Älter werden - Dokumentation: Hochschule Coburg

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Älter werden - Dokumentation: Hochschule Coburg
Mite i n a n d e r a k t i v
   älter werden
         Impulse für Freizeit, Bildung und Kommune

  Dokumentation:      Fachtagung des Instituts für
                      angewandte Gesundheitswissenschaften
                      Coburg an der Hochschule Coburg
                      am 18. Oktober 2012
Älter werden - Dokumentation: Hochschule Coburg
Impressum
Redaktion
Prof. Dr. Michaela Axt-Gadermann
Annekatrin Bütterich
Melanie Nölkel
Mitarbeiter
Ana Maria Pfeiffer
Arthur Schwarzkopf
Tina Cruz Avila

Herausgeber
Hochschule Coburg
Institut für angewandte Gesundheitswissenschaften Coburg
Friedrich-Streib-Straße 2
96450 Coburg
www.hs-coburg.de

Informationen und Rückfragen
Institut für angewandte Gesundheitswissenschaften Coburg
Annekatrin Bütterich
Friedrich-Streib-Straße 2
96450 Coburg
Tel.: 09561 317-561
Fax: 09561 317-524
Mail: IaG@hs-coburg.de

Gefördert von der
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
(BZgA)
Postfach 910152
51071 Köln
www.bzga.de

Satz und Layout
Coburger Copy Shop, Druck- und Medienzentrum
Rosenauer Str. 27
96450 Coburg

Bestellnummer
61412021

Fotos
Frank Wunderatsch
Schauensteiner Straße 6
95233 Helmbrechts

Die Fachtagung in Coburg wurde gefördert durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), eine Fachbehörde im
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.
Älter werden - Dokumentation: Hochschule Coburg
Inhaltsverzeichnis
5    Thematische Einleitung und Begrüßung

     Prof. Dr. Michael Pötzl, Präsident der Hochschule für angewandte Wissenschaften Coburg
     Dr. Monika Köster, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
     Prof. Dr. Holger Hassel, Hochschule Coburg, Institut für angewandte Gesundheitswissenschaften

16   Fachvorträge

     „Jung und Alt im Dialog“
     Prof. Dr. Susanne Gröne, Dekanin der Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit,
     Hochschule für angewandte Wissenschaften Coburg

     „Gesundes und aktives Altern: Individuelle & gesellschaftliche Perspektiven“
     Prof. Dr. Frieder R. Lang, Institut für Psychogerontologie, Universität Erlangen-Nürnberg

22   Fachexpertise

     „Miteinander aktiv älter werden. Impulse für Freizeit, Bildung und Kommune“
     Fachspezifische Beiträge:
     • „Gesundheitsförderung – Was können Kommunen leisten? – mit Beispielen aus dem Landkreis
		Coburg“
		 Frau Martina Berger, Landkreisentwicklung, Landratsamt Coburg
  • „Für Bewegung ist man nie zu alt! Bewegungsparcours für alle Generationen“
		 Herr Bernhard Ledermann, Architekturplanung und Geschäftsführung des Grünflächenamts Coburg
		 und Frau Christiane Zinoni-Peschel, Planung Kinderspielplätze, Parkanlagen, Grünflächen des
		 Grünflächenamts Coburg
     • „Pauschale für ‚pflegende Angehörige‘ – Dem Alltag entfliehen – Zeit für mich“
		 Frau Gabriele Lippmann, Geschäftsführung der ThermeNatur Bad Rodach
     • „Genuss im Alter – richtig Essen und Trinken gehört dazu!“
		 Frau Helga Strube, DGE und BIPS, Universität Bremen
  • „Kommunen und demografischer Wandel“
		 Frau Dr. Maria Wagner, Kreisvorstand der CDU im Main-Kinzig-Kreis Biebergemünd,
		Kommunalpolitik

41   Health Café

     „Einführung in das Health Café“
     Prof. Dr. Holger Hassel, Institut für angewandte Gesundheitswissenschaften,
     Hochschule für angewandte Wissenschaften Coburg
     Forum A) Freizeit
     Forum B) Bildung
     Forum C) Kommune
     In zwei Runden

                                                                                                     3
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2. Coburger Health Café – Grundidee des Health Cafés

     Resümee des Zweiten Coburger Health Cafés

     Ausstellung „Alternde Gesichter“
     Interaktives Angebot „Alterspuzzles“
     Stimmen aus dem Publikum: „Was ich für mich mitnehme ist … „
     Ergänzung zu: „Gesundes und aktives Altern: individuelle & gesellschaftliche Perspektiven“
     Prof. Dr. Frieder R. Lang, Institut für Psychogerontologie, Universität Erlangen-Nürnberg

73   Kontaktdaten

     Ausstellerverzeichnis „Markt der Möglichkeiten“
     Literaturverzeichnis
     Flyer

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THEMATISCHE
EINLEITUNG UND BEGRÜSSUNG

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Thematische Einleitung und Grußworte

      Thematische Einleitung und                      Langfristig wird sich diese Situation aber grundle-
                                                      gend ändern.
                 Grußworte
                                                      In Zukunft wird die Zahl der Kinder und damit auch
     Prof. Dr. Michael Pötzl, Präsident der           der zukünftigen Studierenden und ArbeitnehmerIn-
              Hochschule Coburg                       nen sinken, dafür der Anteil älterer Menschen an
                                                      der Bevölkerung weiter zunehmen. Kamen im Jahr
                                                      2005 noch etwa 685.000 Kinder auf die Welt, so
                                                      werden es in ca. 40 Jahren wahrscheinlich nur noch
Sehr verehrte Gäste,                                  500.000 sein. Die Zahl der 80-Jährigen wird sich
ich begrüße Sie alle recht herzlich hier und heute    im gleichen Zeitraum nahezu verdreifachen. Schon
an diesem wunderschönen goldenen Oktobertag           jetzt sind etwa 25% der Bevölkerung 60 Jahre und
- das Wetter wurde extra bestellt - an der Hoch-      älter. Die Zahl der unter 20-Jährigen hingegen liegt
schule Coburg mit diesem traumhaften Blick auf        nur noch bei 18 Prozent.
die Veste Coburg. Insbesondere begrüße ich Herrn
Dr. Prof. Lang vom Institut für Psychogerontologie    Diese Zunahme der Lebenserwartung bringt
der Universität Erlangen-Nürnberg, Frau Dr. Monika    Chancen, aber auch Herausforderungen mit sich.
Köster von der Bundeszentrale für gesundheitliche     Gesundheitsförderung und Prävention werden in
Aufklärung, Frau Gabriele Lippmann, Geschäftslei-     Zukunft sicher eine noch größere Rolle spielen.
terin der ThermeNatur Bad Rodach, Frau Christiane     Ich freue mich deshalb, dass wir hier an der Hoch-
Zinoni-Peschel, Verantwortliche für die Planung       schule mit dem Studiengang Integrative Gesund-
von Kinderspielplätzen, Parkanlagen und Grünflä-      heitsförderung einen starken Motor haben, der sich
chen vom Grünflächenamt Coburg, Herrn Bernhard        mit dieser Thematik befasst. Integrative Gesund-
Ledermann, Verantwortlicher für die Architekturpla-   heitsförderung ist einer von 26 Bachelor- und Mas-
nung und Geschäftsführer des Grünflächenamts          terstudiengängen der Hochschule Coburg.
Coburg, Frau Helga Strube, Mitarbeiterin bei der
DGE und bei dem BIPS der Universität Bremen,          Um den Herausforderungen unserer Zeit gerecht
Frau Dr. Maria Wagner, Kreisvorstand der CDU im       zu werden, wird zukünftig das interdisziplinäre
Main-Kinzig-Kreis Biebergemünd und Frau Martina       Studieren und individuelle Fördern noch wichti-
Berger, Verantwortliche der Landkreisentwicklung      ger als bisher. Hier beschreitet die Hochschule
vom Landratsamt Coburg.                               Coburg mit dem Projekt „Der Coburger Weg“ im
                                                      wahrsten Sinne des Wortes einen neuen Weg. Es
Die demografische Entwicklung macht auch vor          geht darum, sowohl in der Lehre als auch in der
dem Landkreis Coburg und der Hochschule Coburg        Forschung die einzelnen Disziplinen miteinander
nicht Halt. Durch die G-8-AbiturientInnen, die der-   zu verknüpfen und den Austausch zu fördern, um
zeit an die Hochschulen drängen, werden wir           den zukünftigen Veränderungen in unserer Gesell-
jedoch zunächst mit einem ganz anderen Problem        schaft durch demografischen Wandel, aber auch
konfrontiert, nämlich Studierenden, die immer jün-    technologischen Fortschritt, Globalisierung und
ger werden. Inzwischen beginnen viele ihr Studium     soziale Diversifizierung gerecht zu werden. Die Stu-
schon mit 17 Jahren und Hochschule und Lehrende       dierenden der teilnehmenden Pilotstudiengänge
müssen sich auf diese Veränderungen einstellen.       Integrative Gesundheitsförderung, Soziale Arbeit,

