Jedes Alter zählt "Für mehr Wohlstand und Lebensqualität aller Generationen" - Eine demografiepolitische Bilanz der Bundesregierung zum Ende der ...
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Jede Alter zählt Die Demog der Bunde ©MetaDesign Logo für die Demografiestrategie der Bundesregierung I 29. März 2012 Jedes Alter zählt „Für mehr Wohlstand und Lebensqualität aller Generationen“ Eine demografiepolitische Bilanz der Bundesregierung zum Ende der 18. Legislaturperiode
Jedes Alter zählt „Für mehr Wohlstand und Lebensqualität aller Generationen“ Eine demografiepolitische Bilanz der Bundesregierung zum Ende der 18. Legislaturperiode
2 | INHALT Inhalt 1. Einleitung ................................................................................................................................................... 3 2. Zur demografischen Entwicklung in Deutschland ................................................................................. 4 2.1 Aktuelle Entwicklungen ....................................................................................................................................... 4 2.2 Konsequenzen für die längerfristige Entwicklung ......................................................................................... 5 3. Ziele und Handlungsrahmen der Bundesregierung ............................................................................... 9 3.1 Demografiepolitische Ziele vor dem Hintergrund alter und neuer Herausforderungen ....................... 9 3.2 Handlungsrahmen der Demografiepolitik der Bundesregierung ............................................................. 11 4. Maßnahmen und Entwicklungen in ausgewählten Handlungsfeldern ............................................. 12 4.1 Bildung ................................................................................................................................................................. 12 4.2 Jugend .................................................................................................................................................................. 12 4.3 Vereinbarkeit von Familie und Beruf ............................................................................................................... 13 4.4 Zuwanderung und Integration von Flüchtlingen ......................................................................................... 15 4.5 Fachkräftesicherung .......................................................................................................................................... 15 4.6 Gesundheit .......................................................................................................................................................... 16 4.7 Selbstbestimmtes Leben im Alter .................................................................................................................... 17 4.8 Soziale Sicherung im Alter ................................................................................................................................ 18 4.9 Sicherung der Pflege .......................................................................................................................................... 19 4.10 Bürgerschaftliches Engagement ..................................................................................................................... 19 4.11 Gleichwertige regionale Lebensverhältnisse ................................................................................................. 20 4.12 Forschung und Innovation ................................................................................................................................ 21 4.13 Solide und zukunftsorientierte öffentliche Finanzen .................................................................................. 22 5. Ausblick .................................................................................................................................................... 23 6. Anhang: Maßnahmen der Bundesregierung zur Gestaltung des demografischen Wandels in der 18. Legislaturperiode ...................................... 24
EINLEITUNG | 3 1. Einleitung Die Gestaltung des demografischen Wandels ist in Die Bundesregierung hat ihre Demografiestrategie von Deutschland zu einem zentralen Thema geworden. In 2012 im Jahr 2015 weiterentwickelt. Darin stellt sie die vielen Lebens- und Politikbereichen wurden dafür wich- vielschichtigen Herausforderungen und Chancen wie tige Weichen gestellt. Die Bildungspolitik hat einen hö- auch die Ziele und Maßnahmen bei der Gestaltung des heren Stellenwert bekommen und ist ein Politikbereich demografischen Wandels im Zusammenhang dar. Mit dem mit hohen Ausgabenzuwächsen. Mit dem Ausbau der vorliegenden Bericht zieht sie Bilanz zu den Veränderun- Betreuungsinfrastruktur und anderen Maßnahmen der gen und den wichtigsten bundespolitischen Maßnahmen Familienpolitik sind bessere Rahmenbedingungen für in der 18. Legislaturperiode. Sie geht damit auch auf ak- die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wie auch für die tuelle Entwicklungen und Herausforderungen durch die Erfüllung von Kinderwünschen entstanden. Das Alter Flüchtlingszuwanderung ein. Die darüber hinaus erzielten wird zunehmend vom Bild der gewonnenen Lebensjahre Ergebnisse des seit 2012 laufenden Arbeitsgruppenprozes- geprägt; die Perspektive eines längeren Arbeitens findet ses mit Partnern aus den Ländern, den Kommunen, der Eingang in die Arbeitswelt wie auch in die Ausgestaltung Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft zur Gestaltung der sozialen Sicherungssysteme. Innerhalb einer relativ des demografischen Wandels sind nicht Gegenstand dieses kurzen Zeit hat sich Deutschland für die Zuwanderung Berichts und werden gesondert dargestellt. von Fachkräften geöffnet und dafür liberale Rahmenbe- dingungen geschaffen.
4 | JEDES ALTER ZÄHLT 2. Zur demografischen Entwicklung in Deutschland 2.1 Aktuelle Entwicklungen Die demografische Lage in Deutschland hat sich in jüngs- 1990er-Jahren verlangsamt hat. Dies betrifft insbesondere ter Zeit verändert. Dazu beigetragen hat vor allem das Frauen. Damit hat sich auch die Differenz bei der Lebenser- Migrationsgeschehen der letzten zwei Jahre. Allein im Jahr wartung zwischen den Geschlechtern seit dem Jahr 2000 2015 sind netto 1,139 Millionen Personen zugewandert. für die Neugeborenen von 6 Jahren auf 4,9 Jahre und für Dahinter stehen ein Zuzug von 2,137 Millionen und ein 65-Jährige von 3,7 Jahren auf 3,2 Jahre verringert. Wegzug von 998 000 Personen. Der Wanderungssaldo ist seit den frühen 1990er-Jahren bis ins Jahr 2008 zunächst Der Zuwanderungsüberschuss der letzten Jahre hat dafür zurückgegangen. Seitdem ist er wieder stark gestiegen. Bei gesorgt, dass die Bevölkerungszahl gestiegen ist, obwohl der Nettozuwanderung des Jahres 2015 handelt es sich um die natürliche Bevölkerungsbilanz negativ war. 2 Am die höchsten Zuwanderungszahlen seit Beginn der Regis- 31. Dezember 2015 lebten in Deutschland 82,2 Millionen trierung im Jahr 1950. Für 2016 ist mit einem geringeren Menschen und damit fast zwei Millionen mehr als noch Wanderungsüberschuss zu rechnen; er wird voraussicht- 2011. Da ein Großteil der Zugewanderten vergleichsweise lich aber immer noch weitaus höher liegen als im Jahr jung ist, ist auch die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter 2014 (550 000 Personen). von 20 bis 64 Jahren seit 2011 gestiegen (plus 881 000). Dies hat zum Anstieg der Erwerbstätigkeit beigetragen. Bei der Entwicklung der Geburtenrate deutet sich eine Veränderung an. Dafür spricht der Anstieg bei der soge- Die Bevölkerung in Deutschland ist in den letzten Jahren nannten endgültigen Kinderzahl von Frauenjahrgängen. bezogen auf ihre Herkunft zudem vielfältiger geworden. Bis zum Geburtsjahrgang 1968 ist der Wert jahrzehnte- Ende 2015 setzte sie sich aus 73,5 Millionen Deutschen lang kontinuierlich zurückgegangen. Der Geburtsjahrgang und 8,7 Millionen Ausländern zusammen. 