IV. Technologische Trends 1. Schiffssicherheit in der IMO
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IV. Technologische Trends 1. Schiffssicherheit in der IMO Ausdruck dieser neuen Politik der IMO ist beispielsweise die Initiative zur Verbesserung der Sicherheit großer Passagierschiffe, die ebenfalls Auch im Berichtsjahr war die Arbeit der IMO vom IMO-Generalsekretär gefordert wurde und (International Maritime Organisation) von dem konti- mit der vornehmlich der IMO-Ausschuss für Schiffs- nuierlichen Bestreben zur Verbesserung der Schiffssi- sicherheit (Maritime Safety Committee, MSC) befasst cherheit und der Belange des Meeresumweltschutzes ist. Der IMO-Generalsekretär hat zwar betont, dass gekennzeichnet. Der IMO-Generalsekretär William er keinerlei Zweifel an der Einhaltung bestehen- O'Neil hat im Zuge der „Erika“-Diskussion deutlich der Sicherheitsvorschriften durch die neue Generation darauf hingewiesen, dass die IMO das einzige kompe- von Kreuzfahrtschiffen habe. Er hat jedoch auch tente Forum zur Erarbeitung und Verabschiedung darauf hingewiesen, dass die maßgeblichen Überein- internationaler Standards zur Schiffssicherheit und kommen, wie etwa SOLAS (Safety of Life at Sea)- zum Meeresumweltschutz ist. Er hat daher eindring- und Freibordübereinkommen, lange vor der Entwick- lich vor nationalen oder regionalen „Insellösungen“ lung der neuen Generation von Mega-Kreuzfahrt- gewarnt, die diese Kompetenz untergraben und sich schiffen datieren und daher den spezifischen Sicher- nachteilig auf die internationale Schifffahrt auswirken heitsaspekten möglicherweise nur unzureichend müssen. Rechnung tragen. Als erster Schritt dieser Initiative hat sich innerhalb von MSC eine Arbeitsgruppe gebildet, Der VSM teilt diese Auffassung und sieht entge- an der über AWES (Association of European Shipbuil- gengesetzte Bestrebungen, wie sie z. B. bei TBT-halti- ders and Shiprepairers) auch der VSM beteiligt ist. gen Schiffsfarben oder bei der Sicherheit von Öltan- Wesentliche Aufgabe dieser Arbeitsgruppe ist eine kern erkennbar sind (siehe unter 2.), mit großer Überprüfung der existierenden Sicherheitsstandards Besorgnis. und die Erarbeitung von Vorschlägen für mögliche künftige Verbesserungen. Innerhalb der Arbeitsgrup- Auch wenn der Entscheidungsprozess in der pe bestand Übereinstimmung, dass künftige Passa- IMO, ebenso wie in anderen internationalen Organi- gierschiffe unter verbesserten Überlebensgesichts- sationen, von pluralistischen Interessen beeinflusst punkten gebaut und konstruiert werden sollten, nach wird, hat die IMO wiederholt demonstriert, dass sie im der Philosophie „A ship is its own best lifeboat“. aktuellen Bedarfsfall zu einem schnellen Handeln in Gleichwohl wird sich die Notwendigkeit einer Evaku- der Lage ist. Das Maßnahmenpaket zur Verbesserung ierung nicht vollständig ausschließen lassen. Die der Sicherheit von Ro-Ro-Fahrgastschiffen hat dies Arbeitsgruppe wird daher ihre Aufmerksamkeit auch ebenso gezeigt, wie die Initiative zur Verbesserung der auf effektivere Rettungsmittel und -vorrichtungen Sicherheit von Öltankern im Anschluss an das „Erika“- unter Berücksichtigung des Einsatzgebietes und der Unglück. Der IMO-Generalsekretär hat jedoch auch Verfügbarkeit von SAR (Search and Rescue)-Einrich- gefordert, dass die IMO künftig nicht nur reagieren tungen richten. dürfe, sondern verstärkt vorbeugend tätig werden muss, um ihre Kompetenz zu erhalten. Dies wird auch Der vorläufige Arbeitsplan sieht eine Differenzie- deutlich an der Resolution A.900 (21) der IMO-Voll- rung nach folgenden Problembereichen vor: Kollisio- versammlung vom November 1999, die die Ziele der nen und Grundberührungen; Ausfall von wichtigen IMO für die Zukunft definiert. Wesentliche Maßgaben Ausrüstungsgegenständen; Evakuierung und Ret- dieser Resolution sind: die Forderung zu einem ver- tung; Feuerschutz; Vorsorge bei medizinischen Notfäl- stärkten vorbeugenden Tätigwerden („Proactive len; Betrieb und Management; Besichtigungen; Policy“) sowie eine verstärkte Konzentration der Search and Rescue; Überlebensfähigkeit des Schiffes; IMO-Aktivitäten auf Schiffstypen, insbesondere Pas- Lebensrettungsmittel und -vorrichtungen. Eine wei- sagierschiffe. tergehende Analyse auf Basis moderner Methoden zur 64