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Älter werden - Dokumentation: Hochschule Coburg
Thematische Einleitung und Grußworte

                                       Innenarchitektur, Betriebswirtschaftslehre und
                                       Versicherungswirtschaft sowie Bauingenieurwe-
                                       sen setzen sich von Beginn des Studiums an mit
                                       interdisziplinären Perspektiven auseinander. Gleich
                                       im ersten Semester werden sie mit dem Thema
                                       „demografischer Wandel“ aus ganz unterschiedli-
                                       chen Sichtweisen konfrontiert. Wir hoffen, dass wir
                                       mit diesem Projekt Antworten auf die Herausforde-
                                       rungen des Studierens von morgen geben können.
                                       Schon jetzt findet „Der Coburger Weg“ bundesweit
                                       große Aufmerksamkeit.

                                       Einen ganz besonderen Dank möchte ich den bei-
                                       den Initiatoren und Kollegen Frau Prof. Dr. Michaela
                                       Axt-Gadermann und Herrn Prof. Dr. Holger Hassel
                                       aus dem Studiengang Integrative Gesundheitsför-
                                       derung aussprechen, die zusammen mit ihrem Team
                                       des Instituts für angewandte Gesundheitswissen-
                                       schaften diese Fachtagung unter dem Titel „Mitei-
                                       nander aktiv älter werden“ organisiert haben und
                                       dieses brandaktuelle Thema des demografischen
                                       Wandels hier und heute aufgreifen und mit Ihnen
                                       diskutieren möchten. Hierdurch schaffen beide Kol-
                                       legen eine Austauschplattform, die es ermöglicht,
                                       neue Erkenntnisse am Ende dieses spannenden
                                       Tages nach Hause mitzunehmen.

                                       Ich wünsche Ihnen und uns nun eine interessante
                                       Fachtagung, spannende Fachvorträge sowie einen
                                       regen Austausch in den Diskussionsforen des
                                       Health Cafés. Vielen Dank!

                                                                                        7
Älter werden - Dokumentation: Hochschule Coburg
Thematische Einleitung und Grußworte

      Thematische Einleitung und                       Unsere Arbeit läuft immer in enger Zusammenar-
                                                       beit mit unseren Kooperationspartnern, denn im
                 Grußworte                             Austausch und mit vereinten Kräften können wir
                                                       auf dem Gebiet der Gesundheitsförderung viel
   Dr. Monika Köster, Bundeszentrale für               erreichen. Daher freue ich mich sehr, dass wir die
        gesundheitliche Aufklärung                     heutige Veranstaltung zusammen auf den Weg brin-
                                                       gen konnten. Ich bin gespannt auf den fachlichen
                                                       Austausch, denn hier ist heute sehr viel Know-How
                                                       versammelt, Wissenschaft und Praxis, unterschied-
Sehr geehrter Herr Prof. Pötzl,                        liche Disziplinen, Sektoren und Zuständigkeiten
sehr geehrte Frau Prof. Gröne,                         sowie auch unterschiedliche Generationen sind
sehr geehrte Frau Prof. Axt-Gadermann,                 vertreten, so dass wir eine gute Chance haben, die
sehr geehrter Herr Prof. Hassel,                       anstehenden Fragen entsprechend zu diskutieren.

meine sehr geehrten Damen und Herren,                  Zunächst möchte ich die Gelegenheit nutzen und
                                                       mich bei den Gastgebern, Mitwirkenden und Orga-
ich freue mich, heute zu Ihnen zu sprechen und als     nisatoren hier in Coburg für die gute Kooperation
Vertreterin der Bundeszentrale für gesundheitliche     und die kompetente Vorbereitung der Veranstal-
Aufklärung (BZgA) die heutige Veranstaltung hier an    tung „Miteinander aktiv älter werden“ ganz herz-
der Hochschule Coburg mit zu eröffnen.                 lich bedanken. Wir können uns auf interessante
                                                       Fachvorträge und einen umsetzungsbezogenen
Die BZgA ist im Zusammenhang ihres Themen-             Austausch freuen und gleichzeitig die besonderen
schwerpunkts „Gesund und aktiv älter werden“ seit      Räumlichkeiten mit Topaussicht bei strahlendem
einiger Zeit gemeinsam mit ihren Kooperationspart-     Herbstwetter genießen. Die Tagungsergebnisse
nern auf Bundes- und Länderebene, mit Partnern         werden dokumentiert und Ihnen allen zur Verfügung
aus Wissenschaft und Praxis darum bemüht, die          gestellt.
notwendige Vernetzung zu fördern sowie auch die
erforderliche sektorübergreifende Vorgehensweise       „Miteinander aktiv älter werden“, das heutige 2.
zu unterstützen.                                       Coburger Health Café, findet nicht von ungefähr im
                                                       Rahmen des „Europäischen Jahres 2012 für aktives
Wir haben 2011 und 2012 zu diesem Thema Nati-          Altern und Solidarität zwischen den Generationen“
onale Tagungen sowie zahlreiche Regionalkonfe-         statt. Die Europäische Kommission hat dieses Jahr
renzen in den Bundesländern durchgeführt und auf       ausgerufen, um den Blick noch einmal sehr gezielt
dieser Basis auch Materialien für Multiplikatorinnen   auf den Demografischen Wandel und seine vielfäl-
und Multiplikatoren entwickelt. Seit August steht      tigen Auswirkungen zu richten. Es geht darum, die
die Website www.gesund-aktiv-älter-werden.de im        Herausforderungen positiv anzugehen und europa-
Netz, wir freuen uns über Ihr Feedback und Ihre        weit die Möglichkeiten für ein aktives, unabhängi-
Anregungen. Unser Newsletter informiert in regel-      ges, sozial integriertes und gesundes Leben im Alter
mäßigen Abständen über Aktuelles im Themenbe-          zu verbessern. So stand das Thema in diesem Jahr
reich, Sie können diesen abonnieren und dort auch      vielerorts in besonderem Maße auf der Agenda.
Ihre eigenen Aktivitäten und Termine einstellen.

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Älter werden - Dokumentation: Hochschule Coburg
Thematische Einleitung und Grußworte

