Dinge der Kindheit - Dinge der Jugend - Tagung 26. und 27. Juli 2019 - Herzlich Willkommen

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Dinge der Kindheit - Dinge der Jugend - Tagung 26. und 27. Juli 2019 - Herzlich Willkommen
FB 1 Bildungswissenschaften
Institut für Pädagogik
Abteilung Pädagogik

        Dinge der Kindheit – Dinge der Jugend
                       Tagung
                 26. und 27. Juli 2019

                        Herzlich Willkommen
                    Ausstellung „Dinge der Kindheit“
                          Eröffnung mit kleinem Empfang
                          am Freitag, 26. Juli um 17:30 Uhr
Dinge der Kindheit - Dinge der Jugend - Tagung 26. und 27. Juli 2019 - Herzlich Willkommen
Dinge der Kindheit - Dinge der Jugend - Tagung 26. und 27. Juli 2019 - Herzlich Willkommen
Inhalt
Dinge der Kindheit – Dinge der Jugend .............................................................. 3
   10:00 – 11:30 Uhr: DINGE – KÖRPER – INTERAKTION: THEORETISCHE
   PERSPEKTIVEN................................................................................................ 5
       Barbara Wolf: Die persönliche Eigenwelt – Wie schreiben
       Heranwachsende Dingen Bedeutung zu? .................................................. 5
       Sebastian Schinkel: Mit der Materialität von Körpern spielen:
       Körpermodifikation im Zusammenspiel mit Konsumgütern - entfällt....... 7
   11:45 – 13:15 Uhr Parallelpanel: MIT DINGEN ÜBERGÄNGE GESTALTEN ..... 9
       Gesine Nebe & Annegret Frindte: „Bald bin ich ein Schulkind und nicht
       mehr klein…“?: Die Schultüte und andere ‚EinschulungsDINGE‘. –
       Überlegungen zur erziehungs-, bildungs- und sozialisationsrelevanten
       sowie symbolischen Bedeutung von Dingen im Übergangsprozess .......... 9
       Carnin, Jennifer: Kindheit und Frühe Bildung in Institutionenverhältnissen

                                                                                                                       Freitag, 26. Juli 2019
       – Die Zuweisungspraxis zu Bildungsangeboten im Modus von Aktivierung
       und Responsibilisierung ........................................................................... 11
   11:45 – 13:15 Uhr Parallelpanel: KINDLICHE SAMMELPRAKTIKEN .............. 13
       Julia Boog-Kaminski: Spulen, Strümpfe, Worte. Über kindliche
       Sammelpraktiken in Literatur und Psychoanalyse................................... 13
       Ludwig Duncker: Kindliches Sammeln zwischen Bildung und Kommerz –
       Beobachtungen und Interpretationen..................................................... 15
   14:00 – 15:30 Uhr Parallelpanel: KINDER-DINGE- INTERAKTION IM KONTEXT
   KINDERTAGESSTÄTTE ................................................................................... 16
       Désirée Bender: Körper-Ding-Praktiken in kindlichen Frei-Spiel-Räumen
       reformpädagogischer Kindertagesstätten. Zur Bedeutung von Dingen,
       Räumen und Organisationskultur in einer Elterninitiative ...................... 16
       Dominik Farrenberg: Eine (Un-) Ordnung der Dinge? Ethnographische
       Einsichten in die Materialitäten kindheitspädagogischer Praxis und ihrer
       RegierungsSpielRäume ............................................................................ 18
   14:00 – 15:30 Uhr Parallelpanel: BRETTSPIELE UND SPIELARTIKEL ............. 20
       Barbara Sterzenbach: Rollenangebote in Brettspielen für Kinder und
       Jugendliche .............................................................................................. 20

                                                                                                                  1
Dinge der Kindheit - Dinge der Jugend - Tagung 26. und 27. Juli 2019 - Herzlich Willkommen
Nicole Hoffmann: ‚Die Feuerwehr hat alle Hände voll zu tun…‘ Über das
                                ‚Leben in der Stadt‘ im Spiegel verschiedener Kinderspielartikel ............ 22
Freitag, 26. Juli 2019

                             15:45 – 17:45 Uhr: BILDERBÜCHER UND KINDERZEICHNUNGEN................. 24
                                Wiebke Hiemesch: Kindergeschichte (nach)zeichnen. Eine exemplarische
                                Artefakten-analyse von Zeichnungen aus dem Projekt ‚Bridging the Gap‘
                                im Israel Museum/Jerusalem ................................................................... 24
                                Petra Götte: „Meine liebsten Dinge müssen mit“ (Sarihi/Völk 2018). Zur
                                Darstellung des kindlichen Umgangs mit Dingen im Kontext von Migration.
                                Eine Bilderbuchanalyse ............................................................................ 26
                             10:00 – 10:45 Uhr Parallelpanel: ALLTAGSDINGE ........................................ 28
                                Yvonne Bulander: Präsenz und Interaktion – Dinge im Alltag von
                                Kleinkindern ............................................................................................. 28
                                Julia Misterek & Ulrike Eschrich: Das Einkaufszentrum als Ort, den
                                (kleinen) Dingen auf die Spur zu kommen ............................................... 31
                             10:00-10:45 Uhr Parallelpanel: JUGEND-DINGE ........................................... 33
Samstag, 27. Juli 2019

                                Tobias Franzheld: „Dinge“ des Übergangs im Jugendalter am Beispiel von
                                Selbstmeldungen zu Schutzmaßnahmen ................................................. 33
                                Alexandra Kranz: Zur Auseinandersetzung mit transnationalen Objekten
                                im Kontext der Identitätskonstruktion Jugendlicher mit und ohne
                                Migrationshintergrund ............................................................................. 35
                             12:00 – 13:30 Uhr: THEATER UND FUßBALL................................................. 38
                                Serafina Morrin: Der imaginative Umgang mit den Dingen – Interaktions-
                                und Kommunikationsmodi im theaterpädagogischen Setting einer
                                Willkommensklasse.................................................................................. 38
                                Thomas Grunau: (Ein) Fußball als Gegenstand generationentheoretischer
                                Erziehungswissenschaft: Überlegungen aus einem situationsanalytischen
                                Projekt über den Kinderfußball ................................................................ 40
                             Gedanken und Dinge, die in Erinnerung bleiben sollen ............................... 42

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Dinge der Kindheit – Dinge der Jugend
Dinge konstituieren die Umwelt von Kindern und Jugendlichen, sie eröffnen o-
der beschränken die Möglichkeiten ihres Handelns. Prozesse des Aufwachsens
sind stets verbunden mit dem Hineinwachsen in eine Ding-Welt, mit der Aneig-
nung materieller Kultur. Dinge fungieren als materialisierte Sozialisations-
partner. Mit dem Gebrauch der Dinge ist gleichzeitig der dingadäquate Ge-
brauch des Körpers verbunden. Im Umgang mit den Dingen wird der Körper bis
in die zur Selbstverständlichkeit gewordenen motorischen, habitualisierten Tie-
fenschichten hinein geformt.
Die materialen wie auch die körperlich-leiblichen Grundlagen sozialer, respek-
tive pädagogischer Praxis sind in den letzten Jahrzehnten zunehmend in den
Fokus der Forschung gerückt. Dies gilt sowohl für die Soziologie und die Erzie-
hungswissenschaft als auch für die Geschichtswissenschaft und die Kulturwis-
senschaften insgesamt und zeigt sich z. B. in verstärkter Aufmerksamkeit für
performative Praxen, für materielle Kultur, in der Wiederentdeckung des Rau-
mes und nicht zuletzt im Aufschwung praxeologischer und praxistheoretischer
Perspektiven – um nur einige Aspekte zu nennen.
In der erziehungswissenschaftlichen Auseinandersetzung haben die Dinge – von
den Lehr-Lernmitteln über Spielzeug und Möbel bis hin zu den Schulräumen und
Klettergärten – einen angestammten Platz inne, sowohl in ‚klassischen‘ Erzie-
hungstheorien als auch in neueren Überlegungen zum Zusammenhang von Din-
gen und Lernen bzw. Dingen und Sozialisation und Bildung.1 Allerdings wird die
Diskussion um die materialen Dimensionen pädagogischer Praxis wie auch um
die materialen Dimensionen des Aufwachsens vor allem in Bezug auf die Le-
bensphase Kindheit geführt. Die Bedeutung von Dingen im Jugendalter ist hin-
gegen bislang vergleichsweise selten thematisiert worden.

