Vorschläge für eine Reform der gesetzlichen Rentenversicherung - Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Vorschläge für eine Reform der gesetzlichen Rentenversicherung Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) bmwi.de
Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat sich in mehreren Sitzungen, zuletzt am 22. April 2021, mit dem Thema „Vorschläge für eine Reform der gesetzlichen Rentenversicherung“ befasst und ist dabei zu der nachfolgenden Stellungnahme gelangt: Impressum Herausgeber Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) Öffentlichkeitsarbeit 11019 Berlin www.bmwi.de Stand 4. Mai 2021 Diese Publikation wird ausschließlich als Download angeboten. Gestaltung PRpetuum GmbH, 80801 München Zentraler Bestellservice für Publikationen der Bundesregierung: E-Mail: publikationen@bundesregierung.de Telefon: 030 182722721 Bestellfax: 030 18102722721 Diese Publikation wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit herausgegeben. Die Publikation wird kostenlos abgegeben und ist nicht zum Verkauf bestimmt. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern während eines Wahl- kampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen sowie für Wahlen zum Europäischen Parlament.
1 Inhalt I. Anlass ......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 2 II. D ie demographische Entwicklung und der daraus folgende Zeithorizont für notwendige Reformmaßnahmen 6 ......................................................................................................................................................................................... III D ie Entwicklung der finanziellen Situation der GRV unter geltendem Recht ............................................................................................................................................................................................................................................................................... 11 IV. Keine Fortführung der „doppelten Haltelinie“ ...................................................................................................................................... 19 V. egelgebundene Anpassung des Renteneintrittsalters an R die Entwicklung der Lebenserwartung ......................................................................................................................................................................... 24 VI. P artielle Anwendung der Haltelinien: Preisdynamisierung der Bestandsrenten und Sockelschutzreform .......................................................................................................................................................... 29 VI.1 rennung von Bestands- und Zugangsrenten.......................................................................................................................................31 T VI.2 Nach Entgeltpunkten gestaffelte Rentenleistungen...........................................................................................................35 VII. Anmerkungen zur politischen Ökonomie von Rentenreformen ..................................................... 39 VII.1 P olitisch mögliche Reformen: Mehrheitsfähigkeit und Generationengerechtigkeit....................................................................................................................................................................................................................40 VII.2 Reformen im ökonomischen Eigeninteresse der Rentnerinnen und Rentner.................................................................................................................................................................................................................................................................................43 VIII. Fehlvorstellungen, die Rentenreformen behindern ............................................................................................................... 44 VIII.1 D er Gesundheitszustand von Menschen im Renteneintrittsalter.......................................................45 VIII.2 Die Arbeitsproduktivität älterer Menschen..................................................................................................................................................46 VIII.3 Makroökonomischer Zusammenhang zwischen Rentenalter und Jugendarbeitslosigkeit.......................................................................................................................................................................................................................................48 VIII.4 Irreführende Begriffe des deutschen Rentenrechts..............................................................................................................50 IX. Empfehlungen ........................................................................................................................................................................................................................................................................................... 51 Literatur .................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 56 Mitglieder ............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 60 Anhang: Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats seit April 1948 ............................................................. 63
2 I. Anlass
I. ANLASS 3 In Zeiten des demographischen Wandels steht die niveausenkung verteilt. Dieser wurde jedoch 2018 Rentenpolitik vor der Herausforderung, den Ziel- durch die „doppelte Haltelinie“, die ein Rentenni- konflikt zwischen einer adäquaten Sicherung des veau von mindestens 48 % absichert und den Bei- Lebensunterhalts im Alter und der finanziellen tragssatz auf höchstens 20 % begrenzt, zunächst bis Nachhaltigkeit des umlagefinanzierten Rentensys- 2025 ausgehebelt. Gleichzeitig wurden mit der Er tems zu meistern. Dieser Zielkonflikt wirft vor allem weiterung der Mütter- und der Einführung der Fragen der intergenerativen Verteilung zwischen Grundrente die finanziellen Spielräume weiter ein- der älteren und der jüngeren Generation auf. Diese geengt und die intergenerative Verteilung deutlich Fragen sind aber auch relevant für die Effizienz des zuungunsten der jüngeren Generation verschoben, Arbeitsangebots und der Beitrags-, Steuer- und was durch die Covid-19-bedingte Rezession noch Schuldenlast. Zudem stellen sich aufgrund der verschärft worden ist. Wenn der Nachhaltigkeits- sozialpolitischen Sensibilität der Rentenpolitik faktor – wie derzeit gesetzlich vorgesehen – 2025 viele Fragen der politischen Umsetzbarkeit von wieder aktiviert würde, hätte das erhebliche nega- Vorschlägen zur Gestaltung der Rentenpolitik. tive Auswirkungen auf die Entwicklung des Renten- Während die Rentenpolitik der letzten Jahre eher niveaus. Darum ist zu erwarten, dass die Politik kurzfristig orientiert war, stellt dieses Gutachten bald eine Verlängerung der doppelten Haltelinie die längerfristigen Aspekte zur Lösung dieser Fra- oder ähnliche Maßnahmen in Erwägung ziehen gen in den Vordergrund. wird, was ohne zusätzliche Anpassungen nur durch eine erhebliche Ausweitung des Zuschusses aus Eine langfristige Rentenpolitik steht heute vor zwei dem Bundeshaushalt in die Rentenversicherung zentralen