Fahrgastschiff „Nordstern“, für 300 Passagiere Risikobewertung wird derzeit von einer Korrespon- – Änderungen zu Kapitel V (Sicherung der See- denzarbeitsgruppe vorgenommen. fahrt) zu SOLAS, nach denen alle neuen Schiffe ab 1. Juli 2002 mit Schiffsdatenschreibern (Voyage- Neben dieser eher in die Zukunft gerichteten Data-Recorder, sog. „Black Boxes“) ausgerüstet Thematik hat die IMO auch in diesem Jahr eine Reihe sein müssen. Für bereits in Fahrt befindliche Schif- von Änderungen zu SOLAS sowie anderen relevanten fe gilt dies rückwirkend nur für Passagier- und Ro- Übereinkommen verabschiedet, die zum 1. Juli 2002 Ro-Schiffe. Für bereits in Fahrt befindliche Fracht- in Kraft treten werden. Hierzu gehören: schiffe soll zunächst die wirtschaftlich vertretbare Erforderlichkeit im Rahmen einer Studie ermittelt – ein umfassend überarbeitetes Kapitel II-2 (Bau- werden. Außerdem fordern die neuen Regeln für art der Schiffe - Brandschutz, Feueranzeige und bestimmte Schiffe die Ausrüstung mit einem Feuerlösung) zu SOLAS sowie der neue Inter- automatischen Schiffsidentifikationssystem. national Code for Fire Safety Systems, der unter dem neuen SOLAS-Kapitel verbindlich – der neue Code für Hochgeschwindigkeitsfahr- sein soll. zeuge (HSC 2000), der für alle nach dem 1. Juli 2002 gebauten Schiffe verbindlich sein wird. – eine neue Regel 3-5 zu SOLAS Kapitel II-1 Die neuen Regelungen tragen den technischen (Bauart – Bauweise, Unterteilung und Stabi- Entwicklungen seit der Verabschiedung des lität, Maschinen und elektrische Anlagen), HSC-Code 1994 Rechnung, der allerdings wei- nach der z. B. die Installation asbesthaltiger terhin für vor dem Stichtag gebaute Schiffe Materialien auf neuen Schiffen verboten wird. maßgeblich bleibt. 65
2. Meeresumweltschutz in der IMO gewässer vermindert werden soll. Der derzeitige Ent- wurf sieht allgemeine Regeln für das Ballastwasser- Einer der gegenwärtigen Schwerpunkte in der Management sowie weitergehende Anforderungen in Arbeit des IMO-Ausschusses für Meeresumwelt- speziellen Gebieten (sog. „Ballast Water Management schutz (Marine Environment Protection Committee, Areas“) vor. Gleichzeitig soll die Entwicklung techni- MEPC) ist unverändert die Arbeit an einem weltweiten scher Lösungen durch Festlegung von Kriterien für Verbot TBT-haltiger Antifouling-Farben für Schiffe. deren Effektivität vorangetrieben werden. Dies könn- Nach der bereits im November 1999 verabschiedeten te auf unterschiedliche Lösungen für neue und in Fahrt Resolution der IMO-Generalversammlung, die Eckda- befindliche Schiffe hinauslaufen. Eine endgültige Ver- ten für das Ausphasen derartiger Schiffsfarben festge- abschiedung der Regelungen wird voraussichtlich legt hat, soll die Aufbringung auf den Schiffskörper ebenfalls auf einer diplomatischen Konferenz erfol- längstens bis zum 1. Januar 2003 und die Beibehal- gen, die jedoch nicht vor 2002/2003 erwartet wird. tung vorhandener Anstriche nur noch bis 1. Januar 2008 erlaubt sein. Der hiermit beauftragte IMO-Aus- Die Diskussionen zur Sicherheit von Öltankern schuss für Meeresumweltschutz hat zwischenzeitlich im Anschluss an den Untergang der „Erika“ haben einen detaillierten Konventionstext erarbeitet, mit ebenfalls zu konkreten Regelungen geführt, die auf dem diese Vorgaben völkerrechtlich verbindlich um- der Sitzung von MEPC im April 2001 verabschiedet gesetzt werden sollen. Der VSM hat innerhalb der wurden. Sie sehen in Abänderung der Regel 13 G von IMO-Arbeitsgruppe diese Arbeiten aktiv begleitet. Die MARPOL Anhang I ein beschleunigtes Ausphasen von Verabschiedung der Konvention soll auf einer diplo- Tankern ohne Doppelhüllenbauweise vor. Die Initiati- matischen Konferenz im Oktober 2001 erfolgen. ve mehrerer europäischer Staaten erwies sich dabei nicht als tragfähig. Sie hätte dazu geführt, dass eine Offen sind noch einige wenige technische Fra- größere Anzahl von Tankern bereits mit 12 bis 13 Jah- gen, wie z. B. Kontrollen/Zertifizierung bei kleineren ren aus dem Markt zu nehmen wären. Das wäre für die Schiffen sowie die Frage, ob die alten Farben zum größeren Schifffahrtsunternehmen nicht zumutbar Stichtag komplett abgestrahlt werden müssen oder ob gewesen. Der Zeitplan für das Ausphasen hatte auch z. B. eine Versiegelung ausreichend ist. Offen ist eben- zu berücksichtigen, dass es nicht zu einer Verknap- falls noch die Frage des Mechanismus des Inkrafttre- pung der Tonnage und einer damit einhergehenden tens, von dem auch die Einhaltung des o.g. Zeitplanes Destabilisierung des Weltölmarktes kommt. Schiff- abhängt. Aus Sicht des VSM sollte die Hürde nicht zu bau- und Abwrackkapazitäten waren ebenfalls in die hoch angesetzt werden, um ein rechtzeitiges Inkraft- Überlegungen einzubeziehen. treten zu ermöglichen, aber auch nicht zu niedrig, um eine möglichst globale Anwendung zu gewährleisten. Die einvernehmlich verabschiedete „Paketlö- Erhebliche Verzögerungen bei der Umsetzung würden sung“ sieht vor, dass sog. „Vor-MARPOL-Tanker“ (die die Gefahr nationaler oder regionaler „Insellösungen“ vor 1982 gebaut wurden und bei denen die Ladetanks vergrößern, die im Interesse gleicher Wettbewerbsbe- nicht durch abgetrennte (segregated) Ballasttanks