17,1 Millionen 1968 hat mit 1,49 Kindern je Frau die niedrigste Kinder- Menschen verfügten über einen Migrationshintergrund. 3 zahl. Dieser Rückgang scheint nun gestoppt. Vorausbe- Der Anteil der ausländischen Personen ist gegenüber 2011 rechnungen zeigen, dass Frauen, die in den 1970er-Jahren um 2,6 Prozentpunkte gestiegen; der Anteil von Menschen geboren sind, wieder etwas mehr Kinder zur Welt bringen, mit einem Migrationshintergrund um 2,5 Prozentpunkte. 1973 Geborene etwa 1,56. 1 Für die nachfolgenden Jahrgän- Von den 11,5 Millionen Personen, die nicht nur über einen ge bis 1980 zeichnet sich ein weiterer Anstieg auf knapp Migrationshintergrund, sondern auch über eigene Migra- 1,6 Kinder ab. tionserfahrungen verfügen, stammen 37,6 Prozent aus den EU-Mitgliedstaaten. Weitere 31,2 Prozent stammen aus an- Die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland deren europäischen Ländern mit der Türkei (11,9 Prozent) beträgt bei Geburt für Männer 78,2 Jahre und für Frauen und der Russischen Föderation (8,4 Prozent) als den wich- 83,1 Jahre. 65-jährige Männer können derzeit im Durch- tigsten Herkunftsstaaten. schnitt noch mit weiteren 17,7 Jahren Lebenszeit rechnen, gleichaltrige Frauen mit 20,9 Jahren. Im Durchschnitt der Trotz der hohen Zuwanderung vor allem junger Menschen letzten Jahrzehnte erhöhte sich die Lebenserwartung um hat sich die Alterung der Bevölkerung auch in den letzten rund 2,6 Monate pro Jahr, wobei vor allem die Sterblich- Jahren fortgesetzt. Während 2011 auf 100 Personen im Alter keit in den höheren Altersgruppen abnimmt. Eine diffe- von 20 bis 64 Jahren rund 34 Personen ab 65 Jahre entfielen, renzierte Betrachtung der zeitlichen Entwicklung zeigt lag dieser Wert 2015 bereits bei 35 Personen. für die letzten Jahre, dass sich das Tempo der steigen- den Lebenserwartung im Vergleich zu den 1980er- und 2 ie natürliche Bevölkerungsbilanz bezeichnet den Saldo zwischen Lebendge- D borenen und Gestorbenen. 3 Zu den Menschen mit Migrationshintergrund (im weiteren Sinn) zählen nach der 1 Bujard, Martin; Sulak, Harun (2016): Mehr Kinderlose oder weniger Kinder- Definition im Mikrozensus „alle nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundesre- reiche? In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 68 (3), publik Deutschland Zugewanderten, sowie alle in Deutschland geborenen Aus- S. 487-514. länder und alle in Deutschland als Deutsche Geborenen mit zumindest einem zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil“.
ZUR DEMOGRAFISCHEN ENTWICKLUNG IN DEUTSCHLAND | 5 2.2 Konsequenzen für die längerfristige Entwicklung Die jüngsten Entwicklungen der Migration, aber auch bei Wanderungssaldo von 100 000 und einem von 200 000 je- der Geburtenrate, werfen die Frage auf, ob die Annahmen weils ab dem Jahr 2021. Diese Annahmen wurden allerdings bestehender Vorausberechnungen aus heutiger Sicht noch vor der starken Veränderung des Migrationsgeschehens realistisch erscheinen. Diese Entwicklungen haben vor allem getroffen; schon Ende 2015 lag die tatsächliche Bevölke- kurz- und mittelfristig Konsequenzen für die Entwicklung rungszahl um 0,8 Millionen Einwohner über der Voraus- der Bevölkerungsgröße und der Altersstruktur. Der hohe berechnung. Aus bevölkerungswissenschaftlicher Sicht 4 Wanderungssaldo des Jahres 2015 lässt sich zwar nicht ein- erscheint auch eine höhere dauerhafte Zuwanderung von fach fortschreiben. Allerdings sind die Annahmen der Bevöl- 300 000 möglich. Ein Wanderungssaldo dieser Größenord- kerungsvorausberechnungen, die vor der Flüchtlingsmigra- nung läge über dem langjährigen Durchschnitt der Jahre tion gemacht wurden, aus heutiger Sicht neu zu bewerten. 1950–2015 mit 193 000 Personen und würde dem Durch- schnitt der Jahre seit 1990 mit 297 000 Personen pro Jahr Die 13. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung des entsprechen (vgl. Abbildung 1). Statistischen Bundesamtes von Anfang 2015 skizziert Sze- narien bis zum Jahr 2060. Für die Migration wird von zwei alternativen Annahmen ausgegangen: einem langfristigen Quelle: Bujard/Dreschmitt (2016) a.a.O., S. 341 4 ujard, Martin; Dreschmitt, Kai (2016): Szenarien der Bevölkerungsentwick- B lung bis 2060. Wie beeinflussen Migration und Geburten Deutschlands Zu- kunft? In: Gesellschaft, Wirtschaft, Politik 65 (3), S.333-345.
6 | JEDES ALTER ZÄHLT Die Abbildung verdeutlicht auch, dass die Wanderungssal- Ob Deutschlands Einwohnerzahl bis 2060 zurückgehen den der letzten Jahrzehnte sehr schwankend waren und in wird, ist aus bevölkerungswissenschaftlicher Sicht somit Wellen verlaufen. Keine dieser Wellen ließ sich im Voraus noch offen. 6 Die Alterung der Bevölkerung würde jedoch prognostizieren. Einer Einwanderungswelle ist stets auch bei allen genannten Szenarien deutlich fortschreiten. So eine Rückwanderungswelle gefolgt. Insofern liegt es nahe, würde der Altenquotient bei einem Wanderungssaldo von für Vorausberechnungen einen langfristigen Durchschnitt 300 000 Personen nur moderat geringer ausfallen als bei des zukünftigen Wanderungssaldos abzuschätzen. den Varianten mit geringerer Zuwanderung. Der Anteil junger Menschen und der damit zusammenhängende Ju- Die 13. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung gendquotient werden sich nach heutigen Einschätzungen des Statistischen Bundesamtes kommt in den mittle- in den nächsten Jahrzehnten nur wenig verändern; der ren Szenarien zu einem deutlichen Bevölkerungsrück- Anteil älterer Personen ab 65 Jahre und damit auch der gang bis 2060. Unter der Annahme eines gleichbleiben- Altenquotient hingegen steigen deutlich an. Vor allem die den Geburtenniveaus (1,4 Kinder je Frau) würden 2060 geburtenstarken Jahrgänge der Mitte der 1950er- bis Ende rund 67,6 Millionen Menschen in Deutschland leben bei der 1960er-Jahre geborenen Babyboom-Generation trei- einem langfristigen Wanderungssaldo von 100 000 bzw. ben den Alterungsprozess in den nächsten Jahren maß- 73,1 Millionen Menschen bei einer langfristigen Zuwan- geblich voran. derung von jährlich 200 000 Personen. Der Altenquotient würde – je nach Wanderungsannahme und verwendeter 6 Bujard, Martin; Dreschmitt, Kai (2016) a.a.O. Altersabgrenzung – etwa das 1,5-Fache bis das Doppelte des heutigen Wertes betragen. Bei einem Wanderungssaldo von 300 000 kombiniert mit einer Geburtenrate von 1,6 und einem stärkeren Anstieg der Lebenserwartung würde dagegen die Einwohnerzahl in Deutschland bis 2060 ungefähr auf dem heutigen Stand stabil bleiben. 5 5 Die 13. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bun- desamtes weist ebenfalls eine Modellrechnung mit einem jährlichen Zuwan- derungssaldo von 300 000 Personen auf, kombiniert diese Annahme jedoch mit der Annahme einer Geburtenziffer von 1,4 Kindern je Frau.
