Älter werden - Dokumentation: Hochschule Coburg
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Mite i n a n d e r a k t i v älter werden Impulse für Freizeit, Bildung und Kommune Dokumentation: Fachtagung des Instituts für angewandte Gesundheitswissenschaften Coburg an der Hochschule Coburg am 18. Oktober 2012
Impressum Redaktion Prof. Dr. Michaela Axt-Gadermann Annekatrin Bütterich Melanie Nölkel Mitarbeiter Ana Maria Pfeiffer Arthur Schwarzkopf Tina Cruz Avila Herausgeber Hochschule Coburg Institut für angewandte Gesundheitswissenschaften Coburg Friedrich-Streib-Straße 2 96450 Coburg www.hs-coburg.de Informationen und Rückfragen Institut für angewandte Gesundheitswissenschaften Coburg Annekatrin Bütterich Friedrich-Streib-Straße 2 96450 Coburg Tel.: 09561 317-561 Fax: 09561 317-524 Mail: IaG@hs-coburg.de Gefördert von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) Postfach 910152 51071 Köln www.bzga.de Satz und Layout Coburger Copy Shop, Druck- und Medienzentrum Rosenauer Str. 27 96450 Coburg Bestellnummer 61412021 Fotos Frank Wunderatsch Schauensteiner Straße 6 95233 Helmbrechts Die Fachtagung in Coburg wurde gefördert durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), eine Fachbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.
Inhaltsverzeichnis 5 Thematische Einleitung und Begrüßung Prof. Dr. Michael Pötzl, Präsident der Hochschule für angewandte Wissenschaften Coburg Dr. Monika Köster, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) Prof. Dr. Holger Hassel, Hochschule Coburg, Institut für angewandte Gesundheitswissenschaften 16 Fachvorträge „Jung und Alt im Dialog“ Prof. Dr. Susanne Gröne, Dekanin der Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit, Hochschule für angewandte Wissenschaften Coburg „Gesundes und aktives Altern: Individuelle & gesellschaftliche Perspektiven“ Prof. Dr. Frieder R. Lang, Institut für Psychogerontologie, Universität Erlangen-Nürnberg 22 Fachexpertise „Miteinander aktiv älter werden. Impulse für Freizeit, Bildung und Kommune“ Fachspezifische Beiträge: • „Gesundheitsförderung – Was können Kommunen leisten? – mit Beispielen aus dem Landkreis Coburg“ Frau Martina Berger, Landkreisentwicklung, Landratsamt Coburg • „Für Bewegung ist man nie zu alt! Bewegungsparcours für alle Generationen“ Herr Bernhard Ledermann, Architekturplanung und Geschäftsführung des Grünflächenamts Coburg und Frau Christiane Zinoni-Peschel, Planung Kinderspielplätze, Parkanlagen, Grünflächen des Grünflächenamts Coburg • „Pauschale für ‚pflegende Angehörige‘ – Dem Alltag entfliehen – Zeit für mich“ Frau Gabriele Lippmann, Geschäftsführung der ThermeNatur Bad Rodach • „Genuss im Alter – richtig Essen und Trinken gehört dazu!“ Frau Helga Strube, DGE und BIPS, Universität Bremen • „Kommunen und demografischer Wandel“ Frau Dr. Maria Wagner, Kreisvorstand der CDU im Main-Kinzig-Kreis Biebergemünd, Kommunalpolitik 41 Health Café „Einführung in das Health Café“ Prof. Dr. Holger Hassel, Institut für angewandte Gesundheitswissenschaften, Hochschule für angewandte Wissenschaften Coburg Forum A) Freizeit Forum B) Bildung Forum C) Kommune In zwei Runden 3
2. Coburger Health Café – Grundidee des Health Cafés Resümee des Zweiten Coburger Health Cafés Ausstellung „Alternde Gesichter“ Interaktives Angebot „Alterspuzzles“ Stimmen aus dem Publikum: „Was ich für mich mitnehme ist … „ Ergänzung zu: „Gesundes und aktives Altern: individuelle & gesellschaftliche Perspektiven“ Prof. Dr. Frieder R. Lang, Institut für Psychogerontologie, Universität Erlangen-Nürnberg 73 Kontaktdaten Ausstellerverzeichnis „Markt der Möglichkeiten“ Literaturverzeichnis Flyer 4
Thematische Einleitung und Grußworte Thematische Einleitung und Langfristig wird sich diese Situation aber grundle- gend ändern. Grußworte In Zukunft wird die Zahl der Kinder und damit auch Prof. Dr. Michael Pötzl, Präsident der der zukünftigen Studierenden und ArbeitnehmerIn- Hochschule Coburg nen sinken, dafür der Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung weiter zunehmen. Kamen im Jahr 2005 noch etwa 685.000 Kinder auf die Welt, so werden es in ca. 40 Jahren wahrscheinlich nur noch Sehr verehrte Gäste, 500.000 sein. Die Zahl der 80-Jährigen wird sich ich begrüße Sie alle recht herzlich hier und heute im gleichen Zeitraum nahezu verdreifachen. Schon an diesem wunderschönen goldenen Oktobertag jetzt sind etwa 25% der Bevölkerung 60 Jahre und - das Wetter wurde extra bestellt - an der Hoch- älter. Die Zahl der unter 20-Jährigen hingegen liegt schule Coburg mit diesem traumhaften Blick auf nur noch bei 18 Prozent. die Veste Coburg. Insbesondere begrüße ich Herrn Dr. Prof. Lang vom Institut für Psychogerontologie Diese Zunahme der Lebenserwartung bringt der Universität Erlangen-Nürnberg, Frau Dr. Monika Chancen, aber auch Herausforderungen mit sich. Köster von der Bundeszentrale für gesundheitliche Gesundheitsförderung und Prävention werden in Aufklärung, Frau Gabriele Lippmann, Geschäftslei- Zukunft sicher eine noch größere Rolle spielen. terin der ThermeNatur Bad Rodach, Frau Christiane Ich freue mich deshalb, dass wir hier an der Hoch- Zinoni-Peschel, Verantwortliche für die Planung schule mit dem Studiengang Integrative Gesund- von Kinderspielplätzen, Parkanlagen und Grünflä- heitsförderung einen starken Motor haben, der sich chen vom Grünflächenamt Coburg, Herrn Bernhard mit dieser Thematik befasst. Integrative Gesund- Ledermann, Verantwortlicher für die Architekturpla- heitsförderung ist einer von 26 Bachelor- und Mas- nung und Geschäftsführer des Grünflächenamts terstudiengängen der Hochschule Coburg. Coburg, Frau Helga Strube, Mitarbeiterin bei der DGE und bei dem BIPS der Universität Bremen, Um den Herausforderungen unserer Zeit gerecht Frau Dr. Maria Wagner, Kreisvorstand der CDU im zu werden, wird zukünftig das interdisziplinäre Main-Kinzig-Kreis Biebergemünd und Frau Martina Studieren und individuelle Fördern noch wichti- Berger, Verantwortliche der Landkreisentwicklung ger als bisher. Hier beschreitet die Hochschule vom Landratsamt Coburg. Coburg mit dem Projekt „Der Coburger Weg“ im wahrsten Sinne des Wortes einen neuen Weg. Es Die demografische Entwicklung macht auch vor geht darum, sowohl in der Lehre als auch in der dem Landkreis Coburg und der Hochschule Coburg Forschung die einzelnen Disziplinen miteinander nicht Halt. Durch die G-8-AbiturientInnen, die der- zu verknüpfen und den Austausch zu fördern, um zeit an die Hochschulen drängen, werden wir den zukünftigen Veränderungen in unserer Gesell- jedoch zunächst mit einem ganz anderen Problem schaft durch demografischen Wandel, aber auch konfrontiert, nämlich Studierenden, die immer jün- technologischen Fortschritt, Globalisierung und ger werden. Inzwischen beginnen viele ihr Studium soziale Diversifizierung gerecht zu werden. Die Stu- schon mit 17 Jahren und Hochschule und Lehrende dierenden der teilnehmenden Pilotstudiengänge müssen sich auf diese Veränderungen einstellen. Integrative Gesundheitsförderung, Soziale Arbeit, 6
