Klinikum - schon geimpft? - Klinikum Wels-Grieskirchen
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Ausgabe 3 / 2020 Klinikum Magazin Klinikum Wels-Grieskirchen ■ Das Immunsystem, unser Schutzschild Was es stark oder schwach macht ■ TELEMEDIZIN Herz am Schirm schon geimpft? Besser laufen, radeln, schwimmen
2 _ Editorial Mag. Dietbert Timmerer Sr. Franziska Buttinger Liebe Leserinnen und Leser! Wie kaum zuvor steht 2020 im Zeichen des Schutzes unserer Gesundheit durch Sicherheitsmaßnahmen wie Abstand halten, Händehygiene und das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes. Ausgelöst durch ein neuartiges Virus, das uns mangels Erfahrungs- werte und wirkungsvoller Gegenmittel ein gewisses Maß an Unsicherheit bringt. D och was uns häufig nicht Frage, was passiert, wenn sich das ei- eine bestimmte Anzahl von Stipen- bewusst ist: Unser Körper gene Immunsystem gegen gesunde dien zur Verfügung gestellt. Aber verfügt über einen eigenen, Körperstrukturen richtet: Autoim- nicht nur der Pflegenachwuchs wird großartigen Schutzschild – das munerkrankungen treten in unter- gefördert: Vom im Juli in OÖ abge- Immunsystem, eine ausgeklügelte schiedlichen Ausprägungen auf. Wir schlossenen Pflegepaket profitieren biologische Abwehr gegen Krank- haben die häufigsten unter die Lupe rund 13.500 ausgebildete Pflege- heitserreger wie Bakterien oder genommen und die Klinikum-Ex- kräfte, Hebammen und klinische Viren. Deshalb widmen wir diese perten zu Therapieansätzen befragt. Sozialarbeiter – zum Beispiel durch Ausgabe des Klinikum Magazins die- Auch wenn die meisten Autoimm- ein Plus im Verdienst. sem wertvollen Teil unseres Körpers. unreaktionen chronisch verlaufen, Nehmen Sie sich Zeit für wissens- können wir heute in vielen Fällen Gesundheit fördern, werte Informationen rund um unser auf Maßnahmen zurückgreifen, die Abwehrkraft steigern Immunsystem – wie es funktioniert, Betroffenen eine Verbesserung der Regelmäßige Bewegung, ausgewo- was es stärkt, was es schwächt und Lebensqualität bringen. gene Ernährung und nicht rauchen was wir selbst tun können, um werden immer in einem Atemzug unsere körpereigene Abwehrkraft Wir bauen auf die Zukunft genannt, wenn es um Gesundheits- gezielt gegen eindringende Viren Um dem nicht nur aktuell, sondern prävention geht. Damit dabei auch und andere schädigende Fremdstoffe beständig steigenden Bedarf an nichts „schief läuft“, liefern wir einzusetzen. Mediziner plädieren für Pflegekräften Rechnung zu tragen, Ihnen regelmäßig gesunde Rezepte die Impfung als wesentlichen und setzen wir viel daran, die Ausbil- aus unseren Klinikum-Küchen und wirkungsvollen Schutz, nicht nur dungsmodelle am Campus Wels dieses Mal auch Technik-Tipps zum aus Verantwortung für uns selbst, zunehmend zu attraktivieren. So richtigen Laufen, Radfahren und sondern auch in Anbetracht unserer startet in Wels erstmals ab März 2021 Schwimmen. Auch das Klinikum Rolle als potenzielle Überträger für ein Lehrgang zur Pflegefachassis- selbst bleibt in Bewegung, um die unsere Mitmenschen, insbesondere tenz berufsbegleitend – so erhalten Gesundheitsversorgung der Bevöl- Risikogruppen. Quereinsteiger eine ideale Möglich- kerung optimal zu gewährleisten: keit, sich beruflich umzuorientieren. Prim. Univ.-Prof. Dr. Harald Hofer, Unterstützung für FH-Studierenden der Gesundheits- Leiter der Abteilung für Innere den Körper und Krankenpflege werden künftig Medizin I, übernimmt interimistisch Spezialbereiche unseres Klinikums von den Oö. Spitalsträgern – so auch die Leitung der Zentralen Notfallam- beschäftigen sich intensiv mit der dem Klinikum Wels-Grieskirchen – bulanz.
Editorial _ 3 Natürliches Schutzschild: Einerseits ist es angeboren, andererseits wächst es tagtäglich mit – unser Immunsystem. Schon mit ein paar einfachen Mitteln können wir es bei seinen gewaltigen Aufgaben unterstützen, etwa durch einen gesunden Lebensstil, Hände waschen und Impfungen. Der beste Verlauf: keine Ansteckung Beachten Sie auch, dass die Coro nainfektionszahlen derzeit in die Höhe schießen. Oberösterreichs Gesundheitseinrichtungen sind gut vorbereitet, um Patienten mit schwereren COVID-19-Verläufen optimal zu versorgen. Grundsätzlich ist zu bedenken: Der beste Weg, um derzeit einen schweren COVID-19- Verlauf zu verhindern, ist die Ver- meidung einer Ansteckung. Abschließend eine Bitte: Vertrauen Sie in den eigenen Körper, bleiben Sie körperlich und geistig beweglich und genießen Sie viele gute Momente. Viel Freude bei der Lektüre! Herzlichst, Sr. Franziska Buttinger Mag. Dietbert Timmerer
Inhalt _ 5 Inhalt ............................................................ ............................................................ Medizin und Pflege 8 Für das Leben 28 Am Cover Immunsystem im Fokus Klinikum-Seelsorge Schutzschirm des Menschen Das macht uns stark ............................................................ ............................................................ 12 Unternehmen Impfen heiSSt: Verantwortung tragen 30 ............................................................ Qualität im Vormarsch Klinikum-Gesamtzertifizierung läuft 14 ............................................................ Körpereigen oder fremd? Tumorzellen und das Immunsystem ............................................................ 32 Satte Kooperation 17 Lebensmittelüberschuss an OÖ Tafel Autoimmunerkrankung Rheuma ............................................................ Wenn der Körper sich selbst bekämpft ............................................................ Netzwerk 18 36 Dr. Dorothea Gallistl-Niel MS-Immuntherapien Mit Technik zum Erfolg Boomende Behandlungserfolge Fehler beim Laufen, Schwimmen Arbeitsmedizinerin, ............................................................ und Radeln vermeiden Klinikum-Standort Grieskirchen – ............................................................ www.klinikum-wegr.at 22 Psycho-Neuro-Immunologie Standards Die Arbeitsmedizin am Klinikum Wels-Gries- Glücksgefühle stärken die Gesundheit 2 Editorial kirchen deckt eine große Palette an arbeits- ............................................................ 6 Kurz notiert medizinischen Aufgaben und Angeboten ab, um die Gesundheitsbelastung unserer 23 26 Ein Tag mit 34 Aus der Küche Mitarbeiter möglichst gering zu halten. Zu #wirsindpflege den arbeitsmedizinischen Aufgaben zählen Neuer Grade-and-Skill-Mix 38 First Ed neben zahlreichen weiteren zum Beispiel ............................................................ ............................................................ der Infektionsschutz mit Impfdatenerhe- 24 bung, Immunitätsüberprüfungen und Impf- beratung sowie die Durchführung von zahl- Telemedizin in der Kardiologie Plus an Lebensqualität durch reichen Schutzimpfungen, wie zum Beispiel Fernmonitoring Hepatitis, MMR, Tetanus, Grippe usw. ............................................................ IMPRESSUM: Medieninhaber, Hersteller, Herausgeber: Klinikum Wels-Grieskirchen GmbH, Grieskirchner Straße 42, A-4600 Wels, Tel.: +43 7242 415 - 0, Fax: +43 7242 415 - 3774, www.klinikum-wegr.at, E-Mail: post@klinikum-wegr.at .Verlags- und Herstellungsort: Wels. Druck und Vertrieb: Druckerei Ferdinand Berger & Söhne GmbH. Erscheinungshäufigkeit: 4 x im Kalenderjahr. Chefredaktion: Mag. Kerstin Pindeus, MSc. Redaktion: Mag. Renate Maria Gruber, MLS, OA Dr. Thomas Muhr, PhDr. Maximilian Aichinger, MSc, Mag. Andrea Voraberger, Mag. Julia Stierberger, Hildegard Rößlhumer und M ag. Andreas Schmolmüller. Layout: Birgitt Müller (Eigenbrot Grafik Design). Bildnachweis: Klinikum Wels-Grieskirchen, Nik Fleischmann, Robert Maybach, ESB Professional/shutter- stock.com, SciePro/shutterstock.com, eldar nurkovic/shutterstock.com, Irina Bg/shutterstock.com, eldar nurkovic/shutterstock.com, seb_ra/istockphoto. com, privat, NatchaS/istockphoto.com, Katrina Elena/shutterstock.com, GzP_Design/shutterstock.com, Frenggo/shutterstock.com, Fuss Sergey/shutter- stock.com, sun ok/shutterstock.com, Dean Drobot/shutterstock.com, TippaPatt/shutterstock.com, GaudiLab/shutterstock.com, Von literallysleepy/shut- terstock.com, baranq/shutterstock.com, Olesya Kuznetsova/shutterstock.com, petrenkod/istockphoto.com, Ink Drop/shutterstock.com, Alex Yuzhakov/ shutterstock.com, Jacob Lund/shutterstock.com, Roman Samborskyi/shutterstock.com, Kolesov Sergey/shutterstock.com. Titelbild: Dorothea Gallistl-Niel, fotografiert von Nik Fleischmann (www.foto-fleischmann.at) / Alle Texte und Bilder sind urheberrechtlich geschützt, Abdruck kann nur mit Genehmigung des Medieninhabers erfolgen. Offenlegung nach § 25 Mediengesetz: Gesundheitsinformationen aus dem und rund um das Klinikum Wels-Grieskirchen. Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Klinikum-Magazin auf die geschlechtsspezifische Differenzierung verzichtet. Begriffe, wie zum Beispiel „Patienten" und „Mitarbeiter", gelten im Sinne der Gleichbehandlung für beide Geschlechter.