dingungen möglichst vermieden werden sollten. Inso- geschützt sind) bis spätestens 2007 aus dem Markt zu fern wird die Initiative des Bundesumweltministeriums nehmen sind. Für sog. „MARPOL-Tanker“ (die in den zu einem nationalen TBT-Verbot vom VSM als nationa- Jahren 1982 bis 1995 gebaut wurden und die die ler Irrweg gesehen, der Schaden ohne Nutzen stiftet. MARPOL-Vorschriften zum Schutz der Ladetanks durch abgetrennte Ballasttanks erfüllen) sieht der Zeit- Weniger weit vorangeschritten sind die Arbeiten plan ein Ausphasen bis spätestens 2015 vor. In Aus- an einem Instrumentarium für ein umweltgerechtes nahmefällen kann der Weiterbetrieb bis 2017 bzw. bis Ballastwasser-Management, mit dem die Einschlep- zu einem Höchstalter von 25 Jahren gestattet werden. pung fremder Mikroorganismen in Häfen und Küsten- Andere Staaten können diesen Schiffen jedoch das 66
Doppelhüllen-Öltanker „Seaturbot“, 21.353 GT, mit höchster Sicherheitsklasse Anlaufen ihrer Häfen verweigern. Einbezogen sind fend Luftverschmutzung durch Schiffe ist noch nicht in nunmehr insbesondere auch Öltanker von 5.000 bis Kraft getreten, was insbesondere an der relativ hohen 20.000/30.000 TDW. Hier sollen ähnliche Auspha- Hürde für das Inkrafttreten (Zeichnung durch 15 Staa- sungstermine zur Anwendung kommen. Die neuen ten, die mindestens 50 % der Welthandelstonnage Regelungen werden am 1. Januar 2003 in Kraft treten, repräsentieren) liegt. Fortschritte zur Reduzierung der was eine Nachfragesteigerung von Neubauten erwar- Schwefeloxyd-Emissionen können daher vorerst nur ten lässt. Einigkeit wurde auch im Hinblick auf die obli- aufgrund freiwilliger Maßnahmen (z. B. Verwendung gatorische Durchführung eines sog. „Condition Assess- schwefelarmer Brennstoffe) erzielt werden. Gleichwohl ment Scheme (CAS)“ für bestimmte Öltanker sowie werden innerhalb der IMO die Arbeiten an dem Thema zur Notwendigkeit weiterer Maßnahmen zur Eliminie- „Luftverschmutzung durch Schiffe“ weiter fortgesetzt. rung von Substandard-Schiffen erzielt. Hierzu gehört z. B. ein Programm zur Überwachung des Schwefelgehaltes in Brennstoffen sowie eine Studie Weiterhin auf der Tagesordnung von MEPC steht zur Ermittlung des Beitrags der Schifffahrt an der Emis- das Thema Luftverschmutzung durch Schiffe. Der von sion sog. „Treibhaus-Gase“ (insbesondere CO2) und der MARPOL-Konferenz in 1997 verabschiedete neue des daraus resultierenden Handlungsbedarfs, der nur Anhang VI zum MARPOL-Übereinkommen betref- noch eine Frage der Zeit ist. 67
3. Neue deutsche Forschungsinitiativen ren Produktivitätssteigerung von Werften und maritimen Zulieferern. Die deutsche maritime Industrie hat im Jahr 2000 ihre Anstrengungen fortgesetzt, in Schiffs- und Meeres- Auf beiden Gebieten wurden auch im Jahr 2000 technik technologisch wie organisatorisch neue Wege in zahlreichen industriellen FuE-Vorhaben große Fort- zu suchen, zu definieren und für eine kooperative For- schritte erzielt, die durch wertvolle Ergebnisse aus der schung und Entwicklung (FuE) zu erschließen. Nur Grundlagenforschung an Hochschulen und anderen durch gezielte FuE lässt sich die Technologieführerschaft Forschungseinrichtungen ergänzt wurden. Die For- der deutschen maritimen Industrie sichern und ausbau- schungsförderung durch das Bundesministerium für en, die nach wie vor auf zwei Eckpfeilern basiert: Bildung und Forschung (BMBF) leistet hierzu einen wichtigen Beitrag. ● Kontinuierliche Neuentwicklung und Verbes- serung innovativer Schiffstypen Die nachfolgenden Forschungsthemen vermit- teln einen Eindruck von der großen inhaltlichen Band- ● Fortgesetzte Optimierung von Entwicklungs- breite der maritimen Forschung. Zahlreiche Firmen, prozessen und Fertigungsverfahren zur weite- von Ingenieurbüros und Zulieferern über mittlere See- Nach dem SWATH-Prinzip gebautes Doppelrumpf-Lotsenstationsboot „Elbe“, 1.480 t Verdrängung 68
schiffswerften bis hin zu Großforschungseinrichtun- Meerestechnik für das 21. Jahrhundert“, das im Zeit- gen und Klassifikationsgesellschaften, waren daran raum 2000 - 2004 FuE-Fördermittel von insgesamt beteiligt. 36/45 Mio. DM p. a. zur Verfügung stellen will. ● Schiffstheorie: Da sich das von der Industrie selbst entwickelte – Hydrodynamische Belastung des Überwas- FuE-Branchenkonzept und das neue Förderprogramm servorschiffs von Containerschiffen im See- in der Definition der Forschungsfelder weitgehend gang decken, wird das Programm gut angenommen. Die ● – Widerstandsprognose für Schiffe auf flachem angestrebte weitere Verbesserung des Verkehrsträ- Wasser gers Schiff wird durch folgende Zielstellungen voran- getrieben: ● Schiffsfertigung: – Genaufertigung im Blockbau ● Entwicklung neuer Schiffstypen und verbesser- ● – EVRES – Einsatz von Virtual-Reality-Techno- ter Schiffskonstruktionen logien zur Effektivitätserhöhung im Schiffbau ● Weiterentwicklung der numerischen Schiffshy- ● – INKOFS – Informationsmanagement für die drodynamik verteilte Konstruktion und Fertigung im ● Verbesserung der aktiven und passiven Schiffs- Schiffbau sicherheit ● – Laser-Lichtschnittsensor für das automa- ● Erhöhung der Zuverlässigkeit, Umweltfreund- tisierte Metall-Aktiv-Schutzgasschweißen lichkeit und Ergonomie des Schiffsbetriebes. (MAG) von Schiffssektionen in Zwangslage Die Optimierung in der Produktentwicklung ● Schiffsantriebe: wird durch die Erhöhung der schiffbaulichen Produkti- – C.