Thematische Einleitung und Grußworte Innenarchitektur, Betriebswirtschaftslehre und Versicherungswirtschaft sowie Bauingenieurwe- sen setzen sich von Beginn des Studiums an mit interdisziplinären Perspektiven auseinander. Gleich im ersten Semester werden sie mit dem Thema „demografischer Wandel“ aus ganz unterschiedli- chen Sichtweisen konfrontiert. Wir hoffen, dass wir mit diesem Projekt Antworten auf die Herausforde- rungen des Studierens von morgen geben können. Schon jetzt findet „Der Coburger Weg“ bundesweit große Aufmerksamkeit. Einen ganz besonderen Dank möchte ich den bei- den Initiatoren und Kollegen Frau Prof. Dr. Michaela Axt-Gadermann und Herrn Prof. Dr. Holger Hassel aus dem Studiengang Integrative Gesundheitsför- derung aussprechen, die zusammen mit ihrem Team des Instituts für angewandte Gesundheitswissen- schaften diese Fachtagung unter dem Titel „Mitei- nander aktiv älter werden“ organisiert haben und dieses brandaktuelle Thema des demografischen Wandels hier und heute aufgreifen und mit Ihnen diskutieren möchten. Hierdurch schaffen beide Kol- legen eine Austauschplattform, die es ermöglicht, neue Erkenntnisse am Ende dieses spannenden Tages nach Hause mitzunehmen. Ich wünsche Ihnen und uns nun eine interessante Fachtagung, spannende Fachvorträge sowie einen regen Austausch in den Diskussionsforen des Health Cafés. Vielen Dank! 7
Thematische Einleitung und Grußworte Thematische Einleitung und Unsere Arbeit läuft immer in enger Zusammenar- beit mit unseren Kooperationspartnern, denn im Grußworte Austausch und mit vereinten Kräften können wir auf dem Gebiet der Gesundheitsförderung viel Dr. Monika Köster, Bundeszentrale für erreichen. Daher freue ich mich sehr, dass wir die gesundheitliche Aufklärung heutige Veranstaltung zusammen auf den Weg brin- gen konnten. Ich bin gespannt auf den fachlichen Austausch, denn hier ist heute sehr viel Know-How versammelt, Wissenschaft und Praxis, unterschied- Sehr geehrter Herr Prof. Pötzl, liche Disziplinen, Sektoren und Zuständigkeiten sehr geehrte Frau Prof. Gröne, sowie auch unterschiedliche Generationen sind sehr geehrte Frau Prof. Axt-Gadermann, vertreten, so dass wir eine gute Chance haben, die sehr geehrter Herr Prof. Hassel, anstehenden Fragen entsprechend zu diskutieren. meine sehr geehrten Damen und Herren, Zunächst möchte ich die Gelegenheit nutzen und mich bei den Gastgebern, Mitwirkenden und Orga- ich freue mich, heute zu Ihnen zu sprechen und als nisatoren hier in Coburg für die gute Kooperation Vertreterin der Bundeszentrale für gesundheitliche und die kompetente Vorbereitung der Veranstal- Aufklärung (BZgA) die heutige Veranstaltung hier an tung „Miteinander aktiv älter werden“ ganz herz- der Hochschule Coburg mit zu eröffnen. lich bedanken. Wir können uns auf interessante Fachvorträge und einen umsetzungsbezogenen Die BZgA ist im Zusammenhang ihres Themen- Austausch freuen und gleichzeitig die besonderen schwerpunkts „Gesund und aktiv älter werden“ seit Räumlichkeiten mit Topaussicht bei strahlendem einiger Zeit gemeinsam mit ihren Kooperationspart- Herbstwetter genießen. Die Tagungsergebnisse nern auf Bundes- und Länderebene, mit Partnern werden dokumentiert und Ihnen allen zur Verfügung aus Wissenschaft und Praxis darum bemüht, die gestellt. notwendige Vernetzung zu fördern sowie auch die erforderliche sektorübergreifende Vorgehensweise „Miteinander aktiv älter werden“, das heutige 2. zu unterstützen. Coburger Health Café, findet nicht von ungefähr im Rahmen des „Europäischen Jahres 2012 für aktives Wir haben 2011 und 2012 zu diesem Thema Nati- Altern und Solidarität zwischen den Generationen“ onale Tagungen sowie zahlreiche Regionalkonfe- statt. Die Europäische Kommission hat dieses Jahr renzen in den Bundesländern durchgeführt und auf ausgerufen, um den Blick noch einmal sehr gezielt dieser Basis auch Materialien für Multiplikatorinnen auf den Demografischen Wandel und seine vielfäl- und Multiplikatoren entwickelt. Seit August steht tigen Auswirkungen zu richten. Es geht darum, die die Website www.gesund-aktiv-älter-werden.de im Herausforderungen positiv anzugehen und europa- Netz, wir freuen uns über Ihr Feedback und Ihre weit die Möglichkeiten für ein aktives, unabhängi- Anregungen. Unser Newsletter informiert in regel- ges, sozial integriertes und gesundes Leben im Alter mäßigen Abständen über Aktuelles im Themenbe- zu verbessern. So stand das Thema in diesem Jahr reich, Sie können diesen abonnieren und dort auch vielerorts in besonderem Maße auf der Agenda. Ihre eigenen Aktivitäten und Termine einstellen. 8
Thematische Einleitung und Grußworte Meine Damen und Herren, Krankheiten einher. Ab dem Alter von 65 Jahren ist mehr als die Hälfte aller Menschen in Deutschland die Fakten sind bekannt: Die Menschen werden an mindestens einer, viele an mehreren chroni- älter - und dies ist eine sehr gute Nachricht. Die schen Krankheiten erkrankt. Im Vordergrund stehen Lebenserwartung bei Geburt liegt heute für Mäd- Herz-Kreislauferkrankungen, Erkrankungen des chen bei 82,7 Jahren, für Jungen bei 77,7 Jahren. Bewegungsapparates, Krebserkrankungen, psy- chische Erkrankungen (hier vorallem Depressionen Derzeit sind 21% der Bevölkerung in Deutschland und demenzielle Erkrankungen). Auch mit den The- 65 Jahre und älter, 2030 werden es – so die Vor- men Pflege und Betreuung müssen wir uns inten- ausberechnungen des Statistischen Bundesamtes siv beschäftigen. Wir sollten aber dennoch im Blick - 29% sein. Hinzu kommen niedrige Geburtenra- haben, dass „älter werden“ bzw. „alt sein“ heute ten und Wanderungsbewegungen, d.h. die Zusam- eine Lebensphase von in der Regel mehreren Jahr- mensetzung der Bevölkerung in Deutschland, aber zehnten umfasst. Und diesem langen Prozess und auch sehr spezifisch in den unterschiedlichen Regi- Zeitraum steht eine eigene und spezifische Bedeu- onen, verändert sich - gesellschaftliche Strukturen tung zu. Selbstbestimmung und Gestaltungsmög- ändern sich. Und hieraus erwachsen neue Her- lichkeiten sind gefragt, es geht um Lebensqualität ausforderungen, die sich an die unterschiedlichen und Sinnstiftung in der zweiten Lebenshälfte. gesellschaftlichen Bereiche und Akteure stellen. Wenn wir dem „Defizitansatz“ einen sogenann- Gesundheitsförderung und Prävention spielen ten „Stärkenansatz“ gegenüberstellen, sehen wir, in einer älter werdenden Gesellschaft eine wich- dass auch