1 Vgl. neben zahlreichen anderen: Dörpinghaus, A./Nießeler, A. (Hg.) (2012): Dinge in der Welt
der Bildung. Bildung in der Welt der Dinge. Würzburg; Fooken, I./Depner, A./Pietsch-Lindt, U.
(2016): ‚Betwixt things‘ – Das Ambivalente der Dinge in Übergangskontexten. In: ZSE, 36. Jg., S.
149-163; Neumann, S. (2013): Die anderen Dinge der Pädagogik. In: ZfE, 16. Jg., S. 107-121;
Nohl, A.-M. (2018): Zwischen Spontaneität und Habituierung: Pädagogisch relevante Praktiken
mit Dingen. In: Budde, J./Bittner, M./Bossen, A./Rißler, G. (Hg.): Konturen praxistheoretischer
Erziehungswissen-schaft. Weinheim/Basel, S. 68-85; Priem, K./König, G./Casale, R. (Hg.) (2012):
Die Materialität der Erziehung. Kulturelle und soziale Aspekte pädagogischer Objekte. Zeitschrift
für Pädagogik, 58. Bei-heft. Weinheim/Basel; Stenger, U. (2013): Die Entdeckung der Gegenstände
der frühen Kindheit. In: ZfE, 16. Jg., S. 27-41; Stieve, C. (2013): Differenzen früher Bildung in der
Begegnung mit Dingen. In: ZfE, 16. Jg., S. 91-106.
                                                                                                   3
Die Tagung will nicht nur die Frage erörtern, welche Kinder respektive Jugend-
liche beschäftigen sich mit welchen Dingen und welcher Art sind die materialen
Kulturen, in denen sich Heranwachsende bewegen. Vielmehr soll auch der
Frage nach der Verankerung von Dingen in soziale und kulturelle Praxen von
Kindern und Jugendlichen nachgegangen werden. Von Interesse ist auch, wie
Bedeutungszuschreibungen in Mensch-Ding-Beziehungen von Kindern und Ju-
gendlichen vollzogen werden.

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Freitag, 26. Juli 2019
10:00 – 11:30 Uhr: DINGE – KÖRPER – INTERAKTION: THEORETISCHE
PERSPEKTIVEN
Moderation: Petra Götte

Barbara Wolf: Die persönliche Eigenwelt – Wie schreiben Heranwachsende
Dingen Bedeutung zu?
Kinder nehmen die Welt mit allen Sinnen war (Asplund/Samuelsson 2013) und

                                                                                    DINGE – KÖRPER – INTERAKTION: THEORETISCHE PERSPEKTIVEN
erwerben dadurch kognitive Strukturen der Welt. Doch wie eignen sie sich die
Dinge an und vor allem, worin liegt begründet, warum sie zu der einen Sache
eine höhere Affinität entwickeln als zur anderen? In gewissem Umfang mag es

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Zufall sein, etwa das Geworfensein in einen spezifischen soziokulturellen, histo-
risch gewachsenen Kontext (Heidegger 1927/2006). Auf der anderen Seite je-
doch schreiben Kinder und Jugendliche den Dingen, mit denen sie hantieren,
einen sozialen Sinn zu, den sie mit anderen teilen, zunächst ohne Rücksicht auf
den objektiv zugeschriebenen Sinn durch die Gesellschaft, später diesen Sinn
adaptierend oder modifizierend (Tenbruck 1986). Dies geht sogar so weit, dass
sie Objekten emotionale Qualitäten zuschreiben und diese zu potentiellen Mit-
spielern in der Auseinandersetzung mit der Welt werden (Tenbruck 1972).
Daraus entstehen kulturelle Praxen, welche vor allem leiblich vollzogen werden.
Das affektive Betroffensein von einem Gegenstand wie einer Muschel, einem
Stein, einem Spielzeugauto oder einem Handy löst erst den subjektiven Bezug
aus, die Begeisterung, das Entzücken oder den Ekel an einer Sache. Das Eigene
(Leib) wird mit dem anderen (Ding) im affiziert Sein verbunden (Gugutzer 2017).
Subjektives Betroffensein als wichtigste Erfahrung des Menschen - weil er sich
in ihr erst als Subjekt erlebt - vollzieht sich auf personaler und präpersonaler
(Säuglinge, Demente) Ebene (Gugutzer 2017). Das Kind verleibt sich die Dinge
ein, weil es von etwas in einer „spürbaren Weise so betroffen und heimgesucht
wird“ dass es mehr oder weniger „in dessen Bann gerät“ und sein Befinden und
Verhalten sich danach ausrichtet und verändert (Schmitz 1978). Daraus ent-
steht eine ausgeprägte Wechselbeziehung, die es emotional ergreift und nicht
so leicht wieder loslässt (Wolf 2016). Im transsubjektiven leiblichen Dialog eig-
net sich der junge Mensch* via Einleibung den Gegenstand seines Interesses an
(Schmitz 2003). Er integriert diesen nun in die persönliche Eigenwelt, was phä-
nomenologisch betrachtet einen Bewusstseinszustand darstellt, der durch das
affektive Betroffensein und die subjektive Affinität beleuchtet und durchwärmt

                                                                               5
ist (Schmitz 2007). Dieser zwischenleibliche Vorgang (Merleau-Ponty 1966) zwi-
                                                            schen Objekt und Subjekt beschreibt den Ursprung jeglicher Lernmotivation.
                                                            Erst wenn sich die Jugendliche* später in personaler Emanzipation zu dem Ge-
                                                            genstand verhält, ihn einordnet und strukturiert, wird er in die persönliche
                                                            Fremdwelt entlassen, was etwa als objektivierter Wissensspeicher betrachtet
                                                            werden kann. Lernerfahrungen von Kindern und Jugendlichen mit neuen Ge-
                                                            genständen, etwa einem Messer oder einem Skateboard werden also zunächst
                                                            in die persönliche Eigenwelt übernommen, um sie später, wenn Neugierde und
                                                            Interesse abgeklungen sind und andere Dinge (Tablet) interessanter werden, in
DINGE – KÖRPER – INTERAKTION: THEORETISCHE PERSPEKTIVEN

                                                            die persönliche Fremdwelt zu entlassen (Wolf 2012).
                                                            Die körperlich-leibliche Auseinandersetzung mit den Dingen des eigenen Inte-
                                                            resses, angetrieben durch affektives Betroffensein, bildet somit eine Triebfeder
       Freitag, 26. Juli 2019 – 10:00 – 11:30 Uhr – D 239

                                                            des In-der-Welt-Seins, der ureigenen Antriebe und Ziele (Heidegger
                                                            1927/2006). Der Vortrag möchte den Prozess der Aneignung der Ding-Welt und
                                                            einer materiellen Kultur nicht nur im Kindesalter differenziert beschreiben und
                                                            die Bedeutung von Affektivität und Leiblichkeit in diesem Zusammenhang be-
                                                            leuchten.

                                                            Vorläufige Literaturauswahl
                                                            Asplund, M. C./Samuelsson, I. P. (2013): Spielend lernen – Stärkung Lernmethodischer
                                                            Kompetenzen. Braunschweig: Schubi Verlag.
                                                            Gugutzer, R. (2017): Leib und Situation. Zum Theorie- und Forschungsprogramm der ne-
                                                            ophänomenologischen Soziologie. In: Zeitschrift für Soziologie 46 (3), S. 147–166.
                                                            Heidegger, Martin (2006): Sein und Zeit. Tübingen: Niemeyer.
                                                            Merleau-Ponty, M. (1966): Phänomenologie der Wahrnehmung. Berlin: de Gruyter.
                                                            Schmitz, H. (1978): System der Philosophie, Band 3, Teil 5: Die Wahrnehmung. Bonn:
                                                            Bouvier.
                                                            Schmitz, H. (2007): Der unerschöpfliche Gegenstand. Grundzüge der Philosophie. Bonn:
                                                            Bouvier.
                                                            Tenbruck, F. 1972. Geschichtserfahrung und Religion in der heutigen Gesellschaft. In:
                                                            Spricht Gott in der Geschichte? Weltgespräch bei Herder. Freiburg/Basel/Wien: Herder,
                                                            S. 9-94.
                                                            Tenbruck, F. (1986): Geschichte und Gesellschaft. Berlin.
                                                            Wolf, B. (2016): Kinder lernen leiblich. Praxisbuch über das Phänomen der Weltaneig-
                                                            nung. Freiburg i. Br.: Alber.
                                                            Wolf, B. (2012): Bildung, Erziehung und Sozialisation in der frühen Kindheit, Freiburg
                                                            i.Br.: Alber.