-R.-POD – Entwicklung eines neuartigen vität ergänzt und durch folgende Maßnahmen er- kontrarotierenden Propellerantriebes bei reicht: Gondelantrieben (POD) ● – Standardisierung im Maschinenraumbereich ● Entwicklung softwarebasierter Werkzeuge für von Schiffen den gesamten Produktionsprozess ● Verkürzung der Durchlaufzeiten durch Inte- ● Schiffsbetrieb: gration von Entwurf, Konstruktion und Ferti- – GL-EBCon – Elektronische Beanspruchungs- gung sowie durch Kooperationsmodelle von kontrolle von Containerschiffskonstruktio- Werften und Zulieferern nen ● Standardisierung und Modularisierung von ● – SSISS – Sichere Schifffahrt in schwerem See- Bauteilen und Baugruppen gang ● Genaufertigung und neue Fügetechniken. ● Meerestechnik: Die Verlagerung von Transporten auf küstenna- ● – Unterwasser-Steckverbinder für Mehrpha- he Gewässer und Binnenwasserstraßen soll vornehm- senpumpen-Aggregat lich folgende FuE-Themen fördern: Die hohen Aufwendungen der maritimen Indus- ● Beschleunigung des Küsten- und Hinterland- trie hierfür könnte die Branche aus eigener Kraft kaum verkehrs durch schnellere Schiffe und optimier- aufbringen. Sie begrüßt deshalb das Anfang 2000 ten Ladungsumschlag gestartete neue Forschungsprogramm des Bundesmi- ● Schiffskonstruktionen für die vorhandenen nisteriums für Bildung und Forschung „Schifffahrt und Wasserstraßen 69
● Telematikanwendungen in der Binnenschiff- optimierung und Wettbewerbssteigerung von fahrt. Binnenschiffen ● am Produktionsfortschritt orientiertes Refe- Schließlich wurde mit der Wiederaufnahme der renz-Informationsmodell (PROFI) Meerestechnik in die Förderung die technologische ● Gestaltung interdisziplinärer Engineeringpro- Vielfalt und das große wirtschaftliche Potenzial der zesse mit hoher zeitlicher Parallelität für den nicht schiffbaulichen maritimen Technik anerkannt. Bau von Spezialschiffen FuE in der Meerestechnik umfasst: ● Logistikinformationssystem zur Integration von Zulieferern und Dienstleistern in den Ferti- ● Offshore-Technik zur Erschließung weiterer gungsprozess von Spezialschiffen (LIS). Öl- und Gasvorkommen ● Maritime Umwelttechnik für die Meeresüber- Nachdem schon in den vergangenen Jahren wachung, Unfallbekämpfung und Entsorgung die Förderung der Entwicklung seegehender Trans- ● Marine Technologien für eisbedeckte Gebiete. portsysteme abnahm, gibt es zurzeit keine neuen geförderten Vorhaben mehr in diesem Bereich. Nach 12 Monaten Forschungstätigkeit im neuen Dabei hatte staatliche Förderung bisher in diesem Programm ergibt eine erste Bilanzierung der inhaltli- Bereich große Erfolge gebracht, z. B. bei der Entwick- chen Ausrichtung und der Verteilung neuer For- lung innovativer Transportkonzepte für große schungsvorhaben auf Fachgebiete folgendes Bild: Containerschiffe, eisbrechende Tanker sowie schnelle unkonventionelle Fahrzeuge, wie Schnell- Die Grundlagen der Schiffstechnik bilden nach fähren und Bodeneffektfahrzeuge. Diese wichti- wie vor den zentralen Forschungsschwerpunkt. Dabei ge Forschung für die Produktentwicklung muss werden insbesondere die Weiterentwicklung der die Industrie zurzeit ausschließlich mit Eigenmit- schiffbaulichen Berechnungs- und Entwurfswerkzeu- teln betreiben. ge auf der Basis von fester und flüssiger numerischer Mechanik gefördert. Zukünftig werden auch Model- Auch die Förderung der Schiffsantriebs- und lierung und Simulation von Fertigungs- und Logis- Schiffsbetriebstechnik ist rückläufig. Trotz interna- tikprozessen an Bedeutung zunehmen. Beide Maß- tional anerkannter Ergebnisse bei der Entwicklung nahmen werden zu einer deutlichen Annäherung an emissionsarmer Schiffsdieselmotoren und laufen- die Vision des „Numerischen Schlepptanks“ und der der Aktivitäten in der IMO konnte bisher kein Nach- „Virtuellen Werft“ führen. folgeprojekt zum Verbundvorhaben CLEAN realisiert werden. Repräsentative Projekte hierfür waren: Neue Systeme für den Schiffsbetrieb sollen den ● Adaptive Schwingungsreduzierung von Schiffsverkehr sicherer machen. FuE-Vorhaben des Schiffsvibrationen (ADASRED) Berichtsjahres dazu sind: ● Numerische Simulation und Propulsion (Num- SiPro) ● Integrierte Navigation auf schnellen Schiffen ● Bereitstellung von Bauvorschriften in einer (InasS) rechnerbasierten Arbeitsumgebung ● Nautisches Simulationssystem (NAUS) ● Wettbewerbsvorteile durch informationstech- ● Entwicklung und Erprobung eines kombinier- nisch unterstützte Produktsimulation im Schiff- ten Automatischen Identifizierungssystems bau (WIPS) (AIS) für die Berufs- und Sportschifffahrt unter ● Numerische, experimentelle und technisch- der Nutzung neuartiger satellitengestützter wirtschaftliche Untersuchungen zur Entwurfs- Ortungssysteme 70