und gerade ältere Menschen sehr viel tige Rolle, weil Gesundheit auch im höheren Alter zu bieten haben. Man sagt ja auch „Die Jüngeren die Voraussetzung für Selbstständigkeit und aktive sind schneller, die Älteren kennen die Abkürzun- Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ist. Es geht gen“. Ältere Menschen haben Lebenserfahrung, sie um Selbstbestimmung, es geht um Teilhabe, es haben berufliche Erfahrung, sie sind an vielen Din- geht auch um Sinnstiftung in den unterschiedlichen gen interessiert, sie sind in hohem Maße engagiert, Phasen des Lebens. auch ehrenamtlich, sie bringen sich in vielen Fällen intensiv in das „Miteinander der Generationen“ ein. Gleichzeitig stellt sich die Frage nach dem Alters- bild: Wir sollten unseren Blick keinesfalls aus- Jüngere und ältere Menschen – wobei wir wissen, schließlich auf Defizite, Unterstützungsbedarf, dass es die Jungen und die Alten nicht gibt – kön- Belastungen, Probleme und Kosten richten - wir nen durchaus sehr viel voneinander profitieren und alle kennen z.B. die Formulierungen „Alterslast“, sich gleichzeitig auch gegenseitig unterstützen – „Vergreisung der Gesellschaft“ etc. Wir sollten bei siehe Beispiel Mehrgenerationenhäuser. unseren Konzepten und Lösungsansätzen vielmehr ein zeitgemäßes und realistisches Bild vom Älter- Es geht z.B. sowohl in jüngeren, als auch in den werden und Altsein vor Augen haben. höheren Altersgruppen um die gelingende Bewälti- gung anstehender Übergänge, z.B. den Übergang Natürlich geht die demografische Alterung, auch von der Schule in die Berufsausbildung, dann in die wenn ein Großteil der älteren Menschen recht Erwerbstätigkeit. Oder sehen wir auf die Bereiche gesund und aktiv ist, mit einer Zunahme chronischer Partnerschaft und Familienphase: Neue und andere 9
Thematische Einleitung und Grußworte Situationen und Aufgaben stehen an: Dann später beweglich sind oder die ggf. mit Gehhilfe oder Rol- die Empty-Nest-Situation: Die Kinder gehen aus lator unterwegs sind. dem Hause; der Übergang vom Beruf in den Ruhestand steht an, es geht um die Frage der Die Voraussetzungen vor Ort müssen sehr sorg- Sinnstiftung, um die Aufrechterhaltung sozialer fältig analysiert werden: Wo stehen wir? Welche Kontakte. Für diese lebenslaufbezogenen Belange Strukturen sind vorhanden? Welche Akteure, Ange- müssen wir unseren Blick weiter schärfen. bote und Möglichkeiten gibt es für welche Ziel- und Altersgruppen? Welche Anstrengungen wurden Wir sollten uns hierzu vor allem den Alltag und die bislang in der Region unternommen? Lebenssituationen der Menschen ansehen. Vor Ort, im Stadtteil, in der Wohnumgebung spielt die Wir werden uns heute mit individuellen und gesell- Musik. Es geht auch um die sozialen Beziehungen - schaftlichen Perspektiven auseinandersetzen. In zur Familie und zu außerfamiliären Netzwerken und den Foren geht es dann vor allem um die zentralen Personen. Bereiche Freizeit, Bildung und Kommune. Unsere Stichworte hier sind: Dialog, Koordinierung, Ver- Wenn wir die Partizipation und Integration älterer netzung, interdisziplinäres Vorgehen, Berücksich- Menschen fördern wollen und hierbei insbeson- tigung der Interessen unterschiedlicher Sektoren, dere auch generationenübergreifende Strategien Akteure und vor allem der Zielgruppen selbst, um und Ansätze planen, dann ist es äußerst wichtig, die es geht. die Interessen der unterschiedlichen Beteiligten zu kennen und ernst zunehmen. Meine Damen und Herren, ich freue mich sehr auf die heutige Diskussion und wünsche uns allen einen Und wenn wir Gesundheit umfassend sowie auch interessanten Fachaustausch und viele Impulse generationenübergreifend denken, sehen wir, dass und Anregungen für unsere Arbeit. Vielen Dank! sehr viele unterschiedliche Bereiche, Sektoren und Akteure zur Förderung dieses Miteinanders beitragen können. Das ist nicht nur der Gesund- heits- und Pflegebereich im engeren Sinne, da gibt es viele weitere relevante Zuständigkeiten z.B. aus den Bereichen Soziales, Bildung, Kultur, Freizeit, Sport, Städtebau und Verkehrsplanung. Hier gibt es durchaus zahlreiche Maßnahmen, die sowohl für jüngere Menschen und Familien mit Kindern, als auch für Ältere sinnvoll und wichtig sind, denken wir z.B. an den Wohnungsbau, an den öffentlichen Personennahverkehr, an Freizeit- und Sportanla- gen, an Grünflächen und Parks, Wander- und Rad- wege, um nur einige wenige Bereiche zu nennen. Ein Beispiel ist die Absenkung von Bordsteinen: Dies ist wichtig für Personen, die nicht mehr so 10
Thematische Einleitung und Grußworte 11
Thematische Einleitung und Grußworte Miteinander aktiv älter werden Jährige und jeder vierte Über-85-Jährige zu wenig trinkt. Eine Optimierung dieser defizitären Lebens- Demographische Transition und weise ist gerade in Bezug auf die im Alter häufiger auftretenden Erkrankungen wie Schlaganfall, Blut- Gesundheit im Alter hochdruck und koronare Herzkrankheiten erforder- Prof. Dr. Holger Hassel lich (DGE 2007, Schmitt 2004, Stanger et al. 2003). Hochschule Coburg, Institut für angewandte Gesundheitswissenschaften Körperliche Aktivität trägt wesentlich zu einem gesunden Altern bei. Zudem hat sie eine zent- Die zunehmende Lebenserwartung der Deutschen rale präventive Funktion, die über den gesamten stellt das Gesundheitswesen vor große Herausfor- Lebensverlauf wichtig ist. Ausreichende Bewegung derungen (Statistisches Bundesamt 2003). schützt vor chronischen Krankheiten wie Osteo- porose, Diabetes und Bluthochdruck und trägt zur Bereits ab einem Alter von 50 Jahren ist ein deutli- Vermeidung von funktionellen Einschränkungen cher Anstieg lebensstilbedingter Erkrankungen wie bei (Voelcker-Rehage et al. 2005, Shaw et al. 2003, koronarer Herzkrankheiten oder Diabetes Mellitus Tinetti 2003, Tinetti et al. 1994). Positive Effekte zei- Typ II festzustellen. Die Wahrscheinlichkeit, dass gen sich auch für das Immunsystem und die see- ältere Menschen pflegebedürftig werden, steigt mit lische Gesundheit. Allerdings nutzen ältere Men- zunehmendem Alter deutlich an. Bei vielen Krank- schen ihr Bewegungspotenzial nicht entsprechend heitsbildern zeigt sich ein enger Zusammenhang ihrer Möglichkeiten und sind deutlich häufiger kör- zwischen Alter und Häufigkeit von Krankenhaus- perlich inaktiv als jüngere Menschen (Robert Koch behandlungen (Sachverständigenrat zur Begutach- Institut et al. 2009). tung der Entwicklung im Gesundheitswesen 2008, Statistische Ämter des Bundes und der Länder Das Ausmaß sozialer Integration ist ein weiterer 2008, Walter 2005). wesentlicher Einflussfaktor für das subjektive Wohl- befinden im Alter. In zahlreichen Studien konnte An den zentralen drei gesundheits- und sozialwis- gezeigt werden, dass das Ausmaß sozialer