St. Veit in Reichenau - DES GROSSDECHANTEN und des Heimatwerkes Grafschaft Glatz e. V - Heimatwerk Grafschaft Glatz, ehem. Glatzer Visitatur
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RUNDBRIEF D ES G R O SS D EC H A N T E N und des Heimatwerkes Grafschaft Glatz e. V. St. Veit in Reichenau Rundbrief 1/2021 Heft 1/2021 1 ISSN 1865-4312
Inhaltsverzeichnis Zum Geleit Den Weg Jesu mitgehen..................................................................................................................... 3 „Geborgenheit und Hoffnung“ – Ostergruß des Vertriebenenbischofs.............................................. 4 Heimatwerk Frohbotschaft..................................................................................................................................... 5 Aus dem Glatzer Land Reichenau........................................................................................................................................... 6 Persönlichkeiten aus der Grafschaft Glatz Gabriele Gräfin von Magnis (1896–1976)......................................................................................... 8 Künstler und ihre Werke Franz Jaschke (1775–1842)............................................................................................................... 13 Aus den Grafschafter Gruppen Wir erinnern uns. Als der Rundbrief noch ein Heftchen der Jungen Grafschaft war ....................... 14 Jubiläen und Geburtstage .............................................................................................................. 16 Heimgänge ....................................................................................................................................... 18 Sie gehören zu uns ........................................................................................................................... 20 Buchtipps ......................................................................................................................................... 21 Wichtige Informationen/Impressum ............................................................................................. 23 Termine ............................................................................................................................................ 24 Zum Titelbild: Die Pfarrkirche St. Vitus wurde im Zeitalter der Renaissance erbaut und 1623 geweiht. Der Turm stammt aus neuerer Zeit. Foto: zg. 2 Rundbrief 1/2021
Zum Geleit Den Weg Jesu mitgehen Ostererfahrungen 1946 und heute In den Wochen dieses Frühjahrs jährt sich für Mit der Erfahrung des totalen Verlustes, aller die Grafschaft Glatzer zum 75. Mal die Vertrei- Sicherheit und Geborgenheit, häufig auch dem bung aus der Heimat und die Ankunft im neuen, Verlust geliebter Menschen, blickten sie auf den unbekannten Lebensumfeld. Die Bewohner der Gekreuzigten. Es ist ihnen danach sicher nicht Stadt Glatz, zu denen auch die Familie meiner leichtgefallen, die jubelnden und triumphalen Mutter gehört, mussten Anfang März ihren Osterlieder mitzusingen. Nicht schon am dritten Wohnort verlassen und kamen nach einer mehr- Tag, sondern erst ganz langsam konnten mit tägigen Fahrt in Viehwaggons im nordwestdeut- zunehmendem Einleben am neuen Ort, dem schen Bereich in der Umgebung von Osnabrück Entstehen neuer Kontakte und wachsender an. Etwa sechs Wochen nach der Ankunft, am Anerkennung auch persönliche Ostererfahrun- 21. April 1946, einem sehr späten Ostertermin, gen entstehen. Sie konnten spürbar werden im wurde am Ostersonntag das Fest der Auferste- gegenseitigen Zusammenhalt unter den Vertrie- hung Christi gefeiert. benen und in der Bereitschaft zu Vergebung und Versöhnung. Bereits im Juli 1946 fand schließ- Ich stelle mir vor, dass die Vertriebenen nach den lich in Emsbüren die erste gemeinsame Wall- schweren Erfahrungen der vergangenen entbeh- fahrt der Grafschaft Glatzer statt – für alle, die rungsreichen Wochen und Monate den Weg Jesu dabei waren, mag das eine österliche Erfahrung in der Karwoche, seine Entäußerung und Ernie- neuen Lebens gewesen sein. drigung am Kreuz, in besonders eindrücklicher Weise mitvollzogen haben und sich im leiden- 75 Jahre später scheint uns in der Corona-Pan- den Herrn selbst haben erkennen können. demie die Fastenzeit nun schon viel länger gedauert zu haben als seit dem Aschermittwoch. Mit welchen Gefühlen haben die Grafschaft Menschen, die in Krankenhäusern, zu Hause Glatzer an ihren neuen Wohnorten wohl die Kar- oder in Senioreneinrichtungen das Alleinsein woche und das Osterfest gefeiert? Sie mussten besonders stark spüren, können sich in die Ver- nicht nur ihr neues Lebensumfeld kennenlernen, lassenheit Jesu intensiv einfühlen. Die Möglich- auch ihre kirchliche und gottesdienstliche keit der Impfung gegen das Virus wird ja noch Heimat hatten sie verloren und mussten in der nicht gleich zu befreienden Ostererfahrungen Fremde erst heimisch werden. Das Kirchen- führen. gebäude am neuen Wohnort war ihnen noch fremd, in der Regel in einem anderen Stil Den Weg Jesu durch seinen Tod in die Auferste- gebaut und ausgeschmückt; sie mussten sich hung hinein mitzugehen, ist damals wie heute darin erst ihren Platz suchen. Häufig mussten ein Weg des Vertrauens und der Hoffnung. Ich sie weite Wege zur Messfeier auf sich nehmen, wünsche Ihnen, dass Sie an diesem Osterfest vor allem in den mehrheitlich evangelisch ge- spüren können, dass der auferstandene Herr prägten Gegenden. Manche Lieder im Gottes- Ihnen in allen Situationen nahe ist und die Er- dienst waren ihnen wahrscheinlich erst einmal fahrung neuen Lebens schenkt! fremd, ebenso wie Osterbräuche in ihrem neuen Lebensumfeld. Ihr Marius Linnenborn Rundbrief 1/2021 3
Ostergruß „Geborgenheit und Hoffnung“ In der Allerheiligenkirche zu Erfurt wurde 2007 eine Frau, die sich mit ihrem Mann in der Aller- ein Kolumbarium eingerichtet. Die gotische heiligenkirche einen Platz erworben hatte. Die Kirche besteht aus zwei Kirchenschiffen. Das oft bekannte Sprachlosigkeit über diese beiden rechte Kirchenschiff wird weiterhin als Gottes- Themen wurde gebrochen, als das Angebot für dienstraum für das monatliche Totengedenken, einen solchen Urnenplatz durch die Domgemein- für die Heilige Messe und für Andachten ge- de unterbreitet wurde. Wenn dieser Kirchenraum nutzt. Der barocke Hochaltar zeigt in seinem den Gedanken an Geborgenheit und Hoffnung Altarbild die große Schar der Heiligen beim über den Tod hinaus vermitteln kann, dann be- Lobgesang vor dem Thron Gottes. Im linken steht auch die Bereitschaft, darüber nachzuden- Seitenschiff sind 15 Stelen aufgestellt, die Platz ken und mit größerer Zuversicht in die persön- für 630 Urnen bieten. Christen und auch Nicht- liche Zukunft zu schauen. christen, die mit dem katholisch gestalteten Kirchenraum einverstanden sind, können hier Dass unser Leben endlich ist, ist eine schwer zu einen Urnenplatz erwerben und für 20 oder auch verkraftende Tatsache. Daher müssen auch wir mehr Jahre in dieser Kirche zum Gedenken an Christen die Trauer zulassen und gestalten. Das ihr eigenes Leben, aber grundsätzlich auch an tun wir im Totengedenken und mit den christli- Tod und Auferstehung einladen. chen Traditionen, wie sie sich in den verschie- densten Ländern und Kulturen entwickelt haben. „Endlich konnte ich mit meinem Mann über das Nicht alles passt zu unserer Art. Die meisten Thema ‚Tod‘ und ‚Sterben‘ sprechen!“ – sagte Menschen brauchen bei diesen Themen Stille Allerheiligenkirche Foto: Peter Weidemann 4 Rundbrief 1/2021