Aufgaben. Sie muss erstens den Eintritt der finanzierbar wäre. Hier muss ein Kompromiss ge Babyboom-Generation in den Ruhestand und den funden werden. Da der Eintritt der Babyboom- Eintritt geburtenschwächerer Jahrgänge ins Erwerbs- Generation in den Ruhestand in wenigen Jahren leben verkraften. Immer weniger Erwerbstätige bevorsteht, hält es der Beirat für dringend geboten, müssen immer mehr Renten finanzieren. Die damit die Suche nach einem Kompromiss zur Lösung verbundene Herausforderung wird in den nächsten dieser ersten Aufgabe zu beginnen. beiden Jahrzehnten stetig anwachsen und dann erhebliche und dauerhafte Auswirkungen auf die Zur Bewältigung der zweiten Aufgabe hatte die Nachhaltigkeit der Finanzierung der Rentenversi- Rentenpolitik 2007 die „Rente mit 67“ auf den Weg cherung haben. Zweitens muss die Rentenpolitik gebracht, jedoch 2014 mit der „Rente mit 63“ in damit umgehen, dass die Lebenserwartung der Teilen wieder zurückgenommen. Zudem ist das Menschen in Deutschland aller Voraussicht nach Renteneintrittsalter nur bis zum Jahr 2031 festge- weiter steigen wird. legt. Da derzeit davon auszugehen ist, dass auch danach die Lebenserwartung weiter steigen wird, Zur Bewältigung der ersten Aufgabe hatte die rot- muss für die folgende Zeit das Renteneintrittsalter grüne Koalition unter Bundeskanzler Schröder 2005 bald festgelegt werden, damit die Menschen, die den „Nachhaltigkeitsfaktor“ eingeführt, der die in den 2030er Jahren in den Ruhestand gehen, Pla- finanzielle Belastung des Rentensystems durch den nungssicherheit erhalten. Rückgang der Anzahl von Menschen, die Beiträge zahlen, und dem Anstieg der Zahl der Menschen, die Die rentenpolitischen Maßnahmen der letzten Jahre Renten empfangen, zu prozentual gleichen Teilen haben ein rentenpolitisches Dilemma geschaffen. auf eine Beitragssatzerhöhung und eine Renten Einerseits sieht das geltende Recht eine Rückkehr
4 I. ANLASS zum Nachhaltigkeitsfaktor vor, der die finanziellen Das Gutachten geht von einem Anstieg der Erwerbs- Belastungen des demographischen Wandels gleich- tätigkeit von Frauen aus, diskutiert jedoch nicht, mäßig auf die ältere und die jüngere Generation welche Maßnahmen ergriffen werden sollen, um verteilt und in diesem Sinne das Fundament einer das Arbeitsangebotsverhalten jüngerer Menschen langfristig tragbaren Lösung schaffen kann. Ande- zu verändern, z. B. um die Erwerbstätigkeit von rerseits hat die Haltelinienpolitik der großen Koali- Frauen noch weiter zu erhöhen und mehr Teilzeit- tion große Erwartungen für die Zeit nach deren in Vollzeitarbeit umzuwandeln. Dies wäre ein Thema Gültigkeit geweckt, die mit der Rückkehr zum alten für ein eigenes Gutachten. Zudem ist zu bedenken, Recht mit seinem Nachhaltigkeitsfaktor inkompa- dass eine Ausdehnung der Rentenversicherung tibel sind. Auswege aus diesem Dilemma müssen durch eine Erweiterung des Kreises von Beitrags- dringend gefunden werden. Dies ist der von der zahlenden nur vorübergehend zu einer finanziel- großen Koalition eingesetzten Kommission „Ver- len Erleichterung der Rentenversicherung führt, lässlicher Generationenvertrag“ nicht gelungen. weil dadurch neue Ansprüche an die Rentenversi- cherung entstehen. Ziel des vorliegenden Gutachtens ist es, verschiedene Lösungsansätze und Bausteine für einen Ausweg Die Vorschläge des Beirats werden quantitativ ab aus diesem Dilemma vorzuschlagen und ihre Vor- geschätzt. Dabei geht der Beirat von Simulationen und Nachteile abzuwägen. Dabei konzentriert sich der zukünftigen Entwicklung von Demographie, das Gutachten auf Reformen innerhalb der gesetz- Männer- und Frauenerwerbstätigkeit aus, die auf lichen Rentenversicherung, ohne die grundsätzliche dem Rentenversicherungsbericht und den Kon- Struktur des Systems der deutschen Altersvorsorge junkturprognosen mehrerer Wirtschaftsforschungs- in Frage zu stellen. Daher werden Vorschläge wie institute vom Spätherbst 2020 basieren. die Einbeziehung von beamtet und selbständig Erwerbstätigen in die gesetzliche Rentenversiche- Das Gutachten ist wie folgt aufgebaut: Zunächst rung ebenso ausgeklammert wie Vorschläge zur beschreiben wir die demographische Entwicklung größeren Verbreitung von Betriebsrenten oder der und zeigen, dass der Handlungsbedarf dringend ist, Vorschlag einer aktienbasierten Zusatzrente, zumal weil der Eintritt der Babyboom-Generation in den diese erst in sehr langer Frist wirksam sein können. Ruhestand jetzt beginnt und Planungssicherheit bezüglich des zukünftigen Rentenalters jetzt her- Das Gutachten diskutiert weiterhin nicht, welche gestellt werden muss. In Abschnitt 3 berechnen wir Möglichkeiten es gibt, die Demographie selbst zu die zukünftige Entwicklung von Beitragssatz und beeinflussen (z. B. durch verstärkte Einwanderung Sicherungsniveau, wenn das derzeit geltende Recht oder durch Programme zur Erhöhung der Geburten- fortgesetzt würde. Wir gehen insbesondere auf die zahlen). Wie im Bericht der Kommission „Verläss Auswirkungen der Corona-Krise auf Beitragssatz licher Generationenvertrag“ gezeigt, sind diese Opti- und Sicherungsniveau ein. Der Beirat empfiehlt, onen unter realistischen Annahmen nicht in der die Balance zwischen den Generationen, die durch Lage, die Probleme der gesetzlichen Rentenversi- die Corona-Krise verschoben wurde, baldmöglichst cherung in den nächsten 20-30 Jahren zu lösen. wiederherzustellen. In Abschnitt 4 wird gezeigt, dass Vor allem ein Anstieg der Geburtenrate würde erst eine Fortsetzung der Politik der doppelten Halte sehr langfristig wirken. linie keine Lösung des rentenpolitischen Dilemmas sein kann. In Abschnitt 5 argumentiert der Beirat, dass eine graduelle Anpassung der Lebensarbeits-
I. ANLASS 5 zeit an die Lebenszeit eine essentielle Bedingung für eine langfristige Lösung ist. Darauf aufbauend schlägt der Beirat im Abschnitt 6 Lösungsansätze und -varianten vor, die unter dieser Bedingung eine zumindest partielle Fortführung der Haltelinien ermöglichen. Die Abschnitte 7 und 8 befassen sich schließlich damit, wie die politische Akzeptanz von Rentenreformen verbessert werden kann. Abschnitt 9 fasst die Empfehlungen des Beirats zusammen.
6 II. D ie demographische Entwicklung und der daraus folgende Zeithorizont für notwendige Reformmaß nahmen