Inte- senschaftlichen Verhaltensbereichen Ernährung, gration einen Effekt auf den Gesundheitszustand Bewegung und soziale Integration können die und die Lebensdauer älterer Menschen hat. Im Bedingungsfaktoren für Gesundheit, Autonomie Durchschnitt sind unverheiratete Menschen einem und Lebensqualität deutlich gemacht werden: höheren Risiko ausgesetzt, früher zu versterben Ernährung und Bewegung sind eine elementare als verheiratete Menschen. Dieser Zusammenhang Voraussetzung für ein gesundes Altern. Allerdings zeigt sich vor allem bei Männern. Nicht nur eine ist das Ernährungs- und Bewegungsverhalten vie- feste Beziehung, auch die Einbindung in ein sozi- ler Senioren defizitär. So zeigen sich vor allem bei ales Netzwerk und regelmäßiger Kontakt zu ande- Nahrungsmitteln wie Obst und Gemüse ungünstige ren Menschen haben einen positiven Effekt auf die Verzehrgewohnheiten (Payette 2005, DGE 2001, Lebensdauer. Dieser Zusammenhang wurde vor Stehle 2000, Seiler & Stähelin 1999). Auch die allem für Frauen festgestellt (Larson R 1978, Ste- Trinkmenge ist bei älteren Menschen zu gering. In verink 2002, Seeman 1996, Berkman 1995, Thoits einer Studie von Volkert et al. (Volkert et al. 2004) 1995, House et al. 1982, Berkman&Syme 1979, konnte gezeigt werden, dass jeder siebte Über-65- Shye 1995). 12
Gesund alt werden Baltes&Baltes 1990). Die wesentliche Herausforderung für eine alternde Damit wird das aktive Altern (aktiv im Sinne von Gesellschaft ist nicht die statistische Verlänge- Beteiligung) zu einem mehrdimensionalen Prozess, rung der Lebenserwartung, sondern der qualitative der es Menschen ermöglicht, im zunehmenden Alter Zuwachs, der es ermöglicht, das Auftreten schwerer ihre Gesundheit zu wahren, am Leben ihrer sozia- Krankheiten zu verzögern. Das Hinausschieben der len Umgebung teilzunehmen und ihre persönliche Morbiditätskompression ist nach Fries um ca. 10 Sicherheit zu gewährleisten. Das Gelingen dieses Jahre möglich (Fries 2000, 1985, 1980). Bisherige Prozesses wird sowohl vom individuellen Lebens- empirische Ergebnisse stützen diese These für ein stil als auch durch förderliche Rahmenbedingun- gesundes Altern (Niehaus 2006, WHO 2002, Walter gen (Lebenswelten) bestimmt und trägt entschei- 2005). Als wichtige Voraussetzung für ein gesundes dend zur Lebensqualität bei (Sachverständigenrat Altern gilt nach dem Active-Aging-Ansatz der WHO zur Begutachtung der Entwicklung im Gesund- (2002) neben der Risikoreduzierung für körperliche heitswesen, 2008, WHO 2002). Die Förderung Beeinträchtigungen eine lebenslange Optimierung von Verhaltensweisen mit dem Ziel eines gesun- von Möglichkeiten für körperliches, psychisches den Lebensstils, wie bspw. eine ausgewogene und soziales Wohlbefinden. Damit verfolgt Active- Ernährung, haben sich in verschiedenen Studien Aging vor allem zwei Ziele: als wichtige veränderbare Einflussgrößen für ein gesundes Altern herausgestellt (Peel et al. 2005). 1. Die individuelle Lebensqualität besonders Wenn gesundheitsförderliche Verhaltensweisen in durch den Erhalt der Autonomie zu steigern. gut konzipierten Interventionsmaßnahmen gezielt 2. Die finanziellen Belastungen für das Ge- gefördert werden, lässt sich nicht nur eine quan- sundheits- und Sozialsystem zu reduzieren. titative Verlängerung des Lebens, sondern eine qualitative Steigerung der Lebensqualität erreichen In Anlehnung an die Salutogenese (Was erhält (Robert Koch Institut 2009). gesund?) (Bengel et al. 1999, Antonovsky & Franke 1997) stellt der Successful-Aging-Ansatz nach Förderung der Lebensqualität älterer Rowe und Kahn (Rowe & Kahn 1998, 1997) neben Menschen den funktionalen Fähigkeiten im körperlichen und mentalen Bereich vor allem das soziale Engage- Die Lebensqualität älterer Menschen zu fördern ment im Alter (z.B. ehrenamtliche Tätigkeiten) als beinhaltet frühzeitige und dauerhafte Unterstützung wichtige Voraussetzungen für erfolgreiches Altern im Prozess des aktiven Alterns. heraus. Dabei gelten in den Gesundheitswissenschaften Nach dem Konzept von Baltes und Baltes steht settingbezogene Ansätze als wirkungsvolle Inter- vor allem das produktive Altern im Zentrum des ventionen zur Konkretisierung der Gesundheits- Successful-Aging-Ansatzes. Demnach zeichnet förderung im Sinne der WHO Definition (Gesunde sich das erfolgreiche Altern besonders durch eine Städte-Netzwerk 2010, WHO 2009, Bundeszen- förderliche Adaption an alterspezifischen Verlus- trale für gesundheitliche Aufklärung 2003). Die ten und Herausforderungen im körperlichen, kog- Einbindung unterschiedlicher Zielgruppen und die nitiven und sozialen Bereich aus (Baltes 1999, Durchführung sowohl universeller als auch selek- 13
Thematische Einleitung und Grußworte tiver Präventionsmaßnahmen lassen sich mit Hilfe individuellem Wohlbefinden und Nutzen. „Schätzen des Setting-Ansatzes realisieren. Die Fokussierung sich die Projektteilnehmer in ihren unterschied- auf universelle Prävention richtet den Blick auf alle lichen Beiträgen für die gemeinsamen Ziele, wird im Setting agierenden Personen. Während selek- dem Einzelnen auch ein Gefühl der Selbstschät- tive Prävention sich an potentielle Risikogruppen zung ermöglicht, weil ihm vermittelt wird, dass er (bspw. alleinlebende Männer) richtet. Die Fokus- einen besonderen Beitrag leistet, der von den ande- sierung auf definierte Sozialräume, wie z.B. das ren als wertvoll anerkannt wird“ (Eisentraut 2008). Quartier, ermöglicht es, Zielgruppen genauer zu Ziel einer solchen intergenerativen Projektarbeit ist bestimmen, adäquate Zugangswege festzulegen, es, die Potentiale älterer und jüngerer Menschen Ressourcen zu nutzen und ein Höchstmaß an Par- im Sinne des Bürgerschaftlichen Engagements zu tizipation zu ermöglichen. nutzen und die Lebenszufriedenheit bei jungen und alten Menschen zu verbessern (Holbach-Gömig & Miteinander aktiv Seidel-Schulze 2007). Eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen Die moderne Industrie- und Informationsgesell- von Partizipation im Sozialraum stellt Bürgerschaft- schaft ist einem ständigen Wandel unterzogen mit liches Engagement dar. Es wird verstanden als der Folge, dass Wissen schnell veraltet. Zwar ver- „unbezahlte, freiwillige und gemeinwohlorientierte fügen ältere Menschen über reichhaltigere Erfah- Aktivität“ (Bundesministerium für Gesundheit 2009, rungen, jüngere Menschen sind jedoch mit dem Schulte et al. 2008). Der positive Nutzen Bürger- aktuellen Wissen oft besser vertraut. Beide Berei- schaftlichen Engagements kann aus zwei Blickwin- che – die Erfahrung der Alten und das Wissen der keln betrachtet werden: Zum einen ergibt sich der Jüngeren – sind jedoch notwendig, um den Her- gesellschaftliche Nutzen durch gemeinwohlorien- ausforderungen