6 _ Kurz notiert Katharina Glück Neue Leitung Psychiatrie Seit 1. August 2020 leitet Katharina Glück die Ausgezeichnet Abteilung für Psychiatrie und psychothera- Eine saubere peutische Medizin am Klinikum Wels-Gries- kirchen. Sie folgt Elmar Windhager, der nach Sache 23 Jahren als Abteilungsleiter seinen Ruhe- stand antritt. Zu Glücks Schwerpunkten zäh- „Wichtig sind mir len Alterspsychiatrie, bipolare Erkrankungen eine auf Offenheit, und peripartale Psychiatrie. Wertschätzung Die Fachärztin für Psychiatrie und psycho- therapeutische Medizin war seit 2003 in der und Transparenz Psychiatrischen Klinik Wels beschäftigt, seit der basierende Haltung, Fusion 2008 mit den Krankenhaus-Standorten Selbstbestimmung Wels und Grieskirchen im Klinikum Wels-Gries- und Autonomie kirchen, wo sie unter anderem die Leitung der Akutstation übernahm und seit 2009 Stellver- respektierende, treterin des Abteilungsleiters war. partizipative Neben ihrem Fachbereich verfügt Katharina Entscheidungsfindung Glück über Zusatzqualifikationen in der Geriat- unter Einbeziehung rie und Palliativmedizin. Mit der Etablierung der interdisziplinären Demenzstation im Jahr 2014 der Angehörigen.“ hat sie hier die Leitung seitens der Psychiatrie übernommen. Die Abteilung orientiert sich Prim. Dr. Katharina Glück am biopsychosozialen Modell und stellt das Leiterin der Abteilung Individuum mit seinen speziellen Bedürfnissen Andrea Binder, leitende Hygienefach für Psychiatrie und kraft am Klinikum, zeigt vor, wie Hände in den Mittelpunkt. Ein Ziel der neuen Abtei- desinfektion richtig geht. „Wir erheben psychotherapeutische Medizin lungsleiterin ist, durch Öffnung der Psychiatrie etwa den Verbrauch an Händedesin und Fortbildungsangebote Stigmatisierung und fektionsmitteln: Diese Werte sind ein Vorurteile gegenüber fachbezogenen Krank- deutlicher Gradmesser, ob und wie sich die Compliance unter den Krankenhaus heitsbildern abzubauen. mitarbeitern verbessert.“ Auch 2020 wurde das Klinikum Ingo Weber im Team Wels-Grieskirchen wiederum für Verstärkung für die Pflegedirektion seine Teilnahme an der „Aktion Saubere Hände“ ausgezeichnet. Seit Juli 2020 verstärkt Ingo Weber das Team der Auf den Intensivstationen wurden Pflegedirektion. Seine Zuständigkeit umfasst vor allem im vergangenen Jahr durchschnitt- die Bereiche der OP-Einheiten. Zudem agiert er als lich 47 Händedesinfektionen pro Schnittstelle zur Abteilung Qualitätsmanagement und Patiententag durchgeführt – das Organisationsentwicklung im Rahmen der Zertifi- sind vier Händedesinfektionen zierung und zur IT-Abteilung bei der Umsetzung des mehr als der vom deutschen Krankenhausinformationssystems. Surveillance-Modul HAND-KISS Weber, am Klinikum seit 2004 tätig, übernahm 2014 die empfohlene Wert von 43. Das für pflegerische Leitung der Operativen Sonderklasse-Sta- zwei Jahre gültige Zertifikat ist ein tion. Neben der Sonderausbildung in der Intensivpflege deutliches Zeichen, welches die Ingo Weber, BA, absolvierte er ein Studium in Pflegemanagement und Pflegemanagement weist heute vor allem viel Projekterfahrung vor. „Ich freue erfolgreiche Umsetzung von Maß- nahmen und Qualitätsstandards mich, nun mehr Verantwortung in der Gestaltung von zur Verbesserung der Händedes- Prozessen im Gesamtkontext des Klinikum Wels-Grieskirchen zu übernehmen", infektion im Krankenhausbetrieb erklärt er seine Motivation für die neue Funktion. Vor allem zwei große Ziele sieht aufzeigt. der Pflegeexperte in Zukunft: „Herausforderung Nummer eins ist, wie wir dem Fachkräftemangel begegnen, Nummer zwei, wie wir die Digitalisierung umsetzen.“
Kurz notiert _ 7 Wir gratulieren! And the winner is … Im Rahmen des Gewinnspiels der Pflegekampa- gne #wirsindpflege haben zahlreiche Teilnehmer aus den Reihen der Klinikum-Mitarbeiter ihre Fotos eingereicht. „Es ist schön zu sehen, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Kampagne #wirsindpflege unterstützen“, freut sich Pflegedi- rektorin Andrea Voraberger über die Zusendung der originellen Bilder. „Wir freuen uns bekannt zu geben, dass Alexandra Deutsch das Wellness-Wochenende im Wert von 600 Euro gewonnen hat.“ Der Aktionszeitraum für das Gewinnspiel lief von 6. Juli bis 16. August 2020, die Gewinne rin wurde per Zufallsgenerator ermittelt. Erfolgreiche Forschung am Klinikum Patient mit lebensgefährlichem Aortenriss gerettet Medizinische Experten des Klinikum Wels-Grieskirchen führen regelmäßig wissen- schaftliche Studien durch, welche auch inter- Schon national große Beachtung finden. Im Fall eines 42-jährigen Patienten haben sich die Erkenntnisse gewusst? als lebensrettend entpuppt – durch das studien- Bei einer akuten Aorten- basierte richtige Deuten von erhöhten Blutwerten dissektion kommt es zu und die optimale Zusammenarbeit der Kompe- einem Einriss der Wand tenzbereiche konnte eine akute Aortendissektion, der Hauptschlagader. Sie die ungewöhnlich symptomarm verlief, diagnosti- tritt selten auf, ist aber akut ziert und schnellst möglich erfolgreich behandelt „Am Klinikum werden. lebensbedrohlich mit einer hohen Sterblichkeitsrate. Zu Wels-Grieskirchen den Risikofaktoren zählen nehmen Experten im Allgemeinen Bluthoch- der verschiedensten druck, Arteriosklerose Disziplinen regelmäßig sowie genetische bedingte Veränderung des Gefäßes. erfolgreich an Studien Symptome für eine Aor- teil. In diesem Fall tendissektion sind meist hat sich gezeigt, dass akut einsetzende, extrem Wissenschaft Leben starke Schmerzen in Thorax, Rücken oder Abdomen und retten kann.