Jahre ISI e.V. Jubiläumsausgabe
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Jahre ISI e.V. Jubiläumsausgabe Initiative Selbständiger Immigrantinnen Träger des Innovationspreises 2010
:(,7(5%,/'81*(;,67(1=*5h1'81*&2$&+,1* 9(75$8(16,($8),+5((,*(1(1327(17,$/( von Migrantinnen für Migrantinnen – ein einzigartiges Modell! Wieso selbständig? Wieso ISI? eigene Ideen verwirklichen hochqualifizierte und erfahrene Migrantinnen unterrichten eigene Entscheidungen treffen interkulturelle Sensibilität und Kentnisse selbstverständlich wirtschaftlich frei und unab- hängig sein individuelle Begleitung von der Idee bis zur Umsetzung über eigenene Grenzen hinaus- wachsen kein Bildungsgutschein notwendig Weiterbildung Wir sind Buchhaltung, Marketing oder Wirtschaftsdeutsch sind nicht nur wichtig, wenn ISI e.V. fördert seit 1991 in Berlin sich die Migrantinnen für eine berufliche Selbständigkeit entscheiden. lebende Migrantinnen auf Ihrem Weg zur Selbständigkeit oder Bei ISI e.V. erworbene kaufmännische und technische Kompetenzen können Arbeitsaufnahme. Sie auch bei der Arbeitssuche erfolgreich einsetzen. Wir machen Sie auch fit für den ersten Arbeitsmarkt. Unsere Arbeit Wird gefördert durch: Mitglied bei: wurde mit dem Innovationspreis 2010 gewürdigt.
Die Enstehungsgeschichte 3 20 Jahre ISI e.V. I.S.I. e.V. ist ein Bildungs- und Beratungszen- trum in Berlin, das Immigrantinnen ermutigt, sich selbstständig zu machen und sie auf diesem Weg unterstützt. Der Verein wurde im Jahr 1990 als gemeinnütziger Verein von Immigrantinnen verschiedener Herkunftsländer gegründet. „Ihre Philosophie und Idee: durch eigene Kraft Arbeitsplätze schaffen.“ Das Bildungsangebot von I.S.I. e.V. wird von der Berliner Senatsverwaltung für Arbeit und Frauen seit 1991 gefördert.
4 Vorwort - Marjan Parvand Vorwort - Marjan Parvand 5 Marjan Parvand- Vorwort Als ich das erste Mal den Namen des Vereins hörte, schrieb ich ihn Beratung zu übernehmen, obwohl „die eigenen Kinder gerade den in meinem Kopf so: „Easy e.V.“ Eine der Autorinnen dieser Jubilä- gesamten Haushalt auseinandernehmen“, zeigt im besten Sinne umsausgabe war am Telefon und versuchte mich dafür zu gewin- des Wortes Bürgerverantwortung. nen das Vorwort zu schreiben. Ich gebe zu, ich hatte damals keine Ahnung vom Verein und seiner Arbeit. Trotzdem glaube ich, dass Wie wertvoll diese Leistungen und diese Art des Engagements es nicht nur Unwissenheit war, die mich damals den Namen des sein können, weiß jeder, der ohne Rückhalt und Unterstützung Vereins falsch buchstabieren ließ. Alles, was ich am Telefon hörte, seinen Weg bahnen musste. Da ich darum gebeten worden bin passte zu meiner phonetischen Fehlbuchstabierung. „Den Einstieg auch etwas über mich selbst zu schreiben, nehme ich an dieser in die Selbstständigkeit erleichtern...“ – „easy“ machte es in mei- Stelle meinen eigenen Berufsstart als Beispiel. Ich hatte damals kein nem Kopf; „Selbstständigen Frauen durch Rat und Tat zur Seite Netzwerk, keinen Verein und keine Vorgängerinnen, die mir mit stehen...“ – „easy“ machte es in meinem Kopf; „Wegbegleiter und Rat und Tat zur Seite standen. Eher das Gegenteil war der Fall: ich Ratgeber in allen Phasen der Selbstständigkeit sein...“– „easy“... hatte wenig Wissen über die Zugänge zum Journalismus. Dafür war na, Sie wissen schon. mein Wunsch diesen Beruf zu ergreifen, umso größer. Erschwerend kam hinzu, dass mein Vater nicht Golf mit dem Intendanten spiel- Auch wenn ich jetzt weiß, wie der Verein ISI e.V. genau geschrieben te, meine Mutter keine gestandene Redakteurin war, und die gern wird, und wofür die Abkürzung steht („Initiative Selbstständiger genommenen Freunde von Freunden in anderen Berufsfeldern tätig Immigrantinnen“), gefällt mir mein anfängliches, phonetisches Irr- waren. Diesen Zustand fand mein Bruder am Anfang meines be- tum. Denn es hat mich auf eine unkomplizierte Weise dem Thema ruflichen Werdegangs so hoffnungslos das er ihn so kommentier- näher gebracht. Der Klang dreier Buchstaben löste bei mir Kopfkino te: „Du hast kein Vitamin B - wahrscheinlich wirst Du arbeitslos.“ „ aus: Ich stellte mir fleißige Frauen vor, die allen Widerständen zum Herzlichen Dank, dachte ich und kämpfte – und zwar irgendwann Trotz ihre eigenen Chefinnen sein wollten. Mutige Pionierinnen, nicht nur für mich und mein Weiterkommen sondern auch für das die als Dozentinnen ihr Wissen und ihre Erfahrungen weitergaben. Weiterkommen des journalistischen Nachwuchses mit Migrations- Migrantinnen, die gelernt hatten, wie man mit der Bürokratie, den hintergrund. Mit dem Verein „Neue Deutsche Medienmacher“, zu Behörden und dem Bankensystem hierzulande umgehen muss und deren Mitbegründerin ich gehöre, wollen wir Journalisten mit Mi- Es sind tatsächlich fleißige Frauen, mutige Pionierinnen diese Erfahrungen den Gründerinnen zur Verfügung stellten. Und jetzt, nachdem ich mich mit dem Verein, seiner Arbeit und seinen grationshintergrund genau das erreichen, was der Verein ISI e.V. schon seit über zwanzig Jahren erfolgreich praktiziert: Netzwerk und Migrantinnen, die viel geleistet haben und nach Mitgliedern näher beschäftigt habe, stelle ich fest, mein anfängli- und Think-Tank sein – Mentor und Motor bleiben. Das ist das Ge- ches Kopfkino ist der Realität sehr nah. genteil von „easy“ dafür aber umso wichtiger und wertvoller. wie vor leisten. Das ist nicht selbstverständlich und im Es sind tatsächlich fleißige Frauen, mutige Pionierinnen und Mig- Herzlichen Glückwunsch besten Sinne des Begriffes Engagement. Deswegen muss rantinnen, die viel geleistet haben und nach wie vor leisten. Das ist nicht selbstverständlich und im besten Sinne des Begriffes Enga- Ihre gleich am Anfang dieser Jubiläumsaugabe ein lautes und “ gement. Deswegen muss gleich am Anfang dieser Jubiläumsauga- Marjan Parvand be ein lautes und deutliches Kompliment ausgesprochen werden: deutliches Kompliment ausgesprochen werden: BRAVA! BRAVA! Wie oft wird Migrantinnen und Migranten von der Mehrheitsgesell- Marjan Parvand wurde 1970 in Teheran geboren. Sie ist Redakteurin bei ARD-Aktuell - dort in erster Linie mitverantwortlich für die schaft vorgeworfen, in der deutschen Gesellschaft nicht angekom- Tagesthemen. Parvand wuchs in den USA, Iran und Deutschland men zu sein; kein bürgerliches Engagement an den Tag zu legen; auf. Während ihres Studiums in Hamburg arbeitete sie u.a. für die sich zu wenig in ihrer neuen/ zweiten/ anderen Heimat einzubrin- „Hamburger Morgenpost“, später als freie Mitarbeiterin für das ZDF- gen? Vereine wie ISI e.V. beweisen das Gegenteil. Wer bereit ist, Morgenmagazin und als Redakteurin bei N24. Parvand hat 2008 „wochenlang die Seminarbank“ zu drücken, in der Freizeit „Pow- die“Neuen Deutschen Medienmacher“, eine Initiative für Journalisten mit erpointpräsentationen zusammenzustellen“, oder die telefonische Migrationshintergrund, mitgegründet.