einer schnelllebigen Zeit begegnen tierte Aktivitäten einer insgesamt älter werdenden zu können (Greger 2001). Während in den USA die Gesellschaft, zum anderen zeigt sich der individu- Professionalisierung von Generationsarbeit struk- elle Nutzen der sich engagierenden Personen im turell bereits weit vorangeschritten ist (Newman Sinne einer aktiven Teilnahme und damit als aktives 1997a, b), steht die wissenschaftliche Auseinan- Altern (Heinze &Olk 2001). Die Anerkennung und dersetzung mit diesem Thema in Deutschland erst Akzeptanz des Bürgerschaftlichen Engagements am Anfang. in der Kommune wird insbesondere dann gelingen, wenn die Aktivitäten der Senioren als Unterstützung Gesundheitsmündigkeit für für z.B. die Präventionsarbeit mit Kindern verstan- Jung und Alt den und anerkannt werden. Um die Lebensqualität und die Gesundheitsmün- Durch die Entwicklung und Implementierung gene- digkeit von alten Menschen zu fördern, empfeh- rationsübergreifender Projekte kann ein gegensei- len sich niederschwellige Interventionen, wie sie tiger Austausch unterschiedlicher Lebenserfahrun- im Konzept zur Förderung von Health Literacy gen und –perspektiven in Gang gesetzt werden, die zugrunde gelegt werden. Die WHO (1998) definiert wiederum zu Prozessen intergenerativer Anerken- Health Literacy als die Gesamtheit der kognitiven nung führen. Insbesondere die erfahrbare gegen- und sozialen Fertigkeiten, welche die Menschen seitige Wertschätzung auf beiden Seiten führt zu motivieren und befähigen, ihre Lebensweise derart 14
Thematische Einleitung und Grußworte zu gestalten, dass sie für die Gesundheit förderlich heit zu tun, lässt sich nur durch eine ganzheitliche ist (Nutbeam 2000). Das U.S. Department of Health Herangehensweise in den Feldern Sozialarbeit und and Human Services (Department of Health and Gesundheitsförderung erfolgreich bewältigen. Human Services 2010) definiert Health Literacy als Schlüssel eines gesundheitsfördernden Verhaltens Aktuelle Forschungsergebnisse unterstreichen die unter dem Gesichtspunkt der Eigenverantwortung Notwendigkeit, settingbezogene und womöglich jedes Einzelnen: „The degree to which individuals intergenerative Projektarbeit zu implementieren have the capacity to obtain, process and under- und Senioren im Hinblick auf die Gesundheits- stand basic health information and services nee- mündigkeit zu fördern und zu unterstützen. Dabei ded to make appropriate health decisions”. erscheint es sinnvoll, die Senioren bereits in der Planungsphase aktiv zu beteiligen. So können neue Für die Förderung von Health Literacy in konkre- Wege zur Förderung der Motivation, Anerkennung ten Verhaltensbereichen fehlen in Deutschland und Unterstützung älterer Menschen erschlossen weitgehend konkrete Leitfäden und Materialien für werden. die Zusammenarbeit mit Senioren (Health Com- munication Laboratory 2005). Lediglich für den (Die verwendete Literatur zu „Miteinander aktiv älter Bereich von Food Literacy (Ernährungsmündigkeit) werden. Demographische Transition und Gesund- ist vom Aid-Infodienst ein Konzept mit Übungen für heit im Alter“ finden Sie auf Seite 80-83) den Einsatz in der Erwachsenenbildung veröffent- licht worden. Hierzu wurden von Studierenden der Hochschule Coburg Übungen für die Zusammenar- beit mit Senioren entwickelt und mit der Zielgruppe getestet (Aid 2010, BEST 2006). Eine solche gene- rationsübergreifende Projektarbeit führt zu einer bedeutsamen Ressourcenaktivierung zur Unter- stützung des aktiven Alterns. Bislang laufen die generationsübergreifende För- derung von Health Literacy sowie die Partizipation der Beteiligten in ihrem Sozialraum in der Pra- xis häufig nebeneinander her. Die Förderung der Gesundheitsmündigkeit von älteren Menschen, konkretisiert in den oben ausgeführten drei gesund- heits- bzw. sozialwissenschaftlich zentralen Verhal- tensbereichen Ernährung, Bewegung und soziale Integration, stellt eine zentrale Herausforderung für die Kooperation und Vernetzung des Sozial- und Gesundheitssystem dar. Die Erreichbarkeit und passende Ansprache der heterogenen Gruppe der Senioren sowie die Motivation des Einzelnen, auch im hohen Alter noch aktiv etwas für die Gesund- 15
Fachvorträge FACHVORTRÄGE 16
Fachvorträge Jung und alt im Dialog in diesem Bereich tätig geworden sind. Prof. Dr. Susanne Gröne Da stellt sich mir die Frage: Wieso eigentlich ist es Hochschule Coburg, notwendig, sich um den Dialog der Generationen Fakultät Soziale Arbeit zu kümmern? Wieso ist es notwendig, jung und alt und Gesundheit zusammenzubringen? Hat sich etwas verändert, gibt es zu wenig Kontakt, oder gibt es zu wenig Verständnis, was ist da eigentlich los? In Coburg ist in der letzten Woche etwas Unge- Hinter den vielen Aktionen stecken meiner Meinung wöhnliches passiert: Auf Initiative des Coburger nach zwei Grundüberzeugungen: Bürgermeisters Tessmer, durchgeführt vom Mehr- 1. Die erste These, die dahintersteckt, generationenhaus der AWO und evaluiert von der besagt, dass junge und alte Menschen zu Hochschule Coburg haben SchülerInnen und Seni- wenig oder zu schlecht miteinander orInnen bei der Aktion „Passantenstopp“ in der kommunizieren Fußgängerzone der Stadt jeweils entweder ältere 2. und die zweite Hypothese ist die, dass es oder junge Menschen einfach mit dem Satz ange- sinnvoll wäre, wenn sie es täten. sprochen: „Darf ich Sie ein Stück begleiten?“ Es ging darum, auf ganz einfache Art und Weise Kon- Ich möchte zu diesen zwei Thesen einige Überle- takte zwischen jung und alt herzustellen und mitein- gungen anstellen. Zuerst die Frage: Ist es so, dass ander zu reden. Schlichte Kommunikation über all- junge und alte Menschen zu wenig oder zu wenig tägliche Themen als Türöffner für mehr Miteinander. qualitätsvoll miteinander reden? Teilnehmende haben berichtet, dass die Erwartun- gen beider Gruppen übertroffen wurden, die jünge- Rein quantitativ gesehen sind Gespräche zwischen ren waren überrascht, wie leicht es war, ältere Men- alten und jungen Menschen außerhalb der Familie schen anzusprechen und miteinander in Kontakt zu oder im institutionellen Rahmen selten. Brown & kommen, die Älteren waren ebenfalls überrascht, Rogers folgern, dass daraus ein Gefühl der Fremd- dass die jungen Menschen, die sie angesprochen heit und Ungewissheit resultiert, der sich als Barri- haben, offen und aufgeschlossen waren. Verände- ere herausstellt und es deshalb auch wenig Anreize rung der Sichtweise des anderen auf beiden Seiten, zur Kommunikation gibt (vgl.: Thimm 2002). Erfahrungen von Neuem durch eine einfache, klei- ne, völlig unaufwändige Aktion. - Wer da übrigens Insbesondere in Bezug auf die Qualität der Kommu- mitmachen möchte, der „Passantenstopp“ war nikation gibt es Forschungsergebnisse, die besa- keine einmalige Aktion, sondern findet im Oktober gen, dass der Dialog zwischen jung und alt häufig immer donnerstags und samstags in der Coburger misslingt (Thimm 2002, 177), weil sie sich in Bezug Fußgängerzone statt. Diese ungewöhnliche Aktion auf die Sprache, die Wortwahl, das Sprechverhal- ist nur ein kleines Beispiel für vielfältige Versuche, ten und die nonverbale Kommunikation sehr stark junge und alte Menschen miteinander ins Gespräch unterscheiden und damit kaum Voraussetzungen zu bringen. Es gibt Preise, die für besonders gute für wirkliches „Verstehen“ gegeben sind. Der Satz Ideen ausgelobt werden und eine große Spannbrei- „Verstehen ist unwahrscheinlich“ von R. Sprenger te von Initiativen, Gruppierungen und Vereinen, die bezieht sich zwar grundsätzlich auf die Kommuni- 17