ZUR DEMOGRAFISCHEN ENTWICKLUNG IN DEUTSCHLAND | 7 Quelle: Statistisches Bundesamt, Berechnungen: BiB Das ifo Institut 7 kommt auf Basis der Zahlen vor der Im Jahr 2016 gab es Studien, die den Einfluss der hohen Flüchtlingsmigration von 2015 zu ähnlichen Ergebnis- Zuwanderung aus dem Jahr 2015 berücksichtigen und sen in der langfristigen Entwicklung wie das Statistische auch in den Folgejahren eine höhere Nettozuwanderung Bundesamt. Auch bei höheren Zuwanderungszahlen wird als das Statistische Bundesamt unterstellen (siehe Tabel- die Bevölkerung bis 2060 langfristig schrumpfen und vor le 1): Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) 8 legt eine allem altern. Den Schwerpunkt der Alterung und eine Bevölkerungsprojektion vor, wonach die Bevölkerung bis besondere Herausforderung stellen die Babyboomer- 2022 auf 83,9 Millionen ansteigt und im Jahr 2035 bei 83,1 Generationen dar. In naher Zukunft werden in wenigen Millionen liegt – also etwa 1 Million höher als Ende 2015 aufeinanderfolgenden Jahren 13 Millionen Babyboomer und um rund 3 Millionen höher als nach den Berechnun- die Regelaltersgrenze erreichen. gen des Statistischen Bundesamtes. Die Bevölkerungs- 7 Bomsdorf, Eckart; Winkelhausen, Jörg (2014): Der demographische Wandel 8 Deschermeier, Philipp (2016): Einfluss der Zuwanderung auf die demografi- bleibt ungebrochen – trotz höherer Zuwanderung. In: ifo Schnelldienst sche Entwicklung in Deutschland. In: IW-Trends 2/2016. 22/2014: 15-34.
8 | JEDES ALTER ZÄHLT Tabelle 1: Eckdaten der Bevölkerungsvorausberechnung für das Jahr 2035 2035 2015 Statistisches Bundesamt IW 2016 BIBB 2016 IAB 2016 2015 (V 2) Bevölkerung insgesamt (Mio.) 82,2 80,0 83,1 82,1 80,1 Erwerbsbevölkerung (Mio.) a) 49,8 45,1 47,6 c) c) Altenquotient (in %) b) 34,7 46,8 44,9 - c) a) Bevölkerung im Alter von 20 bis unter 65 Jahre (2015) bzw. von 20 bis unter 67 Jahre (2035). b) 65-Jährige und Ältere (2015) bzw. 67-Jährige und Ältere (2035) je 100 Personen im erwerbsfähigen Alter. c) Nicht vergleichbar, da andere Abgrenzung. Zusammenfassend ist festzuhalten: projektion des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) 9 1. Die aktuelle Zuwanderung wird die Alterung der Bevölke- zeigt einen ähnlichen Verlauf und eine Bevölkerungszahl rung bis 2035 nicht wesentlich verlangsamen. 2035 von 82,1 Millionen. Die Studie des Instituts für Ar- beitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) 10 kommt dagegen 2. Eine weiterhin hohe Nettozuwanderung würde zu einer auf einen leichten Rückgang der Bevölkerung bis 2035 auf Stabilisierung der Bevölkerungszahl auf etwa dem heuti- 80,1 Millionen. Alle diese Studien betonen, dass auch die- gen Niveau und einem deutlich verminderten Rückgang se Entwicklung der Bevölkerungszahl eine Alterung der der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter führen. Ver- Gesellschaft nicht verhindert. gleichbares gilt langfristig bis zum Jahre 2060, wenn die jährliche Zuwanderung auf dem jahresdurchschnittlichen Das Deutsche Institut für Wirtschaft (DIW) 11 berechnet eine Niveau seit der deutschen Wiedervereinigung liegen und kurzfristigere Projektion bis 2020, bei der die Auswirkun- der aktuell zu beobachtende moderate Anstieg der Gebur- gen auf den Arbeitsmarkt und das Produktionspotenzial im tenrate sich als dauerhaft erweisen würde. Mittelpunkt stehen. Sie verdeutlicht, dass die als Flüchtlin- ge zugewanderte, junge Bevölkerung sprachbedingt nicht 3. Wie sich die durch überwiegend junge Zuwanderer stei- automatisch in gleicher Intensität dem Arbeitsmarkt zur gende Bevölkerungszahl auf die Erwerbstätigkeit auswirkt, Verfügung stehen wird wie die Arbeitsmigranten. hängt von ihrer Integration in den Arbeitsmarkt ab. Die vier skizzierten Studien zeigen, dass auch nach der 4. Die Heterogenität, insbesondere die vielseitige Herkunft Flüchtlingsmigration die Annahmen zum zukünftigen der in Deutschland lebenden Menschen, wird mittel- wie Wanderungssaldo stark unterschiedlich sind. Als Beispiel langfristig weiter zunehmen. verdeutlichen dies die Annahmen für das Jahr 2017, die zwischen 693 000 (IW), 450 000 (BIBB), 258 000 (IAB) und 5. Hinzu kommt, dass der demografische Wandel innerhalb 228 000 (DIW) liegen. Es gibt daher auch nicht eine ein- Deutschlands sehr unterschiedlich verlaufen wird. Neben zelne bestimmte Zahl zur Bevölkerungsgröße in 10 oder Regionen mit Bevölkerungsverlusten und einer relativ star- 20 Jahren, jedoch einen aus heutiger Sicht realistischen ken Alterung stehen weithin wachsende Regionen, die vom Korridor: Bis zum Jahr 2035 wird eine Bevölkerungszahl Zuzug insbesondere jüngerer Menschen profitieren.12 zwischen 80 und 83 Millionen erwartet, also teilweise ein leichter Anstieg und teilweise ein leichter Rückgang. Bei allen Vorausberechnungen ist zu beachten, dass es sich um Modellrechnungen handelt und deshalb ihre Ergebnisse jeweils von den getroffenen Annahmen abhängen. Sie sind 9 Maier, Tobias; Zika, Gerd; Wolter, Marc Ingo; Kalinowski, Michael; Neuber-Pohl, Caroline (2016): „Die Bevölkerung wächst – Engpässe bei fachlichen Tätigkeiten nicht als Prognosen zu verstehen. Sie verwenden ein Spek- bleiben aber dennoch bestehen“. In: BIBB Report 3/2016. trum an verschiedenen, plausiblen Annahmen, um „statis- 10 Fuchs, Johann; Söhnlein, Doris; Weber, Brigitte; Weber, Enzo (2016): Ein in- tegriertes Modell zur Schätzung von Arbeitskräfteangebot und Bevölkerung. tisch fundiert demografische Strukturen fort(zu)schreiben“. 13 In: IAB-Forschungsbericht 10/2016. 11 DIW (2016): Mittelfristige Projektion und Auswirkungen der Flüchtlings 12 Vgl. hierzu näher Kapitel 4.10. migration auf das Produktionspotenzial. In: DIW Wochenbericht 16/2016. 13 ötzsch, Olga (2016): (Un-)Sicherheiten der Bevölkerungsvorausberechnungen. P WiSta 4/2016: 36-53.