I I . D I E D E M O G R A P H I S C H E E N T W I C K LU N G U N D D E R D A R AU S F O LG E N D E Z E I T H O R I Z O N T … 7 Die demographische Entwicklung wird von sehr In allen Szenarien steigt der Altersquotient in den langfristigen Trends bestimmt. Die Alterung der nächsten 15 Jahren stark an. Je nach demographi- Bevölkerung ist ein gut zu prognostizierender Pro- scher Annahme wird der Altersquotient ab etwa zess, da der heutige Bestand der Bevölkerung die 2035 ein Plateau erreichen oder weiter steigen. Eine Veränderungen durch Geburten, Sterbefälle und signifikante Differenz zwischen dem Basisszenario Migration dominiert und sich die zugrunde liegen- und den beiden Extremszenarien ergibt sich erst den Parameter der Veränderungen (Geburtenraten, danach. In keinem Szenario sinkt der Altersquotient Mortalitätsraten) nur allmählich ändern. Selbst die langfristig wieder unter 50 % oder erreicht gar den z. T. heftigen Schwankungen der Migration – wie z. B. heutigen Ausgangswert. Die Herausforderung, dass im Jahr 2015 – sind gering in Relation zur Gesamt- die Renten einer wachsenden Zahl älterer Menschen bevölkerung. Die Alterung Deutschlands wird lang- von immer weniger jungen Menschen finanziert fristig nicht signifikant von der Corona-Pandemie werden müssen, bleibt also auf Dauer bestehen. beeinflusst werden, da auf Phasen der Übersterblich- keit wie im Winter 2020/21 typischerweise Phasen Der Anstieg des Altersquotienten in Abbildung 1 der Untersterblichkeit folgen. wird durch zwei sehr unterschiedliche demogra- phische Entwicklungen geprägt. Die erste Entwick- Die Annahmen der 14. koordinierten Bevölkerungs- lung ist die historisch gegebene Entwicklung der vorausberechnung vom Juni 2019 sind daher weiter- Geburten, insbesondere die Abfolge von „Babyboom“ hin eine solide Grundlage für Berechnungen, wie und „Pillenknick“. Die zweite Entwicklung ist die sich die finanzielle Lage der gesetzlichen Renten- steigende Lebenserwartung. Das Statistische Bun- versicherung (GRV) entwickeln wird. Abbildung 1 desamt geht in seinem mittleren Szenario („Basis- zeigt die erwartete Alterung Deutschlands in Form prognose“ in Abbildung 1) für die Zeit zwischen des Altersquotienten in der traditionellen Definition, 2020 und 2060 von einer nahezu linearen Steige- also der Anzahl der Menschen im Alter von 65 Jahren rung der Lebenserwartung von Männern um 5,5 und darüber im Verhältnis zur Anzahl der Menschen Jahre aus, für Frauen um 4,3 Jahre, d.h. Männer/ im Alter zwischen 20 und 64 Jahren.1 Aus den 27 Frauen haben im Jahr 2060 eine Lebenserwartung Szenarien der 14. koordinierten Bevölkerungsvor- von 84,4/88,1 Jahren statt 78,9/83,8 im Jahr 2020. ausberechnung wählen wir das mittlere sowie die beiden Extremszenarien aus. Das mittlere Szenario Wann und wie viele Prozentpunkte diese beiden („Basisprognose“) ist schwarz markiert, das Szenario Entwicklungen zum Anstieg des Altersquotienten einer relativ jungen Bevölkerung („Bev jung“) grün beitragen, wird in Abbildung 2 dargestellt. Der Ein- gestrichelt und das Szenario einer relativ alten Be fluss der Geburtenzahlen auf den Altersquotienten völkerung („Bev alt“) rot gestrichelt.2 lässt sich an der grünen und der roten Fläche ablesen. 1 Wir verwenden den in der demographischen Forschung verwendeten Begriff „Altersquotient“ statt dem vom Statistischen Bundesamt verwendeten Begriff „Altenquotient“. 2 Alle Berechnungen in diesem Gutachten wurden mit dem MEA-PENSIM Modell durchgeführt und sind in Börsch-Supan et al. (2020) sowie Börsch-Supan und Rausch (2020a, 2020b, 2021) dokumentiert. Die leichten Abweichungen von den Ergebnissen der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung beruhen auf unterschiedlichen Berechnungsmodellen. Das Basisszenario entspricht den Annahmen G2-L2-W2 (Geburtenrate 1,55; Lebenserwartung 84,4/88,1; jährliche Nettozuwanderung 206.000), das Szenario einer relativ jungen Bevölkerung den Annahmen G3-L1-W3 (Geburtenrate 1,73; Lebenser- wartung 82,5/86,4; jährliche Nettozuwanderung 300.000) und das Szenario einer relativ alten Bevölkerung den Annahmen G1-L3-W1 (Geburtenrate 1,43; Lebenserwartung 86,2/89,6; jährliche Nettozuwanderung 110.500).
In allen Szenarien steigt der Altersquotient in den nächsten 15 Jahren stark an. Je nach demographischer Annahme wird der Altersquotient ab etwa 2035 ein Plateau 8 I I . D I E D E M O G R A P H I S C H E E N T W I C K LU N G U N D D E R D A R AU S F O LG E N D E Z E I T H O R I Z O N T … erreichen oder weiter steigen. Eine signifikante Differenz zwischen dem Basisszenario und den beiden Extremszenarien ergibt sich erst danach. In keinem Szenario sinkt der Altersquotient langfristig wieder unter 50% oder erreicht gar den heutigen Ausgangswert. Die Herausforderung, dass die Renten einer wachsenden Zahl älterer Menschen von immer weniger jungen Menschen finanziert werden müssen, bleibt also auf Dauer bestehen. Abbildung 1: Entwicklung des Altersquotienten 65+/20-64 bis 2060 (in Prozent) Abbildung 1: Entwicklung des Altersquotienten 65+/20-64 bis 2060 [in Prozent] 70% 65% 60% 55% 50% 45% Bev alt Basisprognose 40% Bev jung 35% 30% 2048 2018 2020 2022 2024 2026 2028 2030 2032 2034 2036 2038 2040 2042 2044 2046 2050 2052 2054 2056 2058 2060 Quelle: Eigene Berechnung auf der Basis des MEA-PENSIM Modells. Anmerkung: Die Abbildung zeigt die Entwicklung des Altersquotienten (Bevölkerung im Alter von 65 Jahren und darüber als Prozent der 20 bis 64jährigen Bevölkerung) in drei Prognosevarianten des Statistischen Quelle: Eigene Berechnung auf der Basis des MEA-PENSIM Modells. Bundesamtes: alte, mittlere und junge Gesamtbevölkerung. Anmerkung: Die Abbildung zeigt die Entwicklung des Altersquotienten (Bevölkerung im Alter von 65 Jahren und darüber in Prozent der 20- bis 64-jährigen Bevölkerung) in drei Prognosevarianten des Statistischen Bundesamtes: alte, mittlere und junge Gesamtbevölkerung. Alle Berechnungen in diesem Gutachten wurden mit dem MEA-PENSIM Modell durchgeführt und sind 2 Die grüneBörsch-Supan in Fläche zeigt,etwie al. sich (2020) dersowie Börsch-Supan und Altersquotient dazu,Rausch dass der(2020a, 2020b, Anstieg 2021) dokumentiert. des Altersquotienten stark Die leichten Abweichungen von den Ergebnissen der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung ohne Babyboom beruhen aufund ohne Anstieg der unterschiedlichen Lebenser- beschleunigt Berechnungsmodellen. wird und Das Basisszenario das Niveau entspricht den von 48 Prozent Annahmen wartung entwickeln G2-L2-W2 würde. Von (Geburtenrate etwa 1,55; 35 Prozent im84,4/88,1; Lebenserwartung nicht erst 2050,Nettozuwanderung jährliche sondern schon 2032 erreicht 206.000), daswird. Szenario einer relativ jungen Bevölkerung den Annahmen G3-L1-W3 (Geburtenrate Jahr 2019 würde er auf über 48 Prozent im Jahr 2050 Der Altersquotient überschießt dieses Niveau auf- 1,73; Lebenserwartung 82,5/86,4; jährliche Nettozuwanderung 300.000) und das Szenario einer relativ alten ansteigen (gestrichelte Bevölkerung den Linie) Annahmenund dann nur margi- G1-L3-W1 grund (Geburtenrate des Lebenserwartung 1,43; Babybooms, steigt bis auf 51 86,2/89,6; Prozent im jährliche Nettozuwanderung nal wieder zurückgehen.110.500). Das reflektiert den Rück- Jahr 2036 an und fällt dann wieder langsam auf gang der Geburtenrate von 2,2 Anfang der 1950er 7 ca. 48 Prozent. Der zweite rote „Buckel“ nach 2050 Jahre auf unter 1,4 in den 1970er Jahren. Erst seit ergibt sich daraus, dass die Kinder der Babyboom- 2010 ist die Geburtenrate in Deutschland wieder Generation in dieser Zeit das 65. Lebensjahr über- etwas angestiegen, auf knapp 1,6. Die rote Fläche schreiten. Ohne den Anstieg der Lebenserwartung zeigt den zusätzlichen Effekt der Abfolge von Baby- würde sich der Altersquotient bei etwa 50 Prozent boom und Pillenknick. Weil in den 2020er Jahren einpendeln.3 die Babyboomer ins Alter 65+ kommen, führt dies 3 In der öffentlichen Diskussion wird oft der Eintritt der Babyboom-Generation in das Rentenalter als Ursache für den Anstieg des Altersquotienten ausge- macht. Das ist jedoch nur zum Teil richtig. Abbildung 2 zeigt, dass die wichtigere Ursache die anhaltend niedrige Fertilitätsrate ist, die dazu führt, dass der Altersquotient auf ein deutlich höheres Gleichgewichtsniveau steigen muss. Der Babyboom beschleunigt diesen Anstieg und führt zu einem leichten Überschießen, er hat aber keinen Einfluss auf das Gleichgewichtsniveau.
