KNUT UND DIE AMAZONEN - Warum "sowas wird Amazon nie machen" keine gute Begründung für eine Amazon-Strategie ist - FOSTEC & Company
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MEMBER OF HRSG. MARC AUFZUG DOMINIK BORS STAND Q3 2016 KNUT UND DIE AMAZONEN Warum „sowas wird Amazon nie machen“ keine gute Begründung für eine Amazon-Strategie ist DIESE STUDIE WURDE ERARBEITET POWERED BY IN KOOPERATION MIT:
INHALT Vorwort............................................................................................................................................... 3 E-Commerce und Amazon: Der Tsunami und die Insel............................................................................... 4 Über factor-a – The Global Marketplace Group .........................................................................................7 Über die Herausgeber........................................................................................................................... 8 Marc Aufzug 8 Dominik Bors 8 Über die Autoren.................................................................................................................................. 9 Markus Fost 9 Adrian Hotz 9 KAPITEL 1: AMAZON – DAS A, O UND Z................................................................................................10 KAPITEL 2: (ÜBER)LEBEN MIT AMAZON................................................................................................. 21 KAPITEL 3: DURCH DAS DICKICHT........................................................................................................ 31 Experteninterviews:............................................................................................................................ 39 Interview: Jörg Kundrath, KAVAJ 39 Interview: Stephan Waldeis, AL-KO 41 Interview: Witha Rausch, L’Oréal 43 Interview: Niels Haußmann, XciteRC 45 Literaturverzeichnis............................................................................................................................. 48 2
VORWORT Ich freue mich sehr, dass es mit diesem Paper endlich eine Basis gibt, die dazu dient, die Vor- und Nachteile von Amazon strukturiert zu erklären. Als wir das erste „Knut geht baden“ Paper im Jahr 2014 publiziert haben, war Amazon nur eines der vielen Phänomene, das wir in Bezug auf den E-Commerce erklärt haben. Durch das starke Wachstum von Amazon und die neu ausgespielte Verhandlungsmacht hat sich aber in den letzten Mo- naten gezeigt, dass Amazon ein ganz eigener Markt geworden ist. Der Rest im E-Commerce wird zunehmend Beiwerk und das führt zu ganz star- ken Interessenskonflikten bei den betroffenen Herstellern und Händlern. E-Commerce Strategien, die noch vor 2-3 Jahren als vielversprechend galten, werden durch die Marktmacht Amazons auf einmal nichtig und Alexander Graf die Frage ist gar nicht mehr „Mit oder ohne Amazon? “, sondern „Was Herausgeber Kassenzone.de kann ich hier tun? “. Die Autoren schaffen es, mit einigen unterhaltsamen Anekdoten durch den Dschungel der Optionen zu führen und haben sehr viele spannende Insider Infos, wie man den Handel auf und mit Amazon optimieren kann. Hierin liegt auch der Fokus des Papers. Amazon muss man sich zu Nutze machen, genauso wie man sich als Hersteller und Händler mit Google auseinandersetzen muss. Wer einen Weg ohne Ama- zon sucht, wird in diesem Paper wahrscheinlich nicht fündig. 3