“ eine Mangelversorgung durch eine Verlegung abge- OA Priv.-Doz. hender Gefäße. In der Regel Dr. Thomas Weber, gibt eine CT-Untersuchung Abteilung für Innere Medizin II, Im Bild die am erfolgreichen Eingriff beteiligten Klarheit über den Einriss. Kardiologie und Schlüsselkräfte mit dem Patienten zehn Tage nach Eine rasche Versorgung ist Intensivmedizin der Operation: Turnusarzt Dr. Julian Leitner, Zentrale notwendig. Notfallambulanz, Operateur OA Prof. Dr. Hans Joachim Geißler, Standortleiter Wels der Abteilung für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Kardiologe OA Priv.-Doz. Dr. Thomas Weber, der Patient und Prim. Priv.-Doz. Dr. Mehr zur lebensret- Johann Knotzer, Leiter der Abteilung für Anästhesiologie tenden Diagnose und Intensivmedizin. lesen Sie online! →
8 _ Immunsystem Rubrik Schutzschirm gefällig? Das Immunsystem des Menschen ist ein ausgeklügeltes biologisches Abwehr- system aus spezialisierten Organen, Geweben, Zellen und Eiweißen. Seine Aufgaben sind das Erkennen, Bekämpfen und Eliminieren von eindringenden Krankheitserregern, um den Körper zu schützen. Dies können Bakterien und Viren, Pilze, Parasiten oder Fremdstoffe sein. Man unterscheidet das angeborene und das erworbene Immunsystem. Thymusdrüse: Hier lernen die T-Lymphozyten, fremde Zellen zu erkennen und anzugreifen. Weiße Blutkörperchen gelangen über die Blutbahn in den Thymus und müssen die Drüse von der Rinde her bis in die Markregion durchwandern, um dann als T-Lym- phozyten wieder in die Blutbahn zu gelangen. Mit dem Alter verkümmert die Thymusdrüse. Schon Lymphknoten: kleine biologische Filterstationen entlang der Lymphgefäße. Verschiedene Abwehrzel- gewusst? len fangen dort Krankheitserreger ab und bilden Anti körper, Fresszellen reinigen die Gewebsflüssigkeit und die Knoten schwellen an. So wird eine aktive Ab- Zum Lymphsystem zählen wehrreaktion, zum Beispiel bei einem Infekt, sichtbar. Lymphe, Lymphkapillaren, grö- ßere Lymphgefäße, Lymphkno- ten, Milz, Mandeln und Thymus. Es transportiert Nähr- und Abfallstoffe und entsorgt Krank- heitserreger. Täglich führen die Knochenmark: Quelle aller Abwehrzellen. Es bildet weiße Blutkörperchen, welche sich zu unter- Lymphgefäße bis zu zwei Liter schiedlichen Blutzellenarten weiterentwickeln. Auch wässrige hellgelbe Zwischen- rote Blutkörperchen und Blutplättchen werden hier zellflüssigkeit in das Venensys- produziert. Die unterschiedlichen Zelltypen entwi- tem. Mit dieser Lymphe werden ckeln sich aus Stammzellen im Knochenmark und abgestorbene Zellen, Eiweiß- gelangen während ihrer Reifung in die Blutbahn. und Fremdkörper, Bakterien, Fette und Stoffwechselendpro- dukte abgeleitet.
Rubrik _ 9 Haut und Schleimhaut: mechanischer Schutzwall, erste Barriere gegen von außen eindrin- gende Krankheitserreger. Schutz wird verstärkt durch körpereigene Bakterien sowie bakterienhemmende Substanzen, zum Beispiel in Speichel, Bronchial- schleim oder Magensäure. Mandeln: 1 bis 2 cm dickes lymphatisches Gewe- be mit Spalten an der Oberfläche. Dort siedeln sich Speisereste und Bakterien an, mit welchen sich weiße Blutkörperchen auseinandersetzen. Die Spalten wer- den regelmäßig entleert, sichtbar als weißer Belag. Ohne Rötung, Schmerzen oder Fieber liegt keine Ent- zündung vor. Milz: Hier werden Lymphozyten vermehrt und Monozyten gespeichert. Somit ist das Organ ein wich- tiges Glied in der Kette der Immunabwehr. Überalterte Blutzellen werden hier ausgesondert und die Blutmen- ge des Körpers reguliert. Leber: Hier werden Bakterien, sterbende Zellen und schädliche Fremdkörper durch Fresszellen abgebaut.
Arbeitsmedizinerin Dr. Dorothea Gallistl-Niel erklärt, wie komplex sich das Immunsystem unseres Organismus gestaltet. Die menschliche Immunabwehr Ein ausgeklügeltes System Ständig sind wir von einer Vielzahl an Stoffen aus der Natur umgeben. Über das Atmen und Essen, aber auch über trockene Schleimhäute oder Wunden, gelangen Erreger in den Organismus. Dann wird zum Schutz vor Erkrankungen das komplexe Immunsystem aktiv, welches auf verschiedene Mechanismen zurückgreift – auf angeborene unspezifische und auf erworbene spezifische.
