Jugendschutzbericht 2020 - für den Medienrat der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) - der Bayerischen ...
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Jugendschutzbericht 2020 für den Medienrat der Bayerischen Landeszentrale für n eue Medien (BLM) BLM | Bereich Medienkompetenz und Jugendschutz München, 11. Februar 2021
Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1 Der Jugendmedienschutz in der BLM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1.1 Medienkompetenz-Ausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1.2 Beschwerden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 1.2.1 Beschwerden Telemedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 1.2.2 Beschwerden Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1.3 Prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1.3.1 Veranstaltungen und Gespräche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1.3.2 Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 1.4 Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1.4.1 Aufsicht Telemedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1.4.2 Aufsicht Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1.4.3 Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1.5 Genehmigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2 Bundesweiter Jugendmedienschutz: BLM und KJM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.1 Arbeitsgruppen der KJM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.2 Thematische Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2.3 Prüftätigkeit für KJM – Ständige Prüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 3 Beiträge zur Öffentlichkeitsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 3.1 Veranstaltungen der BLM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 3.2 Publikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3.3 Vorträge, Podiumsdiskussionen, Workshops . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 4 Weitere Aktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
6 Vorwort Debatte und brachte die Perspektive des Jugendmedien- schutzes und der Medienaufsicht in eine aktuelle Aktion des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales gegen Verschwörungsmythen ein. ■ Auch auf die Veranstaltungen der BLM wirkte sich die Pandemie aus. Die stets gut besuchte Fachtagung Ju gendschutz und Nutzerkompetenz – dieses Jahr zum Thema „Soll das ein Witz sein?! Was ist, was kann, was darf Die im Jahr 2020 weltweit grassierende Covid-19-Pandemie Humor im digitalen Zeitalter?“ – musste verschoben wer- hatte nicht nur unmittelbare Auswirkungen auf die reale den, da sie besonders vom persönlichen Austausch lebt. Lebenswelt, sondern auch auf die Medienwelt und Medien- Andere Veranstaltungen wurden in digitaler Form durch- nutzung der Menschen. Dies zeigte sich vor allem auch bei geführt. So fand zum Beispiel anlässlich des europaweiten Kindern und Jugendlichen: So verbrachten etwa Jugend Aktionstags für die Betroffenen von Hasskriminalität am liche zwischen 12 und 19 Jahren laut aktueller JIM-Studie1 22. 07. 2020 die Online-Veranstaltung „Justiz, Medien, Gesell- allein mit der Nutzung von Streamingdiensten knapp zwei schaft – gemeinsam gegen Hate Speech“ statt. Stunden pro Tag – zusätzlich zur Nutzung anderer Medien- ■ Erstmals brachte die BLM eine Publikation zu einem angebote. Die damit einhergehenden Entwicklungen stel- wichtigen Nutzerschutz-Thema in Leichter Sprache he len auch den Jugendmedienschutz vor neue Herausforde- raus: Die Broschüre „Recht am eigenen Bild – Tipps in rungen. Dies gilt selbstverständlich auch für die gesetzli- Leichter Sprache“ erklärt Menschen mit Leseeinschränkun- chen Grundlagen in diesem Bereich, die laufend überprüft gen, worauf man beim Fotografieren, Filmen und Verbrei- und novelliert werden müssen. Dabei heißt es jedoch stets, ten von Bildern im Netz achten sollte. das Ziel des Jugendmedienschutzes nicht aus den Augen ■ Auch bei den Aufsichtsverfahren hat die BLM neue zu verlieren: mediale Einflüsse der Erwachsenenwelt auf Wege beschritten: Sie hat damit begonnen, in einem abge- Kinder und Jugendliche, die ihrem Alter und Entwick- stuften Verfahren aufgrund von Pornografie gegen Twitter lungsstand (noch) nicht entsprechen, möglichst gering zu vorzugehen. Damit hat sich die BLM dem Vorgehen ge- halten. gen Twitter als Plattformbetreiber und Host-Provider an- Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien geschlossen, das die Kommission für Jugendmedienschutz (BLM) hat im Jahr 2020 eine Vielzahl von Medienangebo- (KJM) gemeinsam mit einigen Landesmedienanstalten ten mit Blick auf mögliche Jugendschutzverstöße über- führt. prüft – von Fällen aus der eigenen Beobachtung bis hin zu ■ Bei zahlreichen bundesweiten Jugendschutzfragen Beschwerden und Hinweisen, die beispielsweise von Bürge- übernahm die BLM im Rahmen der Mitarbeit bei der Kom- rinnen und Bürgern eingehen. Darüber hinaus hat sie zahl- mission für Jugendmedienschutz wieder eine aktive Rolle, reiche weitere Aktivitäten umgesetzt, zum Beispiel: vor allem im Kreis der Ständigen Prüfer der KJM sowie in ■ Beim Engagement der BLM gegen Extremismus, Anti den verschiedenen KJM-Arbeitsgruppen. So hat sie bei- semitismus und verwandte Problemfelder in den Medien spielsweise an der Überarbeitung der Beurteilungskrite- spielte in diesem Jahr das Thema Verschwörungsideo rien der Medienaufsicht – den „Kriterien für die Aufsicht logien eine große Rolle – bedingt durch die Corona-Pan- im Rundfunk und in den Telemedien“ – aktiv mitgewirkt, demie (Stichwort „Querdenker-Bewegung“). Neben der die im Herbst 2020 in aktualisierter Form veröffentlicht Prüfung von Bürgerbeschwerden zu entsprechenden wurden. Medieninhalten beteiligte sich die BLM an der öffentlichen Gemäß dem Medienratsbeschluss vom 11. 11. 1993 zur Eindämmung der Gewalt im Fernsehen berichtet die Geschäftsführung hiermit zum 46. Mal über die Aufsicht von Angeboten im Rundfunk und in Telemedien sowie über Maßnahmen im Hinblick auf die Bestimmungen des 1 Quelle: JIM 2020 Jugend, Information, Medien – Basisunter suchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in Deutschland, Jugendschutzes. Dies umfasst den Zeitraum von Januar bis Hrsg.: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest einschließlich Dezember 2020.