E-Commerce und Amazon: Der Tsunami und die Insel Kennen Sie noch die Geschichte von Knut, einem der stärksten Könige des frühen Mittelalters, der zeitweise über England, Dänemark, Norwegen, und Schweden herrschte? Knut soll einmal an einem Strand seinen Thron in den Sand gesetzt und bei anschwellender Flut das Wasser gebeten haben, es möge vor seinen Füßen Halt machen. Natürlich tat es das Wasser nicht. Die Meinungen der Historiker ge- Denn seit Jahren schon ist es ein hält. Denn früher brauchten Her- hen nicht nur darüber auseinander, unumkehrbares Naturgesetz, steller von fast allen Segmenten ob diese Geschichte stimmt oder dass immer größere Marktanteile Händler, um an Kundschaft heran- nicht, sondern auch darüber, ob vom stationären Handel in den zukommen. Mit diesen Händlern Knut wirklich glaubte, dass er das Online-Handel verlagert werden. verschwand aber Marge – und Wasser einfach herumkomman- Richtig: verlagert! Das heißt nicht Macht. Absatzerfolge wurden oft dieren konnte. Viele meinen ja, nur, dass Wachstum eher durch von exorbitanten Rabatt-Anforde- er habe nur seinen ehrfürchtigen den Verkauf im Netz verzeichnet rungen und einer allzu konsumen- Höflingen zeigen wollen, wie es wird, sondern dass Umsatz, der tenfreundlichen Preispolitik be- tatsächlich um seine Macht bestellt bislang in Einkaufszentren, Fach- gleitet, die der Hersteller gefälligst war – nicht zuletzt, damit ihm kei- märkten und Markenstores ange- mitzutragen hatte, um nicht – so ner etwas anlasten könnte, wenn fallen ist, dem stationären Handel war immer die nukleare Drohung – mal wieder Hochwasser, Dürre wegbricht und in den Online-Han- ausgelistet zu werden. oder sonstige extreme Wetterer- del wandert. Wer als Markenher- Mit dem Internet ist es aber eignisse das Leben seiner Unterta- steller nicht lernt, mit dieser Flut zu nie kostengünstiger und aufwand- nen erschwerte. schwimmen, ist an den Thron des särmer gewesen, seinen eigenen Eines steht fest: Knut hat für altehrenwürdigen Einzelhandels Kundenstamm aufzubauen und die Nachwelt eindrucksvoll de- gekettet – und wird mit ihm unter- zu pflegen. Direktvertrieb wird in monstriert, wie nutzlos es ist, sich gehen. vielen Segmenten zum Normal- Naturgesetzen zu widersetzen. fall: Ob Jeanshose oder Flachbild- Und wir haben das Beispiel des Knut lernt schwimmen – schirmfernseher, viele Kunden alten Haudegens schon mehrmals aber wohin kann er kraulen? wollen Produkte eines bestimm- bemüht, um zu verdeutlichen, wie Viele Markenhersteller haben das ten Herstellers und suchen nach vergeblich alle Einzelhandelsstra- verstanden. Sie haben ebenfalls diesen im Netz. Erste Anlaufstelle tegien sind, die darauf abzielen, begriffen, dass die neue Situation dabei: Die Online-Präsenz der ge- den Tsunami des E-Commerce für sie in vielerlei Hinsicht sogar fragten Marken. Dass es für Kun- aufzuhalten. mehr Chancen als Risiken bereit- den sowie Hersteller bequemer 4
