Kein Stillstand - GREGOR - Draussenseiter
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28. Jahrgang Nr. 209 April 2020
AU s S E N S E I T E R
D R D A S K Ö L N E R STR A S S E N M A G A Z IN
Foto: Ingo Pertramer
Kein Stillstand
GREGOR VRINGS- THEES
GOG TREFF UHLMANNANZEIGE
Engelbertstraße 44 · 50674 Köln
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Petra Heider
Rechtsanwältin und Steuerberaterin
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und Gewerbetreibende.
Wir beraten und prüfen Unternehmen,
Verbände und gemeinnützige
Organisationen und Einrichtungen.INHALT
Vorwort Inhalt
Liebe Leserinnen und Leser, Schwerpunkt: Vagabunden
4 Interview – Thees
mehr als fünf Jahre ist es her, dass der Sänger Thees Uhlmann
seine Sing-Stimme erhob. Jetzt ist sein gefeiertes Album „Jun- Uhlmann über die
kies und Scientologen“ erschienen, mit dem er gerade durch
Schwere seines
Europa tourt und – by the way – auch die Toten Hosen auf
neuen Albums
ihrer Tour begleitet. Der ehemalige Tomte-Sänger ist nur noch
unterwegs, dafür genießt er den „späten Ruhm“ sehr.
und die Leichtig-
Doch: „So hoch war der Preis noch nie“, verrät der Künstler,
keit des Seins
der inzwischen auch Vater einer Tochter ist, in Berlin lebt und
doch in ganz Europa zu Hause ist. Foto: Ingo Pertramer
Fahrende Leute, Vaga-
Foto: Anemone Träger
bunden, Berber – was
sind das für Leute, die
sich – manchmal sogar
8
„Was ich geschrieben
ganz bewusst – für ein
habe, gehört dir.“
Leben „on the road“ ent-
Gregor Gog in Majdanek
scheiden? Gregor Gog Illustration: Bea Davies
beispielsweise galt
schon in der Weimarer Vorwort ................................................................... 3
Christina Bacher traf Thees Uhlmann
vor einer Lesung in Köln Republik als „König der Interview: Thees Uhlmann ........................................ 4-7
Vagabunden“, Anar-
Gregor Gog: „König der Vagabunden“ ........................ 8-11
chist, Bürgerschreck. Gleichzeitig war er Chefredakteur des
Vorläufers aller Straßenzeitungen und Organisator des „Ers- Vagabundenkongress 2020 .......................................... 12
ten Internationalen Vagabundenkongresses“. Spuren der Armut ................................................. 14-15
Ein Comic zeichnet nun seine politische Biografie und damit
20 Jahre Malgruppe im Vringstreff ................................. 16
einen fast vergessenen Teil deutscher Sozial- und Bewegungs-
geschichte nach. Wir haben darin geblättert. Gutes Projekt ........................................................... 17
Cartoon | Kolumne .................................................... 18
„Nur kein Stillstand“ lautet unsere Devise im April!
Lothars Marsch ........................................................ 19
Ein Hoch auf die Vagabunden!
Aus den Einrichtungen .......................................... 20-21
Ihre In eigener Sache ....................................................... 22
Buchtipps ............................................................... 23
Christina Bacher
Abo | Impressum ...................................................... 24
Kulturtipp .............................................................. 25
Vorschau ................................................................ 25
Service: Adressen ................................................. 26-27
Öffnungszeiten: OASE e.V. Kontakt- und Beratungsstelle
Montag und Freitag: 9.00 – 13.00 Uhr
Dienstag und Donnerstag: 9.00 – 16.00 Uhr
Mittwoch: nach Terminvereinbarung
3VAGABUNDEN
„Ich wollte nie die
Welt verändern“
Mehr als fünf Jahre ist es her, dass der Sänger
Thees Uhlmann seine Sing-Stimme erhob. Jetzt ist
sein gefeiertes Album „Junkies und Scientologen“
(Grand Hotel van Cleef) erschienen, mit dem er gera-
de durch Europa tourt und – by the way – auch die
Toten Hosen auf ihrer Tour begleitet. Der ehema-
lige Tomte-Sänger hat in der Zwischenzeit
einen erfolgreichen Roman geschrie-
ben, die Autobiografie von Bruce
Springsteen eingesprochen, ein
komplettes Album geschrieben
und wieder in die Tonne
gekloppt. „So hoch war der Preis
noch nie“, verrät der Künstler
im Gespräch mit Christina Bacher
und redet ganz offen über spä-
ten Ruhm, Brüche im Leben und
die neue Gelassenheit,die – mit
Verlaub – unglaublich gut zu
seiner neuen Frisur passt.
VON CHRISTINA BACHER
Foto: Ingo Pertramer
4VAGABUNDEN
D
RAUSSENSEITER: Herzlichen Glück- te mir da vor-werfen, dass ich mich mit Nest im Landkreis Cuxhaven. Und dann
wunsch zum Erfolg deines neuen solchen Songs neu erfunden habe. Oder hatte ich eben – im Nachhinein betrachtet
Albums „Junkies und Scientologen“, dass ich zu offen bin in meiner Kunst, mich – gut 25 Jahre lang Zeit zu üben. Und das
mit dem du dieses Jahr auf großen Festivals in meinen Texten plötzlich auch an die war enorm wichtig. Jeder 27-Jährige will
tourst, nachdem du die Plattencharts im dunklen Plätze des Lebens traue. Das doch heute sofort die große Karriere
Sturm erobert hast. Man könnte meinen, kannte man so vielleicht nicht von mir. machen. Auch, wenn ich das nachvollzie-
dass sich die fünfjährige künstlerische Schaf- Aber mal ganz ehrlich: Ich lehne es ab, hen kann, bin ich froh, dass es bei mir –
fenspause gelohnt hat. Dabei warst du ja dass Künstler normal und berechenbar übrigens ähnlich wie bei Marcus Wie-
gar nicht untätig in der Zwischenzeit. Man sein müssen. Meine erste Aufgabe als busch und Sven Regener – aus irgendei-
hört, du hast weiterhin wie der Teufel Lieder Künstler ist es doch nicht, erfolgreich zu nem Grund anders gelaufen ist: Es ist
geschrieben und sie dann tatsächlich alle sein, sondern da hinzugehen, wo sich zwi- wirklich wunderschön, dass ich mit 46 so
wieder in die Tonne gekloppt. Stimmt das? schenmenschliche Phänomene abspielen. berühmt bin wie noch nie. Heute sind
Thees Uhlmann: Ja, so war das tatsächlich. Meinetwegen auch menschliche Tragödi- Rockbands ja oft zwischen 25 und 35 Jah-
Ich habe irgendwann gemerkt, dass ich en. Den Blick dafür zu schärfen und sich re alt, powern sich aus, lösen sich auf, weil
keine Verbindung mehr zu den Songs hat- dabei selbst auch mal zurücknehmen zu irgendjemand keinen Bock mehr hat und
te, die ich geschrieben habe. Vielleicht können, das ist eine Art von Gelassenheit, wenige Jahre später ist von dem ganzen
hätte ich da mehr auf mich hören sollen die ich erst an mir entdecken musste. Ruhm und Geld nichts mehr übrig. Da ist
und nach dem Schreiben meines Buches es doch viel lustiger, wenn das umgekehrt
„Sophia, der Tod und ich“ mal eine Pause DRAUSSENSEITER: Du stammst aus dem passiert: Denn das ist normalerweise im
machen sollen. Aber irgendwie dachte ich, kleinen Ort Hemmoor in Niedersachsen und Rock’n’Roll gar nicht vorgesehen. Wenn
es muss sofort weitergehen. Es gibt offen- hast bereits zu Schulzeiten angefangen, bei anderen die Karrieren schon vorbei
bar ein künstlerisches Grundgefühl, das Musik zu machen. Unter anderem wegen sind, lege ich los. Und das genieße ich gera-
man nicht ignorieren sollte. Auch thema- deiner Band Tomte, die du 1994 gegründet de sehr. Und: Ich glaube, dass mein Gehirn
tisch habe ich mich zu der Zeit als Mensch hast, hast du schließlich dein Lehramtsstu- inzwischen so gefestigt ist, dass ich den
in eine ganz neue Richtung entwickelt. dium aufgegeben, um weiterhin nur noch Rummel ganz gut aushalten kann.