Meine Damen und Herren,                               Krankheiten einher. Ab dem Alter von 65 Jahren ist
                                                      mehr als die Hälfte aller Menschen in Deutschland
die Fakten sind bekannt: Die Menschen werden          an mindestens einer, viele an mehreren chroni-
älter - und dies ist eine sehr gute Nachricht. Die    schen Krankheiten erkrankt. Im Vordergrund stehen
Lebenserwartung bei Geburt liegt heute für Mäd-       Herz-Kreislauferkrankungen, Erkrankungen des
chen bei 82,7 Jahren, für Jungen bei 77,7 Jahren.     Bewegungsapparates, Krebserkrankungen, psy-
                                                      chische Erkrankungen (hier vorallem Depressionen
Derzeit sind 21% der Bevölkerung in Deutschland       und demenzielle Erkrankungen). Auch mit den The-
65 Jahre und älter, 2030 werden es – so die Vor-      men Pflege und Betreuung müssen wir uns inten-
ausberechnungen des Statistischen Bundesamtes         siv beschäftigen. Wir sollten aber dennoch im Blick
- 29% sein. Hinzu kommen niedrige Geburtenra-         haben, dass „älter werden“ bzw. „alt sein“ heute
ten und Wanderungsbewegungen, d.h. die Zusam-         eine Lebensphase von in der Regel mehreren Jahr-
mensetzung der Bevölkerung in Deutschland, aber       zehnten umfasst. Und diesem langen Prozess und
auch sehr spezifisch in den unterschiedlichen Regi-   Zeitraum steht eine eigene und spezifische Bedeu-
onen, verändert sich - gesellschaftliche Strukturen   tung zu. Selbstbestimmung und Gestaltungsmög-
ändern sich. Und hieraus erwachsen neue Her-          lichkeiten sind gefragt, es geht um Lebensqualität
ausforderungen, die sich an die unterschiedlichen     und Sinnstiftung in der zweiten Lebenshälfte.
gesellschaftlichen Bereiche und Akteure stellen.
                                                      Wenn wir dem „Defizitansatz“ einen sogenann-
Gesundheitsförderung und Prävention spielen           ten „Stärkenansatz“ gegenüberstellen, sehen wir,
in einer älter werdenden Gesellschaft eine wich-      dass auch und gerade ältere Menschen sehr viel
tige Rolle, weil Gesundheit auch im höheren Alter     zu bieten haben. Man sagt ja auch „Die Jüngeren
die Voraussetzung für Selbstständigkeit und aktive    sind schneller, die Älteren kennen die Abkürzun-
Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ist. Es geht    gen“. Ältere Menschen haben Lebenserfahrung, sie
um Selbstbestimmung, es geht um Teilhabe, es          haben berufliche Erfahrung, sie sind an vielen Din-
geht auch um Sinnstiftung in den unterschiedlichen    gen interessiert, sie sind in hohem Maße engagiert,
Phasen des Lebens.                                    auch ehrenamtlich, sie bringen sich in vielen Fällen
                                                      intensiv in das „Miteinander der Generationen“ ein.
Gleichzeitig stellt sich die Frage nach dem Alters-
bild: Wir sollten unseren Blick keinesfalls aus-      Jüngere und ältere Menschen – wobei wir wissen,
schließlich auf Defizite, Unterstützungsbedarf,       dass es die Jungen und die Alten nicht gibt – kön-
Belastungen, Probleme und Kosten richten - wir        nen durchaus sehr viel voneinander profitieren und
alle kennen z.B. die Formulierungen „Alterslast“,     sich gleichzeitig auch gegenseitig unterstützen –
„Vergreisung der Gesellschaft“ etc. Wir sollten bei   siehe Beispiel Mehrgenerationenhäuser.
unseren Konzepten und Lösungsansätzen vielmehr
ein zeitgemäßes und realistisches Bild vom Älter-     Es geht z.B. sowohl in jüngeren, als auch in den
werden und Altsein vor Augen haben.                   höheren Altersgruppen um die gelingende Bewälti-
                                                      gung anstehender Übergänge, z.B. den Übergang
Natürlich geht die demografische Alterung, auch       von der Schule in die Berufsausbildung, dann in die
wenn ein Großteil der älteren Menschen recht          Erwerbstätigkeit. Oder sehen wir auf die Bereiche
gesund und aktiv ist, mit einer Zunahme chronischer   Partnerschaft und Familienphase: Neue und andere

                                                                                                       9
Älter werden - Dokumentation: Hochschule Coburg
Thematische Einleitung und Grußworte

Situationen und Aufgaben stehen an: Dann später       beweglich sind oder die ggf. mit Gehhilfe oder Rol-
die Empty-Nest-Situation: Die Kinder gehen aus        lator unterwegs sind.
dem Hause; der Übergang vom Beruf in den
Ruhestand steht an, es geht um die Frage der          Die Voraussetzungen vor Ort müssen sehr sorg-
Sinnstiftung, um die Aufrechterhaltung sozialer       fältig analysiert werden: Wo stehen wir? Welche
Kontakte. Für diese lebenslaufbezogenen Belange       Strukturen sind vorhanden? Welche Akteure, Ange-
müssen wir unseren Blick weiter schärfen.             bote und Möglichkeiten gibt es für welche Ziel- und
                                                      Altersgruppen? Welche Anstrengungen wurden
Wir sollten uns hierzu vor allem den Alltag und die   bislang in der Region unternommen?
Lebenssituationen der Menschen ansehen. Vor
Ort, im Stadtteil, in der Wohnumgebung spielt die     Wir werden uns heute mit individuellen und gesell-
Musik. Es geht auch um die sozialen Beziehungen -     schaftlichen Perspektiven auseinandersetzen. In
zur Familie und zu außerfamiliären Netzwerken und     den Foren geht es dann vor allem um die zentralen
Personen.                                             Bereiche Freizeit, Bildung und Kommune. Unsere
                                                      Stichworte hier sind: Dialog, Koordinierung, Ver-
Wenn wir die Partizipation und Integration älterer    netzung, interdisziplinäres Vorgehen, Berücksich-
Menschen fördern wollen und hierbei insbeson-         tigung der Interessen unterschiedlicher Sektoren,
dere auch generationenübergreifende Strategien        Akteure und vor allem der Zielgruppen selbst, um
und Ansätze planen, dann ist es äußerst wichtig,      die es geht.
die Interessen der unterschiedlichen Beteiligten zu
kennen und ernst zunehmen.                            Meine Damen und Herren, ich freue mich sehr auf
                                                      die heutige Diskussion und wünsche uns allen einen
Und wenn wir Gesundheit umfassend sowie auch          interessanten Fachaustausch und viele Impulse
generationenübergreifend denken, sehen wir, dass      und Anregungen für unsere Arbeit. Vielen Dank!
sehr viele unterschiedliche Bereiche, Sektoren
und Akteure zur Förderung dieses Miteinanders
beitragen können. Das ist nicht nur der Gesund-
heits- und Pflegebereich im engeren Sinne, da gibt
es viele weitere relevante Zuständigkeiten z.B. aus
den Bereichen Soziales, Bildung, Kultur, Freizeit,
Sport, Städtebau und Verkehrsplanung. Hier gibt
es durchaus zahlreiche Maßnahmen, die sowohl
für jüngere Menschen und Familien mit Kindern, als
auch für Ältere sinnvoll und wichtig sind, denken
wir z.B. an den Wohnungsbau, an den öffentlichen
Personennahverkehr, an Freizeit- und Sportanla-
gen, an Grünflächen und Parks, Wander- und Rad-
wege, um nur einige wenige Bereiche zu nennen.
Ein Beispiel ist die Absenkung von Bordsteinen:
Dies ist wichtig für Personen, die nicht mehr so