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Sebastian Schinkel: Mit der Materialität von Körpern spielen: Körpermodifi-
kation im Zusammenspiel mit Konsumgütern - entfällt
Konsumgüter haben im Alltagsleben Gewicht – nicht bloß als nützliche Ge-
brauchsgegenstände und Verbrauchsgüter in einem engeren instrumentellen
Sinn, sondern auch als Medien der alltäglichen Bearbeitung von Selbstverhältnis
und Sozialität. Kinder und Jugendliche nehmen die sozialen Konsumverhält-
nisse, in denen sie täglich leben, wahr, und sie nehmen aktiv daran teil; als Kon-
sument*innen bringen sie auch neue Marktphänomene mit hervor. Doch ob-
wohl Kinder im Alltag permanent mit Konsumgütern oder symbolischen Bezug-

                                                                                      DINGE – KÖRPER – INTERAKTION: THEORETISCHE PERSPEKTIVEN
nahmen agieren, sich Kinder über diese Gegenstände vermittelt zu sich selbst
wie auch zu anderen ins Verhältnis setzen, wird der materiellen Kultur der Kin-

                                                                                             Freitag, 26. Juli 2019 – 10:00 – 11:30 Uhr – D 239
der qualitativ-empirisch bisher nur wenig Beachtung geschenkt. Mit einem eth-
nografischen Zugang interessiere ich mich dafür, wie die vielfältige, auch medial
präsente Warenlandschaft in situierten Praktiken relevant (gemacht) wird und
wie Konsumgüter in Prozesse der Sinnkonstruktion und Beziehungsregulation
involviert sind. Solche materiellen Kulturen lassen sich einerseits als lokal situ-
iert und feldspezifisch ausgestaltet, andererseits als materiell und translokal
diskursiv (u.a. massenmedial) präformiert ansehen. Auf der Grundlage von teil-
nehmender Beobachtung und Gruppendiskussionen mit Kindern an einer urba-
nen Grundschule im Ruhrgebiet gehe ich für den Tagungsbeitrag dem Spiel mit
Körpermodifikationen nach. Unter Körper fasse ich sowohl unbelebte Dinge wie
auch die materielle Seite lebendiger Körper bzw. der Körperlichkeit (als Selbst-
verhältnis) und ihre jeweiligen situationsspezifischen Verbindungen. Der Fokus
auf das Spiel mit der Materialität von Körpern umfasst entsprechend sowohl die
verändernde Einwirkung auf Dinge wie auch Modifikationen am lebendigen
Körper und ihr jeweiliges Zusammenwirken. Anhand des empirischen Materials
werden in dieser Perspektive sehr verschiedene Praktiken bzw. Situationen un-
tersucht: eine Faszination für spielerische Experimente, in denen mit Dingen
„etwas gemacht“ wird, das tendenziell außerhalb üblicher Zweckbestimmun-
gen liegt; eine intensive Versunkenheit in einer mehr oder weniger temporären
Umgestaltung des Körpers durch andere Materialitäten; das Spiel mit Zwischen-
stadien zwischen Körperlichkeit und Dinglichkeit, die mehr oder weniger „kör-
pernah“ aufgeführt werden, etwa auch in Hinblick auf Grenzphänomene wie
Körperausscheidungen. Wie ist ein solches Spiel mit der Materialität von Kör-
pern in die Konsumwelt und entsprechende aktuelle Marktphänomene einge-
bunden? Inwiefern werden konkrete Konsumgüter „zweckentfremdet“ oder
haben gerade in dieser Hinsicht ihr programmatisches Reizangebot? Wie wird
in den situationsspezifischen Körperlichkeits-Ding-Verhältnissen soziale Welt

                                                                                 7
interpretierend konstruiert? Inwiefern greifen massenmediale Sinnzusammen-
                                                            hänge von Welt und handgreifliche materielle Konsumangebote dabei ineinan-
                                                            der? Inwiefern wird durch solche Praktiken bzw. Prozesse der Bearbeitung von
                                                            Materialität Verbundenheit oder Separation hergestellt? Ausgehend von diesen
                                                            Fragen werden theoretische Perspektiven entwickelt, etwa in Hinblick auf The-
                                                            orien des Materiellen („Fetisch“ nach Böhme; „Aktanten“ nach Latour ...), die
                                                            auf ihren möglichen Erkenntnisgewinn befragt, aber auch für alternative Lesar-
                                                            ten offengehalten werden sollen.
DINGE – KÖRPER – INTERAKTION: THEORETISCHE PERSPEKTIVEN
       Freitag, 26. Juli 2019 – 10:00 – 11:30 Uhr – D 239

                                                            8
11:45 – 13:15 Uhr Parallelpanel: MIT DINGEN ÜBERGÄNGE GESTALTEN
Moderation: Volker Mehringer

Gesine Nebe & Annegret Frindte: „Bald bin ich ein Schulkind und nicht mehr
klein…“?: Die Schultüte und andere ‚EinschulungsDINGE‘. – Überlegungen zur
erziehungs-, bildungs- und sozialisationsrelevanten sowie symbolischen Be-
deutung von Dingen im Übergangsprozess
Die große bunte, mit Süßigkeiten und Geschenken gefüllte Schultüte spielt in
der Erinnerung an den ersten Schultag für viele Menschen eine herausragende
Rolle. Dieses kuriose und ausschließlich in Deutschland und Österreich be-

                                                                                    MIT DINGEN ÜBERGÄNGE UND ZUWEISUNGEN GESTALTEN
kannte und verwendete Objekt ist aus diesem Grund auch das „Ding der Kind-

                                                                                         Freitag 26. Juli 2019 – 11:45 – 13:15 Uhr – D 238
heit“, welches ins Zentrum des Tagungsbeitrags gerückt wird, und zwar in zwei-
erlei Hinsicht:
Zum einen soll die Schultüte als ein den Übergang (von Kindern in ihr dann schu-
lisch geprägtes Leben) markierendes Objekt in den Blick kommen, das von sei-
nen Besitzer_innen begehrt und ersehnt wird. Letzteres insbesondere aus dem
Grund, dass gerade deren dingliche Materialität den Statuswechsel allererst an-
zeigt. – Die ersehnte Statuspassage vom „noch kleinen Kind“ zum „Schulkind“
kumuliert insofern in diesem „Identitätsobjekt“ (Habermas, 1999), das seitens
der Akteure im Übergangsgeschehen mit Relevanz aufgeladen wird.
Zum anderen sind ‚EinschulungsDINGE‘ wie die Schultüte nicht nur in Bezug auf
den Statuswechsel vom Kindergartenkind/Kleinkind zum Schulkind interessante
Ausgangspunkte für Analysen, sondern können (und sollen im Rahmen des Bei-
trags in Ansätzen) vielmehr im Sinne Bruno Latours auch als das aktuale Gesche-
hen bestimmende Aktanten (vgl. Latour 1996, 2005) betrachtet werden. In der
schieren Materialität der Schultüte, so unsere Annahme, sind Präskripte für
eben jene Praktiken, in die sie einbezogen ist, enthalten. Einigen möglichen Prä-
skripten auf die Spur zu kommen, ist das Ziel unserer Analysen. Von dort aus
können schließlich Fragen auch an das generationale Verhältnis bzw. die Diffe-
renz zwischen Kindheit und Erwachsenheit gestellt werden.
Der Beitrag zielt insbesondere darauf ab, die Relevanz von Dingen am Übergang
zwischen früher Kindheit und Schulkindheit auszuloten und auf die mögliche
Bereicherung durch den Einbezug dieser Analysedimension in die Transitions-
forschung hinzuweisen: Bisher setzt sich die (frühpädagogische) Transitionsfor-
schung zwar intensiv mit einzelnen Akteuren/Akteursgruppen, mit Beziehun-
gen/Beziehungsgefügen und mit Strukturen und Bedingungen des Gelingens o-
der Scheiterns des Schulbeginns von Kindern auseinander. ‚EinschulungsDINGE‘