6 20 Jahre ISI. e.V. - Die Entstehungsgeschichte 20 Jahre ISI. e.V. - Die Entstehungsgeschichte 7 Entstehungsgeschichte 20 Jahre ISI e.V. Interkulturelle Kompetenz erfolgreich einsetzen Heute leben in Berlin mehr als eine halbe Generation zu Hochschülern heranwuch- grantinnen gemacht hat. Diese drei Perso- Million Immigrantinnen aus allen Teilen der sen, hatten eine zündende Idee. An der nen waren verantwortlich für den bis dahin Welt. Die Zahl der Einwanderinnen steigt Technischen Universität Berlin organisierte einzigen Verein dieser Art in Deutschland, stetig. Migration gehört zum Zukunfts- Dr. Czarina Wilpert Ende der 1980er Jahre dessen Ziel „Selbstständigkeit“ und dessen ISI macht Mut und stärkt Immigrantinnen bild der Welt. Bedingt durch Umwelt oder eine Konferenz zu dem Thema „Frauen in Prinzip „Interkulturalität“ ist. in ihrer Identität und ihrem Selbstvertrau- Arbeitsmarktsituation: Menschen haben Internationaler Migration“. en, vermittelt ihnen das für die Existenz- schon in Urzeiten nach besseren Lebens- Die Teilnehmenden Wissenschaftlerinnen Vor Projektbeginn wurde mit etablierten gründung notwendige betriebswirtschaft- bedingungen gesucht und sind gewandert. gehörten zu den wichtigsten Köpfen“, Qualifizierungszentren für Existenzgrün- liche Wissen, führt sie zu einer realistischen Es ist natürlicher Strom, der auch in der Zu- wenn es um Frauen und Immigration im in- derinnen aus der Mehrheitsgesellschaft Selbsteinschätzung und unterstützt sie bei kunft nicht aufgehalten werden kann. In ternationalen Vergleich geht.. eine Bedarfsanalyse durchgeführt. Deren der Umsetzung ihrer Geschäftsideen oder im Deutschland haben Unternehmen vor 50 Zur gleichen Zeit arbeiteten zwei Studentin- Vertreter versicherten, dass sie nicht in der Hinblick auf einen anderen Berufsweg. Jahren Industriearbeiter gesucht, heute sind nen an einem Forschungsprojekt an der TU Lage gewesen wären, Immigrantinnen zu es Fachkräfte, die die Wirtschaft wegen des Berlin ebenso geleitet von Czarina Wilpert. betreuen. Auch wurde eine Untersuchung Das Ziel von I.S.I. e.V. ist die Fortbildung von Fachkräftemangels benötigt. Auch sie besuchten die Konferenz, die im durchgeführt, bei der 30 selbstständige Im- Immigrantinnen durch Immigrantinnen. Dabei hat Deutschland „seine“ Immigran- Auftrag der UNESCO durchgeführt wurde. migrantinnen verschiedenster Herkunft zu Sie sollen eine berufliche Selbständigkeit an- ten bereits im vergangenen Jahr gefeiert: Die beiden Hochschülerinnen Cidem Eren ihren Erfahrungen bei der Betreuung ihrer streben und somit frei von Abhängigkeiten Vor 50 Jahren begann der Zuzug von Ar- und Zekiye Sarypel fühlten sich inspiriert Unternehmensgründung befragt wurden. sein. Im Rahmen eines Bildungs- und Bera- beitskräften vor allem aus Italien, der Tür- von den Praxisbeispielen aus England und Diese Ergebnisse flossen in das Konzept ein. tungszentrums ermutigt I.S.I. e.V., Immigran- kei, aus Griechenland und anderen südeu- Frankreich, die aus der Praxis von Vertrete- Cidem-Eren Demirel hatte federführend tinnen zum Schritt in die Selbständigkeit und ropäischen Ländern. „Immigration wegen rinnen aus beiden Ländern veranschaulicht eine Grundlage für das erste Curriculum unterstützt sie bei ihrem Vorhaben, welches Arbeitskräftemangel“ schreibt also Ge- wurde. In England gab es die „Women´s entwickelt. – im Falle einer Existenzgründung – auch Ar- schichte in der Bundesrepublik. Enterprise Development Agency“, die in Noch heute schreibt sie Lehrpläne für beitsplätze schafft. Das schafft auch neue Herausforderungen Birmingham schon einige Jahre erfolgreich Deutsch und Wirtschaft an einer der größ- für die Arbeitswelt, denen wir auch bereits im Bereich der Selbständigkeit von Immig- ten Handelsschulen bundesweit. Besonders und stärkt Immigrantinnen in ihrer Identität in der Vergangenheit begegnet sind. Nach rantinnen tätig war. auffällig bei ihrer Untersuchung war die und ihrem Selbstvertrauen, vermittelt ihnen der politischen Wende in Ostereuropa hat Inspiriert von diesen Ansatz wollten die häufig anzutreffende Diskrepanz zwischen das für die Existenzgründung notwendige sich für viele schon lange in Deutschland zwei Töchter der Gastarbeiter-Generation, den Qualifikationen, Fähigkeiten und Er- betriebswirtschaftliche Wissen, führt sie zu lebenden Immigranten ebenso wie für ihre deren Eltern zu den Industriearbeitern ge- fahrungen der Immigrantinnen und ihren einer realistischen Selbsteinschätzung und Kinder und Enkelkinder die Situation auf hörten, die Idee in Berlin umsetzen . Die geringen Chance auf dem Arbeitsmarkt. unterstützt sie bei der Umsetzung ihrer Ge- dem Arbeitsmarkt verschärft. Die Erwerbs- beiden waren überzeugt von dem Können, Häufig wurden ihre Berufsbezeichnungen schäftsideen oder im Hinblick auf einen an- losigkeit von Zuwanderinnen hat damals Talenten und Fähigkeiten ihrer eigene Müt- und ihre Berufserfahrungen aus dem Her- deren Berufsweg. um 200 Prozent zugenommen. Gleichzeitig ter sowie ihrer Generationsgenossinnen. . kunftsland nicht anerkannt. hat seit Mitte der 1980er Jahre die Zahl der Sie wollten, dass die Fähigkeiten von ein- Ausbildungsplätze abgenommen. gewanderten Frauen weiter zur Geltung Der damalige rot-grüne Senat in West-Ber- Hinzu kommt, dass viele Immigrantinnen, kommen und Anerkennung finden sollten. lin begrüßte und förderte dieses Vorhaben. zugewanderte Ehefrauen, Frauen der 2. Dr. Czarina Wilpert unterstützte die beiden Im Jahr 1990 bekam I.S.I. e.V. für sein erstes und 3. Generationen, in den vergangenen Initiatorinnen bei ihrem Vorhaben und ge- Projekt, „Existenzgründungen für Immig- Jahren noch nicht genügend Chancen hat- meinsam wurde ISI e.V. gegründet. rantinnen“ (EfI), Unterstützung. ten, eine regelmäßige Beschäftigung zu Es wurde noch weiterer Beistand geholt für finden. Dadurch waren auch die Möglich- den Aufbau ihres Vereines: Salehi, damals Nun konnte es losgehen: Die Teilnehmerin- keiten auf Maßnahmen vom Arbeitsamt ge- Studentin, heute Dozentin für Informati- nen brachten soziale und kulturelle Fähig- ring. Das bedeutete aber auch, dass Frauen onstechnologie bei I.S.I. e.V. Sie ist das „Ur- keiten mit, die sie nach gezielter Qualifi- mit Migrationshintergrund ein sehr hetero- gestein“ der festen Mitarbeiter und unver- zierung einsetzen konnten. Nachdem sie genes Muster gezeigt haben. Die Töchter zichtbar durch die Erfahrung, die sie in den betriebswirtschaftliches Know-how erwor- der „Gastarbeiter“, die bereits in zweiter vergangenen 20 Jahren bei Arbeit mit Immi- ben und praktische Erfahrungen in Markt-