Immunsystem _ 11 A n vorderster Front wehrt sich festzusetzen. Auch das Freiset- Nachgefragt die Haut Eindringlinge zen von Körperflüssigkeiten, wie mechanisch ab, eine che- mische Barriere stellt zum Schweiß, Urin oder Tränen, kommt unter anderem dieser Funktion Was ist der Beispiel die Magensäure dar. Die Fä- nach. Sollte es einem Erreger doch Unterschied higkeit, bereits eingedrungene Viren, Bakterien, Pilze und Parasiten zu gelingen, in den Körper zu gelangen, werden Abwehrzellen und Eiweiße zwischen eliminieren, kommt aber insbeson- dere den vielfältigen Zellen unseres aktiv. T- und B- Immunsystems zu, den Leukozyten. „Sie gestalten sich hochwirksam Erworbenes Immunsystem Zum erworbenen Immunsystem Lymphozyten? und lernfähig“, erklärt Dorothea zählen die T- und B-Lymphozyten Gallistl-Niel, Arbeitsmedizinerin am sowie die Antikörper. Sie kom- T-Zellen werden im Knochenmark Klinikum-Standort Grieskirchen. men dann zum Einsatz, wenn das gebildet und im Thymus definiert. „Einerseits besitzen sie die angebo- angeborene Immunsystem den Als Helferzellen aktivieren sie an- rene Fähigkeit zur Bekämpfung von Erreger nicht vernichten kann. Dafür dere Immunzellen und kurbeln die Erregern, andererseits sind sie lern- braucht es etwas Vorlaufzeit, denn fähig und können Immunität gegen es muss den Angreifer erkennen, ge- spezifische Abwehr an. Bindet sich bestimmte Erreger ausbilden.“ zielt bearbeiten und abspeichern, um ein Angreifer an eine T-Zelle, ver- ihn später zu erinnern und rascher mehrt sie sich und entwickelt eine Angeborenes Immunsystem zu bekämpfen. Durch diese Erinne- auf den Erregertyp maßgeschnei- Die wichtigsten Komponenten bil- rungsfunktion wird der Körper nach den alle äußeren und inneren Ober- durchgemachter Krankheit immun derte Immunantwort. Die Killer- flächen des Körpers, zum Beispiel gegen bestimmte Erreger, zumindest zellen unter den T-Lymphozyten Haut und Schleimhäute. Zusätzlich in einem Ausmaß, in welchem er die identifizieren infizierte Zellen bzw. zu diesem mechanischen Schutz vor Erkrankung nur abgeschwächt oder Tumorzellen und zerstören diese. dem Eindringen von Krankheitser sogar unbemerkt durchläuft. regern blockieren chemische Stoffe, Dieses Prinzip macht sich der zum Beispiel Magensäure, oder auch Mensch durch Impfungen zunut- antwort Schleim das Anlagern von Bakteri- ze: Durch gezieltes Verabreichen von en oder Viren. Durch ihre ständige von Antigenen wird das Bilden von DOROTHEA Bewegung hindern auch die Flim- Antikörpern erreicht, welche im GALLISTL-NIEL merhärchen in den Bronchien und Falle einer Infektion einen schweren die Darmmuskulatur Erreger daran, Krankheitsverlauf verhindern. B-Lymphozyten werden ebenfalls im Knochenmark gebildet, hier rei- fen sie zu spezialisierten – auf den jeweiligen Erregertyp abgestimm- Das läuft bei einer Entzün- ten – Abwehrzellen heran. Aktiviert dung ab: Infiziert sich zum werden sie von auf den gleichen Beispiel eine Wunde an der Angreifer spezialisierte T-Helferzel- Haut, werden Abwehrzellen len. Sie vermehren sich und geben aktiviert. Blutgefäße weiten sich und werden durchläs- als Plasmazellen passende Antikör- sig, die Wunde schwillt an, per ins Blut ab. Antikörper erken- wird warm und rötet sich. Bei nen potenziell schädliche Eindring- schweren Verläufen kann die linge (Antigene) und können diese Körpertemperatur ansteigen, die Gefäße weiten sich dann an sich binden. Einige der aktivier- und weitere Abwehrzellen gelangen zur Infektion. Fresszellen schließen die ten B-Lymphozyten entwickeln Erreger ein, verdauen sie und machen sie dadurch unschädlich. Überreste sich zu Gedächtniszellen. der Erreger markieren die Oberfläche der Fresszellen und werden vom Dr. Dorothea Gallistl-Niel ist Arbeits- spezifischen Immunsystem erkannt. Weitere Abwehrzellen geben Stoffe ab, welche die Eindringlinge abtöten. Im Zuge dieser Reaktion zerfallen medizinerin am Klinikum-Standort auch Gewebe- und Abwehrzellen. Sichtbar wird der Prozess durch eine Grieskirchen. gelbliche Flüssigkeit, das Eiter.
12 _ Immunsystem Impfen lassen Verantwortung tragen Die Grippeimpfung ist für alle wichtig – nicht nur für Risikogruppen wie Kinder, ältere oder kranke Menschen. Denn auch alle gesunden, nicht geimpften Menschen sind potenzielle Überträger der Erkrankung. I ch bin keine Impfgegnerin, aber deutet also, den gesunden Körper im ich bin auch keine Befürworte- geeigneten Moment auf potenzielle rin der Impfpflicht – jeder soll Gefahren durch Infektionskrank- sich bewusst für eine Impfung heiten vorzubereiten. Im Ernstfall entscheiden“, postuliert Arbeits- antwortet das geübte Immunsystem medizinerin Dorothea Gallistl-Niel. rasch und präzise.“ „Durch diese Entscheidung über- „Wir wären nehme ich nicht nur Verantwortung ungeschickt, wenn ImpFstoffe aus für meinen eigenen Körper, son- wir die Grippeimpfung Krankheitserregern dern auch für meine Mitmenschen. Totimpfstoffe enthalten abgetötete Denn wenn ich viel mit anderen nicht in Anspruch Keime, Bestandteile der Zellober- Menschen zu tun habe oder in nehmen würden.“ fläche der Erreger oder ihr entgif- einem Gesundheitsberuf arbeite, tetes Gift. Durch die Inaktivierung werde ich selbst zur Drehscheibe für Dr. Dorothea Gallistl-Niel des Erregers entwickelt sich kein Krankheitserreger wie zum Beispiel Krankheitsverlauf, in seltenen Fällen Influenzaviren.“ Derzeit richtet sich enza und Corona – verlaufen könnte treten nach der Impfung allgemei- die Aufmerksamkeit der Bevölkerung gibt es noch nicht. „Dafür muss man ne Symptome wie Kopfschmerzen, auf die Produktion eines wirksamen die Ergebnisse von Studien abwar- Fieber oder Übelkeit auf. Für Lebend Impfstoffs gegen Corona. „Gegen ten, auch zu den Langzeitfolgen von impfstoffe werden geschwächte die Grippe haben wir die Impfung COVID-19 ist noch wenig bekannt“, Erreger verwendet – sie werden schon lange – sie ist gut etabliert. so die Arbeitsmedizinerin. unter wachstumshemmenden Wir wären ungeschickt, wenn wir sie Bedingungen gezüchtet. Obwohl sie nicht in Anspruch nehmen würden.“ Impfen heiSSt: Vorbereiten die Krankheit nicht auslösen bzw. Die Familie der Grippeviren setzt auf Erkrankungen nur zu einem milden Verlauf füh- sich aus verschiedenen Erbanteilen Ein kleiner Stich in den Oberarm, ren, vermehren sie sich im Körper zusammen, jedes Jahr können ande- das war’s in den meisten Fällen. Bei- und trainieren die Immunabwehr. re Virusstränge zirkulieren. „Deshalb nahe unbemerkt spielen sich danach Ein Schutz baut sich auf. Bei Men- beobachten Experten kontinuier- komplexe Prozesse im Körper ab. Mit schen mit sehr gutem Immunsys- lich das weltweite Vorkommen und einem abgeschwächten Erreger wird tem kommt es manchmal zu einer produzieren jährlich einen Impfstoff der Körper infiziert. Darauf reagiert stillen Feiung: Ein Erreger wird im gegen jene Stämme, von welchen ein die Immunabwehr und produziert Körper bei symptomloser Infektion verstärktes Auftreten in der nächs- passende Antikörper, ohne dass die vollständig abgetötet, ohne dass im ten Saison zu erwarten ist.“ So bietet Krankheit ausgelöst wird. Bei einer Vorfeld eine Immunisierung stattge- die Influenzaimpfung einen best- tatsächlichen Infektion können funden hat. Der Erkrankte bemerkt möglichen Schutz gegen die zirku- die krankheitsauslösenden Erreger sie oftmals nicht. Die entstandenen lierenden Viren. Erfahrungswerte schnell und effektiv unschädlich Antikörper schützen vor einer neuer- dazu, wie eine mögliche Doppelin- gemacht werden, Symptome treten lichen Erkrankung mit dem gleichen fektion durch beide Erreger – Influ- in der Regel nicht auf. „Impfen be- Erreger.
Influenza stammt vom italienischen Wort „influenza“, welches übersetzt „Einfluss“ bedeutet. Im Italien des 14. Jahrhunderts bezeichnete der Begriff epidemische Krankheiten, von denen man glaubte, dass sie unter dem Einfluss der Gestirne oder der Kälte standen. Schon gewusst? Das hat die Natur gut eingerichtet: Nach der Geburt verfügen Babys über den Nestschutz, eine Leihimmunität, welche sie durch den stofflichen Austausch mit dem Blut- kreislauf der Mutter erworben haben. Deshalb verfügen reife Neugeborene über einen gewissen Schutz gegen In- fektionskrankheiten. Der Nestschutz baut sich in zwei bis vier Monaten nach der Geburt ab, parallel dazu beginnt das Kind, selbst Antikörper aufzubauen – zum Beispiel durch Impfungen bzw. durchgemachte Infekte. Auch Mutter- milch enthält Abwehrstoffe der Mutter und kann auf die- sem Weg den Nestschutz unterstützen.