Heimatwerk oder gute Texte oder Musik. Wir sind traurig, wenn wir dazu keine Zeit haben. Leider war es Frohbotschaft in den letzten Monaten so, dass Angehörige kei- ne Gelegenheit bekommen konnten, von ihren Wir haben einen neuen Präses. Die Deutsche Verstorbenen in gebührender und bekannter Bischofskonferenz hat uns in Pfarrer Marius Weise Abschied zu nehmen. Es ist dann hilf- Linnenborn nach dem Rücktritt von Pfarrer reich, dass es beim Totengedenken und Toten- Martin Karras, der Krankenhausseelsorger in gebet am Grab oder im Gottesdienst der Kirch- Lüneburg geworden ist, einen Nachfolger als gemeinde die Möglichkeit dazu gibt – auch Präses bzw. Geistlichen Beirat des Heimatwer- Monate und Jahre später. Es ist immer hilfreich, kes Grafschaft Glatz e.V. ernannt. wenn dann das persönliche Gebet durch eine christliche Gemeinde unterstützt wird. Anderen Marius Linnenborn wurde 1968 geboren und 1996 geht dann das österliche Halleluja besser über in Essen zum Priester geweiht. Seine Mutter die Lippen als den trauernden Angehörigen. Hannelore stammt aus Glatz und ist eine ge- Das ist eine der Kostbarkeiten, die uns Christen borene Sobotta, sie lebt in Essen-Werden. Sein geschenkt ist: die Gemeinschaft im Glauben, Onkel war Dr. Joachim Sobotta, jahrelang Chef- Hoffen und Lieben. redakteur der „Rheinischen Post“ sowie allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei den Se- Tod und Auferstehung sind Wirklichkeiten, die minaren des Pastoralrats in Günne am Möhne- wir durchleben müssen und dürfen. Das Oster- see bekannt. Linnenborns Vater ist vor einigen fest 2021 hat einen eigenen Charakter, denn der Jahren in Essen verstorben. Tod und die Todesgefahr standen uns in den letzten Monaten näher als sonst. Das Oster-Hal- Wir freuen uns über die Ernennung unseres nach- leluja wird vielleicht etwas vorsichtiger gesun- geborenen Theologen, der seit vier Jahren das gen, wenn wir an die Verstorbenen in unseren Deutsche Liturgische Institut in Trier im Auftrag Pfarrgemeinden und in der ganzen Welt denken der Deutschen Bischofskonferenz leitet und seit und in die Gesichter der Angehörigen schauen. Jahren an der Priesterkonferenz in der Osterwo- Aber die Wirklichkeit des neuen Lebens mit che und bei der Telgter Wallfahrt dabei ist. Christus ist die gleiche Wirklichkeit wie immer, denn sie besteht in der Zusage Jesu, dass er für Unser Vertriebenenbischof Dr. Reinhard Hauke uns beim Vater im Himmel eine Wohnung mit will gerne die offizielle Einführung im Auftrag unglaublicher Geborgenheit geschaffen hat. der Deutschen Bischofskonferenz übernehmen, und zwar am Tag der Telgter Wallfahrt, sofern Gesegnete Ostertage und ein mutiges Halleluja diese wegen Corona im Jahr 2021 stattfinden darf. wünscht Wir haben nur einen Wallfahrtstag festgelegt und Weihbischof Dr. Reinhard Hauke das ist Sonntag, der 29. August 2021. Propst Dr. Michael Langenfeld ist damit einverstanden und wir können den Festgottesdienst wegen des not- wendigen Abstandes vielleicht draußen halten, und zwar um 11:30 Uhr. Wir werden in den nächsten Ausgaben des Graf- schafter Boten mitteilen, ob die Wallfahrt über- haupt stattfinden kann. Als Ausweichtermin für die Einführungvon Marius Linnenborn als neuer Präses kommt die „Christkindl-Messe“ am Sonn- tag, dem 9. Januar 2022 in St. Johann in Osna- brück in Frage. Franz Jung, Großdechant Rundbrief 1/2021 5
Reichenau Foto: zg. Reichenau liegt am südöstlichen Fuße des Heu- Rittersitz scheuergebirges, zehn Kilometer westlich von Ende des 14. Jahrhunderts gehörte der Ritter- Glatz und gehört zur Gemeinde Rückers. sitz vermutlich dem Konrad von Nimptsch. Später kam er an den böhmischen König und Das Dorf wurde erstmals 1337 schriftlich er- gehörte 1499 als Teil der Herrschaft Koritau der wähnt. Königlichen Kammer. 1577 verkaufte Kaiser Rudolf II. die Herrschaft Koritau mit Reichenau Erste bekannte Besitzerin Reichenaus war um und weiteren Kammerdörfern zur Bestreitung 1350 Katharina von Richnow. Später bestand der Kosten des Türkenkrieges seinem Mund- der Ort aus mehreren Anteilen, die zumeist ver- schenk Friedrich von Falkenhain. Dessen Sohn schiedene Besitzer hatten. Zu diesen gehörten Seifried verkaufte sein Reichenauer Gut 1612 u. a. die Familien von Nimptsch, von Falken- dem Christoph Donig von Zdanitz auf Nieder- hain, Donig, Hofer von Hoferburg, von Ratschin, steine. Diesem gehörte bereits ein Gutshof in von Fitsch, von Reden, von Hartig sowie die Oberschwedeldorf, mit dem er sein Reichenauer Glatzer Augustiner und deren Rechtsnachfolger, Gut vereinte. Wegen dessen Beteiligung am die Jesuiten. Ende des 18. Jahrhunderts wurden böhmischen Ständeaufstand wurden seine Güter die Anteile unter dem Besitzer Anton Franz ver- 1625 vom Kaiser konfisziert und er selbst zu eint. Nach dem Ersten Schlesischen Krieg 1742 lebenslangem Gefängnis verurteilt. 1628 er- und endgültig mit dem Hubertusburger Frieden hielt Reichenau anstatt einer Schuldforderung 1763 kam Reichenau zusammen mit der Graf- der Freiherr Carl von Strasolde als ein Erbgut. schaft Glatz an Preußen. Dieser verkaufte es 1629 dem kaiserlichen Rat Johann Angelo von Morgante auf Volpersdorf Für das Jahr 1796 sind nachgewiesen: eine und Schlegel, nach dem sein Oberschwedel- Filialkirche, ein Vorwerk, ein Schulhaus, eine dorfer Gut als Engelhof bezeichnet wurde. Wassermühle, zwölf Bauern sowie 26 Gärtner Nächster Besitzer war 1637 Georg von Gro- und Häusler. 1939 wurden 523 Einwohner nenberg, der es 1640 dem kaiserlichen Obristen gezählt. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging die Wolfgang Ferdinand von Fitsch verkaufte. Zahl der Einwohner deutlich zurück. Dieser wurde 1642 Kommandant der Festung 6 Rundbrief 1/2021