10
Thematische Einleitung und Grußworte

                                       11
Thematische Einleitung und Grußworte

  Miteinander aktiv älter werden                        Jährige und jeder vierte Über-85-Jährige zu wenig
                                                        trinkt. Eine Optimierung dieser defizitären Lebens-
 Demographische Transition und                          weise ist gerade in Bezug auf die im Alter häufiger
                                                        auftretenden Erkrankungen wie Schlaganfall, Blut-
     Gesundheit im Alter
                                                        hochdruck und koronare Herzkrankheiten erforder-
        Prof. Dr. Holger Hassel                         lich (DGE 2007, Schmitt 2004, Stanger et al. 2003).
     Hochschule Coburg, Institut für
 angewandte Gesundheitswissenschaften                   Körperliche Aktivität trägt wesentlich zu einem
                                                        gesunden Altern bei. Zudem hat sie eine zent-
Die zunehmende Lebenserwartung der Deutschen            rale präventive Funktion, die über den gesamten
stellt das Gesundheitswesen vor große Herausfor-        Lebensverlauf wichtig ist. Ausreichende Bewegung
derungen (Statistisches Bundesamt 2003).                schützt vor chronischen Krankheiten wie Osteo-
                                                        porose, Diabetes und Bluthochdruck und trägt zur
Bereits ab einem Alter von 50 Jahren ist ein deutli-    Vermeidung von funktionellen Einschränkungen
cher Anstieg lebensstilbedingter Erkrankungen wie       bei (Voelcker-Rehage et al. 2005, Shaw et al. 2003,
koronarer Herzkrankheiten oder Diabetes Mellitus        Tinetti 2003, Tinetti et al. 1994). Positive Effekte zei-
Typ II festzustellen. Die Wahrscheinlichkeit, dass      gen sich auch für das Immunsystem und die see-
ältere Menschen pflegebedürftig werden, steigt mit      lische Gesundheit. Allerdings nutzen ältere Men-
zunehmendem Alter deutlich an. Bei vielen Krank-        schen ihr Bewegungspotenzial nicht entsprechend
heitsbildern zeigt sich ein enger Zusammenhang          ihrer Möglichkeiten und sind deutlich häufiger kör-
zwischen Alter und Häufigkeit von Krankenhaus-          perlich inaktiv als jüngere Menschen (Robert Koch
behandlungen (Sachverständigenrat zur Begutach-         Institut et al. 2009).
tung der Entwicklung im Gesundheitswesen 2008,
Statistische Ämter des Bundes und der Länder            Das Ausmaß sozialer Integration ist ein weiterer
2008, Walter 2005).                                     wesentlicher Einflussfaktor für das subjektive Wohl-
                                                        befinden im Alter. In zahlreichen Studien konnte
An den zentralen drei gesundheits- und sozialwis-       gezeigt werden, dass das Ausmaß sozialer Inte-
senschaftlichen Verhaltensbereichen Ernährung,          gration einen Effekt auf den Gesundheitszustand
Bewegung und soziale Integration können die             und die Lebensdauer älterer Menschen hat. Im
Bedingungsfaktoren für Gesundheit, Autonomie            Durchschnitt sind unverheiratete Menschen einem
und Lebensqualität deutlich gemacht werden:             höheren Risiko ausgesetzt, früher zu versterben
Ernährung und Bewegung sind eine elementare             als verheiratete Menschen. Dieser Zusammenhang
Voraussetzung für ein gesundes Altern. Allerdings       zeigt sich vor allem bei Männern. Nicht nur eine
ist das Ernährungs- und Bewegungsverhalten vie-         feste Beziehung, auch die Einbindung in ein sozi-
ler Senioren defizitär. So zeigen sich vor allem bei    ales Netzwerk und regelmäßiger Kontakt zu ande-
Nahrungsmitteln wie Obst und Gemüse ungünstige          ren Menschen haben einen positiven Effekt auf die
Verzehrgewohnheiten (Payette 2005, DGE 2001,            Lebensdauer. Dieser Zusammenhang wurde vor
Stehle 2000, Seiler & Stähelin 1999). Auch die          allem für Frauen festgestellt (Larson R 1978, Ste-
Trinkmenge ist bei älteren Menschen zu gering. In       verink 2002, Seeman 1996, Berkman 1995, Thoits
einer Studie von Volkert et al. (Volkert et al. 2004)   1995, House et al. 1982, Berkman&Syme 1979,
konnte gezeigt werden, dass jeder siebte Über-65-       Shye 1995).

12
Gesund alt werden                     Baltes&Baltes 1990).

Die wesentliche Herausforderung für eine alternde    Damit wird das aktive Altern (aktiv im Sinne von
Gesellschaft ist nicht die statistische Verlänge-    Beteiligung) zu einem mehrdimensionalen Prozess,
rung der Lebenserwartung, sondern der qualitative    der es Menschen ermöglicht, im zunehmenden Alter
Zuwachs, der es ermöglicht, das Auftreten schwerer   ihre Gesundheit zu wahren, am Leben ihrer sozia-
Krankheiten zu verzögern. Das Hinausschieben der     len Umgebung teilzunehmen und ihre persönliche
Morbiditätskompression ist nach Fries um ca. 10      Sicherheit zu gewährleisten. Das Gelingen dieses
Jahre möglich (Fries 2000, 1985, 1980). Bisherige    Prozesses wird sowohl vom individuellen Lebens-
empirische Ergebnisse stützen diese These für ein    stil als auch durch förderliche Rahmenbedingun-
gesundes Altern (Niehaus 2006, WHO 2002, Walter      gen (Lebenswelten) bestimmt und trägt entschei-
2005). Als wichtige Voraussetzung für ein gesundes   dend zur Lebensqualität bei (Sachverständigenrat
Altern gilt nach dem Active-Aging-Ansatz der WHO     zur Begutachtung der Entwicklung im Gesund-
(2002) neben der Risikoreduzierung für körperliche   heitswesen, 2008, WHO 2002). Die Förderung
Beeinträchtigungen eine lebenslange Optimierung      von Verhaltensweisen mit dem Ziel eines gesun-
von Möglichkeiten für körperliches, psychisches      den Lebensstils, wie bspw. eine ausgewogene
und soziales Wohlbefinden. Damit verfolgt Active-    Ernährung, haben sich in verschiedenen Studien
Aging vor allem zwei Ziele:                          als wichtige veränderbare Einflussgrößen für ein
                                                     gesundes Altern herausgestellt (Peel et al. 2005).
   1. Die individuelle Lebensqualität besonders      Wenn gesundheitsförderliche Verhaltensweisen in
   durch den Erhalt der Autonomie zu steigern.       gut konzipierten Interventionsmaßnahmen gezielt
   2. Die finanziellen Belastungen für das Ge-		     gefördert werden, lässt sich nicht nur eine quan-
   sundheits- und Sozialsystem zu reduzieren.        titative Verlängerung des Lebens, sondern eine
                                                     qualitative Steigerung der Lebensqualität erreichen
In Anlehnung an die Salutogenese (Was erhält         (Robert Koch Institut 2009).
gesund?) (Bengel et al. 1999, Antonovsky & Franke
1997) stellt der Successful-Aging-Ansatz nach             Förderung der Lebensqualität älterer
Rowe und Kahn (Rowe & Kahn 1998, 1997) neben                          Menschen
den funktionalen Fähigkeiten im körperlichen und
mentalen Bereich vor allem das soziale Engage-       Die Lebensqualität älterer Menschen zu fördern
ment im Alter (z.B. ehrenamtliche Tätigkeiten) als   beinhaltet frühzeitige und dauerhafte Unterstützung
wichtige Voraussetzungen für erfolgreiches Altern    im Prozess des aktiven Alterns.
heraus.
                                                     Dabei gelten in den Gesundheitswissenschaften
Nach dem Konzept von Baltes und Baltes steht         settingbezogene Ansätze als wirkungsvolle Inter-
vor allem das produktive Altern im Zentrum des       ventionen zur Konkretisierung der Gesundheits-
Successful-Aging-Ansatzes. Demnach zeichnet          förderung im Sinne der WHO Definition (Gesunde
sich das erfolgreiche Altern besonders durch eine    Städte-Netzwerk 2010, WHO 2009, Bundeszen-
förderliche Adaption an alterspezifischen Verlus-    trale für gesundheitliche Aufklärung 2003). Die
ten und Herausforderungen im körperlichen, kog-      Einbindung unterschiedlicher Zielgruppen und die
nitiven und sozialen Bereich aus (Baltes 1999,       Durchführung sowohl universeller als auch selek-

                                                                                                    13
Thematische Einleitung und Grußworte

tiver Präventionsmaßnahmen lassen sich mit Hilfe        individuellem Wohlbefinden und Nutzen. „Schätzen
des Setting-Ansatzes realisieren. Die Fokussierung      sich die Projektteilnehmer in ihren unterschied-
auf universelle Prävention richtet den Blick auf alle   lichen Beiträgen für die gemeinsamen Ziele, wird
im Setting agierenden Personen. Während selek-          dem Einzelnen auch ein Gefühl der Selbstschät-
tive Prävention sich an potentielle Risikogruppen       zung ermöglicht, weil ihm vermittelt wird, dass er
(bspw. alleinlebende Männer) richtet. Die Fokus-        einen besonderen Beitrag leistet, der von den ande-
sierung auf definierte Sozialräume, wie z.B. das        ren als wertvoll anerkannt wird“ (Eisentraut 2008).
Quartier, ermöglicht es, Zielgruppen genauer zu         Ziel einer solchen intergenerativen Projektarbeit ist
bestimmen, adäquate Zugangswege festzulegen,            es, die Potentiale älterer und jüngerer Menschen
Ressourcen zu nutzen und ein Höchstmaß an Par-          im Sinne des Bürgerschaftlichen Engagements zu
tizipation zu ermöglichen.                              nutzen und die Lebenszufriedenheit bei jungen und
                                                        alten Menschen zu verbessern (Holbach-Gömig &
                Miteinander aktiv                       Seidel-Schulze 2007).

Eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen         Die moderne Industrie- und Informationsgesell-
von Partizipation im Sozialraum stellt Bürgerschaft-    schaft ist einem ständigen Wandel unterzogen mit
liches Engagement dar. Es wird verstanden als           der Folge, dass Wissen schnell veraltet. Zwar ver-
„unbezahlte, freiwillige und gemeinwohlorientierte      fügen ältere Menschen über reichhaltigere Erfah-
Aktivität“ (Bundesministerium für Gesundheit 2009,      rungen, jüngere Menschen sind jedoch mit dem
Schulte et al. 2008). Der positive Nutzen Bürger-       aktuellen Wissen oft besser vertraut. Beide Berei-
schaftlichen Engagements kann aus zwei Blickwin-        che – die Erfahrung der Alten und das Wissen der
keln betrachtet werden: Zum einen ergibt sich der       Jüngeren – sind jedoch notwendig, um den Her-
gesellschaftliche Nutzen durch gemeinwohlorien-         ausforderungen einer schnelllebigen Zeit begegnen
tierte Aktivitäten einer insgesamt älter werdenden      zu können (Greger 2001). Während in den USA die
Gesellschaft, zum anderen zeigt sich der individu-      Professionalisierung von Generationsarbeit struk-
elle Nutzen der sich engagierenden Personen im          turell bereits weit vorangeschritten ist (Newman
Sinne einer aktiven Teilnahme und damit als aktives     1997a, b), steht die wissenschaftliche Auseinan-
Altern (Heinze &Olk 2001). Die Anerkennung und          dersetzung mit diesem Thema in Deutschland erst
Akzeptanz des Bürgerschaftlichen Engagements            am Anfang.
in der Kommune wird insbesondere dann gelingen,
wenn die Aktivitäten der Senioren als Unterstützung                Gesundheitsmündigkeit für
für z.B. die Präventionsarbeit mit Kindern verstan-                      Jung und Alt
den und anerkannt werden.
                                                        Um die Lebensqualität und die Gesundheitsmün-
Durch die Entwicklung und Implementierung gene-         digkeit von alten Menschen zu fördern, empfeh-
rationsübergreifender Projekte kann ein gegensei-       len sich niederschwellige Interventionen, wie sie
tiger Austausch unterschiedlicher Lebenserfahrun-       im Konzept zur Förderung von Health Literacy
gen und –perspektiven in Gang gesetzt werden, die       zugrunde gelegt werden. Die WHO (1998) definiert
wiederum zu Prozessen intergenerativer Anerken-         Health Literacy als die Gesamtheit der kognitiven
nung führen. Insbesondere die erfahrbare gegen-         und sozialen Fertigkeiten, welche die Menschen
seitige Wertschätzung auf beiden Seiten führt zu        motivieren und befähigen, ihre Lebensweise derart

14
Thematische Einleitung und Grußworte

zu gestalten, dass sie für die Gesundheit förderlich    heit zu tun, lässt sich nur durch eine ganzheitliche
ist (Nutbeam 2000). Das U.S. Department of Health       Herangehensweise in den Feldern Sozialarbeit und
and Human Services (Department of Health and            Gesundheitsförderung erfolgreich bewältigen.
Human Services 2010) definiert Health Literacy als
Schlüssel eines gesundheitsfördernden Verhaltens        Aktuelle Forschungsergebnisse unterstreichen die
unter dem Gesichtspunkt der Eigenverantwortung          Notwendigkeit, settingbezogene und womöglich
jedes Einzelnen: „The degree to which individuals       intergenerative Projektarbeit zu implementieren
have the capacity to obtain, process and under-         und Senioren im Hinblick auf die Gesundheits-
stand basic health information and services nee-        mündigkeit zu fördern und zu unterstützen. Dabei
ded to make appropriate health decisions”.              erscheint es sinnvoll, die Senioren bereits in der
                                                        Planungsphase aktiv zu beteiligen. So können neue
Für die Förderung von Health Literacy in konkre-        Wege zur Förderung der Motivation, Anerkennung
ten Verhaltensbereichen fehlen in Deutschland           und Unterstützung älterer Menschen erschlossen
weitgehend konkrete Leitfäden und Materialien für       werden.
die Zusammenarbeit mit Senioren (Health Com-
munication Laboratory 2005). Lediglich für den          (Die verwendete Literatur zu „Miteinander aktiv älter
Bereich von Food Literacy (Ernährungsmündigkeit)        werden. Demographische Transition und Gesund-
ist vom Aid-Infodienst ein Konzept mit Übungen für      heit im Alter“ finden Sie auf Seite 80-83)
den Einsatz in der Erwachsenenbildung veröffent-
licht worden. Hierzu wurden von Studierenden der
Hochschule Coburg Übungen für die Zusammenar-
beit mit Senioren entwickelt und mit der Zielgruppe
getestet (Aid 2010, BEST 2006). Eine solche gene-
rationsübergreifende Projektarbeit führt zu einer
bedeutsamen Ressourcenaktivierung zur Unter-
stützung des aktiven Alterns.

Bislang laufen die generationsübergreifende För-
derung von Health Literacy sowie die Partizipation
der Beteiligten in ihrem Sozialraum in der Pra-
xis häufig nebeneinander her. Die Förderung der
Gesundheitsmündigkeit von älteren Menschen,
konkretisiert in den oben ausgeführten drei gesund-
heits- bzw. sozialwissenschaftlich zentralen Verhal-
tensbereichen Ernährung, Bewegung und soziale
Integration, stellt eine zentrale Herausforderung für
die Kooperation und Vernetzung des Sozial- und
Gesundheitssystem dar. Die Erreichbarkeit und
passende Ansprache der heterogenen Gruppe der
Senioren sowie die Motivation des Einzelnen, auch
im hohen Alter noch aktiv etwas für die Gesund-

                                                                                                         15
Fachvorträge

FACHVORTRÄGE
16
Fachvorträge

          Jung und alt im Dialog                         in diesem Bereich tätig geworden sind.

               Prof. Dr. Susanne Gröne                   Da stellt sich mir die Frage: Wieso eigentlich ist es
                 Hochschule Coburg,                      notwendig, sich um den Dialog der Generationen
                Fakultät Soziale Arbeit                  zu kümmern? Wieso ist es notwendig, jung und alt
                   und Gesundheit                        zusammenzubringen? Hat sich etwas verändert,
                                                         gibt es zu wenig Kontakt, oder gibt es zu wenig
                                                         Verständnis, was ist da eigentlich los?

In Coburg ist in der letzten Woche etwas Unge-           Hinter den vielen Aktionen stecken meiner Meinung
wöhnliches passiert: Auf Initiative des Coburger         nach zwei Grundüberzeugungen:
Bürgermeisters Tessmer, durchgeführt vom Mehr-                  1. Die erste These, die dahintersteckt,
generationenhaus der AWO und evaluiert von der           		 besagt, dass junge und alte Menschen zu
Hochschule Coburg haben SchülerInnen und Seni-           		 wenig oder zu schlecht miteinander
orInnen bei der Aktion „Passantenstopp“ in der           		kommunizieren
Fußgängerzone der Stadt jeweils entweder ältere                 2. und die zweite Hypothese ist die, dass es
oder junge Menschen einfach mit dem Satz ange-           		 sinnvoll wäre, wenn sie es täten.
sprochen: „Darf ich Sie ein Stück begleiten?“ Es
ging darum, auf ganz einfache Art und Weise Kon-         Ich möchte zu diesen zwei Thesen einige Überle-
takte zwischen jung und alt herzustellen und mitein-     gungen anstellen. Zuerst die Frage: Ist es so, dass
ander zu reden. Schlichte Kommunikation über all-        junge und alte Menschen zu wenig oder zu wenig
tägliche Themen als Türöffner für mehr Miteinander.      qualitätsvoll miteinander reden?
Teilnehmende haben berichtet, dass die Erwartun-
gen beider Gruppen übertroffen wurden, die jünge-        Rein quantitativ gesehen sind Gespräche zwischen
ren waren überrascht, wie leicht es war, ältere Men-     alten und jungen Menschen außerhalb der Familie
schen anzusprechen und miteinander in Kontakt zu         oder im institutionellen Rahmen selten. Brown &
kommen, die Älteren waren ebenfalls überrascht,          Rogers folgern, dass daraus ein Gefühl der Fremd-
dass die jungen Menschen, die sie angesprochen           heit und Ungewissheit resultiert, der sich als Barri-
haben, offen und aufgeschlossen waren. Verände-          ere herausstellt und es deshalb auch wenig Anreize
rung der Sichtweise des anderen auf beiden Seiten,       zur Kommunikation gibt (vgl.: Thimm 2002).
Erfahrungen von Neuem durch eine einfache, klei-
ne, völlig unaufwändige Aktion. - Wer da übrigens        Insbesondere in Bezug auf die Qualität der Kommu-
mitmachen möchte, der „Passantenstopp“ war               nikation gibt es Forschungsergebnisse, die besa-
keine einmalige Aktion, sondern findet im Oktober        gen, dass der Dialog zwischen jung und alt häufig
immer donnerstags und samstags in der Coburger           misslingt (Thimm 2002, 177), weil sie sich in Bezug
Fußgängerzone statt. Diese ungewöhnliche Aktion          auf die Sprache, die Wortwahl, das Sprechverhal-
ist nur ein kleines Beispiel für vielfältige Versuche,   ten und die nonverbale Kommunikation sehr stark
junge und alte Menschen miteinander ins Gespräch         unterscheiden und damit kaum Voraussetzungen
zu bringen. Es gibt Preise, die für besonders gute       für wirkliches „Verstehen“ gegeben sind. Der Satz
Ideen ausgelobt werden und eine große Spannbrei-         „Verstehen ist unwahrscheinlich“ von R. Sprenger
te von Initiativen, Gruppierungen und Vereinen, die      bezieht sich zwar grundsätzlich auf die Kommuni-