14 _ Immunsystem Trickreiche Tumorzellen im Visier Blut- und Krebserkrankungen und das Immunsystem Grundsätzlich ist unser Immunsystem nicht machtlos ge- genüber Tumorzellen. Es kann bösartige Zellen erkennen und auch vernichten. Tumorzellen können sich allerdings durch spezielle Me- chanismen dem Immunsystem entziehen. Eine einfache „Stärkung“ des Immunsystems reicht nicht aus, um die Entstehung von Krebs zu verhindern. V ermutlich ist es der Normalfall, dass das Immunsystem Tumor- zellen als fremd erkennt und eliminiert. Tumorzellen sind aber aufgrund der Tatsache, dass sie noch sehr viele Merkmale des Ursprungsgewebes, zum Beispiel von Darm, Haut oder Niere tragen, nicht so fremd wie von außen eindringende Bakterien, Viren oder Pilze. Das macht es für das Immunsystem schwieriger, die Krebszellen als fremd zu erkennen. Außerdem verändern sich Tumorzellen sehr schnell und können so dem Immunsystem entkommen. Onkologin Sonja Heibl im Interview zum aktuellen Wissensstand um die Zusammenhänge zwischen Immunsystem und Blut- und Krebserkrankungen.
Immunsystem _ 15 Sonja Heibl im Interview Frau Dr. Heibl, gibt es Risikofaktoren im Zusammen- ist nicht genau bekannt. Wenn trotz eines funktionie- hang mit dem Immunsystem, die eine Blut-oder Krebs renden Immunsystems eine Krebserkrankung entsteht, erkrankung begünstigen? bedeutet dies nicht, dass das Immunsystem pauschal → Sonja Heibl: Ob durch ein „schwaches Immunsystem“ versagt hat. Tumorzellen können durch unterschiedliche ein erhöhtes Krebsrisiko entsteht, hängt davon ab, ob Mechanismen, etwa durch Tarnung, Manipulation des die Immunabwehr nur vorübergehend nicht ausreicht Immunsystems, Vermehrung von myeloiden Suppressor- oder dauerhaft geschwächt ist. Lebenslange bzw. länger zellen und damit Schwächung des Immunsystems, auch anhaltende Störungen des Immunsystems treten nicht einem „starken“ Immunsystem entkommen. oft auf, aber es gibt seltene angeborene Immundefekte, deren genetische Ursachen oft sehr genau bekannt sind. Welche Rolle spielt das Immunsystem bei der Therapie Eine nicht angeborene Immunschwächeerkrankung mit von Tumorerkrankungen? erhöhtem Risiko für Krebs ist AIDS. Studien zeigen auch, → Durch eine klassische Chemotherapie kann es ins- dass Patienten nach Organtransplantationen mit lebens- besondere in den ersten sieben bis zehn Tagen nach langer immunsuppressiver Behandlung ein erhöhtes der Verabreichung zu einem Abfall der Leukozyten und Risiko für die Entwicklung von bösartigen Erkrankungen damit zu einer verminderten Verfügbarkeit der Zellen aufweisen. Es gibt auch deutliche Hinweise darauf, dass des Immunsystems kommen. Bei aplasierenden Che- einige chronische Entzündungen zur Entstehung von motherapien*, die man beispielsweise zur Behandlung Tumorerkrankungen beitragen können, beispielsweise von akuten Leukämien einsetzt, kann diese Phase der haben Patienten mit Colitis ulcerosa ein erhöhtes Darm- eingeschränkten Verfügbarkeit der Immunzellen deut- krebsrisiko. lich länger anhalten. In dieser Phase werden Patienten in einer „Schutzisolierung“ behandelt, um das Risiko einer Umgekehrt gefragt: Kann ein starkes Immunsystem die Infektion zu minimieren. Tritt dennoch eine Infektion Wahrscheinlichkeit für die Entstehung einer Blut- oder auf, ist eine rasche und breite antibiotische Therapie Krebserkrankung reduzieren? unerlässlich. → Das Immunsystem ist abhängig vom Allgemeinzu- Eine Impfung mit Totimpfstoffen ist für Tumorpatienten stand. Ist jemand etwa stark unterernährt, stehen dem je nach Erkrankung und Therapie möglich. Es gibt bis- Körper nicht genügend Ressourcen für eine ausreichende lang keinen Beweis, dass eine Impfung eine zugrunde- Immunabwehr zur Verfügung. Es gibt Studien, die zei- liegende Tumorerkrankung negativ beeinflusst. Je nach gen, dass ausreichend Bewegung und Schlaf das Immun- Therapie kann der Impferfolg abgeschwächt sein. system positiv beeinflussen. Wie das exakt funktioniert, → *das alte Knochenmark abtötend
16 _ Immunsystem → Tumorpatienten sind für die saisonale Grippe anfällig und sollten deshalb jährlich immunisiert wer- den. Eine Pneumokokkenimpfung wird insbesondere für Patienten mit Lymphomen, Leukämien und Mye- lomen aufgrund der therapiebeding- ten Abwehrschwäche empfohlen. Immunsystem „Immunschwache und neue Patienten können vor Infektionen geschützt werden, Tumortherapien Immunologische Ansätze in der bei aggressiven Lymphomen und wenn ihre Behandlung von Tumorerkrankun- Leukämien, die auf eine Standard- Mitmenschen gen werden schon lange verfolgt – therapie nicht ansprechen, zum geimpft sind.“ allerdings nicht alle erfolgreich. Einsatz. OÄ Dr. Sonja Heibl In der zielgerichteten Therapie Behandlungen, welche derzeit Abteilung für Innere Medizin IV, richten sich synthetisch hergestell- unter dem Schlagwort „Immun- Hämatologie und internistische te Antikörper gegen Zielstrukturen therapie“ häufig in den Medien Onkologie an der Tumorzellenoberfläche. Die präsent sind, meinen den Einsatz ausgelöste Immunreaktion verbes- von sogenannten Immun-Check- sert die Wirkung einer klassischen point-Inhibitoren – spezielle Anti- „Für Patienten mit Tumorerkran- Chemotherapie bei vielen Erkran- körper, die das Immunsystem aktiv kungen, geschwächtem Immunsys- kungen. ieren. Immun-Checkpoints, auch tem und eventuell nicht möglicher „Bremsen des Immunsystems“, Immunisierung ist es von eminenter Bispezifische Antikörper, die in der verhindern, dass das Immunsystem Bedeutung, dass bei Menschen ihrer Therapie von Lymphomen und Leu- übermäßig aktiv wird und gesun- nahen Umgebung, bei Angehörigen, kämien eingesetzt werden, verbin- des Gewebe angreift. So können Freunden und Therapeuten, ein aus- den durch zwei Bindungsstellen ein Tumorzellen dem Immunsystem reichender Impfschutz vorhanden Tumorantigen auf der Tumorzelle entgehen. Durch Inhibitoren ist, um sie so vor einer Ansteckung und eine Immunzelle. Dadurch dieser Kontrollpunkte werden die zu schützen“, plädiert Heibl. werden weitere Immunzellen „Bremsen gelöst“, die Tumorzellen angelockt, welche die Tumorzellen erkannt und eliminiert. Diese The- Für eine SARS-CoV-2 Infektion steht zerstören. rapie wird bei sehr vielen Tumor derzeit keine Impfung zur Verfü- entitäten (Gruppen) untersucht, gung. Eine Ansteckung muss durch Unter einer CAR-T-Zell-Therapie hat aber bereits einen gesicherten entsprechende Schutzmaßnahmen versteht man eine Therapie, bei Stellenwert in der Behandlung verhindert werden. der T-Zellen des Patienten gen- von Melanomen, HNO-Tumoren, technisch mit einem künstlichen Nierenzellkarzinomen, Blasenkar Rezeptor versehen werden. Dem zinomen und bestimmten Formen Patienten verabreicht lenkt der von Brustkrebs. Als Nebenwirkung Rezeptor effektiv auf ein definier- kann bei diesen Therapieformen tes Antigen und eliminiert dieses. eine Reaktion gegen körpereigene Die Therapieform kommt aktuell Strukturen auftreten.