8 20 Jahre ISI. e.V. - Die Entstehungsgeschichte Die Teilnehmerinnen 9 Die Teilnehmerinnen Die Liste der Herkunftsländer ist lang. So vielfältig die Herkunft der metscherinnen. Ein Drittel (33 Prozent) wurden fest angestellt, zehn Frauen, so unterschiedlich ist auch ihr Alter. In der kulturellen und Prozent machen eine Berufsausbildung. Dank der Qualifizierung bei biografischen Unterschiedlichkeit der Teilnehmerinnen liegt nicht ISI e.V. hat der größte Anteil der Migrantinnen den Sprung in die nur eine Chance, Neues voneinander zu lernen; sie schafft vor al- Selbständigkeit bzw. ins Berufsleben geschafft. lem Offenheit, Respekt und Solidarität zwischen den Frauen. Bei den Gründungen handelt es sich meist um kleinere Betriebe, wo- Bei der Betreuung der E.f.I.- Teilnehmerinnen sowie der anderen Kli- bei die Geschäftsbereiche sehr unterschiedlich sind. Cafés, Textillä- enten von I.S.I. e.V. die konkreten Lebensbedingungen der Frauen den, Schneidereien, Lebensmittelläden, ein Blumengeschäft, eine analysiert, um das Risiko einer Existenzgründung realistisch einzu- Druckerei, eine Naturheilpraxis, ein Kosmetiksalon, eine Software- schätzen. Im Verbund mit weiteren Projekten und Organisationen Firma und viele andere kleine Unternehmen sind entstanden. Die setzt sich der Verein ein, um weitere Programme und Initiativen zu Schwierigkeiten, mit denen Immigrantinnen konfrontiert sind, die stärken. als Selbstständige arbeiten wollen, haben sich in den vergangenen 20 Jahren nicht viel verändert. Nach wie vor müssen sie viele Barri- Die Lehre aus I.S.I. für den politischen eren überwinden, wie zum Beispiel: Willensbildungsprozess • Die Anerkennung ihrer im Herkunftsland • Vorhandenen Ressourcen nutzen I.S.I. Teilnehmerinnen beim Seminar gesammelten Abschlüsse und Berufserfahrungen • Notwendig Stützmaßnahmen • rechtliche Bestimmungen • Zugang zu Mikrokrediten für Immigrantinnen analysen, Organisation und Marketing ge- dingungen für Selbstständige und kleine Im Laufe der 20-jährigen Praxis hat I.S.I. e.V. macht hatten, waren sie in der Lage, eine Unternehmen. Damals waren der Anteil an die Veränderungen in der Geschäfts- und • mangelnde Erfahrung vieler Immigrantinnen im Selbstständigkeit zu wagen. Besonders auf- Selbständigen im Vergleich zu andere Län- Arbeitswelt stetig beobachtet und analy- Umgang mit deutschen Behörden und Institutionen • Begleitung der ersten drei Jahre nach der fällig war, dass die Teilnehmerinnen in The- der relative klein. Und in Deutschland war siert und das eigene Angebot zeitgemäß Existenzgründung orie und Persönlichkeitsentwicklung große es im Vergleich zu anderen europäischen gestaltet. Die Lehr- und Beratungstätigkeit • Diskriminierung und Vorurteile seitens (potenzieller) Schritte machten. Das lag auch an den Do- Staaten für Einwanderer schwieriger sich gründet sich auf die neuesten Ansätze. Auftraggeber und Arbeitgeber sowie des sozialen • Integration von Existenzgründung in einen zentinnen, Projektleiterinnen und Beraterin- selbstständig zu machen und eine kleine Vernetzung und Kooperation sind zu einem Umfeldes Gesamtansatz der Entwicklung der Lokalökonomie nen - alle hatten eine Migrationsgeschichte. Firma zu gründen. essentiellen Teil der Arbeit geworden. Heu- (Urban Renaissance – OECD) Sie können auch heute noch die Teilneh- Ein Gesetz erlaubte den Immigrantinnen te feiert der Verein sein über 20-jähriges • eine oft geringe Unterstützung durch den (Ehe-) merinnen der Qualifizierungsmaßnahmen erst nach achtjährigem Aufenthalt eine Bestehen mit Selbstbewusstsein, Kreativität, Partners und ein unzureichendes soziales Netz für • Aufwertung vorhandener Vielfalt in Bezirken mit und die Klientinnen der Beratungsstelle selbstständige Tätigkeit aufzunehmen. Eine Respekt und Toleranz. 2010 wurde ISI sogar dank ihrer Integrationserfahrung besser un- übliche Zwischenlösung war, einheimische mit dem Innovationspreis Berlin-Branden- Einwandererfamilien hohem Anteil an Menschen verschiedener Herkunft terstützen und stellen als Fachfrauen auch Strohmänner zu bezahlen, um ein Geschäft burg ausgezeichnet. Modelle der Selbstständigkeit dar. Die Frau- zu gründen und zu führen. Heute ist die • die Beschaffung des Startkapitals durch Kreditun- • Eine Veränderung des Bildes von Immigrantinnen en fühlen sich angenommen, anerkannt Gründung einer selbstständigen Arbeit mit Wir wünschen weiterhin viel Erfolg und würdigkeit und Migration in der Gesellschaft und akzeptiert. Sie beenden den Gründer- weniger juristischen Barrieren verbunden beste Jahre für I.S.I. e.V. Die Gründerinnen kurs selbstbewusst, fachlich informierter und der Anteil an selbständigen Immigran- sind auch heute noch aktiv und innovativ und mutiger als zuvor. tinnen steigt in Rekordhöhe. mit neuen Ideen dabei. Von den Teilnehmerinnen haben sich dennoch mehr als 22 Pro- Dabei ist „Motivation“ oft ein Schlüssel zent selbstständig gemacht, darunter in der Textil- und Lebens- Es gab große Unterschiede zwischen zum Erfolg gewesen. Das jedenfalls berich- mittelbranche, in der Gastronomie, im Import-Export-Handel, mit Deutschland und anderen europäischen ten die meisten Migrantinnen, die einen Dienstleistungen, im Bildungsbereich u.a. Fünf Prozent davon sind und außereuropäischen Länder bei den Be- Lehrgang bei I.S.I. gemacht haben. freiberuflich tätig, darunter Journalistinnen, Künstlerinnen und Dol-
10 Enhbold Neuhaus - Kaschmir und mehr Enhbold Neuhaus - Kaschmir und mehr 11 Aus der Praxis – Enhbold Neuhaus- Kashmir und mehr Immigrantinnen nehmen ihre Zukunft in die eigene Hand ISI motiviert, befördert und bildet aus „ Unsere damalige Truppe war schon sehr vielseitig. Ich mochte die Atmosphäre bei ISI sehr. Ich habe auch viele Freunde in dieser Zeit gewonnen. Das besondere an der Geschäftsidee von Enhbold Neuhaus ist die Produktion für Bekleidung aus Naturstoffen - direkt aus der Mongolei. Die kalten Wintertage in der Region haben die Menschen in der Mongolei schon immer dazu gezwungen, Geburt ihrer Tochter verschiebt sich die Um- setzung ihres Vorhabens. Insgesamt hat es rund zehn Jahre gedauert, bis Enhbold ihr Konzept realisiert. 2008 startet sie den Exis- tenzgründerkurs bei der ISI. Im Jahre 2009 schreibt sie ihr erstes Konzept und setzt die- “ festgestellt, dass in Deutschland die Nachfrage nach Bekleidung aus der Mongolei groß ist.“ Enhbold arbeitet mit Kaschmir, Kamelhaar wärmende Kleider zu entwickeln und her- ses auch in die Praxis um. Mit einer Gruppe und Yakwolle. Die Tiere, die in der Mongo- zustellen. Darin sind die Mongolen Profis. von Frauen verschiedenster Herkunft be- lei in einer unberührten Natur leben, liefern Und deshalb beginnt Enhbolds Geschichte ginnt die Planung in ihre Geschäftsidee. Bei einmalige Qualitätsprodukte. Die meisten in der Mongolei. Dort lernt sie ihren deut- ISI hatte Enhbold die Möglichkeit, ihre ers- Käufer in Deutschland sind Frauen und schen Lebenspartner kennen, der beruflich ten Schritte zu planen und sämtliche Fragen Männer ab 30 Jahren aus dem Bürgertum. in ihrer Heimat zu tun hat und durch Zufall mit den Dozenten zu klären. Meist Akademiker sowie Intellektuelle, der die Bekanntschaft mit der jungen Mongolin die Herkunft der Ware wichtig ist und der macht. Die beiden verlieben sich ineinander „Unsere damalige Truppe war Gefallen an „Made in Mongolei“ finden. und heiraten nach mongolischem Brauch. Dabei orientiert sich Enhbold an den Top Ihr Mann musste traditionell ihrem Vater schon sehr vielseitig. Ich mochte Sellern, den erfolgreichsten Verkäufen ihrer um ihre Hand anhalten. Mit 30 Jahren zieht die Atmosphäre bei ISI sehr. Ich Kollektion. Für die kommenden Jahre er- Enhbold zu ihrem Mann nach Deutschland. habe auch viele Freunde in die- weitert sie ihre Verkaufsstände und will auf Sie bekommen eine gemeinsame Tochter. Weihnachtsmärkten und Messen vertreten Gerne erinnert sie sich an die Zeit in ihrer ser Zeit gewonnen.