und billiger ist, den Kauf ohne Mit- auszulösen gewusst – und erreich- wachsende Umsätze zur Folge. telsmänner abzuschließen, liegt ten vor Jahren die Paradiesinsel. Die Party kommt in Fahrt. Aber auf auf der Hand. Vor allem stationäre Dennoch wird Knut, der Flut ent- einmal kippt die Stimmung: Ver- Händler werden nun oft zu unbe- stiegen, erst einmal herzlich auf- handlungen werden mit einem zahlten Werbeakteuren degradiert, genommen: Es gibt eine große Schlag härter, Amazon will mehr die dem Kunden die Ware in „echt“ Willkommensfeier am Strand mit Marge und sagt dies deutlich. Wer zeigen und erklären dürfen, bevor Grillfleisch und Palmwein; ein paar nicht mitzieht, wird abgestraft: Pro- er diese direkt online erwirbt. sehr attraktive Kriegerinnen legen dukte von Konkurrenten werden Auch manche Online-Händler ihre Speere und Bögen beiseite vorgeschaltet, der Umsatz steigt dienen vielen Marken schon teil- und laden ihn zum Tanzen ein… nicht mehr – bleibt allerdings der- weise als „Fixer“, die dem Kunden Ausgepowert von der langen artig signifikant, dass eine Auslis- seine ersten – aber nur seine ersten Schwimmstrecke, nickt Knut als- tung für den Hersteller gar nicht in – Levi’s-Jeans oder Toshiba-Fernse- bald satt und zufrieden neben dem Frage kommt. Er ist gefangen. Und her verkaufen: Denn diese werden Lagerfeuer ein. Und wacht am Fol- dann kommt der Hammerschlag: mit Beilegern ausgeliefert, die in getag in einem Bambuskäfig auf. Amazon schaltet keine Produkte den Web-Store des Herstellers Nun gibt es statt Palmwein nur von Mitbewerbern mehr vor – son- mit Gutscheincodes einladen. In noch modriges Wasser, statt safti- dern seine eigenen. Nun muss der einem Wort: Den Finger auf den gen Grillfleisches landen nur noch Hersteller zusehen, wie Amazon roten Knopf „Auslistung“ haben Knochen in seiner Kokosschale. an ihm vorbei seine Kunden mit heute eher Hersteller. Allerdings Die Amazonen wechseln kein ähnlicher Ware beliefert. kommen auch die stärksten Mar- Wort mehr mit ihm. Höchstens Was aber tun? Einerseits brau- ken nicht komplett ohne Händler schiebt eine vorbeilaufende Krie- chen Hersteller Händler – vor allem aus, wenn es darum geht, den Um- gerin ihre Speerspitze durch die solche mit einer Reichweite, wie satz zu steigern und neue Kunden Stangen, um ihn aufzuschrecken, die von Amazon, dessen Verkaufs- zu erreichen. Die Machtverhältnis- und zieht lachend davon. Knut zahlen sogar schneller ansteigen se haben sich zwar verschoben, merkt schnell: Er ist den Amazo- als der ohnehin stark wachsende eine komplette Umkehr ist es aber nen vollkommen ausgeliefert. Gesamtumsatz im E-Commerce. keineswegs. Nicht nur wird der Online-Handel Jedenfalls hat der Markenher- Sich vor der Flut gerettet – wichtiger, sondern Amazon wird steller Knut schwimmen gelernt in einen Käfig immer entscheidender in diesem und krault nun sportlich auf einen Denn in einem Käfig wähnen sich Segment. Andererseits gleicht die neuen, einladenden Strand zu. Al- plötzlich viele Hersteller, die bei Kooperation mit Amazon einem lerdings hat es sich hier am weißen Amazon ihre Produkte verkaufen. Tanz mit dem Teufel – oder mit den Sand unter den Palmen ein ande- Am Anfang läuft alles blendend: Amazonen-Kriegerinnen. rer Volksstamm schon gemütlich Der Hersteller wird offizieller Ven- Fast alle Hersteller in allen Sek- gemacht: Die Amazonen. Diese dor und seine Waren werden in toren müssen sich also auf Ama- waren nämlich schon viel früher den Suchergebnissen des On- zon einlassen, wenn sie in Zukunft auf den E-Commerce-Tsunami line-Stores hochgeschaltet. Da signifikante Umsatzsteigerungen aufmerksam geworden – einige Amazon der unangefochtene Rie- erzielen wollen. Selbst in den al- behaupten, sie hätten diese sogar se der Branche ist, hat das rasant lerspezialisiertesten B2B-Bereich 5