Während ich in meinen Songs immer noch Musik zu machen. Was bedeutet dir das, Ein großer Vorteil, wenn man ein so unste-
die ganz großen Themen angepackt habe, dass du jetzt – mit 46 Jahren – sowohl als tes Künstlerleben führt und heute mal
habe ich mich in Wirklichkeit eher für die Buchautor als auch als Solokünstler eine hier ist und morgen dort.
kleinen, greifbaren Dinge des Lebens inte- größere Wertschätzung bekommst als je
ressiert. Je älter ich werde, desto mehr zuvor? DRAUSSENSEITER: Aber je berühmter man
möchte ich mich offenbar an Dingen abar- Thees Uhlmann: Eigentlich habe ich mit ist, desto mehr hat man vielleicht auch eine
beiten, die ganz konkret sind. Mal ganz Musik machen angefangen, weil mir ein- Vorbildfunktion als Künstler. Viele Bands,
davon abgesehen, dass ich mich seit fünf fach unfassbar langweilig war in meinem wie beispielsweise die von dir sehr geschätz-
Jahren nicht mehr verliebt habe. Warum
sollte ich also darüber singen? Momentan
sind mir beispielsweise meine Freunde Sie ist die Frau, die ich nach HipHop-Videodrehs nach Hause fahre
vielleicht wichtiger, überlege ich dann. Und sie fragt mich müde: „Warum hast du keine Tattoos?“
Die umgedrehte Kamera des Handys als Schminkspiegel
„Warum bist du nicht tätowiert?“
DRAUSSENSEITER: Deshalb also dann zum
Ich sag: „Ich bin so hart geworden in all der Zeit
Beispiel ein Lied über einen Mann, der Frau-
In meinem Herzen ist seit Jahren nichts mehr passiert
en nach Hiphop-Videodrehs nach Hause Die Farbe ist einfach an meiner Haut abgeplatzt
fährt? Ist der neue Thees Uhlmann ein Fla- Deswegen bin ich nicht tätowiert“
neur und Beobachter von Alltagsszenen? Sie sagt: „Es ist gut wie du schweigst, es ist gut wie du fährst
Thees Uhlmann: Vielleicht. Nimm den Du siehst aus, als ob du lieber alleine wärst“
Song „Junkies und Scientologen“, nach Ich hab‘ die Antwort vergessen, weil mich selten jemand fragt
dem ja auch das neue Album benannt ist. Aber ich fahr‘ uns jetzt nochmal eine Runde um die Stadt
Darin geht es ja wirklich von der größten Das ist das, was wir tun
Ordnungseinheit Gott bzw. Kirche bis hin Müde und benommen
zur kleinsten Mikroeinheit – Freund- Das ist das, was wir tun
Um über die Runden zu kommen
schaft. Ich zähle darin Namen von Freun-
den auf, die keiner kennt. Gut, man könn- Aus: „Ich bin der Fahrer, der die Frauen nach HipHop-Videodrehs nach Hause fährt“
5VAGABUNDEN
Christina Bacher traf
Thees Ullmann vor seiner
Lesung aus dem Buch
„Die toten Hosen“, das im
Kiepenheuer & Witsch-
Verlag erschienen ist.
ten Toten Hosen, nutzen ihre Konzerte, um
politische Statements zu verbreiten und vor
ihren Fans Haltung zu zeigen. Wie ist da
dein Anspruch?
Thees Uhlmann: Natürlich bin auch ich
Foto: Anemone Träger
ein politischer Mensch und habe eine eige-
ne Meinung. Aber – und das habe ich
schon häufiger gesagt – ich sehe mich
nicht in dieser Tradition von Bands, bei
denen die politische Agitation total in der
DNA verankert ist und auch zur Bühnen-
präsenz gehört. Ich würde es fast als Frevel müssen und lange über das Angebot nach- spricht. Bis heute sind wir befreundet – das
gegenüber den Toten Hosen oder Bands gedacht. Diese Band hat mich, wie keine alles verdanke ich meiner Kölner Zeit.
wie Feine Sahne Fischfilet empfinden, die andere, mehr als 30 Jahre meines Lebens
sich da seit Jahren an der politischen Front begleitet und mich musikalisch sehr DRAUSSENSEITER: Du hast ja nach deinem
engagieren, wenn ich ab und zu mal von geprägt. Mein allererstes Konzert war ein abgebrochenen Studium zunächst in der
der Bühne herunter ein schlaues Statem- Hosen-Konzert! Und plötzlich hat es mich Altenpflege gearbeitet und dich dann als
ent loslassen würde. Das käme mir vor wie selbst interessiert, mein Leben zu erzählen Künstler durchgeschlagen. Dabei hast du
so ein PR-Gag, eine miese Marketing- und die Toten Hosen dabei in den Fokus nicht nur rosige Zeiten erlebt und – so habe
Aktion. Und ich bin mir ziemlich sicher, zu nehmen. Das Ganze ist mir fast ein ich jedenfalls gelesen – sogar mal Besuch
dass ich damit sowieso rein gar nichts bisschen peinlich, weil es sich wie der von einem Gerichtsvollzieher gehabt. Hast
bewirken würde. Mein Weg ist da ein bekannte amerikanische Traum anfühlt. du deshalb vielleicht auch eine Vorstellung
anderer. Ich versuche, meine Kunst so gut Der Deal, auf den ich mich einlassen konn- davon, wie es sich anfühlt, wenn sich die
zu machen, wie es irgendwie geht. Ich te, lautete: Ich schreibe das Buch, die Band Abwärtsschraube zu drehen beginnt und
möchte die Menschen einladen, daran liest das Manuskript und kann es komplett man beispielsweise obdachlos wird, wie vie-
teilzuhaben. Und wenn sie verstehen, dass ablehnen – dann erscheint es auch nicht. le unserer Straßenzeitungsverkäufer?