                                                                               9
oder „SchulanfangsDINGE“ werden bislang jedoch i.d.R. nicht in den Blick ge-
                                                         nommen (vgl. Dockett/Griebel/Perry 2017; Graßhoff et al. 2013; Griebel/Niesel
                                                         2015, 2004, 2002; Manning-Chlechowitz/Oehlmann/Sitter 2011). Insofern ist
                                                         gerade hier die Relevanz von Dingen der Kindheit noch maximal unterbelichtet.
                                                         Den empirischen Ausgangspunkt für die Überlegungen bilden Interviews und
                                                         schriftliche Erinnerungen an den Schulbeginn (zwischen 1938 und 1998). Diese
                                                         wurden im Rahmen eines studentischen Lehr-Forschungsprojektes im Erzie-
                                                         hungswissenschaftlichen Masterstudiengang erhoben und analysiert (Methode
                                                         vgl. Turunen/Dockett/Perry 2015). Das Datenmaterial zeigt die Schultüte als
                                                         ganz besonderes, zentrales ‚EinschulungsDING: Narrative darüber, in welchem
MIT DINGEN ÜBERGÄNGE UND ZUWEISUNGEN GESTALTEN

                                                         Kontext die Schultüte angeschafft – und später den Kindern (z.B. im Rahmen
                                                         der Einschulungszeremonie) übereignet wurde, welche Erwartungen sich mit
     Freitag 26. Juli 2019 – 11:45 – 13:15 Uhr – D 238

                                                         ihr verbanden, welche Vorstellungen, Wünsche und Sehnsüchte diesem ‚Ein-
                                                         schulungsDING‘ anhaft(et)en, wie diese gefüllt und gestaltet war, geben Aus-
                                                         kunft über ihren hohen Stellenwert im Rahmen des Transitionsprozesses.
                                                         Literatur
                                                         Dockett, S./Griebel, W./Perry, B. (2017): Families and Transition to School. Germany:
                                                         Springer-Verlag London Ltd.
                                                         Graßhof, G./Ullrich, H./Binz, C./Pfaff, A./Schmerger, S. (2013): Eltern als Akteure vom
                                                         Übergang vom Kindergarten in die Grundschule. Wiesbaden: Springer.
                                                         Griebel, W./Niesel, R. (2015): Übergänge verstehen und begleiten. Transitionen in der
                                                         Bildungslaufbahn von Kindern. Berlin: Cornelsen.
                                                         Griebel, W./ Niesel, R. (2004): Transitionen. Fähigkeit von Kindern in Kindertageseinrich-
                                                         tungen fördern, Veränderungen erfolgreich zu bewältigen. Weinheim und Basel: Beltz
                                                         Verlag.
                                                         Griebel, W./ Niesel, R. (2002): Abschied vom Kindergarten Start in die Schule. Grundla-
                                                         gen und Praxishilfen für Erzieher/innen, Lehrkräfte und Eltern. München: Don Bosco Ver-
                                                         lag. Habermas, Tilmann (1996): Geliebte Dinge: Symbole und Instrumente der Identitäts-
                                                         bildung. Berlin: de Gruyter.
                                                         Habermas, T. (1999): Geliebt e Objekte. Symbole und Instrumente der Identitätsbildung.
                                                         Suhrkamp.
                                                         Latour, Bruno (2005): Reassembling the Social. An Introduction to actor-network-theory.
                                                         Oxford: Oxford University Press.
                                                         Latour, Bruno (1996): On actor-network theory. A few clarifications., In: Soziale Welt 47,
                                                         4: 369-381.
                                                         Manning-Chlechowitz, Y./Oehlmann, S./Sitter, M. (2011): Frühpädagogische Übergangs-
                                                         forschung: von der Kindertageseinrichtung in die Grundschule. Weinheim: Juventa.
                                                         Turunen, T./Dockett, S./Perry, R.: (2015): Researching memories about starting school:
                                                         autobiographical narratives as a methodological approach. In : European Early Childhood
                                                         Education Research Journal. 23, 5:. 635-644.

                                                         10
Carnin, Jennifer: Kindheit und Frühe Bildung in Institutionenverhältnissen –
Die Zuweisungspraxis zu Bildungsangeboten im Modus von Aktivierung und
Responsibilisierung
Historisch steht die Konstitution der Kindertageseinrichtungen in engem Zu-
sammenhang mit Abgrenzungsmotiven gegenüber der Grundschule. Diese Ab-
grenzung vollzieht sich in unterschiedlichen Phasen, die sich über das Bildungs-
motiv der Kindertagestätte rekonstruieren lassen 2. Dabei ist interessant zu be-
obachten, dass jeweils in Zeiten, in der Bildung gesamtgesellschaftlich im Mo-
dus einer Krisensemantik thematisiert wird, das Verhältnis von Kindertagestätte
und Grundschule aktualisiert wird. Aktuell – nach PISA – steht die Frühpädago-

                                                                                                       MIT DINGEN ÜBERGÄNGE UND ZUWEISUNGEN GESTALTEN
gik wieder im Fokus der Bildungsdebatte. Unter den Topoi der ‚frühen Förde-
rung’ und ‚Anschlussfähigkeit’ wird der eigenständige Bildungsauftrag der früh-

                                                                                                            Freitag 26. Juli 2019 – 11:45 – 13:15 Uhr – D 238
pädagogischen Einrichtungen erneut diskutiert. Mit einer normativen Orientie-
rung an Chancengleichheit, wird die Frühpädagogik als kompensatorisch-schul-
vorbereitend adressiert, dies zeigt sich nicht zuletzt in den Bildungsplänen der
Länder und mündet auch in Defizitkonstruktionen von Risikofamilien 3.
Im Vortrag werden Erkenntnisse des ethnografischen Protomotionsprojektes
„Choreografien des Übergangs. Adressat*innenpositionen in institutionellen
Grenzzonen der (frühen) Kindheit“4 präsentiert. Thematisch wird ausgehend
von der materialen Verfasstheit der Zuweisungspraxis zu Bildungsangeboten im
Morgenkreis einer Kindertageseinrichtung diskutiert, entlang welcher normati-
ver Orientierungen sich die Zuweisungspraxis entfaltet und inwiefern der Eigen-
sinn dieser pädagogischen Praxis diese durchkreuzt. Der Vortrag soll anhand
von Beobachtungsprotokollen die Verflechtung von Entwürfen von Kindheit mit
der Verhandlung eines institutionenbezogenen Bildungsbegriffs re-konstruie-
ren und damit Addressat*innenpositionen zugänglich machen.
Die drei zentralen Erkenntnisse der Analyse betreffen: (1) erstens die materiale
Verfasstheit der Angebotskarten, als pädagogisierte Dinge für Kinder; (2) zwei-
tens orientiert sich die teleo-affektive Struktur der Zuweisungspraxis an einem

2 Jürgen Reyer (2006). Einführung in die Geschichte des Kindergartens und der Grundschule. Bad
Heilbrunn: Klinkhardt.
3 Diehm, I. (2012). (Frühe)Förderung - Eine schillernde Semantik der Pädagogik. In C. Aubry, M.
Geiss, V. Magyar-Haas, & D. Miller (Hrsg.), Positionierungen. Zum Verhältnis von Wissenschaft, Pä-
dagogik und Politik (S. 50-65). Weinheim Basel: Beltz Juventa.
4 Betreut von Prof. Dr. Claudia Machold und Prof. Dr. Helga Kelle an der Universität Bielefeld, ver-

ortet im DFG geförderten Projekt „Ethnische Heterogenität und die Genese von Ungleichheit in Bil-
dungseinrichtungen der (frühen) Kindheit“ (Leitung: Prof. Dr. Claudia Machold).

                                                                                                 11
Bildungsbegriff, der das Kind neoliberal als als aktiviertes Akteurskind 5 entwirft.
                                                         Mit einer normativen Orientierung an der freien Wahl, wird das Kind im Mor-
                                                         genkreis für Bildung responsibilisiert; (3) drittens wirft diese Art der Zuwei-
                                                         sungspraxis Fragen nach Partizipation und Ungleichheit auf. Die Zuweisungspra-
                                                         xis ist einerseits eine Intensitätszone der Konkurrenz, andererseits sind spezifi-
                                                         sche Kinder von der Auswahl ausgenommen, weil sie Förderangebote besu-
                                                         chen.
MIT DINGEN ÜBERGÄNGE UND ZUWEISUNGEN GESTALTEN
     Freitag 26. Juli 2019 – 11:45 – 13:15 Uhr – D 238

                                                         5 Schulz, M. (2013a). Frühpädagogische Konstituierung von kindlichen Bildungs- und Lernprozessen.
                                                         Zeitschrift für Erziehung und Sozialisation 33 (1), 26–41.

