Jedem Landkreis ein Schlachthaus?! - Stellschrauben für die Re-Aktivierung regionaler Schlachtung - kritischer-agrarbericht.de

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Der kritische Agrarbericht 2021

( Schwerpunkt »Welt im Fieber – Klima & Wandel«

Jedem Landkreis ein Schlachthaus?!
Stellschrauben für die Re-Aktivierung regionaler Schlachtung

von Andrea Fink-Keßler

                       Die Pandemie hat die Schattenseiten der industriellen Fleischwirtschaft ins grelle öffentliche Licht
                       gebracht. »In jeden Landkreis gehört ein Schlachthof!«, forderte Mitte letzten Jahres die niedersäch-
                       sische Agrarministerin Barbara Otte-Kinast. Auch die GRÜNEN wollen künftig die Schlachtung in die
                       Regionen rückverlagern und damit der Krisenanfälligkeit des industriellen Fleischsystems vorbeu-
                       gen. Die Verdrängung lokaler und handwerklich geprägter Fleischversorgung durch ein globalisier-
                       tes und industrielles System ist nicht nur den Marktkräften geschuldet, sondern zum Teil auch po-
                       litisch und gesellschaftlich gesehen »hausgemacht«. Nachfolgender Beitrag geht den Wirkkräften,
                       den politischen und gesellschaftlichen Stellschrauben einer möglichen Transformation nach und
                       nennt Bausteine einer resilienteren sowie für Mensch, Tier und Umwelt besseren Fleischversorgung.

Die Politik kommt unter Druck, hat doch die Corona-              die Gesellschaft zu, auf welch dünnem Eis die noch
Krise nicht nur die miserablen Arbeitsbedingungen in             vor Kurzem als effizient und erfolgreich gepriesene
den großen Schlacht- und Zerlegebetrieben ins politi-            Fleischbranche steht. Und wir beginnen zu verstehen:
sche Bewusstsein gebracht, sondern auch eine Debatte             die separat diskutierten Themen von Tierwohl in den
losgetreten, ob nicht neben dem Umbau der Tierhal-               Ställen, die wachsenden Tierbestände in Hotspot-Re-
tung auch notwendigerweise ein Umbau der Fleisch-                gionen, die Nitratbelastungen, die Arbeitsbedingun-
industrie voranzutreiben wäre.                                   gen am Schlacht- und Zerlegeband sowie die Frage,
   Die Forderung, jeder Landkreis brauche seinen                 wie wir uns ernähren wollen – sie hängen tiefer zu-
Schlachthof, wie sie Mitte 2020 von der niedersächsi-            sammen, als wir das bisher wahrhaben wollten.
schen Agrarministerin Barbara Otte-Kinast – fast aus
Versehen – vorgebracht worden war, klingt gut und                Industrielle Logik statt Handwerk
wurde von der Agrarpresse schnell aufgegriffen. Auch             und Rouladen am Sonntag
die GRÜNEN legten im August 2020 ein Papier über
die Zukunft der Schlachthöfe vor. Sie fordern eine               Schachthöfe in jedem Landkreis, vorwiegend Versor-
Ablösung des krisenanfälligen Systems und, dass min-             gung mit Fleisch aus der Region. Hatten wir ja schon
destens »40 Prozent der Schlachtungen mittelfristig,             mal! Damals als der Staat noch seine Aufgabe in der
spätestens in zehn Jahren in kleinen und mittelstän-             Sicherung der Daseinsvorsorge, sprich Lebensmittel-
dischen Betriebsstrukturen stattfinden« sollen.1 Ist es          sicherheit, sah. Damals gab es kommunale Schlacht-
nicht wirklich Zeit, endlich die Notbremse zu ziehen?            höfe in den größeren Städten fast aller Landkreise. Sie
   Zur Covid-19-Pandemie, die im Oktober 2020 er-                waren fest verknüpft mit einer noch stark diversifi-
neut das Schließen niedersächsischer Schlachthöfe                zierten Landwirtschaft, einem örtlichen Lebensmittel-
erforderlich machte, hatte sich inzwischen die Afri-             handwerk und einer Esskultur, die den sonntäglichen
kanische Schweinepest und ein Einbruch der Export-               Braten genoss und unter der Woche sich Hausmacher
märkte in China gesellt. Stillstand der Schlachtbän-             Wurst aufs Vesperbrot legte. Man schätzte Sülze zu
der, Einbruch der Erzeugerpreise, tierschutzrelevante            den Bratkartoffeln und Frankfurter Würstchen zum
Missstände in überfüllten Stallbuchten und die Ver-              Kartoffelsalat und ging zum Metzger der Wahl, sei es,
zweiflung der Schweinemäster und Ferkelerzeuger                  weil er (und nicht der andere …) die bessere Wurst
trieben nicht nur der Agrarministerin Otte-Kinast                machte oder die Metzgersfrau besonders freundlich
Tränen in die Augen. Fassungslos und hilflos sieht               war. Auf dem Land praktizierten viele Haushalte