                                                                                                          17
Fachvorträge

kation zwischen Menschen - zeigt aber an dieser         äußere Welt ist eine andere geworden. Das innere
Stelle seine ganze Schärfe. Das Verstehen zwi-          Erleben geht häufig damit einher und ist verändert,
schen jung und alt ist unwahrscheinlich.                wir leben heute in einer anderen Welt als noch vor
                                                        dreißig Jahren.
Giles & Coupland haben in Bezug auf die Verstän-
digung zwischen Jüngeren und Älteren ein alters-        Senioren können oder wollen nicht immer mit den
bezogenes Kommunikationsdilemma festgestellt            Veränderungen Schritt halten. Möglicherweise ist
(Thimm 2002, 178). Stereotype wie zum Beispiel          dies Ausdruck eines Defizits, möglicherweise aber
„Alte Menschen sind verhärtet, wollen Junge immer       auch Ausdruck der Selbstbestimmung. Aber die
nur bevormunden, verstehen die Welt nicht mehr,         Entscheidung sich nicht mehr mit einer bestimm-
brauchen Hilfe “ oder „Junge Menschen haben nie         ten Sache auseinander zu setzen, vergrößert den
Zeit, hören nicht zu, denken nur an sich selbst…“       Abstand zwischen den Lebenswelten von jungen
beeinflussen die Kommunikation in eine negative         und alten Menschen. Unterschiede soweit das
Richtung und sorgen dafür, dass es im Gespräch          Auge reicht. Diese Unterschiede zwischen den
Anpassungsversuche der einen oder anderen               Generationen hat es zwar immer schon gegeben,
Generation gibt, die dann aber häufig misslingen        aber durch den schnellen gesellschaftlichen Wan-
und den Dialog zwischen jung und alt beeinträch-        del ist dieser in der jetzigen Zeit besonders stark
tigen. Zum Beispiel kann es sein, dass ein junger       ausgeprägt.
Mensch, der mit einem Älteren redet, ganz langsam
spricht, die Lautstärke erhöht, weil er davon aus-      Aber jetzt kann man sagen, okay, so ist es – war-
geht, dass der ältere Mensch schlecht hört. In der      um sollten wir das ändern? Welchen Sinn macht es,
Regel versucht einer der beiden Kommunikations-         wenn jung und alt mehr oder intensiver und besser
partner sich auf den anderen einzustellen, versucht     miteinander reden?
den Gesprächsverlauf zu kontrollieren. Das hat zur
Folge, dass es kein Gespräch auf gleicher Augen-        Es geht bei der Verständigung um Verständnis,
höhe gibt, einer der Kommunikationspartner hat          gegenseitigen Respekt, Wertschätzung und Berei-
wenig Platz zur Mitgestaltung des Gesprächsver-         cherung des Lebens. Denn es ist grundsätzlich so,
laufs und folglich nicht unbedingt Interesse daran,     dass der Einblick in eine fremde Lebenswelt die
den Dialog fortzusetzen.                                eigene bereichern kann. Die Frage nach dem ande-
                                                        ren Lebensalter ist meiner Meinung nach eine ganz
Obwohl es Verständnisprobleme natürlich schon           fundamentale und verankert bei den drei großen
immer gegeben hat, ist der an vielen Stellen            philosophischen Fragen des Menschen: Wer bin
beschworene gesellschaftliche Wandel neben dem          ich – woher komme ich – wohin gehe ich.
altersbezogenen Kommunikationsdilemma ganz
wesentlich dabei beteiligt, dass die Kommunika-         Junge Menschen können im Kontakt mit älteren
tion zwischen jung und alt sehr viel schwieriger        Menschen diese Fragen näher beleuchten: „Woher
geworden ist, es hat sich in den letzten Jahren und     komme ich“, was können mir die älteren Menschen
Jahrzehnten sehr viel verändert. Natürlich die Tech-    über Kultur, Heimat, Geschichte, über meinen Wer-
nik, aber nicht nur, auch der Musikgeschmack, die       degang erzählen. „Wer bin ich“ stellt die Frage nach
Mode, die Literatur, die Architektur, die Einrichtung   der momentanen erkannten Identität, „wohin gehe
von Häusern und Wohnungen hat sich geändert, die        ich“ – damit ist zwar im Endeffekt auch die Frage

18
Fachvorträge

nach dem Tod gemeint, aber die Frage nach dem            Literatur:
Älterwerden steht auch hier in einem engen Zusam-        Thimm, Caja (2002): Alter als Kommunikationsproblem. In: Fieh-
menhang.                                                 ler, Reinhard (Hg.): Verständigungsprobleme und gestörte Kom-
                                                         munikation. Radolfzell: Verlag für Gesprächsforschung.
Wie könnte denn mein weiteres Leben ablaufen,            S.177-197.
wie werde ich mich möglicherweise entwickeln, wie
verändere ich mich körperlich, geistig und seelisch,
wenn ich älter werde? „Wie werde ich sein, wenn
ich alt bin“ ist zwar keine Frage, die sich junge Leu-
te jeden Tag stellen, aber es spielt doch immer wie-
der eine Rolle bei der Gestaltung des Lebens.

Auch für die älteren Menschen gibt der Dialog mit
der Jugend Antworten auf diese Fragen, aber unter
einem anderen Blickwinkel. Der Kontakt mit jungen
Menschen lässt die eigenen jungen Seiten anklin-
gen, stellt den älteren Menschen vor die Frage, wie
war ich als junger Mensch. Was habe ich erlebt,
„der Kontakt mit jungen Menschen hält jung“ wird
oft gesagt und in diesem Sinne stimmt das, weil die
eigene Jugendlichkeit aktiviert wird. Aber oft gibt
es auch Unverständnis für die Probleme und Her-
ausforderungen von heute, weil es „damals ganz
anders war“ - aber immer wieder auch Erkennen
der eigenen Position in den Erlebnissen des ande-
ren. Der Kontakt mit den jungen Menschen geht
aber auch die transzendente Frage des Menschen
ein, was wird nach mir sein, oder was bleibt von
mir, von meinen Gedanken, hinterlasse ich Spuren?
Damit profitieren die Generationen an ganz ele-
mentarer Stelle von dem gemeinsamen Dialog, es
geht über ein bisschen „erzählen“, ein bisschen
„Verständnis“ hinaus und betrifft den ganzen Men-
schen. Und darum ist es auch so wichtig, diesen
Dialog zu fördern.

Ich freue mich, dass es dazu heute diese Tagung
gibt, die Gedanken vermitteln, Impulse geben, aber
auch aktives miteinander reden fördern will. Ich
wünsche Ihnen deshalb einen interessanten Aus-
tausch und eine für Sie ertragreiche Tagung.