wird Amazon vorpreschen. Aller- •• Hören Sie in Ihrer Branche von dings sind alle Hersteller ebenso schwieriger gewordenen Jahres- gut beraten, immer eine gewisse gesprächen mit Amazon? Distanz zum Riesen zu wahren. Es Oder haben Sie selbst eine un- ist ein Spiel mit dem Feuer: Ohne angenehme Überraschung erlebt? die Flammen gibt es keinen Fort- schritt, aber die Gefahr von einem •• Sehen Sie, wie Amazon auf be- alles vernichtenden Flächenbrand nachbarten oder vergleichbaren ist nie gebannt. Segmenten eigene Produkte ent- Kurzum: Sie als Markenherstel- wickelt? ler brauchen eine Amazon-Strate- gie, damit Sie mit dem Feuer Ihre •• Oder leiden Sie selbst schon un- Maschine antreiben können, ohne ter dieser neuen Konkurrenz? sich die Finger zu verbrennen. Oder, um es mit Knut zu sagen: Sie •• Wollen Sie das System Amazon wollen an den Strandfeierlichkei- und seine Zukunftsrichtung einmal ten teilnehmen, ohne am Morgen gut verstanden haben, um bessere danach im Käfig aufzuwachen. Entscheidungen für Ihr Unterneh- Aber fragen Sie sich zunächst men zu treffen? einmal, ob dieser Ratgeber wirk- lich für Sie geschrieben wurde •• Lesen Sie lieber knappe Klar- – oder ob doch nicht ein anderer textsätze als Berater-Geschwafel? in einer anderen Branche gemeint ist? Und vielleicht wollen Sie wis- Ja? Dann liegen Sie mit Knut sen, inwiefern wir qualifiziert sind, und die Amazonen goldrichtig. Ihnen Ratschläge zu unterbreiten. Beides wichtige und richtige Fra- gen, die wir gern beantworten. Sind Sie der Adressat für diesen Aufsatz? Wenn Sie eine oder mehrere von diesen Fragen mit „Ja“ beantwor- ten, legen Sie dieses E-Book bloß nicht aus der Hand! •• Arbeiten Sie in der Geschäfts- führung, im Marketing oder im Vertrieb für ein Unternehmen, das Produkte herstellt? 6
ÜBER FACTOR-A – THE GLOBAL MARKETPLACE GROUP factor-a wurde 2015 aus dem Experten-Netzwerk rund um E-Commerce- Unternehmer Alexander Graf gegründet. Das Dienstleistungsunternehmen unterstützt Hersteller in allen operativen Fragen der Umsatzsteigerung, der Markenführung und des Qualitätsmanagements auf Amazon. factor-a ist der erste Baustein im Marktplätze Tmall und JD.com. sowie das gesamte datengetrie- Beratungsansatz der 2016 gegrün- Unter der Führung der erfahre- bene Account-Handling (MPI) deten The Global Marketplace nen Unternehmer Marc Aufzug ebenso wie unterstützende Soft- Group GmbH – TGMG. Unter die- und Dominik Bors verfolgt TGMG ware-Tools. Das rund 30-köpfige sem Dach finden Markenherstel- einen technologie-orientierten Team von TGMG sitzt in Köln. Mehr ler mit factor-b und factor-c auch Ansatz. Dazu gehören die Opti- unter http://www.factor-a.de/ spezialisierte Full-Service-Bereiche mierung von Produktdaten (MPO), und http://www.tgm.group/. für eBay sowie die chinesischen das Marktplatz-Advertising (MPA) Kontakt factor-a – The Global Marketplace Group GmbH Brüsseler Straße 89 – 93 50672 Köln Telefon +49 221 177 337 10 E-Mail info@factor-a.de 7