Aus dem Glatzer Land Glatz und erwarb 1647 die Herrschaft Koritau. Ihm folgte 1652 sein Sohn Otto Heinrich von Fitsch, der Reichenau 1675 seinem gleichnami- gen Sohn abtrat. Dieser verkaufte es 1685 dem Johann Isaias von Hartig, der im selben Jahr von Wolfgang Ferdinand von Fitsch auch die Herrschaft Koritau erwarb. Anschließend war Reichenau wiederum mit der Herrschaft Koritau vereint. Nach rund 75 Jahren ohne ruhigen Zeit ohne 1761 verkaufte Anton Casimir von Hartig die Herrschaft Koritau mit Reichenau dem Neu- roder Kommerzienrat Leopold Genedel, Erbherr auf Niederrathen. Dessen Erben verkauften es dem Oberamtsrat Anton Graf von Haugwitz, Erbherr auf Pischkowitz. Er veräußerte 1796 die Dörfer Reichenau, Kamnitz und Ludwigsdörfel sowie die beiden Vorwerke in Oberschwedel- dorf dem Anton Franz. Freirichtergut Zum Freirichtergut gehörten neben einem Vor- werk mit Wirtschaftsgebäuden eine Mehlmühle, die Handwerker und vier Häusler. Für 1402 ist Pfarrkirche St. Veit Foto: zg. als Besitzer Nikolaus Walter verzeichnet, in des- sen Familie es mehrere Generationen lang ver- Pfarrkirche blieb. Nach dem Dreißigjährigen Krieg erwarb Für 1384 ist in einem Verzeichnis des Prager das Richtergut der Glatzer Dechant Chrysosto- Erzbistums die dem hl. Veit geweihte Pfarr- mus Langer, Pfarrer zu Habelschwerdt. Nach kirche nachgewiesen, die zum Glatzer Dekanat dessen Tod 1667 ging es an Johann Heinrich gehörte. Zu ihr waren auch die Ortschaften Hofer von Hoferburg auf Oberwernesdorf (Wallis- Stolzenau und Rolling gepfarrt. Während der furth), dem 1674 dessen Schwiegersohn Georg Zeit der Reformation diente die Reichenauer Friedrich von Ratschin folgte. Er verkaufte Kirche als evangelisches Gotteshaus. Im Zuge 1681 das Gut mit allem Zubehör dem Freiherrn der Rekatholisierung wurde sie 1623 wiederum Ferdinand von Fitsch, von dem es 1685 Johann den Katholiken zugewiesen, verlor jedoch den Isaias von Hartig erwarb. Status einer Pfarrkirche und wurde Filialkirche von Oberschwedeldorf. Das Kirchenhaus wurde in diesem Jahr auch neu errichtet und 1787 dann erweitert. In der Außenwand sind Grabmäler aus der Renaissancezeit eingemauert. Zusammengestellt von Nicola von Amsberg Quellen: • Peter Güttler et al. (Hg.): Das Glatzer Land. Ein Reiseführer, Düsseldorf 1995, S. 89 • Joseph Kögler: Die Chroniken der Grafschaft Glatz. Neu bearbeitet von Dieter Pohl. Band 3, S. 68–72 und 75–78 Pfarrhaus neben der Kirche Foto: zg. • https://de.wikipedia.org/wiki/Niwa_(Szczytna) Rundbrief 1/2021 7
Persönlichkeiten aus der Grafschaft Glatz Gabriele Gräfin von Magnis (1896–1976) Stille Helferin in bedrängter Zeit „Von 1937 an, bei der Caritas Beuthen, war mein Ihr Engagement konnte nicht öffentlich sein, Leben ausgefüllt im Kampf um die Juden. Das und Gräfin Magnis sprach nie über ihre Erleb- war ein Kampf ohne Hoffnung, man konnte nur nisse. Die junge Historikerin Jana Leichsenring mitleiden.“ Elf Jahre nach dem Ende des Dritten hat ihr Leben im Rahmen eines Kardinal-Bert- Reiches vertraute Gabriele Gräfin Magnis diese ram-Stipendiums des Institut für ostdeutsche Sätze 1956 ihrem Tagebuch an. Wer war diese Kirchen- und Kulturgeschichte nachgezeichnet Frau? und für „Schlesien in Kirche und Welt“ zusam- mengefaßt.“ Pater Franz Magnis-Suseno schrieb dazu: „Grä- fin Gabriele Magnis ist die Schwester meines Mein besonderes Interesse an jüdischer Ge- Vaters, [...], also meine Tante; sie war wohl eine schichte veranlasste mich Anfang 2003, mit der der ganz großen Frauen in der Nazizeit und Autorin Jana Leichsenring Verbindung aufzu- auch wieder in der Nachkriegszeit.“ nehmen und sie zu einem Vortrag zum 16. Bil- dungswochenende des Pastoralrats der Graf- Im „Lexikon der Grafschaft Glatz“ von Aloys schaft Glatz Ende Januar 2004 ins Heinrich- Bernatzky findet sich folgende Kurzbiographie Lübke-Haus der KAB in Möhnesee-Günne zu Gabriele Gräfin von Magnis: „geb. 1896 in (Kreis Soest) einzuladen. Erfreulicherweise Eckersdorf, gest. 1976 in Andernach – Sozial- sagte sie zu und überraschend erschien als Gast fürsorgerin – Im oberschlesischen Industrie- Josepha Freifrau von Loe, geborene von Mag- gebiet tätig. Ab 1938 mit Sonderauftrag von nis, eine Nichte von Gabriele. Kardinal Bertram (Breslau) in Beuthen als Betreuerin christlicher Nichtarier und verfolgter Juden eingesetzt. Unter schwierigsten, gefahr- vollen Bedingungen leistete sie Hilfe bei der Auswanderung von Mischehepaaren, der Über- nahme von Vormundschaften und Suche nach Arbeitsstellen für junge Mischlinge, der Unter- bringung von Säuglingen, deren Mütter nach Auschwitz verschleppt worden waren, der Be- stattung von Toten aus den Lagern um Beuthen auf dem jüdischen Friedhof in Beuthen und den Versuchen, Juden zu retten. Von 1946 bis 1958 Josepha Freifrau von Lohe, geb. von Magnis (lks.) und aufopferungsvolle Arbeit in der Vertriebenenfür- Jana Leichsenring (re.) Foto: Sammlung Magnis sorge im Diaspora-Bistum Hildesheim.“ Im Rundbrief 2/2003 des Großdechanten hatte In der Ausgabe 2/2001 von „Schlesien in Kirche ich bereits eine kurze Buchbesprechung ver- und Welt“ stieß ich auf den Beitrag: „Mein Le- öffentlichen können, in der es u. a. hieß, der ben war ausgefüllt im Kampf um Juden“ Gabri- Wunsch von Gabriele Magnis, „arm zu sein ele Gräfin Magnis: Sonderbeauftragte Kardinal vor Gott“ sollte sich erfüllen; und weiter: „In Bertrams 1937–1945“. Darin heißt es eingangs: der Schrift von Jana Leichsenring finden sich „Im Auftrag des Breslauer Erzbischofs küm- Aussagen von wenigen lebenden Zeitzeugen merte sich die Fürsorgerin um die Katholiken, und Gesprächen mit Familienangehörigen, die die nach den Nürnberger Rassegesetzen als eine überzeugende Selbstlosigkeit und den Mut „Nichtarier“ der Verfolgung ausgesetzt waren. einer starken Persönlichkeit erkennen lassen. 8 Rundbrief 1/2021
Persönlichkeiten aus der Grafschaft Glatz Sie selbst hat sich außer in Tagebuchnotizen nie „Waisenhauses zum Hl. Schutzengel“ 1892 in zu ihrer menschenrettenden Tätigkeit geäußert. Niedersteine sowie beim Unterhalt des „Kran- (…) Es wäre zu wünschen, dass dem Andenken kenhauses“ in Niedersteine in den Kriegsjahren von Gabriele Gräfin Magnis eine größere Auf- 1914/18. merksamkeit zuteil würde.“ Bereits frühzeitig offenbarte sich Gabrieles sozia- Im Band 10 „Schlesische Lebensbilder“ las ich les Engagement in der liebevollen Sorge um ihre 2013 wiederum einen Beitrag von Jana Leich- jüngeren Geschwister. Als sie 1921 ihr Eltern- senring über Gabriele Gräfin von Magnis. Mit haus verließ, lebten jedoch vier ihrer neun Ge- Kopien aus diesem Text nahm ich E-Mail-Kon- schwister nicht mehr; so erlebte sie 1904 als takt mit P. Franz Magnis-Suseno auf, der mir Achtjährige schmerzhaft den frühen Tod ihrer spontan antwortete: „Lieber Herr Schindler, älteren zehnjährigen Schwester. danke sehr für ihre Sendung über meine Tante Gabriele. Ja, ich glaube, den Artikel von Frau Ihren Weggang aus Eckersdorf erklärte sie später Leichsenring habe ich gelesen. Das erstaunliche mit dem Versuch, der Konfrontation mit künfti- und für mich auch etwas beschämende war, dass gen Todesfällen geliebter Menschen auszuwei- unsere ganze Familie, und jedenfalls ich selbst, chen. Andererseits wollte sie „ihrem Ruf“ fol- keine Ahnung von ihrem Einsatz für Juden hat- gen und ihr Leben jenen widmen, die zu den ten. In der Nazizeit hat sie das aus guten Grün- Außenseitern der Gesellschaft zählten. Sie be- den total verheimlicht, und danach nie darüber gann eine Gartenbaulehre auf dem Gut der gesprochen. Jetzt tut es mir leid, dass ich sie nie Gräfin Dohna in Weimar, besuchte 1922/23 die gefragt habe.