                                                         12
11:45 – 13:15 Uhr Parallelpanel: KINDLICHE SAMMELPRAKTIKEN
Moderation: Thorsten Fuchs

Julia Boog-Kaminski: Spulen, Strümpfe, Worte. Über kindliche Sammelprakti-
ken in Literatur und Psychoanalyse
Die Beziehung des Kindes zu den Dingen dieser Welt ist rätselhaft, besonders,
wenn man sich kindliche Sammlungen anschaut: Da tragen die Kleinen zusam-
men, was die Großen für Müll halten. Sie kombinieren Bauklötze mit Kastanien,
Schlumpf-Figuren mit Haifischzähnen. Immer wieder bringen sie ihre Fundstü-
cke in neue, überraschende Zusammenhänge; messen den gleichen Dingen un-
terschiedliche Sortierungskriterien und Bedeutungen bei, geben den Objekten

                                                                                   Freitag, 26. Juli 2019 – 11:45 – 13:15 Uhr – D 239
ganz eigene Namen und Bezeichnungen.
Wurde in früheren Jahrhunderten noch vor der „Sammelwut“ und damit ein-
hergehendem „Besitztrieb“ der Kinder gewarnt, gibt es in Psychologie und Pä-

                                                                                             KINDLICHE SAMMELPRAKTIKEN
dagogik heutzutage verschiedene Ansätze, die das Kind erst durch diese Tätig-
keit zum (autonomen) Subjekt heranreifen sehen. Sammeln wird als „kultu-
relle“ und vor allem „äesthetische Praxis“ verstanden, mit der Erkenntnis, Kon-
zentrationsfähigkeit und Bildung einhergehe.
Die ausgeprägte Individualität und oftmals Willkürlichkeit kindlichen Sammelns
scheint allerdings nicht allein zur (nützlichen) Wissensgenese zu dienen. Im Ge-
genteil führen die Phantasien und Spiele, die mit den Sammlungsstücken voll-
zogen werden, oft zur Auflösung und Chaotisierung von Ordnungen. Statt prak-
tischer Handhabung kommt es zum Verwischen zwischen Ding und Selbst, Rea-
lität und Phantasie.
Der Vortrag möchte diesen Faden aufnehmen und die Funktionen infantilen
Sammelns in Zusammenhang mit dem „Fort-Da-Spiel“ bei Sigmund Freud sowie
den „Übergangsobjekten“ bei Donald W. Winnicott untersuchen. Hier werden
vor allem Formen des Wieder(her)holens, der Versunkenheit und kreativ-ag-
gressiver Weltaneignung zentral, die weg von einer didaktischen Orientierung,
hin zu poetischen Modellen führen.
Walter Benjamins Berliner Kindheit um neunzehnhundert zeigt ein gänzlich
zweckfreies, sogar „vergebliches“ Sammeln, das die Magie dieser anthropologi-
schen Konstante heraushebt. Eben diese könnte eine wertvolle Ergänzung zu
den Erziehungs- und Bildungskonzepten der Tagung sein. Der Vortrag soll ein
Spiel mit Hülle und Inhalt, Spule und Faden, Ding und Ich herausarbeiten, das

                                                                             13
den Prozess der Weltaneignung als „magische Korrespondenz“ des Kindes mit
                                                     seiner Objektwelt hinterfragt.
Freitag, 26. Juli 2019 – 11:45 – 13:15 Uhr – D 239
          KINDLICHE SAMMELPRAKTIKEN

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Ludwig Duncker: Kindliches Sammeln zwischen Bildung und Kommerz – Be-
obachtungen und Interpretationen
Das Pflegen von Sammlungen spielt in der Kindheit eine bedeutsame Rolle,
wenn es darum geht, sich die gegenständlich fassbare Wirklichkeit anzueignen.
Es ist zunächst immer der ästhetische Reiz, der von den Dingen ausgeht und
Kinder dazu animiert, Sammlungen anzulegen und sich mit Hingabe den ausge-
wählten Gegenständen in ihren vielfältigen Erscheinungsformen zu widmen.
Dabei werden auch Erkenntnisse gewonnen, so dass sich oft ein Expertenwissen
ausbildet. Wo Sammlungen längerfristig gepflegt werden und sich in ihren Be-
ständen und Beschäftigungen ein Interesse ausbildet, nehmen sie einen beson-
deren Stellenwert im psychischen Haushalt der eigenen Identität ein. Mit Stolz

                                                                                      Freitag, 26. Juli 2019 – 11:45 – 13:15 Uhr – D 239
werden Sammlungen präsentiert, sie werden in Tauschgeschäften erweitert
und in Qualität der Bestände verbessert, sie werden eingebunden in spieleri-
sche Handlungen und bilden so den Kern zahlreicher Lieblingsbeschäftigungen.

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Allerdings geraten sie manchmal auch unter Vereinnahmungen von außen,
wenn reine Nachahmungen das Sammeln diktieren oder wenn Kinder zu Opfern
von Werbefeldzügen werden. Verschiedene Studien zeigen, dass Sammelaktivi-
täten zunehmend durch Formen der Konsumorientierung geprägt und beein-
flusst werden. Dennoch gibt es immer wieder Sammlungen, die kommerziell
nicht gesteuert sind, weil sie sich auf Dinge konzentrieren, die käuflich gar nicht
erwerbbar sind.
Der Vortrag stellt Ergebnisse aus verschiedenen empirischen Studien zum Sam-
melverhalten von Kindern im Grundschulalter vor und beleuchtet dabei die Be-
deutung kommerzieller Einflüsse. Auch wird aus einer Langzeitstudie berichtet,
die Kinder über einen Zeitraum von drei Jahren begleitet hat und so Einblicke in
Selbstbildungsprozesse, in soziale und kommunikative Einbindungen wie auch
in die thematischen Variationen des kindlichen Sammelns ermöglicht.

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14:00 – 15:30 Uhr Parallelpanel: KINDER-DINGE-INTERAKTION IM KON-
                                                           TEXT KINDERTAGESSTÄTTE
                                                           Moderation: Thomas Grunau

                                                           Désirée Bender: Körper-Ding-Praktiken in kindlichen Frei-Spiel-Räumen re-
                                                           formpädagogischer Kindertagesstätten. Zur Bedeutung von Dingen, Räumen
                                                           und Organisationskultur in einer Elterninitiative
                                                           Aktuelle soziologische Beschreibungsformate von Kindheit konstatieren u.a.
                                                           eine „Verschulung“ dieser (Peuckert 2008, S. 147), die sich auch dadurch aus-
KINDER-DINGE-INTERAKTION IM KONTEXT KINDERTAGESSTÄTTE

                                                           zeichnet, dass Kinder zunehmend in Bildungs- und Betreuungsorganisationen
                                                           ihre Zeit verbringen. Der Ausbau des U3-Bereichs in Kindertagesstätten und des
      Freitag, 26. Juli 2019 – 14:00 – 15:30 Uhr – D 238

                                                           Ganztagsschulbereichs hat zur Folge, dass die in die Organisationsstrukturen
                                                           eingeschriebenen Bildungsziele und Methoden ihrer Verfolgung, zunehmend
                                                           Erfahrungsräume von Kindern vorstrukturieren, bedingen und begrenzen. Dies
                                                           geschieht zunehmend früher im Lebensverlauf von Kindern und dehnt sich ten-
                                                           denziell auch auf die Zeit nach der Schule aus. Nicht nur die konkreten Praktiken
                                                           des Umgangs von Erzieher*innen und Lehrer*innen mit Kindern, auch materi-
                                                           elle Objekte, Artefakte und Räume bedingen Möglichkeiten ihrer Erfahrungs-
                                                           räume und tragen damit auch Anteil an spezifischen Kindheitskonstruktionen.
                                                           Die Bedeutung von Körpern, Objekten und anderen Materialitäten wurde in
                                                           Praxistheorien dezidiert als bedeutsam für die Prozessierung kultureller Prakti-
                                                           ken herausgestellt. Diese erscheinen als kollektive Wissensordnungen, als „Kon-
                                                           glomerat von Alltagstechniken“ und als „praktisches Verstehen im Sinne eines
                                                           ‚sich auf etwas verstehen‘“ (Reckwitz 2003, S. 289). Einerseits sind es die Körper
                                                           der handelnden Subjekte, in denen praktisches Verstehen und Wissen verortet
                                                           wird, andererseits wird es als „die Form von routinisierten Beziehungen zwi-
                                                           schen Subjekten und von ihnen ‚verwendeten‘ materialen Artefakten verstan-
                                                           den“. Sich der Untersuchung materieller Objekte für soziale Praktiken zuzuwen-
                                                           den, legt es nahe, die zu beobachtenden Praktiken ethnografisch in den Blick zu
                                                           nehmen (Breidenstein et. al 2013).
                                                           Der Vortrag schließt an die ethnografische Kindheitsforschung an, welche „die
                                                           „Sicht“ der Kinder durch die Rekonstruktion ihres praktischen Wissens und ihrer
                                                           Interaktionskompetenz als Mitglieder einer eigenständigen Kinderkultur“ be-
                                                           greift (Schweizer 2007, S. 253). Mit einem derart gestalteten Interesse an kind-
                                                           lichen Raum- und Spielpraktiken und ihren Objekten, welche sich jenseits von
                                                           Eingriffen, Regulierungen oder der Mitgestaltung durch (pädagogisch han-
                                                           delnde) Erwachsene entwickeln, fokussiert mein Vortrag Spielpraktiken von