sie auf meinen Konzerten die besseren Das haben sie aber nicht getan. Und letz- Thees Uhlmann: Ja und nein. Grundsätz-
Geschichten, die schöneren Gedichte und tens nach einer Lesung aus dem Buch lich hat Geld in meinem Leben nie eine
die interessanteren Menschen kennenler- haben sie mich tatsächlich gefragt, ob ich große Rolle gespielt, ich kann damit ein-
nen als beispielsweise bei AfD-Kundge- sie auf der „Ohne Strom“-Tour begleiten fach nichts anfangen. Ich weiß, dass ich als
bungen, dann habe ich mein Ziel erreicht. möchte. Ich werde sie also im August auf Altenpfleger damals 100 D-Mark schwarz
Ich glaube nämlich fest daran, dass viele der Waldbühne in Berlin und auf der verdient habe. Dann hört es auch schon
Menschen, die rechtsradikale Parteien Loreley Freilichtbühne wiedersehen. auf mit der Einschätzung, was jemals so
wählen, kein politisches, sondern ein psy- reingekommen und rausgegangen ist. Ich
chisches Problem mit sich herumtragen. DRAUSSENSEITER: Du hast ja eine Zeit lang hatte nie teure Hobbys. Ich besitze kein
Denen geht es nicht gut. Man sollte ihnen in Köln gelebt und hier studiert. Wie erin- Auto. So bin ich immer irgendwie über die
bunte, farbenfrohe Alternativen bieten. nerst du dich an diese Zeit vor 20 Jahren? Runden gekommen. Dafür hatte ich
Thees Uhlmann: Ich habe zwei Jahre in immer schon Probleme damit, meine Brie-
DRAUSSENSEITER: Dennoch hast du – par- Köln gelebt. Im Nachhinein kommt mir fe zu öffnen. Ich weiß also, was passiert,
allel zum neuen Album – gerade ein neues diese Zeit so unglaublich reich und voll wenn du die Post einfach ungeöffnet lie-
Buch vorgestellt, das quasi eine Hommage vor, als wären es fünf Jahre gewesen. Allei- gen lässt. Dann kommt tatsächlich irgend-
an die Toten Hosen darstellt, deren Fan du ne schon der unlimitierte Zugang zu Kon- wann der Gerichtsvollzieher. Der hat sich
bereits als Junge warst und in deren Vorpro- zerten, den ich aus der Provinz ja nicht übrigens ziemlich gewundert, dass ich die
gramm du in diesem Sommer auftreten kannte. Ich lernte plötzlich Leute kennen, ausstehenden Rechnungen sofort begli-
wirst. Was für ein Ritterschlag! Wie kam es die mir ähnlich waren oder die mich inte- chen habe, als er danach fragte. Und natür-
denn dazu? ressierten. Unter anderem habe ich in lich erinnere ich mich noch gut an Zeiten,
Thees Uhlmann: Es ist ja nicht meine Idee dieser Zeit Linus Volkmann kennenge- in denen ich keine Krankenversicherung
gewesen, dieses Buch zu schreiben. Ich lernt und ich konnte das erst gar nicht hatte und mir mein Freund Marcus
wäre niemals so vermessen gewesen, das glauben, dass es einen Menschen wie ihn Wiebusch Pizza gebacken hat, weil ich
vorzuschlagen. Ich wurde von meinem gibt. Ich hatte zuvor noch nie jemanden nichts zu essen im Haus hatte. Aber: Ich
Verlag gefragt, habe erst einmal schlucken getroffen, der eine so eigene Sprache habe auch damals keine wirklich existen-
6VAGABUNDEN
Wärst du nur zu mir gekommen
Hättest mich gefragt
Eine Gallenblase ist nicht wichtig
Nur der nächste Tag
Wir grüßen dich, Avicii
zielle Not empfunden, sondern – im Rück- Mit der Faust fest erhoben
blick betrachtet – den Lebensstil eines Spiel noch einen Song
Künstlers auch ein bisschen zelebriert. Alles Gute kommt von oben
Du wartest auf die Liebe
Und ich auf das letzte Bier
DRAUSSENSEITER: Du bist ja heute selbst
Der Platz am Tresen neben mir bleibt heute leider leer
Vater einer 14-jährigen Tochter. Welche
Eine gute letzte Reise, zum Abschied leise winken
Werte möchtest du ihr mitgeben? Elektronische Musik kann man sich so selten schön trinken
Thees Uhlmann: Ich möchte ihr vor allem
das Gefühl geben, dass sie sich bei mir Aus: „Avicii“
sicher fühlt. Und dass sie es mir immer
sagen kann, wenn es ihr nicht gut geht.
Meine Tochter hat mich schon häufiger schon besser als vorher. Warum? Weil er Thees Uhlmann: Ich möchte mich weiter-
gefragt, wie man auf der Straße landet und seine Furcht vor Sanktionen überwunden hin selbst spüren. Als Künstler ist es mir
wie man aus so einer Situation wieder hat. Davor habe ich einen großen Respekt. gerade nicht vergönnt, ein normales
rausfindet. Wir wohnen ja in Berlin, da Scham und Angst entstehen ja nur durch Leben zu führen – ich meine damit ein
gehört Armut mit zum Stadtbild. Ehrlich die diffuse Angst vor Sanktionen. Und bürgerliches Leben, das ja viele anstreben.
gesagt, empfinde ich die Kreuzberger wenn man sich erstmal traut, über seine Und dennoch mag ich mein Leben, so, wie
manchmal als sehr pseudo-liberal und Probleme zu sprechen, ist das ein guter es jetzt ist, sehr. Und ich möchte mir die
hippiemäßig verpeilt, im Sinne von „jeder, erster Schritt, sich in Zukunft wieder mehr Erkenntnis bewahren: Mal ist das Leben
so wie er will“, dass die ihre direkte Umge- zuzutrauen. gut und mal ist es schlecht. Mit diesem
bung mit all diesen Problemen noch nicht Wissen kann ich sehr gelassen in die
mal mehr wahrnehmen. Niemand scheint DRAUSSENSEITER: Apropos Zukunft: Was Zukunft schauen. Relativ neu ist für mich
etwas dagegen zu unternehmen, dass es wünschst du dir? Auch und gerade, wenn auch, dass ich dieses Streben nach Glück
immer mehr Junkies gibt. Exkremente in der Erfolg anhält? komplett aufgegeben habe. Und das
den U-Bahn-Stationen, Spritzen auf dem macht mich tatsäch-
Bahnsteig, Heroinrauchen nachmittags lich glücklicher – so
um drei auf Parkbänken – alles egal. absurd es klingt.
Danke für die Angst
Manchmal denke ich, ich habe in Berlin Überhaupt finde ich,
Die mich noch manchmal überkommt
inzwischen mehr offene Beine gesehen als Ist es wirklich sicher dass das Leben durch
mein Großvater im Ersten Weltkrieg. Aber Dass alles wiederkommt? den drohenden Tod
scheinbar ist das allen egal. Die Stadt freut Was ich übers Leben weiß automatisch immer
sich, dass es sich auf Kreuzberg beschränkt, Weiß ich aus „Stand by me“ ein bisschen sexyer
die Kreuzberger freuen sich, dass sie das Ich hab‘ ein‘ Hund, der „Cujo“ heißt wird. Und das sind
als tolerant wahrnehmen. Und mein Auto heißt „Christine“ doch phantastische
Wenn du schreiben kannst, dann schreibe Aussichten.
DRAUSSENSEITER: Im Grunde ist das ja auch Wenn du singen kannst, dann sing
die Botschaft deines Songs über den schwe-
Und wenn du nicht mehr weiter weißt DRAUSSENSEITER:
Frag Stephen King
dischen Musiker Avicii, der sich mit 28 Jah- Herzlichen Dank
ren das Leben nahm. Trotz seines großen Aus: „Danke für die Angst“ fürs Gespräch.
Erfolgs und seines Reichtums hat er es nicht
geschafft, über sein psychisches Tief hinweg-
zukommen. Offenbar hatte er da nieman-
den, an den er sich wenden konnte … lll INFO
Thees Uhlmann: Ja, darum handelt dieser
Thees Uhlmann - Junkies und Scientologen
Song. Selbst, wenn die Kacke am Dampfen
Label: Grand Hotel Van Cleef / Indigo
ist, kann man Hilfe von irgendwoher
Erscheinungsdatum: 20. September 2019
bekommen, davon bin ich überzeugt. Und erhältlich als CD, Vinyl, Digital Download
ganz ehrlich: Wenn mir jemand erzählt,
dass er an einer psychischen Erkrankung
leidet oder das Konto mal wieder leer ist,
finde ich diesen Menschen automatisch
7VAGABUNDEN
„Wo der Bürger
aufhört, beginnt
das Paradies“
„König der Vagabunden“, Anarchist, Bürgerschreck, Chefredak–
teur des Vorläufers aller Straßenzeitungen, Organisator des
„Ersten Internationalen Vagabundenkongresses“ - Gregor Gog
ist in der Weimarer Republik so prominent wie gefürchtet.
Ein Comic zeichnet nun seine politische Biografie und damit
einen fast vergessenen Teil deutscher Sozial- und
Bewegungsgeschichte nach.