“ Säuglingspflegeschule und anschließend bis 1925 die Soziale Frauenschule (Westfälische Herkunft von Gabriele Magnis Wohlfahrtsschule) in Münster, mit deren Lei- Geboren wurde terin Therese Maßing sie bis zu deren Tod aufs Gabriele Gräfin von Engste verbunden blieb. Mit einem abschließen- Magnis am 24. März den einjährigen Praktikum beim Landesjugend- 1896 als zweites von amt Berlin beendete sie ihre berufliche Aus- zehn Kindern des bildung. Es folgte bis Februar 1928 ihr Wirken Juristen Dr. Anton in der Frauenhilfsstelle Berlin; hier sammelte Franz Graf von sie erste berufliche Erfahrungen, indem sie sich Magnis und Bian- mit großem Einsatz der Krankenhausfürsorge ka Gräfin Magnis, sowie der Betreuung Prostituierter und straffäl- geb. Gräfin Deym lig gewordener Jugendlicher widmete. In ihren auf dem elterlichen Tagebuchaufzeichnungen von 1956 äußerte sie Gut in Eckersdorf ihre Abneigung gegen Tätigkeiten bürokrati- (Kreis Glatz). Dort Gabriele Magnis, um 1925 scher Art, „eine sehr menschliche Arbeit ohne verbrachte sie auch Foto: Sammlung Magnis Bürokratismus sie dagegen am glücklichsten die ersten fünfund- gemacht hätte“. zwanzig Jahre ihres Lebens. Sie besuchte keine öffentliche oder private Schule, sondern erhielt Sozialarbeit in Beuthen Privatunterricht, der sie insbesondere auf die Aufgrund ihrer erfolgreichen Sozialarbeit in zukünftigen Pflichten als Angehörige ihres Berlin erhielt Gabriele Magnis Anfang 1928 den sozialen Standes vorbereiten sollte. Auftrag zur Einrichtung einer Polizeifürsorge- stelle beim Staatlichen Polizeiamt in Beuthen – Ihre Familie war gegenüber den Dorfbewoh- sie war die erste Frau in einer solchen Leitungs- nern sozial eingestellt; so beteiligte sie sich mit position. Damit beginnt ihr vorbildliches sozia- erheblichen finanziellen Mitteln am Bau des les Wirken im oberschlesischen Industriegebiet. „Ludmillastifts“ 1884 in Ludwigsdorf und des Gabriele Magnis lebte in Beuthen in Wohnge- Rundbrief 1/2021 9
Persönlichkeiten aus der Grafschaft Glatz meinschaft mit Therese Maßing, die 1927 zur Gestapo für die erwünschte Auswanderung von Leiterin der Oberschlesischen Fachschule für Nichtariern erteilen zu lassen. Für den einzelnen soziale Berufe ernannt worden war. Nach dem Menschen, der mit seinen Sorgen und Nöten zu Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 wurde ihr gekommen war, versuchte sie immer so viel die Polizeifürsorgestelle in Beuthen aufgelöst. zu tun, wie möglich war, wenn es sein musste Gabriele Magnis lehnte eine weitere Tätigkeit auch über die Grenzen der Legalität hinaus. in staatlichen Einrichtungen ab: „Diesem Staat kann ich nicht dienen.“ Stattdessen stellte sie ihr Magnis forderte von Kardinal Bertram, der als soziales Engagement in den Dienst der katholi- Erzbischof von Breslau auch Vorsitzender der schen Kirche und arbeitete als Gemeinde- Fuldaer Bischofskonferenz war, ein entschie- schwester im noch ländlichen Gleiwitz-Richters- deneres Eintreten für alle Verfolgten. In ihren dorf. Dort lag auch die Betreuung der polni- Bemühungen richtete sie sich innerhalb ihres schen Minderheit in ihrem Aufgabenbereich, Verständnisses von christlicher Nächstenliebe obwohl ihr die polnische Sprache irgendwie nicht nur gegen den NS-Staat, sondern auch unzugänglich blieb. Wie ein polnischer Pfarrer gegen gewisse institutionelle Auffassungen der bescheinigte, spürte man in ihr einen „einzig- katholischen Kirche. Dabei arbeitete Gabriele artigen, gütigen Menschen“, der ungeachtet der Magnis vertrauensvoll mit Dr. Gertrud Luck- Politik Hitlers sich des polnischen Volkstums ner (1900–1995) in Freiburg zusammen, die annahm. für diese Aufgabe im Süden Deutschlands zuständig war, sowie mit der in Berlin für die Ihre guten Kontakte zu staatlichen Institutionen katholischen Nichtarier verantwortlichen Dr. konnte Gabriele Magnis in ihrer späteren Tätig- Margarete Sommer (1893–1965). Diese drei keit hilfreich nutzen, vor allem als sie im April Frauen waren die Repräsentanten eines reichs- 1937 zur Geschäftsführerin des Caritasverband- weiten katholischen Hilfsnetzes für Verfolgte es der Stadt Beuthen ernannt wurde. Die Beu- der NS-Rassenideologie. Gabrieles Kontakte thener Geschäftsstelle war zugleich eine Neben- reichten darüber hinaus bis nach Wien und zur stelle des St.-Raphaels-Vereins in Breslau, der holländischen Caritas. sich um die Belange jener bemühte, die die Ab- sicht hatten auszuwandern. Magnis war demnach Schwester Gabriele übernahm die Vormund- auch Ansprechpartnerin für Katholiken, die auf schaft für Säuglinge und Kinder, deren Eltern Grund der rassistischen Maßnahmen Deutsch- im Zuge der beginnenden Deportationen ver- land verlassen mussten, also jene „nicht-ari- schleppt worden waren. Sie versuchte für diese schen“ Katholiken, die im Zentrum von Kardi- Kinder Unterbringungen in Heimen zu ermögli- nal Bertrams Auftrag standen. chen; die Nichte Josepha von Loe hat bestätigt, sie habe Kinder und Jugendliche nach Eckers- Sonderauftrag des Kardinals Bertram dorf geschleust, wo niemand wusste, wer sie Ihr engagiertes Auftreten für Hilfsbedürftige waren und wo sie in der Menge von „landver- und Verfolgte überzeugte Kardinal Bertram, sie schickten“ Kindern aus dem Westen nicht auf- 1938 als „Sonderbeauftragte zur Betreuung der fielen. Manchen konnte Schwester Gabriele katholischen Nichtarier Oberschlesiens“ zu er- zur Auswanderung verhelfen. Als ein Beispiel nennen, bald auch für alle verfolgten Juden. sei das Schicksal der Familie des jüdischen Bertram unterstützte ihre schwierige Arbeit „sehr Arztes Auerbach genannt, die sich zunehmen- großzügig (mit) Geld aus einem Sonderfonds der NS-Repressalien ausgesetzt sah. Zwischen für Nichtarier“. „Schwester Gabriele“, wie sich Gabriele Magnis und den Auerbachs, deren die charismatische Gräfin nennen ließ, war in Kindern Johanna, geb. 1930, und Ludwig, geb. der Verfolgung ihrer oft gefahrvollen Ziele un- 1926, entwickelte sich ein „freundschaftliches bürokratisch, diskret, diplomatisch und durch- Verhältnis“. Ludwig wurde von ihr ein oder setzungsstark. Sie schreckte nicht davor zurück, zwei Wochen auf dem Gut Magnis in Eckers- sich listig die Bestätigung der sie bespitzelnden dorf versteckt. Von Dr. Auerbach erfuhr Magnis, 10 Rundbrief 1/2021