ZIELE UND HANDLUNGSRAHMEN DER BUNDESREGIERUNG | 9 3. Ziele und Handlungsrahmen der Bundesregierung 3.1 Demografiepolitische Ziele vor dem Hintergrund alter und neuer Herausforderungen Die am 2. September 2015 von der Bundesregierung be- Erwerbstätigkeit ist für Deutschland eine zentrale Voraus- schlossene weiterentwickelte Demografiestrategie zielt setzung für Wohlstand und Wachstum wie auch für solide darauf ab, öffentliche Finanzen und leistungsfähige soziale Siche- rungssysteme. Mit ihrer Investitionsstrategie verbessert die ■■das wirtschaftliche Wachstumspotenzial zu stärken, um Bundesregierung darüber hinaus die Rahmenbedingungen den erreichten materiellen Wohlstand fortzuentwickeln für private Investitionen und wirkt dem Substanzverlust der und an künftige Generationen weitergeben zu können, öffentlichen Infrastruktur entgegen. ■■den sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu Die hohe Nettozuwanderung insbesondere jüngerer Men- bewahren und zu fördern – in den Familien, zwischen den schen wird voraussichtlich dazu führen, dass die Bevölke- Generationen, zwischen Kranken und Gesunden, Wohl- rung im erwerbsfähigen Alter bis Mitte der 2030er-Jahre in habenden und weniger Wohlhabenden, Menschen mit deutlich geringerem Maße zurückgeht als bislang erwartet. und ohne Behinderungen sowie zwischen Menschen mit Dies verbessert die Chancen, die Erwerbstätigkeit auf einem unterschiedlichem kulturellem Hintergrund, sehr hohen Niveau zu stabilisieren. Dazu muss es insbeson- dere gelingen, einen großen Anteil der Schutzsuchenden, ■■die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse und eine die in Deutschland eine gute Bleibeperspektive haben und hohe Lebensqualität in den vom demografischen Wandel hier auch längerfristig bleiben wollen, in den Arbeitsmarkt sehr unterschiedlich betroffenen ländlichen und städti- und die Gesellschaft zu integrieren. Nach den vorliegenden schen Regionen zu befördern und Erfahrungen wird dies nicht einfach sein und länger dauern als zunächst vielfach erhofft. Vor allem die Bildung im All- ■■durch solide Finanzen die Handlungsfähigkeit des Staates, gemeinen und die berufliche Bildung im Besonderen stehen die Verlässlichkeit der sozialen Sicherungssysteme und vor großen Aufgaben. Wie in Kapitel 4 dargestellt, haben einen attraktiven und modernen öffentlichen Dienst Bund und Länder dafür mit einem aufeinander abgestimm- dauerhaft zu gewährleisten. ten Konzept des Förderns und Forderns entscheidende Wei- chen gestellt. Diese Zielsetzungen bleiben für die Bundesregierung maß- geblich, erhalten jedoch vor dem Hintergrund der aktuellen Neben der Zuwanderung von Fachkräften und der Arbeits- Entwicklungen und ihrer voraussichtlichen Auswirkungen marktintegration von Schutzsuchenden gilt es vor allem, die auf die längerfristige demografische Entwicklung teilweise Erwerbsbeteiligung der einheimischen Bevölkerung weiter neue Akzentuierungen. zu erhöhen. Ein Schlüssel dazu liegt ebenfalls bei Investi- tionen in gute Bildung. Zentrales Ziel der Demografiepoli- Wohlstand bei demografischer Alterung sichern tik der Bundesregierung ist es, dass jede und jeder ihre bzw. Mit der Alterung der Bevölkerung wird ab Mitte des nächsten seine Fähigkeiten und Talente bestmöglich entfalten kann, Jahrzehnts das Gewicht der im Berufsleben stehenden Jahr- unabhängig von sozialer und familiärer Herkunft. Dazu gänge im Vergleich zu den älteren Jahrgängen deutlich ab- sind wichtige Voraussetzungen geschaffen worden. Das Bil- nehmen. Wohlstand im demografischen Wandel zu sichern, dungssystem ist in den vergangenen Jahren durchlässiger, bedeutet daher vor allem Wege zu finden, um gleichwohl anschluss- und leistungsfähiger geworden. die Zahl der gut qualifizierten Erwerbstätigen längerfristig, das heißt weit über das Jahr 2030 hinaus, auf einem ho- hen Niveau zu halten. Denn ein hohes Niveau qualifizierter
10 | JEDES ALTER ZÄHLT Ein weiterer Schlüssel ist die Entwicklung einer Beschäfti- gungskultur, die die Potenziale aller Bevölkerungsgruppen nutzt. Dies gilt für Frauen, aber auch für Ältere, Menschen mit Migrationshintergrund, Arbeitslose und Menschen - mit Behinderungen. Wie im nächsten Kapitel ausgeführt, ist Deutschland auf dem Weg zu einer solchen integrati- ven Beschäftigungskultur vorangekommen. Die Erfolge Die Bundesregierung hat frühzeitig Maßnahmen zur auf dem Arbeitsmarkt und das erreichte Rekordniveau bei Steuerung des hohen Migrationsdrucks nach Europa ein- der Erwerbstätigkeit wären ohne diese Fortschritte nicht geleitet. Insbesondere den EU-Migrationspartnerschaften möglich gewesen. kommt eine wichtige Rolle bei der Rückübernahme von Migrantinnen und Migranten, dem Grenzmanagement Zusammenhalt in einer vielfältigeren, und der Schleuserbekämpfung zu. Angesichts des weltwei- offenen Gesellschaft stärken ten Bevölkerungswachstums, das sich im 21. Jahrhundert Demografische Alterung, Zuwanderung und Wertewandel vor allem auf Südasien, den Nahen Osten und Afrika kon- führen zu einer größeren Vielfalt in der Bevölkerung. zentriert, gilt es zudem, mit langfristigen Entwicklungs- Aus vielen Kulturen zusammengesetzte Schulklassen, das maßnahmen und einer Verstärkung der wirtschaftlichen Nebeneinander unterschiedlicher Familienformen, nach Zusammenarbeit Fluchtursachen zu bekämpfen. Initiativen Alter, Geschlecht und Herkunft gemischte Teams in den dazu werden zukünftig noch an Gewicht gewinnen. Betrieben und eine wachsende Zahl vernetzter, mobiler und gesunder, aber auch einsamer, hilfe- und pflegebedürftiger Gleichwertige Lebensverhältnisse älterer Menschen sind nur einige Facetten dieser wachsen- in Stadt und Land fördern den Vielfalt. Der demografische Wandel verläuft regional sehr unter- schiedlich. Wirtschaftsstarke Regionen und Ballungsräume Mit Vielfalt sind Chancen verbunden, zum Beispiel für die profitieren vom Zuzug insbesondere jüngerer Menschen. In