VON BASTIAN PÜTTER, ILLUSTRATIONEN: BEA DAVIES,
FOTOS: BERTHOLD LEIBINGER STIFTUNG,
FRITZ-HÜSER-INSTITUT
E
s ist die Zeit tischen Biografie. „Gog ist spätestens wäh-
der gesell- rend des Ersten Weltkrieges mit anarchis-
schaftlichen tisch gesinnten Matrosen zusammenge-
Transformationen, kommen und hat dort einen illegal
der Revolutionen und der organisierten Lesezirkel besucht“, sagt
Menschheitskatastrophen Patrick Spät, Autor des soeben im
in Europa, in die Gregor Gogs Avant-Verlag erschienenen Comics „König
Lebensspanne fällt. 1891 in der Vagabunden“. „Ab da war er, um es
Schwerin an der Warthe (heutiges kurz zu machen, Anarchist.“
Skwierzyna in West-Polen) geboren und Mehrmals steht Gog wegen Anstiftung
in einfachen Verhältnissen aufgewachsen, zur Meuterei und der Verbreitung antimi-
ist Gogs Biografie selbst geprägt von litaristischer Propaganda vor Militärge-
Umbrüchen und Richtungswechseln, richten, wird in „Irrenhäuser“ eingewie-
von kurzem Ruhm – und von Leid und sen, nierenkrank durch
Entbehrungen bis zum frühen Tod die Haft wird er 1917 als
im sowjetischen Hinterland 1945. „dauernd kriegsun-
Eigentlich will Gog nur die Welt brauchbar“ entlassen. 1918
sehen. Mit 19 zu alt zum Anheu- beteiligt er sich am Kieler
ern auf Handelsschiffen, geht er Matrosenaufstand und
zur Kriegsmarine und wird 1914 wandert nach dem
unfreiwillig zum Kriegsteilneh- Scheitern der Revolu-
mer - der Beginn seiner poli- tion ins schwäbische
8VAGABUNDEN
Gregor Gog (1891–1945), Matrose, Gärtner und Hans Tombrock (1895–1966), Zeichner und Maler Jo Mihaly (1902–1989), Tänzerin, Schauspielerin
Schriftsteller und Dichterin
Bad Urach. Die „Kommune am Grünen
Weg“ ist Anziehungspunkt für Anarchis-
ten, Kommunisten, Künstler, Proto-Hip-
pies, Lebensreformer, Wanderprediger.
Herberge für alle
Der Comic zeigt Gog mit seiner Frau Anni
Geiger-Gog, mit dem Dichter und Rätere-
publikaner Erich Mühsam, mit dem Wan-
derprediger und „Vater der Alternativbe-
wegungen“ Gusto Gräser und dem späte-
ren DDR-Hymnendichter und -Kulturmi-
nister Johannes R. Becher in einer Art
libertärem Paradies. Gog verlässt es, weil
er die Wanderschaft und die praktische
Politik den neochristlichen Heilslehren
vorzieht. Unterwegs lernt er den Dort-
munder Maler Hans Tombrock und die
Tänzerin und Dichterin Jo Mihaly kennen.
Die „Tippelschwester“ mit dem angenom-
menen Roma-Namen wird viele Gedichte
für Gogs Zeitschrift „Der Kunde“ schrei-
ben. Ihre Bücher werden von den Nazis
1933 verboten und verbrannt.
Tombrock war 1920 im Kampf gegen
den Kapp-Putsch mit der Roten Ruhrar-
mee in Dortmund einmarschiert und hat-
te dafür bis 1924 im Gefängnis gesessen.
Seitdem war er auf Wanderschaft und
lebte vom Verkauf seiner Zeichnungen.
Wie Mihaly und Gog gelang ihm 1933 die
Flucht in die Schweiz. Im späteren schwe-
dischen Exil lernte er Bertolt Brecht ken-
nen und arbeitete mit ihm zusammen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg gründete er
9VAGABUNDEN
Anni Geiger-Gog (1897–1995 li.), Kindergärtnerin
und -buchautorin, 1924 Heirat mit Gregor Gog.
Nach der Scheidung 1934 kümmerte sie sich weiter
um Gogs Sohn Gregor jr. aus erster Ehe, der am 3.
Vagabunden-Kunstausstellung, Pfingsten 1929 in Stuttgart. Hans Tombrock (2. von li.) und Gregor Gog (r.) Januar 1963 verstarb.
die „Schule für Bildende und Angewand- uns ein weiterer Motivationspunkt, diesen es durch die Polizeisperren. Ein großer
te Kunst Dortmund“, bevor er 1949 in die Comic zu machen“, sagt Patrick Spät. „Wir Erfolg und ein weiterer Popularitätsschub
DDR übersiedelte. Tombrocks Nachlass schätzen Produktionen wie ‚Babylon Ber- für den „König der Vagabunden“. Sogar
wird wie der Gregor Gogs und vieler Pro- lin‘, aber der Fokus liegt sehr oft auf die- in einem Stummfilm spielt Gog gemein-
tagonisten der Vagabundenbewegung im sem bürgerlichen Glanz-und-Glamour-Le- sam mit Tombrock.
Dortmunder Fritz-Hüser-Institut gepflegt. ben, was wirklich toll, aufregend und
„Ich mag Tombrocks Arbeiten sehr“, progressiv ist“, sagt Spät. „Was jedoch Barbarei und Wirkung
sagt Bea Davis, die den „König der Vaga- häufig unter den Tisch fällt, ist das massi- Was dann folgt, ist der vielleicht drastischs-
bunden“ gezeichnet hat. „Seine Zeichnun- ve soziale Elend, das in Deutschland und te Bruch im Leben Gregor Gogs. Auf einer
gen sind ja sehr schwarz und rau in ihrer Europa herrschte. Das zu zeigen, buch- Reise in die Sowjetunion im Juli 1930 wird
Ausarbeitung. Ich habe mit einem Pin- stäblich zu zeigen, weil es ja ein Comic ist, aus dem Antiautoritären, dem Anarchis-
selstift gearbeitet, der sehr feine und sehr lag uns sehr am Herzen.“ ten ein Parteikommunist, der mit der
genaue Linien macht, die aber auch eher 1927 gründet Gregor Gog die „Interna- grundlegend gewendeten Straßenzeitung
rau und nicht so kontrolliert sind. Viel- tionale Bruderschaft der Vagabunden“. „die Vagabunden in eine Reservearmee
leicht spiegelt sich das nicht so in meiner Patrick Spät: „Die Haltung der Bruder- des kämpfenden Proletariats zu verwan-
Arbeit, aber ich wurde sehr durch ihn ins- schaft war: Wir erwarten überhaupt nichts deln“ trachtet. Viele bisherige Weggefähr-
piriert.“ mehr vom Staat. Wir wollen keine Hilfe, ten wenden sich enttäuscht und irritiert
die ohnehin nicht kommt, und wenn doch ab.
Generalstreik ein Leben lang verbunden mit Repressalien ist. Wir orga- Gog hatte früh geahnt, was eine Macht–
Im vom Hüser-Institut herausgegebenen nisieren uns zur Selbsthilfe.“ Kurz darauf übernahme der Nazis bedeuten würde.
Sammelband zur „Epoche der Vagabun- wird Gog Chefredakteur der Zeitschrift Wenige Wochen nach der Machtübernah-
den“ beschreiben die Autoren die Wan- „Der Kunde“. „Die Straßenzeitung liefer- me der Nazis wird er festgenommen,
derschaft, auf der nun auch Gregor Gog te Lebens- und Überlebenstipps, empfahl kommt ins KZ und wird gefoltert. Unter
ist, als „ein Pendeln zwischen Reflexion Kunstausstellungen und Begegnungsorte, abenteuerlichen Umständen gelingt ihm
und Widerstand, Arbeitslosigkeit und denn allein die physische Begegnung ist Heiligabend 1933 die Flucht in die
Arbeitsverweigerung, zwischen Entwurze- sehr wichtig, wenn es darum geht, sich zu Schweiz. In seinem Tagebuch schreibt er:
lung und Aufbruch, Isolation und Frei- organisieren“, sagt Patrick Spät. Und in „Die Landstraße verlor sich im Dschungel
heit“; das alles radikalisiert durch die der Tat entwickeln sich Vagabundenaben- faschistischer Barbarei (…). Konzentrati-
Armut in den vorgeblich Goldenen Zwan- de, bis schließlich an Pfingsten 1929 zum onslager, Zwangsarbeit und Prügel: Die
zigern. In Folge der Weltwirtschaftskrise „Ersten Internationalen Vagabundenkon- deutsche Bourgeoisie hat uns das schon
wuchs die Zahl der Obdachlosen von gress“ in Stuttgart aufgerufen wird. Die immer gewünscht.“ Über Paris gelangt er
70.000 auf 450.000 an. „Dass momentan Behörden reagieren fast panisch, die Medi- in die Sowjetunion, wo er schwerkrank
so etwas wie die Wiederentdeckung der enresonanz ist international und feindse- unter immer schwierigeren Bedingungen
Weimarer Republik stattfindet, war für lig. Rund 600 TeilnehmerInnen schaffen lebt. Einen Suizidversuch 1945 überlebt
10VAGABUNDEN
er, stirbt aber zwei Wochen später in
Taschkent.