1 7 Der Jugendmedienschutz in der BLM Der Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien gehört 1.1 Medienkompetenz-Ausschuss zu den zentralen Aufgaben der Landesmedienanstalten. Er ist ein Rechtsgut mit Verfassungsrang (Artikel 5 Abs. 2 Grundgesetz). In Bayern nimmt die BLM diese Aufgabe auf hintergrund Der Ausschuss „für Fragen der Medienkompe- Grundlage der Bayerischen Verfassung sowie des Bayeri- tenz und des Jugendschutzes (Medienkompe- schen Mediengesetzes (BayMG) wahr. tenz-Ausschuss)“ wurde 2014 eingerichtet, um der besonderen Bedeutung der beiden Themen in der BLM Rechnung zu tragen. Nach Artikel 111a der Bayerischen Verfassung hintergrund wird Rundfunk in öffentlicher Verantwortung und in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft be- trieben. Die Bayerische Landeszentrale für neue Im Berichtszeitraum behandelte der Ausschuss in drei Medien steht daher in einer besonderen gesell- Sitzungen zahlreiche Fragen und setzte erneut wichtige schaftlichen Verantwortung: Sie hat unter fachliche Impulse. Für die praktische Arbeit der BLM ist die anderem die Aufgabe, auf eine qualitätsvolle Beratung von Jugendschutzfragen im Ausschuss, in dem Programmgestaltung hinzuwirken. Vertreterinnen und Vertreter verschiedener gesellschaft- lich relevanter Gruppen vertreten sind, von zentraler Be- deutung. Der Jugendschutz der BLM wird dadurch maß- Dem BLM-Medienrat mit seiner pluralistischen Zu- geblich unterstützt und gestärkt. sammensetzung aus den gesellschaftlich relevanten Gruppen Bayerns und dem Medienkompetenz-Ausschuss kommt beim Jugendschutz eine besondere Bedeutung zu. Der gesamtgesellschaftliche Diskurs ist hier besonders Die Aufgaben des „Ausschusses für Fragen der hintergrund wichtig, da Jugendschutzfragen immer eng mit Wertefra- Medienkompetenz und des Jugendschutzes gen verknüpft sind. (Medienkompetenz-Ausschuss)“: ■ die Beratung von Fragen der Vermittlung von Medienkompetenz und zur Förderung von Medienkompetenzprojekten ■ die Begleitung medienpädagogischer Veranstaltungen ■ die Beratung der übereinstimmenden Sat- zungen und Gemeinsamen Richtlinien nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) ■ die Beratung über Jugendschutzfragen im Hörfunk und im Fernsehen sowie in den Telemedien
8 Der Jugendmedienschutz in der BLM In der Sitzung am 10. 03. 2020 wurde Michael Schwä- sicht und sind eine zentrale Grundlage für die BLM-Jugend- gerl, Vorsitzender des Bayerischen Philologenverbandes, schutzarbeit sowohl bei Aufsichtsverfahren als auch im zum neuen Vorsitzenden des Medienkompetenz-Aus- präventiven Bereich. schusses gewählt. Michael Voss, der seit Mai 2017 den Vor- Die Ausschussmitglieder befassten sich mit aktuel- sitz innehatte, schied in der Sitzung am 26. 11. 2019 aus dem len Beispielfällen und würdigten die Jugendschutz-Arbeit Medienkompetenz-Ausschuss aus. Ilona Schuhmacher, die der BLM bei der Bearbeitung von Bürgerbeschwerden. im Oktober 2019 seine Nachfolge als Vizepräsidentin des Bayerischen Jugendrings antrat, nimmt nun seinen Platz Jugendschutz beim Anbieter ProSieben als Mitglied im Medienrat ein und wurde von diesem in den Seit Anfang 2020 ist der Sender ProSieben bei der BLM zu- Medienkompetenz-Ausschuss entsandt. gelassen. Vor diesem Hintergrund befasste sich der Aus- schuss mit dem Jugendschutz des Anbieters. Die BLM überprüft regelmäßig in Stichproben das Mediatheken- Der Medienkompetenz-Ausschuss angebot sowie das Fernsehprogramm von ProSieben im hintergrund (Stand: 31. Dezember 2020): Hinblick auf die Einhaltung der Jugendschutzbestimmun- gen. Mehrere Sendungen im Programm des Senders sind Vorsitzender: Michael Schwägerl (Lehrerverbände) jugendschutzrelevant und regelmäßig Gegenstand von öffentlichen und gesellschaftskritischen Debatten. Dies Stv. Vorsitzender: zeigt sich auch an der Anzahl von Bürgerbeschwerden, die Dr. Gerhard Hopp (Bayerischer Landtag, CSU) bei der BLM dazu eingehen. Die BLM steht im regelmäßi- 14 Mitglieder: gen Austausch mit den Jugendschutzbeauftragten von Michael Busch (Bayerischer Journalistenver- ProSieben. In vielen Fällen konnten somit durch entspre- band), Max Deisenhofer (Bayerischer Landtag, chende Hinweise der BLM Lösungen im Sinne des Jugend- Bündnis 90/Die Grünen), Paul Hansel (Bund der medienschutzes erreicht werden. Vertriebenen Landesverband Bayern), Christa Hasenmaile (Gewerkschaften), Dr. Gerhard Hopp Vorgehen gegen ausländische Anbieter: (Bayerischer Landtag, CSU), Walter Keilbart Änderung der gesetzlichen Grundlagen nötig (Industrie- und Handelskammern), Ulla Kriebel Ein weiteres Thema im Ausschuss war das Vorgehen der (Katholische kirchliche Frauenorganisationen), Medienaufsicht gegen ausländische Anbieter bei mögli- Wilhelm Lehr (Vertreter der Musikorganisatio- chen Verstößen gegen den JMStV. nen), Hans-Peter Rauch (Handwerkskammern), Die Landesmedienanstalten sind für die Einhal- Ilona Schuhmacher (Bayerischer Jugendring), tung der gesetzlichen Bestimmungen des Jugendmedien- Dr. Florian Schuller (Katholische Kirche), schutz-Staatsvertrags (JMStV) zuständig. Nach dem Gel- Michael Schwägerl (Lehrerverbände), Harald tungsbereich des JMStV rücken damit zuerst Anbieter, die Stempfer (Bayerischer Landessportverband), ihren Sitz in Deutschland haben, in den Fokus der Beob- Arwed Vogel (Schriftstellerorganisationen) achtung und Aufsichtstätigkeit. Neben den Inhalte-An- bietern können aber auch Anbieter von Speicherplatz für fremde Inhalte (Host-Provider) oder reine Zugangsver- mittler (Access-Provider) grundsätzlich nach den Vor- Beschwerden aus der Bevölkerung: wichtige schriften des JMStV belangt werden. Die BLM ist in ihrer Ju- Grundlage für die Jugendschutzarbeit der BLM gendschutzarbeit immer wieder auch mit jugendschutzre- Der Ausschuss befasste sich mit den Beschwerden und An- levanten Angeboten, die aus dem Ausland kommen, kon- fragen zu Jugendschutzthemen, die regelmäßig aus der frontiert. Die Bestimmungen des JMStV sind jedoch gegen- Bevölkerung bei der BLM eingehen (→ 1.2). Diese Beschwer- über ausländischen Anbietern nur schwer durchzusetzen. den und Hinweise zu Medieninhalten sind ein wichtiger Da Content-Provider häufig nicht problemlos zu ermitteln Gradmesser für das Werteempfinden in der Gesellschaft. sind, kann nach der abgestuften Verantwortlichkeit unter Sie zeigen den Bedarf für Jugendschutz und Medienauf- bestimmten Voraussetzungen auch gegen Host-Provider