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Produktion und Markt

noch die Hausschlachtung und versorgten sich und          Saisongeschäft mit der Grillware und die Cateringan-
die Verwandtschaft damit. Irgendwann dann hat es          gebote machen Zukauf von Ware notwendig.
angefangen, anders zu werden und uns dahin zu füh-           Die zerbrochenen regionalen Beziehungen zwi-
ren, wo wir heute sind – und mit den Folgen, die wir      schen Landwirtschaft und Lebensmittelhandwerk
heute beklagen.                                           sind nicht allein dem Preisdruck der Discounter und
   Bevor nun nach Wiederaufbauhilfen und Investi-         dem Zukauf der Metzgereien geschuldet. Gerade in
tionsprogrammen für kommunale Schlachthöfe ge-            der Schweinehaltung hat sich in den vergangenen
rufen wird, muss der Blick auf die Faktoren gerich-       Jahrzehnten der Strukturwandel extrem beschleunigt:
tet werden, die das Verschwinden dieser regionalen        Immer mehr Tiere werden immer arbeitsteiliger or-
Struktur nicht nur begünstigte, sondern geradezu be-      ganisiert in immer größeren Betrieben aufgezogen
schleunigte. Erst dann sehen wir die Stellschrauben für   und gemästet. Wer liefert da noch drei Schweine an
einen notwendigen Umbau der stark zentralisierten         den örtlichen Metzger? Die Vertragsbedingungen
und monopolisierten Schlacht- und Zerlegeindustrie.       zwischen Schlachtunternehmen und Mäster bestim-
   Vor gut 20 Jahren war einiges zusammengekom-           men den Takt. Der Zeitpunkt der Just-in-Time-An-
men: 2004 ermöglichte die EU-Osterweiterung die           lieferung der Schlachttiere steht bereits beim Ein­
Beschäftigung von Werkvertragsnehmern (»Entsen-           stallen fest.
degesetz«) zu, aus unserer Sicht, Dumpinglöhnen. Die         Viele Metzger stemmen sich mit Erfolg gegen
BSE-Krise brachte eine Neuordnung des Lebensmit-          diesen Trend, noch mehr aber sind auf der Strecke
telhygienerechts und die neuen EU-Verordnungen            geblieben: Sie haben keinen Nachfolger mehr, kein
forderten ab 2009 nun eine EU-Zulassung auch von          Fachpersonal, können die Modernisierungsinvesti-
den kleinen Betrieben, sprich Metzgereien und klei-       tionen nicht schultern oder schlicht die geforderte
nen örtlichen Schlachtstätten (auch denjenigen auf        Kommunikation (sprich das Marketing) nicht ver-
landwirtschaftlichen Betrieben). Viele packten die-       stehen. Entsprechend rückläufig ist das Gewerbe als
se Hürde nicht und gaben ganz oder zumindest das          Ganzes: In den letzten zehn Jahren (2009 bis 2019) hat
Schlachten auf. Mit jeder weiteren Anforderung, so        jeder vierte Metzgerbetrieb aufgegeben. Dass während
sinnvoll sie auch sein mag (z. B. Einrichtung einer       diesem Zeitraum die Zahl der Beschäftigten (auch der
Fixiereinheit für Rinder, neue Betäubungszangen),         Ausbildungsplätze!) nur um neun Prozent gesunken
schlossen weitere Betriebe. Zugleich ermöglichte die      ist, liegt darin begründet, dass viele Metzgereien Fili-
technologische Entwicklung der Schutzgasfolienver-        alen betreiben. Zugleich ist der Gesamt­umsatz dieser
packung den Einstieg der Discounter in das Frisch-        Branche aktuell steigend.2
fleischgeschäft. Daraufhin begannen die großen               Am Sterben des Fleischhandwerks sind nicht zu-
Schlachtunternehmen die Verarbeitung und Fein-            letzt auch die veränderte Ernährungskultur (Döner
zerlegung zu »schlucken«, sprich zu integrieren, um       oder Betriebskantine statt Selbstkochen) und der
die schnell wachsenden Discount-Fleischmärkte zu          demographische Wandel beteiligt: Verödete Innen-
bedienen. Heute wird mehr als 50 Prozent des Frisch-      städte, fehlende Parkplätze und das Angebot im Le-
fleischabsatzes allein über Aldi abgewickelt. Auch        bensmitteleinzelhandel, insbesondere bei den großen
begannen die großen Fleischunternehmen, sich zu           Verkaufsflächen der Einkaufszentren auf der grünen
diversifizieren in Richtung Export und hier vor allem     Wiese, erschweren älteren Bürgern das Einkaufen bei
in den Export von Schlachtnebenprodukten (die be-         »ihrem« Metzger. Dabei sind sie nach wie vor deren
rühmten Schweineohren und -schwänze nach China).          Hauptkundschaft! Ausländische Mitbürgerinnen und
Auf der anderen Seite hat der sich weiter konzentrie-     Mitbürger hingegen kaufen bei »ihrem« Metzger.
rende Lebensmitteleinzelhandel eigene Fleischwerke
aufgebaut (vorneweg: EDEKA).                              Nicht nur »Brüssel« ist schuld
   Das Sterben der Fleischereibetriebe und der kom-
munalen Schlachthöfe war damit eingeleitet und die        Die Aufgabe des Schlachtens in der Region ist nicht
verbliebenen Metzger begannen, das Fleisch dort zu        nur der Marktwirtschaft geschuldet. Die Politik und
holen, wo es für sie nicht nur günstiger zu erwerben      hier vor allem die kommunale Politik spielte und
war, sondern auch nach Wunsch zerteilt, zugeschnit-       spielt immer noch eine große Rolle. Lebensmittelhy-
ten und portioniert und damit verkaufsfertig angebo-      giene und -sicherheit sind Aufgaben der Länder. Der
ten wurde: bei den großen der Fleischindustrie, vor-      Bund hat hier wenig zu melden und der Verweis auf
neweg bei Tönnies. Da das Ladengeschäft nicht mehr        Brüssel ist oft nur die Suche nach einem dritten Schul-
ausreichte, haben die Metzgereien zusätzlich Party-       digen, um sich selbst nicht anschauen zu müssen. In
services und Mittagstische aufgebaut und in Filia­len     Hessen wie auch in Nordrhein-Westfalen wurden die
investiert. Selbst wenn noch Tiere aus der Region         Aufgaben der Lebensmittelüberwachung wie auch die
geschlachtet und verarbeitet wurden, spätestens das       der EU-Zulassung von Schlachtstätten zudem kom-