Immunsystem _ 17 Wenn Gelenksschwellungen oder -schmerzen ohne vorherige Verletzung über mehrere Wochen bestehen, sollte der Hausarzt aufge sucht werden. Er kann meist bereits zwischen Arthrose, Gicht und einer rheumatischen Erkrankung unterscheiden. Autoimmunerkrankung Rheuma Körper gegen Körper In manchen Fällen richtet sich das eigene Immunsystem gegen gesunde Körperstrukturen. Dann spricht man von einer Autoimmun erkrankung. Zu den häufigsten zählen entzündlich-rheumatische Erkrankungen. Rheumatoide Arthritis trifft Frauen doppelt H äufig machen sich Schmerzen von Gelenken und Muskeln und so oft wie Männer. Eine rasche Therapie kann Schäden an den Gelenken verhindern. Schwellungen von Gelenken bemerkbar“, erklärt Rheumatologe Wolfgang Kranewitter. Auffällig sind Morgensteifigkeit und ver- Schon mehrte Müdigkeit. „Es können auch Augen, Lungen oder Haut betroffen sein.“ Die Ursache ist unklar; diskutiert werden erbliche Faktoren und Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht und Infektionen. Entgegen verbreiteter Meinung handelt es sich nicht um ein Altersleiden, häufig erkranken jüngere Menschen, manchmal selbst Kinder. „Beispiele sind gewusst? Rheumatoide Arthritis, Psoriasisarthritis und Morbus Bechterew“, so Kranewitter. Was im Körper passiert Die Geschlechterverteilung variiert je nach Krankheit. „Bei Verdacht ist Die auslösenden Faktoren sind nicht die Vorstellung beim Rheumatologen wichtig“, empfiehlt der Experte. bekannt. Entzündungszellen wer- „Für die drei genannten Beispiele stehen gut wirksame Medikamen- den aktiviert und angelockt. Durch te in Form von Tabletten, Injektionen und Infusionen zur Verfügung.“ die Bildung von Endothelzellen Spontane Heilungen sind möglich, überwiegend verlaufen die Erkran- kommt es zur Gewebeschädigung kungen aber chronisch. Eine Milderung der Symptome, teilweise sogar oder Fibrosierung. Beschwerdefreiheit, wird durch eine entsprechende Therapie erreicht.
Neurologe OA Dr. Dierk Oel ist Spezialist in der Behandlung von Multipler Sklerose. Von der Erkrankung betroffen ist das gesamte Zentrale Nervensystem, die klinischen Manifesta tionen sind vielfältig. Neurologische Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose Krankheit der 1.000 Gesichter Multiple Sklerose ist in Mitteleuropa die häufigste neurologische Autoimmunerkrankung, die weltweite Verteilung ist jedoch sehr unterschiedlich. Insbesondere in Industrienationen ist in den letzten Jahrzehnten eine deutliche Zunahme zu verzeichnen. Neben einer verbesserten Diagnostik scheinen hier auch Veränderungen der Lebensgewohnheiten eine Rolle zu spielen. In Österreich sind rund 13.000 Menschen betroffen. Neben den gesundheitlichen Folgen ist die Erkrankung von enormer volkswirtschaftlicher Bedeutung, da sie die häufigste Ursache einer frühzeitigen Behinderung im jungen Erwachsenenalter darstellt. B ei Multipler Sklerose spricht ten MS (SPMS) über. „Zehn bis 15 gibt es aber nur wenige Langzeitda- man auch von der Krank- Prozent der Patienten zeigen schon ten, so dass hier noch nicht von einer heit der vielen Gesichter“, zu Krankheitsbeginn eine kontinu- Heilung gesprochen werden kann.“ erklärt Neurologe Dierk ierliche klinische Verschlechterung Voraussetzung ist ein Therapiebe- Oel. „Betroffen sein kann nämlich (Primär Progrediente MS).“ ginn in einem frühen Krankheits- das gesamte zentrale Nervensys- stadium. „Solange es dem Patienten tem (ZNS), also Sehnerv, Gehirn Behandlungserfolge noch gut geht“, betont Oel. „Sobald und Rückenmark, entsprechend durch Immuntherapien eine relevante Behinderung vorliegt, vielfältig sind auch die klinischen „Die Therapie der MS hat in den letz- ist die Wirksamkeit auf den weiteren Manifestationen.“ Die Mehrzahl ten 15 Jahren einen Boom erlebt“, so Krankheitsverlauf schlechter.“ Auch der Patienten zeigt anfangs einen Oel. „Nachdem früher eine sympto- die Untergruppe der progredienten schubförmig remittierenden Verlauf matische Therapie im Vordergrund MS stellt weiterhin ein Problem dar. (RRMS), bei dem sich Phasen der stand, sind inzwischen in Europa 13 „Im Vergleich zur schubförmigen Er- Verschlechterung, Remission und Immuntherapien zur Behandlung krankung sprechen diese Patienten Stabilität ablösen. Die zeitlichen der schubförmigen MS zugelassen, deutlich schlechter auf eine Immun- Abstände zwischen den einzelnen sogenannte krankheitsmodifizie- therapie an.“ Schubereignissen können erheblich rende Medikamente. Je nach Medi- Als krankheitsmodifizierende schwanken.“ Unbehandelt gehen kament zeigen ca. 30 bis 50 Prozent Medikamente kommen verschie- die meisten Patienten später in eine der Patienten in Behandlung über dene immunmodulatorische bzw. Krankheitsphase der sogenannten mehrere Jahre überhaupt keine immunsuppressive Substanzen zur Sekundär Chronisch Progredien- Krankheitsaktivität mehr. Bisher Anwendung. Das Spektrum reicht
Immunsystem _ 19 Profiling MS Was? Wie bei anderen Autoimmun erkrankungen ist bei MS die Immuntoleranz gestört, es kommt zur Immunantwort gegen körpereigene Struktu- ren. Wie diese entsteht, ist noch nicht geklärt, Ein Großteil der Krankheitsfälle tritt im Alter zwischen 20 und 40 Jahren auf. Frauen sind bis zu 3,5-mal häufiger betroffen als Männer. relevant sind sowohl das angeborene als auch das adaptive Immunsystem. T-Lymphocyten von moderat wirksamen Substanzen, wie Beta-Interferonen, bis strömen vermehrt in das ZNS ein und richten zu hochwirksamen monoklonalen Antikörpern. sich gegen „Selbst-Antigene“*. Dadurch wer- „In der Regel haben moderat wirksame Substanzen ein günstiges den weitere Immunkaskaden ausgelöst, dies Risikoprofil, bei hochwirksamen Therapien steigt auch das Risiko führt zu einem Einstrom von Makrophagen, schwerwiegender Nebenwirkungen, etwa Infektionen ausgelöst B-Zellen und Antikörpern. Unter anderem durch Viren, Bakterien, Pilze und Parasiten“, vertieft der Neurolo- die Markscheiden der Nerven und das Ner- ge. „Es muss daher in der Auswahl der richtigen Medikation eine venaxon werden geschädigt. Risiko-Nutzen-Abwägung unter Berücksichtigung der Krank- heitsaktivität, des Patientenalters und möglicher Begleiterkran- kungen erfolgen.