Neuer Oberflächenpropeller für Schubboote der Binnenschifffahrt in der Testanlage ● Entwicklung und Bau des Prototyps eines lung innovativer, komplexer Schiffstypen an, um Schiffsmanöver-Predictors mit einem externen Transportketten zu optimieren und zukünftige Trans- Strömungsinformationssystem (MAPSYS). portaufgaben effizient und umweltfreundlich zu lösen. Zahlreiche neue FuE-Projekte fördern die Wei- terentwicklung von Schweiß- und Schneidtechniken, Es wird daher erforderlich, die Anwendung von die Simulation von Produktionsprozessen und die Verfahren, Werkzeugen und Komponenten in der Genaufertigung. Auch in der Schiffsfertigungstechnik schiffbaulichen Produktentwicklung intensiver zu för- wurden im Berichtsjahr vier neue Vorhaben auf den dern. Forschungsschwerpunkt muss die Neuentwick- Weg gebracht: lung innovativer Transportsysteme werden, die Markt- anteile sichern und erweitern und neue Märkte zügig ● Genaufertigung in der Schiffsausrüstung erschließen. ● Hochleistungs-Dünnblechschweißen von Stumpfnähten im Schiffbau mittels MIG/ Diese Politik gilt analog für die Meerestechnik MAG-Tandem-Technologie und marine Eisbrechtechnik, wo fünf neue FuE-Vorha- ● Entwicklung und Bewertung von Organisati- ben initiiert wurden: onsformen und prozessorientierten Rege- lungsstrategien für komplexe Montagefolgen ● Autonomes Unterwasserfahrzeug für Off- am Beispiel der Schiffsausrüstung shore-Einsätze in großer Tiefe (DEEP C) ● Optimierung der Produktion von Rohrlei- ● Mehrphasen-Pumpen-Aggregat für den Ein- tungssystemen im Schiffbau. satz in seebedeckten und schwer zugänglichen Gebieten (MPA) Damit wurde im zurückliegenden Jahr mit ● Sicherheitstechnik für Offshore-Strukturen im öffentlicher Förderung der schiffstechnischen FuE Eis (MATRA-OSE) die Verbesserung von Schiffskomponenten und ● Entwicklung eines Öl-Skimming-Verfahrens Produktivität fortgesetzt. Die industrielle FuE setzt zur Seegang unabhängigen Ölbekämpfung jedoch weiterhin bei der anwendungsnahen Entwick- (SÖS) 71
● Hydro- und eismechanische Entwicklungen zur Ein optimaler Mitteleinsatz lässt sich auch nur Verbesserung von Entwurfs- und Prognose- erreichen, wenn die Besonderheiten des Schiffbau- techniken. marktes bei der Durchführung staatlicher Förderpro- gramme beachtet werden: Die maritime Industrie ent- Mit den zu erwartenden Innovationen wird die wickelt Produkte, die zugleich FuE-Projekt, Prototyp deutsche Offshore-Industrie ihre Position als interna- und wirtschaftlich genutztes Transportmittel sind. Nur tional erfolgreicher Zulieferer von Material und Kom- durch schlanke, flexible Antragsverfahren und volle ponenten festigen können. Die Produktverbesserun- Ausschöpfung der EU-zulässigen Förderquoten ist zu gen müssen jedoch durch Projekte mit Gesamtkon- erreichen, dass staatliche Förderprogramme betriebs- zepten für die Zukunftsfragen der Öl- und Gas- wirtschaftlich sinnvoll genutzt werden. industrie ergänzt werden, wie der Tiefseeexploration und -exploitation und dem Rückbau von Offshore- Im Berichtsjahr wurde der 5-Jahresplan des Strukturen. Entsprechenden Forschungsbedarf hat die BMBF zur Forschungsförderung durch eine Ausschrei- maritime Industrie bereits formuliert. bung für interdisziplinäre, system-integrierende FuE- Aktivitäten im Schiffbau ergänzt. Unter dem Titel Insgesamt ist im abgelaufen Jahr die industrielle „Vision 2010: Reduzierung der Kosten im Schiffbau FuE-Tätigkeit auf breiter Front intensiviert worden. um 30 %“ wird langfristig angelegte, besonders risi- Der maritime Sektor unterstreicht damit seine Innova- kobehaftete FuE gefördert. Sie soll im Zusammenwir- tionstätigkeit. Mehr als 10 % des Umsatzes der tech- ken von Werften, maritimen Zulieferern, wissen- nologisch führenden Unternehmen entfällt auf Ent- schaftlichen Einrichtungen und spezifischen Dienstleis- wicklungstätigkeit. tern in Netzwerken bearbeitet werden. In dieser Situation verfolgt die Branche mit Schwerpunktthemen dieser Förderung sind: Sorge, dass der Anteil der öffentlichen Forschungsför- derung daran weiterhin zurückging, nicht zuletzt ● Automatisierung und Optimierung von Ferti- wegen verzögerter