Klinikum - schon geimpft? - Klinikum Wels-Grieskirchen

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Klinikum - schon geimpft? - Klinikum Wels-Grieskirchen
Ausgabe 3 / 2020

      Klinikum          Magazin Klinikum Wels-Grieskirchen

■ Das Immunsystem,
unser Schutzschild
Was es stark oder schwach
macht

■ TELEMEDIZIN
Herz am Schirm

schon
geimpft?
                                                 Besser laufen,
                                                 radeln, schwimmen
Klinikum - schon geimpft? - Klinikum Wels-Grieskirchen
2 _ Editorial

                                  Mag. Dietbert Timmerer             Sr. Franziska Buttinger

                              Liebe Leserinnen
                                 und Leser!
                    Wie kaum zuvor steht 2020 im Zeichen des Schutzes unserer Gesundheit
                 durch Sicherheitsmaßnahmen wie Abstand halten, Händehygiene und das Tragen des
                Mund-Nasen-Schutzes. Ausgelöst durch ein neuartiges Virus, das uns mangels Erfahrungs-
                   werte und wirkungsvoller Gegenmittel ein gewisses Maß an Unsicherheit bringt.

D
        och was uns häufig nicht           Frage, was passiert, wenn sich das ei-     eine bestimmte Anzahl von Stipen-
        bewusst ist: Unser Körper          gene Immunsystem gegen gesunde             dien zur Verfügung gestellt. Aber
        verfügt über einen eigenen,        Körperstrukturen richtet: Autoim-          nicht nur der Pflegenachwuchs wird
großartigen Schutzschild – das             munerkrankungen treten in unter-           gefördert: Vom im Juli in OÖ abge-
Immunsystem, eine ausgeklügelte            schiedlichen Ausprägungen auf. Wir         schlossenen Pflegepaket profitieren
biologische Abwehr gegen Krank-            haben die häufigsten unter die Lupe        rund 13.500 ausgebildete Pflege-
heitserreger wie Bakterien oder            genommen und die Klinikum-Ex-              kräfte, Hebammen und klinische
Viren. Deshalb widmen wir diese            perten zu Therapieansätzen befragt.        Sozialarbeiter – zum Beispiel durch
Ausgabe des Klinikum Magazins die-         Auch wenn die meisten Autoimm-             ein Plus im Verdienst.
sem wertvollen Teil unseres Körpers.       unreaktionen chronisch verlaufen,
Nehmen Sie sich Zeit für wissens-          können wir heute in vielen Fällen          Gesundheit fördern,
werte Informationen rund um unser          auf Maßnahmen zurückgreifen, die           Abwehrkraft steigern
Immunsystem – wie es funktioniert,         Betroffenen eine Verbesserung der          Regelmäßige Bewegung, ausgewo-
was es stärkt, was es schwächt und         Lebensqualität bringen.                    gene Ernährung und nicht rauchen
was wir selbst tun können, um                                                         werden immer in einem Atemzug
unsere körpereigene Abwehrkraft            Wir bauen auf die Zukunft                  genannt, wenn es um Gesundheits-
gezielt gegen eindringende Viren           Um dem nicht nur aktuell, sondern          prävention geht. Damit dabei auch
und andere schädigende Fremdstoffe         beständig steigenden Bedarf an             nichts „schief läuft“, liefern wir
einzusetzen. Mediziner plädieren für       Pflegekräften Rechnung zu tragen,          Ihnen regelmäßig gesunde Rezepte
die Impfung als wesentlichen und           setzen wir viel daran, die Ausbil-         aus unseren Klinikum-Küchen und
wirkungsvollen Schutz, nicht nur           dungsmodelle am Campus Wels                dieses Mal auch Technik-Tipps zum
aus Verantwortung für uns selbst,          zunehmend zu attraktivieren. So            richtigen Laufen, Radfahren und
sondern auch in Anbetracht unserer         startet in Wels erstmals ab März 2021      Schwimmen. Auch das Klinikum
Rolle als potenzielle Überträger für       ein Lehrgang zur Pflegefachassis-          selbst bleibt in Bewegung, um die
unsere Mitmenschen, insbesondere           tenz berufsbegleitend – so erhalten        Gesundheitsversorgung der Bevöl-
Risikogruppen.                             Quereinsteiger eine ideale Möglich-        kerung optimal zu gewährleisten:
                                           keit, sich beruflich umzuorientieren.      Prim. Univ.-Prof. Dr. Harald Hofer,
Unterstützung für                          FH-Studierenden der Gesundheits-           Leiter der Abteilung für Innere
den Körper                                 und Krankenpflege werden künftig           Medizin I, übernimmt interimistisch
Spezialbereiche unseres Klinikums          von den Oö. Spitalsträgern – so auch       die Leitung der Zentralen Notfallam-
beschäftigen sich intensiv mit der         dem Klinikum Wels-Grieskirchen –           bulanz.
Klinikum - schon geimpft? - Klinikum Wels-Grieskirchen
Editorial _ 3

Natürliches Schutzschild: Einerseits ist es
angeboren, andererseits wächst es tagt­äg­lich
mit – unser Immunsystem. Schon mit ein paar
einfachen Mitteln können wir es bei seinen
gewaltigen Aufgaben unterstützen, etwa
durch einen gesunden Lebensstil, Hände­
waschen und Impfungen.

Der beste Verlauf:
keine Ansteckung
Beachten Sie auch, dass die Coro­
nainfektionszahlen derzeit in die
Höhe schießen. Oberösterreichs
Gesundheitseinrichtungen sind
gut vorbereitet, um Patienten mit
schwereren COVID-19-Verläufen
optimal zu versorgen. Grundsätzlich
ist zu bedenken: Der beste Weg, um
derzeit einen schweren COVID-19-­
Verlauf zu verhindern, ist die Ver-
meidung einer Ansteckung.

Abschließend eine Bitte: Vertrauen
Sie in den eigenen Körper, bleiben Sie
körperlich und geistig beweglich und
genießen Sie viele gute Momente.

Viel Freude bei der Lektüre!
Herzlichst,

Sr. Franziska Buttinger

Mag. Dietbert Timmerer
Klinikum - schon geimpft? - Klinikum Wels-Grieskirchen
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4 _ Rubrik

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                       14
                            8

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32                    17

             32
Klinikum - schon geimpft? - Klinikum Wels-Grieskirchen
Inhalt _ 5

Inhalt
............................................................   ............................................................

Medizin und Pflege
8
                                                               Für das Leben
                                                               28                                                               Am Cover
Immunsystem im Fokus                                           Klinikum-Seelsorge
Schutzschirm des Menschen                                      Das macht uns stark
............................................................   ............................................................

12                                                             Unternehmen
Impfen heiSSt:
Verantwortung tragen                                           30
............................................................   Qualität im Vormarsch
                                                               Klinikum-Gesamtzertifizierung läuft
14                                                             ............................................................
Körpereigen oder fremd?
Tumorzellen und das Immunsystem
............................................................
                                                               32
                                                               Satte Kooperation
17                                                             Lebensmittelüberschuss an OÖ
                                                               Tafel
Autoimmunerkrankung
Rheuma                                                         ............................................................
Wenn der Körper sich selbst bekämpft
............................................................   Netzwerk
18                                                             36                                                                  Dr. Dorothea Gallistl-Niel
MS-Immuntherapien                                              Mit Technik zum Erfolg
Boomende Behandlungserfolge                                    Fehler beim Laufen, Schwimmen                                          Arbeitsmedizinerin,
............................................................   und Radeln vermeiden                                            Klinikum-Standort Grieskirchen –
                                                               ............................................................          www.klinikum-wegr.at
22
Psycho-Neuro-Immunologie                                       Standards                                                      Die Arbeitsmedizin am Klinikum Wels-Gries-
Glücksgefühle stärken die Gesundheit                           2 Editorial                                                    kirchen deckt eine große Palette an arbeits-
............................................................   6 Kurz notiert                                                 medizinischen Aufgaben und Angeboten
                                                                                                                              ab, um die Gesundheitsbelastung unserer
23                                                             26 Ein Tag mit
                                                               34 Aus der Küche                                               Mitarbeiter möglichst gering zu halten. Zu
#wirsindpflege                                                                                                                den arbeitsmedizinischen Aufgaben zählen
Neuer Grade-and-Skill-Mix                                      38 First Ed
                                                                                                                              neben zahlreichen weiteren zum Beispiel
............................................................   ............................................................
                                                                                                                              der Infektionsschutz mit Impfdatenerhe-

24                                                                                                                            bung, Immunitätsüberprüfungen und Impf-
                                                                                                                              beratung sowie die Durchführung von zahl-
Telemedizin in der Kardiologie
Plus an Lebensqualität durch                                                                                                  reichen Schutzimpfungen, wie zum Beispiel
Fernmonitoring                                                                                                                Hepatitis, MMR, Tetanus, Grippe usw.
............................................................