“ sein. Auch ihr Online-Shop spricht sich he- Heimat zurück. Die schöne Landschaft mit rum. Die Nachfrage nach Naturprodukten den vielen Nutztieren, die den Mongolen Enhbold fühlt sich motiviert von den Frau- aus der Mongolei steigt.. sehr wichtig sind. en, die alle in einer ähnlichen Ausgangssitu- ation sind. Nach dem 12-monatigen Kursus „Ich spüre die Sehnsucht der In Deutschland angekommen, bekommt sie von 12 Monaten fühlt sie sich gestärkt und ein paar Gelegenheiten, verschiedene Jobs sicher, um die ersten Versuche zu starten. In Deutschen aus der Großstadt zu machen. Sie lehrt Mongolisch, sucht der Mongolei beauftragt sie ihre Schwester, und versuche durch meine Pro- aber ständig nach neuen Alternativen, um die Produktion durchzuführen. Ein Gefühl sich beruflich in Europa zurechtzufinden. dafür, was die Europäer tragen wollen, be- dukte, den Menschen die Natur Auf dem freien Arbeitsmarkt findet sie sich kommt sie durch ihre ersten Verkaufsstän- näher zu bringen.“ nicht zurecht, deshalb beschließt sie, sich de. An zwei Orten in Berlin, dem Kunst- selbstständig zu machen. Ihre Idee: Textilien markt im Berliner Bezirk Tiergarten und in Wer mehr erfahren möchte über die Pro- aus der Mongolei nach Deutschland einzu- den Hackischen Höfen kann man heute En- dukte von Enhbold, kann sich auf der Web- führen. hbolds Produkte aus der Mongolei kaufen. seite www.kashmir-und-mehr.de umsehen Die Webwaren aus der Mongolei sind be- Auf den Märkten mietet sie sich dreimal und informieren. Ich selber habe nach mei- kannt als qualitativ hochwertige und wär- wöchentlich einen Stand und verkauft dort nem Besuch ein paar Kamelhaarsocken ge- mende Kleidung. Mit edlen Materialien aus ihre Waren. schenkt bekommen und war erstaunt wie Kaschmir, Kamelhaar und Yakwolle zaubert warm die Socken halten. Prädikat: Absolut sie gemeinsam mit ihrer Schwester eine „In der Mongolei wissen wir, empfehlenswert! Kollektion. Die Nachfrage in ihrem Bekann- tenkreis bestärkt ihr Vorhaben. Doch die wie man sich vor Kälte schützt. ersten Schritte sind nicht einfach. Durch die Ich habe mich umgehört und www.kashmir-und-mehr.de
12 Iman Ibrahim- Deurabika Diversity Management Consulting Telli Birdal- Leckerei, die Bäckerei 13 Iman Ibrahim- Deurabika Diversity Management Consulting Vor genau fünf Jahren eröffnet Iman Ibra- 2004 zieht sie nach Deutschland zu ihrem Das Büro von Deurabika liegt im Osten Ber- him gemeinsam mit ihrem Mann M.Ibrahim Ehemann, dem Ingenieur M. Ibrahim, der lins, in Karlhorst. Neben Deurabika hat das das Unternehmen Deurabika, eine Diversitiy heute als Unternehmensberater, Spezia- Paar auch einen Verein sowie ein Institut für Management Consulting Firma. list für Changemanagement und als Wirt- „Deutsche-Arabische Wirtschaftswissen- Deurabika bietet Existenzgründerseminare schaftsdozent arbeitet. Er gilt als Experte für schaftliche Beziehungen“ gegründet. an und hat sich spezialisiert auf den Aus- deutsch–arabische Wirtschaftsbeziehungen bau kultureller und wirtschaftlicher Brü- und ist Mentor und Trainer. „Wir haben viele Anfragen aus cken zwischen arabischen Ländern und Heute lebt er seit 36 Jahren in Deutschland. dem arabischen Raum für Ge- Deutschland. Teilgefördert und finanziert Damals kam er als Student mit einem Sti- wird das Projekt von der EU. Seither orga- pendium nach Ostdeutschland. schäftsideen. Die Bürokratie er- nisiert Iman die Verwaltung und führt die Angekommen in der neuen Heimat ih- schwert uns allerdings eine Buchführung im Betrieb. Gelernt hat sie das res Mannes lernt Iman Ibrahim zunächst bei ISI. Danach ging es für sie sofort los mit Deutsch, macht anschließend einen Com- schnelle Abwicklung unserer der Gründung. Iman ist in Amman geboren: puterkurs und kommt schließlich auf zu Interessen. Wir müssen mit Die Hauptstadt Jordaniens ist bekannt für ISI e.V. Ein neues Kapitel beginnt in Imans viel Geduld und Ausdauer ar- ein friedliches Nebeneinander von Christen Leben. Bereits im darauf folgendem Jahr er- und Muslimen. Die heutige Finanzmetro- öffnet sie gemeinsam mit ihrem Mann Deu- beiten.“ pole Amman entwickelte sich erst nach der rabika, ihre deutsch-arabische Consulting Das Unternehmen macht jeden Tag Fort- Staatsgründung Israels zu einer Großstadt. Firma. „Wir wollen Kompass und Begleiter schritte. Deurabika vermittelt auch bei Das war die Folge der Flüchtlingsströme aus für deutsche und arabische Geschäftsleute kulturellen Fragen. Arabische Abende und dem Westjordanland. Ihre Kindheit und Ju- auf ihrem Weg über die deutsch-arabische Kurse sorgen für eine gemeinsame Vision. gend verbringt Iman Ibrahim dort. Im Jahre Brücke sein.“ Iman Ibrahim Telli Birdal » Wer sich selbst und andere kennt, Wird auch hier erkennen: Telli Birdal- Orient und Okzident Sind nicht mehr zu trennen. Leckerei, die Bäckerei Sinnig zwischen beiden Welten, Eigentlich sollte Telli in der Türkei studieren „Es hat mir damals viel Spaß „Ich habe ein deutsches Traditi- Sich zu wiegen, laß ich gelten; und Akademikerin werden, so die Vorstel- lung ihres Vaters. Aber die Unruhen im Jah- gemacht bei ISI. Es war eine onsgeschäft übernommen. Am Also zwischen Ost und Westen schöne Zeit, die ich sehr genos- Anfang waren die Stammkund- « re 1970 in der Türkei führen den Vater nach Sich bewegen, sei‘s zum besten. Deutschland. Mit 14 Jahren kommt auch Telli nach Deutschland und besuchte die sen habe. Wir Frauen standen en misstrauisch, als sie hinter Johann Wolfgang von Goethe Eingliederungsklasse auf einer Realschule. alle im Austausch und konnten der Theke eine Frau mit Kopf- Mit 17 Jahren lernt sie ihren Mann kennen. Sie heiraten und es folgen zwei Kinder. Fünf uns gemeinsam stärken.“ tuch sahen.“ Jahre lang lebt und arbeitet Telli als Haus- Telli Birdal gehört heute zu einer Unter- Telli lässt sich nicht einschüchtern und ver- frau und Mutter - bis sie anfängt, in einer nehmerfamilie. Sie hat noch weitere fünf wöhnt ihre Kunden mit bester Qualität und Bekleidungsfabrik zu arbeiten. Dann be- Geschwister, die sich alle in Deutschland sehr gutem Service. Das Sortiment hat sie schließt sie mit ihrem Mann im Jahre 1992 selbstständig gemacht haben. Insgesamt aufgestockt. Bei ihr bekommen die Kunden einen Obst- und Gemüseladen zu eröffnen. besitzt die Familie zwei Gemüseläden, eine auch frische türkische Teigwaren. Besonders Lange zehn Jahre arbeitet das Ehepaar ehr- Apotheke und zwei Bäckereien. Eine der die deutsche Kundschaft kauft gerne bei ihr geizig in ihrem eigenen Geschäft. Dann Bäckereien gehört heute Telli - die Bäckerei Selbstgemachtes aus der Türkei. Aber auch muss ihr Mann aus gesundheitlichen Grün- „Leckerei!“ die deutschen Backspezialitäten werden in den den Obst- und Gemüseladen schließen. Mit viel Herzblut und professionellem Ge- allerbester Qualität angeboten. Die Türkei Es folgt ein Cafe im Bezirk Schöneberg. An schick führt die Unternehmerin heute ihre vermisst Telli kaum. Ihren Lebensmittel- Praxiserfahrung hat es der jungen Mutter Bäckerei. punkt hat sie längst in Deutschland. nicht gefehlt, als sie zu ISI kam, um auch das kaufmännische Knowhow für die Füh- rung eines Betriebes zu lernen.