Innovationsfähigkeit und den Erwerb von Kompetenzen, die strukturschwächeren ländlichen und städtischen Regionen den Erfolg unserer Wirtschaft auf ausländischen Märkten nimmt die Einwohnerzahl ab. Damit sind für viele Regionen bestimmen. Vielfalt bringt aber auch Herausforderungen Herausforderungen bei der Sicherung ihrer wirtschaftlichen für unsere Gesellschaft mit sich, weil die Schnittmenge an Entwicklungsperspektive wie auch ein Anpassungsbedarf gemeinsamem Wissen, geteilten Erfahrungen und Werten bei Infrastrukturen und zur Sicherung der Daseinsvorsorge kleiner werden kann. Die Bundesregierung will dazu bei für die Bevölkerung verbunden. tragen, dass sich alle gesellschaftlichen Gruppen in Deutsch- land als Teil eines gemeinsamen Ganzen und nicht als Vor diesem Hintergrund bleibt die Herstellung gleichwer- Konkurrenten oder gar Gegner verstehen. Die Förderung tiger Lebensbedingungen in allen Regionen Deutschlands des gesellschaftlichen Zusammenhalts, d. h. insbesondere ein zentrales Ziel der Demografiepolitik der Bundesregie- belastbarer sozialer Beziehungen und der Gemeinwohlorien- rung. Sie hat dazu mit der Neuordnung der Bund-Länder- tierung, ist daher ein zentrales Ziel ihrer Demografiepolitik. Finanzbeziehungen in dieser Legislaturperiode eine entscheidende Voraussetzung für die kommenden Jahre Mit ihrer weiterentwickelten Demografiestrategie verfolgt geschaffen. Auch Zuwanderung und Integration kön- sie dabei eine Reihe von Ansatzpunkten. Sie reichen über die nen bei allen damit verbundenen Herausforderungen in Stärkung der Familien, die Förderung einer jugendgerechten ländlichen Regionen helfen, Infrastrukturen zu erhalten, und inklusiven Gesellschaft wie auch eines selbstbestimm- Stadt- und Dorfkerne wiederzubeleben und die regionale ten Lebens im Alter bis zur Unterstützung des ehrenamtli- Arbeitskräftebasis zu stärken. chen Engagements, der Sicherung einer qualitativ hoch- wertigen Pflege und der Förderung der Gesundheit in jedem Ein Schlüsselfaktor für den demografischen Wandel ins- Lebensalter. Kapitel 4 verdeutlicht an einigen Beispielen noch gesamt ist schließlich die Digitalisierung, d. h. die welt bestehende Herausforderungen, zeigt aber auch, dass sich weite Durchdringung und Vernetzung von Wirtschaft und vieles in den letzten Jahren positiv entwickelt hat. Gesellschaft mithilfe von Informations- und Kommunika tionstechnologie. Sie wird sich langfristig auf nahezu Die hohe Zuwanderung im Jahr 2015 hat teilweise beste- alle Lebensbereiche auswirken. Telemedizin und digitale hende Ängste verstärkt und Teile der Bevölkerung verun- Technologien können beispielsweise im Gesundheits- und sichert. Sie hat aber auch eine bis heute anhaltende große Pflegesektor dazu beitragen, die Produktivität zu erhöhen Welle der Hilfsbereitschaft und des bürgerschaftlichen und die Versorgungsqualität zu verbessern, eine besondere
ZIELE UND HANDLUNGSRAHMEN DER BUNDESREGIERUNG | 11 Chance gerade für die ländlichen Räume. Darüber hinaus In Kapitel 4 werden in ausgewählten Lebens- und Politik- können Produktivitätssteigerungen in anderen Berei- bereichen wichtige Entwicklungen und die Tätigkeit der chen die alternde Gesellschaft entlasten. Bundesregierung bilanziert. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit und Handhabbarkeit konzentriert sich dieses Durch solide öffentliche Finanzen für die Kapitel auf die aus demografiepolitischer Sicht wichtigs- nächsten Generationen vorsorgen ten Maßnahmen, die in dieser Legislaturperiode durch die Der demografische Wandel wird die öffentlichen Haus- Bundesregierung teilweise oder bereits vollständig umge- halte und die sozialen Sicherungssysteme vor erhebliche setzt wurden. Ergänzend findet sich im Anhang eine nach Herausforderungen stellen. Problematisch ist vor allem Politikfeldern geordnete Dokumentation von Einzelmaß- die Alterung unserer Gesellschaft, die die sozialen Siche- nahmen der Bundesregierung zur Gestaltung des demo- rungssysteme belasten und den Druck auf die öffentli- grafischen Wandels. Die Ergebnisse aus dem Arbeitsgrup- chen Haushalte erhöhen wird. Es ist daher eine langfris- penprozess werden, wie bereits eingangs erwähnt, in einem tig tragfähige Finanzpolitik erforderlich, die frühzeitig gesonderten Bericht publiziert. Maßnahmen ergreift, um Vorsorge für kommende Gene- rationen zu treffen und diese Entwicklung abzufedern. Mit Einführung der Schuldenregel wurden in Deutsch- land die Grundlagen für tragfähige öffentliche Finanzen gestärkt. Im Grundgesetz wurde als zentraler finanzpoliti- scher Maßstab verankert, dass die Ausgaben nicht dauer haft über Kreditaufnahme finanziert werden dürfen. Für die Politik der Bundesregierung ist die Schulden- regel eine zentrale Leitplanke. Sie hat durch eine wachs- tumsorientierte Haushaltskonsolidierung finanzpolitisch die Wende zu ausgeglichenen Haushalten vollzogen. Die Schuldenstandsquote sinkt. Dies stärkt die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen als Grundvoraus- setzung für die Handlungsfähigkeit des Staates jetzt und in der Zukunft; insbesondere als Beitrag zur Generatio- nengerechtigkeit. 3.2 Handlungsrahmen der Demografiepolitik der Bundesregierung Um ihre demografiepolitischen Ziele zu erreichen, geht die Bundesregierung mehrgleisig vor. Sie stärkt mit der Demografiestrategie zum einen die Zusammenarbeit der Bundesressorts und führt zum anderen einen Dialog- und Arbeitsgruppenprozess mit Vertreterinnen und Vertretern aller staatlichen Ebenen, der Wirtschaft, den Sozialpartnern, den Verbänden, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft (Gestaltungspartner). Schließlich wird über den Anfang 2014 eingeführten Demografie-Check sichergestellt, dass bei Gesetzen und Verordnungen der Bundesregierung die spezifisch demografischen Auswirkungen geprüft werden und das Ergebnis der Prüfung in der Begründung des Recht setzungsvorhabens dargestellt wird.