IMPRESSUM: Medieninhaber, Hersteller, Herausgeber: Klinikum Wels-Grieskirchen GmbH, Grieskirchner Straße 42, A-4600 Wels, Tel.: +43 7242 415 - 0, Fax:
+43 7242 415 - 3774, www.klinikum-wegr.at, E-Mail: post@klinikum-wegr.at .Verlags- und Herstellungsort: Wels. Druck und Vertrieb: Druckerei ­Ferdinand
Berger & Söhne GmbH. Erscheinungshäufigkeit: 4 x im Kalenderjahr. Chefredaktion: Mag. Kerstin Pindeus, MSc. Redaktion: Mag. Renate Maria Gruber, MLS,
OA Dr. Thomas Muhr, PhDr. Maximilian Aichinger, MSc, Mag. Andrea Voraberger, Mag. Julia Stierberger, Hildegard Rößlhumer und M          ­ ag. Andreas ­Schmolmüller.
Layout: Birgitt Müller (Eigenbrot Grafik Design). Bildnachweis: Klinikum Wels-Grieskirchen, Nik Fleischmann, Robert Maybach, ESB Professional/shutter-
stock.com, SciePro/shutterstock.com, eldar nurkovic/shutterstock.com, Irina Bg/shutterstock.com, eldar nurkovic/shutterstock.com, seb_ra/istockphoto.
com, privat, NatchaS/istockphoto.com, Katrina Elena/shutterstock.com, GzP_Design/shutterstock.com, Frenggo/shutterstock.com, Fuss Sergey/shutter-
stock.com, sun ok/shutterstock.com, Dean Drobot/shutterstock.com, TippaPatt/shutterstock.com, GaudiLab/shutterstock.com, Von literallysleepy/shut-
terstock.com, baranq/shutterstock.com, Olesya Kuznetsova/shutterstock.com, petrenkod/istockphoto.com, Ink Drop/shutterstock.com, Alex Yuzhakov/
shutterstock.com, Jacob Lund/shutterstock.com, Roman Samborskyi/shutterstock.com, Kolesov Sergey/shutterstock.com. Titelbild: Dorothea Gallistl-Niel,
fotografiert von Nik Fleischmann (www.foto-fleischmann.at) / Alle Texte und Bilder sind urheberrechtlich geschützt, Abdruck kann nur mit Genehmigung
des Medieninhabers erfolgen. Offenlegung nach § 25 Mediengesetz: Gesundheitsinformationen aus dem und rund um das Klinikum Wels-Grieskirchen.
Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Klinikum-Magazin auf die geschlechtsspezifische Differenzierung verzichtet. Begriffe, wie zum Beispiel „Patienten"
und „Mitarbeiter", gelten im Sinne der Gleichbehandlung für beide Geschlechter.
Klinikum - schon geimpft? - Klinikum Wels-Grieskirchen
6 _ Kurz notiert

                                                                                Katharina Glück
                                                                                Neue Leitung
                                                                                Psychiatrie
                                                                                Seit 1. August 2020 leitet Katharina Glück die
  Ausgezeichnet                                                                 Abteilung für Psychiatrie und psychothera-
  Eine saubere                                                                  peutische Medizin am Klinikum Wels-Gries-
                                                                                kirchen. Sie folgt Elmar Windhager, der nach
  Sache                                                                         23 Jahren als Abteilungsleiter seinen Ruhe-
                                                                                stand antritt. Zu Glücks Schwerpunkten zäh-
                                                 „Wichtig sind mir              len Alterspsychiatrie, bipolare Erkrankungen
                                                eine auf Offenheit,             und peripartale Psychiatrie.
                                                  Wertschätzung                 Die Fachärztin für Psychiatrie und psycho-
                                                                                therapeutische Medizin war seit 2003 in der
                                                 und Transparenz                Psychiatrischen Klinik Wels beschäftigt, seit der
                                               basierende Haltung,              Fusion 2008 mit den Krankenhaus-Standorten
                                                Selbstbe­stimmung               Wels und Grieskirchen im Klinikum Wels-Gries-
                                                  und Autonomie                 kirchen, wo sie unter anderem die Leitung der
                                                                                Akutstation übernahm und seit 2009 Stellver-
                                                  respektierende,               treterin des Abteilungsleiters war.
                                                    partizipative               Neben ihrem Fachbereich verfügt Katharina
                                              Entscheidungsfindung              Glück über Zusatzqualifikationen in der Geriat-
                                               unter Einbeziehung               rie und Palliativmedizin. Mit der Etablierung der
                                                                                interdisziplinären Demenzstation im Jahr 2014
                                                der Angehörigen.“               hat sie hier die Leitung seitens der Psychiatrie
                                                                                übernommen. Die Abteilung orientiert sich
                                                Prim. Dr. Katharina Glück       am biopsychosozialen Modell und stellt das
                                                  Leiterin der Abteilung        Individuum mit seinen speziellen Bedürfnissen
  Andrea Binder, leitende Hygienefach­             für Psychiatrie und
  kraft am Klinikum, zeigt vor, wie Hände­                                      in den Mittelpunkt. Ein Ziel der neuen Abtei-
  desinfektion richtig geht. „Wir erheben     psychotherapeutische Medizin      lungsleiterin ist, durch Öffnung der Psychiatrie
  etwa den Verbrauch an Händedesin­                                             und Fortbildungsangebote Stigmatisierung und
  fektionsmitteln: Diese Werte sind ein                                         Vorurteile gegenüber fachbezogenen Krank-
  deutlicher Gradmesser, ob und wie sich
  die Compliance unter den Krankenhaus­
                                                                                heitsbildern abzubauen.
  mitarbeitern verbessert.“

   Auch 2020 wurde das Klinikum              Ingo Weber im Team
   Wels-Grieskirchen wiederum für            Verstärkung für die Pflegedirektion
   seine Teilnahme an der „Aktion
   Saubere Hände“ ausgezeichnet.                                      Seit Juli 2020 verstärkt Ingo Weber das Team der
   Auf den Intensivstationen wurden                                   Pflegedirektion. Seine Zuständigkeit umfasst vor allem
   im vergangenen Jahr durchschnitt-                                  die Bereiche der OP-Einheiten. Zudem agiert er als
   lich 47 Händedesinfektionen pro                                    Schnittstelle zur Abteilung Qualitätsmanagement und
   Patiententag durchgeführt – das                                    Organisationsentwicklung im Rahmen der Zertifi-
   sind vier Händedesinfektionen                                      zierung und zur IT-Abteilung bei der Umsetzung des
   mehr als der vom deutschen                                         Krankenhausinformationssystems.
   Surveillance-Modul HAND-KISS                                       Weber, am Klinikum seit 2004 tätig, übernahm 2014 die
   empfohlene Wert von 43. Das für                                    pflegerische Leitung der Operativen Sonderklasse-Sta-
   zwei Jahre gültige Zertifikat ist ein                              tion. Neben der Sonderausbildung in der Intensivpflege
   deutliches Zeichen, welches die           Ingo Weber, BA,          absolvierte er ein Studium in Pflegemanagement und
                                             Pflegemanagement         weist heute vor allem viel Projekterfahrung vor. „Ich freue
   erfolgreiche Umsetzung von Maß-
   nahmen und Qualitätsstandards                                      mich, nun mehr Verantwortung in der Gestaltung von
   zur Verbesserung der Händedes-            Prozessen im Gesamtkontext des Klinikum Wels-Grieskirchen zu übernehmen",
   infektion im Krankenhausbetrieb           erklärt er seine Motivation für die neue Funktion. Vor allem zwei große Ziele sieht
   aufzeigt.                                 der Pflegeexperte in Zukunft: „Herausforderung Nummer eins ist, wie wir dem
                                             Fachkräftemangel begegnen, Nummer zwei, wie wir die Digitalisierung umsetzen.“
Klinikum - schon geimpft? - Klinikum Wels-Grieskirchen
Kurz notiert _ 7

Wir gratulieren!
And the winner is …
Im Rahmen des Gewinnspiels der Pflegekampa-
gne #wirsindpflege haben zahlreiche Teilnehmer
aus den Reihen der Klinikum-Mitarbeiter ihre
Fotos eingereicht. „Es ist schön zu sehen, wie viele
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Kampagne
#wirsindpflege unterstützen“, freut sich Pflegedi-
rektorin Andrea Voraberger über die Zusendung der
originellen Bilder. „Wir freuen uns bekannt zu geben,
dass Alexandra Deutsch das Wellness-Wochenende
im Wert von 600 Euro gewonnen hat.“

                                                                                                      Der Aktionszeitraum für das
                                                                                                      Gewinnspiel lief von 6. Juli bis
                                                                                                      16. August 2020, die Gewinne­
                                                                                                      rin wurde per Zufallsgenerator
                                                                                                      ermittelt.