„Die Jahre des Leidens im sowjetischen
Exil haben wir im Comic ausgespart, für
uns stand die Bruderschaft und auch die
Wende zum Kommunisten im Vorder-
grund“, sagt Patrick Spät. „Wir haben die
Geschichte mit der Flucht vor den Nazis
in die Schweiz gerahmt, denn das war uns
wichtig. Obdachlose, Vagabunden und
,Landstreicher‘ werden als Opfergruppe
der Nationalsozialisten bis heute weitge-
hend ignoriert.“
Und was bleibt sonst von Gregor Gog?
„Bei allen Widersprüchen war er eine gute
Person mit einem klaren Blick auf die
Welt“, sagt Bea Davis. „Und mit der Pers-
pektive auf heute: Ich sehe seinen Mut
nicht. Diese Gesellschaft ist so informiert,
aber trotzdem so stumm. So kommt es mir
vor. Gogs Ansatz, auf den Staat ,zu pfeifen‘
erscheint extrem. Aber schaue ich die
Regierungen der Welt an, denke ich mir
schon: Wir machen das besser selbst.“ Pat-
rick Spät: „Gog hat für eine Zeit erfolg-
reich vermocht, Obdachlose, Vagabunden,
Ausgeschlossene zusammenzuführen und
zu organisieren. Das verdient Bewunde-
rung.“
lll INFO
Bea Davies, geboren 1990 in Italien, ist freie
Illustratorin und Comiczeichnerin in Berlin.
Sie studierte in New York und Berlin und
zeichnete unter anderem für das ehemalige
Berliner Straßenmagazin Strassenfeger.
Patrick Spät, geboren 1982 in Mannheim, ist
Journalist, unter anderem für Spiegel Online
und Zeit Online, und Buchautor. Für „König
der Vagabunden“ wurde er gemeinsam mit
Bea Davis als Finalist des Comicbuchpreises
der Berthold Leibinger Stif-
tung ausgezeichnet.
Patrick Spät, Bea Davies:
Der König der Vagabun-
den. Gregor Gog und sei-
ne Bruderschaft. Avant,
160 Seiten, 25,-€, ISBN
978-3-96445-015-9
11VAGABUNDEN
FOTO/GRAFIK: UNTER DRUCK
Die Renaissance der Vagabunden
Ein Kongreß in Berlin wird im August zum Treffpunkt für alle, die
wandelbar bleiben wollen – sich selbst und der Gesellschaft zuliebe
I
n Kooperation mit dem Obdachlo- sionen berücksichtigen und einen zelung bekämpfen, um mit einer kon-
senverein Unter Druck - Kultur von Raum für Solidarität, Austausch und struktiven Sichtweise das Leben auf der
der Straße e.V. und einem Netzwerk Selbstorganisation schaffen. Straße zu beleuchten. (or)
aus Einzelpersonen realisieren wir den Wir wollen Menschen zusammenbrin-
Vagabundenkongress 2020. Das Pro- gen, die auf der Straße leben, die kei-
jekt wird gefördert durch Aktion nen festen Wohnsitz haben, die mate-
Mensch. Im Rahmen des Kongresses, riell in ihrer Existenz bedroht sind, um lll INFO
der im August 2020 in Berlin stattfinden gemeinsam Strategien gegen Verdrän-
Der Vagabundenkongress findet vom 22.-
wird, möchten wir durch künstlerische gung, Diskriminierung und Ausgren-
23.8.2020 in Berlin statt. Das Projekt von
und soziokulturelle Aktivitäten Ideen zung zu entwickeln. Auch sprechen wir Unter Druck – Kultur von der Straße e.V. wird
für eine bessere Zukunft entwickeln, in diejenigen an, die aufgrund selbstbe- gefördert von der Aktion Mensch. Der Kon-
der die mobilen Lebensformen ihren stimmter Entscheidung nicht sesshaft gress versteht sich als Diskussionsforum für
Platz haben, ohne ständig in ihrer Exis- sind, umherziehen und sich für alter- Einzelpersonen, Kollektive, Bündnisse oder
tenz bedroht zu werden. native Wohn- und Lebensentwürfe Projekte, die daran interessiert sind, Woh-
nungslosigkeit abzuschaffen und sozialer
Wir möchten mit dem Kongress das entschieden haben. Mit dem Kongress
Ungerechtigkeit den Kampf anzusagen.
Thema Wohnungslosigkeit aus ver- wollen wir die Vielfalt an mobilen
schiedenen Perspektiven und Aus- Lebensformen zusammenbringen, Mehr darüber unter:
gangspunkten betrachten, alle Dimen- gemeinsam die Isolation und Verein- https://vaga2020.de
12IN DUNKELHEIT
13SPUREN DER ARMUT
Das Haus Im Ferkulum 29
(früher 15) in der Kölner
Südstadt heute. An dieser
Stelle befand sich einst das
Marthastift.
14SPUREN DER ARMUT
Marthastift Köln –
vom Mädchen zur Magd
„Wir wollen stellenlosen und dienstsuchenden Mägden einen
zeitweiligen, billigen, vor den Versuchungen der Großstadt schüt-
zenden Aufenthalt gewähren und sodann heranwachsenden
Mädchen in den praktischen Arbeiten des häuslichen Lebens
unterrichten und also zu einem selbständigen Broderwerb (sic)
befähigen.“ (Aus dem Jahresbericht des Marthastifts/1888)
VON IRENE FRANKEN
E
nde des 19. Jahrhunderts bildeten übernahm ein Komitee aus Unterneh- Irene Franken, geboren 1952 in Düsseldorf,
Dienstmädchen die größte Migrati- mern und Juristen die Verwaltung und ist Historikerin, Publizistin und Mitbegründe-
onsgruppe Deutschlands überhaupt! später die Vereins Gründung. rin des Kölner Frauengeschichtsvereins.
Immer mehr Mädchen und junge Frauen Wurde anfangs nur ein kleines Heim für Im Jahre 2017 wurde sie mit der Alternativen
vom Land waren aus Armut gezwungen, 10-12 Mädchen intendiert, wurde dann Ehrenbürgerschaft in Köln ausgezeichnet.
sich einen Arbeitsplatz als Magd oder doch für 24.000 Mark ein großes Haus
Köchin in der Stadt zu suchen. Hier arbei- erworben. Das Kölner Marthastift –
teten sie für ihre Aussteuer und hatten in benannt nach einer Zeitgenossin von
der Regel vor, in die Heimat zurückzukeh- Jesus, die ihn in ihrem Haushalt bewirtete
ren. Unzählige Mädchen kamen zunächst - eröffnete 1865 seine Pforten. Standort
ohne Perspektive im Bahnhof an – viele war ein Viertel mit vielen Fabriken mit
Kölner Fabriken warben die billigen, weil Frauenarbeitsplätzen, die Südstadt. Im
ungelernten Arbeitskräfte sofort an und Ferkulum 15 (später war es Hausnummer
machten den Haushalten Konkurrenz, 29) lautete die Adresse.
denn in der Industrie war zumindest am Das Heim diente einerseits als soge-
Sonntag und nachts arbeitsfrei. nannte Mägdeausbildungsstätte, dazu
1863 entwickelten rund 30 begüterte nahm man Aufträge an, an denen die jun-
Kölnerinnen des Evangelischen Frauen- gen Frauen im Haus Waschen, Bügeln und
vereins die Idee, ein Heim zu gründen, in Nähen übten – ein Bleichplatz war ja vor-
dem die neu Zugezogenen den Umgang handen. Zudem bestand die Möglichkeit,
mit kostbaren Textilien erlernen konnten. Lesen, Schreiben und Rechnen zu lernen.