I I . D I E D E M O G R A P H I S C H E E N T W I C K LU N G U N D D E R D A R AU S F O LG E N D E Z E I T H O R I Z O N T … 9 Abbildung 2: Auswirkungen der Geburtenentwicklung und des Anstiegs der Lebenserwartung auf denAbbildung Altersquotienten, 2020–2060 2: Auswirkungen (in Prozentpunkten)und des Anstiegs der der Geburtenentwicklung Lebenserwartung auf den Altersquotienten, 2020-2060 [in Prozentpunkten] Quelle: Eigene Berechnung Quelle: Eigeneauf der Basis des MEA-PENSIM Berechnung Modells. auf der Basis des MEA-PENSIM Modells. Anmerkung:Anmerkung: Die Abbildung zeigtDie Abbildung zeigt die Entwicklung die Entwicklung des Altersquotienten des (Bevölkerung Altersquotienten im Alter (Bevölkerung von 65 Jahren und darüber im20-Alter in Prozent der von 65Bevölkerung) bis 64-jährigen auf Basis der mittleren Variante des Statistischen Bundesamtes. Die Flächen repräsentieren, welchen Anteil die angezeigten demographischen Entwicklungen zum Jahren und darüber Anstieg des Altersquotienten beitragen. als Prozent der 20 bis 64jährigen Bevölkerung) auf Basis der mittleren Variante des Statistischen Bundesamtes. Die Flächen repräsentieren, welchen Anteil die angezeigten demographischen Entwicklungen zum Anstieg des Altersquotienten beitragen. Die Wirkung Dieder steigenden Wirkung Lebenserwartung der steigenden auf Lebenserwartung Dieauf erste diePhase des demographischen deutsche Altersstruktur wirdWandels ist die deutsche Altersstruktur wird durch die blaue daher vom schnellen Anstieg des Altersquotienten durch die blaue Fläche illustriert. Da die Lebenserwartung fast linear steigt, steigt auch Fläche illustriert. Da die Lebenserwartung fast linear aufgrund von Babyboom und Pillenknick domi- ihre steigt, steigt Wirkung auch auf den auf ihre Wirkung Altersquotienten den Altersquo-stetig niert, an und ist der deren dominierende Wirkung etwa imGrund für kulminiert. Jahr 2035 das an tienten stetig weiter wachsende und ist Finanzierungsproblem der dominierende Grund Erder GRVsich äußert ab derzeit den 40er Jahren in den dieses schnell ansteigenden für das weiter wachsende Finanzierungsproblem Renteneintrittszahlen. Jahrhunderts. Im mittleren Szenario des Statistischen Bundesamtes trägt die In der anschließenden zwei- der GRV absteigende den 40er Jahren dieses Jahrhunderts. Lebenserwartung bis 2050 sechs ten Phase kommt es zum Prozentpunkte zunächst zu einem Anstieg des Plateau, Im mittleren Szenario des Statistischen Bundesam- weil der Anstieg der Anzahl der Sterbefälle aus der Altersquotienten bei. Das erklärt, warum der Altersquotient weiter steigt, selbst tes trägt die steigende Lebenserwartung bis 2050 Babyboom-Generation den Anstieg der Lebenser- nachdem der Babyboom überwunden sechs Prozentpunkte zum Anstieg des Altersquoti- ist und sich indie wartung Geburtenrate etwa kompensiert, auf einem bevor der Altersquo- niedrigeren Niveau stabilisiert hat. enten bei. Das erklärt, warum der Altersquotient tient dann ab etwa 2050 wegen der weiter steigen- weiter steigt, selbst nachdem der Babyboom über- den Lebenserwartung und des Rückgangs der Die erste Phase des demographischen Wandels ist daher vom schnellen Anstieg des wunden ist und sich die Geburtenrate auf einem Sterbefälle wieder deutlich ansteigt.4 Wegen der Altersquotienten aufgrund von Babyboom und Pillenknick dominiert, deren Wirkung niedrigeren Niveau stabilisiert hat. auf niedrigem Niveau verharrenden Geburtenrate etwa im Jahr 2035 kulminiert. Er äußert sich derzeit in den schnell ansteigenden Renteneintrittszahlen. In der anschließenden zweiten Phase kommt es zunächst zu einem Plateau, weil der Anstieg der Anzahl der Sterbefälle aus der Babyboom- 4 Generation Präziser: Sterbefälle pro Kopfden Anstieg der Bevölkerung. der Lebenserwartung in etwa kompensiert, bevor der Altersquotient dann ab etwa 2050 wegen der weiter steigenden Lebenserwartung und 9
10 I I . D I E D E M O G R A P H I S C H E E N T W I C K LU N G U N D D E R D A R AU S F O LG E N D E Z E I T H O R I Z O N T … kommt es in dieser zweiten Phase schon bei sehr optimistischen Annahmen nicht zu einem nen- nenswerten Rückgang des Altersquotienten, aber nicht mehr zu einem derart dramatischen Anstieg wie zwischen 2020 und 2035. Es ist wichtig, diese beiden Phasen und die dahin- terstehenden demographischen Entwicklungen zu unterscheiden, weil sie unterschiedliche Politikant- worten verlangen. Für die erste Phase müssen unverzüglich Maßnahmen getroffen werden, um die finanziellen Belastungen durch die massiv erhöhten Eintrittszahlen in die GRV so zu verteilen, dass ihre schädlichen ökonomischen und sozialen Nebenwirkungen möglichst gering bleiben. Für die zweite Phase gilt es dagegen, sich schon heute damit auseinanderzusetzen, wie das Rentensystem auf eine weiter steigende Lebenserwartung reagie- ren soll.