Erfolgreiche Forschung am Klinikum
Patient mit lebensgefährlichem Aortenriss gerettet
                                      Medizinische Experten des Klinikum
                                      Wels-Grieskirchen führen regelmäßig wissen-
                                      schaftliche Studien durch, welche auch inter-               Schon
                                      national große Beachtung finden. Im Fall eines
                                      42-jährigen Patienten haben sich die Erkenntnisse
                                                                                                  gewusst?
                                      als lebensrettend entpuppt – durch das studien-
                                                                                                  Bei einer akuten Aorten-
                                      basierte richtige Deuten von erhöhten Blutwerten
                                                                                                  dissektion kommt es zu
                                      und die optimale Zusammenarbeit der Kompe-
                                                                                                  einem Einriss der Wand
                                      tenzbereiche konnte eine akute Aortendissektion,
                                                                                                  der Hauptschlagader. Sie
                                      die ungewöhnlich symptomarm verlief, diagnosti-
                                                                                                  tritt selten auf, ist aber akut
                                      ziert und schnellst möglich erfolgreich behandelt
     „Am Klinikum                     werden.
                                                                                                  lebensbedrohlich mit einer
                                                                                                  hohen Sterblichkeitsrate. Zu
  Wels-Grieskirchen                                                                               den Risikofaktoren zählen
  nehmen Experten                                                                                 im Allgemeinen Bluthoch-
 der verschiedensten                                                                              druck, Arteriosklerose
Disziplinen regelmäßig                                                                            sowie genetische bedingte
                                                                                                  Veränderung des Gefäßes.
erfolgreich an Studien                                                                            Symptome für eine Aor-
  teil. In diesem Fall                                                                            tendissektion sind meist
hat sich gezeigt, dass                                                                            akut einsetzende, extrem
 Wissenschaft Leben                                                                               starke Schmerzen in Thorax,
                                                                                                  Rücken oder Abdomen und
      retten kann.“                                                                               eine Mangelversorgung
                                                                                                  durch eine Verlegung abge-
          OA Priv.-Doz.                                                                           hender Gefäße. In der Regel
       Dr. Thomas Weber,                                                                          gibt eine CT-Untersuchung
 Abteilung für Innere Medizin II,     Im Bild die am erfolgreichen Eingriff beteiligten           Klarheit über den Einriss.
        Kardiologie und               Schlüsselkräfte mit dem Patienten zehn Tage nach            Eine rasche Versorgung ist
        Intensivmedizin               der Operation: Turnusarzt Dr. Julian Leitner, Zentrale      notwendig.
                                      Notfallambulanz, Operateur OA Prof. Dr. Hans Joachim
                                      Geißler, Standortleiter Wels der Abteilung für Herz-,
                                      Thorax- und Gefäßchirurgie, Kardiologe OA Priv.-Doz.
                                      Dr. Thomas Weber, der Patient und Prim. Priv.-Doz. Dr.
                                                                                                 Mehr zur lebensret-
                                      Johann Knotzer, Leiter der Abteilung für Anästhesiologie   tenden Diagnose
                                      und Intensivmedizin.                                       lesen Sie online! →
Klinikum - schon geimpft? - Klinikum Wels-Grieskirchen
8 _ Immunsystem
    Rubrik

Schutzschirm
  gefällig?
         Das Immunsystem des Menschen ist ein ausgeklügeltes biologisches Abwehr-
          system aus spezialisierten Organen, Geweben, Zellen und Eiweißen. Seine Aufgaben sind
         das Erkennen, Bekämpfen und Eliminieren von eindringenden Krankheitserregern, um den
           Körper zu schützen. Dies können Bakterien und Viren, Pilze, Parasiten oder Fremdstoffe
                 sein. Man unterscheidet das angeborene und das erworbene Immunsystem.

                                                              Thymusdrüse: Hier lernen die T-Lymphozyten,
                                                              fremde Zellen zu erkennen und anzugreifen. Weiße
                                                              Blutkörperchen gelangen über die Blutbahn in den
                                                              Thymus und müssen die Drüse von der Rinde her bis
                                                              in die Markregion durchwandern, um dann als T-Lym-
                                                              phozyten wieder in die Blutbahn zu gelangen. Mit dem
                                                              Alter verkümmert die Thymusdrüse.

       Schon                                                           Lymphknoten: kleine biologische Filterstationen
                                                                       entlang der Lymphgefäße. Verschiedene Abwehrzel-

       gewusst?                                                        len fangen dort Krankheitserreger ab und bilden Anti­
                                                                       körper, Fresszellen reinigen die Gewebsflüssigkeit
                                                                       und die Knoten schwellen an. So wird eine aktive Ab-
       Zum Lymphsystem zählen                                          wehrreaktion, zum Beispiel bei einem Infekt, sichtbar.
       Lymphe, Lymphkapillaren, grö-
       ßere Lymphgefäße, Lymphkno-
       ten, Milz, Mandeln und Thymus.
       Es transportiert Nähr- und
       Abfallstoffe und entsorgt Krank-
       heitserreger. Täglich führen die
                                                         Knochenmark: Quelle aller Abwehrzellen. Es
                                                         bildet weiße Blutkörperchen, welche sich zu unter-
       Lymphgefäße bis zu zwei Liter
                                                         schiedlichen Blutzellenarten weiterentwickeln. Auch
       wässrige hellgelbe Zwischen-
                                                         rote Blutkörperchen und Blutplättchen werden hier
       zellflüssigkeit in das Venensys-
                                                         produziert. Die unterschiedlichen Zelltypen entwi-
       tem. Mit dieser Lymphe werden
                                                         ckeln sich aus Stammzellen im Knochenmark und
       abgestorbene Zellen, Eiweiß-
                                                         gelangen während ihrer Reifung in die Blutbahn.
       und Fremdkörper, Bakterien,
       Fette und Stoffwechselendpro-
       dukte abgeleitet.
Klinikum - schon geimpft? - Klinikum Wels-Grieskirchen
Rubrik _ 9

            Haut und Schleimhaut: mechanischer
            Schutzwall, erste Barriere gegen von außen eindrin-
            gende Krankheitserreger. Schutz wird verstärkt durch
            körpereigene Bakterien sowie bakterienhemmende
            Substanzen, zum Beispiel in Speichel, Bronchial-
            schleim oder Magensäure.

    Mandeln: 1 bis 2 cm dickes lymphatisches Gewe-
    be mit Spalten an der Oberfläche. Dort siedeln sich
    Speisereste und Bakterien an, mit welchen sich weiße
    Blutkörperchen auseinandersetzen. Die Spalten wer-
    den regelmäßig entleert, sichtbar als weißer Belag.
    Ohne Rötung, Schmerzen oder Fieber liegt keine Ent-
    zündung vor.

            Milz: Hier werden Lymphozyten vermehrt und
            Monozyten gespeichert. Somit ist das Organ ein wich-
            tiges Glied in der Kette der Immunabwehr. Überalterte
            Blutzellen werden hier ausgesondert und die Blutmen-
            ge des Körpers reguliert.

Leber: Hier werden Bakterien, sterbende Zellen und
schädliche Fremdkörper durch Fresszellen abgebaut.
Klinikum - schon geimpft? - Klinikum Wels-Grieskirchen
Arbeitsmedizinerin Dr. Dorothea Gallistl-Niel
                       erklärt, wie komplex sich das Immun­system
                       unseres Organismus gestaltet.

Die
menschliche
Immunabwehr

Ein
ausgeklügeltes
System        Ständig sind wir von einer Vielzahl
              an Stoffen aus der Natur umgeben. Über das
              Atmen und Essen, aber auch über trockene
              Schleimhäute oder Wunden, gelangen Erreger
              in den Organismus. Dann wird zum Schutz vor
              Erkrankungen das komplexe Immunsystem
              aktiv, welches auf verschiedene Mechanismen
              zurückgreift – auf angeborene unspezifische
              und auf erworbene spezifische.
Immunsystem _ 11