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Kindern und die Bedeutungen ihrer materiellen Objekte, welche – je situativ
prozessiert – sicht- und beobachtbar werden. Der vorgestellten Analyse von
teilnehmenden Beobachtungen zugrunde liegt meine ethnografische Untersu-
chung in einer Betreuungsorganisation im Rhein-Main-Gebiet für Kinder, die
dort altersübergreifend von 1,5 bis zu einem selbst gewählten Austrittsalter wo-
chentags zwischen 8 und 17 Uhr gruppenübergreifend ihren Alltag verbringen
können. Konzeptionell, räumlich und organisationskulturell ist die Kindertages-
stätte mit Hort im Kontext reformpädagogischer Ansätze verortet und unter-
scheidet sich vielfach von Regeleinrichtungen.

                                                                                               KINDER-DINGE-INTERAKTION IM KONTEXT KINDERTAGESSTÄTTE
Der Vortrag stellt einerseits konzeptionelle, räumliche und organisationskultu-
relle Charakteristika der Organisation dar und legt andererseits seinen Fokus

                                                                                                     Freitag, 26. Juli 2019 – 14:00 – 15:30 Uhr – D 238
auf die Darstellung und Analyse ethnografischer Daten, die während meines
Feldaufenthaltes dort entstanden. Dabei liegt der Fokus gerade auf den Frei-
spielpraktiken und ihren Objekten in verschiedenen Situationen, in welchen die
Kinder selbstbestimmt Räume, Spielpraktiken und auch die Auswahl der Ob-
jekte wählten und praktisch für sich mit Bedeutung versahen. Die konkret situ-
ativ für die Kinder sich entfaltenden Bedeutungsdimensionen der Gegenstände
für das Spiel stehen dabei im Fokus. Abschließend wird die Bedeutung dieser
Frei-Spiel-Räume (bei gezielt kultivierter Zurückhaltung Erwachsener) im Hin-
blick auf Lernpotenziale erörtert und eruiert, zu welchen Akteuren die Körper-
Ding-Praktiken die Kinder im Kinderspiel praktisch auftreten lassen.

Literatur
Breidenstein, G./Hirschauer, S./Kalthoff, H./Nieswand, B. 2013: Ethnografie: Die Praxis
der Feldforschung, Konstanz/München.
Peuckert, R. 2008: Familienformen im sozialen Wandel, Wiesbaden.
Reckwitz, A. 2003: Grundelemente einer Theorie sozialer Praktiken: Eine sozialtheoreti-
sche Perspektive, in: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 32, H. 4, S. 282- 301, http://www.zfs-
online.org/ojs/index.php/zfs/article/viewFile/1137/674 [05.04.2019].
Schweizer, H. 2007: Soziologie der Kindheit. Verletzlicher Eigen-Sinn, Wiesbaden.

                                                                                         17
Dominik Farrenberg: Eine (Un-) Ordnung der Dinge? Ethnographische Einsich-
                                                           ten in die Materialitäten kindheitspädagogischer Praxis und ihrer Regierungs-
                                                           SpielRäume
                                                           Dinge, in erster Linie Spielzeuge, nehmen in der Institution Kindertageseinrich-
                                                           tung eine bedeutsame aber auch gleichzeitig ambivalente Rolle ein: Einerseits
                                                           regen sie das Kindergarten-Kind durch ihren ‚Aufforderungscharakter‘ zum
                                                           Spielen und Lernen an (vgl. exemplarisch Schäfer 2010, S. 77). Andererseits wir-
                                                           ken sie ebenso durchaus machtvoll normierend und mitunter disziplinierend als
                                                           ihr „Miterzieher“ (Stieve 2008, S. 42). Im Anschluss an Michel Foucault lassen
KINDER-DINGE-INTERAKTION IM KONTEXT KINDERTAGESSTÄTTE

                                                           sie sich damit gleich in mehrfacher Hinsicht als Ordnung stiftende Materialität
                                                           begreifen, welche über die Art und Weise ihrer jeweiligen „Zuhandenheit“ (Hei-
      Freitag, 26. Juli 2019 – 14:00 – 15:30 Uhr – D 238

                                                           degger 1926/1977, S. 69) sowohl epistemisch - im Verständnis einer „Ordnung
                                                           der Dinge“ (Foucault 1971/2008) - Sinn, Zweck und Bedeutung definieren bzw.
                                                           instrumentieren, als auch damit verbunden zu einer subjektivierenden bzw. ob-
                                                           jektivierenden Regierung der sie in Gebrauch nehmenden Akteur_innen beitra-
                                                           gen. Ihre Materialität geht zusammen mit performativen Momenten ihrer Ge-
                                                           brauchnahme, sie erzeugt affektuelle Gestimmtheiten (vgl. Reckwitz 2016, S.
                                                           169 ff.) und (re-)produziert diskursive Konstruktionen und Ordnungen. Im Ver-
                                                           ständnis dieses Beitrags ist es das Zusammenspiel dieser vier Dimensionen, wel-
                                                           ches die lokale, pädagogische Praxis und ihre Subjekte erzeugt, d. h. Kindheit
                                                           und ihre Pädagogik gemeinsam hervorbringt.
                                                           Der hier skizzierte Beitrag reflektiert ausgewählte Szenen aus einer ethnogra-
                                                           phischen Forschung in Kindertageseinrichtungen, welche mit einer praxeolo-
                                                           gisch und regierungstheoretisch informierten Perspektive die Subjektivie-
                                                           rung/Objektivierung und gleichzeitige Selbstproduktion des Kindergarten-Kin-
                                                           des thematisiert (vgl. Farrenberg 2018). Ausgewählt werden dabei Szenen, wel-
                                                           che nicht nur die Stabilität der geordneten pädagogischen Praxis illustrieren,
                                                           sondern vielmehr in den Blick nehmen, wie Ordnung und Unordnung ineinander
                                                           übergehen: Zum einen animieren die Dinge ebenso zu einem normgeleiteten
                                                           Gebrauch, wie sie eine normüberschreitende Gebrauchsweise ‚erdulden‘ bzw.
                                                           ermöglichen. Zum anderen laufen in der ethnographierten Praxis - über den Ge-
                                                           brauch der Dinge evoziert - fortwährend verschiedene Zugehörigkeiten und
                                                           Ordnungen ineinander über. Insbesondere nehmen die pädagogisch-institutio-
                                                           nelle Ordnung der Kindertageseinrichtung, die kinderkulturelle Ordnung der
                                                           dort aufeinandertreffenden Kinder und die gesellschaftlich-konsensuale Eigen-
                                                           tumsordnung Dinge und die sie gebrauchenden Akteur_innen changierend für
                                                           sich ein. Gleichzeitig eröffnen sich eben hierüber RegierungsSpielRäume. Dinge

                                                           18
werden als Status- und Begehrensobjekte hervorgebracht, deren Inbesitz-
nahme soziale Anerkennung, Individualität und Identität versprechen (vgl.
Reckwitz 2010, S. 399 ff.). Die geltenden Normen der lokalen, pädagogischen
Praxis werden durch sie dabei sowohl gestützt und gestärkt als auch korrum-
piert und herausgefordert. Dies gilt insbesondere für Dinge, die durch die Kinder
von außen in die pädagogische Institution Kindertageseinrichtung eingeschleust
werden und als ‚institutionelle Übergangsobjekte‘ (vgl. Winnicott 1973/2015, S.
11) nun zwischen den durch sie diskursiv aufgerufenen Ordnungen vermitteln.
Der Beitrag nimmt die Materialitäten kindheitspädagogischer Praxis in der hier

                                                                                               KINDER-DINGE-INTERAKTION IM KONTEXT KINDERTAGESSTÄTTE
beschriebenen Ambivalenz in den Blick und diskutiert Schlussfolgerungen, die
sich hieraus für Kindheit und ihre Pädagogik in Form von RegierungsSpielRäu-

                                                                                                     Freitag, 26. Juli 2019 – 14:00 – 15:30 Uhr – D 238
men ergeben.