11 III. Die Entwicklung der finanziellen Situation der GRV unter geltendem Recht
12 I I I . D I E E N T W I C K LU N G D E R F I N A N Z I E L L E N S I T UAT I O N D E R G R V U N T E R G E LT E N D E M R E C H T Für die Berechnungen der finanziellen Situation der Wir nehmen an, dass die Erwerbsquote für Männer GRV unter geltendem Recht und der Auswirkungen in Zukunft unverändert bleibt. Für Frauen beobach- der in diesem Gutachten gemachten Reformvor- ten wir jedoch einen starken Jahrgangstrend, d. h. schläge sind Annahmen zur Beschäftigungssitua- spätere Jahrgänge haben ihr ganzes Leben lang ten- tion nötig. Hier stützen wir uns für die lange Frist denziell höhere Erwerbsquoten und niedrigere ebenfalls auf die Annahmen der Kommission „Ver- Teilzeitquoten als frühere Jahrgänge. Daher gehen lässlicher Generationenvertrag“ (kurz: Kommission wir bei den Frauen davon aus, dass in Zukunft das VGV)5, weichen aber in der kurzen Frist von diesen jahrgangstypische Niveau konstant bleibt, die ab, weil sich die Arbeitsmarktsituation aufgrund der Erwerbs- und Teilzeitquoten auf diesem höheren Corona-Krise deutlich verändert hat. Zudem hat Niveau aber dem typischen Altersverlauf folgen. die Corona-bedingte Rezession ein kompliziertes Bereits jetzt ist die mit der Teilzeitquote gewichtete Wechselspiel zwischen Rentengarantie, Haltelinien Erwerbstätigkeit deutscher Frauen höher als in und den diversen Anpassungsfaktoren der Renten- Frankreich, wo zwar die Vollzeitquote höher, aber berechnung in Gang gesetzt, das zu bei der Verab- die Erwerbsquote niedriger ist. Unter den hier ge schiedung des „Rentenpakts 2019“ im Jahr 2018 kaum troffenen Annahmen würde die mit der Teilzeit- antizipierten Effekten auf Sicherungsniveau, Bei- quote gewichtete Erwerbstätigkeit von Frauen im tragssatz und Bundeszuschuss führt. Jahr 2040 das derzeitige Niveau von Dänemark er reichen, das im europäischen Vergleich an zweiter Wie sich die Wirtschaftslage nach der Pandemie Stelle hinter Schweden steht. entwickeln wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt (April 2021) noch schwer abzusehen. Wir übernehmen Aus den Annahmen zur Demographie und der die Szenarien des Rentenversicherungsberichts Beschäftigungsentwicklung folgt die Anzahl und 2020, die sich bis zum Jahr 2034 erstrecken. Für Struktur der Menschen, die Renten beziehen bzw. unsere eigenen langfristigeren Vorausschätzungen Beiträge zahlen. Die finanzielle Situation der GRV stützen wir uns in der kurzen Frist auf das Herbst- und die kurz- und langfristigen Folgen der Covid- gutachten 2020 der Wirtschaftsforschungsinstitute 19-Pandemie auf das deutsche Rentensystem er und nehmen nur geringfügige Anpassungen der geben sich dann aus dem deutschen Rentenrecht, Annahmen gemäß dem Rentenversicherungsbe- dessen Grundzüge im Kasten 1 erläutert und in richt 2020 vor. Insbesondere übernehmen wir die Abbildung 3 graphisch dargestellt werden. Zentral mittleren Annahmen zur Entwicklung der (beitrags- ist dabei, dass sich Rentenerhöhungen zunächst an pflichtigen) Bruttolöhne und -gehälter je Arbeit- den vorangegangenen Lohnsteigerungen orientie- nehmer. Erst für die lange Frist greifen wir wieder ren, dann aber durch eventuelle Erhöhungen der auf die Annahmen der Kommission VGV zurück.6 Sozialbeiträge und – über den Nachhaltigkeitsfak- Die Projektionen und ihre Annahmen werden in tor – die demographische Entwicklung reduziert Börsch-Supan und Rausch (2021) detailliert be werden. schrieben. 5 Bericht der Kommission „Verlässlicher Generationenvertrag“, März 2020, Band I – Empfehlungen, Abschnitt 3.1. 6 Wir passen dabei nicht die angenommenen Beitragssatzentwicklungen der übrigen Sozialversicherungssysteme (GKV, SPV und ALV) an. Allerdings dürften alle drei Beitragssätze in den nächsten Jahren höher ausfallen als zuletzt angenommen. Dies hätte offenkundig direkte und indirekte Auswirkungen auf die GRV sowie das Netto-Standardrentenniveau vor Steuern.
I I I . D I E E N T W I C K LU N G D E R F I N A N Z I E L L E N S I T UAT I O N D E R G R V U N T E R G E LT E N D E M R E C H T 13 Kasten 1: Grundzüge der Rentenberechnung Das deutsche Rentenrecht weist den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten Rentenanwart- schaften in Form von Entgeltpunkten zu. Ein volles Jahr sozialversicherungspflichtiger Beschäfti- gung zum Durchschnittslohn ergibt einen Entgeltpunkt; die so genannte Standardrente wird als diejenige Rente definiert, die sich aus einem hypothetischen Erwerbsleben von 45 Jahren ergibt, in dem jedes Jahr der Durchschnittslohn verdient und daher 45 Entgeltpunkte erworben wurden. Beim Rentenzugang werden diese Entgeltpunkte (EP) mit dem Zugangsfaktor (ZF), dem aktuellen Rentenwert (AR) und dem Rentenartfaktor (RAF) multipliziert, um den monatlichen Rentenzahlbe- trag (RZ) zu berechnen: (1) Der Zugangsfaktor beträgt 1 für Versicherte, die zum gesetzlichen Rentenalter erstmals die Rente beantragen, und wird durch Abschläge reduziert, wenn sie dies vorzeitig tun. Der Rentenartfaktor beträgt 1 für alle Altersrenten und ist geringer für Erwerbsminderungs- oder Hinterbliebenenrenten. Für Versicherte, die zum gesetzlichen Rentenalter ihre Altersrente beantragen, vereinfacht sich Gleichung (1) also zu (1a) Der Rentenzahlbetrag einer Standardrente geteilt durch das Bruttodurchschnittsentgelt der sozial- versicherungspflichtig Beschäftigten ergibt das sog. „Sicherungsniveau“. Mit dem Sicherungsniveau wird nicht die Kaufkraft der Rente beschrieben, sondern ihre Relation zum Bruttodurchschnittsentgelt. Der aktuelle Rentenwert ergibt sich aus einer Kombination von Rentenanpassungsformel, Renten- garantie und Haltelinien. Im einfachsten Fall greifen Rentengarantie und Haltelinien nicht. Dann erhöht sich der aktuelle Rentenwert (AR) zunächst um den Lohnfaktor (LF), der die Erhöhung der Bruttoentgelte (BE) widerspiegelt, wird dann aber durch zwei Faktoren gedämpft: • erstens durch den Beitragssatzfaktor (BSF): Gleichung (4) zeigt, dass dieser Faktor kleiner ist als 1, wenn die Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich der hypothetischen Beiträge zur zusätz- lichen Altersvorsorge (BS) steigen, wenn also der neue Wert größer ist als der alte; • zweitens durch den Nachhaltigkeitsfaktor (NHF): Wenn der Rentnerquotient (RQ), vereinfacht: die Anzahl der Rentnerinnen und Rentner geteilt durch die Anzahl der sozialversicherungs- pflichtigen Beschäftigten, ansteigt, wie es aufgrund des demographischen Wandels auf absehbare Zeit der Fall sein wird, ist der Klammerausdruck in Gleichung (5) negativ und der Wert des NHF ist kleiner als 1.