                                                                                                                   19
Fachvorträge

     Das Neue braucht das Alte -                      die auf dem Arbeitsmarkt wenige Chancen haben.
                                                      Es sind die 50-64jährigen, die den großen Teil der
          Das Miteinander der                         Freiwilligen-Arbeit und Ehrenämter leisten. Die Soli-
             Generationen                             darität der Generationen ist eine der bedeutsamen
                                                      Leistungen unserer Gesellschaft.
      Univ.-Prof. Dr. Frieder R. Lang                 Bedeutet dies, dass es keine Konflikte zwischen den
      Friedrich-Alexander-Universität                 Generationen gibt? Selbstverständlich nicht. Gene-
            Erlangen-Nürnberg
                                                      rationenkonflikte sind heute so präsent wie früher.
                                                      Sie gehören unverzichtbar zu unserem gesellschaft-
Im Miteinander bedeuten die Generationen einan-       lichen Zusammenleben. Die Generationen haben
der zugleich Herkunft und Zukunft. Eine ungewisse     einander schon immer besorgt gemacht, einander
Zukunft, die erst im Zusammenhalt der Generatio-      bewegt, verärgert und verändert. Das überliefern
nen möglich wird. Ohne einander wäre man nicht.       auch historische Quellen, manche Grundkonflikte
Die Jugend von gestern trifft die heute Jungen und    in der Familie, zwischen älteren und jungen Men-
die Älteren von morgen treffen die schon Gealter-     schen, waren nie anders als sie sich heute darstel-
ten. Wie aber können die Erfahrungen der Jungen       len. Ich will einige Beispiele geben.
und die der Alten ausgetauscht und wechselseitig
nutzbar gemacht werden? Das ist die Schlüsselfra-     Kommunikation: Aus vielen psychologischen
ge der Generationenforschung. In den Worten des       Studien wissen wir, dass jüngere Menschen sich
90-jährigen Philosophen Professor Odo Marquard        älteren und hoch betagten Menschen mit einem
liest es sich so: „Wo wir anfangen, ist niemals der   eigenen besonderen Sprechstil nähern, der in der
Anfang. Vor jedem Menschen hat es schon andere        Literatur als „patronisierend“ beschrieben wird und
Menschen gegeben, in deren Üblichkeiten - Tra-        der in etwa der Babysprache ähnelt, die Erwachse-
ditionen - jeder hineingeboren ist und an die er,     ne im Umgang mit Kleinkindern zeigen. Bekannt-
Ja sagend oder negierend, anknüpfen muss. Das         lich missfällt es älteren Menschen, in dieser Wei-
Neue, das wir suchen, braucht das Alte, sonst kön-    se angesprochen zu werden, auch wenn Sie sich
nen wir das Neue auch gar nicht als solches erken-    wünschen, dass Andere langsam und deutlich,
nen. Ohne das Alte können wir das Neue nicht          gleichwohl aber authentisch zu Ihnen sprechen.
ertragen.“                                            Man kann nur erahnen, wie viele Konflikte zwischen
                                                      älteren und jüngeren Interaktionspartnern unwis-
Was also bedeutet in diesem Zusammenhang die          sentlich auf nicht angemessene Kommunikations-
Rede vom Miteinander der Generationen? Fast sind      stile zurückzuführen sind.
wir es schon gewohnt, wenn Einige unbedacht vom
Krieg oder vom Kampf der Generationen sprechen.       Generationenübergänge: Eines der großen The-
Bekanntlich ist das Gegenteil der Fall: Es steht      men unserer Zeit ist die Frage, wie wir die Wei-
meist exzellent um die Qualität der Familiengene-     tergabe von Verantwortung, Führung, Vermögen
rationen, die einander nahe- und beistehen, sich      und Wissen innerhalb der lokalen, familialen und
helfen und unterstützen und einander das geben,       politischen Eliten organisieren sollen. Immer wie-
was sie verfügbar haben und darin sogar selbst-       der erleben wir, dass Jüngere es kaum abwarten
los scheinen. Auch das Ehrenamt ist eine Leistung     mögen, bis „der Alte“ endlich abtritt und es den
des Alters, wobei hier gerade diejenigen glänzen,     Älteren graut, wenn Sie an das denken, was da

20
Fachvorträge

nach ihnen kommt (und dabei manchmal zurecht            nen, denn als wahre Meisterleistung. Der Konflikt
oder zu Unrecht den Untergang ihres Lebenswerks         äußert sich darin, dass die Älteren den Nutzen für
befürchten).                                            sich nicht erkennen und die jüngeren Entwickler
                                                        kein Konzept der Bedürfnisse und Kompetenzen
Diskriminierung und Stereotype: Konflikte der           dieser Nutzer haben. Es gibt also durchaus Kon-
Generationen spielen sich am häufigsten, leider oft     flikte im Generationenverhältnis, aber häufig sind
unbemerkt und manches Mal auf dramatische Wei-          sie auf Anpassungsprobleme bei der jüngeren oder
se, in unseren stationären Einrichtungen der Alten-     der älteren Generation zurückzuführen - Anpas-
hilfe ab. Es sind die Konflikte zwischen schlecht       sungsprobleme, die mit Kommunikationsdefiziten,
bezahlten und gelegentlich überforderten Pflege-        unangemessenen Einstellungen, Vorurteilen, man-
kräften, Ärzten und Helfern, die für ihre außerge-      gelnder Flexibilität, fehlender Erfahrung und gele-
wöhnliche Leistungen und Kompetenz in Heimen,           gentlich mit Starrsinn und Selbstgefälligkeit zu tun
Kliniken und Krankenhäusern nicht die gesell-           haben: All diese Herausforderungen an moderne
schaftliche Anerkennung finden, die sie tatsächlich     Gesellschaften des langen Lebens erscheinen lös-
verdienen. Der Konflikt zeigt sich auch darin, dass     bar. Wir sollten das Miteinander der Generationen
gerade in diesen Berufen, bei den Pflegern und den      als die Leistung erkennen, die es ist, die wir ständig
Ärzten, die negativsten Einstellungen und Vorurteile    erbringen, die unsere Zukunft ist.
gegenüber älteren Menschen bestehen. Das mag
daran liegen, dass heilende Berufe noch wenig auf       (Die Präsentation zum Vortrag „Gesund und aktiv
die Potenziale des Alterns ausgerichtet sind.           Altern: Wofür die Generationen einander brauchen
                                                        (und wofür nicht)“ finden Sie auf Seite 60-72)
Qualifikation- und Karriere: Generationenkonflik-
te begegnen uns auch am Arbeitsplatz, dann näm-
lich wenn ältere Arbeitnehmer ausgegrenzt werden,
beispielsweise weil die jüngeren nachdrängen und
sich für die eigene Zukunft bewähren wollen und
müssen. Das Bedürfnis der Jüngeren nach Erfolg
in der Karriere ist für den Älteren gelegentlich eine
Bedrohung, auch der eigenen Position. Die Konflik-
te sind vorprogrammiert.

Markt- und Produktentwicklung: Wann immer
ältere Menschen sich weigern, ein neues Produkt,
einen Computer, ein mobiles Telefon oder ein über-
lebenswichtiges medizin- technisches Gerät zu
erwerben, dann verbirgt sich dahinter vielleicht
auch ein Generationenkonflikt. Es handelt sich
um den Konflikt zwischen einem jungen Ingenieur
und Technikexperten, der mit neuen Möglichkeiten
spielt und dabei Innovationen erschafft, die älteren
Nutzern oft nur als Spielerei oder Unsinn erschei-