A
          n vorderster Front wehrt        sich festzusetzen. Auch das Freiset-   Nachgefragt
          die Haut Eindringlinge          zen von Körperflüssigkeiten, wie
          mechanisch ab, eine che-
          mische Barriere stellt zum
                                          Schweiß, Urin oder Tränen, kommt
                                          unter anderem dieser Funktion
                                                                                 Was ist der
Beispiel die Magensäure dar. Die Fä-      nach. Sollte es einem Erreger doch     Unterschied
higkeit, bereits eingedrungene Viren,
Bakterien, Pilze und Parasiten zu
                                          gelingen, in den Körper zu gelangen,
                                          werden Abwehrzellen und Eiweiße        zwischen
eliminieren, kommt aber insbeson-
dere den vielfältigen Zellen unseres
                                          aktiv.
                                                                                 T- und B-
Immunsystems zu, den Leukozyten.
„Sie gestalten sich hochwirksam
                                          Erworbenes Immunsystem
                                          Zum erworbenen Immunsystem
                                                                                 Lymphozyten?
und lernfähig“, erklärt Dorothea          zählen die T- und B-Lymphozyten
Gallistl-Niel, Arbeitsmedizinerin am      sowie die Antikörper. Sie kom-         T-Zellen werden im Knochenmark
Klinikum-Standort Grieskirchen.           men dann zum Einsatz, wenn das         gebildet und im Thymus definiert.
„Einerseits besitzen sie die angebo-      angeborene Immunsystem den             Als Helferzellen aktivieren sie an-
rene Fähigkeit zur Bekämpfung von         Erreger nicht vernichten kann. Dafür
                                                                                 dere Immunzellen und kurbeln die
Erregern, andererseits sind sie lern-     braucht es etwas Vorlaufzeit, denn
fähig und können Immunität gegen          es muss den Angreifer erkennen, ge-    spezifische Abwehr an. Bindet sich
bestimmte Erreger ausbilden.“             zielt bearbeiten und abspeichern, um   ein Angreifer an eine T-Zelle, ver-
                                          ihn später zu erinnern und rascher     mehrt sie sich und entwickelt eine
Angeborenes Immunsystem                   zu bekämpfen. Durch diese Erinne-
                                                                                 auf den Erregertyp maßgeschnei-
Die wichtigsten Komponenten bil-          rungsfunktion wird der Körper nach
den alle äußeren und inneren Ober-        durchgemachter Krankheit immun         derte Immunantwort. Die Killer-
flächen des Körpers, zum Beispiel         gegen bestimmte Erreger, zumindest     zellen unter den T-Lymphozyten
Haut und Schleimhäute. Zusätzlich         in einem Ausmaß, in welchem er die     identifizieren infizierte Zellen bzw.
zu diesem mechanischen Schutz vor         Erkrankung nur abgeschwächt oder       Tumorzellen und zerstören diese.
dem Eindringen von Krankheitser­          sogar unbemerkt durchläuft.
regern blockieren chemische Stoffe,       Dieses Prinzip macht sich der
zum Beispiel Magensäure, oder auch        Mensch durch Impfungen zunut-
                                                                                                       antwort
Schleim das Anlagern von Bakteri-         ze: Durch gezieltes Verabreichen                                von
en oder Viren. Durch ihre ständige        von Antigenen wird das Bilden von
                                                                                                       DOROTHEA
Bewegung hindern auch die Flim-           Antikörpern erreicht, welche im                             GALLISTL-NIEL
merhärchen in den Bronchien und           Falle einer Infektion einen schweren
die Darmmuskulatur Erreger daran,         Krankheitsverlauf verhindern.

                                                                                 B-Lymphozyten werden ebenfalls
                                                                                 im Knochenmark gebildet, hier rei-
                                                                                 fen sie zu spezialisierten – auf den
                                                                                 jeweiligen Erregertyp abgestimm-
                                               Das läuft bei einer Entzün-       ten – Abwehrzellen heran. Aktiviert
                                               dung ab: Infiziert sich zum       werden sie von auf den gleichen
                                               Beispiel eine Wunde an der        Angreifer spezialisierte T-Helferzel-
                                               Haut, werden Abwehrzellen
                                                                                 len. Sie vermehren sich und geben
                                               aktiviert. Blutgefäße weiten
                                               sich und werden durchläs-         als Plasmazellen passende Antikör-
                                               sig, die Wunde schwillt an,       per ins Blut ab. Antikörper erken-
                                               wird warm und rötet sich. Bei     nen potenziell schädliche Eindring-
                                               schweren Verläufen kann die
                                                                                 linge (Antigene) und können diese
                                               Körpertemperatur ansteigen,
                                               die Gefäße weiten sich dann       an sich binden. Einige der aktivier-
    und weitere Abwehrzellen gelangen zur Infektion. Fresszellen schließen die   ten B-Lymphozyten entwickeln
    Erreger ein, verdauen sie und machen sie dadurch unschädlich. Überreste      sich zu Gedächtniszellen.
    der Erreger markieren die Oberfläche der Fresszellen und werden vom
                                                                                 Dr. Dorothea Gallistl-Niel ist Arbeits-
    spezifischen Immunsystem erkannt. Weitere Abwehrzellen geben Stoffe
    ab, welche die Eindringlinge abtöten. Im Zuge dieser Reaktion zerfallen      medizinerin am Klinikum-Standort
    auch Gewebe- und Abwehrzellen. Sichtbar wird der Prozess durch eine          Grieskirchen.
    gelbliche Flüssigkeit, das Eiter.
12 _ Immunsystem

                                           Impfen lassen

               Verantwortung
                   tragen
                 Die Grippeimpfung ist für alle wichtig – nicht nur für Risikogruppen
             wie Kinder, ältere oder kranke Menschen. Denn auch alle gesunden, nicht geimpften
                            Menschen sind potenzielle Überträger der Erkrankung.

I
     ch bin keine Impfgegnerin, aber                                             deutet also, den gesunden Körper im
     ich bin auch keine Befürworte-                                              geeigneten Moment auf potenzielle
     rin der Impfpflicht – jeder soll                                            Gefahren durch Infektionskrank-
     sich bewusst für eine Impfung                                               heiten vorzubereiten. Im Ernstfall
entscheiden“, postuliert Arbeits-                                                antwortet das geübte Immunsystem
medizinerin Dorothea Gallistl-Niel.                                              rasch und präzise.“
„Durch diese Entscheidung über-                   „Wir wären
nehme ich nicht nur Verantwortung            ungeschickt, wenn                   ImpFstoffe aus
für meinen eigenen Körper, son-
                                            wir die Grippeimpfung                Krankheitserregern
dern auch für meine Mitmenschen.                                                 Totimpfstoffe enthalten abgetötete
Denn wenn ich viel mit anderen                nicht in Anspruch                  Keime, Bestandteile der Zellober-
Menschen zu tun habe oder in                  nehmen würden.“                    fläche der Erreger oder ihr entgif-
einem Gesundheitsberuf arbeite,                                                  tetes Gift. Durch die Inaktivierung
werde ich selbst zur Drehscheibe für           Dr. Dorothea Gallistl-Niel        des Erregers entwickelt sich kein
Krankheitserreger wie zum Beispiel                                               Krankheitsverlauf, in seltenen Fällen
Influenzaviren.“ Derzeit richtet sich    enza und Corona – verlaufen könnte      treten nach der Impfung allgemei-
die Aufmerksamkeit der Bevölkerung       gibt es noch nicht. „Dafür muss man     ne Symptome wie Kopfschmerzen,
auf die Produktion eines wirksamen       die Ergebnisse von Studien abwar-       Fieber oder Übelkeit auf. Für Lebend­
Impfstoffs gegen Corona. „Gegen          ten, auch zu den Langzeitfolgen von     impfstoffe werden geschwächte
die Grippe haben wir die Impfung         COVID-19 ist noch wenig bekannt“,       Erreger verwendet – sie werden
schon lange – sie ist gut etabliert.     so die Arbeitsmedizinerin.              unter wachstumshemmenden
Wir wären ungeschickt, wenn wir sie                                              Bedingungen gezüchtet. Obwohl sie
nicht in Anspruch nehmen würden.“        Impfen heiSSt: Vorbereiten              die Krankheit nicht auslösen bzw.
Die Familie der Grippeviren setzt        auf Erkrankungen                        nur zu einem milden Verlauf füh-
sich aus verschiedenen Erbanteilen       Ein kleiner Stich in den Oberarm,       ren, vermehren sie sich im Körper
zusammen, jedes Jahr können ande-        das war’s in den meisten Fällen. Bei-   und trainieren die Immunabwehr.
re Virusstränge zirkulieren. „Deshalb    nahe unbemerkt spielen sich danach      Ein Schutz baut sich auf. Bei Men-
beobachten Experten kontinuier-          komplexe Prozesse im Körper ab. Mit     schen mit sehr gutem Immunsys-
lich das weltweite Vorkommen und         einem abgeschwächten Erreger wird       tem kommt es manchmal zu einer
produzieren jährlich einen Impfstoff     der Körper infiziert. Darauf reagiert   stillen Feiung: Ein Erreger wird im
gegen jene Stämme, von welchen ein       die Immunabwehr und produziert          Körper bei symptomloser Infektion
verstärktes Auftreten in der nächs-      passende Antikörper, ohne dass die      vollständig abgetötet, ohne dass im
ten Saison zu erwarten ist.“ So bietet   Krankheit ausgelöst wird. Bei einer     Vorfeld eine Immunisierung stattge-
die Influenzaimpfung einen best-         tatsächlichen Infektion können          funden hat. Der Erkrankte bemerkt
möglichen Schutz gegen die zirku-        die krankheitsauslösenden Erreger       sie oftmals nicht. Die entstandenen
lierenden Viren. Erfahrungswerte         schnell und effektiv unschädlich        Antikörper schützen vor einer neuer-
dazu, wie eine mögliche Doppelin-        gemacht werden, Symptome treten         lichen Erkrankung mit dem gleichen
fektion durch beide Erreger – Influ-     in der Regel nicht auf. „Impfen be-     Erreger.
Influenza stammt vom italienischen Wort
                                                             „influenza“, welches übersetzt „Einfluss“
                                                             bedeutet. Im Italien des 14. Jahrhunderts
                                                             bezeichnete der Begriff epidemische
                                                             Krankheiten, von denen man glaubte,
                                                             dass sie unter dem Einfluss der Gestirne
                                                             oder der Kälte standen.