14 Slavica Brankovic – Heilpraktikerin Mirela Hassan – Plusclean Gebäudereinigung 15 beschäftige ich mich ständig mit torei ausgeholfen und als Reinigungskraft gearbeitet. Damals hat sie unter den Dum- neuen Therapien.“ ping-Löhnen sehr gelitten. Im vergangenen Heute hält Slavica sogar Vorträge über neue Jahr beschloss sie mit Hilfe ihres Sohnes, ein Methoden aus der naturheilkundlichen eigenes Reinigungsunternehmen zu grün- Medizin. Ihre Patienten kommen fast aus- den: Plusclean-Gebäudereinigung e.K. schließlich auf Empfehlung in Slavicas Pra- Während dieser Zeit bemerkt sie, dass auch xis. Werbung macht sie keine. ihre einige ihrer Auftraggeber die Tariflöhne Dabei hatte es Slavica anfangs in Deutsch- nicht beachten. Noch hat Mirela keine An- land nicht immer einfach. So durfte sie in gestellten, doch über ISI hat sie in Erfahrung den ersten vier Jahren als Migrantin nicht gebracht, dass die Arbeitnehmer Rechte ha- arbeiten. Auch wurden ihre serbischen ben, die es zu beachten und zu schützen Qualifikationen nicht anerkannt. Auch heu- gilt. te muss Slavica mit Hürden kämpfen. So ist „Erst bei ISI habe ich erfahren, der Beruf des Heilpraktikers nicht so ange- sehen wie der eines studierten Mediziners. dass es einen Mindestlohn gibt. Sie ist jedoch fest davon überzeugt, dass die Bei mir betrug der Stundenlohn Heilpraktiker-Therapien bei vielen Krankhei- ten oft eine Heilungsalternative zu schul- in der Regel weit unter sieben medizinischen Methoden bieten. Beispiele Euro.“ aus der Praxis bestärken sie immer wieder. Genau das möchte Mirela in ihrem Unter- „Obwohl es wissenschaftliche nehmen verhindern. Bei der Kundenrecher- Erkenntnisse über erfolgreiche che wird ihr klar, dass die Reinigungskräfte Mirela Hassan in Deutschland finanziell betrogen werden. Heilpraktiker-Therapien gibt, Sie hält sich an die Regeln und will ihr Per- versucht die Pharmaindustrie sonal schützen. Als Reinigungskraft hat sich die engagierte Mutter professionell aus- alles, um uns an unserer Arbeit bilden lassen und kennt sich mit den Vor- zu hindern. Heilpraktiker arbei- ten eher mit Naturprodukten wie Mirela Hassan – schriften und Methoden in der Branche aus. Sie hat legt Wert darauf, seriös und qualita- tiv hochwertig zu arbeiten und ihre Kunden Tees und einer ausgewogenen Er- Plusclean Gebäudereinigung dauerhaft zu binden. Ihr Sohn Amir möchte als Abiturient jetzt ein Studium beginnen. nährung.“ Der rumänisch, arabisch, deutsch, englisch Slavica Brankovic Wie viele der ISI-Teilnehmerinnen, hat auch Bei ISI hat Slavica viel gelernt, um alle Kon- Mirela Hassan einen langen Atem bewiesen und französisch sprechende Sohn hilft sei- flikte und Probleme auf ihrem weg in die und nie aufgegeben, etwas auf die Beine ner Mutter regelmäßig bei ihren Vorhaben. Seine Aufgaben sind die Akquise und das Slavica Brankovic - Selbstständigkeit zu lösen. Auch die kauf- männischen Kurse halfen ihr sehr. Beson- ders der EDV-Kurs war für sie der erste zu stellen. Immer wieder war sie in ihrem Leben mit wechselnden kulturellen oder sozialen Be- Verhandeln mit Auftraggebern. Innerhalb weniger Monate haben sie bereits sechs Pri- vatkunden gefunden, für die sie arbeiten. Heilpraktikerin Schritt zu einem professionellen Interne- tauftritt. „Die Kunden fragen schon nach dingungen konfrontiert. Geboren in Rüma- nien, verheiratet mit einem Iraker, versuchte Die beiden haben viele Konkurrenten, doch einer Internetseite“, sagt sie. Und bald ist das junge Paar in eine gemeinsam Zukunft Mirela hat keine Ängste vor einem Schei- Früher in Serbien hat Slavica eine Ausbil- sie, dass sie sich beruflich neu orientieren sie jetzt auch online zu finden. zu blicken. Doch ihr Ehemann hatte nur für tern. dung zur Maschinentechnikerin gemacht, möchte. Sie interessiert sich für Alternativen die Studienzeit eine Aufenthaltsberechti- obwohl sie sich immer sehr für die Medizin zur Schulmedizin. Besonders die Arbeit der „Ich habe bei ISI gelernt, meine gung in Rumänien bekommen. Sie muss- interessiert hatte. Ein Medizinstudium schei- Heilpraktiker beeindruckt sie. Durch Zufall ten das Land verlassen. Damals war Mirela Ängste abzubauen und einfach terte an ihrem Notendurchschnitt. Über Al- lernt sie jemanden kennen, der sich mit ternativen hatte sie sich damals kaum infor- Pflanzen und Augenheilkunde beschäftigt. 22 Jahre alt und Abiturientin, als die jung eine Idee umzusetzen.“ gegründete Familie beschloss, in den Irak miert. Als Maschinentechnikerin wollte sie Slavica wird klar, dass sie eine Ausbildung auszuwandern. Doch die Entscheidung „Plusclean – das Reinigungsunternehmen“ nicht arbeiten, also machte sie eine zweite zur Naturheilkundetherapeutin machen will. fühlte sich für Mirela „nicht richtig an“. Sie möchte seine Neukunden durch eine Probe- Ausbildung als Friseurin. Danach lernte sie Mit viel Geduld und Fleiß bekommt sie eine beschlossen, nach Deutschland auszuwan- reinigung überzeugen. ihren Mann kennen. Das war vor unge- Chance, eine solche Ausbildung zu absol- dern. Mirelas Vision ist ganz klar. Das Unterneh- fähr 20 Jahren. Ihr Mann lebte bereits in vieren. Mit großer Leidenschaft wird sie men braucht Großkunden, um zu wachsen. Deutschland und arbeitete als Goldverzierer. Heilpraktikerin. „Ich habe in Deutschland schon Ein Lagerraum, weitere Auftraggeber und Er vergoldete Kirchen und Hausfassaden. „Bis dahin war Unterricht für viele Jobs gemacht.“ ein Büro sind in Planung. Mirela erzählt Damals, nach der Wende, gab es sehr viel zum Ende des Interviews, dass sie noch kei- Arbeit für ihn. mich immer ein Alptraum. Heute Eine Ausbildung zur Kosmetikerin hat sie in ne deutschen Kollegen als Reinigungskraft Deutschland erfolgreich abgeschlossen. Um kennengelernt hat. Die meisten stammen In Deutschland angekommen, bekommt weiß ich, dass ich einfach nur für die mittlerweile vierköpfige Familie Geld aus der Türkei oder aus den Ostblocklän- Slavica eine Tochter. In dieser Zeit bemerkt das Falsche gelernt habe. Jetzt zu verdienen, hat sie auch in einer Kondi- dern. Das habe sie nie verstanden, sagt sie.