“ Wer? Der Erkrankungsgipfel liegt im Alter zwischen 20 und 40 Jahren. Auch Kinder über zehn und Jugendli- Starkes Immunsystem gegen MS? che können erkranken. Frauen sind häufiger Aus Migrationsstudien ist seit vielen Jahren bekannt, dass die im Verhältnis von ca. 3,5 zu 1 betroffen. Grundlage der MS bereits während der Reifung des Immun- systems in der Kindheit gelegt wird, so dass die Möglichkeiten einer Reduktion des Erkrankungsrisikos durch eine „Stärkung des Immunsystems“ im späteren Lebensalter leider nach heuti- Wie? Häufige Erstsymptome sind Entzündungen des Sehnervs, Sensibilitätsstörungen oder Augenbewe- gem Erkenntnisstand begrenzt sind. Gesichert ist, dass sich eine gungsstörungen. Im weiteren Verlauf können Nikotinkarenz auch bei bereits bestehender Erkrankung positiv Blasenstörungen, Lähmungserscheinungen auswirkt. Als günstig gilt eine ausgewogene Ernährung („Mittel- sowie Gleichgewichts- und Koordinationsstö- meerdiät“) mit regelmäßigem Fischkonsum, reduzierter Zufuhr rungen auftreten. tierischer Fette und hohem Anteil an Frischobst und Gemüse. „Bezüglich der verbreiteten Vitamin-D-Einnahme ist die Studi- enlage uneinheitlich“, so Oel. Empfohlen werden normale oder hochnormale Vitamin-D-Spiegel. „In diesem Zusammenhang Warum? Bei der Entste- hung der Erkran- kung spielen mehrere Faktoren eine Rolle, die wird auch zu einer moderaten Sonnenexposition geraten, ich noch nicht restlos geklärt sind. Neben einer rate zum Beispiel zu körperlicher Aktivität im Freien.“ Abgeraten genetischen Prädisposition werden verschie- wird von einer hochdosierten Vitamin-D-Gabe ohne regelmäßige dene Umweltfaktoren als Auslöser vermutet, Laborkontrollen. zum Beispiel Sonnenexposition bzw. Vita- min-D-Mangel, Infektionserkrankungen in COVID-19-Risiko für MS-Patienten der Kindheit, „hygienischer Lebensstil“ und Die MS selbst führt nicht zu einer Immunschwäche. Allerdings Ernährungsgewohnheiten. Als wichtiger können einige der Immuntherapeutika das Infektionsrisiko Risikofaktor wurde in den letzten Jahren das erhöhen, vor allem Virusinfekte betreffend. Interessanterwei- Rauchen identifiziert, auch Adipositas und se zeigen Daten aus der aktuellen Covid-19-Pandemie aber, das erhöhte Kochsalzzufuhr erhöhen das Risiko. einige Immunsuppressiva möglicherweise sogar das Risiko für Entgegen einer populären Meinung gibt es einen schweren Krankheitsverlauf verringern können. So läuft keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass derzeit etwa eine Studie mit dem MS-Medikament Fingolimod bei Impfungen die Krankheit auslösen oder das Covid-19-Patienten, da vermutet wird, dass es Entzündungsreak- Erkrankungsrisiko erhöhen könnten. tionen im Lungengewebe unterdrücken kann. → *Antigene körpereigener Zellen
20 _ Immunsystem Fortsetzung von Seite 19: → Vereinfacht gesagt: Bei Autoimmunerkran- Allergie als übe kungen wird körpereigenes Gewebe durch Ges bestimmte Zellen und Antikörper des Immun- systems angegriffen. Normalerweise werden fehlgeleitete Abwehrzellen vom Körper aussor- tiert, so dass sie sich nicht gegen eigene Antige- ne richten (Immuntoleranz). Diese verliert sich bei Autoimmunkrankheiten, Zellen richten sich gegen eigenes Gewebe. Nachgewiesen werden Autoimmunerkrankungen zum Beispiel durch Autoantikörper im Blut. Heute sind rund 60 unterschiedliche Autoim- munerkrankungen bekannt. Ein Beispiel ist neben den entzündlich-rheumatischen Erkran- kungen und Multipler Sklerose auch Typ-1- Diabetes, bei welchem Antikörper die Insulin produzierenden Beta-Zellen zerstören. Bei der Schuppenflechte (Psoriasis) stufen Immunzel- len körpereigene Hautzellen als Fremdkörper ein, in dessen Folge es zu einer Entzündungsre- aktion der Haut kommt. Die systemische Lupus erythematodes (SLE) zählt zu den Autoimmun erkrankungen des Bindegewebes, die alle Orga- ne betreffen kann. Sie führt zu Entzündungen von Gefäßen, Muskeln, Gelenken und diverser Organe. Häufig ist die Haut betroffen und im Gesicht kann sich eine symmetrische, schmet- terlingsförmige Hautrötung zeigen. Auch bei einer Allergie wird das Immunsys Auch die Schuppenflechte zählt zu den Autoimmunerkran tem fehlgeleitet. Es reagiert überschießend kungen. Sie kann heute gut behandelt werden und ist nicht auf vermeintlich feindliche Substanzen, ansteckend. etwa auf Pollen, Tierhaare oder bestimmte Nahrungsmittel. Zum Beispiel gilt das Niesen neben Schnupfen und Atemnot als Da die Ursachen von Autoimmunerkrankungen allergische Reaktionen der Atemwege. nicht sicher geklärt sind, ist es meist nur mög- lich, die jeweiligen Symptome zu behandeln. In schweren Fällen werden Immunsuppressiva verschrieben, um die Abwehrfunktion des Kör- pers zu stoppen. Als Nebenwirkung muss man in Betracht ziehen, dass sich die allgemeine Infektanfälligkeit erhöht. ■
Immunsystem _ 21 erschießende Abwehrreaktion sundheit! Sowohl Autoimmunerkrankungen als auch Aller- gien liegt eine gestörte Abwehrreaktion zu Grunde. Bei Allergien Symptome allergischer Reaktionen: Atemwege: rinnende Nase, Niesen, überreagiert unser Körper auf eigentlich nicht schädliche Fremd- Atemnot substanzen. Bei Kontakt versucht unser Immunsystem diese Al- lergene abzuwehren und zu eliminieren. Heute sind bereits über Augen: 20.000 auslösende Substanzen verzeichnet. Rötung, Jucken, Tränen Magen-Darm-Trakt: Durchfall, Blähungen, Völlegefühl, Erbrechen, Entzündung der Schleimhaut Haut: Rötung, Juckreiz, Schwellung, nässende Bläschen, Quaddeln, Schuppenbildung B ei einer Nahrungsmittelallergie werden von Be- nen sind sogar lebensgefährlich: Beim anaphylaktischen troffenen bestimmte Lebensmittel wie Obst, Nüsse, Schock kommt es zu einem Kreislaufversagen. Soja oder Meeresfrüchte nicht vertragen. Um eine Reaktion bei einer Kontaktallergie hervorzurufen, So kommt man dem Auslöser auf die Spur ist bereits ein Berühren der Haut mit Stoffen wie zum Ein Allergietest gibt Klarheit über mögliche Behand- Beispiel Nickel, Duftstoffen oder Kosmetika ausreichend. lungsformen. Wichtig ist vorab, die in Frage kommenden Aber auch Medikamente oder Zusatzstoffe in Injektionen Allergene zu meiden. Mit Allergiemedikamenten können können bei einer Arzneimittelallergie zu den Auslösern unangenehme Symptome wirksam unterdrückt oder zu- zählen ebenso Stiche durch Bienen, Wespen oder Mücken. mindest gemildert werden. Im Rahmen einer Hyposensi- Besonders schwierig zu vermeiden sind Inhalationsaller- bilisierung erhalten Allergiker die Auslöser regelmäßig in gien, da hier die Fremdstoffe wie Pollen, Sporen, Tierhaa- kleinen Einheiten verabreicht. So kann sich mit der Zeit re oder Hausstaub über die Luft eingeatmet werden. eine Toleranz gegenüber den Allergenen entwickeln. Da mit fortschreitendem Alter die Funktionstüchtigkeit un- Warum eine Allergie behandelt werden muss seres Immunsystems abnimmt, kann sich auch die Stärke Stufen Betroffene manche Beschwerden zwar oft als der Allergiesymptomatik mit der Zeit abschwächen. lästig, aber harmlos ein, müssen allergische Reaktionen dennoch unbedingt durch den Facharzt abgeklärt und behandelt werden. Denn Allergene lösen bei den Betroffe- In der Allergiediagnostik ist der Pricktest ein nen Entzündungsreaktionen aus, Verläufe können chro- schnelles Standardverfahren. Er kommt bei nisch werden und zu einem sogenannten Etagenwechsel Allergengruppen, wie zum Beispiel Pollen, führen – so wächst sich Heuschnupfen nicht selten zu Hausstaubmilben, Tierhaaren und Schimmel allergischem Asthma aus. Manch allergische Reaktio- pilzen, zum Einsatz.