Persönlichkeiten aus der Grafschaft Glatz Schloss Eckersdorf im Jahr 1880 Abb.: Sammlung Duncker welches Schicksal jene erwartete, die „umgesie- Rückkehr nach Eckersdorf delt“ werden sollten. Als Arzt war er seit Beginn Gabriele Magnis verließ Beuthen erst nach Über- der Deportationen „zur Untersuchung“ der Be- nahme der Stadt durch die Rote Armee Ende troffenen bestellt worden. Aus Bemerkungen von Januar 1945. Sie kehrte auf das verwaiste elter- SS-Wachmannschaften hatte er entnehmen müs- liche Gut in Eckersdorf zurück, dessen Verwal- sen, dass sein Klientel zum Tode bestimmt war. tung sie anstelle ihres zur Wehrmacht eingezo- Magnis wusste auf Grund der Aussagen von genen Bruders Ferdinand übernahm. Durch ihr Dr. Auerbach, was sich im Vernichtungslager fürsorgliches Engagement wurde sie in Eckers- Auschwitz abspielte. Es soll ihr einmal gelun- dorf Ansprechpartnerin für Hilfsbedürftige. Das gen sein, Zugang zu erhalten und ein Kind aus galt vor allem den Flüchtlingen, die bei dem dem Lager herauszubringen. Sowohl über ihren Versuch, der heranrückenden Roten Armee nach Aufenthalt dort, als auch über die Rettung des Westen zu entkommen, durch die Grafschaft Kindes, verweigerte sie bei späteren Nachfra- Glatz zogen. Für jene, die den Strapazen der gen ihrer Angehörigen weitere Auskünfte. Die Flucht nicht mehr gewachsen waren, richtete sie Nichte Josepha Freifrau von Loe berichtete, in einem ehemaligen Kindergarten ein Alters- „daß in den 1960er Jahren, als sie in München heim ein. Die aus Breslau gekommenen Armen lebte, ein Mann bei ihr geläutet habe und fragte, Schulschwestern halfen ihr dabei. Das tägliche ob sie mit Gabriele Gräfin Magnis verwandt sei Überleben in den Wirren der ersten Nachkriegs- und daß er von ihr gerettet worden sei. Es war zeit zu sichern, forderte Gabriele Magnis alles Ludwig Auerbach, worauf sie ein Telefonge- ab. Für die Bevölkerung Eckersdorf wurde sie spräch mit ihrer Tante vermittelte“. zum Informations- und Handlungsmittelpunkt. Rundbrief 1/2021 11
Persönlichkeiten aus der Grafschaft Glatz Da polnische Behörden kurz nach Kriegsende erfahren hatten. Heimgeholt von ihrer Familie Schloss Eckersdorf beschlagnahmt hatten, blieb liegt ihr Grab an der Dürrhofkapelle in Freuden- der gräflichen Familie nur ein zugewiesenes berg-Rauenberg im Maintal oberhalb von Wert- Nebengebäude. Im Februar 1946 erging die An- heim, wo die Adelsfamilie Ferdinand von Mag- weisung an die Eckersdorfer Bevölkerung, ihr nis ihren neuen Wohnsitz gefunden hatte. Dorf innerhalb weniger Stunden zu verlassen. Ge- meinsam mit ihrer jüngeren Schwester und Frau Literarische Würdigungen Massing vertrieben, gelangte Gabriele Magnis Nach ihrem Tod erfuhr Gabriele Gräfin von nach Schneeren, Kreis Nienburg an der Weser. Magnis mehrere literarische Würdigungen. Den ersten Aufsatz über diese selbstlose Frau schrieb Sozialarbeit im Bistum Hildesheim Dr. Elisabeth Nerlich 1979, in dem sie über die Bereits im April 1946 setzte sie das dort zustän- soziale Tätigkeit von Gabriele Magnis in Beu- dige Generalvikariat Hildesheim in der Fürsorge then und in Hildesheim berichtete. Elisabeth für Vertriebene ein. Im Lauf des Jahres 1949 Nerlich hatte Schwester Gabriele persönlich ge- wechselte Schwester Gabriele ihren Wohnsitz kannt und erhielt von ihr nach dringenden Bitten nach Wunstorf, Kreis Neustadt am Rübenberge, einen Bericht über ihre Nichtarier-Fürsorge. Darin wo ihr die Flüchtlingsfürsorge im dortigen Kreis- schrieb Gabriele abschließend diese bemerkens- gebiet übertragen wurde. Es wurden bittere Jahre werten Worte: „Wir Christen wissen, leider meist für Gabriele Magnis, denn mangelnde Akzeptanz nur theoretisch, daß man nicht hassen soll und ihrer Arbeit, schlechte Entlohnung seitens des daß man seine Feinde lieben muß. Für mich war Caritasverbandes und spürbare körperliche Be- das auch nur Theorie, bis ich christliche und lastung führten die 62-Jährige 1958 auf eigenen jüdische Nichtarier in dieser namenlosen Todes- Wunsch in den Ruhestand. angst erlebte. Denn es gab unter ihnen Men- schen, die bis in den bitteren Tod frei und in der Familiäre Pflegearbeit im Ruhestand Liebe blieben, die der Haß nicht vergiften und Gabriele Magnis zog in die Nähe von Würzburg mitreißen konnte. Ihnen sei hier Dank gesagt“. und pflegte zehn Jahre ihre Mutter Bianka, bis diese 1968 im Alter von 93 Jahren starb. Ob- Jana Leichsenring hat nach umfangreichen Re- wohl Gabriele selbst oft krank war, stellte sie cherchen und Interviews mit Familienangehöri- weiterhin ihre eigenen Bedürfnisse in den Hin- gen und anderen Zeitzeugen das Lebensbild von tergrund und widmete sich der Pflege ihrer elf Gabriele Gräfin von Magnis der breiten Öffent- Jahre jüngeren Schwester Anna (1907–1976). lichkeit durch mehrere Publikationen bekannt Gabriele Magnis litt während der letzten Jahre gemacht. Inzwischen gibt es auch einen um- ihres Lebens zunehmend unter der Sehnsucht fangreichen Eintrag zu Gabriele von Magnis im nach Schlesien, unter der räumlichen Trennung Internetlexikon Wikipedia. von ihrer Freundin und Geistesverwandten The- rese Maßing und auch als bekennende Katho- Für die Grafschaft Glatz war Gabriele Gräfin von likin unter der protestantischen Umgebung Magnis eine „stille Helferin“ und ein „Vorbild Niedersachsens. Ihr Handeln habe sie nie als an gelebter Mitmenschlichkeit in bedrängter Zeit“. Widerstand angesehen, da sie als Widerstand po- Reinhard Schindler in: litisches Handeln und Eingreifen in die Politik AGG-Mitteilungen, Heft 18 (2019), S. 53-60 verstand. Zeit ihres Lebens hatte sie mit Beharr- lichkeit das Ziel verfolgt, aus christlicher Moti- Quellen, u. a. vation sich für andere einzusetzen und fürsorg- Leichsenring, Jana: Gabriele Gräfin Magnis lich tätig zu sein. Anfang 1976 schwer erkrankt – Sonderbeauftragte Kardinal Bertrams für starb Gabriele Gräfin von Magnis am 8. März die Betreuung der katholischen „Nichtarier“ 1976 in einer Klinik in Andernach im Beisein Oberschlesiens: Auftrag – Grenzüberschreitung einer von jenen, die als verfolgte katholische – Widerstand? Stuttgart 2000 (= Arbeiten zur „Nichtarier“ Hilfe während der Beuthener Jahre schlesischen Kirchengeschichte Band 9) 12 Rundbrief 1/2021