Der Jugendmedienschutz in der BLM 9 vorgegangen werden. Es handelt sich allerdings um sehr Jugendschutzreform: Jugendschutzgesetz aufwendige und langwierige Verfahren. des Bundes (JuSchG) und Jugendmedien Einige Landesmedienanstalten führen derzeit Mus- schutz-Staatsvertrag der Länder (JMStV) terverfahren gegen Anbieter mit Sitz im EU-Ausland durch. Auch über die anstehende Jugendschutzreform wurde im Ziel ist es, neben der Ahndung der Verstöße auch gesetz- Ausschuss beraten. Ziel der geplanten Novellierungen des liche Missstände aufzuzeigen, um auf europäischer Ebene Jugendschutzgesetzes (JuSchG) und des JMStV sollte ein eine Anpassung der gesetzlichen Regelungen zu bewir- kohärentes System des Jugendmedienschutzes sein. Nach ken. Auch die BLM hat erstmals bei vier Fällen Aufsichts- Aufassung des Ausschusses sind wichtige Anforderungen verfahren zu Angeboten mit Sitz des Host-Providers im an die Reform eine klare Kompetenzverteilung zwischen Ausland eingeleitet. Hierbei handelt es sich um Profile auf Bund und Ländern, die Vermeidung von Doppelstrukturen, Twitter mit pornografischen Inhalten, bei denen die Inha- die Einbeziehung ausländischer Anbieter in die Regelungen berin oder der Inhaber des Profils nicht ermittelt werden und die Bereitstellung technischer Jugendschutzlösungen. konnte (→ 2.2; → 1.4.1). Die Mitglieder des Ausschusses dis- Am 14.10.2020 stimmte das Bundeskabinett dem Entwurf kutierten über die Bedeutung des Vorgehens gegen aus- zur Änderung des JuSchG zu, die abschließenden Beratun- ländische Anbieter. Sie betonten die Wichtigkeit, Zeichen gen im Bundesrat und Bundestag stehen noch aus (→ 2.2). zu setzen, um die Notwendigkeit veränderter gesetzlicher Der durch den Staatsvertrag zur Modernisierung der Me- Grundlagen für die Arbeit der Medienaufsicht aufzuzeigen. dienordnung in Deutschland (Modernisierungsstaatsver- trag) geänderte JMStV trat am 07. 11. 2020 in Kraft (→ 2.2). Verschwörungsmythen: ein Thema für den Jugendmedienschutz Rechtliche Aspekte bei TikTok Der Ausschuss befasste sich mit dem Thema Verschwö- Ein weiteres Thema für den Ausschuss waren die rechtli- rungsmythen und Jugendschutz. In der Prüf- und Auf- chen Problemlagen bei der chinesischen Plattform TikTok. sichtspraxis der BLM fallen seit einigen Jahren immer wie- TikTok wird zum Teil auch dazu genutzt, um jugendgefähr- der Telemedienangebote, die Verschwörungsmythen ver- dende Inhalte zu verbreiten. Nach den geltenden gesetzli- breiten, auf. Diese Entwicklung wird aktuell durch die Co- chen Vorschriften gibt es jedoch viele Hürden, um gegen- rona-Pandemie verstärkt. Verschwörungsmythen sind über ausländischen Anbietern rasch und effektiv vorge- meist düster, schildern Bedrohungsszenarien und Dysto- hen zu können (→ 2.2). Bei den Funktionsweisen von Tik- pien und schaffen Feindbilder. Oft sind sie von einem ex- Tok problematisierte der Ausschuss, dass bei Installation tremistischen oder antisemitischen Weltbild geprägt, mi- der TikTok-App die Nutzung „öffentlich“ voreingestellt schen Fiktion und Fakten und sind daher schwer zu ent- ist. Dadurch können zunächst alle Nutzerinnen und Nutzer kräften. Dem BLM-Jugendschutz ist es ein Anliegen, dass der App die Profile und hochgeladenen Videos sehen und neben einem aufsichtsrechtlichen Vorgehen gegen ent- kommentieren. Unerfahrene Kinder und Jugendliche kön- sprechende Angebote auch präventiv auf mögliche Gefah- nen so Gefahr laufen, durch freizügige und unbedachte Vi- ren aufmerksam gemacht wird und wichtige Zielgruppen deos mit privaten Details Opfer von Cyber-Grooming und sensibilisiert werden. Die Ausschuss-Mitglieder befassten Cyber-Mobbing zu werden. Kritisch betrachtet wurden zu- sich mit ausgewählten Beispielen aus der Jugendschutz- dem die fehlende Kontrolle des Mindestalters sowie ein praxis. Sie bekräftigten, dass einerseits Aufsichtsverfah- hohes datenschutzrechtliches Problempotenzial. ren geführt werden, andererseits Prävention und Aufklä- rung erfolgen muss, damit Risiken für Kinder und Jugend- liche im Netz möglichst gering gehalten werden können.
10 Der Jugendmedienschutz in der BLM Initiative „Justiz und Medien – 1.2 Beschwerden konsequent gegen Hass“: Zwischenbilanz Der Ausschuss informierte sich über den aktuellen Stand Die BLM ist Anlaufstelle und Ansprechpartnerin für Be- der gemeinsamen Initiative der BLM und des Bayeri- schwerden und Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern schen Staatsministeriums der Justiz „Justiz und Medien – sowie Institutionen zu Medieninhalten. Beschwerden und konsequent gegen Hass“, die im Oktober 2019 ins Leben Hinweise aus der Bevölkerung stellen dabei eine wichtige gerufen worden ist (→ 2.2). Die Initiative setzt ein Zei- Grundlage für die Jugendschutzarbeit der BLM dar: für Pro- chen für die Meinungsfreiheit und gegen Hass, Antisemi grammbeobachtung, präventive Tätigkeit, Prüf- und Auf- tismus und Volksverhetzung im Netz und wird mittler sichtsverfahren. Die BLM geht jeder Beschwerde und je- weile von 112 Medienunternehmen (Stand: Dezember dem Hinweis nach und prüft den Sachverhalt, auch wenn 2020) unterstützt. Dadurch wird mit dem Thema Hate nicht in jedem Einzelfall gesetzliche Bestimmungen ver- Speech in den Medienhäusern offensiver umgegan- letzt sind, und informiert die Beschwerdeführer über das gen und dieses auch in der Gesellschaft verstärkt wahr- Ergebnis der Überprüfung. Bürgerbeschwerden sind ein genommen. Die BLM übernimmt bei der Initiative ins- wichtiger Gradmesser für das Werteempfinden in der Ge- besondere die Öffentlichkeitsarbeit und die Erstellung sellschaft: Sie zeigen, dass der Jugendschutz und die Me- von Schulungs- und Informationsmaterial. Am 02. 03. 2020 dienaufsicht in der Bevölkerung nach wie vor einen hohen startete die Website https://www.blm.de/konsequent- Stellenwert genießen. gegen-hass.cfm, die über Rahmendaten und Ansprech- Insgesamt erreichten die BLM im Jahr 2020 rund 180 partner der Initiative informiert. Beschwerden zu Jugendschutzthemen. Broschüre „Recht am eigenen Bild“ in Leichter Sprache: Stärkung der Nutzerkompetenz bei 1.2.1 Beschwerden Telemedien Menschen mit Behinderungen und Menschen mit Migrationshintergrund Zu Telemedieninhalten von Anbietern mit Sitz in Bayern Im Ausschuss wurde die Broschüre „Recht am eigenen Bild“ und darüber hinaus sind bei der BLM im Jahr 2020 knapp in Leichter Sprache vorgestellt (→ 3.2). Anlass für die Bro- 100 Bürgerbeschwerden, Hinweise und Anfragen einge- schüre war eine Nachfrage des Vereins Caritas Behinder- gangen. Dies entspricht in etwa der Anzahl vom Vorjahr. tenhilfe und Psychiatrie e. V. nach der im Jahr 2019 veröf- Bei etwa der Hälfte handelte es sich dabei um Prob- fentlichten Broschüre „Recht am eigenen Bild“ in Leichter lemfälle, das heißt, die BLM sah hier aufgrund von mögli- Sprache für Menschen mit Behinderungen und Menschen chen Jugendschutzverstößen Handlungsbedarf. mit Migrationshintergrund. Ziel der aktuellen Broschüre ist Im Rahmen ihrer Zuständigkeit kontaktierte sie in es, das Bewusstsein aller Mediennutzerinnen und -nutzer geeigneten Fällen die Anbieter bzw. deren Jugendschutz- für einen verantwortungsvollen Umgang mit fremden In- beauftragte, um diese zu einer freiwilligen und schnellen halten unter Berücksichtigung des Rechts am eigenen Bild Behebung der Verstöße zu bewegen. Etwa ein Drittel der zu stärken und komplexe Rechtsfragen auf verständliche Problemfälle konnte auf diese Weise präventiv gelöst wer- und einfache Weise zu beantworten. Die Medienkompe- den. Präventive Verfahren sind im Telemedienbereich häu- tenz soll bei allen Mediennutzerinnen und -nutzern geför- figer als im Rundfunk, da die betreffenden Inhalte meist dert werden. noch online sind und eine nachträgliche Umsetzung von Jugendschutzmaßnahmen jederzeit möglich ist (→ 1.3). Ein Teil der Beschwerden mündet aber regelmäßig auch in Aufsichtsverfahren der BLM (→ 1.4) oder die BLM setzt sich für Indizierungsverfahren seitens der Bundes- prüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) ein. In den übrigen Fällen bestand nach der Prüfung ent- weder kein weiterer Handlungsbedarf, da sich der Verdacht auf einen Verstoß gegen die Jugendschutzbestimmungen