                                                                                                               179
Der kritische Agrarbericht 2021

munalisiert, sodass selbst die Länderministerien nur              genug, werden sie auch noch von der EEG-Umlage
noch wenige Durchgriffsrechte haben. Seither kocht                befreit. Handwerker und mittelständische Schlacht-
jeder Landkreis sein eigenes Süppchen.                            betriebe sind es nicht und müssen nicht nur höhe-
   Angeblich weil »Brüssel« eine Kostendeckung for-               re Energiekosten bezahlen, sondern auch die nach
derte (tatsächlich war es eine »Kann«-Bestimmung                  Menge gestaffelten höheren Entsorgungskosten der
der Verordnung 854/2004)), haben alle Landkreise                  Schlachtnebenprodukte (da sie eben keine Sortierung
begonnen, die Kosten für die Lebendtier- und die                  für den Export vornehmen können). Eine Untersu-
Fleischbeschau neu festzulegen, sprich: für die ver-              chung der Uni Göttingen von 2014 zufolge kostete die
bliebenen Schlachtstätten kräftig zu erhöhen. Nicht               Entsorgung der Schlachtnebenprodukte eines Schwei-
jedoch für die Großen: Tönnies, Westfleisch und Co.               nes im Landkreis Cloppenburg 40,62 Euro, bei mehr
bezahlen für die Fleischbeschau weniger als zwei Euro             als 1.000 Schweinen sank diese Gebühr auf nur noch
pro Schwein. Laut Fleischerverband liegen die Ge-                 0,56 Euro pro Schwein. Hinzu kommen zusätzlich Ta-
bühren beim Metzgereibetrieb bei bis zu zwölf Euro                riflöhne und Festanstellungen sowie Ausbildungskos-
pro Schwein. Würde für alle der gleiche Stückpreis                ten für die Betriebe. Allein diese Personalkosten liegen
zugrunde gelegt und nicht nach Stundenaufwand ab-                 3,8-fach höher als in der Industrie.
gerechnet, hätte dies erhebliche Konsequenzen.
   Hugo Gödde, Markenvorstand von Neuland, hat                    Re-Regionalisierung – was braucht es?
mal hochgerechnet: Tönnies schlachtet 16 Millionen
Schweine im Jahr und bezahlt in die kommunale Kas-                Eine Gleichbehandlung ist die Basis, bevor wir begin-
se keine 30 Millionen Euro, Westfleisch sieben Milli-             nen, über die Zukunft der lokalen Schlachtstätten zu
onen Schweine für keine zwölf Millionen Euro. Wür-                sprechen. An diesen Stellschrauben muss also zuerst
den die betreffenden Landkreise für groß und klein                gedreht werden. Auf diese hat die Politik direkten
eine durchschnittliche Gebühr verlangen, sagen wir                Einfluss. Eine weitere mögliche zentrale Stellschrau-
sechs Euro pro Schwein, hätte Tönnies circa 96 Mil-               be wäre die Begrenzung der Transportzeiten, sagen
lionen Euro und Westfleisch circa 42 Millionen Euro               wir auf maximal zwei Stunden. Das würde nicht nur
zu zahlen. Mit 66 bzw. 30 Millionen Euro subventi-                die innereuropäische Konkurrenz um die günstigsten
onieren durch diese Berechnungsart die Landkreise                 Schlachtstandorte mildern, sondern auch regionale
diese Großbetriebe, indem sie auf diese Einnahmen                 Schlachtstätten attraktiver machen. Doch solange das
verzichten. Was es z. B. für einen Konzern bedeutet,              weit im fernen Horizont liegt, müssen wir uns um die
der jährlich etwa zehn Millionen Euro Gewinn in der               verbliebenen mittelständischen Schlachtstätten küm-
Bilanz ausweist, wenn er wie ein durchschnittlicher               mern. Sie bieten auch den nicht mehr selbst schlach-
Schlachtbetrieb behandelt würde, lässt sich leicht                tenden Metzgern eine gute Anlaufstelle.
nachvollziehen: Er wäre pleite.                                      Doch machen wir uns nichts vor: Die verbliebenen,
   Dabei sind die Großbetriebe als Folge der Kosten-              meist genossenschaftlich getragenen Schlachtstätten
degression ohnehin im Vorteil. Als wäre das nicht                 sind, wenn sie noch nicht geschlossen sind, oftmals
                                                                  in einem miserablen Zustand. Investitionen wurden
                                                                  verschleppt, die Anforderungen der neuen Zeit und
   Schlachtkosten eines Schweines*                                aufkeimender neuer Märkte werden verschlafen oder
                                                                  einfach ignoriert und mithilfe der alten Glaubenssät-
   Industrielle      18 Euro pro Schwein (tatsächlich geringer    ze (»Der Verbraucher sagt, er will Tierschutz, und
   Schlachtung:      bei großen Unternehmen wie Tönnies)          kauft dann doch nur das Billigste«) gerechtfertigt.
   Handwerkliche     50 Euro pro Schwein.                         Dabei fehlt es nicht an geeigneten Investitionspro-
   Schlachtung:      Davon                                        grammen. Bereits heute kann über die Marktstruk-
                     29 Prozent Kapitalkosten und Abschreibung,   turförderung, aber auch über die Wirtschaftsförde-
                     21 Prozent Fleischbeschau
                     (inzwischen höhere Werte!!)
                                                                  rung bis hin zu günstigen Krediten geholfen werden,
                     18 Prozent Personalkosten                    um diese Schlachtbetriebe in den Regionen gemäß
                     21 Prozent Energiekosten und                 der EU-Hygiene- und Tierschutzschlachtverord-
                     7 Prozent Entsorgungskosten.                 nungen zu erhalten. Aber reicht das? Müssen sich
   Diese fünf Positionen bestimmen 96 Prozent der Stückkosten!
                                                                  nicht auch die Verantwortlichen stärker öffnen für
   Wäre die Auslastung nicht 50 Prozent, sondern 100 Prozent      die neue Differenzierung des Marktes und insbeson-
   könnten die Stückkosten auf 36 Euro sinken. Wären die          dere für das, was zunehmend der Lebensmittelein-
   Betriebe von der EEG-Umlage befreit wie die großen
                                                                  zelhandel im »gefühlten« Auftrag der Verbraucher
   Schlachtunternehmen lägen die Stückkosten bei 33,36 Euro.
                                                                  fordert: Biofleisch, Weidefleisch, gereiftes Rindfleisch
* Untersuchung von 2014 bei fünf handwerklichen Betrieben        und Strohschweine bis hin zu Bruderkälbern aus der
   Niedersachsens durch die Uni Göttingen.3                       Milchproduktion?