Künstler und ihre Werke Franz Jaschke (1775–1842) Der Landschaftsmaler Franz Jaschke wurde Slavonien (11 Bl.) 1775 in Rosenthal, Grafschaft Glatz geboren. umfasste. Josef Frei- Er studierte ab 1794 Malerei an der Akademie herr von Hormayr’s der bildenden Künste in Wien und wurde dort „Archiv für Geo- zweimal mit einer Silbermedaille ausgezeichnet. graphie, Historie, Staats- und Kriegs- In den Jahren 1807 und 1808 begleitete Jaschke kunst“ (erschienen den Erzherzog Ludwig auf seiner Reise längs 1821) gibt dazu eine der türkischen Grenze, 1810 den Erzherzog ausführliche Be- Rainer durch die Bukowina und einen Teil von schreibung. Galizien, Siebenbürgen und Unterungarn. Die künstlerische Ausbeute beider Fahrten bestand Von anderen Arbei- in einer reichen Folge von Landschaften und ten des Künstlers, Franz Jaschke, gemalt von Volkstrachten, von denen Jaschke viele Blätter welcher zum Kam- Ernst Stöhr (1887) auch geätzt hat. Die Originalzeichnungen ge- mermaler Ihrer langten in den Besitz Ihrer kaiserlichen Hohei- kaiserlichen Hoheiten der beiden Herren Erz- ten. Im Jahre 1816 begleitete Jaschke den Erz- herzoge ernannt worden war, sind zu nennen: herzog Rainer auf der Reise durch Oberitalien. sein „Panorama von Mailand“, die „Ruinen Dabei entstanden wiederum zahlreiche Ansich- der Villa des Catullus am Gardasee“, „Petrar- ten und Trachtenbilder in Aquarell, Gouache und cas Wohnung“, „Petrarcas Grab“, die „Burg Öl. Erzherzog Ludwig sandte ihn auch allein in Aggstein“, ein Cyclus kleiner in Wasserfarben alle Teile des Reiches, um weitere Ansichten gemalter „Ansichten des Salzkammergutes“. malen zu lassen. „Vues pittoresques dans la haute Italie“ (1817), „Schönbrunn in 16 Ansichten“ (1821) und „An- Jaschke brachte 1821 ein Werk heraus, das 66 sicht von Pisa“ (1822). Blätter mit Ansichten und Kleidertrachten von Siebenbürgen (12 Bl.), aus der Bukowina (9 Bl.), Näheres ist über Franz Jaschke nicht bekannt. aus Ungarn (12 Bl.), aus der Karlstädter Militär- Er verstarb am 6. November 1842 in Wien. grenze (10 Bl.), aus dem Banat (12 Bl.) und aus Quelle: Wikipedia Rundbrief 1/2021 13
Aus den Grafschafter Gruppen Wir erinnern uns Als der Rundbrief noch ein Heftchen der Jungen Grafschaft war Zwar wurde erst vor 23 Jahren aus dem Rund- meines Mitmenschen schon an? Wir kümmern brief der Jungen Grafschaft der „Rundbrief uns nicht um die Anliegen unserer Mitmen- des Großdechanten“ doch bleiben manche schen. Jeder lebt sein Leben ohne Rücksicht auf Gedanken aus früherer Zeit uneingeschränkt mitmenschliche Verluste. Vielleicht sollte uns gültig. Und da im Moment wegen der Corona- das zu denken geben, wie eng drüben die Men- Pandemie keine Begegnungen stattfinden dür- schen durch die Verfolgung zusammenwachsen. fen, weshalb auch in diesem Rundbrief die Be- Sie erleben heute, was es heißt, in Unfreiheit zu richte von Wallfahrten, Heinattreffen, Wander- leben. Sie haben ihre Wertskala recht einge- wochenenden, Schlesischen Andachten und stellt. Nicht die Dinge dieser Welt sind für sie Jahresabschlussveranstaltungen fehlen, ist es bestimmend, sondern sie haben erkannt, daß der eine interessante Alternative, wenigstens in Mensch nicht vom Brot allein lebt. alten Rundbriefen der Jungen Grafschaft zu stöbern. In alten Rundbriefen aus einer Zeit, Hier liegt wiederum die Anklage gegen uns. als die meisten jetzigen Leser jung waren, sie Leider müssen wir das sagen. Welche Opfer sich regelmäßig bei Bezirks-, Regional- und sind wir bereit für unseren Glauben zu brin- Bundestreffen sahen und der Verlust der Heimat gen? Welche Haltung würden wir einnehmen? gerade einmal 15 Jahre zurücklag. Müssen die Menschen im Osten nicht gerade darum so leiden, weil wir vollständig in unserer Für uns Nachgeborene, die Kinder und Enkel Lebensweise Materialisten geworden sind? Wir der Kriegskinder, ist diese Zeit nur durch Erzäh- können nicht Teilerscheinungen betrachten, lungen unserer Eltern und Großeltern lebendig sondern sollten jedem Menschen seinen Teil am geblieben. Entweder waren wir noch gar nicht Gelingen der Erlösung zusprechen oder aber am geboren oder sehr klein. Wirklich nachempfin- Verlieren. den können wir den gewaltsamen Verlust der Heimat, der Grafschaft Glatz deshalb nicht. Zum Schluß aber wollen wir aber noch etwas Aber wir wissen seit Corona, was es heißt, ein- anderes uns vor Augen halten. Jede Verfolgung gesperrt zu sein. Nur so lebensbedrohlich wie zeigt die Schwächen der Menschen. Es ist leider die Vertreibung oder der Eiserne Vorhang ist so, daß bei sehr großem heldenmütigem Wider- der Lockdown nicht. So unerträglich die Situ- stand gegen die kommunistischen Machthaber ation scheint, so sehr bietet sie uns die Chance auch sehr viele Menschennicht den Mut und zur Besinnung auf Gott. Ganz im Sinne dessen, die Kraft haben, gegen die Verfolgung anzu- was ich in einem alten Rundbrief lesen konnte: kommen. Sie geben auf. Sie verleugnen ihren Glauben. Es war stets das Problem der Kirche „Das Kreuz, Zeichen der Erlösung“ bei einer Verfolgung. Sehr viele laue Christen liefen zum Feind über. Mit menschlicher Kraft „Wir leben in einer Zeit der Gegensätze. Drüben allein kann der Christ eine Verfolgung nicht leben die Menschen in der Unfreiheit, wir im durchstehen. Wenn dem Menschen die Gnade Westen besitzen die Freiheit. Dort Entbehrun- Gottes fehlt, wird er kaum bestehen können. gen, hier Überfluß. Dort schwere Lasten und Bauen wir allein auf unser Tun, so werden wir Leiden, hier der Wille, das Kreuz abzuwerfen. verlieren. Darum auch hier wieder der Anruf an Auch wir Christen sind leider Gottes in Gefahr, uns alle, für die Menschen zu beten, die verfolgt das Kreuz nicht mehr als Kernpunkt unseres werden. Auch hier können wir mitbestimmen, Lebens zu betrachten. Das Leben ist auch ganz wie die Menschen die Verfolgung durchstehen. schön ohne Kreuz. Was geht mich das Kreuz Es kommt nicht auf unser Tun an, sondern 14 Rundbrief 1/2021
Aus den Grafschafter Gruppen wir müssen alles demütig von Gott erbitten. bedeutsamer und wichtiger; denn alle unsere Glauben wir nur fest daran. Niemals wird Gott geretteten Dinge werden von der Geschichte Menschen verlassen, die ihn suchen, die ihn weggeweht – der Glaube an Gott aber, die tiefe über alles lieben. immer wieder neu errungene und gestaltete Frömmigkeit unserer Art ist etwas Lebendiges, Deshalb sind alle religiösen Probleme, wo sie geistig Vererbtes und Weitergegebenes. Das auch auftauchen, Probleme der ganzen Kirche muß bleiben. Und unser Glaube wird bleiben, und gehen uns darum an. Wir können nicht wenn wir ihn lebendig bezeugend weitergeben daran vorbei.“ und weiterschenken. fb in: RB Nr. 3/4, Dezember 1960, S. 8/9 So ist die Frage an uns jedes Jahr neu fordernd Wir wissen nicht, ob die diesjährige 74. Graf- und streng: Wie ist der echte und treue Glaube schafter Wallfahrt nach Telgte, die 2021 auf in meinem Herzen? Kann ich das neue Land einen Tag beschränkt werden soll, überhaupt meiner Familie und Umgebung formen und ge- durchgeführt werden darf. Der Rückblick auf stalten aus dieser inneren Haltung der lebendi- die 25. Wallfahrt las sich im Rundbrief so: gen Treue an Gestern und zugleich aus Zuver- „25 Jahre Telgte“ „Nun sind es schon 25 Jahre her, seitdem die Grafschafter zur Schmerzensmutter nach Telgte pilgern. Wer diese Tage heuer miterlebt hat, wird neu erstaunt sein über den treuen Glauben und die fröhliche Gelassenheit der Grafschafter. Vier große Schaufenster am Markt von Telgte zeigten – gut zusam- mengestellt – ,gerette- te‘ Dinge aus dem reli- giösen und kulturellen Leben unserer Heimat. Neben den Werken der Dichter Hermann Stehr sicht auf Morgen. Dazu dient alles, was wir tun und Joseph Wittig stand bescheiden in der Ecke in Rundbrief, Treffen und persönlicher Begeg- eine kleine Glasvitrine mit der Aufschrift: ,Hei- nung. Wünschen wir von Gott und bitten wir materde‘ – und darin eine Handvoll Erde – ein ihn, daß wir alle im lebendigen Strom der Ge- rührendes Zeichen, das dazugehört. Ein Stück schlechter Glaube weiter vermitteln und so zum Land, eine winzige Krume, hat man mitgenom- Heil werden für viele im Unheil unserer Zeit.“ men und hingestellt, alle Sehnsucht, alle Treue br in: RB Nr. 2, Oktober 1971, S. 31 und Liebe zur Heimat mit dazu. Aber noch bedeutsamer schien mir eine unsicht- bare Vitrine über dem Ganzen zu stehen mit der Aufschrift: Heimatglaube! Und das scheint mir Rundbrief 1/2021 15