Viele evangelische Damen hatten geklagt, Dem Heim wurde schließlich eine Stellen-
die Provinzmädchen hätten nur sehr vermittlung angedockt durch die zahlrei-
geringe Kenntnisse in Hausarbeit, auch che junge Frauen in den Kölner Arbeits-
fehle es ihnen an einer positiven Haltung markt vermittelt werden konnten. Man
zum Dienen. Da großbürgerliche Frauen weiß, dass 1889 schon insgesamt 4.230
wie sie keine juristischen Ämter anneh- Frauen vorübergehend oder über einen
FOTO: CHRISTINA BACHER
men konnten und kaum Fähigkeiten hat- längeren Zeitraum das Marthastift als
ten, mit größeren Summen umzugehen, Sprungbrett zu nutzen wussten.
15GUTES PROJEKT
20 Jahre Malgruppe
im Vringstreff
Maria und Attila malen seit 20 Jahren in der Malgruppe. Ingrid
Bahß durfte den Hobby-Künstlern mit ihrer Kamera mal über
die Schulter schauen und bei der Arbeit ein paar Fragen stellen.
W ie habt ihr die Malgruppe entdeckt?
Wir kamen 1999 kurz nach der
Eröffnung in den Vringstreff. Kurze Zeit
chen Lebens- und Arbeitswelten. Zwei- bis
dreimal im Jahr arbeiten wir zu vorgege-
benen Themen, um die Arbeiten dann in
lassen hat. Man darf nicht vergessen, dass
die meisten von uns ein Talent mitbringen,
das aber selten gefördert wurde. Jeder gibt
später wurde die Malgruppe von Uli Rich- einer Ausstellung im Vringstreff zu zeigen. in unserer Gruppe an Offenheit und Kre-
ter angeboten. Wir waren von Anfang an Nicht selten stehen wir dann staunend vor ativität, was er kann.
dabei. Seit September 2019 ist es Marion unseren Arbeiten und sind stolz, uns der
Schmidt. Öffentlichkeit vorstellen zu können. Die Was bedeutet euch beiden das künstlerische
Besucher des Vringstreffs haben die Mög- Tun?
Was bedeutet euch die Malgruppe? lichkeit, unsere Ausstellung zu sehen. Die Künstlerisches Tun bedeutet eine Freiheit
Die Malgruppe hat uns von Beginn an viel Einladungen und das Plakat werden von für uns, die uns vor vielen Zwängen
bedeutet; daran hat sich nichts geändert. Nicole van Achten und unserer Leiterin bewahrt. Die Malerin Renate Friedländer
Wir treffen uns, arbeiten an unseren Marion Schmidt gestaltet und ver- hat unser künstlerisches Talent erkannt
Bildern und erzählen dabei. schickt; wir helfen beim Ver- und uns ermutigt, zu malen. Bei ihr haben
Das Miteinander schätzen teilen mit. Nicole und wir gelernt, wie wir eine Bildidee verwirk-
wir sehr. Jeder bringt Marion kümmern sich lichen können. Später haben wir unser
sein eigenes Tempera- dann auch um die Können in Kursen bei der Malerin Petra
ment mit. Auf diese Auf hängung der Rodewald vervollkommnet. Wir verbrin-
Weise lernen wir uns Arbeiten. Und auch gen einen großen Teil unserer Zeit zu
kennen und schät- auf der Website des Hause mit dem Malen. Bei schönem Wet-
zen. Es gibt ein Wir- Vringstreffs wird auf ter bietet sich auch der Garten an. Maria
Gefühl in unserer die Ausstellungen liebt es, neben Blumen auch Landschaften
Gruppe, eine Offenheit aufmerksam gemacht. zu malen, bei Attila sind es die Natur, Mee-
für den anderen. Als wir Die Eröffnung der Aus- reslandschaften, aber auch Bilder mit
die Ausstellung zum Thema stellung ist schließlich der Menschen. Wenn Zeit bleibt, besuchen wir
Sonnenblumen
Karneval vorbereitet haben, war von Maria Erdik Höhepunkt für uns. Neben dem eine Ausstellung im Museum. Dabei
ich erst einmal zögerlich. Doch kreativen Miteinander im Mal- haben es uns die Impressionisten beson-
dann sind Arbeiten entstanden, mit denen kurs unterstützen wir uns gegenseitig, ders angetan, Emil Nolde zum Beispiel.
ich jetzt zufrieden bin. Attila hat ein sehr wenn es nötig ist. Als Jürgen gestorben ist,
schönes Karnevalsbild gemalt, das dann kamen auch Mitglieder der Malgruppe zur
lll INFO
auch für die Einladung und das Plakat Beerdigung. Ich habe eine kleine Anspra-
verwendet wurde. che gehalten und gesagt: „Lieber Jürgen,
Offene Malgruppe Vringstreff
male weiterhin Bilder, die leuchten, damit
Vringstreff e.V., Im Ferkulum 42, 50678 Köln
Was ist das Besondere an der Malgruppe im wir dieses Leuchten im Abendrot sehen
FOTOS: INGRID BAHSS
Jeden Mittwoch von 14 bis 17 Uhr.
Vringstreff? können.“ In der Karnevalsausstellung ist
In unserer Malgruppe begegnen sich ein unvollendetes Bild von Irmela zu https://vringstreff.de/mahlzeit-
KünstlerInnen aus völlig unterschiedli- sehen, die uns vor Kurzem für immer ver- freizeit/malgruppe/
16GUTES PROJEKT
Die Freikonzerte des Vereins „Yehudi Menuhin Live
Music Now“ finden in sozialen Einrichtungen wie
Seniorenhäusern, Hospizen, Haftanstalten oder
Krankenhäusern statt.
„Jacques
Offenbach“
im Haus
Stipendiaten des Vereins „Yehudi
Menuhin Live Music Now“ spielten
D ie stadtweiten Feierlichkeiten
anlässlich des letztjährigen Jacques
Offenbach-Jahres machten neben den gro-
gen ist ein wertvoller Prozess, der durch
solche Aktionen gefördert wird“, sagte die
Leiterin des Sozialdienstes.
für Bewohner des Johanniter-Stift ßen Hallen und Konzertsälen auch in klei-
neren Locations halt, so etwa im Poller Musik, die bewegt
VON THOMAS DAHL
Johanniter-Stift. Stipendiaten des gemein- „Oh, ich liebe Musik. Vor allem, wenn es
nützigen Vereins „Yehudi Menuhi Live heitere Klänge sind. Das Konzert ist eine
Music Now“ präsentierten auf zwei Celli willkommene Abwechslung, da ich und
im Rahmen des 45-minütigen Auftritts auch viele meiner Mitbewohner nicht
Auszüge aus dem Schaffen des Operet- mehr so gut zu Fuß sind“, berichtete Erika
ten-Erfinders, darunter die „Barcarolle“ Zomm. Die 84-Jährige lebt seit 2013 in der
aus dem weltberühmten Tanz „Cancan“. Stätte auf der Jakob-Kneip-Straße und
Darüber hinaus boten die Studenten der begrüßte das Engagement der Musiker
Musikhochschule Köln ihren Zuhörern sowie des Vereins: „Klasse, dass es so was
Melodien von George Bizet, Franz Haydn gibt! Ich bin sicher nicht die Einzige hier,
und Felix Mendelsohn. Die eintrittslosen die sich auf solche Veranstaltungen schon
Konzerte in verschiedensten sozialen Ein- Tage vorher freut. Früher bin ich auch
richtungen ermöglichen seit 18 Jahren gerne in die Oper gegangen. Heute dudelt
Konzerterlebnisse für Menschen, die dafür bei mir das Radio jeden Tag vom
öffentliche Veranstaltungen, etwa in der Morgen bis in den Abend“, sagt die Rent-
Philharmonie oder im Gürzenich, auf- nerin lachend.