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Produktion und Markt

  Weide- und Hoftötung – ein Baustein regionaler Schlachtung

  Die öffentliche Debatte um die Fleischindustrie hat allen        wirt die Verantwortung. Die weiteren Prozessschritte
  Initiativen Aufwind gegeben, die sich für die Vermeidung         erfolgen in einer EU-zugelassenen Schlachtstätte. Das
  von Lebendtiertransporten und damit Weide- und Hof­              Transportfahrzeug muss nicht Teil der EU-zugelassenen
  tötung stark machen. Viele weitere Gründe sprechen               Schlachtstätte sein, aber hygienischen Anforderungen
  dafür, gerade Rindern ein stressiges Separieren, Verladen        genügen.
  und Transportieren sowie Eintreiben in die Schlachtstätte    ■   Die Hoftötung (auch »teilmobile Schlachtung«
  zu ersparen: Tierschutz, Arbeitssicherheit und die Siche-        genannt) hingegen bewegt sich im Rahmen der gül-
  rung der Fleischqualität. Ob Kugelschuss auf der Weide           tigen Rechtsvorschriften und könnte daher auf alle
  (Weidetötung) oder teilmobile Schlachten – sie sind eine         Tierarten angewandt werden. Aktuell ist sie vor allem
  Alternative zur herkömmlichen Schlachtung, aber beide            für Rinder entwickelt worden. Das Betäuben/Töten
  Verfahren bedürfen gut erreichbarer regionaler Schlacht-         erfolgt durch den Schlachtunternehmer. Dieser kommt
  stätten. Das kann nicht oft genug betont werden. Es gibt –       mit einem Schlachtanhänger, der Teil seiner EU-zuge-
  grundsätzlich gesehen – drei Verfahren:                          lassenen Schlachtstätte ist, auf den Hof. Im Gegensatz
                                                                   zur Weidetötung muss das Rind zur Betäubung fixiert
  ■   Die Weidetötung (auch »Kugelschuss auf Weide«                werden. Das Töten findet im Schlachtanhänger statt.
      genannt) kann nur für Rinder angewandt werden,               Die weiteren Prozessschritte erfolgen, wie bei der
      die ganzjährig im Freien leben. Sie hat seit 2011            Weidetötung, in der stationären und EU-zugelassenen
      eine Rechtsbasis im § 12 (2) Tierische Lebensmittel­         Schlachtstätte.
      hygieneverordnung und gilt als Ausnahme von der          ■   Die vollmobile Schlachtung. Der Schlachtunternehmer
      Regelschlachtung. Die Betäubung erfolgt durch den            kommt auf den Hof mit einem eigenständig EU-
      Kugelschuss. Für die Betäubung/Tötung trägt der Land-        zugelassenen Schlachtanhänger. Er nimmt dort den 