Jubiläen und Geburtstage Jubiläen 60 Jahre 29.06.1961 Bischof em. Joachim Reinelt aus Neurode, Priesterjubiläen jetzt: Hans-Böhm-Str. 1, 01309 Dresden 25 Jahre 16.05.1996 Pater Andreas Rupprecht aus Rheine (Vater aus Glatz-Hassitz, Mutter aus 09.07.1961 Pater Willibald Salzbergen) jetzt: Kroken 15, Pietsch aus Grenzeck, jetzt: Maristene NO- 1466 Strom- Kloster Ensdorf, Hauptstr. 9, men (Norwegen) 92266 Ensdorf/Oberpfalz 24.05.1996 Dr. Marius Lin- nenborn aus Essen (Mutter aus Glatz, Vater aus Essen) Priestergeburtstage jetzt: Weberbach 17, 54290 Trier 60 Jahre 27.05.1961 Pater Norbert- Maria Kuschel aus Leipzig 26.05.1996 Dr. Jochen Reide- (Vater aus Plomnitz, Mut- geld aus Greven, jetzt: Pasto- ter aus Schweidnitz), jetzt: ratsweg 8, 48565 Steinfurt Karmeliterkloster Landstr. 33, 4020 Linz/Österreich 65 Jahre 25.04.1956 Pfr. Andreas Gottschalk aus 50 Jahre Braunschweig (Eltern aus Bad Landeck), jetzt: 03.07.1971 Pfr. i. R. Johan- Kuhnenstr. 11 a, 54290 Trier nes Linner aus Glatz, jetzt: Rossbergstr. 17, 87484 Nessel- 06.08.1956 Pfr. Dozent wang Dr. Bernhard Scholz aus Bad Lauchstedt (Mutter aus Gabersdorf) jetzt: Neustädter Bierweg 5, 39110 Magdeburg 10.07.1971 Pater Michael Knappe aus Habelschwerdt, jetzt: Klosterweg 1, 57518 85 Jahre Betzdorf-Bruche 01.05.1936 Prof. Dr. Klemens Jockwig aus Glatz, jetzt: Convent St. Alfons, Nordallee 1, 54292 Trier 11.07.1971 Pater Hubertus Tommek aus Albendorf, jetzt: Leipziger Str. 55, 10117 Berlin 16 Rundbrief 1/2021
Jubiläen und Geburtstage 26.05.1936 Prof. Dr. Franz 95 Jahre Magnis-Suseno aus Eckers- dorf, jetzt: STF Driyarkara, 15.05.1926 Sr. M. Hadwig Cempaka Putih 100 A, 10520 (Maria) Wolf aus Ebersdorf Jakarta (Indonesia) Krs. Habelschwerdt, jetzt: Mutterhaus, Paderborner Str. 7, 33154 Salzkotten 10.06.1936 Diakon Heinz Wilde aus Bad Landeck, jetzt: Bukarester Str. 14, 99091 24.06.1926 Sr. Paula (Ger- Erfurt trud) Opitz aus Altlomnitz, Krs. Habelschwerdt, jetzt: Wehrbüschstr. 18, Konvent St. Katharina, 54550 Daun /Eifel Den Jubilaren und Geburtstagskindern herzliche Glück- und Segenswünsche. 08.07.1926 Sr. Heribaldine Schwesternjubiläen (Ursula) Schulz aus Neurode, jetzt: Marien-Krankenhaus, 60 Jahre Mendener Str. 52, 58739 03.08.1961 Schwester M. Irmtrudis (Maria) Wickede/Ruhr Zwerschke aus Altwaltersdorf, jetzt: Paderborner Str. 7, 33154 Salzkotten Den Jubilarinnen und Geburtstagskindern 65 Jahre herzliche Glück- und Segenswünsche. 28.06.1955 (Tag der Einklei- dung – 02.10.1957 Tag der Da fast alle Orden unserer Grafschafter Schwes- Profess) Sr. Alfonsa (Regina) tern verschiedene Termine für die Jubiläen ha- Berger aus Altweistritz, jetzt: ben und uns kaum noch Anzeigen für die Feiern Santa Maria, Dreilindenstr. der Jubiläen erreichen, ist es schwierig, den 24/26, 14109 Berlin richtigen Termin des Jubelfestes anzugeben. Bei einigen Schwestern geht man vom Eintritt ins 70 Jahre Kloster aus, bei anderen vom Tag der Profess. 01.08.1951 Sr. Ancilla (Edel- traut) Pätzold aus Baum- Darum bitten wir zu entschuldigen, wenn garten Krs. Frankenstein/Bad einige Daten zu spät kommen. Oder Sie, liebe Landeck, jetzt: Bruno-Möh- Schwestern bzw. Angehörige, geben uns ring-Str. 17, 12207 Berlin Anfang des Jahres den richtigen Termin bekannt. Danke! Schwesterngeburtstage 85 Jahre 29.05.1936 Sr. M. Reginate (Ingeborg) Adler aus Glatz- Hassitz, jetzt: Klosterstr. 14, 49832 Thuine Rundbrief 1/2021 17
Heimgänge Heimgänge Manfred ging zur Volksschule und lernte Schrei- ner. Durch Messdienerarbeit und Pfadfinder- schaft war er als Kind schon im kirchlichen Bereich und entschied sich als Ordensbruder Priester Franz Tonke bei den Missionaren des Heiligen Franziskus Erst nach Weihnachten 2020 von Assisi zu leben. Er ging nach Haselünne erfuhr ich vom Tod des ältes- und legte sein erstes Gelübde 1960 ab. Er absol- ten Priesters aus der Graf- vierte sein Studium für die sogenannte „missio schaft Glatz. In Grafrath bei cannonica“ und durfte damit Religionsunterricht München starb im Alter von erteilen. 1963 erfolgte seine Erstaussendung als 96 Jahren Oberstudiendirektor Missionar nach Paraguay und Bolivien. Franz Tonke aus Reichenau. Er war noch Soldat in Russland und kam 1946 aus 1973 wurde er Deligierter für Südamerika in der Gefangenschaft, lernte Bäcker und wurde Indien und stieg auf zum Generalrat. 1978–1980 1961 im Bamberg im Orden der Karmeliter zum studierte er Theologie in Bad Leutershofen und Priester geweiht. empfing 1980 im Dom zu Bamberg die Diako- natsweihe. 1995 nahm er teil am Ausbildungs- Er war zunächst Kaplan in Fürth, dann Reli- leiterkursus für Ordensnachwuchs in Santiago gionslehrer in Bad Reichenhall sowie München de Chile. Dann wurde er als Generalrat zum und wurde 1978 Studiendirektor. Seine Liebe Generalkapitel entsandt. Dann kam eine Neu- zur Heimat, die er oft besuchte, zeigte sich aussendung nach Bolivien und erneute Teilnah- daran, dass er für den 1941 verstorbenen Pfarrer me am Generalkapitel in Indien. Bruder Georg Josef Rose, Dechant und Erzbischöflichen stand immer an vorderster Front in der Mission Konsistorialrat eine neue Grabplatte in Grafrath und an der Seite der Armen. Um 1990 erhielt erstellen ließ und diese persönlich mit seinem der Großdechant die Nachricht von seiner Mis- Auto nach Reichenau brachte. Etliche Male sionsarbeit und pflegte einen intensiven Kontakt haben wir ihn in der Grafschaft mit unserer Pil- zu ihm. Durch die Spendenfreudigkeit der Graf- gergruppe in der Heimat erlebt, auch noch 2019. schafter war es möglich, ihm so manche Hilfe Er verstarb am 30. November 2020 in Feldafing. zukommen zu lassen. Bruder Georg bedankte Gott schenke ihm die ewige Ruhe. sich für jede Spende. Franz Jung, Großdechant Seit zirka zehn Jahren war der Missionar dann in ärztliche Behandlung. Mit viel Energie und Diakon und Bruder Georg Koldert Hoffnung kämpfte er gegen den Lymphdrüsen- Mit dem Heimgang von Dia- krebs und seine Blutarmut. Vor Weihnachten kon und Ordensbruder Georg schrieb er noch voller Hoffnung auf einige Jahre (Manfred) Koldert verlieren Einsatz in der Mission. Doch am 5. Januar 2021 die Grafschafter einen Lands- holte ihn der Herr in das Leben ohne Krankheit mann von Welterfahrung. Als und schenkte ihm das Leben in Fülle. viertes Kind der Eheleute Max Franz Jung, Großdechant und Vinzenzia Koldert geb. Bittner wurde Manfred am 25. August 1939 in Gellenau bei Lewin geboren. Der Vater musste in den Krieg und kam nicht wieder. Die Mutter wurde im April 1946 mit den Kindern vertrie- ben und fand in Marbeck bei Borken eine neue Heimat. Redaktionsschluss für den nächsten Rundbrief: 30. Juni 2021 18 Rundbrief 1/2021