12 | JEDES ALTER ZÄHLT 4. Maßnahmen und Entwicklungen in ausgewählten Handlungsfeldern 4.1 Bildung Für eine dynamische und teilhabeorientierte Gesellschaft selbstverständlich wird, hat der Bund zahlreiche Initiativen ist Bildung eine zentrale Voraussetzung. In einer zugleich und Fördervorhaben auf den Weg gebracht. Hierzu zählen alternden Gesellschaft mit langfristig abnehmender Er- beispielsweise die Initiative „Bildungsketten bis zum Aus- werbsbevölkerung gilt es mehr denn je, jede Einzelne und bildungsabschluss“ inklusive des Berufsorientierungspro- jeden Einzelnen zu fördern. Bildungsstand und Bildungs- gramms und der Berufseinstiegsbegleitung, die „Initiative beteiligung in Deutschland sind in den letzten Jahren zur Gewinnung von Studienabbrecherinnen und -abbrechern in allen Bildungsbereichen gestiegen. Die PISA-Studien für die berufliche Bildung“ sowie die Weiterentwicklung zeigen: In den vergangenen 15 Jahren haben sich die Kom- des bewährten „Meister-BAföG“ zu einem modernen „Auf- petenzen von Schülerinnen und Schülern im Lesen, der stiegs-BAföG“ unter anderem durch die Öffnung für Bache- Mathematik und in den Naturwissenschaften im Sekundar- lorabsolventen. Auch die Berufseinstiegsbegleitung ist eins bereich I verbessert; sie liegen mittlerweile deutlich über der Kernelemente der Initiative Bildungsketten. Um den dem OECD-Durchschnitt. Der Trend zu höheren Schul- Anforderungen für das Lernen und Arbeiten in der digita- abschlüssen ist ungebrochen. Die Zahl der Studienanfän- len Gesellschaft gerecht zu werden, legt die neue Initiative ger übersteigt in 2015 mit 58 Prozent erneut deutlich die „Berufsbildung 4.0“ den Schwerpunkt auf die Förderung der von Bund und Ländern gesetzte Zielmarke von 40 Prozent Digitalisierung in der beruflichen Bildung. eines Jahrgangs. Trotz der Verbesserungen bei der Chan- cengleichheit hat aber die soziale Herkunft noch immer Mit dem Hochschulpakt 2020 wird auch bei steigenden großen Einfluss auf die Bildungs- und Zukunftschancen Studienanfängerzahlen ein bedarfsgerechtes Studienan- junger Menschen. gebot sichergestellt und eine hohe Qualität des Studiums gewährleistet. Mit dem „Qualitätspakt Lehre“ unterstützt Um die berufliche Bildung zu stärken, hat die Bundes- der Bund bessere Studienbedingungen und mehr Qualität regierung im Dezember 2014 mit Vertretern der Wirt- in der Lehre. Seit 2015 finanziert der Bund zudem vollstän- schaft, der Gewerkschaften, der Bundesagentur für Arbeit dig die Geldleistungen für Schülerinnen und Schüler sowie (BA) und der Länder die „Allianz für Aus- und Weiterbil- Studierende nach dem BAföG und hat ab dem Winterse- dung“ gegründet. Zahlreiche Maßnahmen wurden auf mester 2016/2017 die Bedarfssätze sowie die Einkommens- den Weg gebracht. Die Anzahl der bei der BA gemeldeten freibeträge um jeweils 7 Prozent erhöht. betrieblichen Ausbildungsplätze wurde deutlich erhöht, ein gemeinsames Konzept zur Vermittlung und Nachver- mittlung in Ausbildung erarbeitet und das neue Förderin- strument der „Assistierten Ausbildung“ zur Unterstützung 4.2 Jugend von jungen Menschen mit schlechten Startchancen und von Betrieben befristet eingeführt. Weiterhin wurde der förderungsfähige Personenkreis für ausbildungsbeglei- Die demografische Entwicklung verändert die Lebenswelten. tende Hilfen ausgeweitet. Wesentliche Aufgabe bleibt es, Dies gilt auch für die Bedingungen des Aufwachsens und die ein breites Angebot an betrieblichen Ausbildungsplätzen Entfaltungsmöglichkeiten junger Menschen. Ihre Bedürfnisse sicherzustellen sowie das betriebliche Angebot und die sind für die Bundesregierung genauso wichtig wie die Bedürf- Nachfrage der Jugendlichen zusammenzuführen – insbe- nisse der Menschen in anderen Altersgruppen. sondere regional und branchenspezifisch. Die Verwirklichung von Bildungs- und Teilhabechancen für Damit noch mehr junge Menschen einen Berufsab- alle Kinder und Jugendlichen sowie ein ausgewogener Qua- schluss erreichen und damit auf jeden Abschluss ein guter lifikationsmix zwischen beruflicher und akademischer Aus- Anschluss folgt, sodass Weiterlernen für jeden und jede bildung sind zentrale Ziele der Bundesregierung. Dabei wird
MASSNAHMEN UND ENTWICKLUNGEN IN AUSGEWÄHLTEN HANDLUNGSFELDERN | 13 zukünftig eine höhere Flexibilität und größere Durchlässig- zu (re-)integrieren. Mit rund 100 000 Eintritten in die be- keit der Bildungswege in alle Richtungen immer wichtiger rufsabschlussbezogene Aus- und Weiterbildung innerhalb werden. von drei Jahren kann das Programm „Ausbildung wird was – Spätstarter gesucht“ eine positive Bilanz ziehen. Mit seinem System der allgemeinen und beruflichen Bil- Auf Grundlage des Gesetzes zur Stärkung der beruflichen dung ist Deutschland weltweites Vorbild, wenn es darum Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Ar- geht, jungen Menschen eine berufliche Perspektive zu beitslosenversicherung (AWStG) wurde die Initiative zum geben und sie in Arbeit zu bringen. Zu diesem Ergebnis 1. August 2016 fortentwickelt und als „Zukunftsstarter- kommt etwa die OECD.14 Gleichwohl befindet sich ein Teil Initiative“ weitergeführt. Ziel ist es, bis Ende 2020 120 000 der jungen Menschen am Beginn ihrer Erwerbslaufbahn junge Teilnehmerinnen und Teilnehmer für eine berufsab- in atypischen Beschäftigungsverhältnissen und auch nach schlussorientierte Qualifizierung zu gewinnen. erfolgreich abgeschlossener Ausbildung ist ein Teil der Ab- solventinnen und Absolventen erst einmal arbeitslos. Die Bundesregierung setzt sich mit der Initiative „JUGEND 4.3 Vereinbarkeit von Familie STÄRKEN“ dafür ein, sozial benachteiligten und indivi- und Beruf duell beeinträchtigten jungen Menschen eine Perspektive auf einen Einstieg in Ausbildung und Arbeit zu geben. Ziel ist, ihnen die Chance auf persönliche Entfaltung der eige- Verbundenheit und Solidarität in einer Gesellschaft sind für nen Fähigkeiten und einen Zugang zur gesellschaftlichen die Gestaltung des demografischen Wandels unerlässlich. Sie Integration und Teilhabe zu eröffnen. Bundesweit wird zeigen sich besonders stark innerhalb von Familien. Daher ist dazu ein Netz „sozialer Dienste“ für Jugendliche und junge es Ziel der Bundesregierung, Familien zu stärken und zu ent- Erwachsene in prekären Lebenskonstellationen geför- lasten. Zudem sollen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf dert. Die Angebote zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich für Mütter wie für Väter gefördert und die Erwerbstätigkeit an den individuellen Lagen der jungen Menschen, ihren von Frauen weiter gestärkt werden. Dies entspricht auch den Bedarfen, Kompetenzen und Wünschen orientieren. Wo Erwartungen der Bevölkerung, die Maßnahmen zur Verbes- erforderlich, setzen die Hilfen