Förderzusagen. gungsverfahren ● Digitale Integration der schiffbaulichen Pro- Dies wirkte sich besonders bei der Industriefor- duktion schung aus. Bei unverändert hohem administrativem ● Vernetzung von Werften, Zulieferern, Hoch- Aufwand für die Antragsverfahren senkt dieser Trend schulen und Dienstleistern den Wirkungsgrad der staatlichen Förderung und beein- ● Nutzung von Erkenntnissen der Arbeitswissen- trächtigt die Motivation, diese in Anspruch zu nehmen. schaften. Der VSM hat die Probleme der Forschungsförde- Die Schiffbauindustrie hat die Vision 2010-Initia- rung analysiert und gegenüber dem BMBF die Konse- tive engagiert aufgegriffen und über 30 Projektskizzen quenzen für die Forschungstätigkeit erläutert. dazu vorgelegt. Ein unabhängiger Gutachterkreis hat davon ein Drittel für eine prioritäre Förderung emp- Es bestand dabei Übereinstimmung, dass fohlen. Bisher wurden dafür allerdings nur drei Bewilli- Hemmnisse, wie sie bei Verbundforschungsvorhaben gungen ausgesprochen: entstanden waren, aber auch in der Administration durch zu lange Zeiten und zu hohe Auflagen für die ● Entwicklung einer E-Commerce-Plattform für Antragsbearbeitung und Projektrealisierung sowie für Ingenieurleistungen im Schiffbau Prüfungen fortbestehen, soweit wie möglich beseitigt ● Automatisierung der Endmontage integrierter werden müssen, da diese die erwünschte Wirksamkeit Brückensysteme durch deutliche Reduzierung der Förderung konterkarieren. der Verkabelung (AUTENDIB) 72
Ferngelenkter Unterwasserroboter „K-Fisch“ für Forschungs- und Inspektionseinsätze in Wassertiefen bis 300 m ● Netzwerk Schiffstechnik 2010, Struktur, Orga- Themen vorhanden. Mit seinem Wechsel wurden nisation, Kommunikation (NET-S) funktionierende Strukturen aufgegeben, bevor der neue Projektträger seine Arbeitsfähigkeit herstellen Die Erfahrungen mit dieser Ausschreibung zei- konnte. Die Branche verfolgt zurzeit aufmerksam, gen, dass Aufbau und Pflege fach- und branchenüber- wann die erforderliche Kompetenz zur fachlichen Pro- greifender Netzwerke überaus arbeitsintensiv sind. Sie jektbegleitung aufgebaut werden kann, ohne dass eine binden wertvolle FuE-Kapazität in administrativen weitere Beeinträchtigung der FuE-Förderung eintritt. Nebentätigkeiten. Die Initiierung und Koordinierung von Forschungsverbünden sollte daher durch eine Mehr FuE-unterstützende Maßnahmen, wie projektbegleitende Förderung von FuE-Dienstleistern Information, Beratung, Koordinierung und fachliche sichergestellt werden, die als Katalysatoren an der Begutachtung durch fachlich qualifizierte Institutio- Schnittstelle zwischen Industrie, Hochschulen und nen, werden ein Vielfaches ihrer Kosten an zusätzli- Behörden wirken. cher FuE-Tätigkeit generieren und damit entscheidend zu der auch politisch gewünschten intensivierten For- Solche Institutionen benötigen allerdings ausrei- schung beitragen. Angesichts der bestehenden Defizi- chende Personalkapazität mit schiffbaulicher Fach- te wird die effiziente Durchführung von Forschungs- kompetenz. Diese war bei dem bisherigen und programmen selbst zu einer FuE-Aufgabe. Anfang langjährigen Projektträger des BMBF für die maritimen 2001 ist das BMBF gemeinsam mit der Industrie und 73
Luxusyacht „Tatoosh“, 3.224 GT seinem neuen Projektträger diese Aufgabe in der bauen, um im weltweiten Wettbewerb ihre tech- Arbeitsgruppe „Verbesserung der Förderpraxis in nologische Spitzenposition behaupten zu können. Schiffbau und Meerestechnik“ angegangen, - schnel- Dies ist auch ein Signal im Wettbewerb um den le Fortschritte sind hier auch im Hinblick auf die Kanz- knapper werdenden Ingenieurnachwuchs. Die kon- ler-Initiative vom Juni 2000 dringend erforderlich. tinuierliche Entwicklung innovativer Produkte durch Forschung zeigt der Jugend sichtbar und attraktiv Die maritime deutsche Industrie jedenfalls die Zukunftsorientiertheit der High-Tech-Branche wird weiterhin ihre Forschungskapazitäten aus- Schiffbau. 74
4. Europäische Forschungskonzepte Nach einem Aufruf im März 2000 zur Einrei- chung von Vorschlägen zum 5. Rahmenplan wurden Parallel zum neuen Forschungsprogramm des fast 30 % der verfügbaren FuE-Mittel vergeben. Der BMBF nutzten Schiffbau und Meerestechnik im Be- Schwerpunkt der Forschungsförderung für die mariti- richtsjahr weiterhin das 5. FuE-Rahmenprogramm der me Wirtschaft liegt im Programm „Wettbewerbsori- Europäischen Union für ihre branchenbezogene inter- entiertes und nachhaltiges Wachstum“ und hier in den nationale FuE-Tätigkeit. Schlüsselaktionen „Nachhaltige Mobilität und Inter- modalität“ und „Landtransport und Maritime Tech- Signifikante Fortschritte waren in den Bereichen nologien“. Schiffsentwurf, Materialien und Schiffsstrukturen, Schiffsbetrieb und Schiffsantriebe sowie beim Aufbau In den Teilbereichen maritimer Netzwerke zu verzeichnen. In folgenden neuen Projekten sind deutsche maritime Unternehmen ● effiziente, sichere und umweltfreundliche beteiligt: Schiffe ● Verbesserung der Leistungsfähigkeit und Inter- ● Neue Materialien und Schiffsstrukturen: operabilität von Schiffen ● – BONDSHIP (BONDing of lightweight materi- ● innovative Technologien für die Meerestech- als for cost-effective production of high nik speed craft and passenger SHIPs) ● – SANDWICH (Advanced composite sandwich wurden in der letzten Bietungsrunde insgesamt 72 steel structures) Anträge gestellt, deutlich mehr als in der vorangegan- ● – FASDHTS (High-Tensile Steel 690 in FASt genen. 