Der Jugendmedienschutz in der BLM 11 nicht bestätigte, oder es gab mangels Zuständigkeit bzw. und auch im Rahmen der Show selbst wurde weitgehend Erreichbarkeit des Anbieters keine Handlungsmöglichkeit auf die Nennung der Begriffe verzichtet. für die BLM. Auch wenn die gesetzlichen Bestimmungen (noch) Inhaltliche Schwerpunkte bei den Beschwerden und nicht verletzt sind, bergen sexualisierte Medieninhalte aus Anfragen im Bereich Telemedien im Jahr 2020 waren ins- Sicht des Jugendschutzes ein Problempotenzial. So zeigt besondere Pornografie und Sexualdarstellungen sowie In- die Erfahrung der BLM, dass sich viele Eltern an sexualisier- halte im Kontext von Rechtsextremismus und Antisemi- ten Inhalten stören, auch wenn noch kein Verstoß vorliegt. tismus (Themenspektrum: fremdenfeindliche Äußerungen, Als Antwort auf entsprechende Anfragen und Beschwer- Volksverhetzung, Holocaustleugnung, verfassungsfeind- den von Bürgerinnen und Bürgern ist im Jahr 2019 in Zu- liche Kennzeichen, verschwörungstheoretische Inhalte). sammenarbeit von BLM und Aktion Jugendschutz Bayern Weitere Themen waren Darstellungen von Alkohol- und die Broschüre „Wie erkläre ich das meinem Kind? Darstel- Drogen(konsum), Gewaltdarstellungen, indizierte Inhalte lungen von Sexualität in den Medien – Informationen für im Netz sowie Onlinespiele. Eltern“ erschienen3. Maßnahme: Kommunikation mit Jugendschutz- Bürgerbeschwerden Telemedien: beauftragten des Anbieters; Kommunikation mit ausgewählte Beispiele aus der Praxis Beschwerdeführern ■ Dating-Show „M.O.M. – Milf oder Missy?“ ■ Website einer Schweizer Sekte mit (Joyn) Verschwörungsideologien Ein Schwerpunkt bei Bürgerbeschwerden im Jugend- Im Jahr 2020 spielten Verschwörungstheorien medienschutz sind seit jeher Darstellungen von Sexualität. bzw. -ideologien eine zunehmende Rolle im BLM-Jugend- Ein Beispiel hierfür im aktuellen Berichtszeitraum war die schutz bei Telemedien (→ 3.2). Ein Beispiel hierfür ist die neue Dating-Show „M.O.M. – Milf oder Missy?“, die beim In- Website einer Schweizer Sekte im scheinbar seriösen ternet-Sender Joyn2 zum Abruf angeboten wurde und von Nachrichtenstil. Mit zahlreichen Videobeiträgen und de- einer großen Werbekampagne begleitet war. Bei der BLM ren Präsentation durch vermeintliche Nachrichtenspre- gingen zahlreiche Beschwerden sowie Presseanfragen ein. cher in Fernsehstudios werden zu Themen wie „Corona- Zum Großteil richtete sich die Kritik der Bürgerinnen und virus“, „Satanismus“, „Impfen“ oder „Medienkrieg“ zahl- Bürger gegen die Verwendung des Begriffs „Milf“ – eine reiche Verschwörungstheorien propagiert. Zudem sind aus der Pornografie stammende Bezeichnung für Frauen Beiträge mit Bezügen zum Antisemitismus und Rechts- mittleren Alters – im Rahmen von Programmtrailern und extremismus enthalten. Beispielsweise finden sich auf Werbeplakaten, und weniger gegen die Sendung an sich. der Website – neben dem alten Mythos der vermeint- Die BLM nahm Kontakt zur Jugendschutzbeauftrag- lich zentral gesteuerten und gleichgeschalteten „Lügen- ten des Anbieters auf und sichtete die Sendung. Die Prü- presse“ oder „Lügenmedien“ – aktuelle Verschwörungs- fung ergab, dass kein Verstoß gegen die Jugendschutz- mythen rund um das Coronavirus („Biowaffe Coronavirus? bestimmungen vorlag. Denn auch wenn der Begriff „Milf“ Wie Medien verleumden und Infos unterschlagen“) so- pornografischen Ursprungs ist, bedeutet dessen bloße wie der QAnon-Bewegung „(„Adrenochrom: Menschen- Verwendung im Rahmen einer Sendung – vorliegend u. a. blut als Rausch- und Verjüngungsmittel“). Die Prüfung der im Titel – nicht automatisch, dass problematische Inhalte BLM ergab, dass bei dem Angebot mindestens die Gefahr für Kinder und Jugendliche enthalten sind. So waren in der einer Entwicklungsbeeinträchtigung von unter 18-Jähri- Sendung an sich weder pornografische Inhalte noch ent- gen durch nachhaltige Ängstigung und Verunsicherung wicklungsbeeinträchtigende Sexualdarstellungen festzu- sowie darüber hinaus ggf. einer Jugendgefährdung be- stellen. Dennoch reagierte Joyn auf die Kritik: Der Zusatz steht. Dies gilt v. a. bei Themen, die einen engen Bezug „Milf oder Missy?“ wurde aus dem Sendungstitel entfernt zur Lebenswelt und zum Alltag von Kindern und Jugend- 2 Joyn ist eine rundfunkrechtliche Plattform, mit Verbreitungs 3 Abrufbar zum Download unter https://www.blm.de/ wegen ausschließlich über Internet und einer Zulassung der BLM. aktivitaeten/medienkompetenz/materialien/sexualitaet.cfm
12 Der Jugendmedienschutz in der BLM lichen aufweisen, wie der Coronavirus-Pandemie. Hier ist Neues Online-Beschwerdeformular aufgrund der aktuellen Situation eine besonders starke Im Jahr 2019 waren bei den Bürgerbeschwerden Verän- Betroffenheit und Verunsicherung in Familien zu ver- derungen in Sprache und Form aufgefallen. So war die muten. Beim Mythos rund um das Trinken von Kinder- BLM im Jugendschutz mit auffällig vielen anonymen oder blut kommen Horrorelemente und Gewaltfantasien hinzu. bruchstückhaften Hinweisen, darunter auch Wut- und Die BLM erhielt zu dem Angebot mehrere Beschwerden Hasskommentaren sowie Fake-Beschwerden, konfron- und Anfragen, teilweise mit Hinweisen auf einen mögli- tiert gewesen – häufig über die Social-Media-Kanäle der chen Bezug zu Bayern („Studio München“, „Studio Nürn- BLM. Dieser Entwicklung wurde im Berichtszeitraum durch berg“). Der Anbieter der Website ist jedoch in der Schweiz ein Online-Beschwerdeformular ein Stück entgegenge- ansässig. Daher regte die BLM im ersten Schritt bei der wirkt. Das Beschwerdeformular unterstützt Bürgerinnen BPjM eine Indizierung des Angebots an. Dies hätte weit- und Bürger dabei, ihre Anliegen zu strukturieren und für reichende Verbreitungs- und Werbebeschränkungen zur die Bearbeitung wichtige Informationen wie „Internetad- Folge. Die betreffende Website wäre künftig zum Bei- resse“, „Aufrufdatum/Uhrzeit“ und „Themenfeld“ anzu- spiel nicht mehr über große Suchmaschinen auffindbar. geben. Auch um die Mitteilung von Kontaktdaten wird im Ein Ergebnis im Indizierungsverfahren liegt bisher nicht Rahmen des Formulars, mit Hinweis auf die Einhaltung des vor. Weitere Möglichkeiten des Vorgehens werden noch Datenschutzes, gebeten. geprüft. Das Beschwerdeformular ist auf der BLM-Website Maßnahme: Indizierungsanregung der BLM bei der abrufbar unter https://www.blm.de/service/beschwerde. BPjM; Kommunikation mit Beschwerdeführern cfm. ■ YouTube-Videos mit Darstellungen von Drogenkonsum 1.2.2 Beschwerden Rundfunk Auch zu Darstellungen von Drogenkonsum gingen im Berichtszeitraum mehrere Beschwerden ein. Hier standen Im Jahr 2020 erhielt die BLM über 80 Beschwerden zu YouTube-Videos rund um einen deutschen Ethnopharma- Rundfunkinhalten aus ihrem