grund der Lebensumstände nicht mehr Nach einer kurzen Vorstellung des Pro-
besuchen können. Die Künstler treten jekts durch Live Music Now-Koordinato-
ohne Gage auf. Für die geförderten Nach- rin Barbara Molineus-Gallhöfer gewan-
wuchstalente ergibt sich die Chance, regel- nen Roger Morelló Ros und Javier Huerta
mäßig vor Publikum auftreten zu können. Gimeno an den Violincelli schnell die
Die Finanzierung der Tätigkeiten erfolgt Sympathien der mehr als 40 Zuhörer im
durch Spenden und Mitgliedsbeiträge. Saal. Das aus Spanien stammende „Offen-
Jährlich organisiert der Verein in Köln und bach Cello-Duo“ äußerte sich vor dem
Region 120 bis 150 Konzerte. Auftritt über die Besonderheit der Kon-
„Das ist eine wichtige Gelegenheit für zertreihe: „Es ist sehr bereichernd für uns
unsere Bewohner, Unterhaltung mit Emo- als Künstler, solch eine Nähe und eine
tionen zu vereinen. Durch die bekannten Direktheit zum Publikum zu erleben. In
Klänge der klassischen Werke werden den großen Konzertsälen ist das kaum
nicht selten lang verschüttete Erinnerun- möglich. Man spürt auch förmlich, wie die
gen freigelegt, beispielsweise an einen Musik die Menschen bewegt und Gefühle
Tanzabend in der Jugend oder einen freisetzt. Das ist unbeschreiblich und
Opernbesuch“, erklärte Haus-Mitarbeite- unglaublich motivierend auch für uns
Javier Huerta Gimeno (l.) und Roger Morelló Ros
spielten für die Bewohner des Johanniter-Stift auf. rin Kathrin Kaczmarzyk. „Die Auseinan- Musiker“, so Roger Morelló Ros.
FOTOS: T. DAHL dersetzung mit biographischen Erfahrun- www.livemusicnow-koeln.de
17CARTOON | CLAYD
VON HEIKO SAKURAI
Liebe Freunde,
oft werden Frauchen und ich auf engen Gänge bis sie einen Platz für gut befin- passiert und sie will das nie wieder erleben.
Vorträge eingeladen. Da steht det, wo auch ich mich lang machen kann. Deshalb ist sie auch immer schnell wieder
sie dann an so einem lan- Meistens ist es so ein Vierertisch. Da mache ich zurück. Wenn der Zug länger an einem Bahnhof
gen Stiel – Mikrofon heißt es mir unter dem Sitz gemütlich. Manchmal hält, geht sie mit mir kurz raus. Das klappt alles
das wohl – und spricht vor kommen Leute zu uns und beschweren sich. schon ganz gut. Aber am Schönsten ist immer
anderen Menschen. Ich lie- Eigentlich müsste ich wohl im Zug einen Maul- die Ankunft. Da geht es nämlich meistens mit
ge meist daneben, passe auf korb tragen, weil ich eine bestimmte Größe dem Auto weiter. Im Auto kann ich wenigstens
sie auf und höre zu. So weit so habe. Frauchen nimmt mir meist eine Maul- aus dem Fenster schauen. Im Zug geht das nicht
gut. Aber wegen dieser Vorträge schlaufe mit. Auch sonst ist sie gut vorbereitet. so einfach. Und für den Schoß bin ich zu groß.
müssen wir oft mit der Bahn fahren. Und Wenn ich Durst habe, schaue ich sie an und sie Darum fahre ich lieber mit dem Auto – stressfrei,
dafür wiederum sehr früh aufstehen. Das mag weiß, dass ich Wasser haben möchte. Für sich mit schön vielen Pausen.
ich gar nicht. Aber der Zug wartet ja nicht, sagt selbst hat sie natürlich Kaffee mit. Sie sagt, im Von unterwegs grüßt euer Clayd
Frauchen. Auch doof: Auf dem Gleis ist es total Zug will sie auf nichts verzichten.
FOTO: NICOLE HOMBURG
laut, überall sind Menschen. So ein Gewusel. Wenn sie mal zur Toilette muss, fragt sie immer
lll Hallo, ich bin Clayd aus Rumänien. Von dort
Wenn der Zug kommt, hilft mein Dosenöffner einen netten Menschen in der Nähe, ob er auf
bin ich zu meinem Frauchen, der DRAUSSENSEITER-Ver-
mir die Stufen hoch, oder sie hebt mich einfach mich aufpasst. Sie hat große Angst, jemand käuferin Kölsche Linda, gezogen. In meiner Kolumne
gleich ganz rein. Drinnen laufen wir durch die könnte mich klauen. Das ist ja schon einmal erzähle ich, was ich so alles in meinem Alltag erlebe.
18BERICHT
Lothars Marsch
Von Honzrath bis Körprich: 21,7 km –
4 Stunden, 20 Minuten Laufzeit
Mittwoch, 16. Mai 2018
Gerade habe ich in Honzrath die Kneipp- So bleibt mir Merzig in guter Erinnerung.
anlage für Füße und Waden genutzt. Heu- Amen. Nach dem Ort geht es schnell in
te Morgen hat es noch viel geregnet. Kurz die Höhe Richtung Merchingen. Ich ver-
vor acht Uhr konnte ich aber aufbrechen. suche heute noch bis Schmelz oder Rich-
Diesmal hatten nachts nur eine Schabe tung Tholey zu kommen. Noch hält das
und drei Schnecken meine Nähe gesucht. Wetter und die Wolken machen das Lau-
Beim Aufstehen musste ich sehr vorsichtig fen angenehm.
sein, um kein Tier zu verletzen. In Merzig Um halb sieben stoppt mich das Wetter
habe ich mir Wasser und ein Brötchen mit dann doch in Körprich. Außerdem habe
Lyoner geholt. Fehlt nur noch ein Kaffee. ich den Weg nach Schmelz verpasst. So
FOTO: CHRISTINA BACHER
Die nächste Bäckerei will 1,90 Euro für hatte ich mich nach Nalbach, an der B269,
die kleine Tasse haben. Das ist mir zu viel. verirrt! Aber die B269 ist sogar noch bes-
Ich frage mich durch, ob ich irgendwo ser, denn sie führt durch Tholey und endet
Kaffee für 1 Euro bekomme. Endlich ent- bei Bernkastel-Kues an der Mosel. Ich
decke ich ein bekanntes Symbol - Tchibo. laufe weiter nach Nohfelden, wo ich die
Leider ist es nur ein Shop ohne Kaffeeaus- B269 wieder erreiche. Es ist kurz vor sie-
schank. ben Uhr. In drei Stunden kommt hier der
Doch die Betreiberin macht mir an einzige und zugleich letzte Bus vorbei. Da
ihrer Vorführmaschine einen Gratiskaffee. kann ich ja gleich hier nächtigen. Am 5. Juli 2016 bricht Lothar zum ersten
Mal auf und läuft von Köln nach Ham-
burg über Schleswig bis nach München
– fast 2.000 Kilometer.
Seit diesem Tag lebt er auf der Straße
und hält sich, wenn er mal nicht unter-
wegs ist, im Kölner Stadtteil Zollstock
auf. Den „Aufbruch“ nutzt der gelernte
Maschinenbau-Ingenieur ganz im
wörtlichen Sinn: „Nicht in Altem ver-
harren, sondern Neues ergründen.“
Seit 2018 ist Lothar beim DRAUSSENSEITER
und auch als Stadtführer der Sozialen
Stadtrundgänge dabei.
Karte
openstreetmap.org
opendatacommons.org
creativecommons.org
19AUS DEN EINRICHTUNGEN
Letzte Runde!
P lattenpolizist Burkhard Jahn dreht seine letz-
ten Runden über die Plätze und Straßen der
Innenstadt. Nach Ostern ist Schluss mit Dienst,
er geht in den Ruhestand. Am Veilchendienstag
hat er sich im Gubbio bei der Obdachlosenseel-
sorge verabschiedet und sich den Segen für die
kommende Zeit geholt.