14 I I I . D I E E N T W I C K LU N G D E R F I N A N Z I E L L E N S I T UAT I O N D E R G R V U N T E R G E LT E N D E M R E C H T Als Rentenanpassungsformel ergibt sich daher (2) wobei (3) (4) (5) Wegen der Verfügbarkeit entsprechender Daten geht die Bruttoentgeltentwicklung des vergangenen Jahres und der Rentnerquotient des vorvergangenen Jahres in die Rentenanpassungsformel ein.7 Dementsprechend reagiert die Rentenanpassungsformel mit einer ein- bzw. zweijährigen Verzögerung auf Änderungen des Bruttoentgelts bzw. des Rentnerquotienten. Daher wurden im Sommer 2020 die Renten erhöht, obwohl gleichzeitig die Bruttoentgelte sanken. Die in Kasten 1 beschriebene, durch Beitragssatz- wieder erreicht wurde. Dies war z. B. nach der und Nachhaltigkeitsfaktor gedämpfte Bruttolohn- Finanzkrise von 2010 bis 2013 der Fall. anpassung wird durch die Rentengarantie außer Kraft gesetzt, wenn die Rentenzahlbeträge sinken Durch den Rentenpakt 2019 wurde mit der so ge sollten, z. B. unter dem Einfluss der Corona-beding- nannten „doppelten Haltelinie“ in diesen Renten- ten Rezession. Die Rentengarantie besteht darin, dass anpassungsmechanismus eingegriffen. Zum einen der nominale Rentenzahlbetrag so lange gesichert darf das Sicherungsniveau nicht unter 48 % fallen bleibt, bis die Löhne wieder steigen. Rein rechne- und zum anderen der Beitragssatz 20 % nicht über- risch steigt dadurch das Sicherungsniveau, d. h. die steigen. Da so der Gleichgewichtsmechanismus Rentnerinnen und Rentner werden relativ zu den zwischen den Einnahmen und Ausgaben der GRV Erwerbstätigen bessergestellt. Nach bis 2018 beste- außer Kraft gesetzt wird, schreibt das 2019 geänderte hendem Rentenrecht wurde dies anschließend je Rentenrecht vor, dass der Bund der Rentenversi- doch wieder ausgeglichen: die nach der Krise fol- cherung zusätzliche Bundesmittel zur Verfügung genden Rentenerhöhungen wurden – vereinfacht stellen muss. beschrieben – durch den so genannten Nachhol faktor (nicht zu verwechseln mit dem im Kasten 1 Zusätzlich wurde der Nachholfaktor ausgesetzt. dargestellten Nachhaltigkeitsfaktor) so lange halbiert, Sollte die Rentengarantie greifen, kann diese per- bis der ursprüngliche Pfad der Rentenleistungen manent und nicht nur temporär das Sicherungs 7 Zusätzlich erfolgt nach zwei Jahren eine Korrektur der Lohnanpassung gemäß dem tatsächlichen Wachstum der beitragspflichtigen Löhne und Gehälter.
I I I . D I E E N T W I C K LU N G D E R F I N A N Z I E L L E N S I T UAT I O N D E R G R V U N T E R G E LT E N D E M R E C H T 15 Abbildung 3: Schematische Darstellung des Abbildung 3: Regelwerks Schematische der Renten- und Beitragsbestimmung Darstellung des Regelwerks der Renten- und Beitragsbestimmung in der GRV in der GRV sowie reformbedingte Abweichungen von diesem Regelwerk sowie reformbedingte Abweichungen von diesem Regelwerk Durch Quelle: Eigene Darstellung den Rentenpakt 2019 wurde mit der so genannten „doppelten Haltelinie“ in diesen Rentenanpassungsmechanismus eingegriffen. Zum einen darf das Sicherungsniveau nicht unter 48% fallen und zum anderen der Beitragssatz 20% nicht übersteigen. Da so der Gleichgewichtsmechanismus zwischen den Einnahmen und niveau erhöhen. Beide Gesetzesänderungen, doppelte Weiter kompliziert wird diese Kombination renten- Haltelinie undAusgaben Aufhebungder des GRVNachholfaktors, außer Kraft gesetzt wird, schreibt gel- das 2019 rechtlicher geänderte Vorschriften Rentenrecht dadurch, dass in den nächs- vor, dass der Bund der Rentenversicherung zusätzliche Bundesmittel zur Verfügung ten jedoch nur bis 2025. Danach gilt wieder das alte ten Jahren die Angleichung der Ost- und Westrenten Recht, d. h. diestellen oben beschriebene muss. durch die demo- fortgesetzt wird. Im Ergebnis bedeutet dies, dass graphische Entwicklung gedämpfte Rentenanpas- beim Greifen der Rentengarantie die Westrenten sung mit Rentengarantie und Nachholfaktor tritt konstant bleiben, während die Renten im Osten um 14 ab 2026 wieder in Kraft. den Angleichungsbetrag weiterhin leicht ansteigen.
16 I I I . D I E E N T W I C K LU N G D E R F I N A N Z I E L L E N S I T UAT I O N D E R G R V U N T E R G E LT E N D E M R E C H T Der Rentenversicherungsbericht hat bereits im Der kontraintuitive Effekt einer dauerhaften Bes- November 2020 die komplizierten Auswirkungen serstellung der Rentner durch die Corona-Krise der Corona-bedingten Rezession auf den Beitrags- folgt aus dem oben beschriebenen Zusammenwir- satz zur Rentenversicherung in drei Szenarien der ken von Rentengarantie und ausgesetztem Nach- Lohn- und Beschäftigungsentwicklung berechnet. holfaktor. Die seit 2005 bestehende Garantie, dass In allen Szenarien kann der derzeitige Beitragssatz der aktuelle Rentenwert nominal nicht sinken darf, von 18,6 % bis 2022 gehalten werden. In seinem bedeutet bei sinkenden Jahreslöhnen, dass das mittleren Szenario steigt der Beitragssatz anschlie- Sicherungsniveau der Renten im Jahr 2021 deutlich ßend an, bleibt aber knapp unter der Haltelinie von ansteigen wird, und zwar umso mehr, je tiefer die 20 %, während im pessimistischen Szenario die Hal- Rezession ausfallen wird. Rentenempfänger werden telinie erreicht wird, so dass der Bund mit zusätz also weniger von der Corona-Krise betroffen als die lichen Finanzmitteln einspringen muss. Gleichzei- Erwerbsbevölkerung, deren Nettojahreslöhne tig wird die Nachhaltigkeitsrücklage bis auf das nominal sinken werden, da erstens die Bruttolöhne gesetzlich vorgeschriebene Minimum von 20 % durch die Krise niedriger ausfallen und zweitens einer Monatsausgabe abgebaut, während das Siche- die Rentenversicherungsbeiträge steigen werden. rungsniveau vor Steuern 2023 einen Höchststand von 50 % erreicht und danach wieder sinkt.8 Die Nach altem Recht hätte der Nachholfaktor dafür Effekte der Corona-Pandemie auf die gesetzliche gesorgt, dass dieser Effekt nach einigen Jahren Rentenversicherung treten also mit ein bis zwei wieder abgebaut wird. Durch das Ausschalten des Jahren Verzögerung ein, da die Rentenanpassung Nachholfaktors im Zuge des Rentenpakts 2019 ist wie oben beschrieben nur mit Verzögerung auf dieser Effekt nun jedoch permanent. Änderungen des Nettolohns bzw. des Rentnerquo- tienten reagiert. Der Beirat empfiehlt, den Nachholfaktor schon vor 2025 wieder einzuführen, damit die ursprüng Die Berechnungen des Rentenversicherungsberichts liche Balance der Belastungen zwischen den Men reichen nur bis zum Jahr 2034 (blau gestrichelte schen, die Rente beziehen, und denen, die Beiträge Linie in Abbildung 4). Der Vergleich der roten mit zahlen, möglichst bald wiederhergestellt wird. der schwarzen Linie in Abbildung 4 zeigt, dass die Corona-bedingte Rezession die Beitragszahlerin- Rentenpolitischer Handlungsbedarf folgt des Wei- nen und Beitragszahler permanent, d. h. auch nach teren daraus, dass der Beitragssatz bereits 2032 die dem Projektionsende des Rentenversicherungsbe- Obergrenze von 22 % überschreiten wird, während richts, etwa einen halben Prozentpunkt Beitrags- das Sicherungsniveau erst im Jahr 2053 das Niveau satz kosten wird, während das Sicherungsniveau von 43 % unterschreiten wird. Diese beiden Prozent- vor Steuern langfristig um etwa einen Prozent- sätze sind insofern wichtige Wegmarken, als sie punkt höher liegen wird als in der Projektion aus nach dem 2005 beschlossenen Recht die Bundesre- der Zeit vor der Corona-Pandemie.9 gierung dazu zwingen, „den gesetzgebenden Körper- schaften geeignete Maßnahmen vorzuschlagen“, wenn sie vor 2030 unter- oder überschritten werden. 8 Aufgrund der Berechnung des so genannten „Äquivalenzbeitragszahlers“ erhöht der Nachhaltigkeitsfaktor 2023 die Renten um knapp 2,5 %. 2024 würde er die Renten hingegen senken, weshalb die Rentengarantie wirkt. 9 Bis 2034 stimmen die Projektionen des Rentenversicherungsberichts und die des MEA-PENSIM-Modells weitgehend überein.