Zuständigkeitsbereich. Der kologen im Mittelpunkt, der darin seine Erfahrungen mit deutliche Anstieg gegenüber dem Vorjahr (25 Beschwer- verschiedenen Drogen mitteilt und sich für die Legalisie- den) ist vor allem auf die neue Zuständigkeit der BLM für rung bestimmter Drogen einsetzt. Die Prüfung der BLM er- den Sender ProSieben seit Januar 2020 zurückzuführen. gab, dass Drogenkonsum in den Videos nahezu ausschließ- Die Beschwerden betrafen Sendeinhalte verschie- lich positiv dargestellt und verharmlost wird. Dies kann dener Genres, hauptsächlich im Fernsehen, aber auch ver- auf Kinder und Jugendliche, die sich noch in der Entwick- einzelt im Hörfunk: Programmankündigungen, Trailer, lung befinden und dabei auch Grenzen austesten, sozial Shows, Serienepisoden, Spielfilme, Erotikformate sowie ethisch desorientierend und somit beeinträchtigend wir- Werbespots. ken. Besonders gilt dies für Kinder und Jugendliche, die Erneut bezogen sich die meisten Beschwerden auf Risikogruppen angehören. Da das gesamte Angebot von die Ausstrahlung sexualisierter Programminhalte – vor al- YouTube allerdings mit einer ausreichenden technischen lem auf Werbespots für Sexspielzeug und weitere Erotik- Jugendschutzvorkehrung versehen ist – einem sogenann- produkte im Tagesprogramm. Einen weiteren Schwerpunkt ten „age-de.xml Label“, vorliegend mit der Einstufung „18“ bildeten Beschwerden zu Gewaltinhalten im TV-Programm. – war kein Verstoß gegen die Jugendschutzbestimmungen gegeben. Ein Vorgehen der BLM war in diesem Fall nicht möglich. Maßnahme: Kommunikation mit Beschwerdeführer
Der Jugendmedienschutz in der BLM 13 Bürgerbeschwerden Rundfunk: Die Überprüfung der BLM ergab Folgendes: Von der ausgewählte Beispiele aus der Praxis FSK hatte der Horrorfilm eine Freigabe „ab 16 Jahren“ er- halten. Somit dürfte er im Fernsehen nur zwischen 22:00 ■ Werbespot für „BDSM-Set“ Uhr und 06:00 Uhr ausgestrahlt werden. Der Film wurde je- Bei sexualisierten Programminhalten im Tagespro- doch im Jahr 2020 in einer gekürzten Fassung von der Frei- gramm besteht das Problempotenzial, dass Kinder und Ju- willigen Selbstkontrolle Fernsehen e. V. (FSF) geprüft. Die gendliche mit Inhalten konfrontiert werden, die ihrem Ent- FSF traf die Entscheidung „ab 12/Hauptabendprogramm“. wicklungsstand nicht entsprechen und von ihnen nicht Das bedeutet, dass der Horrorfilm ab 20:00 Uhr ausge- eingeordnet werden können. Die Darstellung erfolgt meist strahlt werden kann. Die Überprüfung der BLM im genann- aus einer Erwachsenenperspektive und setzt sexuelle Er- ten Fall ergab, dass alle 23 Schnittauflagen seitens des An- fahrungen voraus, die Kinder und Jugendliche nicht haben. bieters erfüllt wurden. Eine Beschwerde bezog sich auf einen Werbespot des Maßnahme: Antwort an Beschwerdeführer Online-Erotik-Versandhändlers EIS.de zu einem „BDSM-Set“ im Tagesprogramm von ProSieben. ■ Joko & Klaas LIVE Die BLM prüfte den Werbespot, sah jedoch aufgrund Zur im Rahmen der Sendung „Joko & Klaas LIVE“ prä- der insgesamt zurückhaltenden Darstellung noch keinen sentierten medialen Kunstausstellung „Männerwelten“, Verdacht auf einen Jugendschutzverstoß. Dennoch war die sexuelle Gewalt gegen Frauen thematisierte, erhielt insgesamt bei derartigen Werbespots die Tendenz zu einer die BLM mehrere Beschwerden. Kritisiert wurden poten- erneuten Grenzverschiebung bei der Ausstrahlung im ziell pornografische Inhalte sowie eine Ängstigung und Tagesprogramm feststellbar. So wurden erstmalig Infor- Überforderung von Kindern und Jugendlichen durch ex- mationen zur Funktionsweise oder Zielgruppe der Pro- plizite Schilderungen von sexueller Belästigung, Übergrif- dukte präsentiert. Zudem waren einige der beworbenen fen und Gewalt. Bei ihrer Überprüfung stellte die BLM fest, Produkte dem Bereich spezieller Sexualpraktiken zuzuord- dass keine Pornografie vorlag: Die Darstellungen von Ge- nen. Die BLM hat dies in einem Gespräch mit den Jugend- schlechtsteilen und sexuellen Handlungen in Bild- und schutzbeauftragten der TV-Sender thematisiert und auf Textform dienten rein der Gesellschaftskritik und wiesen die Notwendigkeit einer verstärkten Sensibilität im Hin- keinen Stimulationscharakter auf. Ferner ergab die Über- blick auf Kinder hingewiesen. prüfung, dass aufgrund der gestalterischen Umsetzung Maßnahme: Antwort an Beschwerdeführer; der Sendung die Meinungs- und Kunstfreiheit stärker zu Gespräch mit Jugendschutzbeauftragten gewichten waren als der Jugendschutz. Maßnahme: Antwort an Beschwerdeführer ■ Ausstrahlung des Spielfilms „ES – Teil 1 (2017)“ ■ Trailer zu dem Actionfilm „Gemini Man“ Immer wieder erreichen die BLM Zuschauerbeschwer- Regelmäßig erreichen die BLM Zuschauerbeschwer- den, die eine vermeintliche Fehlplatzierung von Sendun- den, in denen die Ausstrahlung gewalthaltiger Filmtrailer gen, insbesondere Spielfilmen, problematisieren. Dabei in Werbepausen im TV-Programm kritisiert wird. Im Be- wird meist auf eine Diskrepanz zwischen der Freigabe der richtszeitraum ging eine Beschwerde zu einer Programm Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) und ankündigung zum Actionfilm „Gemini Man“ im Tagespro- der Ausstrahlungszeit hingewiesen. gramm ein. Der Beschwerdeführer kritisierte gewalthaltige So gingen zur Ausstrahlung des Horrorfilms „ES – Sequenzen aus dem Actionfilm mit Blick auf zusehende Teil 1 (2017)“ im Hauptabendprogramm des Senders Pro- Kinder. Die BLM sichtete den Trailer und kam zu dem Ergeb- Sieben sowie der zugehörigen Programmankündigung ei- nis, dass die Grenze zum Jugendschutzverstoß noch nicht nige Beschwerden ein. Die Beschwerdeführer kritisierten überschritten war. Da jedoch gewalthaltige Programm die zahlreichen Gewalt- und Bedrohungsszenarien mit der ankündigungen ein Problem gerade für jüngere Kinder sein Folge einer Ängstigung von Kindern und Jugendlichen un- können, forderte die BLM den Anbieter auf, künftig bei der ter 16 Jahren. Platzierung von Trailern im Tagesprogramm ein verstärk- tes Augenmerk auf jüngere Kinder zu legen. Die Jugend-
14 Der Jugendmedienschutz in der BLM schutzbeauftragte des Anbieters sagte dies zu. Sie teilte 1.3.1 Veranstaltungen und Gespräche ferner mit, dass der Trailer im Nachgang zur Ausstrahlung der FSF vorgelegt wurde. Diese habe keine Entwicklungs- Münchner Jugendschutzrunde 2020 beeinträchtigung jüngerer Kinder gesehen und den Trailer Zum nunmehr 19. Mal fand am 17. 11. 