   Auch die Direktvermarkter benötigen den regio­              mit zunehmendem Homeoffice nicht weniger werden.
nalen Schlachthof, wenn sie Weide- oder Hofschlach-            Solange diese regionalen Abnehmer via überregionale
tungen durchführen möchten. Und dieser muss hö-                Verarbeiter und Caterer und damit zentral mit Flei-
here Anforderungen an den Tierschutz leisten sowie             scherzeugnissen aus den großen Fleischströmen be-
Zertifzierungen vorweisen, eine gute Hygiene und               dient werden, solange geht das Geschäft an den örtli-
ausreichende Raumkapazitäten für Reifung und                   chen Metzgern und Schlachthöfen vorbei. Auch hier
Zerlegung. Ein neues Selbstverständnis als Dienst-             regiert der Preis – aber bestimmend sind auch poli-
leister der direktvermarktenden Landwirte und der              tische Vorgaben für Erstattung von Verzehrsaufwen-
Metzger in der Region braucht es ebenso wie ein                dungen, Mindestpreise in Kitas und Schulen sowie in
Marketing für besondere Qualitäten. Eine junge und             Krankenhäusern. Das begünstigt die Großeinkäufer
das Fleischhandwerk neu erfindende Generation an               und die Küchensysteme, in denen nur noch tiefgefro-
Metzgern zeigt den Weg. Die zahllosen Regionalini-             renes Essen aufgetaut werden kann.
tiativen und Ernährungsräte der Städte strecken ihre
Hände aus und bemühen sich um den Aufbau solcher
neuer Wertschöpfungsketten. Warum also geht es so                  Folgerungen     & Forderungen
schleppend nur?
   Aus Sicht der Schlachtunternehmen und Metzger                   ■   Die Verdrängung des Metzgerhandwerks durch das
sieht es so aus: Wer schlachtet, muss einen Abnehmer                   industrielle Fleischsystem erfolgte nicht allein durch
finden, der zerlegt und verarbeitet – und viele, die das               Marktkräfte, sondern auch durch politisch-kommu-
kaufen und essen wollen. Wo aber sind abseits der                      nale Entscheidungen.
großen, in die Massenmärkte der Discounter und des                 ■   Eine Re-Regionalisierung muss Hand-in-Hand gehen
Lebensmitteleinzelhandels fließenden Fleischströme                     mit dem Umbau der Tierhaltung und einem Aufbau
und jenseits der Fleischkisten der Direktvermarkter                    regionaler Absatzmärkte.
genau diese Abnehmer »mittelgroßer« Chargen, die                   ■   Zentrale Stellschrauben sind der politische Wille
ein solcher Schlachthof oder auch ein Metzgerunter-                    zur Förderung nicht nur der Investitionen, sondern
nehmen liefern könnte? Dabei hat die Covid-19-Pan-                     auch von Rahmenbedingungen, die eine Gleich-
demie gezeigt, wie viel Mengen nicht geliefert werden                  behandlung der Schlacht-und Zerlegebetriebe
konnten an Großküchen, Schulen, Betriebskantinen                       ermöglicht.
und Restaurants? Der Außer-Haus-Verzehr wird auch

                                                                                                                            181
Der kritische Agrarbericht 2021

       gesamten Schlachtprozess bis zur Zerlegung in Hälften    ■   Weide- und Höftötung für Schweine und Schafe gibt
       und die Kühlung vor.                                         es nur in ersten Ansätzen; so tötet z. B. ein bayerischer
                                                                    Betrieb mit eigener kleinen Schlachtstätte die Weide-
   Seitdem sich die obersten Veterinäre im Mai 2017 auf             schweine im Hänger.
   Bundesebene auf eine Auslegung teilmobiler Schlachtung       ■   Die mobile Geflügelschlachtung wurde erneut durch
   geeinigt haben, wurden verschiedene technische Ver­              einen AFFL-Beschluss ermöglicht und es gibt in Nieder-
   fahren zur Hoftötung entwickelt. Hier einige Beispiele:          sachsen und Hessen bereits entsprechende Initiativen.
                                                                    Werden die mobilen Schlachtanhänger in Betrieben
   ■   Die IG Schlachtung mit Achtung aus Baden-Württem-            eingesetzt, die unter die Regelung fallen, weniger als
       berg hat eine Schlachteinheit gebaut, die es ermög-          10.000 hofeigene Tiere zu schlachten, benötigen sie
       licht, die Tötung in einem geschlossenen Hänger              keine EU-Zulassung.
       vorzunehmen. Das betäubte Rind wird automatisch
       reingezogen.                                             In der praktischen Umsetzung der Hoftötung treten viel-
   ■   Die Operationelle Gruppe »Extrawurst« hat in Hessen      fältige Probleme auf. Inzwischen hat die EU-Kommission
       im Rahmen eines Europäischen Innovationspartner-         eine »Delegierte Akte zum Anhang III der EU-Hygienever-
       schaftsprojektes eine andere Variante teilmobiler        ordnung 853/2004« vorgelegt. Sie wird im April 2021 in
       Schlachtung entwickelt. Um die Fixierung und Betäu-      Kraft treten. Grundsätzlich für alle Tierarten erlaubt sein
       bung so stressfrei wie möglich zu gestalten, wird eine   wird die teilmobile Schlachtung auch für mehrere Tiere.
       Fixiereinrichtung der Firma Patura verwendet, die auch   Die Entblutung muss immer innerhalb der »mobile unit«
       Behandlungen der Tiere (Ohrmarken, Blutentnahme)         stattfinden. Um eine praxistaubliche Auslegung durch
       ermöglicht. Nach dem Betäuben fällt das Tier aus dem     deutsche Behörden wird zu ringen sein.
       Fixierstand und wird mit einem hängerseitigem Ketten-
       zug in den Hänger gezogen. Dort wird entblutet.