Literaturverzeichnis
Farrenberg, D. (2018): RegierungsSpielRäume. Eine Ethnographie über Praktiken der
Herstellung des Kindergartenkindes. Dissertationsschrift. Online im Internet:
https://voado.uni-vechta.de/handle/21.11106/120 [Aufgerufen am 28.02.2018].
Foucault, M. (1971/2008): Die Ordnung der Dinge. In: Foucault, M./Honneth, A./Saar, M.
(Hrsg.): Die Hauptwerke. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 7-469.
Heidegger, M. (1926/1977): Sein und Zeit. I. Abteilung: Veröffentlichte Schriften 1914-
1970. Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann.
Reckwitz, A. (2010): Das hybride Subjekt. Eine Theorie der Subjektkulturen von der bür-
gerlichen Moderne zur Postmoderne. unveränd. Nachdruck der Erstausgabe 2006, Stu-
dienausgabe. Weilerswist: Velbrück.
Reckwitz, A. (2016): Praktiken und ihre Affekte. In: Schäfer, Hilmar (Hrsg.): Praxistheorie.
Ein soziologisches Forschungsprogramm. Bielefeld: Transcript, S. 163–180.
Schäfer, C. (2010): Die Montessori-Methode und Didaktik im Kinderhaus. In: Kasüschke,
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Stieve, C. (2008): Von den Dingen lernen. Die Gegenstände unserer Kindheit. München:
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Winnicott, D. W. (1973/2015): Vom Spiel zur Kreativität. 14. Auflage. Stuttgart: Klett-
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                                                                                         19
14:00 – 15:30 Uhr Parallelpanel: BRETTSPIELE UND SPIELARTIKEL
                                                     Moderation: Tamara Diederichs

                                                     Barbara Sterzenbach: Rollenangebote in Brettspielen für Kinder und Jugendli-
                                                     che
                                                     In jedem Jahr werden unzählige Gesellschaftsspiele entwickelt und veröffent-
                                                     licht. Ein Großteil dieser Spiele ist für Familien mit Kindern und Jugendlichen
                                                     konzipiert und versetzen diese in verschiedene Rollen, Situationen und fanta-
                                                     sievolle (Spiel)Welten. Spielerisch werden dabei verschiedene Kompetenzen
                                                     und Zusammenhänge der Welt vermittelt sowie Strategien, Rollen und selbst-
                                                     verständlich das eigene Glück ausgetestet. Dabei schlüpfen die Spielenden in
Freitag, 26. Juli 2019 – 14:00 – 15:30 Uhr – D 239

                                                     verschiedene Rollen: Sie erkunden als mutige Abenteurer*innen Kontinente,
                                                     wehren sich als Wissenschaftler*innen gegen gefährliche Epidemien oder füh-
                                                     ren als Herrscher*innen mächtige Zivilisationen an. Die Spielfiguren, die ihnen
         BRETTSPIELE UND SPIELARTIKEL

                                                     dabei angeboten werden, reichen von abstrakten Klötzchen bis hin zu detaillier-
                                                     ten Aufstellern, welche Held*innen verkörpern. Manches Brettspiel bietet ne-
                                                     ben der Rollenübernahme also auch dingliche Identifizierungsangebote, die sich
                                                     oft an Idealvorstellungen orientieren und so „Ausdruck aktueller, gesellschaftli-
                                                     cher Verhältnisse und Kultur“ (Renner 2008, S. 190) sein können. Retter (1979)
                                                     weist auf die in Spielmitteln gespiegelten Normen der Gesellschaft zu Ge-
                                                     schlechterrollen hin, da „alle Spielmittel mit geschlechtstypischer Abbildungs-
                                                     funktion die Ausbildung des Rollenstereotyps unterstützen“ (ebd., S. 231), in-
                                                     dem Spielende einerseits „typisierende Eigenschaften“ (ebd.) der Geschlechter
                                                     unterscheiden lernen, andererseits diese Eigenschaften zur eigenen geschlecht-
                                                     lichen Identifikation heranziehen (vgl. ebd.). Normalitätsvorstellungen zu Ge-
                                                     sundheit, Alter oder Ethnizität werden, so die Annahme, ebenfalls in den
                                                     Held*innenfiguren re-produziert.
                                                     In der vorliegenden Forschung wurden 100 der beliebtesten Spiele auf verschie-
                                                     dene Rollenangebote untersucht. Der Feldzugang geschah über die Website
                                                     Boardgamegeek (BGG), ein internationaler Spielekatalog mit umfangreichen In-
                                                     formationen zu Brettspielen. Die Darstellungen und Figuren von Spielen, die
                                                     den Spielenden ausdifferenzierte Rollenangebote machen, wurden auf körper-
                                                     liche Differenzlinien (vgl. Lutz/Wenning 2001) untersucht.
                                                     Da es in diesem Feld kaum Untersuchungen oder Modelle gibt, wurde hier eine
                                                     explorative Grundlagenarbeit geleistet, die neue Perspektiven auf den Gegen-
                                                     stand Gesellschaftsspiel eröffnet und eine wissenschaftliche Auseinanderset-
                                                     zung anregen will.

                                                     20
Literatur
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In: Lutz, H. / Wenning, N. (Hrsg.): Unterschiedlich verschieden. Differenz in der Erzie-
hungswissenschaft. Opladen: Leske + Budrich, S. 11-24.
Renner, M. (2008): Spieltheorie und Spielpraxis. Eine Einführung für pädagogische Be-
rufe. 3., neu bearbeitete Auflage, Freiburg: Lambertus.
Retter, H. (1979): Spielzeug. Handbuch zur Geschichte und Pädagogik der Spielmittel.
Weinheim und Basel: Beltz.

                                                                                           Freitag, 26. Juli 2019 – 14:00 – 15:30 Uhr – D 239
                                                                                                    BRETTSPIELE UND SPIELARTIKEL

                                                                                     21
Nicole Hoffmann: ‚Die Feuerwehr hat alle Hände voll zu tun…‘ Über das ‚Leben
                                                     in der Stadt‘ im Spiegel verschiedener Kinderspielartikel
                                                     „In LEGO® City ist ein neuer Tag angebrochen und die Feuerwehr hat alle Hände
                                                     voll zu tun, die Brände in der Stadt zu löschen und Mensch und Tier in LEGO ®
                                                     City zu helfen! Doch eine solch heldenhafte Arbeit macht auch gewaltigen Ap-
                                                     petit – und Lust auf Hotdogs!“ „Bauen, spielen und erkunden – mit den LEGO®
                                                     City Spielsets. Erbaue realistische Gebäude, such dir Arbeit, hab Spaß und erlebe
                                                     zahlreiche aufregende Abenteuer. Wie in einer echten Stadt!“ 6
                                                     Folgen wir solchen Formulierungen, wie sie etwa auf der Homepage der Firma
                                                     LEGO zu lesen sind, dann scheint das Leben in einer Stadt vor allem ereignisreich
                                                     und spannend zu sein. Pendler*innen im Berufsverkehr, Wohnungssuchende
Freitag, 26. Juli 2019 – 14:00 – 15:30 Uhr – D 239

                                                     bei der x-ten Absage oder Anwohner*innen beim Einkauf im Supermarkt mögen
                                                     dies anders sehen, doch in den Welten des Spiels kann und darf der Alltag von
                                                     anderen Regeln geprägt sein. Welche Vorstellungen vom Leben in einer Stadt
         BRETTSPIELE UND SPIELARTIKEL