22 _ Immunsystem Therapeutisch hervorragend untersucht als Methode zur Regulation negativer Gefühle ist die sogenannte Achtsamkeitsmeditation, die Mindfulness Based Stress Reduction (MBSR). Anhaltspunkte einer positiven Wirkung auf das Immunsystem sind der Rückgang von Entzündungen, die Verbesserung der zellgebundenen Immunität sowie eine Linderung der Beschwerden bei chronischen Schmerzzuständen. Enge Wechselwirkung Psyche, Nerven- und Immunsystem Junge Disziplin PSYCHO-NEURO- IMMUNOLOGIE Einen innovativen Blick auf Neuro-Immunologie seit den sieb- negative Emotionalität bei unan- das Zusammenspiel von seelischer ziger Jahren zunehmend intensiv genehmen Stress oder Depressivi- und körperlicher Gesundheit wer- beforscht wird. „Förderlich auf das tät je nach Ausprägung und Dauer fen Walter Neubauer und sein Team Immunsystem wirkt sich aus, wenn immunologisch ungünstig aus. vom Department für Erwachsenen- wir in einer positiven seelischen Wissenschaftliche Untersuchungen psychosomatik am Klinikum-Stand- Verfassung sind, wenn wir also zum zu „Diabetes und Depression“ haben ort Grieskirchen. Der Schwerpunkt Beispiel eine optimistische Lebens- gezeigt, dass Ärger, Anspannung Psycho-Neuro-Immunologie zeigt, haltung einnehmen und ein gutes oder schlechte Stimmung oft zu wie unser Immunsystem in ständi- Selbstwertgefühl und auch Selbst- Unterzuckerung oder starker Über- ger Wechselwirkung mit unseren vertrauen haben“, sagt Neubauer. zuckerung führen, während positive Gefühlen, Gedanken und unserem Stimmung und Glücksgefühle mit Verhalten ist. einer guten Blutzuckereinstellung Emotionen senden einhergehen. Unser Abwehrsystem ist eng ver- zahnt mit dem Nervensystem, was Signale an das sich darin ausdrückt, dass Transmit- Immunsystem und ter des Nervensystems auf das Im- munsystem wirken und umgekehrt“, können es dadurch erklärt Departmentleiter Neubauer. stärken oder „Emotionen fungieren als ‚Boten- stoffe‘ der menschlichen Psyche an schwächen. unser Bewusstsein, um unsere see- lische Befindlichkeit mitzuteilen. So „Wenn wir erleben, dass wir in guten senden sie auch Signale an unseren Beziehungen zu unseren Mitmen- Körper aus, darunter auch an die schen eingebettet sind und Gefühle Adresse des Immunsystems.“ wie Dankbarkeit, Fröhlichkeit und OA Dr. Walter Neubauer Zwischen Psyche, Nerven- und Begeisterung erleben, kann das Stu- Immunsystem findet also ein stän- dien zufolge zu einer verminderten Leiter Department für Psycho- diger Informationsaustausch statt, Infektanfälligkeit gegen Rhinovi- somatik für Erwachsene, welcher im Fachgebiet der Psycho- ren führen.“ Umgekehrt wirkt sich Klinikum-Standort Grieskirchen
Medizin und Pflege _ 23 Mehr Infos unter wirsindpflege.at → Kompetenzen - wann, wo und in welcher Form Der neue Grade- and-Skill-Mix erklärt Pflegedirektorin Andrea Voraberger. Am Klinikum wurde ein Projekt initiiert, das analy- siert, welche Potenziale für den Einsatz der Pflegefachassistenz Die neuen Pflegeleitungen im Zentral-OP-Ebene 1: gesehen werden bzw. ob admi- Barbara Steininger mit Team HNO/Kieferchirur nistrative und hauswirtschaft- gie sowie die interimistische, duale Leitung des liche Tätigkeiten von anderen Teams Orthopädie/Wirbelsäulenchirurgie mit Berufsgruppen übernommen Ulrike Kocher und Andreas Dammerer OP-Pflegeteams werden können. Eine kürzere Pflegedirektorin Mag. Andrea Voraberger: Verweildauer der Patienten und „Mit dem optimierten Grade-and-Skill- die Dichte diagnostischer Maß- neu strukturiert Mix möchten wir sicherstellen, ausrei nahmen hat in diesen Bereichen chend Mitarbeiter mit den erforderlichen zu einem deutlichen Anstieg des Qualifikationen und den notwendigen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Erfahrun Arbeitspensums geführt. gen zu beschäftigen.“ Aktuell sind im OP-Management Zukunftsweisend der HNO, Kieferchirurgie, Orthopädie Für welche Aufgaben in der Das Projekt wurde in Kooperation und Wirbelsäulenchirurgie insgesamt Patientenversorgung braucht es mit dem Linzer Gesundheitsun- rund 200 Operationen beschrieben – welche Fähigkeiten und Ausbil- ternehmen Solgenium auf aus- vom Routineeingriff über Notfälle bis dungen bzw. Kompetenzen? In gewählten Stationen an beiden hin zu komplexen Operationen. Dank den letzten zehn Jahren wurde Klinikum-Standorten gestartet.* des medizinisch-technischen Fort- in Österreichs Krankenhäu- „Auf Basis einer detailreichen schritts kommen laufend neue Verfah- sern dem Thema „Grade-and- Analyse der Ist-Situation werden ren und Systeme zum Einsatz, um die Skill-Mix“ vermehrt Beachtung Benchmarks entwickelt, die uns Patientenversorgung zu optimieren. geschenkt. für die zukünftige Personalbe- darfsplanung zur Verfügung ste- Seit zehn Jahren erlebe ich mit, wie sich A uch am Klinikum hat sich das Handlungs- und Kompe- tenzprofil der Pflegekräfte durch hen“, beschreibt Roswitha Cossée, stellvertretende Pflegedirektorin am Standort Grieskirchen, einen jeder Fachbereich spezialisiert und wei- terentwickelt“, so Andreas Dammerer. „Die Anforderungen an das Pflegeperso- die Übernahme ärztlicher Aufga- wesentlichen Nutzen des Projekts. nal stiegen, es wird immer schwieriger, ben, wie Infusionsmanagement, Die Ergebnisse sollen zukunfts- in allen Fachbereichen am neuesten Venflonanlagen oder Zytostatika- weisend für weitere Bereiche am Stand zu bleiben.“ Die Konzentration auf verabreichung, und das Abgeben Klinikum sein. die Fachrichtungen halbiert die Band- von administrativen Aufgaben *Wels: Unfall B4 OG2, Unfallambulanz, Grieskir- breite an Operationen pro Team, der an Stationsassistentinnen sowie chen: V. Interne G2 fokussierte Einsatz führt zu noch mehr hauswirtschaftlichen Tätigkeiten Routine und Sicherheit. „Mit gutem an die Abteilungshilfen verändert. On-Boarding, geförderter Teamkultur, „Der Mangel an Pflegekräften, Spezialisierung, Wissensvermittlung die zunehmende Spezialisierung und Fehlerkultur setzen wir konkrete und die Etablierung der neu- Maßnahmen, um Mitarbeiter zu unter- Roswitha Cossée en Pflegefachassistenz machen stützen und die OP-Pflege zu einem noch es notwendig, erneut über das stv. Pflegedirektorin, attraktiveren Arbeitsbereich weiterzu- Zusammenarbeiten innerhalb der Klinikum-Standort entwickeln", sind sich die drei Führungs- Berufsgruppen nachzudenken“, Grieskirchen kräfte im Zentral-OP Ebene 1 einig.
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