16 Vida Jamalnik- Taxiunternehmen M&S GmbH Tatjana Kühnemann – Schmuckladen Galerie Silberstein 17 Vida Jamalnik- Taxiunternehmen M&S GmbH „ Am meisten habe ich aber gelernt, mir wieder selbst zu vertrauen und Mut zu fassen. Vida Jamalnik wurde im Iran geboren und hat an der Universität in Teheran Betriebs- wirtschaftslehre studiert. Im Jahre 1996 beschließt Vida mit ihrem Mann nach Deutschland auszuwandern. Doch welche Perspektive würde sie hier erwarten? Bei der Einreise stellt sie fest, dass Ihr Studie- nabschluss in Deutschland nicht anerkannt wird. Genau eine Woche nach ihrer An- det und Vida steht mit ihrem neuen Wis- sen zunächst weiter vor einer ungewissen Zukunft. Sie beschließt, bei der Fast-Food- Kette McDonald´s zu arbeiten. Ihre Idee, ein Taxiunternehmen zu gründen, schiebt sie vor sich hin. Nach zwei Jahren wird Vida schwanger. Die Familienplanung hat sie dann zunächst wieder an ihrem Ziel, sich selbstständig zu machen, gehindert. Die “ stützt sie, wo er kann. Ein perfektes Team. Sie startet mit zwei Taxis. Nach einem Jahr kommt ein Partner hinzu und weitere Ta- xis bereichern die neu gegründete GmbH. Heute besitzt Vida 15 Wagen. Bis Ende des Jahres sollen weitere 15 Taxis finanziert werden. Die Unternehmensgründung hat sich nach neun Jahren endlich wirtschaftlich gerechnet. Tatjana Kühnemann kunft in Deutschland besucht sie bereits ersten drei Jahre kümmert sie sich fürsorg- einen Deutschkurs. Damals ist Vida 27 Jah- re alt und ihr Mann beginnt als Taxifahrer lich um das Wohl ihrer Familie. Ihr Ehemann bleibt Alleinversorger. Als das Kind drei Jahre alt ist, fühlt sich die „Wir haben uns aber mit viel Geduld und Arbeit durchge- Tatjana Kühnemann – zu arbeiten. Nach einem Jahr bekommt sie die Möglichkeit, eine Weiterbildung als junge Mutter wieder stark für Herausforde- kämpft. Es gibt viele Dinge, die Schmuckladen Galerie Silberstein Webdesignerin zu beginnen. Auch hier in- rungen und beschließt nun, ihr Unterneh- wir beachten müssen. Hier ein vestiert sie zwei Jahre. Doch einen Platz auf men zu gründen. Unfall, da ein paar Strafzettel dem freien Arbeitsmarkt findet sie nicht. Ihr Nachdem sie auch die letzte Hürde bei der Eigentlich hat Tatjana Journalismus in Weiß- Das gab ihr die Gelegenheit, die Struktu- Bei ISI hat sie dann 2005 einen Existenz- Mann schlägt ihr vor, sich mit einem Taxi- IHK absolviert hatte, steht der Unterneh- und schon stehen wir fast bis russland studiert, um eines Tages in einer ren Deutschlands besser kennen zu lernen. gründerkurs gestartet. Nach einigen be- unternehmen selbstständig zu machen. mensgründung nichts ihr nichts mehr im zum Hals im Wasser. Aber den- Redaktion in Minsk zu arbeiten. Doch dann 1998 wurde überraschenderweise ihr Jour- ruflichen Höhen und Tiefen beschließt sie Doch die Bürokratie erschwert ihr dieses Wege. Das Taxigewerbe als Einzelunter- kam alles anders. Als sie studierte, begeg- nalismusstudium in Deutschland anerkannt. schließlich, sich endgültig selbstständig zu Vorhaben. Von einer Freundin hört sie vom nehmerin gründet sie am 06.04.2010. Ihr noch, wir halten durch und ex- nete sie ihrem Mann aus Deutschland. Nach Das Jurastudium hat sie allerdings frühzei- machen. Die theoretischen Grundlagen be- Verein I.S.I., Initiative Selbständiger Frauen. Ehemann steht ihr stets zur Seite und unter- pandieren weiter.“ der Hochzeit war klar, dass sich Tatjana für tig abgebrochen. Nach einer Weiterbildung kommt sie bei ISI vermittelt. Sie beschließt, ein Jahr lang einen Existenz- ein Land entscheiden musste. Sie zog in die zur Onlineredakteurin ging es dann bergauf gründerkurs zu besuchen. Heimat ihres Mannes. So kam Tatjana nach beruflich. „Es ist super, wie engagiert sich Bei ISI lernt sie nicht nur etwas über Exis- Deutschland. Geboren wurde Tatjana 1965 Sie hatte ihre erste feste Stelle als Nachrich- um die einzelnen Geschäftsideen tenzgründungen, sondern sie schafft es in Minsk, der Hauptstadt Weißrusslands, tenjournalistin. Die Agentur zog allerdings auch, mit gleichgesinnten Frauen, Mut und das von Alexander Lukaschenko seit 1994 nach zwei Jahren nach Frankfurt. Dann gekümmert wird. Ich habe es sehr Selbstbewusstsein zu entwickeln. regiert wird. Westliche Beobachter bezeich- versuchte sich Tatjana als freie Redakteurin genossen, professionell betreut zu nen das Land häufig als „Letzte Diktatur durchzukämpfen. „Ich habe viel über Buchhal- Europas“. werden. Das Gute am ISI-Konzept tung, Planung und Analyse ge- Tatjana erzählt ein wenig über die Stim- „Es war schwierig, Aufträge zu ist, dass Akademiker getrennt be- lernt. Am Wichtigsten war aber mung in ihrem Land, bevor wir über ihre recherchieren. Mal hatte ich treut werden. Das hat den Vorteil, Ankunft in Deutschland sprechen. Am An- zu lernen, mir wieder mir zu fang war für sie alles neu und ungewöhn- Glück, aber die meiste Zeit dass ich schneller vorangekommen vertrauen und Mut zu fassen. lich. Sie lernte innerhalb kurzer Zeit auf der musste ich auf regelmäßige Ein- bin“. Volkshochschule die deutsche Sprache. Bei ISI habe ich mich gut auf- nahmen hoffen“. 2009 realisiert Tatjana ihre Geschäftsidee „Zu Beginn war es sehr schwer für gehoben gefühlt. Besonders die Tatjana suchte nach einer neuen Lösung. und eröffnet einen Schmuckladen. Ab und mich in Deutschland. Ich musste Tatjanas Eltern brachten sie auf eine neue zu arbeitet sie noch nebenberuflich als internationale Mischung sowie Idee. Sie sind Mineralogen und haben dort Journalistin – solange, bis der neue Betrieb lernen, mich anzupassen.“ die gemeinsame Situation in einen Vertrieb für Schmucksteine. In Weiß- genug Gewinn abwirft. Bereits jetzt zeigen Wie alle anderen Teilnehmerinnen bei ISI russland tragen Frauen gerne Echtstein- einige andere Unternehmen Interesse für Deutschland als Migrantin ha- bemüht sie sich sehr, in einer neuen Heimat Schmuck. Tatjana hatte deshalb die Idee, Tanjas Schmuck. Sie will weiter am Aus- ben mich motiviert.“ anzukommen. Nachdem sie erfolgreich ihre in Berlin einen Schmuckladen zu eröffnen. bau des Vertriebes arbeiten und demnächst Sprachprüfungen beim Goethe Institut ab- Den Umgang mit Schmuck lernte sie von einen Onlineshop eröffnen. Nach einem Jahr ist der Kurs bei ISI been- ihren Eltern bereits als Kind kennen. solviert hatte, ergaben sich neue Möglichkei- ten und Ideen. Sie begann ein Jurastudium. Vida Jamalnik