Heimgänge Pfr. i. R. Ernst-Günther Winkler Dieses heimatliche Treffen des Glatzer Klerus Der Tod hinterlässt auch im hatte Ernst-Günther Winkler unter Großdechant Grafschafter Klerus seine Spu- Leo Christoph im Osnabrücker Raum eingeführt ren. Der Herr über Leben und und Jahrzehnte lang durchgehalten. Tod hat nun den fast 90-jähri- gen Pfarrer i. R. Ernst-Günther Gott nehme den Verstorbenen auf in die Herr- Winkler am 13. März 2021 in lichkeit des Himmels. die Ewigkeit gerufen. Franz Jung, Großdechant Die Wiege des Verstorbenen stand in Insterburg/ Ostpreußen. Dort wurde er am 20. August 1931 geboren. Wohl durch die Kriegsereignisse be- dingt wurde sein Vater als Lehrer in Thanndorf Krs. Habelschwerdt eingesetzt. Pfarrer Winkler Im Abendrot fühlte sich stets den Grafschaftern zugehörig. Er machte sein Abitur in Königstein im Taunus, studierte an der dortigen Hochschule mit den Wir sind durch Not und Freude anderen Grafschafter Theologen. Prälat Dr. Gegangen Hand in Hand, Franz Monse fühlte sich für die Grafschafter Theologen zuständig und bat sie, in die Diaspo- Vom Wandern ruhen wir beide ra Norddeutschlands zu gehen, um den vielen Nun überm stillen Land. Landsleuten in der Diaspora beizustehen. So ließ sich Ernst-Günther Winkler am 21. De- Rings sich die Täler neigen, zember 1957 in Osnabrück für das Erzbistum Prag weihen, nahm Kaplansstellen in Hamburg, Es dunkelt schon die Luft, Melle und wieder in Hamburg-Bramfeld an, um Zwei Lerchen nur noch steigen 1967 Pastor in Trittau Bez. Hamburg zu werden. 1984 wurde er Pfarrer in Bad Essen und ging im Nachträumend in den Duft. Jahr 2000 in den Ruhestand nach Bielefeld in die Nähe seines Bruders. Tritt her und laß sie schwirren, Sein Lebensmotto lautete: Ich möchte zu einem Bald ist es Schlafenszeit, fröhlichen christlichen Leben beitragen. Uns Geistlichen wird sein herzhaftes fröhliches Daß wir uns nicht verirren Lachen in Erinnerung bleiben. In dieser Einsamkeit. Zirka zehn Jahre hat er für den Grafschafter Boten jeweils die Prediger für die Heimatkanzel O weiter, stiller Friede! engagiert, nahm an den Priestertreffen in Ost- So tief im Abendrot , berlin und dann im ganzen Bundesgebiet teil. Wie sind wir wandermüde – Die Beerdigung auf dem Senne-Friedhof in Bie- Ist das etwa der Tod? lefeld fand wegen der Corona-Situation nur in kleinem Kreis statt. Der Großdechant hielt die Beisetzung und mit dem Ehepaar Barbara und Joseph von Eichendorff (1788–1857) Arnold Bittner kam die dankbare Erinnerung an das halbjährige Klerustreffen der Grafschafter im Bistum Osnabrück, Paderborn und Münster. Rundbrief 1/2021 19
Sie gehören zu uns Elfrieda Rathmann, Haushälterin des Missionsschwestern. Kein Grafschafter Buch Großdechanten und Mitarbeiterin in wurde so oft gedruckt wie das Grafschafter der Grafschafter Arbeit Kochbuch. 46 Jahre lang stand die im Al- Die Corona-Pandemie verhinderte eine große ter von 85 Jahren am 7. Januar Beteiligung der Grafschafter Landsleute an der 2021 im Altenwohnheim St. Beisetzung. Der Großdechant hielt die Beerdi- Augustinus in Nordwalde ver- gung und würdigte das Leben der Verstorbenen storbene Elfrieda Rathmann an als ein großes Geschenk für das Grafschafter der Seite von Franz Jung, Kap- Volk. Den Sarg trugen ihre Neffen, denen sie lan in Moers und Goch, Pfarrer eineinhalb Jahre eine Ersatzmutter war, als ihre in Duisburg-Walsum, Diözesan-Präses der KAB Schwägerin mit 33 Jahren plötzlich an Lungen- (Kath. Arbeitnehmerschaft) und Großdechant. embolie starb und ihr Bruder mit vier kleinen Kindern allein stand. Frau Rathmann hatte im- Frau Rathmann sah ihren Dienst als Berufung in mer ein besonderes Verhältnis zu ihrer Familie. der Kirche an. Sie stellte sich an jedem Ort auch in den Dienst der Gemeinde. Sie war als Köchin In der Predigt dankte der Großdechant dem in Ferienlagern tätig. In ihrem erlernten Beruf Ehepaar Annelies und Heinz Kordes (Schwester als Näherin fertigte sie mit Freude Kleider, und Schwager) für die liebevolle Betreuung der Hosen und Hemden für Missionsbasare. Frau Verstorbenen in Nordwalde und auch dem Per- Rathmann war immer voller Einsatzbereitschaft. sonal des Augustinus-Hauses für die gute Be- treuung. Sechs Jahre hatte Frau Rathmann noch Elfrieda Rathmann, vielen besser bekannt als in diesem Altenwohnheim gelebt, als Krankheit „Friedel“, wurde am 10. Juli 1935 in Pohldorf und Alter ihr den Verbleib im Pfarrhaushalt un- bei Bad Altheide geboren. Als unser Glatzer möglich machten. Franz Jung, Großdechant Büro in Münster 1983 eröffnet wurde, half sie, die Namen und Kontaktdaten aller Schwestern aus der Grafschaft Glatz zu sammeln und einen Ein Freund der Grafschafter – Zum Tod Schwestern-Personalschematismus zusammen- von Prof. Dr. Joachim Kuropka zustellen. So konnte jeder Schwester zu be- sonderen Geburtstagen und Jubiläen gratuliert Prof. Dr. Joachim Kuropka, werden. Insgesamt wurden 270 Schwestern für der am 22. Februar 2021 Foto: Michael Hirschfeld den Schematismus ermittelt, davon leben heute nach kurzer schwerer Krank- nur noch 90. heit im 80. Lebensjahr starb, war nicht nur einer der re- Die Glatzer Landsleute erfreuten sich der Gast- nommiertesten Experten für freundschaft und der Konsult (Priesterrat) be- das Verhältnis von katholi- dankte sich immer sehr für „doas Worschtfell- scher Kirche und NS-Regime, insbesondere für sel“. Einer der Mitbrüder verriet mir einmal in Kardinal Clemens August von Galen, sondern Anerkennung des guten Essens: „Ich komme auch ein beständiger Streiter für die Anliegen nicht wegen der Versammlung der Grafschafter der deutschen Vertriebenen und ein Freund der Priester, sondern wegen des guten Essens.“ Grafschaft Glatz. Frau Rathmann ist auch die Verfasserin unseres Der am 20. September 1941 in Namslau gebo- Grafschafter Kochbuchs „Asu schmeckt’s der- rene Schlesier war nach Flucht und Vertreibung hääme“, mit dem sie allen anderen Grafschafter zunächst in einem Dorf in Oberfranken und ab Büchern den Rang ablief. Mehr als 4.000 Exem- Anfang der 1950er Jahre in Münster aufgewach- plare sind in alle Welt gegangen. Der kleine sen, wo er nach dem Abitur am Ratsgymnasium Erlös an jedem Buch ging an die Grafschafter auch sein Studium der Geschichte, Germanistik 20 Rundbrief 1/2021
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