Fachvorträge kation zwischen Menschen - zeigt aber an dieser äußere Welt ist eine andere geworden. Das innere Stelle seine ganze Schärfe. Das Verstehen zwi- Erleben geht häufig damit einher und ist verändert, schen jung und alt ist unwahrscheinlich. wir leben heute in einer anderen Welt als noch vor dreißig Jahren. Giles & Coupland haben in Bezug auf die Verstän- digung zwischen Jüngeren und Älteren ein alters- Senioren können oder wollen nicht immer mit den bezogenes Kommunikationsdilemma festgestellt Veränderungen Schritt halten. Möglicherweise ist (Thimm 2002, 178). Stereotype wie zum Beispiel dies Ausdruck eines Defizits, möglicherweise aber „Alte Menschen sind verhärtet, wollen Junge immer auch Ausdruck der Selbstbestimmung. Aber die nur bevormunden, verstehen die Welt nicht mehr, Entscheidung sich nicht mehr mit einer bestimm- brauchen Hilfe “ oder „Junge Menschen haben nie ten Sache auseinander zu setzen, vergrößert den Zeit, hören nicht zu, denken nur an sich selbst…“ Abstand zwischen den Lebenswelten von jungen beeinflussen die Kommunikation in eine negative und alten Menschen. Unterschiede soweit das Richtung und sorgen dafür, dass es im Gespräch Auge reicht. Diese Unterschiede zwischen den Anpassungsversuche der einen oder anderen Generationen hat es zwar immer schon gegeben, Generation gibt, die dann aber häufig misslingen aber durch den schnellen gesellschaftlichen Wan- und den Dialog zwischen jung und alt beeinträch- del ist dieser in der jetzigen Zeit besonders stark tigen. Zum Beispiel kann es sein, dass ein junger ausgeprägt. Mensch, der mit einem Älteren redet, ganz langsam spricht, die Lautstärke erhöht, weil er davon aus- Aber jetzt kann man sagen, okay, so ist es – war- geht, dass der ältere Mensch schlecht hört. In der um sollten wir das ändern? Welchen Sinn macht es, Regel versucht einer der beiden Kommunikations- wenn jung und alt mehr oder intensiver und besser partner sich auf den anderen einzustellen, versucht miteinander reden? den Gesprächsverlauf zu kontrollieren. Das hat zur Folge, dass es kein Gespräch auf gleicher Augen- Es geht bei der Verständigung um Verständnis, höhe gibt, einer der Kommunikationspartner hat gegenseitigen Respekt, Wertschätzung und Berei- wenig Platz zur Mitgestaltung des Gesprächsver- cherung des Lebens. Denn es ist grundsätzlich so, laufs und folglich nicht unbedingt Interesse daran, dass der Einblick in eine fremde Lebenswelt die den Dialog fortzusetzen. eigene bereichern kann. Die Frage nach dem ande- ren Lebensalter ist meiner Meinung nach eine ganz Obwohl es Verständnisprobleme natürlich schon fundamentale und verankert bei den drei großen immer gegeben hat, ist der an vielen Stellen philosophischen Fragen des Menschen: Wer bin beschworene gesellschaftliche Wandel neben dem ich – woher komme ich – wohin gehe ich. altersbezogenen Kommunikationsdilemma ganz wesentlich dabei beteiligt, dass die Kommunika- Junge Menschen können im Kontakt mit älteren tion zwischen jung und alt sehr viel schwieriger Menschen diese Fragen näher beleuchten: „Woher geworden ist, es hat sich in den letzten Jahren und komme ich“, was können mir die älteren Menschen Jahrzehnten sehr viel verändert. Natürlich die Tech- über Kultur, Heimat, Geschichte, über meinen Wer- nik, aber nicht nur, auch der Musikgeschmack, die degang erzählen. „Wer bin ich“ stellt die Frage nach Mode, die Literatur, die Architektur, die Einrichtung der momentanen erkannten Identität, „wohin gehe von Häusern und Wohnungen hat sich geändert, die ich“ – damit ist zwar im Endeffekt auch die Frage 18
Fachvorträge nach dem Tod gemeint, aber die Frage nach dem Literatur: Älterwerden steht auch hier in einem engen Zusam- Thimm, Caja (2002): Alter als Kommunikationsproblem. In: Fieh- menhang. ler, Reinhard (Hg.): Verständigungsprobleme und gestörte Kom- munikation. Radolfzell: Verlag für Gesprächsforschung. Wie könnte denn mein weiteres Leben ablaufen, S.177-197. wie werde ich mich möglicherweise entwickeln, wie verändere ich mich körperlich, geistig und seelisch, wenn ich älter werde? „Wie werde ich sein, wenn ich alt bin“ ist zwar keine Frage, die sich junge Leu- te jeden Tag stellen, aber es spielt doch immer wie- der eine Rolle bei der Gestaltung des Lebens. Auch für die älteren Menschen gibt der Dialog mit der Jugend Antworten auf diese Fragen, aber unter einem anderen Blickwinkel. Der Kontakt mit jungen Menschen lässt die eigenen jungen Seiten anklin- gen, stellt den älteren Menschen vor die Frage, wie war ich als junger Mensch. Was habe ich erlebt, „der Kontakt mit jungen Menschen hält jung“ wird oft gesagt und in diesem Sinne stimmt das, weil die eigene Jugendlichkeit aktiviert wird. Aber oft gibt es auch Unverständnis für die Probleme und Her- ausforderungen von heute, weil es „damals ganz anders war“ - aber immer wieder auch Erkennen der eigenen Position in den Erlebnissen des ande- ren. Der Kontakt mit den jungen Menschen geht aber auch die transzendente Frage des Menschen ein, was wird nach mir sein, oder was bleibt von mir, von meinen Gedanken, hinterlasse ich Spuren? Damit profitieren die Generationen an ganz ele- mentarer Stelle von dem gemeinsamen Dialog, es geht über ein bisschen „erzählen“, ein bisschen „Verständnis“ hinaus und betrifft den ganzen Men- schen. Und darum ist es auch so wichtig, diesen Dialog zu fördern. Ich freue mich, dass es dazu heute diese Tagung gibt, die Gedanken vermitteln, Impulse geben, aber auch aktives miteinander reden fördern will. Ich wünsche Ihnen deshalb einen interessanten Aus- tausch und eine für Sie ertragreiche Tagung. 19