18 Wir gratulieren zu 20 Jahren Erfolgsgeschichte Wir gratulieren zu 20 Jahren Erfolgsgeschichte 19 Im Gespräch mit den Gründerinnen Wir gratulieren zu 20 Jahren Cigdem Eren-Demirel ist in der Türkei geboren und lebt seit ihrer frühesten Kind- heit in Berlin. Sie ist als Lehrerin an Kauf- Erfolgsgeschichte männischen Berufsbildenden Schulen tätig. Frau Eren-Demirel ist Mitgründerin von ISI e.V. und von Anfang an als Mitglied des Vorstandes aktiv. Die Leitmotive Ihres En- Wir gratulieren Dr. Czarina Wilpert, gagements für ISI e.V. sind: Verhältnisse mitgestalten, Dinge in Bewegung setzen, Cidem-Eren Demirel und Elaheh Salehi die Situation von Immigrantinnen verbes- sern und die Überzeugung, dass für eine selbstständige Lebensführung eine beruf- liche und wirtschaftliche Unabhängigkeit Voraussetzung ist. Dr. Czarina Wilpert, geboren in Los An- geles, Kalifornien (USA), ist mexikanisch- amerikanischer Herkunft. Seit 30 Jahren lebt sie in Berlin, wo sie nach ihrem Studi- enabschluss an der Technischen Universi- tät Berlin als Sozialforscherin am Wissen- schaftszentrum Berlin (WZB) am Institut für Soziologie der TU Berlin und am Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) tätig war und ist. 1988 führte sie in Zusam- menarbeit mit der UNESCO eine internatio- Elaheh Salehi, iranischer Herkunft, ist Un- nale Tagung zum Thema Frauen und Mig- terrichtskoordinatorin und Dozentin im Be- ration an der TU Berlin durch. Diese Tagung reich EDV. Nach ihrem Mathematik-Studium war der Anstoß für sie und einige engagier- in Teheran unterrichtete sie an mehreren te Studentinnen, ISI e.V. zu gründen und ein Gymnasien der Iraner Hauptstadt. An der Ausbildungsprojekt für Immigrantinnen, die Freien Universität Berlin (FU) qualifizierte sie eine Existenzgründung vorhaben, zu ent- sich in Numerischer Mathematik und Infor- wickeln. Für ihr Engagement insbesondere matik weiter. Parallel dazu war sie als For- mit Immigrantinnen und jungen Frauen, für schungstutorin engagiert. Sie ist IT-Trainerin die sie ein herausragendes Vorbild mit Blick und Expertin für Programmierung, Anwen- auf Selbständigkeit und Emanzipation ist, dungssoftware, Internet und Webpubli- wurde Frau Wilpert mit dem Berliner Frau- shing. Frau Salehi ist seit der Gründung von enpreis 2006 ausgezeichnet. ISI e.V. Vereinsmitglied.
20 Interview Interview 21 Frau Dr. Czarina Wilpert Redaktion: Gemeinsamkeiten zu entdecken. Frau Dr. Wilpert. Sie gelten als Expertin für Migrationsthemen. Sie selber sind amerikanisch- Die Einwanderer haben heute die Gesellschaft mehr geprägt als dies anerkannt wird. Es ist notwen- mexikanischer Herkunft und seit über drei Jahrzehnten in Deutschland. Was empfinden Sie dig, die ethnische Segmentierung der Gesellschaft zu überwinden. Es ist erforderlich, die Spaltung bei Debatten in den Medien über Immigranten? zwischen „Wir“ und die „Anderen“ zu durchbrechen. Ein Recht auf Zugehörigkeit und Anerkennung sollte unabhängig von Kultur, Religion oder Ethnie sein. Dr. Wilpert: Danach wäre „Citizenship“ eine Selbstverständlichkeit für alle Einwohner. Ich denke, dass die Medien nach wie vor sehr einseitig berichten. Damit ist die Selbst-Definition der Gesellschaft eher pluralistisch und nicht monokulturell. Die domi- Was mich erstaunt ist, dass die Medien immer noch sehr stark polarisieren - trotzt so vieler positi- nante Gesellschaft als die „richtigen Bürger“ zu sehen, ist nicht richtig. Hier ist es notwendig, eine ver Entwicklungen. Der Ton gegenüber bestimmten Herkunftsgruppen ist dabei besonders hart und Bürgerrechtsbewegung zu initiieren. herabsetzend. Redaktion: Redaktion: Wie können sich Migranten schützen und stärken? Was genau bewirkt das in unserer Gesellschaft? Dr. Wilpert: Dr. Wilpert: Diffamierungs- und Ausgrenzungsprozesse erwecken die Notwendigkeit, sich zu schützen. Es ist wichtig, sich zusammen zu tun, um durch Solidarität die eigene Kraft zu stärken und Strategien für „Die Nicht-Sensibilisierung im Umgang mit Sprache und Bildern von Im- sich selber und die eigene Gruppe zu entwickeln. migranten. Sie schafft eher Distanz als Annährung.“ Eine Möglichkeit ist die Stärkung des eigenen Zugehörigkeitsgefühls. Einwanderungsgruppen und ethnische Minderheiten, die sich ausgesondert fühlen, verwenden oft Redaktion: vorhandene Ressourcen. Entwickeln sich dadurch falsche Betrachtungsweisen von Deutschen und Immigranten zu- Wir beobachten, dass Einwanderer alle Chancen nutzen und dadurch sogar ihre Barrieren überwin- einander? den. Auch der Zugang zur Bildung muss vorhanden sein, um die Leistungsbereitschaft zu stärken. Der sozioökonomische Aufstieg ist eine typische Orientierung der ersten und zweiten Generation. Dr. Wilpert: Stark hängt diese Orientierung von dem Wunsch nach einem besseren Leben für sich selbst und den Die gab es sicher schon immer. Sie treten jetzt nur noch verstärkter auf. Die letzten Debatten, die eigenen Kinder ab. „Sarrazin“ Diskussion, die Nazi-Morde, die unter dem Deckmantel des Verfassungsschutzes gesche- In den vergangenen 20 Jahren sind aus vielen Bereichen solche Initiativen entstanden. hen sind, schaffen mehr Unsicherheit, Angst und soziale Distanz auf beiden Seiten. Es gibt einige Organisationen, die einen Schwerpunkt auf politische Teilhabe und Interessenvertre- tung von verschiedene nationalen und ethnische Gruppen setzen. Heute sind auch die Zusammen- Redaktion: schlüsse von mehreren Gruppen und Einzelpersonen von Bedeutung. Zum Beispiel ein Migrationsrat, Was können wir tun, damit in Zukunft Minderheiten in Deutschland besser leben können? die Neuen Medienmacher usw. Auch ISI gehört zu den ersten Vereinen, die eine bildungspolitische und emanzipatorische Aufgabe Dr. Wilpert: für Frauen initiiert hat und dies in einem national/ ethnisch übergreifenden Angebot. Erstens ist es sehr wichtig, dass die Minderheitengruppen, die Ablehnung und Barrieren erleben, sich selber organisieren und ihre Interessen artikulieren. Die Idee von ISI ist, Immigrantinnen in die Gesell- schaft einzubinden. Wir