                    Schon
                    gewusst?
Das hat die Natur gut eingerichtet: Nach der Geburt
verfügen Babys über den Nestschutz, eine Leihimmunität,
welche sie durch den stofflichen Austausch mit dem Blut-
kreislauf der Mutter erworben haben. Deshalb verfügen
reife Neugeborene über einen gewissen Schutz gegen In-
fektionskrankheiten. Der Nestschutz baut sich in zwei bis
vier Monaten nach der Geburt ab, parallel dazu beginnt das
Kind, selbst Antikörper aufzubauen – zum Beispiel durch
Impfungen bzw. durchgemachte Infekte. Auch Mutter-
milch enthält Abwehrstoffe der Mutter und kann auf die-
sem Weg den Nestschutz unterstützen.
14 _ Immunsystem

Trickreiche Tumorzellen im Visier

Blut- und
Krebserkrankungen
und das Immunsystem
                   Grundsätzlich ist unser Immunsystem nicht machtlos ge-
                   genüber Tumorzellen. Es kann bösartige Zellen erkennen und auch
                   vernichten. Tumorzellen können sich allerdings durch spezielle Me-
                   chanismen dem Immunsystem entziehen. Eine einfache „Stärkung“
                   des Immunsystems reicht nicht aus, um die Entstehung von Krebs
                   zu verhindern.

                   V
                          ermutlich ist es der Normalfall, dass das Immunsystem Tumor-
                          zellen als fremd erkennt und eliminiert. Tumorzellen sind aber
                          aufgrund der Tatsache, dass sie noch sehr viele Merkmale des
                   Ursprungsgewebes, zum Beispiel von Darm, Haut oder Niere tragen,
                   nicht so fremd wie von außen eindringende Bakterien, Viren oder Pilze.
                   Das macht es für das Immunsystem schwieriger, die Krebszellen als
                   fremd zu erkennen. Außerdem verändern sich Tumorzellen sehr schnell
                   und können so dem Immunsystem entkommen. Onkologin Sonja Heibl
                   im Interview zum aktuellen Wissensstand um die Zusammenhänge
                   zwischen Immunsystem und Blut- und Krebserkrankungen.
Immunsystem _ 15

                                Sonja Heibl im Interview

Frau Dr. Heibl, gibt es Risikofaktoren im Zusammen-        ist nicht genau bekannt. Wenn trotz eines funktionie-
hang mit dem Immunsystem, die eine Blut-oder Krebs­        renden Immunsystems eine Krebserkrankung entsteht,
erkrankung begünstigen?                                    bedeutet dies nicht, dass das Immunsystem pauschal
→ Sonja Heibl: Ob durch ein „schwaches Immunsystem“        versagt hat. Tumorzellen können durch unterschiedliche
ein erhöhtes Krebsrisiko entsteht, hängt davon ab, ob      Mechanismen, etwa durch Tarnung, Manipulation des
die Immunabwehr nur vorübergehend nicht ausreicht          Immunsystems, Vermehrung von myeloiden Suppressor-
oder dauerhaft geschwächt ist. Lebenslange bzw. länger     zellen und damit Schwächung des Immunsystems, auch
anhaltende Störungen des Immunsystems treten nicht         einem „starken“ Immunsystem entkommen.
oft auf, aber es gibt seltene angeborene Immundefekte,
deren genetische Ursachen oft sehr genau bekannt sind.     Welche Rolle spielt das Immunsystem bei der Therapie
Eine nicht angeborene Immunschwächeerkrankung mit          von Tumorerkrankungen?
erhöhtem Risiko für Krebs ist AIDS. Studien zeigen auch,   → Durch eine klassische Chemotherapie kann es ins-
dass Patienten nach Organtransplantationen mit lebens-     besondere in den ersten sieben bis zehn Tagen nach
langer immunsuppressiver Behandlung ein erhöhtes           der Verabreichung zu einem Abfall der Leukozyten und
Risiko für die Entwicklung von bösartigen Erkrankungen     damit zu einer verminderten Verfügbarkeit der Zellen
aufweisen. Es gibt auch deutliche Hinweise darauf, dass    des Immunsystems kommen. Bei aplasierenden Che-
einige chronische Entzündungen zur Entstehung von          motherapien*, die man beispielsweise zur Behandlung
Tumorerkrankungen beitragen können, beispielsweise         von akuten Leukämien einsetzt, kann diese Phase der
haben Patienten mit Colitis ulcerosa ein erhöhtes Darm-    eingeschränkten Verfügbarkeit der Immunzellen deut-
krebsrisiko.                                               lich länger anhalten. In dieser Phase werden Patienten in
                                                           einer „Schutzisolierung“ behandelt, um das Risiko einer
Umgekehrt gefragt: Kann ein starkes Immunsystem die        Infektion zu minimieren. Tritt dennoch eine Infektion
Wahrscheinlichkeit für die Entstehung einer Blut- oder     auf, ist eine rasche und breite antibiotische Therapie
Krebserkrankung reduzieren?                                unerlässlich.
→ Das Immunsystem ist abhängig vom Allgemeinzu-            Eine Impfung mit Totimpfstoffen ist für Tumorpatienten
stand. Ist jemand etwa stark unterernährt, stehen dem      je nach Erkrankung und Therapie möglich. Es gibt bis-
Körper nicht genügend Ressourcen für eine ausreichende     lang keinen Beweis, dass eine Impfung eine zugrunde-
Immunabwehr zur Verfügung. Es gibt Studien, die zei-       liegende Tumorerkrankung negativ beeinflusst. Je nach
gen, dass ausreichend Bewegung und Schlaf das Immun-       Therapie kann der Impferfolg abgeschwächt sein.
system positiv beeinflussen. Wie das exakt funktioniert,   →
                                                           *das alte Knochenmark abtötend
16 _ Immunsystem

→ Tumorpatienten sind für die
saisonale Grippe anfällig und sollten
deshalb jährlich immunisiert wer-
den. Eine Pneumokokkenimpfung
wird insbesondere für Patienten mit
Lymphomen, Leukämien und Mye-
lomen aufgrund der therapiebeding-
ten Abwehrschwäche empfohlen.

                                        Immunsystem
     „Immunschwache                     und neue
     Patienten können
       vor Infektionen
     geschützt werden,
                                        Tumortherapien
                                        Immunologische Ansätze in der          bei aggressiven Lymphomen und
         wenn ihre                      Behandlung von Tumorerkrankun-         Leukämien, die auf eine Standard-
        Mitmenschen                     gen werden schon lange verfolgt –      therapie nicht ansprechen, zum
        geimpft sind.“                  allerdings nicht alle erfolgreich.     Einsatz.

         OÄ Dr. Sonja Heibl             In der zielgerichteten Therapie        Behandlungen, welche derzeit
   Abteilung für Innere Medizin IV,     richten sich synthetisch hergestell-   unter dem Schlagwort „Immun-
   Hämatologie und internistische       te Antikörper gegen Zielstrukturen     therapie“ häufig in den Medien
              Onkologie                 an der Tumorzellenoberfläche. Die      präsent sind, meinen den Einsatz
                                        ausgelöste Immunreaktion verbes-       von sogenannten Immun-Check-
                                        sert die Wirkung einer klassischen     point-Inhibitoren – spezielle Anti-
„Für Patienten mit Tumorerkran-         Chemotherapie bei vielen Erkran-       körper, die das Immunsystem aktiv­
kungen, geschwächtem Immunsys-          kungen.                                ieren. Immun-Checkpoints, auch
tem und eventuell nicht möglicher                                              „Bremsen des Immunsystems“,
Immunisierung ist es von eminenter      Bispezifische Antikörper, die in der   verhindern, dass das Immunsystem
Bedeutung, dass bei Menschen ihrer      Therapie von Lymphomen und Leu-        übermäßig aktiv wird und gesun-
nahen Umgebung, bei Angehörigen,        kämien eingesetzt werden, verbin-      des Gewebe angreift. So können
Freunden und Therapeuten, ein aus-      den durch zwei Bindungsstellen ein     Tumorzellen dem Immunsystem
reichender Impfschutz vorhanden         Tumorantigen auf der Tumorzelle        entgehen. Durch Inhibitoren
ist, um sie so vor einer Ansteckung     und eine Immunzelle. Dadurch           dieser Kontrollpunkte werden die
zu schützen“, plädiert Heibl.           werden weitere Immunzellen             „Bremsen gelöst“, die Tumorzellen
                                        angelockt, welche die Tumorzellen      erkannt und eliminiert. Diese The-
Für eine SARS-CoV-2 Infektion steht     zerstören.                             rapie wird bei sehr vielen Tumor­
derzeit keine Impfung zur Verfü-                                               entitäten (Gruppen) untersucht,
gung. Eine Ansteckung muss durch        Unter einer CAR-T-Zell-Therapie        hat aber bereits einen gesicherten
entsprechende Schutzmaßnahmen           versteht man eine Therapie, bei        Stellenwert in der Behandlung
verhindert werden.                      der T-Zellen des Patienten gen-        von Melanomen, HNO-Tumoren,
                                        technisch mit einem künstlichen        Nierenzellkarzinomen, Blasenkar­
                                        Rezeptor versehen werden. Dem          zi­nomen und bestimmten Formen
                                        Patienten verabreicht lenkt der        von Brustkrebs. Als Nebenwirkung
                                        Rezeptor effektiv auf ein definier-    kann bei diesen Therapieformen
                                        tes Antigen und eliminiert dieses.     eine Reaktion gegen körpereigene
                                        Die Therapieform kommt aktuell         Strukturen auftreten.
Immunsystem _ 17

                                                                           Wenn Gelenksschwellungen oder -schmer­zen
                                                                           ohne vorherige Verletzung über mehrere
                                                                           Wochen bestehen, sollte der Hausarzt aufge­
                                                                           sucht werden. Er kann meist bereits zwischen
                                                                           Arthrose, Gicht und einer rheumatischen
                                                                           Erkrankung unterscheiden.