20 dieser Anträge wurden positiv bewertet ship structures) und für weitere Vertragsverhandlungen ausgewählt. ● – CRASH COASTER (CRASHworthy side struc- Dies ist auch im Vergleich mit anderen Bereichen ein tures for improved collision damage surviva- guter Erfolg. Ein häufiger Grund für Antragsablehnun- bility of COASTERs and medium sized roro gen war die zu geringe Einbeziehung von Industrieun- cargo ships) ternehmen in die Forschungskonsortien bei Anträgen aus dem Hochschulbereich. ● Innovativer Schiffsantrieb und Betrieb: ● – OPTIPOD (Design and implementation of Der überwiegende Teil der erfolgreichen Projek- OPTImal azimuthing PODs for safe and effi- te entstammte den Thematischen Netzwerken, die die cient propulsion of ships) Bildung und projektbegleitende Koordinierung der ● – NORMA (NOise Reduction for Marine Appli- multinationalen FuE-Verbünde unterstützen. Deren cations) Anzahl hat sich erhöht. Folgende Thematische Netz- werke bestehen: ● Moderner Schiffsentwurf: ● – HARDER (HARmonization of rules and ● Competitive Engineering and Production in DEsign Rationale) Shipbuilding (CEPS) ● – MOBISHIP (Model Based Initial and basic ● Product Development and Innovation in Ship- design) building (PRODIS) ● Technologies for Reduced Environmental ● Bildung virtueller, maritimer Netzwerke: Impact for Ships (TRESHIP) ● – DYCONET (DYnamic inter-organisational ● Concepts for Advanced Marine Machinery CO-operative NETworks for the Maritime with Low Pollution and High Efficiency (MAR- Industry) POWER) 75
● Design for Safety: An Integrated Approach to ● – DOCKWELDER - Flexible welding automati- Safe European Ro-Ro Ferry Design (SAFEREU- on of ship erection RORO) ● – S@S - Safety at Speed ● Computational Fluid Dynamics for the Marine Industry (MARNET CFD) ● Verbesserung der Leistungsfähigkeit und Inter- ● Robotics for the Marine Industries (ROBMAR) operabilität von Schiffen: ● New Concepts and Technologies for the Next ● – SEA-AHED – Simulation Environment and Ad- Century Maritime Transport (TNET NETS) visory system for on-board help and estimation ● Laser Beam Welding in the Transportation of manoeuvering performance during design Industries (TRANSLAS) ● – ASAPP One – Intelligent Shuttle fleet ● Floating Offshore Structures for Energy Exploi- connecting a split container storage area for tation (FLOATTECH) intermodal operation improvement ● – SEAROUTES - Advanced decision support for Die Arbeit der Netzwerke wird durch das Com- shiprouting based on full-scale ship-specific mittee for Research and Development in European responses as well as improved sea and weath- Shipbuilding (COREDES), das FuE-Komitee des er forecasts including synoptic high precision europäischen Schiffbauverbandes CESA, begleitet. and real time sattelite data Hier wird ● – INBAT – INnovative BArge Trains for effective transport on inland shallow waters ● die Forschungstätigkeit kontinuierlich doku- mentiert, ● Technologie-Plattform Schiff: ● der Stand der Technik in der maritimen Techno- ● – ROPAX-2000 – Life cycle virtual reality ship logie zusammenfassend dargestellt, system ● die inhaltliche Umsetzung des 5. Rahmenplans überwacht. Aufmerksam verfolgt die maritime Industrie auch die Ausgestaltung des 6. Rahmenplans und die Die deutsche maritime Industrie ist in diese Akti- derzeit diskutierten Grundsätze: vitäten eingebunden. Sie wirkt mit insgesamt 21 Unternehmen und Forschungsinstituten an den fol- ● Die Konzentration auf langfristige Großprojek- genden erfolgreichen Projekten und der technologi- te (statt der durchschnittlichen 1,7 Mio. q im 5. schen Plattform mit: Rahmenplan zukünftig von mehreren 10 bis zu mehreren 100 Mio. q) durch ● Infrastrukturen und ihre Schnittstellen mit Ver- ● Vernetzung nationaler Forschungsprogramme kehrsträgern und -systemen: und Spitzenforschungszentren unter ● – EMBARC – European Maritime study for ● starker Betonung des „europäischen Mehr- Baseline and Advanced Regional and Coastal werts“ als Auswahlkriterium traffic management und die Schwerpunktbereiche ● Effiziente, sichere und umweltfreundliche Schiffe: ● Postgenomik-Forschung ● – EROCAV – EROsion on ship propellers and ● Nanotechnologien rudders- the influence of CAVitation on ● Entwicklung der Informationsgesellschaft material damages ● FuE in Bereichen mit starkem internationalen ● – ECOPAINT – Environment friendly and effi- Wettbewerb, wie Luft- und Raumfahrt cient coatings for ships ● Forschung zur nachhaltigen Entwicklung 76