bei der Schule an und bezie- serung der Vereinbarkeit ganz oben auf der politischen Agen- hen diese als wichtigen Partner mit ein. Auf gesellschaft- da sehen.15 licher Ebene verfolgt die Initiative „JUGEND STÄRKEN“ zudem das Ziel, den Fokus auf die Potenziale und die Leis- Die familienpolitischen Maßnahmen haben die Vereinbar- tungsfähigkeit benachteiligter junger Menschen zu lenken keit von Familie und Beruf in den letzten Jahren deutlich ver- und damit ihrer Ausgrenzung entgegenzuwirken. bessert. Eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf und eine gut ausgebaute Kinderbetreuung sind die wichtigsten Mit dem ESF-Modellprogramm „JUGEND STÄRKEN im Voraussetzungen dafür, dass Paare sich für Kinder entschei- Quartier“ werden seit Januar 2015 178 Kommunen (örtli- den und dass Familienleben sowie eine partnerschaftliche che Träger der öffentlichen Jugendhilfe) in 15 Bundeslän- Aufteilung von Erwerbsarbeit und familialen Aufgaben ge- dern unterstützt. Die Angebote für junge Menschen am lingen kann. In Deutschland entscheiden sich wieder mehr Übergang Schule-Beruf werden für diejenigen, die von Menschen für Kinder. Die Geburtenziffer hat 2015 mit 1,50 anderen Angeboten nicht mehr erreicht werden, systema- Kindern je Frau den höchsten Wert in Deutschland seit 1982 tisch ausgebaut. Regionale und sozialräumliche Disparitä- (für Gesamtdeutschland) erreicht. ten wirken sich besonders in der Phase des Übergangs von der Schule in den Beruf aus. Das Programm zielt daher Im Jahr 2015 waren knapp 60 Prozent der Mütter mit jüngs- darauf ab, Mittel effektiver in benachteiligten Gebieten zu tem Kind zwischen zwei und unter drei Jahren erwerbstä- bündeln und hier Wirkung zu erzielen. tig.16 Sie arbeiten häufiger in vollzeitnaher Teilzeit oder in Vollzeit als zuvor. Viele Mütter würden den Umfang ihrer Besonderes Augenmerk richtet die Bundesregierung auf Erwerbstätigkeit gerne weiter steigern.17 Über ein Drittel der junge Menschen ganz ohne Berufsausbildung. Hier setzt Väter – 34,2 Prozent für das Geburtenjahr 2014 – nehmen unter anderem die Spätstarter-Initiative an mit dem Ziel, mittlerweile mindestens zwei Elterngeldmonate in Anspruch vorhandene Fachkräftepotenziale in der Altersgruppe der 25- bis unter 35-Jährigen zu mobilisieren und mit Hilfe 15 BMFSFJ (2015): Familienreport 2014. abschlussorientierter Qualifizierung in den Arbeitsmarkt 16 Mikrozensus-Sonderauswertungen s16199 und s16130, Berechnung Prognos AG (unveröffentl.). 17 Vgl. BMFSFJ (2014): Dossier Müttererwerbstätigkeit. 2. aktualisierte und über- 14 OECD (2016), Bildung auf einen Blick, Paris. arbeitete Auflage; BMFSFJ (2015): Dossier Väter und Familie. Erste Bilanz ei- ner neuen Dynamik.
Über ein Drittel der Väter – 34,2 Prozent für das Geburtenjahr 2014 – nehmen mittlerweile 14 | JEDESmindestens zwei Elterngeldmonate in Anspruch ALTER ZÄHLT und eine Mehrheit von ihnen wünscht sich mehr Zeit für die 2016 und 2020 wird durch das Programm „Sprach-Kitas“ Familie. In einigen Regionen liegt diese Zahl deutlich höher: zudem die alltagsintegrierte sprachliche Bildung als fester In Sachsen haben 44,2 Prozent der Väter, in Bayern 41,7 Pro- Bestandteil in der Kindertagesbetreuung gefördert; der zent Elterngeld bezogen.18 Bund stellt in diesem Zeitraum dafür Mittel im Umfang von bis zu 1 Milliarde Euro zur Verfügung. Mit der Einführung des ElterngeldPlus ist es für Mütter und Väter einfacher, Elterngeldbezug und Teilzeitarbeit mitei- Die große Zahl pflegebedürftiger Personen (2,8 Millionen nander zu kombinieren. Mit den ElterngeldPlus-Monaten Menschen), die weiter wachsen wird, wird heute zu 67 Pro- können sie ihr Elterngeldbudget besser ausschöpfen und zent zu Hause alleine von Angehörigen gepflegt. Die große doppelt so lange die Förderung durch das Elterngeld nut- Bereitschaft von Angehörigen zur Übernahme pflegerischer zen. Die Elternzeit wurde zudem weiter flexibilisiert. Neben Aufgaben und zur Integration dieser Verpflichtung in ihren einer unbezahlten Auszeit im Zeitraum bis zum dritten Alltag ermöglicht es vielen Pflegebedürftigen, so selbststän- Geburtstag des Kindes können nunmehr 24 statt bisher dig und selbstbestimmt wie möglich zu leben. Um diese 12 Monate Elternzeit zwischen dem dritten und achten Bereitschaft weiter zu stärken und die Situation pflegender Geburtstag des Kindes genommen werden. Rund ein Jahr Angehöriger deutlich zu verbessern, hat die Bundesregierung nach Einführung des ElterngeldPlus bewerteten knapp drei Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Pflege Viertel der Eltern mit minderjährigen Kindern und zwei und Beruf ergriffen. In Ergänzung zu der bereits bestehen- Drittel der Bevölkerung diese Regelung als gut.19 Im drit- den Möglichkeit für Beschäftigte, bis zu zehn Arbeitstage ten Quartal 2016, gut ein Jahr nach Einführung der neuen der Arbeit fernzubleiben, wenn dies erforderlich ist, um für Leistung, haben sich insgesamt 18,3 Prozent der Eltern für einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in einer akuten das ElterngeldPlus entschieden (erstes Quartal 2016: 17,4 Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren Prozent). oder die pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustel- len, wurde eine Lohnersatzleistung – das Pflegeunterstüt- Allein bis 2016 stellte der Bund den Ländern 7,3 Milliarden zungsgeld – eingeführt. Für die Pflege naher Angehöriger Euro für Investitionen und Betriebskosten zur Finanzie- in häuslicher Umgebung können sich Beschäftigte bis zu 6 rung des Ausbaus von Betreuungsplätzen für Kinder unter Monate teilweise oder vollständig von der Arbeit freistellen drei Jahren zur Verfügung. In den Jahren 2017 und 2018 lassen (Pflegezeit). Nahe Angehörige pflegebedürftiger Min- erhöht der Bund seine ab 2015 dauerhafte jährliche Betei- derjähriger können eine der Pflegezeit entsprechende Frei- ligung an den Betriebskosten von 845 Millionen Euro auf stellung auch zur Betreuung in außerhäuslicher Umgebung 945 Millionen Euro. Zudem stellt der Bund die durch den in Anspruch nehmen. Ein Anspruch auf Freistellung von bis Wegfall des Betreuungsgeldes frei gewordenen Mittel von zu drei Monaten besteht für die Begleitung von nahen An- rund 2 Milliarden Euro den Ländern von 2016 bis 2018 für gehörigen in der letzten Lebensphase. Auf die Familienpfle- Maßnahmen zur Verbesserung der Kinderbetreuung zur gezeit (teilweise Freistellung von bis zu 24 Monaten bei einer Verfügung. Das Bundeskabinett hat am 14. Dezember 2016 wöchentlichen Mindestarbeitszeit von 15 Stunden) besteht den Gesetzentwurf zum weiteren quantitativen und quali- nunmehr ein Rechtsanspruch. Eine teilweise Freistellung tativen Ausbau der Kindertagesbetreuung beschlossen, mit nach dem Familienpflegezeitgesetz