                                                     begegnen uns dabei konkret auf dem Spielwaren-Markt? Was wird uns bzw.
                                                     unseren Kindern dort ‚vermittelt‘? Welche Geschichten werden erzählt; was fin-
                                                     det keinen Widerhall?
                                                     Fragen wie diese waren Ausgangspunkt einer dokumentenanalytischen Studie,
                                                     die in explorativer Absicht das Angebot von jenen Spielprodukten sondiert, wel-
                                                     che das Thema ‚Stadt‘ explizit aufgreifen. Aus einer Analyse dreier Warengrup-
                                                     pen (a. Spielteppiche, b. Baustein-Sets und c. Konzept-Reihen, wie „LEGO City“)
                                                     werden dazu Befunde vorgestellt und im Sinne der dort repräsentierten ‚Spiel-
                                                     Räume des Urbanen‘ diskutiert.
                                                     Zwar ist nicht davon auszugehen, dass die mit den Spielprodukten nahegelegten
                                                     Repräsentationen ‚städtischen Lebens‘ 1:1 Eingang in die Vorstellungswelten
                                                     der Kinder finden, doch werden sie auch nicht gänzlich spurlos an ihnen vo-
                                                     rübergehen. Den Spielenden kommt dabei durchaus eine aktive Rolle in der Ge-
                                                     staltung der Aneignung zu; doch auch „wenn die Kinder die RegisseurInnen sind:
                                                     Wir haben es mit einem Akteursnetz aus Kindern, Dingen und Erwachsenen zu
                                                     tun“ (Buchner-Fuhs, 2014, S. 1507) – und dieses Netz reicht weit hinaus über
                                                     das Kinderzimmer, hinein in internationale Warenmärkte und Medienwelten.
                                                     So werden Erwachsene wie Kinder hier mit spezifischen Setzungen konfrontiert,

                                                     6
                                                      https://www.lego.com/de-de/themes/city/products Zugriff am 10.03.2018
                                                     7Buchner-Fuhs, Jutta (2014): Das Kinderzimmer und die Dinge. Von Normalitätsentwürfen und he-
                                                     terotopen Orten in der Kinderkultur. In: Christina Schachtner (Hrsg.): Kinder und Dinge: Dingwelten
                                                     zwischen Kinderzimmer und FabLabs. Bielefeld: transcript, S. 149-173.

                                                     22
was eine ‚Stadt‘ ausmacht. Zwar wird in den Werbetexten immer wieder auf
den ‚Raum für Phantasie‘ verwiesen, der den Spielwaren innewohne, doch ist
dies ein Raum eines sehr bestimmten z.T. dramatisierten, z.T. romantisierten,
z.T. rückständigen Zuschnitts.

                                                                                Freitag, 26. Juli 2019 – 14:00 – 15:30 Uhr – D 239
                                                                                         BRETTSPIELE UND SPIELARTIKEL

                                                                          23
15:45 – 17:45 Uhr: BILDERBÜCHER UND KINDERZEICHNUNGEN
                                                     Moderation: Wiebke Waburg

                                                     Wiebke Hiemesch: Kindergeschichte (nach)zeichnen. Eine exemplarische Ar-
                                                     tefakten-analyse von Zeichnungen aus dem Projekt ‚Bridging the Gap‘ im Is-
                                                     rael Museum/Jerusalem
                                                     Junge Menschen haben zu jeder Zeit und an jedem Ort materielle Spuren –
                                                     Dinge – hinterlassen. Diese entstanden beiläufig, mit einer klaren Absicht oder
                                                     unter Aufforderung, mitunter um etwas Überdauerndes zu hinterlassen. Ob
                                                     diesen Dingen aber auch eine Aufmerksamkeit zukommt oder zukam, ob sie er-
                                                     halten oder gar als Quellen zur Erforschung kindlichen Lebens wertgeschätzt
Freitag, 26. Juli 2019 – 15:45 – 17:15 Uhr – D 239

                                                     wurden, ist eine andere Frage. Dies ist und war weder zu jeder Zeit noch für
   BILDERBÜCHER UND KINDERZEICHNUNGEN

                                                     jede Kindergruppe der Fall.8
                                                     Dingen als eigenständige Quellen kam in der historischen Forschung zu Kindern
                                                     und Kindheit auch deshalb nur bedingt Aufmerksamkeit zu, weil sich durch sie
                                                     besondere methodische Herausforderungen stellen. Vor diesem Hintergrund
                                                     fragt der Vortrag nach Möglichkeiten und Grenzen der Artefaktanalyse für die
                                                     (historische) Kindheitsforschung: Was können Forschende auf der Basis dieser
                                                     von Kindern geschaffenen und genutzten Dinge über die Lebenswelten von Kin-
                                                     dern und ihren Sichtweisen auf historische und politische Ereignisse erfahren?
                                                     Von besonderem Interesse sind für mich Artefakte, die vom Kindern „mit Ge-
                                                     schick“ geschaffen wurden, insbesondere solche, die aus einem handwerkli-
                                                     chen/ künstlerischen Schaffen hervorgegangen sind (u.a. Kinderzeichnungen,
                                                     von Kindern geschaffenes Spielzeug oder genutzte Gegenstände). In ihnen ma-
                                                     terialisieren sich Vorstellungen und Symbolsysteme und sie bestimmen zugleich
                                                     selbst menschliches Denken und Handeln mit. Die Überlegungen entwickele ich
                                                     ausgehend von einem Bestand an Zeichnungen, die 2009 im Rahmen des Pro-
                                                     jektes ‚Bridging the Gap‘ am Israel Museum (Jerusalem) entstanden. Das Kunst-
                                                     projekt läuft seit 1993 und ermöglicht Begegnungen zwischen Kindern im Alter
                                                     von ca. zwölf Jahren aus Ost- und Westjerusalem. Die Zeichnungen wurden
                                                     nach den Auseinandersetzungen des ‚Gaza-Krieges‘ im Winter 2008/2009 nach

                                                     8 Vgl. bspw. Hendrick, Harry (2010): The Child as Social Actor in Historical Sources. Problems of Iden-
                                                     tification and Interpretation, in: Pia Christensen/Allison James (Hg.): Research with Children. Per-
                                                     spectives and Practices. 2nd Edition, New York: Routledge, S. 36-61.

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einer Aufforderung der Kunstlehrer*innen angefertigt. Bis heute werden sie im
Büro des Projektleiters aufbewahrt.9
Mit dem Vortrag schließe ich an Theorien Materieller Kulturen an, um eine the-
oretische Perspektive auf Zeichnungen als Artefakte zu entwickeln. Ich interes-
siere mich also nicht allein für die physische Gestalt von Zeichnungen oder die
Darstellungen oder gar (psycho)diagnostische Fragen. Vielmehr verstehe ich die
Zeichnungen als Spuren historischer und politischer Ereignisse und rücke die so-
zialen Verflechtungen in den Mittelpunkt, in denen sie entstanden und aufbe-
wahrt wurden. Dazu beziehe ich mich auf Ansätze der Artefaktanalyse sowie
objektbiographische Zugänge.10 Es stellen sich Fragen an die Entstehung und
Nutzungsweisen der Artefakte und ihre Eingebundenheit in unterschiedliche

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kulturelle Praxen. Wie machen Kinder das Artefakt? Was macht das Artefakt mit

                                                                                                           BILDERBÜCHER UND KINDERZEICHNUNGEN
Mensch und Gesellschaft? Welchen Weg ist das Artefakt gegangen und wie ha-
ben sich seine Bedeutungszuschreibungen gewandelt? Die hier betrachteten
Zeichnungen befrage ich in dem Vortrag nicht daraufhin, was sie zeigen oder
abbilden. Indem ich ihren Weg von dem Moment der Entstehung aus nach-
zeichne und auf deren Materialität und den Wandel in Nutzungsweise und Be-
deutungszuschreibungen fokussiere, möchte ich auf Erkenntnisebenen abhe-
ben, die über die dargestellten Motive hinausgehen.

9
  Den Zeichnungsbestand ergänzen ein Interview mit dem Projektleiter sowie Beobachtungsproto-
kolle und Hintergrundgespräche, die ich zwischen März und April 2019 anfertigte. Über sechs Wo-
chen nahm ich an zwei verschiedenen laufenden Kunstkursen des Projektes „Bridging the Gap“ am
Israel Museum/Jerusalem teil.
10 Vgl. Lueger, Manfred/Froschauer, Ulrike (2018): Artefaktanalyse. Grundlagen und Verfahren.

Wiesbaden: Springer VS; Gosden, Chris/Marshall, Yvonne (1999): The Cultural Biography of Objects.
In: World of Archeology, Jg. 31, H. 2, S. 169-178; Joy, Jody (2009): Reinvigorating Object Biography:
Reproducing the Drama of Object Lives. In World Archeology, Jg. 41, H. 4, S. 540-556; Braun, Peter
(2015): Objektbiographien. Ein Arbeitsbuch. Weimar: Verlag für Geisteswissenschaften.

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