2020 die jährliche „ab 12 Jahren/ Tagesprogramm“ freigegeben. Münchner Jugendschutzrunde statt – aufgrund der Covid- Maßnahme: Hinweis an Anbieter; Antwort an 19-Pandemie erstmals nicht im Rahmen eines persönlichen Beschwerdeführer Austauschs, sondern in digitaler Form als Videokonferenz. An dem Expertenaustausch nahmen rund 30 Jugend- schutzbeauftragte privater Fernseh- und Telemedienan- 1.3 Prävention bieter aus München und Umgebung sowie Vertreterinnen und Vertreter des Bayerischen Staatsministeriums für Fa- Die BLM hat nicht nur die Durchführung von Aufsichtsver- milie, Arbeit und Soziales teil. Die Münchner Jugendschutz- fahren bei Jugendschutzverstößen im Blick. Sie versteht runde ist fester Bestandteil der präventiven Beratung, die sich auch als bayernweite Ansprechpartnerin für Rund- der Bereich Medienkompetenz und Jugendschutz sowohl funk- und Telemedienanbieter in allen Jugendschutzbelan- für Rundfunk- als auch für Telemedienanbieter initiiert hat. gen. Die BLM steht insbesondere mit den Jugendschutzbe- Thematische Schwerpunkte waren die BLM-Initiative auftragten der Anbieter in regelmäßigem Austausch, um „Justiz und Medien – konsequent gegen Hass“, der aktuelle sie bei jugendschutzrelevanten Fragestellungen zu unter- Stand der Novellierung des Jugendschutzgesetzes sowie stützen. Sie trägt auf diese Weise dazu bei, dass im Vor- das Inkrafttreten des Medienstaatsvertrages (MStV) am feld von aufsichtsrechtlichen Verfahren schnelle und pra- 07.11.2020, mit dem gleichzeitig auch Änderungen des Ju- xisnahe Lösungen im Sinne des Jugendmedienschutzes gendmedienschutz-Staatsvertrages in Kraft getreten sind. gefunden werden können. Etliche Verstöße können so Es wurde über die Aktualisierung der Aufsichtskriterien aufgrund präventiver Beratung von vornherein vermie- der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) für Rund- den werden. Viele Anbieter nehmen das Präventions- und funk und Telemedien sowie über die KJM-Schwerpunktun- Beratungsangebot regelmäßig in Anspruch. Sie sehen die tersuchung 2020 zum Thema „Alternative Medien und In- BLM mit ihrer Jugendschutzexpertise als kompetente und fluencer als Multiplikatoren von Hass, Desinformation und verlässliche Ansprechpartnerin. Gerade im Internet stellt Verschwörungstheorien“ berichtet. der Kontakt und Informationsaustausch zwischen Auf- Zudem erhielten die Teilnehmerinnen und Teilneh- sicht und Anbietern – idealerweise den Jugendschutzbe- mer einen Einblick in die laufende Jugendschutzarbeit auftragten – unterhalb von Aufsichtsverfahren eine wich- der BLM sowohl im Rundfunk als auch bei Telemedien – tige Säule der Jugendschutzarbeit dar, um Problemfälle vor allem auch, was Zuschauerbeschwerden und aktuelle schnell bilateral aufklären oder beheben zu können. Prüffälle betrifft. Zum Präventionsangebot des Bereichs Medienkom- Der Austausch wird auch im nächsten Jahr fort- petenz und Jugendschutz gehören Veranstaltungen, Ge- gesetzt. spräche in kleinerem Kreis und Hinweise an einzelne An- bieter bei problematischen Einzelfällen. Zu den Zielgrup- Gespräche mit Anbietern pen der Präventionsarbeit der BLM gehören überdies Der Bereich Medienkompetenz und Jugendschutz führt Multiplikatoren. anlassbezogen bilaterale Gespräche mit den Jugend- schutzbeauftragten und anderen Vertreterinnen und Ver- tretern der Fernsehsender und Telemedienanbieter im Zu- ständigkeitsbereich der BLM. Im Jahr 2020 gab es Gesprä- che zu unterschiedlichen jugendschutzrelevanten Themen.
Der Jugendmedienschutz in der BLM 15 Austausch mit ProSieben land) statt. Anlass für den Austausch waren Einzelfälle, die Im März 2020 fand ein Austausch mit dem Jugendschutz- aufgrund von Nutzerbeschwerden sowie in der Programm- beauftragten von ProSieben statt. Hintergrund war, dass beobachtung der BLM wegen Diskrepanzen zwischen den die BLM seit Anfang des Jahres 2020 für den Sender Pro- amazoneigenen Altersfreigaben und FSK-Einstufungen Sieben zuständig ist. Es wurden aktuelle jugendschutzre- aufgefallen waren. levante Fälle im Programm von ProSieben sowie Bürgerbe- schwerden thematisiert. Austausch mit Experten Austausch mit HSE24 Im April 2020 stand die BLM im Austausch mit HSE24. Hin- ■ Vernetzung beim Thema „Politischer tergrund waren mehrere Programmbeschwerden, die sich Extremismus“ gegen einen HSE24-Imagewerbespot wandten. In dem Aufgrund der Corona-Pandemie konnte der Exper- Spot drohte eine Frau einer anderen Frau gegenüber da- tenaustausch der BLM zum Thema „Politischer Extremis- mit, ihren Hamster in einen laufenden Standmixer zu wer- mus im Internet“, der in der Regel einmal im Jahr statt- fen, wenn sie ihr nicht verrät, wo sie ihr Kleid gekauft hat. findet, nicht in der gewohnten Weise durchgeführt wer- Die Überprüfung durch die BLM ergab, dass der Spot den. Die BLM stand aber anlassbezogen – u. a. aufgrund auf YouTube und in mehreren TV-Programmen verbreitet verschiedener Einzelfälle – mit Mitgliedern der Experten- wurde, nicht aber im Programm von HSE24 selbst. Nach runde bilateral in Kontakt und hielt so den Austausch und Einschätzung der BLM bestand ein Problempotenzial da- die Vernetzung aufrecht. hingehend, dass zusehende jüngere Kinder durch die dar- Sie informierte die Expertenrunde auch über das wei- gestellte Todesangst, in der der Hamster schwebt, nach- tere Vorgehen mit „Feindes-“ oder „Todeslisten“ auf aus- haltig geängstigt werden können. Die BLM nahm darauf- ländischen Websites mit antisemitischem Hintergrund. hin Kontakt mit HSE24 auf. Der Anbieter zog den Spot in Aufgrund eines Indizierungsantrags zu einer solchen Web- der ursprünglichen Form bei seinen Werbepartnern zu- site, der nach einem Hinweis der BLM von der KJM gestellt rück und setzte einen anderen Spot ein, der keine Jugend- wurde, indizierte die BPjM im Januar 2020 mehrere, teils schutzrelevanz besaß. Damit wurde nach Einschätzung der antisemitische Websites mit sogenannten „Feindeslisten“ BLM dem Wohl jüngerer Kinder gemäß § 5 JMStV Rechnung bzw. „Online-Prangern“. getragen. Die BLM ist Mitglied im landesweiten Beratungsgre- Im Nachgang dazu wandte sich HSE24 mit einem mium „Bayern gegen Rechtsextremismus“, einem Zusam- weiteren Spot, der Grusel- bzw. Horrelemente enthielt und menschluss von unterschiedlichen Institutionen, Initiati- mit Klischees aus dem Bereich des Okkultismus spielte, vor ven, staatlichen und nicht-staatlichen Organisationen so- dessen Ausstrahlung mit der Bitte um Prüfung an die BLM. wie Einzelpersonen, die sich gegen Rechtsextremismus, Die BLM kam zu der Einschätzung, dass eine Ausstrahlung Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlich- des Spots nach 20:00 Uhr aus Sicht des Jugendschutzes keit engagieren. Im Fokus des Gremiums stehen der Er- vertretbar wäre, und teilte dies dem Anbieter mit. fahrungsaustausch und die Vernetzung. In der Regel fin- Das Beispiel zeigt, dass im direkten Austausch mit den pro Jahr zwei Vernetzungstreffen statt. Im Jahr 2020 Anbietern schnelle Lösungen für den Jugendschutz im Vor- wurde pandemiebedingt nur ein Termin, in digitaler Form feld der Ausstrahlung möglich sind. im Oktober 2020, durchgeführt. Dabei ging es, neben ei- nem allgemeinen Austausch, vor allem um die Themen Ver- Gespräch mit Amazon schwörungsmythen und Rechtsextremismus im Zusam- Im Mai 2020 fand ein Gespräch mit der Jugendschutz- menhang mit „Corona-Protesten“ sowie Hass im Alltag beauftragten von Amazon Deutschland zu verschiede- Medienschaffender. nen Fragen rund um den Jugendschutz beim Streaming- Koordiniert wird das landesweite Beratungsgre- dienst „Amazon Prime Video“ (Sitz des Anbieters in Mün- mium von der Landeskoordinierungsstelle „Bayern gegen chen, daher Zuständigkeit der BLM gemäß JMStV) sowie Rechtsextremismus“ (LKS), einer Einrichtung des Bayeri- bei der Plattform Amazon.de (Sitz des Anbieters im Aus- schen Jugendrings (BJR).