Autoimmunerkrankung Rheuma

Körper
gegen Körper
In manchen Fällen richtet sich das eigene Immunsystem gegen
gesunde Körperstrukturen. Dann spricht man von einer Autoimmun­
erkrankung. Zu den häufigsten zählen entzündlich-rheumatische
Erkrankungen.
                                                                           Rheumatoide Arthritis trifft Frauen doppelt

H
         äufig machen sich Schmerzen von Gelenken und Muskeln und          so oft wie Männer. Eine rasche Therapie
                                                                           kann Schäden an den Gelenken verhindern.
         Schwellungen von Gelenken bemerkbar“, erklärt Rheumatologe
         Wolfgang Kranewitter. Auffällig sind Morgensteifigkeit und ver-

                                                                           Schon
mehrte Müdigkeit. „Es können auch Augen, Lungen oder Haut betroffen
sein.“ Die Ursache ist unklar; diskutiert werden erbliche Faktoren und
Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht und Infektionen. Entgegen
verbreiteter Meinung handelt es sich nicht um ein Altersleiden, häufig
erkranken jüngere Menschen, manchmal selbst Kinder. „Beispiele sind
                                                                           gewusst?
Rheumatoide Arthritis, Psoriasisarthritis und Morbus Bechterew“, so
Kranewitter.                                                               Was im Körper passiert
Die Geschlechterverteilung variiert je nach Krankheit. „Bei Verdacht ist   Die auslösenden Faktoren sind nicht
die Vorstellung beim Rheumatologen wichtig“, empfiehlt der Experte.        bekannt. Entzündungszellen wer-
„Für die drei genannten Beispiele stehen gut wirksame Medikamen-           den aktiviert und angelockt. Durch
te in Form von Tabletten, Injektionen und Infusionen zur Verfügung.“       die Bildung von Endothelzellen
Spontane Heilungen sind möglich, überwiegend verlaufen die Erkran-         kommt es zur Gewebeschädigung
kungen aber chronisch. Eine Milderung der Symptome, teilweise sogar        oder Fibrosierung.
Beschwerdefreiheit, wird durch eine entsprechende Therapie erreicht.
Neurologe
  OA Dr. Dierk Oel
  ist Spezialist in der
  Behandlung von
  Multipler Sklerose.
  Von der Erkrankung
  betroffen ist das
  gesamte Zentrale
  Nervensystem, die
  klinischen Manifesta­
  tionen sind vielfältig.

Neurologische
Autoimmunerkrankung
Multiple Sklerose

Krankheit der
1.000 Gesichter
Multiple Sklerose ist in Mitteleuropa die häufigste neurologische Autoimmunerkrankung, die weltweite
Verteilung ist jedoch sehr unterschiedlich. Insbesondere in Industrienationen ist in den letzten Jahrzehnten eine
deutliche Zunahme zu verzeichnen. Neben einer verbesserten Diagnostik scheinen hier auch Veränderungen
der Lebensgewohnheiten eine Rolle zu spielen. In Österreich sind rund 13.000 Menschen betroffen. Neben den
gesundheitlichen Folgen ist die Erkrankung von enormer volkswirtschaftlicher Bedeutung, da sie die häufigste
Ursache einer frühzeitigen Behinderung im jungen Erwachsenenalter darstellt.

B
          ei Multipler Sklerose spricht   ten MS (SPMS) über. „Zehn bis 15        gibt es aber nur wenige Langzeitda-
          man auch von der Krank-         Prozent der Patienten zeigen schon      ten, so dass hier noch nicht von einer
          heit der vielen Gesichter“,     zu Krankheitsbeginn eine kontinu-       Heilung gesprochen werden kann.“
          erklärt Neurologe Dierk         ierliche klinische Verschlechterung     Voraussetzung ist ein Therapiebe-
Oel. „Betroffen sein kann nämlich         (Primär Progrediente MS).“              ginn in einem frühen Krankheits-
das gesamte zentrale Nervensys-                                                   stadium. „Solange es dem Patienten
tem (ZNS), also Sehnerv, Gehirn           Behandlungserfolge                      noch gut geht“, betont Oel. „Sobald
und Rückenmark, entsprechend              durch Immuntherapien                    eine relevante Behinderung vorliegt,
vielfältig sind auch die klinischen       „Die Therapie der MS hat in den letz-   ist die Wirksamkeit auf den weiteren
Manifestationen.“ Die Mehrzahl            ten 15 Jahren einen Boom erlebt“, so    Krankheitsverlauf schlechter.“ Auch
der Patienten zeigt anfangs einen         Oel. „Nachdem früher eine sympto-       die Untergruppe der progredienten
schubförmig remittierenden Verlauf        matische Therapie im Vordergrund        MS stellt weiterhin ein Problem dar.
(RRMS), bei dem sich Phasen der           stand, sind inzwischen in Europa 13     „Im Vergleich zur schubförmigen Er-
Verschlechterung, Remission und           Immuntherapien zur Behandlung           krankung sprechen diese Patienten
Stabilität ablösen. Die zeitlichen        der schubförmigen MS zugelassen,        deutlich schlechter auf eine Immun-
Abstände zwischen den einzelnen           sogenannte krankheitsmodifizie-         therapie an.“
Schubereignissen können erheblich         rende Medikamente. Je nach Medi-        Als krankheitsmodifizierende
schwanken.“ Unbehandelt gehen             kament zeigen ca. 30 bis 50 Prozent     Medikamente kommen verschie-
die meisten Patienten später in eine      der Patienten in Behandlung über        dene immunmodulatorische bzw.
Krankheitsphase der sogenannten           mehrere Jahre überhaupt keine           immunsuppressive Substanzen zur
Sekundär Chronisch Progredien-            Krankheitsaktivität mehr. Bisher        Anwendung. Das Spektrum reicht
Immunsystem _ 19