   Wir hätten jedoch auch hier politisch realisierbare          X   Anke Kähler, Andrea Fink-Keßler, Hans-Jürgen Müller und Marc
Stellschrauben: Wie wäre es, wenn Landkreise, Kom-                  Albrecht-Seidel: Zukunft braucht Handwerk. Das Lebensmit-
                                                                    telhandwerk erfindet sich neu und kämpft zugleich gegen die
munen, Unternehmen und gegebenenfalls auch Bun-
                                                                    Windmühlen von Bürokratie und Reglementierung. In: Der kriti-
desländer Beschlüsse zur regionalen Beschaffung des                 sche Agrarbericht 2018, S. 324–328.
Fleisches für ihre Kantinen, Schulen, Krankenhäuser             X   Andrea Fink-Keßler und Lea Trampenau: Tierwohl und Fleisch-
und sonstige Einrichtungen treffen und die Kostensät-               qualität treffen sich. Neuere Ansätze für stressarmes Schlachten
ze entsprechend erhöhen würden? Wie wäre es, ein-                   im Haltungsbetrieb. In: Der kritische Agrarbericht 2016, S. 251–255.
                                                                X   Hans-Jürgen Müller und Andrea Fink-Keßler: (Fast) zerbrochene
mal auszurechnen, ob nicht in den Schulen, Kitas und                Beziehungen. Über Chancen und Hemmnisse regionaler Fleisch-
Krankenhäusern sich das Selbstkochen wieder lohnen                  vermarktung. In: Der kritische Agrarbericht 2014, S. 164–167.
würde? Es gibt aktuell viele Bemühungen diese Ab-
satzwege zu öffnen. Ihre Nachfrage könnte einen ers-            Anmerkungen
ten regionalen Anreiz schaffen für eine bessere Auslas-          1 Positionspapier der agrarpolitischen Sprecher*innen von Bünd-
tung der regionalen Schlachthöfe und der regionalen                nis 90/Die GRÜNEN: »Fair, tiergerecht und krisenfest. Die
                                                                   Zukunft der Schlachthöfe neu gestalten«. August 2020.
Zerlegung durch die verbliebenen Metzgereibetriebe.              2 Deutscher Fleischerverband: Jahrbuch 2020. Frankfurt am Main,
   Lediglich lokale Schlachthöfe zu fordern, ist zu ein-           S. 81.
fach. Wir müssen in der ganzen Kette denken: vom                 3 Protokoll des Workshops der Fakultät für Agrarwissenschaften
Tier zum Teller. Dieser Weg ist mühsam, würde aber                 Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung an der
im Rahmen des Umbaus der Tierhaltung Sinn erge-                    Universität Göttingen »Gelebte Regionalvermarktung durch
                                                                   selbstschlachtende Fleischer: Herausforderungen und Hand-
ben und allen zu Gute kommen: Tieren, Menschen,                    lungsempfehlungen« am 18. November 2014. Leider wurde die
den Regionen, ihrer Wertschöpfung und der Umwelt.                  von der Marketinggesellschaft der Niedersächsischen Land-
Dann erst kommen wir wieder in den Genuss des gu-                  und Ernährungswirtschaft geförderte Studie nie veröffentlicht!
ten Sonntagsbratens und eines regionalen Burgers in
der Schulmensa!

                                                                                      Dr. Andrea Fink-Keßler
                                                                                      Vorstand und Geschäftsführung im Verband
Das Thema im Kritischen Agrarbericht                                                  der Landwirte mit handwerklicher Fleisch­
X Hans-Jürgen Müller, Lea Trampenau und Andrea Fink-Keßler:                           verarbeitung.
  Stressarmes Schlachten im Haltungsbetrieb – ein Update. In:
  Der kritische Agrarbericht 2019, S. 267 f.                                          info@biofleischhandwerk.de

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Produktion und Markt

Ein Schlachtunternehmen gründen:
Gegen den Strom und mit der Zeit
Interview mit Ruth und Hans-Jörg Scharfenbaum

                     Was braucht es, um einen Schlacht- und Verarbeitungsbetrieb neu zu gründen? Als Ende der 1990er-
                     Jahre auch im Sauerland /NRW das Sterben der kommunalen Schlachthöfe begann und immer mehr
                     Metzger das Selberschlachten aufgaben, da gründete Familie Scharfenbaum in Brilon einen privaten
                     Schlacht- und Verarbeitungsbetrieb. Umwelt- und Tierschutz wurden von Anfang an mitgedacht und
                     geplant, vermarktet werden Fleisch und Wurst regional. Wir haben uns mit dem Ehepaar Scharfen-
                     baum über den Mut zur Gründung, das aktuelle Geschäft und die Zukunft der Branche unterhalten.