16 Der Jugendmedienschutz in der BLM Der BLM-Jugendschutz stand außerdem im bilate 1.3.2 Einzelfälle ralen Kontakt mit der LKS und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der „mobilen Beratung gegen Rechts Telemedien extremismus in Bayern“. Anlass waren Berührungspunkte bei Beschwerden und Anfragen zu Medienangeboten mit Die BLM tritt im Vorfeld von Aufsichtsverfah- hintergrund rechtsextremistischen und antisemitischen Inhalten. Im ren an Telemedienanbieter heran, bei deren Juli 2020 fand hierzu ein digitaler Austausch statt, bei dem Angeboten Verstöße gegen die Jugendschutz- verschiedene Beispiele aus der Praxis besprochen wurden, bestimmungen gesehen werden und bei denen mit denen BLM und LKS aus unterschiedlichen Perspekti- gleichzeitig eine Bereitschaft für den Jugend ven befasst sind. Der Austausch wird bei Bedarf fortge- medienschutz zu erwarten ist. Die BLM weist setzt. Der Austausch auf Arbeitsebene wurde als gewinn- die Anbieter auf die problematischen Inhalte hin bringend für beide Seiten eingestuft. Eine Fortsetzung ist und benennt mögliche Jugendschutzmaßnah- zum geeigneten Zeitpunkt geplant. men. In vielen Fällen reagieren die Anbieter und Auch mit dem Referat Radikalisierungsprävention entfernen die betreffenden Inhalte oder setzen des Bayerischen Sozialministeriums führte die BLM im Jugendschutzmaßnahmen wie Zeitgrenzen Juli 2020 ein Gespräch. Das Sozialministerium hatte den oder Alterskennzeichnungen („Labeling“) ein. BLM-Jugendschutz um Austausch zur Arbeit im Bereich Auf diese Weise werden Jugendschutzprobleme Antisemitismus und Rechtsextremismus in Telemedien, schnell und praxisnah gelöst. Reagieren die An- insbesondere auch in Online-Games, gebeten. Ein weite- bieter nicht und bestehen die Verstöße weiter, res Thema waren auch hier Verschwörungsideologien. Hier speist die BLM die Fälle in das Prüfverfahren wurde die BLM gebeten, sich an der für Herbst geplanten der KJM ein. Aktion des Sozialministeriums gegen Verschwörungsmy- then zu beteiligen. Dies erfolgte im November in Form ei- nes Blogbeitrags zum Thema „Verschwörungsmythen und Im Berichtszeitraum kontaktierte die BLM in rund 100 Fäl- Jugendmedienschutz“. len Telemedienanbieter mit Sitz in Bayern und wies sie Das Bayerische Bündnis für Toleranz, das ebenfalls auf problematische Inhalte in ihren Angeboten hin, mit Mitglied im Landesweiten Beratungsgremium Bayern ge- dem Ziel, sie zu freiwilligen Jugendschutzmaßnahmen zu gen Rechtsextremismus ist, hatte der BLM Ende 2019 eine bewegen. Kooperation bei der Veranstaltung des nächsten Wunsied- Anlass hierfür waren einerseits Bürgerbeschwerden ler Forums im Oktober 2020 zum Thema „Demokratie und und Hinweise anderer Stellen an die BLM, andererseits In- Menschenwürde schützen – kein Platz für Hass und Hetze halte, die in der eigenen Beobachtung der BLM im Jugend- im Netz“ vorgeschlagen. Das Forum konnte zwar pande- schutz aufgefallen waren. miebedingt nicht stattfinden. Für Anfang 2021 ist aber Der Großteil der Fälle bezog sich dabei auf das An- stattdessen eine Online-Veranstaltungsreihe „Gegen Hass gebot eines großen Online-Versandhandels mit Haupt- und Hetze im Netz“ vorgesehen, die die BLM und das Bay- sitz im Ausland und einer deutschen Zweigniederlassung erische Bündnis für Toleranz gemeinsam durchführen in München. Jugendschutzverstöße sind im Angebot des werden. Versandhandels regelmäßig gegeben. Der Umsetzung von Aufsichtsmaßnahmen gemäß JMStV steht hier jedoch ent- Schulungen für Multiplikatoren gegen, dass der Anbieter nicht in Deutschland ansässig Im Rahmen ihrer Präventionsarbeit wendet sich die BLM ist. Fälle, bei denen Handlungsbedarf besteht, leitet die nicht nur an Anbieter, sondern auch an Zielgruppen aus BLM daher im Rahmen ihrer präventiven Tätigkeit an die dem Bereich der Multiplikatoren, wie Lehrerinnen und Leh- Jugendschutzbeauftragte für das dortige Notice-and- rer, Erzieherinnen und Erzieher, Medienpädagoginnen und Takedown-Verfahren weiter, mit dem Ergebnis, dass die Medienpädagogen oder Fachkräfte von Jugendämtern Probleme in der Regel schnell behoben werden. oder der Jugendhilfe.