                                                                                 Profiling MS
                                                                                 Was?            Wie bei anderen Autoimmun­
                                                                                                 erkrankungen ist bei MS
                                                                                 die Immuntoleranz gestört, es kommt zur
                                                                                 Immunantwort gegen körpereigene Struktu-
                                                                                 ren. Wie diese entsteht, ist noch nicht geklärt,
Ein Großteil der Krankheitsfälle tritt im Alter zwischen 20 und 40 Jahren auf.
Frauen sind bis zu 3,5-mal häufiger betroffen als Männer.                        relevant sind sowohl das angeborene als auch
                                                                                 das adaptive Immunsystem. T-Lymphocyten
von moderat wirksamen Substanzen, wie Beta-Interferonen, bis                     strömen vermehrt in das ZNS ein und richten
zu hochwirksamen monoklonalen Antikörpern.                                       sich gegen „Selbst-Antigene“*. Dadurch wer-
„In der Regel haben moderat wirksame Substanzen ein günstiges                    den weitere Immunkaskaden ausgelöst, dies
Risikoprofil, bei hochwirksamen Therapien steigt auch das Risiko                 führt zu einem Einstrom von Makrophagen,
schwerwiegender Nebenwirkungen, etwa Infektionen ausgelöst                       B-Zellen und Antikörpern. Unter anderem
durch Viren, Bakterien, Pilze und Parasiten“, vertieft der Neurolo-              die Markscheiden der Nerven und das Ner-
ge. „Es muss daher in der Auswahl der richtigen Medikation eine                  venaxon werden geschädigt.
Risiko-Nutzen-Abwägung unter Berücksichtigung der Krank-
heitsaktivität, des Patientenalters und möglicher Begleiterkran-
kungen erfolgen.“                                                                Wer?             Der Erkrankungsgipfel liegt
                                                                                                  im Alter zwischen 20 und 40
                                                                                 Jahren. Auch Kinder über zehn und Jugendli-
Starkes Immunsystem gegen MS?                                                    che können erkranken. Frauen sind häufiger
Aus Migrationsstudien ist seit vielen Jahren bekannt, dass die                   im Verhältnis von ca. 3,5 zu 1 betroffen.
Grundlage der MS bereits während der Reifung des Immun-
systems in der Kindheit gelegt wird, so dass die Möglichkeiten
einer Reduktion des Erkrankungsrisikos durch eine „Stärkung
des Immunsystems“ im späteren Lebensalter leider nach heuti-
                                                                                 Wie?           Häufige Erstsymptome sind
                                                                                                Entzündungen des Sehnervs,
                                                                                 Sensibilitätsstörungen oder Augenbewe-
gem Erkenntnisstand begrenzt sind. Gesichert ist, dass sich eine                 gungsstörungen. Im weiteren Verlauf können
Nikotinkarenz auch bei bereits bestehender Erkrankung positiv                    Blasenstörungen, Lähmungserscheinungen
auswirkt. Als günstig gilt eine ausgewogene Ernährung („Mittel-                  sowie Gleichgewichts- und Koordinationsstö-
meerdiät“) mit regelmäßigem Fischkonsum, reduzierter Zufuhr                      rungen auftreten.
tierischer Fette und hohem Anteil an Frischobst und Gemüse.
„Bezüglich der verbreiteten Vitamin-D-Einnahme ist die Studi-
enlage uneinheitlich“, so Oel. Empfohlen werden normale oder
hochnormale Vitamin-D-Spiegel. „In diesem Zusammenhang
                                                                                 Warum?                       Bei der Entste-
                                                                                                              hung der Erkran-
                                                                                 kung spielen mehrere Faktoren eine Rolle, die
wird auch zu einer moderaten Sonnenexposition geraten, ich                       noch nicht restlos geklärt sind. Neben einer
rate zum Beispiel zu körperlicher Aktivität im Freien.“ Abgeraten                genetischen Prädisposition werden verschie-
wird von einer hochdosierten Vitamin-D-Gabe ohne regelmäßige                     dene Umweltfaktoren als Auslöser vermutet,
Laborkontrollen.                                                                 zum Beispiel Sonnenexposition bzw. Vita-
                                                                                 min-D-Mangel, Infektionserkrankungen in
COVID-19-Risiko für MS-Patienten                                                 der Kindheit, „hygienischer Lebensstil“ und
Die MS selbst führt nicht zu einer Immunschwäche. Allerdings                     Ernährungsgewohnheiten. Als wichtiger
können einige der Immuntherapeutika das Infektionsrisiko                         Risikofaktor wurde in den letzten Jahren das
erhöhen, vor allem Virusinfekte betreffend. Interessanterwei-                    Rauchen identifiziert, auch Adipositas und
se zeigen Daten aus der aktuellen Covid-19-Pandemie aber, das                    erhöhte Kochsalzzufuhr erhöhen das Risiko.
einige Immunsuppressiva möglicherweise sogar das Risiko für                      Entgegen einer populären Meinung gibt es
einen schweren Krankheitsverlauf verringern können. So läuft                     keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass
derzeit etwa eine Studie mit dem MS-Medikament Fingolimod bei                    Impfungen die Krankheit auslösen oder das
Covid-19-Patienten, da vermutet wird, dass es Entzündungsreak-                   Erkrankungsrisiko erhöhen könnten.
tionen im Lungengewebe unterdrücken kann. →
                                                                                 *Antigene körpereigener Zellen
20 _ Immunsystem

Fortsetzung von Seite 19:

→ Vereinfacht gesagt: Bei Autoimmunerkran-                                                    Allergie als übe
kungen wird körpereigenes Gewebe durch

                                                                                           Ges
bestimmte Zellen und Antikörper des Immun-
systems angegriffen. Normalerweise werden
fehlgeleitete Abwehrzellen vom Körper aussor-
tiert, so dass sie sich nicht gegen eigene Antige-
ne richten (Immuntoleranz). Diese verliert sich
bei Autoimmunkrankheiten, Zellen richten sich
gegen eigenes Gewebe. Nachgewiesen werden
Autoimmunerkrankungen zum Beispiel durch
Autoantikörper im Blut.

Heute sind rund 60 unterschiedliche Autoim-
munerkrankungen bekannt. Ein Beispiel ist
neben den entzündlich-rheumatischen Erkran-
kungen und Multipler Sklerose auch Typ-1-­
Diabetes, bei welchem Antikörper die Insulin
produzierenden Beta-Zellen zerstören. Bei der
Schuppenflechte (Psoriasis) stufen Immunzel-
len körpereigene Hautzellen als Fremdkörper
ein, in dessen Folge es zu einer Entzündungsre-
aktion der Haut kommt. Die systemische Lupus
erythematodes (SLE) zählt zu den Autoimmun­
erkrankungen des Bindegewebes, die alle Orga-
ne betreffen kann. Sie führt zu Entzündungen
von Gefäßen, Muskeln, Gelenken und diverser
Organe. Häufig ist die Haut betroffen und im
Gesicht kann sich eine symmetrische, schmet-
terlingsförmige Hautrötung zeigen.

                                                            Auch bei einer Allergie wird das Immunsys­
Auch die Schuppenflechte zählt zu den Autoimmunerkran­      tem fehlgeleitet. Es reagiert überschießend
kungen. Sie kann heute gut behandelt werden und ist nicht   auf vermeintlich feindliche Substanzen,
ansteckend.                                                 etwa auf Pollen, Tierhaare oder bestimmte
                                                            Nahrungsmittel. Zum Beispiel gilt das
                                                            Niesen neben Schnupfen und Atemnot als
Da die Ursachen von Autoimmunerkrankungen                   allergische Reaktionen der Atemwege.
nicht sicher geklärt sind, ist es meist nur mög-
lich, die jeweiligen Symptome zu behandeln.
In schweren Fällen werden Immunsuppressiva
verschrieben, um die Abwehrfunktion des Kör-
pers zu stoppen. Als Nebenwirkung muss man
in Betracht ziehen, dass sich die allgemeine
Infektanfälligkeit erhöht. ■
Immunsystem _ 21

erschießende Abwehrreaktion

sundheit!          Sowohl Autoimmunerkrankungen als auch Aller-
                   gien liegt eine gestörte Abwehrreaktion zu Grunde. Bei Allergien
                                                                                                   Symptome
                                                                                                   allergischer
                                                                                                   Reaktionen:
                                                                                                   Atemwege:
                                                                                                   rinnende Nase, Niesen,
                   überreagiert unser Körper auf eigentlich nicht schädliche Fremd-                Atemnot
                   substanzen. Bei Kontakt versucht unser Immunsystem diese Al-
                   lergene abzuwehren und zu eliminieren. Heute sind bereits über                  Augen:
                   20.000 auslösende Substanzen verzeichnet.                                       Rötung, Jucken, Tränen

                                                                                                     Magen-Darm-Trakt:
                                                                                                     Durchfall, Blähungen,
                                                                                                   ­Völlegefühl, Erbrechen, ­
                                                                                                    Entzündung der
                                                                                                    ­Schleimhaut

                                                                                                   Haut:
                                                                                                   Rötung, Juckreiz,
                                                                                                   Schwellung, nässende
                                                                                                   Bläschen, Quaddeln,
                                                                                                   Schuppenbildung

       B
              ei einer Nahrungsmittelallergie werden von Be-        nen sind sogar lebensgefährlich: Beim anaphylaktischen
              troffenen bestimmte Lebensmittel wie Obst, Nüsse,     Schock kommt es zu einem Kreislaufversagen.
              Soja oder Meeresfrüchte nicht vertragen. Um
       eine Reaktion bei einer Kontaktallergie hervorzurufen,       So kommt man dem Auslöser auf die Spur
       ist bereits ein Berühren der Haut mit Stoffen wie zum        Ein Allergietest gibt Klarheit über mögliche Behand-
       Beispiel Nickel, Duftstoffen oder Kosmetika ausreichend.     lungsformen. Wichtig ist vorab, die in Frage kommenden
       Aber auch Medikamente oder Zusatzstoffe in Injektionen       Allergene zu meiden. Mit Allergiemedikamenten können
       können bei einer Arzneimittelallergie zu den Auslösern       unangenehme Symptome wirksam unterdrückt oder zu-
       zählen ebenso Stiche durch Bienen, Wespen oder Mücken.       mindest gemildert werden. Im Rahmen einer Hyposensi-
       Besonders schwierig zu vermeiden sind Inhalationsaller-      bilisierung erhalten Allergiker die Auslöser regelmäßig in
       gien, da hier die Fremdstoffe wie Pollen, Sporen, Tierhaa-   kleinen Einheiten verabreicht. So kann sich mit der Zeit
       re oder Hausstaub über die Luft eingeatmet werden.           eine Toleranz gegenüber den Allergenen entwickeln. Da
                                                                    mit fortschreitendem Alter die Funktionstüchtigkeit un-
       Warum eine Allergie behandelt werden muss                    seres Immunsystems abnimmt, kann sich auch die Stärke
       Stufen Betroffene manche Beschwerden zwar oft als            der Allergiesymptomatik mit der Zeit abschwächen.
       lästig, aber harmlos ein, müssen allergische Reaktionen
       dennoch unbedingt durch den Facharzt abgeklärt und
       behandelt werden. Denn Allergene lösen bei den Betroffe-
                                                                                       In der Allergiediagnostik ist der Pricktest ein
       nen Entzündungsreaktionen aus, Verläufe können chro-
                                                                                       schnelles Standardverfahren. Er kommt bei
       nisch werden und zu einem sogenannten Etagenwechsel                             Allergengruppen, wie zum Beispiel Pollen,
       führen – so wächst sich Heuschnupfen nicht selten zu                            Hausstaubmilben, Tierhaaren und Schimmel­
       allergischem Asthma aus. Manch allergische Reaktio-                             pilzen, zum Einsatz.
22 _ Immunsystem

    Therapeutisch hervorragend untersucht als Methode
    zur Regulation negativer Gefühle ist die sogenannte
    Achtsamkeitsmeditation, die Mindfulness Based Stress
    Reduction (MBSR). Anhaltspunkte einer positiven
    Wirkung auf das Immunsystem sind der Rückgang von
    Entzündungen, die Verbesserung der zellgebundenen
    Immunität sowie eine Linderung der Beschwerden bei
    chronischen Schmerzzuständen.