Sie haben einen eigenen, heute sehr erfolgreichen regionalen      kauft. Nebenbei habe ich die ersten Jahre vier Nächte
Schlacht- und Metzgereibetrieb im Sauerland/NRW gegrün-           pro Woche als Zerleger gearbeitet. Ich war gut ver-
det in einer Zeit, als der Strukturwandel in der Fleischbranche   netzt und konnte überall arbeiten. Aber es zeichnete
sich bereits beschleunigt hat. Wie haben Sie das hingekriegt?     sich in dieser Zeit auch schon ab, dass immer mehr
Ich komme vom Hof und der Umgang mit dem Vieh                     Billiglohnleute aus Rumänien oder Tschechien ka-
war mir vertraut. Seitdem ich die Ausbildung zum                  men. Das war die Zeit, als das losging und ein paar
Fleischer gemacht habe, also seit 1986, war mir klar,             meiner Kollegen haben sich dann darauf spezialisiert,
ich möchte einen eigenen Schlacht- und Metzgerei-                 diese Werkvertragsnehmer zu vermitteln. Das wollte
betrieb haben. Angefangen haben meine Frau und ich                ich nicht! Ich habe gesehen, wie das auf den Schlacht-
dann bereits 1994 mit einer Bauvoranfrage an die Stadt            höfen abläuft. Wir arbeiten nur mit eigenen Leuten.
Brilon. Eine Baugenehmigung kam schnell und wir                      Der Durchbruch kam 2003, als wir die erste Filiale in
kauften die Wiese, aber dann kam ein Baustopp für                 einem REWE-Markt in Bad Wünnenberg aufgemacht
drei Jahre, bis die Abwasserfrage geklärt war. 1997 ha-           haben. REWE sah, dass das läuft und dass wir das gut
ben wir dann die Halle gebaut und angefangen: zehn                machen. So haben wir weitere Märkte dazubekommen.
Schweine und ein Rind pro Woche. Heute schlachten                 Es wurden immer mehr Märkte und daher haben wir
wir 120 Schweine und zehn bis zwölf Rinder in der                 2005 den Betrieb erweitert. Aber wir bekamen dann
Woche. Damals waren die Bedingungen aber noch                     auch Filialen, die nicht so gut liefen. 2007 sind wir in-
einfacher, so einen Betrieb zu gründen.                           solvent gegangen. Das hat uns unerwartet getroffen.

Was hat Sie motiviert, einen regionalen Schlachtbetrieb auf       Sie haben aber weitergemacht …
der grünen Wiese aufzubauen?                                      Wir haben uns von Freunden und Verwandten Geld
Als wir anfingen, hatten wir keine Kunden und kein                geliehen und die GmbH gegründet. Meine Frau hat
Personal. Wir begannen mit Privatschlachtungen. Um                sich zur Fachwirtin für kaufmännische Betriebsfüh-
diese Zeit herum hatte es gerade so angefangen, dass              rung ausbilden lassen und wir führen nun zusammen
die Metzger in der Region mit dem Schlachten auf-                 die Geschäfte. Wir haben dazu gelernt. Wir haben uns
hörten und die regionalen städtischen Schlachthöfe                von den schlechten Läden getrennt, gute Mitarbeiter
in Brilon, Meschede und Marsberg haben auch einer                 sind geblieben und dann haben wir einiges verändert
nach dem anderen zugemacht. Wir dachten, wir ma-                  und den Durchbruch geschafft. Mittlerweile stehen
chen jetzt den regionalen Schlachthof.                            wir sehr gut da.

Wie haben Sie dann weitergemacht?                                 Wie ist Ihr Betrieb heute aufgestellt?
Geschlachtet haben wir zunächst für die Direktver-                Wir schlachten, wie gesagt, rund 120 Schweine und bis
markter, die teilweise heute noch unsere Kunden sind.             zu zwölf Rinder in der Woche. 80 Personen sind im
Unsere Wurst haben wir auf Wochenmärkten ver-                     Unternehmen beschäftigt, unter anderem zehn Flei-