                                                                                                          21
Fachexpertise

FACHEXPERTISE
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Fachexpertise

    Gesundheitsförderung –                            Der umfassenden Gesundheitsförderung kommt
 was können Kommunen leisten?                         dabei ein besonderer Stellenwert zu, denn sie
                                                      ist der Gewährleistungsträger für den Erhalt der
        – mit Beispielen aus dem                      Lebensqualität. Gesundheit ist die Grundvoraus-
           Landkreis Coburg –                         setzung für alle Altersgruppen sich wohl zu fühlen
                                                      und leistungsfähig zu sein und zu bleiben, um so
                   Martina Berger                     ein selbstbestimmtes und aktives Leben führen zu
                Landratsamt Coburg,
                                                      können (vgl. BZgA 2012:1). Die vor Ort vorzufinden-
                Landkreisentwicklung
                                                      den Lebensbedingungen haben dabei einen star-
Obwohl die Charta von Ottawa bereits ein viertel      ken Einfluss auf den Gesundheitszustand der dort
Jahrhundert alt ist, hat sie in ihren Grundaussa-     lebenden Bevölkerung (vgl. Schmidt 2011:215).
gen nichts an Bedeutung verloren (WHO 1986). Sie      Insofern muss sinnvollerweise auch die Gesund-
fußt auf dem durch die Weltgesundheitsorganisati-     heitsförderung in der Lebenswelt ansetzen – dort
on bereits 1946 grundgelegtem Verständnis, dass       wo die Menschen wohnen, arbeiten, sich versor-
Gesundheit sich nicht nur über die „Abwesenheit       gen, sich bilden, sich erholen und gemeinsam mit
von Krankheit und Gebrechen“, sondern als „… der      anderen ihre Freizeit gestalten – in den Städten und
Zustand des völligen körperlichen, geistigen und      Gemeinden vor Ort.
sozialen Wohlbefindens …“ definiert (WHO: 1946).
Demzufolge steht auch die Förderung der Gesund-       Die Gesundheitsförderung setzt dabei an den ver-
heit in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext und    schiedenen Ausgangspunkten an, die Gesundheit
verfolgt das Ziel, allen Menschen die Möglichkeit     beeinflussen: Zum einen bei jedem Einzelnen und
zu eröffnen, die ihnen innewohnenden Potenziale       bei dessen persönlicher Lebens- und Verhaltens-
vollständig zur Entfaltung bringen zu können. Damit   weise, zum zweiten beim sozialen Umfeld, das
sind nicht nur Einzelne, sondern auch Gruppen und     jeden Einzelnen beeinflusst und ggf. unterstützt,
Gemeinschaften, Kommunen und die Gesamt-              zum dritten bei den spezifischen Lebens- und
politik aufgefordert, dazu beizutragen, dass die      Arbeitsbedingungen und nicht zuletzt viertens bei
Entwicklung dieser Potenziale gelingen kann (vgl.     den Wirkungen, die die Umwelt sowohl wirtschaft-
BZgA 2009:21).                                        lich, kulturell als auch physisch zeitigt (vgl. Gesund-
                                                      heit Berlin-Brandenburg e.V. 2010:7).
Die Handlungsnotwendigkeit und auch der Hand-
lungsdruck werden durch den demografischen            Spürbare Wirksamkeit wird Gesundheitsförderung
Wandel vor Ort zusätzlich verstärkt. In vielen Kom-   da entfalten, wo verhaltensbezogene Maßnah-
munen des ländlichen Raumes findet sowohl eine        men (bis hin zur Einzelfallbetreuung von Personen
Abnahme der jüngeren Bevölkerung als auch eine        mit hohem Risiko) mit verhältnisbezogenen Maß-
deutliche Zunahme der älteren Bevölkerung statt.      nahmen, die an den Grundvoraussetzungen für
Durch diese sich ändernde Bevölkerungsstruktur        Gesundheit ansetzen und die vor allem von Seiten
ergeben sich neue Anforderungen an das zukünfti-      der Politik zu initiieren sind, zusammen wirken (vgl.
ge Leben in der Gemeinschaft, die die Kommunen        Schmidt 2011:218; Gesundheit Berlin-Brandenburg
vor die Aufgabe stellen, zeitnah wirksame Strate-     e.V. 2010:7). Damit ist die Gesundheitsförderung
gien mit dem Ziel zu entwickeln, die Lebensquali-     eine Querschnittsaufgabe in der Kommunalpolitik.
tät im ländlichen Raum nachhaltig sicherzustellen.    Zahlreiche Politikfelder, wie das Siedlungs- und

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Flächenmanagement, die Ortsentwicklung und die         1
                                                           Das Gesundheitsamt deckt ein sehr breites Aufgabenspek
Verkehrsplanung, aber auch die Arbeitsmarkt- und           trum ab, zu dem Gesundheitsschutz, Gesundheitsaufsicht,
Wirtschaftspolitik ebenso wie die Sozialpolitik und        Gesundheitsberichterstattung und Planung, neben der Ge-
der Umweltschutz nehmen, mit den dort getroffenen          sundheitsförderung auch die Gesundheitsvorsorgebera-
Entscheidungen, direkten Einfluss auf Gesundheit           tung und –betreuung sowie gutachterliche Tätigkeiten und
und Wohlbefinden der Bevölkerung (vgl. Schmidt             der gesundheitliche Verbraucherschutz gehören.
2011 218). Zum Teil mit gezielten Effekten, wie bei-
spielsweise dem Bau eines Thermalbades, zum            sie da, wo es sinnvoll und notwendig ist, weiter-
Teil aber auch als Nebeneffekte mit hoher Bedeu-       zuentwickeln, bestehende Versorgungslücken
tung, wie beispielsweise dem Bau eines Stausees        und Hemmnisse aufzuzeigen und Ideen zu deren
als Wasserrückhaltebecken im Rahmen des Hoch-          Behebung zu entwickeln. Im Landkreis Coburg
wasserschutzes, der von der Bevölkerung nach           findet das im Rahmen der Erarbeitung einer breit
kurzer Zeit auch als Naherholungsgebiet genutzt        angelegten Regionalstrategie zur Daseinsvorsorge
wird. Nicht nur bedingt durch diese vielschichtigen    statt, die als eines von acht Themenfeldern auch
Wechselwirkungen ist die Gesundheitsförderung in       die ärztliche Versorgung und die Gesundheitsför-
ihren Gestaltungsformen und Wirkungen von jeher        derung im Fokus hat. Der vom Gesundheitsamt
von zentraler politischer Bedeutung.                   im Tandem mit einem Bürgermeister hierzu gelei-
                                                       tete Arbeitskreis setzt sich aus lokalen Akteuren
Innerhalb der Behördenstruktur bildet sich das         zusammen, die das Ziel eint, eine gute gesund-
durch das Gesundheitsamt ab, das als untere            heitliche Versorgung im Landkreis Coburg auch im
Staatsbehörde im Rahmen der Kommunalisierung           Bereich der Gesundheitsförderung sicherstellen zu
den Verwaltungen der Landratsämter angegliedert        wollen. Ergebnisse aus dem aktuell laufenden Pro-
wurde. Ihm obliegt als Aufgabe mit wachsender          zess werden im Herbst 2013 gekoppelt mit Hand-
Bedeutung auch die Gesundheitsförderung. In mul-       lungsempfehlungen vorliegen. Was wie in welchem
tiprofessionell zusammenarbeitenden Teams wird         Umfang zur Umsetzung gelangt, ist in weiten Tei-
hier auf der Ebene des Landkreises das „Gerüst“        len vom Votum der Kommunalpolitik abhängig,
für eine gelingende Gesundheitsförderung errichtet.    die – in diesem Fall durch die Arbeitskreisleitung
Die zentrale Herausforderung ist es dabei, nicht nur   - frühzeitig in die Überlegungen mit eingebunden
einzelne Konzepte und Programme, sondern eine          werden sollte. An dieser Stelle wird allerdings auch
integrative Strategie zu entwickeln, wie, mit wem      eine „Sollbruchstelle“ der Kommunalisierung der
und mit welchen Schwerpunkten Gesundheitsför-          Gesundheitsförderung deutlich: Sie wurde zwar
derung im Landkreis vorangebracht werden kann.         stärker in die Zuständigkeit der Landkreise über-
Die Ebene des Landkreises bildet hierbei idealty-      antwortet, damit ging jedoch kein Transfer an ent-
pischerweise die Kooperationsplattform, auf der –      sprechenden Haushaltsmitteln einher. Die finanziell
moderiert und initiiert durch das Gesundheitsamt -     oftmals sehr schwierige Lage der Kommunen führt
die zahlreichen in der Gesundheitsförderung tätigen    dazu, dass sie sich vor allem auf die Pflichtleistun-
Akteure zusammenkommen, um gemeinschaftlich            gen konzentrieren müssen und sich außer Stande
die vorhandenen Strukturen, Maßnahmen und Pro-         sehen, die nachrangigen „Kann-Leistungen“ zu
gramme bedarfsbezogen zu überprüfen,                   finanzieren. Gerade im öffentlichen Gesundheits-
                                                       dienst handelt es sich jedoch vor allem um eben
                                                       jene „Kann-Leistungen“ die zu einer umfassenden

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