kann auch für die außer- dem die Grundlage für das Investitionsprogramm „Kinder- häusliche Betreuung von minderjährigen pflegebedürftigen betreuungsfinanzierung” 2017–2020 zum weiteren Ausbau nahen Angehörigen in Anspruch genommen werden. In all von Betreuungsplätzen geschaffen werden soll. Für das diesen Fällen der Freistellung kann ein zinsloses Darlehen neue Investitionsprogramm soll das vom Bund eingerich- zur Abfederung des Lohnausfalls beim Bundesamt für Fa- tete Sondervermögen „Kinderbetreuungsausbau“ in den milie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) beantragt Jahren 2017 bis 2020 um insgesamt 1,126 Milliarden Euro werden. Die genannten Regelungen wurden im Wesentli- aufgestockt werden. chen wirkungsgleich auf den Beamten- und Soldatenbereich übertragen. Um zu ermitteln, wie viele Personen seit dem Seit Januar 2016 werden im Bundesprogramm „KitaPlus“ Inkrafttreten der neuen Regelungen am 1. Januar 2015 Frei- mit einer Laufzeit von drei Jahren zukunftsfähige Konzep- stellungsmöglichkeiten nach dem Pflegezeitgesetz oder Fa- te für bedarfsgerechte Betreuungszeiten gefördert. Dazu milienpflegezeitgesetz in Anspruch genommen haben bzw. gehören insbesondere Öffnungszeiten vor 8:00 Uhr, nach zum Zeitpunkt der Befragung in Anspruch nahmen, wurde 16:00 Uhr, am Wochenende und an Feiertagen. Zwischen das Institut TNS Emnid (jetzt: Kantar EMNID) mit einer re- präsentativen Bevölkerungsbefragung beauftragt. Aufgrund 18 Statistisches Bundesamt 2016. der Befragung wird davon ausgegangen, dass circa 70 000 19 Befragung des IfD Allensbach, Mai 2016. Personen seit dem 1. Januar 2015 die Möglichkeiten einer
MASSNAHMEN UND ENTWICKLUNGEN IN AUSGEWÄHLTEN HANDLUNGSFELDERN | 15 beruflichen Freistellung in Anspruch genommen haben.20 tende Hilfen, Assistierte Ausbildung, berufsvorbereitende Weitere Erkenntnisse werden vorliegen, wenn die Ergebnis- Bildungsmaßnahmen, Berufsausbildungsbeihilfe) einge- se der von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen wis- führt. Die Rechtssicherheit während und nach Abschluss senschaftlichen Untersuchung des Pflegezeitgesetzes und einer Ausbildung wurde erhöht. Die Unternehmen, gerade Familienpflegezeitgesetzes Mitte 2017 vorliegen werden. der Mittelstand, werden bei ihrem großen Engagement zur Integration von Flüchtlingen in Ausbildung und in Arbeit durch Informations-, Beratungs- und Vernetzungs- angebote unterstützt. 4.4 Zuwanderung und Integration von Flüchtlingen Die Regelungen orientieren sich an dem Grundsatz des Förderns und Forderns. Die Anreize zur Integration werden verstärkt, indem zum Beispiel die Niederlassungserlaubnis Im Jahr 2015 sind rund 890 000 Schutzsuchende nach von den Integrationsfortschritten abhängig gemacht wird. Deutschland gekommen, von denen ein Teil länger oder Aber die gesetzlichen Regelungen sehen auch Abstriche bei auf Dauer hier bleiben wird. Nach vorläufiger Berechnung Leistungen vor, wenn die Mitwirkungspflichten aufseiten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge kann für der Flüchtlinge nicht eingehalten werden. das Jahr 2016 von gut 280 000 Schutzsuchenden ausgegan- gen werden. Die Integration der Schutzsuchenden, die in Grundvoraussetzung für den Zugang zum Arbeitsmarkt Deutschland eine gute Bleibeperspektive haben, erfordert sind ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache. Die eine große gesamtgesellschaftliche Kraftanstrengung. mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz als Regel- instrument eingeführte berufsbezogene Deutschsprach- Die Integration von Flüchtlingen in den Ausbildungs- förderung baut auf den Integrationskursen auf und ver- und Arbeitsmarkt ist ein Prozess, der Zeit und geeigne- mittelt weitergehende Sprachkenntnisse, um die Chancen te Rahmenbedingungen benötigt. Erfolge werden hier auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu verbessern. erst mittel- bis langfristig sichtbar sein. Das gesetzliche Durch die Modulform der bundesfinanzierten berufsbe- Instrumentarium von SGB II und SGB III bietet sowohl zogenen Deutschsprachförderung kann der Spracherwerb für die Eingliederung in den Arbeitsmarkt als auch für künftig besser mit Ausbildung, Beschäftigung und Maß- die Förderung der Berufsausbildung und der beruflichen nahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik verzahnt werden. Weiterbildung ein breites Spektrum an Maßnahmen. Der Zugang zu diesen Leistungen für Flüchtlinge und die Zusätzlich wurde zum Beispiel mit der App „Ankommen“ Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Arbeitsmarkt- ein moderner Wegbegleiter zur schnellen Orientierung integration allgemein sind auf dieser Basis schrittweise während der ersten Wochen nach der Ankunft entwickelt. verbessert worden. Zuletzt wurden zentrale Maßnahmen Als alltagsnahe Unterstützung zum Erlernen der deut- zur Förderung der Arbeitsmarktintegration mit dem am schen Sprache ist in die App ein kostenloser multimedialer 6. August 2016 in Kraft getretenen Integrationsgesetz und Sprachkurs integriert. Neben weiteren Maßnahmen der der begleitenden Verordnung umgesetzt. Durch den Ver- Sprachförderung kommt insbesondere auch Maßnahmen zicht auf die Vorrangprüfung für einen Zeitraum von drei der Erkennung von Kompetenzen und Potenzialen sowie Jahren wurde in 133 unter Beteiligung der Länder festge- des Einstiegs und der Integration in Ausbildung und Stu- legten Agenturbezirken der BA der Arbeitsmarktzugang dium eine wichtige Bedeutung zu. erleichtert. Damit wird in diesem Zeitraum und in diesen Bezirken auch die Zeitarbeit ermöglicht. Mit dem Arbeits- marktprogramm „Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen“ können bis Ende 2020 jährlich 100 000 zusätzliche Arbeits- 4.5 Fachkräftesicherung gelegenheiten für Leistungsberechtigte nach dem Asylbe- werberleistungsgesetz geschaffen werden, um sie bereits während des Asylverfahrens an den deutschen Arbeits- Derzeit liegt in Deutschland kein akuter flächendecken- markt heranzuführen. Weiterhin wurden Erleichterungen der Fachkräftemangel vor. Allerdings treten bereits heute beim Zugang zu Leistungen der Ausbildungsförderung in in einzelnen Qualifikationen, Regionen und Branchen Abhängigkeit vom Aufenthaltsstatus (ausbildungsbeglei- erkennbare Arbeitskräfteengpässe auf. Betroffene Berufs- gruppen sind zum Beispiel die Gesundheits- und Pflege- 20 Mehrthemenbefragung von TNS Emnid (jetzt: Kantar EMNID) von März bis Au- berufe sowie technische Berufe. Die Fachkräftesicherung gust 2016: Es ist davon auszugehen, dass als untere Grenze insgesamt 68 288 Personen seit dem Jahr 2015 eine Freistellung in Anspruch genommen haben. ist daher und angesichts der stetig wachsenden Nachfrage
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