                                                                                                                           183
Der kritische Agrarbericht 2021

scher in der Produktion, sechs Personen im Versand             Auch im Umweltschutz wollten wir immer schon
und rund 50 Personen im Verkauf, Außendienst und            vorn bleiben. Wir haben den Betrieb digitalisiert, in
Büro. Wir gehen immer direkt an den Endkunden:              ein eigenes Blockheizkraftwerk und eine Photovolta-
Wir betreiben acht Bedientheken im Einzelhandel hier        ikanlage viel Geld investiert. Jetzt messen und steuern
in der Region und betreuen rund 20 inhabergeführte          installierte Sensoren die komplette Produktion. Wir
Läden, in denen wir eigene SB-Truhen mit unseren            haben alle Maschinen und Aggregate so miteinander
Fleisch- und Wurstwaren aufstellen. Wir haben ein           verbunden, dass wir den Energiebedarf senken kön-
eigenes Logo »Wenn schon Fleisch, dann richtig« und         nen und vor allem die teuren Verbrauchsspitzen ab-
das läuft gut. Der regionale, selbstständige Kaufmann       fangen können. Solarenergie, Pufferspeicher für hei-
findet das auch gut, wenn so ein regionaler Schlachter      ßes Wasser und eine Wärmerückgewinnung aus den
bei ihm drin ist.                                           Kühlanlagen – damit sparen wir heute bereits rund
                                                            15.000 Euro für Strom und 10.000 Euro für die Er-
Bieten Sie auch weitere Dienstleistungen an?                zeugung von Heißwasser. Die Digitalisierung macht
Wir verarbeiten auch Wildfleisch und wir machen             den Betrieb auch für unseren Nachwuchs interessant.
nach wie vor Lohnschlachtungen. Wir sind auch bio-
zertifziert, aber der Verkauf von Bioware über die          Alle klagen über Fachkräftemangel – wie sieht es bei Ihnen
Läden ist nicht so gut angekommen. Daher machen             aus?
wir nur für unsere Direktvermarkterkunden und die           Wir legen großen Wert auf eigenes Fachpersonal und
Hofläden noch Bioware. Wir zerlegen, vakuumieren,           bezahlen bereits ab dem ersten Ausbildungsjahr über-
etikettieren nach deren Wünschen. Im Gegensatz zur          tarifliche Löhne, wenn die Schulnoten stimmen. Das
Industrie, die alles nur standardisiert kann, können        ergibt immerhin rund 16.000 Euro, hochgerechnet auf
wir das individuell machen. Das ist zwar aufwendig          die drei Berufschuljahre. Das motiviert. Wir müssen
und hat seinen Preis. Aber die Kunden akzeptieren           einfach den Beruf attraktiver machen! Wir selbst haben
das, wenn sie es einmal bei uns haben machen lassen.        kein Problem und auch unsere Betriebsnachfolge ist
                                                            geregelt: Die Tochter studiert Dual-Food-Management
Sie sagen, Ihr Absatzmarkt ist der Endkunde. Wie gewinnen   und der Sohn wird die Lehre zum Fleischer abschließen.
Sie Ihre Kunden?
Wir leben von der Mund-zu-Mund-Propaganda. Wir              Der Strukturwandel macht vor dem Fleischhandwerk nicht
machen viele Betriebsbesichtigungen für die Land-           Halt. Wie sehen Sie die Zukunft der Branche?
frauen, für Schützenvereine etc. Die kriegen dann eine      Ganz gut. Es gibt hier in der Region eine ganze Reihe
Wurstplatte, dann braten wir ein Steak und machen           gut aufgestellter Fleischereien mit jungen und kreati-
einen kleinen Kochkurs, gehen durch den Schlacht-           ven Unternehmern. Sie gehen nach vorne, haben sich
hof, besichtigen den Betrieb. Und am nächsten Tag er-       gut weiterentwickelt und werden auch in zehn Jahren
zählen die Leute das ihren Bekannten, Arbeitskollegen       noch dabei sein. Sie machen sehr Unterschiedliches,
und kaufen dann vor Ort unsere Ware. Es gab Zeiten,         sind kreativ, machen einfach was Neues. Probieren
da hätten wir aufgrund der Anfragen jeden Tag eine          aus. Sie bewegen sich – und das ist das Wichtigste. – Es
solche Betriebsführung machen können. Aber jetzt in         braucht schon Leidenschaft und eine Liebe zum Beruf!
Corona-Zeiten geht das ja sowieso nicht.
                                                            Das Interview führte Dr. Andrea Fink-Keßler.
Wie stellen Sie Ihren Betrieb für die Zukunft auf?
Für uns ist es wichtig, dass wir weiterhin eine gute
Verbindung zur Landwirtschaft haben und die be-
kommen wir nur mit der eigenen Schlachtung. Wir
investieren jetzt in die bauliche Erweiterung des Un-                           Ruth Scharfenbaum
                                                                                Scharfenbaum GmbH
ternehmens: mehr Tierschutz, einen besseren Stall                               www.scharfenbaum-gmbh.de
und besseren Eintrieb und einen neuen Schlachtraum.                             59929 Brilon-Madfeld
Das ist uns sehr wichtig. Und das ist auch den Kunden                           info@scharfenbaum-gmbh.de
wichtig. Außerdem planen wir zusammen mit einem
örtlichen Landwirt, ab dem nächsten Jahr auf Stroh-
schweine umzustellen. Die Pläne für diesen Umbau
liegen schon auf dem Tisch. Wir werden rund 1,5 Mil-
lionen Euro investieren, bleiben aber bei unserem                               Hans-Jörg Scharfenbaum
                                                                                Scharfenbaum GmbH
Schlachtumfang. Wir werden effizienter arbeiten kön-                            www.scharfenbaum-gmbh.de
nen. Dazu erweitern wir auch unsere ­Wursteküche                                59929 Brilon-Madfeld
um fast das Doppelte.                                                           info@scharfenbaum-gmbh.de

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