I I I . D I E E N T W I C K LU N G D E R F I N A N Z I E L L E N S I T UAT I O N D E R G R V U N T E R G E LT E N D E M R E C H T 17 Abbildung 4: Langfristige Entwicklung von Beitragssatz und Sicherungsniveau unter geltendem Recht Abbildung 10 4: Langfristige Entwicklung von Beitragssatz und Sicherungsniveau unter geltendem Recht10 25% 24% Beitragssatz zur GRV 23% 22% 21% Basisprojektion RVB2020 20% PräCovid 19% 18% 52% Sicherungsniveau vor Steuern 50% Basisprojektion 48% RVB2020 46% PräCovid 44% 42% 40% Quelle: Eigene Berechnung auf der Basis des MEA-PENSIM Modells. Quelle: Eigene Berechnung auf der Basis des MEA-PENSIM Modells. Anmerkung: Neben der in Börsch-Supan und Rausch (2021) beschriebenen Basisprojektion stellt Anmerkung: Neben der in Börsch-Supan und Rausch (2021) beschriebenen Basisprojektion stellt „PräCovid“ die hypothetische Entwicklung dar, die ohne die Pandemie „PräCovid“ aufgrund der Annahmen die derhypothetische Entwicklung Kommission VGV zu erwarten war. Zudem dar, die ohne ist mit „RVB2020“ die die Pandemie mittlere aufgrund der Annahmen Variante des Rentenversicherungsberichts der2020 vom November Kommission VGV zu erwarten war. Zudem ist mit „RVB2020“ die mittlere Variante des eingetragen, welche unsere eigene Basisprojektion bis 2033 nachvollzieht. Rentenversicherungsberichts vom November 2020 eingetragen, welche unsere eigene Basisprojektion bis 2033 nachvollzieht. Zudem Rentenpolitischer Handlungsbedarf liegt die Sozialabgabenquote folgt desebenso schon derzeit Weiteren daraus, dass der Beitragssatz aus gesamtwirtschaftlicher Sicht bereits bereits je nach 2032 die Obergrenze Berechnungsmethode von 22% knapp unter oder jetzt überschreiten Handlungsbedarf,wird, da sichwährend das das 40 %-Ziel bereits knapp über der Marke von 40 %, die die Große Koa- bei einer geringfügigen Beitragssatzerhöhung der Sicherungsniveau erst im Jahr 2053 das Niveau von 43% unterschreiten wird. Diese lition im Rahmen einer gegenüber den Arbeitgebe- GRV, die selbst im optimistischsten Fall nach 2022 rinnenbeiden Prozentsätze und Arbeitgebern sind insofern ausgesprochenen wichtige „Sozial- Wegmarken, eintritt, nicht mehrals sie lässt. halten nach dem 2005 garantie“ als ObergrenzeRecht beschlossenen gesetztdie hat. Bundesregierung Daher besteht dazu zwingen, „den gesetzgebenden Körperschaften geeignete Maßnahmen vorzuschlagen“, wenn sie vor 2030 unter- oder 10 überschritten werden. Zudem liegt die Sozialabgabenquote schon derzeit je nach Sicherungsniveau ohne den im Rentenversicherungsbericht ausgewiesenen Erhöhungseffekt aufgrund der Neubestimmung der beitragspflichtigen Löhne und Gehälter in 2019. Berechnungsmethode knapp unter oder knapp über der Marke von 40%, die die Große Koalition im Rahmen einer gegenüber den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern
18 I I I . D I E E N T W I C K LU N G D E R F I N A N Z I E L L E N S I T UAT I O N D E R G R V U N T E R G E LT E N D E M R E C H T aus gesamtwirtschaftlicher Sicht bereits jetzt Handlungsbedarf, da sich das 40%-Ziel bereits bei einer geringfügigen Beitragssatzerhöhung der GRV, die selbst im optimistischsten Fall nach 2022 eintritt, nicht mehr halten lässt. Abbildung 5: Schematische Darstellung der im Gutachten diskutierten rentenpolitischen Abbildung 5: Schematische Darstellung der im Gutachten diskutierten Maßnahmen rentenpolitischen Maßnahmen Abbildung 5 zeigt vor dem aus Abbildung 3 bekannten Hintergrund der Quelle: Eigene Darstellung rentenrechtlichen Regelungen, an welchen Stellschrauben die im Folgenden diskutierten Maßnahmen ansetzen. Diese reichen von einer – wie sich zeigt, nicht 18 Abbildung 5 zeigt vor dem aus Abbildung 3 bekann ten Dynamisierung der Bestandsrenten und/oder ten Hintergrund der rentenrechtlichen Regelungen, einem Sockelschutzmodell, das nur die ersten an welchen Stellschrauben die im Folgenden dis- Entgeltpunkte durch eine Haltelinie schützt – d. h. kutierten Maßnahmen ansetzen. Diese reichen von Maßnahmen, die Kompromisse bei der Lösung des einer – wie sich zeigt, nicht tragfähigen – Fortfüh- anfangs aufgezeigten rentenpolitischen Dilemmas rung der doppelten Haltelinie über eine graduelle bilden. Anpassung des Rentenalters bis zu einer veränder-
19 IV. K eine Fortführung der „doppelten Haltelinie“
20 I V. K E I N E F O RT F Ü H R U N G D E R „ D O P P E LT E N H A LT E L I N I E “ Der Rentenpakt 2019 hat die doppelte Haltelinie 22,5 %. Die bereits heute im Gesetz verankerten zeitlich bis 2025 befristet. So stellt sich zunächst die Bundeszuschüsse betragen 27,6 % des für 2020 vor Frage, ob diese nach 2025 fortgeführt werden soll, Corona vorgesehenen Bundeshaushalts und steigen eventuell in abgeschwächter Form, d. h. mit einer auf 31 % bzw. 33 % in den Jahren 2045 bzw. 2060 an. niedrigeren Schwelle für das Sicherungsniveau und/oder einer höheren Grenze für den Beitrags- Der Anteil der Bundeszuschüsse in die Rentenver- satz. Dies würde auch weiterhin den Mechanismus sicherung am Bundeshaushalt würde daher selbst außer Kraft setzen, der bis 2018 durch eine gleich bei einer im Gegensatz zur jetzigen doppelten Halte- proportionale Anpassung von Beitragssatz und linie abgeschwächten Haltelinienkombination von Rentenniveau für ein Gleichgewicht zwischen Ein- 48 % beim Sicherungsniveau und 22 % beim Beitrags- nahmen und Ausgaben der Rentenversicherung satz von derzeit weniger als einem Drittel auf mehr gesorgt hat. In diesem Fall müsste der Bund der als die Hälfte ansteigen. Wollte man gar die derzei- Rentenversicherung also zusätzliche Bundesmittel tigen Haltelinien von 48 % beim Sicherungsniveau zur Verfügung stellen. Abbildung 6 zeigt vier hypo- und 20 % beim Beitragssatz fortführen (nicht abge- thetische Varianten der doppelten Haltelinien, die bildet), würden die zur Defizitdeckung notwendi- alle ab 2025 einsetzen. Bei ihnen beträgt das Min- gen zusätzlichen Bundesmittel 23 % im Jahr 2045 destsicherungsniveau 46 % oder 48 % und der Maxi bzw. 30 % im Jahr 2060 betragen, langfristig also malbeitragssatz 22 % oder 23 %. mehr als 60 % des Bundeshaushalts in die Rente fließen müssen. Der Maximalbeitragssatz würde in allen Fällen bereits sehr schnell in der ersten Hälfte der 2030er Nicht auszuschließen wäre, dass die notwendigen Jahre erreicht (zwischen 2031 bei der Kombination Mittel zur Finanzierung der Haltelinien nicht durch 48 %/22 % und 2035 bei der Kombination Umschichtung des Bundeshaushalts, sondern durch 46 %/23 %). Diese Abbildung zeigt weiterhin den dessen Ausdehnung aufgebracht werden. Dann hängt Beitragssatz, der sich nach geltendem Recht („Basis es von der Finanzierung dieser zusätzlichen Bundes- projektion“) ergäbe. Dieser würde die 23 %-Marke mittel ab, in welchem Maße die ältere oder die jün- im Jahr 2036 überschreiten. gere Generation durch eine Haltelinie belastet würde. Eine Finanzierung über die Mehrwertsteuer bei- Das entstehende Defizit müsste durch Bundesmittel spielsweise würde beide Generationen in Propor- ausgeglichen werden, die zusätzlich zu den eben- tion zu ihren Konsumausgaben belasten, während falls steigenden, bereits im Gesetz verankerten Bun eine Finanzierung über die Einkommensteuer die deszuschüssen finanziert werden müssen. Diese beiden Generationen nach Maßgabe ihrer Einkünfte zusätzlichen Mittel werden im unteren Teil der belastete. In beiden Fällen dürfte die jüngere Gene- Abbildung 6 als Prozentsatz des Bundeshaushalts ration stärker belastet werden als die ältere. Zum ausgewiesen, wobei angenommen wird, dass der einen sind die Konsumausgaben der Älteren tenden- Bundeshaushalt proportional zum Bruttoinlands- ziell geringer als die der Jüngeren. Zum anderen produkt wächst und die zusätzlichen Bundesmittel werden nach der vollständigen Einführung der durch Ausgabenkürzungen an anderer Stelle finan- nachgelagerten Besteuerung von Renten Ältere ein ziert werden. Diese zusätzlichen Mittel betrügen im niedrigeres zu versteuerndes Einkommen und Jahr 2045 je nach Variante zwischen 6,8 % und 15,2 % niedrigere Steuersätze aufweisen als Jüngere. Die des ansonsten unverändert angenommenen Bundes- Finanzierung über Einkommensteuern würde haushalts und im Jahr 2060 zwischen 14,1 % und allerdings alle Mitglieder der Rentenversicherung
würde daher selbst bei einer im Gegensatz zur jetzigen doppelten Haltelinie abgeschwächten Haltelinienkombination Ivon 48% beim Sicherungsniveau und 22% V. K E I N E F O RT F Ü H R U N G D E R „ D O P P E LT E N H A LT E L I N I E “ 21 beim Beitragssatz von derzeit weniger als einem Drittel auf mehr als die Hälfte ansteigen. Wollte man gar die derzeitigen Haltelinien von 48% beim Sicherungsniveau und 20% beim Beitragssatz fortführen (nicht abgebildet), würden die zur Defizitdeckung notwendigen zusätzlichen Bundesmittel 23% im Jahr 2045 bzw. 30% im Jahr 2060 betragen, langfristig also mehr als 60% des Bundeshaushalts in die Rente fließen müssen. Abbildung 6: Beitragssatz und zusätzliche Bundesmittel zur Finanzierung der Haltelinien eines Sicherungsniveaus von 46 % und Abbildung 6: Beitragssatz 48zusätzliche und % und desBundesmittel Beitragssatzes zurvon 22 % und 23 Finanzierung %, jeweils in der Haltelinien Prozent eines Sicherungsniveaus von 46% und 48% und des Beitragssatzes von des Bundeshaushalts 22% und 23%, jeweils in Prozent des Bundeshaushalts 25% 24% Beitragssatz 23% 22% 21% Basisprojektion Haltelinie 48/23 20% Haltelinie 46/23 19% Haltelinie 46/22 Haltelinie 48/22 18% 25% Haltelinie 48/22 Zusätzliche 20% Haltelinie 48/23 Bundesmittel Haltelinie 46/22 15% Haltelinie 46/23 10% 5% 0% Quelle: Eigene Berechnung auf der Basis des MEA-PENSIM Modells. Anmerkung: Neben der in Börsch-Supan und Rausch (2021) beschriebenen Basisprojektion werden Quelle: Eigene Berechnung auf der Basis des MEA-PENSIM Modells. vier Modelle der doppelten Haltelinie berechnet. Bei diesen bezeichnet 48 bzw. 46 die Untergrenze Anmerkung: Neben der in Börsch-Supan und Rausch (2021) beschriebenen Basisprojektion werden vier Modelle der doppelten Haltelinie berechnet. Bei diesen bezeichnet des 48 bzw. 46 Sicherungsniveaus die Untergrenze und 23 des Sicherungsniveaus und bzw. 23 bzw.22 dieobere 22 die obere Grenze Grenze des Beitragssatzes. des Beitragssatzes. Die Die untere Abbildung untere zeigt Abbildung die zusätzlichen Bundesmittel, aus gedrückt in Prozent eines insgesamt mit dem BIP wachsenden Bundeshaushaltes, die nötig wären, um die Rentenausgaben der vier Modelle der doppelten Haltelinie zu 20 finanzieren. Vgl. Börsch-Supan und Rausch (2021). Zu diesen zusätzlichen Bundesmitteln kommen die bereits vereinbarten Bundesmittel, die im Prä-Covid-Jahr 2019 knapp 26 % des Bundeshaushalts betrugen, aber ebenfalls im Laufe des demographischen Wandels (auf 31% in 2040, 33 % in 2060) ansteigen werden. (d. h. Menschen, die Beiträge zahlen, und Menschen, kungen sind unterschiedlich, vor allem wenn das die Rente beziehen) insoweit entlasten, als nicht Einkommensteuersystem noch progressiver ausge- sozialversicherungspflichtige Personen (beamtet staltet werden würde. und selbständig Erwerbstätige) in die Finanzierung einbezogen würden. Zwar wird bei einer Verlage- Bei diesem Finanzierungsvolumen stellt sich die rung der Finanzierung auf Steuermittel die Gesamt- Frage, ob die Gesamtbelastung überhaupt finan- belastung nicht geringer, aber die Verteilungswir- zierbar ist. Die Wachstumsrate der für die Renten-
Sie können auch lesen