   Enge Wechselwirkung Psyche,
   Nerven- und Immunsystem

   Junge Disziplin
   PSYCHO-NEURO-
   IMMUNOLOGIE
Einen innovativen Blick auf                  Neuro-Immunologie seit den sieb-       negative Emotionalität bei unan-
das Zusammenspiel von seelischer             ziger Jahren zunehmend intensiv        genehmen Stress oder Depressivi-
und körperlicher Gesundheit wer-             beforscht wird. „Förderlich auf das    tät je nach Ausprägung und Dauer
fen Walter Neubauer und sein Team            Immunsystem wirkt sich aus, wenn       immunologisch ungünstig aus.
vom Department für Erwachsenen-              wir in einer positiven seelischen      Wissenschaftliche Untersuchungen
psychosomatik am Klinikum-Stand-             Verfassung sind, wenn wir also zum     zu „Diabetes und Depression“ haben
ort Grieskirchen. Der Schwerpunkt            Beispiel eine optimistische Lebens-    gezeigt, dass Ärger, Anspannung
Psycho-Neuro-Immunologie zeigt,              haltung einnehmen und ein gutes        oder schlechte Stimmung oft zu
wie unser Immun­system in ständi-            Selbstwertgefühl und auch Selbst-      Unterzuckerung oder starker Über-
ger Wechselwirkung mit unseren               vertrauen haben“, sagt Neubauer.       zuckerung führen, während positive
Gefühlen, Gedanken und unserem                                                      Stimmung und Glücksgefühle mit
Verhalten ist.                                                                      einer guten Blutzuckereinstellung
                                             Emotionen senden                       einhergehen.
Unser Abwehrsystem ist eng ver-
zahnt mit dem Nervensystem, was
                                             Signale an das
sich darin ausdrückt, dass Transmit-         Immunsystem und
ter des Nervensystems auf das Im-
munsystem wirken und umgekehrt“,
                                             können es dadurch
erklärt Departmentleiter Neubauer.           stärken oder
„Emotionen fungieren als ‚Boten-
stoffe‘ der menschlichen Psyche an
                                             schwächen.
unser Bewusstsein, um unsere see-
lische Befindlichkeit mitzuteilen. So        „Wenn wir erleben, dass wir in guten
senden sie auch Signale an unseren           Beziehungen zu unseren Mitmen-
Körper aus, darunter auch an die             schen eingebettet sind und Gefühle
Adresse des Immunsystems.“                   wie Dankbarkeit, Fröhlichkeit und
                                                                                    OA Dr. Walter Neubauer
Zwischen Psyche, Nerven- und                 Begeisterung erleben, kann das Stu-
Immunsystem findet also ein stän-            dien zufolge zu einer verminderten     Leiter Department für Psycho-
diger Informationsaustausch statt,           Infektanfälligkeit gegen Rhinovi-      somatik für Erwachsene,
welcher im Fachgebiet der Psycho-­           ren führen.“ Umgekehrt wirkt sich      Klinikum-Standort Grieskirchen
Medizin und Pflege _ 23

                                                                                             Mehr Infos unter wirsindpflege.at →

Kompetenzen -
wann, wo und in welcher Form

Der neue Grade-
and-Skill-Mix
                                           erklärt Pflegedirektorin Andrea
                                           Voraberger. Am Klinikum wurde
                                           ein Projekt initiiert, das analy-
                                           siert, welche Potenziale für den
                                           Einsatz der Pflegefachassistenz
                                                                                                Die neuen Pflegeleitungen im Zentral-OP-Ebene 1:­
                                           gesehen werden bzw. ob admi-
                                                                                                Barbara Steininger mit Team HNO/Kieferchirur­
                                           nistrative und hauswirtschaft-                       gie ­sowie die interimistische, duale Leitung des
                                           liche Tätigkeiten von anderen                        Teams Orthopädie/Wirbelsäulenchirurgie mit
                                           Berufsgruppen übernommen                             Ulrike Kocher und Andreas Dammerer

                                                                                                OP-Pflegeteams
                                           werden können. Eine kürzere
Pflegedirektorin Mag. Andrea Voraberger:   Verweildauer der Patienten und
„Mit dem optimierten Grade-and-Skill-      die Dichte diagnostischer Maß-

                                                                                                neu strukturiert
Mix möchten wir sicherstellen, ausrei­     nahmen hat in diesen Bereichen
chend Mitarbeiter mit den erforderlichen
                                           zu einem deutlichen Anstieg des
Qualifikationen und den notwendigen
Fähigkeiten, Fertigkeiten und Erfahrun­    Arbeitspensums geführt.
gen zu beschäftigen.“                                                                           Aktuell sind im OP-Management
                                           Zukunftsweisend                                      der HNO, Kieferchirurgie, Orthopädie
Für welche Aufgaben in der                 Das Projekt wurde in Kooperation                     und Wirbelsäulenchirurgie insgesamt
Patientenversorgung braucht es             mit dem Linzer Gesundheitsun-                        rund 200 Operationen beschrieben –
welche Fähigkeiten und Ausbil-             ternehmen Solgenium auf aus-                         vom Routineeingriff über Notfälle bis
dungen bzw. Kompetenzen? In                gewählten Stationen an beiden                        hin zu komplexen Operationen. Dank
den letzten zehn Jahren wurde              Klinikum-Standorten gestartet.*                      des medizinisch-technischen Fort-
in Österreichs Krankenhäu-                 „Auf Basis einer detailreichen                       schritts kommen laufend neue Verfah-
sern dem Thema „Grade-and-                 Analyse der Ist-Situation werden                     ren und Systeme zum Einsatz, um die
Skill-Mix“ vermehrt Beachtung              Benchmarks entwickelt, die uns                       Patienten­versorgung zu optimieren.
geschenkt.                                 für die zukünftige Personalbe-
                                           darfsplanung zur Verfügung ste-                      Seit zehn Jahren erlebe ich mit, wie sich

A    uch am Klinikum hat sich
     das Handlungs- und Kompe-
tenzprofil der Pflegekräfte durch
                                           hen“, beschreibt Roswitha Cossée,
                                           stellvertretende Pflegedirektorin
                                           am Standort Grieskirchen, einen
                                                                                                jeder Fachbereich spezialisiert und wei-
                                                                                                terentwickelt“, so Andreas Dammerer.
                                                                                                „Die Anforderungen an das Pflegeperso-
die Übernahme ärztlicher Aufga-            wesentlichen Nutzen des Projekts.                    nal stiegen, es wird immer schwieriger,
ben, wie Infusionsmanagement,              Die Ergebnisse sollen zukunfts-                      in allen Fachbereichen am ­neuesten
Venflon­anlagen oder Zytostatika-          weisend für weitere Bereiche am                      Stand zu bleiben.“ Die Kon­zentration auf
verabreichung, und das Abgeben             Klinikum sein.                                       die Fachrichtungen hal­­biert die Band-
von administrativen Aufgaben               *Wels: Unfall B4 OG2, Unfallambulanz, Grieskir-      breite an Operationen pro Team, der
an Stationsassistentinnen sowie            chen: V. Interne G2                                  fokussierte Einsatz führt zu noch mehr
hauswirtschaftlichen Tätigkeiten                                                                Routine und Sicherheit. „Mit gutem
an die Abteilungshilfen verändert.                                                              On-Boarding, geförderter Teamkultur,
„Der Mangel an Pflegekräften,                                                                   Spezialisierung, Wissensvermittlung
die zunehmende Spezialisierung                                                                  und Fehlerkultur setzen wir konkrete
und die Etablierung der neu-                                                                    Maßnahmen, um Mitarbeiter zu unter-
                                                                    Roswitha Cossée
en Pflegefachassistenz machen                                                                   stützen und die OP-Pflege zu einem noch
es notwendig, erneut über das                                       stv. Pflegedirektorin,      attraktiveren Arbeitsbereich weiterzu-
Zusammenarbeiten innerhalb der                                      Klinikum-Standort           entwickeln", sind sich die drei Führungs-
Berufsgruppen nachzudenken“,                                        Grieskirchen                kräfte im Zentral-OP Ebene 1 einig.
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