Der Jugendmedienschutz in der BLM 17 Ein weiterer Teil der Fälle bezog sich auf jugend- dass drastische und explizite Darstellungen von Eingriffen schutzrelevante Inhalte in den Mediatheken der in Bay- in den menschlichen Körper Kinder und jüngere Jugend ern ansässigen Fernsehsender. Hier steht der BLM-Jugend- liche nachhaltig ekeln, ängstigen und verunsichern kön- schutz seit vielen Jahren in Kontakt mit den Jugendschutz- nen. Andererseits zeigen solche Formate, wie Ärzte kran- beauftragten, sodass auch hier potenzielle Jugendschutz- ken oder verletzten Menschen helfen, und die OP-Bilder verstöße auf direktem Weg meist schnell beseitigt werden. sind in der Regel in einen sachlichen Rahmen eingebettet. Im Jahr 2020 lagen die Problemfelder im Telemedi- Beides ist bei einer Bewertung aus Jugendschutzsicht zu enbereich insbesondere bei Pornografie sowie entwick- berücksichtigen. Eine Jugendschutzrelevanz und ein Pro- lungsbeeinträchtigenden Sexualdarstellungen, dem Be- blempotenzial sind bei derartigen Inhalten gegeben, auch werben und Anbieten indizierter Filme im Online-Versand- wenn die Grenze zum Verstoß noch nicht überschritten handel, Gewaltdarstellungen, Medical-Formaten sowie ist. Nach dem Hinweis der BLM entschied sich der Anbie- der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger ter, die Grenzen hier nicht auszureizen, und erhöhte die Organisationen. Alterseinstufung für die Rubrik „ungepixelte OP-Szenen“ in der Mediathek. Maßnahme: Hinweis an Anbieter → Angebot Beispiele aus der Praxis: verändert; präventive Gespräche mit der Jugendschutzbeauftragten ■ Hakenkreuz-Kugelschreiber bei Online-Versandhandel ■ Website einer Erotikmesse Immer wieder erreichen die BLM Hinweise auf ver- Bei der BLM ging eine Beschwerde zur Website ei- schiedene Produkte mit Hakenkreuzen im Angebot ei- ner großen Erotikmesse mit Sitz in München ein. Die Be- ner großen Versandhandels-Plattform. Im Berichtszeit- schwerdeführerin kritisierte an der Website, die Bilder von raum ging eine Beschwerde zu einem mit Hakenkreuzen sexuellen Handlungen aus dem Bereich des Sadomaso- versehenen Kugelschreiber ein, der bei dem Online-Ver- chismus zeigt, absolut unzulässige Inhalte in Form von Ge- sand als Geschenkartikel beworben und zum Kauf ange- waltpornografie. Dies bestätigte die Überprüfung der BLM boten wurde. Es handelte sich hier um eine Verwendung zwar nicht. Es wurde jedoch festgestellt, dass in dem An- von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, die gebot entwicklungsbeeinträchtigende Sexualdarstellun- als absolut unzulässig sowohl im Sinne des JMStV als auch gen für unter 18-Jährige ohne Jugendschutzmaßnahmen des Strafgesetzbuches (StGB) einzustufen ist. Die BLM verbreitet wurden sowie auf eine indizierte Sex-Website kontaktierte die Jugendschutzbeauftragte des Anbieters verlinkt wurde. Die BLM kontaktierte den Anbieter und sei- und forderte sie zum schnellen Handeln auf. Das Produkt nen Jugendschutzbeauftragten, wies auf die genannten wurde innerhalb kurzer Zeit aus dem Angebot entfernt. Verstöße hin und forderte Abhilfe. Der Jugendschutzbe- Maßnahme: Hinweis an Anbieter → Produkt auftragte reagierte umgehend, setzte Jugendschutzmaß- entfernt; präventive Gespräche mit der nahmen – eine Kennzeichnung und Programmierung des Jugendschutzbeauftragten gesamten Angebots mit „18“ – um und entfernte die Ver- linkung auf die indizierte Website. ■ OP-Szenen in Mediathek Maßnahme: Hinweis an Anbieter → Angebot Hinweise der BLM an Anbieter und deren Jugend- verändert schutzbeauftragte betreffen oft die Alterseinstufung von TV-Serien und Filmen in Online-Mediatheken oder Video-on-Demand-Angeboten, die nicht auf Altersfrei- gaben der FSK oder auf FSF-Entscheidungen beruhen. Im Berichtszeitraum war die Frage der Bewertung von Ope- rationsbildern in sogenannten Medical-Formaten und de- ren Präsentation in Form von „ungepixelten OP-Szenen“ in der Mediathek ein Thema. Einerseits ist hier zu bedenken,
18 Der Jugendmedienschutz in der BLM Rundfunk Jugendschutz und Alkoholwerbung: hintergrund ■ Anfragen von lokalen Rundfunkanbietern zu Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) Werbung für Prostitution und Sexspielzeug enthält eigene Regelungen zum Jugendschutz in Nach Beschluss des Medienrats aus dem Jahr 2014 der Werbung, darunter auch zum Thema Alkohol- darf Werbung für Prostitution und Sexspielzeug grund- werbung. So darf sich Werbung für alkoholische sätzlich nur zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr ausge- Getränke weder an Kinder oder Jugendliche rich- strahlt werden. Hierzu haben die Anbieterverbände Ver- ten noch durch die Art der Darstellung Kinder und band Bayerischer Lokalrundfunk (VBL), Vereinigung Baye Jugendliche besonders ansprechen oder diese beim Alkoholgenuss darstellen (§ 6 Abs. 5 JMStV). rischer Rundfunkanbieter (VBRA) und Verband unabhän- Gesetzliche Jugendschutzbestimmungen, die be- giger Lokalradios in Bayern (VuLB) im Jahr 2016 eine Hand- sagen, dass man Alkoholkonsum in den Medien lungsanweisung erarbeitet, die den Medienratsbeschluss grundsätzlich nur Personen ab 16 oder 18 Jahren konkretisiert und den Sendern und Vermarktern bei Ein- zeigen darf, gibt es nicht. Es kommt auf die Art zelfragen weiterhelfen soll. Der BLM-Medienrat hat die der Darstellung im Einzelfall an. Weitere Jugend- Handlungsanweisung im Jahr 2016 zustimmend zur Kennt- schutzbestimmungen zum Thema Alkohol ste- nis genommen. hen im Jugendschutzgesetz (§ 9 JuSchG). Darin Dennoch wandten sich auch im Jahr 2020 vereinzelt finden sich u. a. Regelungen, ab welchem Alter Hörfunkanbieter und Werbevermarkter mit Anfragen an alkoholische Getränke an Jugendliche abgegeben die BLM, um sich nach Möglichkeiten für Werbung für Pro- werden dürfen. Diese Vorschriften beziehen sich stitution, Sexspielzeug und vergleichbare Bereiche zu er- aber auf den Jugendschutz in der Öffentlichkeit kundigen und baten um Auskunft in konkreten Fällen. Die und nicht auf Darstellungen in den Medien. BLM prüfte die Anfragen und teilte den Anbietern ihre Ein- schätzung mit. . ■ Anfragen eines Radiosenders zu Werbung für Alkohol 1.4 Aufsicht Die BLM erhielt im Berichtszeitraum eine Anfrage ei- nes bayerischen Radiosenders zur geplanten Bewerbung Nicht alle Fälle eignen sich für ein präventives Vorge- eines alkoholischen Getränks. Sie prüfte das vorgelegte hen. Auch sind nicht alle Anbieter bereit, das Beratungsan- Spotkonzept und kam zu der Einschätzung, dass der Spot gebot der BLM anzunehmen und freiwillig Jugendschutz- bei einer geplanten Ausstrahlung in der angekündigten maßnahmen umzusetzen. Mit Aufsichtsmaßnahmen, also Form im Tagesprogramm nicht gegen die Vorgaben des dem Verhängen von Bußgeldern, Beanstandungen und JMStV zu Werbung für alkoholische Getränke verstößt: Die Untersagungen werden in konkreten Einzelfällen exemp- Werbung für das alkoholische Getränk richtete sich weder larisch Grenzen markiert, die Wirkung über den Einzelfall an Kinder oder Jugendliche noch sprach sie durch die Art hinaus entfalten und Signalwirkung haben. der Darstellung Kinder und Jugendliche besonders an oder stellte diese beim Alkoholgenuss dar. Da auch keine ent- wicklungsbeeinträchtigenden Inhalte auszumachen waren, sprach nichts gegen die Ausstrahlung des Werbespots im Tagesprogramm. Die BLM teilte das Ergebnis der Überprü- fung dem Radiosender mit.
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