Fischerei-Überwachungsschiff „Arguin“,1.000 t Verdrängung würden Beteiligungsmöglichkeiten der mariti- senschaftliche Grundlagenforschung passt nicht für men Wirtschaft erheblich beeinträchtigen. die maritime Industrie, wo die Wettbewerbswirksam- keit eines FuE-Vorhabens ein wichtiges Auswahlkrite- Für maritime FuE-Vorhaben wurden bisher rium bleiben muss. durchschnittlich 1,9 Mio. q Fördermittel bei einer Laufzeit von 2,7 Jahren aufgewendet, und 10 Partner Die Ausrichtung des Programms auf Schwer- waren pro Konsortium beteiligt. Die angestrebte Ver- punktthemen ist zwar richtig, muss aber berücksichti- größerung der Projekte wäre im maritimen Bereich nur gen, dass durch mehr Partner und längere Laufzeiten zu errei- chen. Das aber würde den Koordinierungsaufwand ● Schiffbau und Meerestechnik sowohl in ihrer erhöhen und die Wettbewerbswirksamkeit der For- technischen Entwicklung als auch in ihrer ver- schungsergebnisse gefährden. Kleine und mittlere gleichbar internationalen Wettbewerbssituati- Unternehmen kämen kaum noch zum Zuge. on gleichrangig neben der Luft- und Raum- fahrttechnik stehen. Auch die Verlagerung des forschungspolitischen Schwerpunkts von der anwendungsorientierten, ● Mobilität von Waren und Personen durch Res- wettbewerbswirksamen industriellen FuE auf die wis- sourcen und Umwelt schonende Transport- 77
konzepte ein integriertes Verkehrs- und Mobi- Industries Forum (MIF) mit seiner Arbeitsgruppe R & D litätsforschungsprogramm erfordern. Strategic Planning beteiligen. ● ein fragmentierter Zugang zum Programm, der Das MIF - eine von der Kommission der EU orga- für die maritime Wirtschaft nur Fördermöglich- nisierte und von der Industrie getragene Arbeitsplatt- keiten im Rahmen der Weiterentwicklung der form der europäischen maritimen Industrien - hat sich Informationsgesellschaft und der nachhaltigen im letzten Jahr grundlegend restrukturiert. Inhaltliche Entwicklung zuließe, eine ganzheitliche, fach- Arbeiten werden in ad-hoc Arbeitgruppen geleistet, und branchenübergreifende Behandlung von die in drei Koordinierungsgruppen zusammengefasst Verkehrsproblemen behindert. werden: Die maritime Wirtschaft ist aufgerufen, die ● Verkehr / Schifffahrt / Service erkennbar falsche Weichenstellung im 6. Rahmenplan ● Schiffbau / Engineering / Fertigung zu korrigieren. Daran sollte sich auch das Maritime ● Humanressourcen Fischereischutzboot „Seeadler“, 1.774 GT 78
Ein hochrangig besetztes Steuerungskomitee In fünf Arbeitsgruppen, die mit Repräsentanten sorgt dafür, dass die Arbeitsergebnisse aus den Koordi- regionaler Organisationen besetzt sind, werden fol- nierungsgruppen umgesetzt werden. Das MIF hat gende Themen behandelt: damit eine Schnittstellenfunktion zwischen Europäi- scher Kommission und maritimer Industrie. Es soll Sy- ● Regionale Aspekte des küstennahen Seever- nergien in den Aktivitäten verschiedener maritimer kehrs (SSS = Short Sea Shipping) Sektoren realisieren und maritime Inputs in politische ● Häfen und regionale Interessen Debatten und Entscheidungsprozesse sicherstellen. ● Schiffssicherheit (Shipping Quality) Weitere Funktionen sind die Verbesserung der Beteili- ● Forschung und Entwicklung / Ausbildung und gung von Mitgliedsstaaten an Schiffbau- und Schiff- Training (Centers of Excellence) fahrtspolitik, der Aufbau und die Pflege eines wettbe- ● Mariner Umweltschutz werbsfähigen maritimen Clusters sowie die Verbesse- rung und Sichtbarmachung von schiffbaulichen und Diese Schwerpunkte verdeutlichen die Vielfalt meerestechnischen Aktivitäten in der Öffentlichkeit. maritimer Belange auf europäischer Ebene. Um diese auch zukünftig erfolgreich in forschungspolitische Die Alliance of Maritime Regional Interests in Entscheidungen und Förderinstrumente einbringen Europe (AMRIE) verfolgt in der Technologiepolitik zu können, muss der gemeinschaftliche Auftritt des ähnliche Ziele. Ihre Mitglieder kommen aus dem maritimen Clusters weiter verbessert werden. Die not- regionalen öffentlichen Sektor, ihr politischer Ansatz wendigen Korrekturen am 6. Rahmenplan bieten hier- ist eher dezentral, z. B. in der Lobbyarbeit und der Ein- für sowohl Motivation als auch vielfältige Arbeitsfel- flussnahme auf das Europäische Parlament. der. 79
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