Band of Plenty – Acoustic-Band mit Spaß an der Freud FOTO: DANIEL STEH
JECKE ENTERN BAD MÜNSTEREIFELS SCHMUCKSTÜCK
Steinsmühle-Thekenmäd-
Burkhard Jahn arbeitete zuletzt 12 Jahre im Bereich
Dom/Hauptbahnhof als Streifenpolizist, Netz- chen sind keine Sünderlein
werkvertreter und Interessenvermittler. In seinem
Ruhestand möchte er sich verstärkt um seine
Familie kümmern, ganz viel lesen und auch mög-
S o ein schmuckes Etablissement hat „Loss mer singe“ wohl selten
gesehen: das Landgasthaus Steinsmühle in Bad Münstereifel
beherbergte erstmalig „Mönster sing met“ und hatte sich beein-
lichst oft seine alten Wirkstätten um den Dom druckend herausgeputzt. Und alle, die gekommen waren, bereuten
herum besuchen. Er will sich z.B. regelmäßig ihr Kommen nicht, sondern genossen das Ambiente und die tolle
Verpflegung durch die fleißigen Thekenmädchen (und -jungen),
davon überzeugen, dass das Püppi-Bild am
denen mit Eldorados Tagessieg mal wieder ein kleines Denkmal
Gulliver gut sichtbar bleibt. Schutzmann Jahn gesetzt wurde. Alle waren mit Herz und Seele und mit Ohr und
blickt mit großer Dankbarkeit und Freude auf die Mund dabei.
Arbeit im Milieu und mit den vielen engagierten Die neuen Lieder wurden begierig aufgenommen und mitgesun-
gen. Miljös „Liebesleed“ – die Hommage an die vielen kölschen
Menschen und Kooperationspartnern zurück. Er
Evergreens, die selber das Zeug zum Evergreen hat – wurde sogar
sagt: „Ich habe hier richtig tolles köl- a capella weitergesungen und regelrecht zelebriert. Am Ende lang-
sches Zusammenstehen erlebt. In te es für Miljö (punktgleich mit Kasallas „Pommes und Champag-
diese Kreise aufgenommen wor- ner“) für Platz 3 ganz knapp hinter Brings „Sünderlein“, zum dem
im großen Saal der Steinsmühle noch genug Platz zum Tanzen
den zu sein, ist eine unschätzbare
FOTOS: PRIVAT
gefunden wurde, und Eldorados „Verlieb Dich nie“ auf Platz 1.
Anerkennung und ein großes In der Auszählpause demonstrierte der Sieger des „Kölsche Musik
Glück. Ich wünsche mir, dass die Bänd Kontest“ 2018, Band of Plenty, dass sie absolut keine Eintags-
Hilfseinrichtungen und Ämter fliege darstellen. Die 6 Jungs zeigten unter dem Kronleuchter, dass
weiterhin vertrauensvoll und mit ihnen auch in Zukunft zu rechnen ist – vor allem mit dem
neuen Song „Wie Kölle klingk (1000 Leeder)“, aber auch z.B. mit
konstruktiv zusammenarbei-
dem aktuellen Hit „Einer jeiht noch“.
ten und den Leitspruch von Band of Plenty traten umsonst und für den guten Zweck auf,
Altkardinal Frings mit Leben denn wie immer bei „Sing met“ wurde für die OASE, die Anlauf-
füllen – (übersetzt): „Für die stelle für Wohnungslose gesammelt. Ganze 615,- € kamen zusam-
men – Danke an alle Spender, an alle Mitsängerinnen und Mitsän-
Menschen bestellt!“ (or)
ger, an Band of Plenty und an Sabine und das ganze Team der
Steinsmühle! (or)
20AUS DEN EINRICHTUNGEN
Loss mer singe-
Sitzung am Kölner
Tanzbrunnen
A uch in diesem Jahr durfte die OASE
gemeinsam mit dem DRAUSSEN-
SEITER-Team wieder bei der Loss mer
singe-Sitzung in den Tanzbrunnen
einziehen – neben all den anderen
Veranstaltern und Kneipen, in denen
in der Session die neuen Lieder einge-
sungen wurden. Und in diesem Jahr
war es eine ganz besonders wunder-
bare Jubiläumssitzung – lustig, melan-
cholisch, stimmungsvoll und u.a. mit
Bläck Föös, Querbeat und Kasalla hoch-
karätig besetzt. (cb)
In der Session 1999/2000 lud Georg Hinz seinen
Freundeskreis in seine Privatküche in Nippes
ein, um mit Hilfe von Textzetteln neue kölsche
Lieder zu singen. Die selben Leute standen im
Jubiläumsjahr wieder auf der Bühne und
schauten in einer musikalischen Hommage
zurück. Herzlichen Glückwunsch zum
20. Geburtstag, Loss mer singe! FOTOS: PRIVAT
21IN EIGENER SACHE
Neue Ausweise für
DRAUSSENSEITER-
Fettes Dankeschön
Verkäufer und ein herzliches
A b März 2020 erhalten unsere Verkäu-
ferInnen neue Betriebsausweise. Auch
Willkommen!
um möglicher missbräuchlicher Verwen-
dung durch Dritte vorzubeugen, bekom-
men die neuen Verkäuferausweise eine
neue Farbe. Nach wie vor sind unsere
N ach mehr als 10 Jahren geht unsere Gra-
fikerin Petra Piskar nun neue Wege, für
die wir ihr von Herzen alles Gute wünschen.
VerkäuferInnen dazu verpflichtet, beim
Straßenzeitungs-Verkauf einen Ausweis Dadurch, dass sie das Layout der Innenseiten
bei sich zu tragen und diesen auf Verlan- des DRAUSSENSEITER immer kontinuierlich und
gen vorzuzeigen. zuverlässig weiterentwickelt hat, hat sie unserem
Die Ausweise stellt Rudolf Fronczek
Straßenmagazin im Laufe der Zeit ein unverwechselbares Gesicht
während der regulären Öffnungszeiten
der OASE aus. Friederike Bender über-
gegeben. Zunächst als selbstständige Grafikerin, hat sie ihr Her-
nimmt gerne auf Anfrage die Beratung für zensprojekt später als angestellte Mitarbeiterin der Agentur de haar
rumänische VerkäuferInnen. (cb) weiterführen können. Neben der (privaten!) Teilnahme an den
INSP-Konferenzen in München und Manchester, hat sie sich auch
Verkäufer-Regeln um die Akquise ehrenamtlicher MitarbeiterInnen verdient gemacht
Der Verkäufer muss seinen
und sich durch die Teilnahme an Zukunftswerkststätten und Round
Ausweis gut sichtbar tragen. Tables für das Projekt stark gemacht. Als Freundin und Unterstütze-
Der Verkauf der Zeitung in den rin wird sie dem DRAUSSENSEITER zum Glück erhalten bleiben.
Fahrzeugen der KVB ist nicht
gestattet.
Seit März 2020 ist nun Edgar Lange als neuer Gra-
Jeder Verkäufer hat sich ord-
fiker im Boot und bereichert unser Magazin
nungsgemäß zu verhalten.
Insbesondere sollte der Ver- durch konstruktive Vorschläge und ein fach-
käufer während des Verkaufs kundiges Layout. Der 56jährige Mediengestal-
nüchtern sein und nicht
betteln.
ter ist seit über 30 Jahren in seinem Design-
büro selbstständig tätig und spezialisiert auf
Verstoß gegen die Regeln kann
zum Verkaufsverbot führen. Kommunikationsprojekte für Print und Online.
FOTOS: PRIVAT
Der Verkäufer bezieht die Zeitung Der begeisterte Musikliebhaber ist übrigens „ganz
für 1,10 € und der Verkaufspreis nebenbei“ oft als DJ bei Events und Partys hinter
beträgt 2,20 €. dem Mischpult anzutreffen und präsen-
Der Verkäufer bekommt ein tiert zudem als Sendungsmacher seine Idee von
Bonusheft pro 10 verkaufte
Hefte. „guter Musik“ in der monatlichen Radio-
Show KILLING TIME beim freien Kölner Inter-
netsender 674FM. Herzlichen willkommen,
Edgar! (cb) www.674.fm/killing-time/
Für die Titelgestaltungen ist seit vielen Jahren
die Grafikerin Deborah Keser zuständig.
22Sie können auch lesen