Fachvorträge Das Neue braucht das Alte - die auf dem Arbeitsmarkt wenige Chancen haben. Es sind die 50-64jährigen, die den großen Teil der Das Miteinander der Freiwilligen-Arbeit und Ehrenämter leisten. Die Soli- Generationen darität der Generationen ist eine der bedeutsamen Leistungen unserer Gesellschaft. Univ.-Prof. Dr. Frieder R. Lang Bedeutet dies, dass es keine Konflikte zwischen den Friedrich-Alexander-Universität Generationen gibt? Selbstverständlich nicht. Gene- Erlangen-Nürnberg rationenkonflikte sind heute so präsent wie früher. Sie gehören unverzichtbar zu unserem gesellschaft- Im Miteinander bedeuten die Generationen einan- lichen Zusammenleben. Die Generationen haben der zugleich Herkunft und Zukunft. Eine ungewisse einander schon immer besorgt gemacht, einander Zukunft, die erst im Zusammenhalt der Generatio- bewegt, verärgert und verändert. Das überliefern nen möglich wird. Ohne einander wäre man nicht. auch historische Quellen, manche Grundkonflikte Die Jugend von gestern trifft die heute Jungen und in der Familie, zwischen älteren und jungen Men- die Älteren von morgen treffen die schon Gealter- schen, waren nie anders als sie sich heute darstel- ten. Wie aber können die Erfahrungen der Jungen len. Ich will einige Beispiele geben. und die der Alten ausgetauscht und wechselseitig nutzbar gemacht werden? Das ist die Schlüsselfra- Kommunikation: Aus vielen psychologischen ge der Generationenforschung. In den Worten des Studien wissen wir, dass jüngere Menschen sich 90-jährigen Philosophen Professor Odo Marquard älteren und hoch betagten Menschen mit einem liest es sich so: „Wo wir anfangen, ist niemals der eigenen besonderen Sprechstil nähern, der in der Anfang. Vor jedem Menschen hat es schon andere Literatur als „patronisierend“ beschrieben wird und Menschen gegeben, in deren Üblichkeiten - Tra- der in etwa der Babysprache ähnelt, die Erwachse- ditionen - jeder hineingeboren ist und an die er, ne im Umgang mit Kleinkindern zeigen. Bekannt- Ja sagend oder negierend, anknüpfen muss. Das lich missfällt es älteren Menschen, in dieser Wei- Neue, das wir suchen, braucht das Alte, sonst kön- se angesprochen zu werden, auch wenn Sie sich nen wir das Neue auch gar nicht als solches erken- wünschen, dass Andere langsam und deutlich, nen. Ohne das Alte können wir das Neue nicht gleichwohl aber authentisch zu Ihnen sprechen. ertragen.“ Man kann nur erahnen, wie viele Konflikte zwischen älteren und jüngeren Interaktionspartnern unwis- Was also bedeutet in diesem Zusammenhang die sentlich auf nicht angemessene Kommunikations- Rede vom Miteinander der Generationen? Fast sind stile zurückzuführen sind. wir es schon gewohnt, wenn Einige unbedacht vom Krieg oder vom Kampf der Generationen sprechen. Generationenübergänge: Eines der großen The- Bekanntlich ist das Gegenteil der Fall: Es steht men unserer Zeit ist die Frage, wie wir die Wei- meist exzellent um die Qualität der Familiengene- tergabe von Verantwortung, Führung, Vermögen rationen, die einander nahe- und beistehen, sich und Wissen innerhalb der lokalen, familialen und helfen und unterstützen und einander das geben, politischen Eliten organisieren sollen. Immer wie- was sie verfügbar haben und darin sogar selbst- der erleben wir, dass Jüngere es kaum abwarten los scheinen. Auch das Ehrenamt ist eine Leistung mögen, bis „der Alte“ endlich abtritt und es den des Alters, wobei hier gerade diejenigen glänzen, Älteren graut, wenn Sie an das denken, was da 20
Fachvorträge nach ihnen kommt (und dabei manchmal zurecht nen, denn als wahre Meisterleistung. Der Konflikt oder zu Unrecht den Untergang ihres Lebenswerks äußert sich darin, dass die Älteren den Nutzen für befürchten). sich nicht erkennen und die jüngeren Entwickler kein Konzept der Bedürfnisse und Kompetenzen Diskriminierung und Stereotype: Konflikte der dieser Nutzer haben. Es gibt also durchaus Kon- Generationen spielen sich am häufigsten, leider oft flikte im Generationenverhältnis, aber häufig sind unbemerkt und manches Mal auf dramatische Wei- sie auf Anpassungsprobleme bei der jüngeren oder se, in unseren stationären Einrichtungen der Alten- der älteren Generation zurückzuführen - Anpas- hilfe ab. Es sind die Konflikte zwischen schlecht sungsprobleme, die mit Kommunikationsdefiziten, bezahlten und gelegentlich überforderten Pflege- unangemessenen Einstellungen, Vorurteilen, man- kräften, Ärzten und Helfern, die für ihre außerge- gelnder Flexibilität, fehlender Erfahrung und gele- wöhnliche Leistungen und Kompetenz in Heimen, gentlich mit Starrsinn und Selbstgefälligkeit zu tun Kliniken und Krankenhäusern nicht die gesell- haben: All diese Herausforderungen an moderne schaftliche Anerkennung finden, die sie tatsächlich Gesellschaften des langen Lebens erscheinen lös- verdienen. Der Konflikt zeigt sich auch darin, dass bar. Wir sollten das Miteinander der Generationen gerade in diesen Berufen, bei den Pflegern und den als die Leistung erkennen, die es ist, die wir ständig Ärzten, die negativsten Einstellungen und Vorurteile erbringen, die unsere Zukunft ist. gegenüber älteren Menschen bestehen. Das mag daran liegen, dass heilende Berufe noch wenig auf (Die Präsentation zum Vortrag „Gesund und aktiv die Potenziale des Alterns ausgerichtet sind. Altern: Wofür die Generationen einander brauchen (und wofür nicht)“ finden Sie auf Seite 60-72) Qualifikation- und Karriere: Generationenkonflik- te begegnen uns auch am Arbeitsplatz, dann näm- lich wenn ältere Arbeitnehmer ausgegrenzt werden, beispielsweise weil die jüngeren nachdrängen und sich für die eigene Zukunft bewähren wollen und müssen. Das Bedürfnis der Jüngeren nach Erfolg in der Karriere ist für den Älteren gelegentlich eine Bedrohung, auch der eigenen Position. Die Konflik- te sind vorprogrammiert. Markt- und Produktentwicklung: Wann immer ältere Menschen sich weigern, ein neues Produkt, einen Computer, ein mobiles Telefon oder ein über- lebenswichtiges medizin- technisches Gerät zu erwerben, dann verbirgt sich dahinter vielleicht auch ein Generationenkonflikt. Es handelt sich um den Konflikt zwischen einem jungen Ingenieur und Technikexperten, der mit neuen Möglichkeiten spielt und dabei Innovationen erschafft, die älteren Nutzern oft nur als Spielerei oder Unsinn erschei- 21
Fachexpertise FACHEXPERTISE 22