als Immigrantinnen sind gegenüber anderen Immigrantinnen zugänglicher. Die Frauen sind in der Lage, gemeinsam und solidarisch den Weg in die Selbständigkeit zu unterstützen. Redaktion: Ist es nach wie vor ein gutes Konzept, einen Verein speziell für Immigrantinnen zu unter- stützen oder sollten man Deutsche und Immigranten heute zusammen betreuen? Dr. Wilpert: Solange es Barrieren für Einwandererinnen gibt, wird die Notwendigkeit erforderlich sein. Frauen haben gelernt, von und miteinander durch „Empowerment“ bestimmte gesellschaftliche bzw. männ- liche Kulturen und Barrieren zu überwinden. Dabei lernen wir, auch miteinander umzugehen. Redaktion: Wie stellen sie sich die Zukunft in einer vielfältig kulturellen Gesellschaft morgen vor? Dr. Wilpert: Wir haben schon eine vielfältige Gesellschaft. Nur ist es noch nicht eindeutig genug, dass wir alle zusammen die neue Gesellschaft gestalten wollen/ müssen. Ein „Diversity“ Ansatz ist notwendig, um Bildbeschreibung Bildbeschreibung
22 Interview Interview 23 Cidem-Eren Demirel Elaheh Salehi Redaktion: Redaktion: Was genau waren damals die Bewegründe, einen Verein dieser Art zu gründen? Du bist seit über 20 Jahren eine treue Seele des ISI- Vereins. Wie bist du zu dieser Arbeit gekommen? Cidem-Eren Demirel: Es waren damals Zeiten der politischen Bewegungen und Aktivitäten, die mich motiviert haben, Neu- Elaheh Salehi: es zu schaffen. Innovative Ideen zur Bekämpfung der steigenden Arbeitslosigkeit von Migrantinnen Ich war damals an der Freien Universität Forschungstutorin und hörte, dass ISI nach einer EDV-Do- mussten her. Ein Beispiel aus Birmingham zeigte, dass die Förderung von Existenzgründungen von zentin suchte. schwarzen Migranten funktionierte. Wir ließen uns damals von einigen Beispielen inspirieren. Heute Mir hat die Idee des ISI-Vereins sehr gut gefallen, so dass ich mich auf die Stelle beworben habe. Von inspirieren wir andere Länder wie Italien. Die haben unser Konzept übernommen. Anfang an habe ich die Verantwortung für den EDV-Unterricht und den IT-Bereich übernommen. Die Tätigkeit macht mir bis heute Spaß, auch wenn es manche Hürde gab. So kann ich mich erinnern, Redaktion: dass wir erst viel Überzeugungsarbeit leisten mussten, um einen eigenen EDV-Unterrichtsraum zu Weshalb sollten die Migranten anders betreut werden als ihre deutschen Kolleginnen? bekommen. Cidem-Eren Demirel: Redaktion: Wie werden die Frauen auf ISI heute aufmerksam? „Die Frauen haben ganz andere rechtliche und kulturelle Hintergründe. Diese müssen, anders als bei ihren deutschen Kollegen, durchdacht wer- Elaheh Salehi: Am Anfang kamen die Frauen allein über die Mundpropaganda zu uns. Heute reicht das nicht mehr den.“ aus. So werden die Migrantinnen auch über die Arbeitsagenturen oder andere Organisationen auf Redaktion: uns aufmerksam. Auch die Werbung über das Internet wird immer wichtiger. Du arbeitest heute als Fachabteilungsleiter auf einen der größten deutschen Handelsschu- len. Bleibt da noch Zeit für engagierte Ziele? Redaktion: Kann man alle Migrantinnen in einen Kurs setzen? Cidem-Eren Demirel: Es bleibt wenig Zeit und dennoch hänge ich sehr an dem ISI Verein. Neben Beruf und Familie ist es oft Elaheh Salehi: nicht einfach. Doch es ist eine Herzensangelegenheit, die ich nicht einfach aufgeben möchte. Ich bin jetzt seit über 20 Jahren dabei. „Entscheidend ist für uns, dass die Immigrantinnen den Willen haben, sich weiterzubilden oder sich selbstständig zu machen. Darüber hinaus sollten Redaktion: Du bist im Alter von dreieinhalb Jahren nach Deutschland gekommen, hast Abitur gemacht sie über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen.“ und anschließend Wirtschaftspädagogik studiert. Heute bist Du vor allem für den Fachbe- Sind diese Voraussetzungen gegeben, können sie mit dem Grundkurs beginnen. Wenn zusätzlich reich „Deutsch“ zuständig. Woran hast du dich damals orientiert? Wie erklärst du dir deinen noch betriebswirtschaftliche und EDV- Kenntnisse vorhanden sind, starten sie gleich mit dem Auf- persönlichen Erfolg? baukurs. Cidem-Eren Demirel: Redaktion: Ich habe mich an Vorbildern orientiert, die ich mir selber ausgesucht habe. Was hat sich bei ISI verändert? Gibt es neue Kurse, die sich der Zeit anpassen müssen? Meine Eltern wollten auch, dass ich eine gute Ausbildung mache. Das Argument meiner Mutter war immer, dass sie sehr hart für ihr Geld arbeiten musste und es mir nicht wünschte, auch in solch eine Elaheh Salehi: Situation zu kommen. Natürlich musste ISI die wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen in den Kursen berücksichti- gen. Wir bieten mittlerweile unter anderem einen Online-Shop-Kurs an, in dem die Frauen lernen, wie Redaktion: sie das Potential des Internets für ihre Selbstständigkeit nutzen können. ECommerce gehört zu den Welche politischen Maßnahmen beeinflussen die Weiterentwicklung von Migranten? stärksten Wachstumsmärkten und heutzutage kann man kaum noch auf einen Onlineshop im Bereich Handel und Dienstleistung verzichten. Cidem-Eren Demirel: Besonders hinderlich für Migranten sind Ausleseargumente. Ein Instrument die Entwicklung von Im- Redaktion: migranten zu erschweren ist, dass sie nicht gut genug Deutsch sprechen. Das ist nur ein Beispiel von Nach über 20 Jahren ISI-Erfahrung gehören sie zum Stammbaum der Gründerinnen. Werden vielen. Es gibt zu viele Ausgrenzungsargumente, denen man sich nicht immer beugen sollte. Sie in Zukunft dem Verein noch erhalten bleiben? Redaktion: Elaheh Salehi: Ein persönlicher Tipp heute? Ich arbeite sehr gern bei ISI. Als Gründungsmitglied habe ich alle Entwicklungen des Vereins mitge- macht. Wir arbeiten hier viel im Team, aber ich muss auch viele Aufgaben selbstständig erledigen. Cidem-Eren Demirel: Diese Abwechslung gefällt mir sehr. Die Teilnehmerinnen kommen aus verschiedenen Kulturen. „Ziele setzen und anfangen, die Selbstständigkeit im Kopf zu entwickeln. Das macht die Arbeit auch interessant. Die Atmosphäre bei ISI ist sehr familiär. Es gibt auch immer wieder neue Herausforderungen. Selbstverständlich werde ich mich auch weiterhin für ISI engagieren. Da fängt alles an.“
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