein umfassendes Bild über über hinaus locken sie vermehrt mit attrak- Die jährliche ITK-Entgelt- ihre Verdienstmöglichkeiten in der ITK- tiven Einstiegsgehältern. erhebung der IG Metall ist Branche zu verschaffen und diese Infor- Während über alle Berufsbilder hinweg die zwar die umfangreichste mationen bei den Verhandlungen mit dem Nachfrage nach Ausbildungsstellen in den Informationsdatenbank über in der Branche Arbeitgeber über den Arbeitsvertrag zu letzten Jahren zurückgegangen ist, erhöhte gezahlte Vergütungen und Gehälter. Aller- nutzen. Sie unterstützt ihre Mitglieder mit sich – nach Jahren der Stagnation – die An- dings gibt es noch weitere Quellen, die die vielen weiteren Informationen zur Ge- zahl der Ausbildungsplätze in der ITK-Bran- Entgeltsituation in diesem Bereich beleuch- staltung des Arbeitsvertrags, zur Ausbil- che seit 2014 kontinuierlich. Allein 2016 gab ten. So etwa ermittelt der Branchenverband dungssituation und über arbeitsrechtliche es in der ITK-Branche 744 Ausbildungsplätze Bitkom quartalsmäßig Wertveränderungen Ansprüche. mehr als im Vorjahr (plus 4,9 Prozent). Vor bei den Bruttomonatsverdiensten (ohne allem bei den Fachinformatikern/-innen und Sonderzahlungen) auf der Basis von Daten Informatikkaufleuten gab es deutliche Zu- des Statistischen Bundesamtes und eigener INGENIEURGEHÄLTER 2016/2017 wächse (plus 9,4 Prozent beziehungsweise Berechnungen. Branchenübergreifend veröffentlicht die 7,4 Prozent), während die Ausbildungsstel- IG Metall seit Jahren die Tarifgehälter von len bei den ITK-System-Elektronikern/-innen WENIGER GELD IN START-UPS Ingenieurinnen und Ingenieuren in der Me- und -Kaufleuten stark (um 10,8 beziehungs- In einer Umfrage befragte der Verband 2016 tall- und Elektroindustrie. Sie hat dazu sieben weise 11,9 Prozent) zurückging. rund 150 Start-up-Gründer zu den Brutto- regionale Flyer herausgegeben, die die je- monatseinkommen in ihren Betrieben. Da- weiligen Ingenieurgehälter in den unter- JUNGE FRAUEN FÖRDERN nach liegt das durchschnittliche Einstiegs- schiedlichen Tarifgebieten (Bezirk Erfreulich ist, dass inzwischen auch vermehrt gehalt für Junioren in Start-ups bei 31 400 Küste, Bezirk Berlin-Brandenburg junge Frauen den Zugang zu IT-Berufen fin- Euro, für Beschäftigte auf dem Senior-Level und Sachsen, Bezirk Niedersach- den. Allein bei den Ausbildungsplätzen im bei rund 46 500 Euro und für Fachkräfte in sen und Sachsen-Anhalt, Bezirk Bereich Fachinformatik erhöhte sich der leitender Funktion bei rund 55 800 Euro. Mitte, Bezirk Nordrhein-Westfa- Frauenanteil um 14,4 Prozent, bei den Infor- Das Gehalt könne etwas geringer ausfallen len, Bezirk Baden-Württemberg, matikkaufleuten sogar um 22,4 Prozent. als in etablierten Unternehmen, betont der Bezirk Bayern) abbilden. Dabei Dank der guten Tarifabschlüsse der IG Me- Verband und verweist dabei gleichzeitig auf werden auch Daten des WSI- tall in den vergangenen Jahren, aber auch die Vorteile in diesen Betrieben: flache Hie- Lohnspiegels über Entgelte in als Ausdruck der verstärkten Bemühungen rarchien, flexible Arbeitszeiten und mo- unterschiedlichen Ingenieur-Tä- der Arbeitgeber, junge Leute für ihre Un- derne Büros. tigkeiten präsentiert. ternehmen zu gewinnen, verbesserten sich Eine weitere Quelle für Informationen zu Die Flyer können über die IG Metall die Ausbildungsvergütungen. Sie stiegen den Entgelten in der ITK-Branche bietet bezogen werden: IG Metall Vorstand, 2016 im Vergleich zum Vorjahr um durch- die Webseite „Lohnspiegel.de“ des Wirt- Branchenkoordination ITK, 60519 Frankfurt schnittlich fünf Prozent. Bei den dual Stu- schafts- und Sozialwissenschaftlichen In- am Main, E-Mail: itk@igmetall.de dierenden erhöhten sich die Ausbildungs- stituts in der Hans-Böckler-Stiftung (WSI). 13
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