Fachexpertise Gesundheitsförderung – Der umfassenden Gesundheitsförderung kommt was können Kommunen leisten? dabei ein besonderer Stellenwert zu, denn sie ist der Gewährleistungsträger für den Erhalt der – mit Beispielen aus dem Lebensqualität. Gesundheit ist die Grundvoraus- Landkreis Coburg – setzung für alle Altersgruppen sich wohl zu fühlen und leistungsfähig zu sein und zu bleiben, um so Martina Berger ein selbstbestimmtes und aktives Leben führen zu Landratsamt Coburg, können (vgl. BZgA 2012:1). Die vor Ort vorzufinden- Landkreisentwicklung den Lebensbedingungen haben dabei einen star- Obwohl die Charta von Ottawa bereits ein viertel ken Einfluss auf den Gesundheitszustand der dort Jahrhundert alt ist, hat sie in ihren Grundaussa- lebenden Bevölkerung (vgl. Schmidt 2011:215). gen nichts an Bedeutung verloren (WHO 1986). Sie Insofern muss sinnvollerweise auch die Gesund- fußt auf dem durch die Weltgesundheitsorganisati- heitsförderung in der Lebenswelt ansetzen – dort on bereits 1946 grundgelegtem Verständnis, dass wo die Menschen wohnen, arbeiten, sich versor- Gesundheit sich nicht nur über die „Abwesenheit gen, sich bilden, sich erholen und gemeinsam mit von Krankheit und Gebrechen“, sondern als „… der anderen ihre Freizeit gestalten – in den Städten und Zustand des völligen körperlichen, geistigen und Gemeinden vor Ort. sozialen Wohlbefindens …“ definiert (WHO: 1946). Demzufolge steht auch die Förderung der Gesund- Die Gesundheitsförderung setzt dabei an den ver- heit in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext und schiedenen Ausgangspunkten an, die Gesundheit verfolgt das Ziel, allen Menschen die Möglichkeit beeinflussen: Zum einen bei jedem Einzelnen und zu eröffnen, die ihnen innewohnenden Potenziale bei dessen persönlicher Lebens- und Verhaltens- vollständig zur Entfaltung bringen zu können. Damit weise, zum zweiten beim sozialen Umfeld, das sind nicht nur Einzelne, sondern auch Gruppen und jeden Einzelnen beeinflusst und ggf. unterstützt, Gemeinschaften, Kommunen und die Gesamt- zum dritten bei den spezifischen Lebens- und politik aufgefordert, dazu beizutragen, dass die Arbeitsbedingungen und nicht zuletzt viertens bei Entwicklung dieser Potenziale gelingen kann (vgl. den Wirkungen, die die Umwelt sowohl wirtschaft- BZgA 2009:21). lich, kulturell als auch physisch zeitigt (vgl. Gesund- heit Berlin-Brandenburg e.V. 2010:7). Die Handlungsnotwendigkeit und auch der Hand- lungsdruck werden durch den demografischen Spürbare Wirksamkeit wird Gesundheitsförderung Wandel vor Ort zusätzlich verstärkt. In vielen Kom- da entfalten, wo verhaltensbezogene Maßnah- munen des ländlichen Raumes findet sowohl eine men (bis hin zur Einzelfallbetreuung von Personen Abnahme der jüngeren Bevölkerung als auch eine mit hohem Risiko) mit verhältnisbezogenen Maß- deutliche Zunahme der älteren Bevölkerung statt. nahmen, die an den Grundvoraussetzungen für Durch diese sich ändernde Bevölkerungsstruktur Gesundheit ansetzen und die vor allem von Seiten ergeben sich neue Anforderungen an das zukünfti- der Politik zu initiieren sind, zusammen wirken (vgl. ge Leben in der Gemeinschaft, die die Kommunen Schmidt 2011:218; Gesundheit Berlin-Brandenburg vor die Aufgabe stellen, zeitnah wirksame Strate- e.V. 2010:7). Damit ist die Gesundheitsförderung gien mit dem Ziel zu entwickeln, die Lebensquali- eine Querschnittsaufgabe in der Kommunalpolitik. tät im ländlichen Raum nachhaltig sicherzustellen. Zahlreiche Politikfelder, wie das Siedlungs- und 23
Fachexpertise Flächenmanagement, die Ortsentwicklung und die 1 Das Gesundheitsamt deckt ein sehr breites Aufgabenspek Verkehrsplanung, aber auch die Arbeitsmarkt- und trum ab, zu dem Gesundheitsschutz, Gesundheitsaufsicht, Wirtschaftspolitik ebenso wie die Sozialpolitik und Gesundheitsberichterstattung und Planung, neben der Ge- der Umweltschutz nehmen, mit den dort getroffenen sundheitsförderung auch die Gesundheitsvorsorgebera- Entscheidungen, direkten Einfluss auf Gesundheit tung und –betreuung sowie gutachterliche Tätigkeiten und und Wohlbefinden der Bevölkerung (vgl. Schmidt der gesundheitliche Verbraucherschutz gehören. 2011 218). Zum Teil mit gezielten Effekten, wie bei- spielsweise dem Bau eines Thermalbades, zum sie da, wo es sinnvoll und notwendig ist, weiter- Teil aber auch als Nebeneffekte mit hoher Bedeu- zuentwickeln, bestehende Versorgungslücken tung, wie beispielsweise dem Bau eines Stausees und Hemmnisse aufzuzeigen und Ideen zu deren als Wasserrückhaltebecken im Rahmen des Hoch- Behebung zu entwickeln. Im Landkreis Coburg wasserschutzes, der von der Bevölkerung nach findet das im Rahmen der Erarbeitung einer breit kurzer Zeit auch als Naherholungsgebiet genutzt angelegten Regionalstrategie zur Daseinsvorsorge wird. Nicht nur bedingt durch diese vielschichtigen statt, die als eines von acht Themenfeldern auch Wechselwirkungen ist die Gesundheitsförderung in die ärztliche Versorgung und die Gesundheitsför- ihren Gestaltungsformen und Wirkungen von jeher derung im Fokus hat. Der vom Gesundheitsamt von zentraler politischer Bedeutung. im Tandem mit einem Bürgermeister hierzu gelei- tete Arbeitskreis setzt sich aus lokalen Akteuren Innerhalb der Behördenstruktur bildet sich das zusammen, die das Ziel eint, eine gute gesund- durch das Gesundheitsamt ab, das als untere heitliche Versorgung im Landkreis Coburg auch im Staatsbehörde im Rahmen der Kommunalisierung Bereich der Gesundheitsförderung sicherstellen zu den Verwaltungen der Landratsämter angegliedert wollen. Ergebnisse aus dem aktuell laufenden Pro- wurde. Ihm obliegt als Aufgabe mit wachsender zess werden im Herbst 2013 gekoppelt mit Hand- Bedeutung auch die Gesundheitsförderung. In mul- lungsempfehlungen vorliegen. Was wie in welchem tiprofessionell zusammenarbeitenden Teams wird Umfang zur Umsetzung gelangt, ist in weiten Tei- hier auf der Ebene des Landkreises das „Gerüst“ len vom Votum der Kommunalpolitik abhängig, für eine gelingende Gesundheitsförderung errichtet. die – in diesem Fall durch die Arbeitskreisleitung Die zentrale Herausforderung ist es dabei, nicht nur - frühzeitig in die Überlegungen mit eingebunden einzelne Konzepte und Programme, sondern eine werden sollte. An dieser Stelle wird allerdings auch integrative Strategie zu entwickeln, wie, mit wem eine „Sollbruchstelle“ der Kommunalisierung der und mit welchen Schwerpunkten Gesundheitsför- Gesundheitsförderung deutlich: Sie wurde zwar derung im Landkreis vorangebracht werden kann. stärker in die Zuständigkeit der Landkreise über- Die Ebene des Landkreises bildet hierbei idealty- antwortet, damit ging jedoch kein Transfer an ent- pischerweise die Kooperationsplattform, auf der – sprechenden Haushaltsmitteln einher. Die finanziell moderiert und initiiert durch das Gesundheitsamt - oftmals sehr schwierige Lage der Kommunen führt die zahlreichen in der Gesundheitsförderung tätigen dazu, dass sie sich vor allem auf die Pflichtleistun- Akteure zusammenkommen, um gemeinschaftlich gen konzentrieren müssen und sich außer Stande die vorhandenen Strukturen, Maßnahmen und Pro- sehen, die nachrangigen „Kann-Leistungen“ zu gramme bedarfsbezogen zu überprüfen, finanzieren. Gerade im öffentlichen Gesundheits- dienst handelt es sich jedoch vor allem um eben jene „Kann-Leistungen“ die zu einer umfassenden 24
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