ÜBER DIE HERAUSGEBER Marc Aufzug ist geschäftsführender Gesellschafter der The Global Mar- ketplace Group GmbH und berät über die Business Unit factor-a Her- steller und Marken zum operativen Marktplatz Management auf Amazon. Marc verfügt über langjährige unternehmerische Erfahrung und Expertise im eCommerce sowie im Agenturaufbau. Durch mehr als 60 erfolgrei- che Beratungsprojekte in den Bereichen Amazon Content Optimierung, Marktplatz Marketing (u.a. Amazon Marketing Services) und Operational Excellence im kontinuierlichen Wachstumsmanagement konnte er fac- tor-a zusammen mit Dominik Bors als führende Dienstleister und Vorreiter in der Vendoren-Betreuung auf Amazon etablieren. Marc Aufzug marc.aufzug@factor-a.de +49 221 177 337 10 Dominik Bors (Dipl.-Inf.) ist geschäftsführender Gesellschafter der The Global Marketplace Group GmbH und berät über die Business Unit fac- tor-a Hersteller und Marken zum operativen Marktplatz Management auf Amazon. Dominik hat langjährige Erfahrung im Aufbau von Software Ent- wickler Teams, im E-Commerce sowie als Unternehmer. factor-a versteht sich als Technologiepartner mit dem Fokus auf skalierbare und daten-ge- triebene Lösungen für Vendoren. Ein technologie-gestützter Beratungs- prozess ist die Grundlage für nachhaltiges Wachstum auf Marktplätzen. Dominik Bors dominik.bors@factor-a.de +49 221 177 337 10 8
ÜBER DIE AUTOREN Markus Fost (B.A., MBA) unterstützt Unternehmen bei der Strategieent- wicklung, dem Aufbau von Online-Geschäftsmodellen und deren Umset- zung, insbesondere bei der Software- und Dienstleisterauswahl. Zudem berät er Unternehmen im Umgang mit E-Commerce Distributionspart- nern. Er ist Gründer und Geschäftsführer der Beratungs- und Beteiligungs- gesellschaft FOSTEC Commerce Consultants bzw. der FOSTEC Ventures GmbH und Partner des Beratungsnetzwerkes eTribes Connect GmbH. Fost ist zudem Dozent und Lehrbeauftragter im Fach E-Commerce und Autor diverser Fachbücher, u. a. beim Springer Gabler Verlag. Im Jahr 2009 wurde ihm der Vendor Award von Amazon.de verliehen. Markus Fost ist als Top-Spezialist und führenden Berater von Industrie, Marken Markus Fost und Handel beim Aufbau und der Umsetzung von Handelsstrategien FOSTEC Commerce Consultants auf dem Marktplatz Amazon Gründungsmitglied und Beirat der factor-a GmbH in Köln. Adrian Hotz (Dipl.-Kfm.) unterstützt Unternehmen bei der Strategieent- wicklung, beim Aufbau von E-Commerce Abteilungen und bei der ope- rativen Umsetzung. Hierzu gehört Unterstützung bei der Software- und Dienstleisterauswahl und bei der Shop-Optimierung, insbesondere im Hinblick auf Personalisierung. Er ist Gründer der Adrian Hotz E-Com- merce Beratung, Partner bei eTribes, Herausgeber von www.insideecom- merce.de, Speaker auf E-Commerce-Konferenzen und Veranstalter des Events www.be.insideecommerce.de. Adrian Hotz Adrian Hotz E-Commerce Beratung 9
KAPITEL 1: AMAZON – DAS A, O UND Z Was ist Amazon, wie funktioniert Amazon, und warum ist Amazon relevant? Üblicherweise beantwortet man seit 2009 Wachstumsraten von selbstverständlich auf Amazon ge- Fragen in der Reihenfolge, in der 30 Prozent vorlegt. sucht, auch wenn der Kauf doch sie gestellt worden sind. Aller- Die nackten Zahlen sind heute woanders getätigt wird. Das ist dings ergibt es gerade im Falle schon beeindruckend: Ohne Le- allerdings relativ unwahrscheinlich. Amazon mehr Sinn, mit der Frage bensmittel liegt der Umsatz im ge- Denn Amazons Kostenstruktur nach der Relevanz anzufangen und samten Einzelhandel in Deutsch- ist extrem optimiert und sie kann sich zurück zum Ausgangspunkt land relativ stabil bei rund 300 fast immer den stationären Einzel- zu arbeiten. Denn: Was Amazon Milliarden Euro. Davon fielen be- handel und manch einen anderen eigentlich ist, begreift man am bes- reits 2010 über 20 Milliarden Euro Online-Händler mit einem nied- ten dann, wenn man seine Rele- im Segment Online-Handel an. Im rigeren Preis übertrumpfen. Den vanz und seine Funktionsweise ver- vergangenen Jahr 2014 war schon Kunden gefällt’s, und im Jahr 2014 standen hat. Nur so viel sei schon die 40-Milliarden-Marke geknackt. wies der Konzern einen Eigenum- vorneweg gesagt: Die naheliegen- Für 2015 sehen viele Prognosen satz von knappen 12 Milliarden de Antwort „Amazon ist ein be- die 50 Milliarden erreicht. Damit Dollar in Deutschland aus, was sonders großer, besonders erfolg- macht E-Commerce ein Sechstel beim heutigen Umrechnungskurs reicher Online-Händler“ greift defi- der Umsätze im Einzelhandel aus. rund 11 Milliarden Euro entspricht. nitiv zu kurz. Selbst dann, wenn sich der Zu- Rund ein Viertel der 40 Milliar- wachs im Online-Handel verlang- den Euro, die im E-Commerce in Warum ist Amazon relevant? samen sollte – wofür überhaupt Deutschland umgesetzt werden, Diese Frage ist am einfachsten nichts spricht –, kann getrost da- fallen also direkt bei Amazon an. in der Beantwortung: Allein die von ausgegangen werden, dass Weil Amazon aber nicht nur eige- Masse macht’s. Amazon ist für 2020 der Umsatz im Segment bei ne Umsätze generiert, sondern Hersteller schon deswegen re- 100 Milliarden Euro liegen wird. seine Verkaufsinfrastruktur auch levant, weil er als Händler mit Das wäre dann ein volles Drittel anderen Verkäufern zugänglich dem E-Commerce das Segment des Gesamtumsatzes im deut- macht, läuft tatsächlich ein wei- des Handels beherrscht, das am schen Einzelhandel. terer, beträchtlicher Anteil des schnellsten wächst – und in naher Dabei kommt Amazon eine Umsatzes im Online-Handel über Zukunft den größten Vertriebs- besondere Relevanz zu. Für vie- Amazon. Diese Zahlen werden weg von allen darstellen wird. le Konsumenten ist der Konzern vom Konzern zwar nicht veröffent- Und in diesem schnell wach- so etwas wie ein Synonym für licht, aber Experten schätzen die senden Segment legt Amazon den Online-Handel insgesamt: Dunkelziffer mit den Amazon-ei- überproportional zu – vor allem So wie man nach Informationen genen Umsätzen vergleichbar ein. in Deutschland, wo der Konzern „googelt“, wird nach Produkten Das heißt im Umkehrschluss, dass 10
Amazon Verkäufe in Wert von über 20 Milliarden Euro bei sich vereint NIEDRIGERE NIEDRIGERE – die glatte Hälfte vom deutschen KOSTENSTRUKTUR PREISE Online-Handel. Genauer kann man es aller- AUSWAHL dings mit Amazon nicht sagen. Die Zahlen sind immer insofern mit Vorsicht zu genießen, als der Konzern bewusst sehr eigenwillige Buchhaltungsabläufe pflegt und Umsätze so verschachtelt, dass KUNDEN- VERKÄUFER WACHSTUM sie für Außenstehende nie wirk- ERFAHRUNG lich zu durchschauen sind. Das ist charakteristisch für zwei weitere Eigenschaften abseits der schieren Größe, die Amazon eine besonde- re Relevanz für Hersteller verleihen: TRAFFIC sein Expansionsdrang und seine Gewinnminimierung. Diese Skizze des Amazon-Geschäftsmodells stammt von Jeff Bezos selbst. Gewinn zu erwirtschaf- ten, ist dabei kein Ziel. Denn Gewinn hilft nicht, das Einkaufserlebnis der Kunden weiter zu ver- bessern und somit auch nicht, weiter zu wachsen. Wie funktioniert Amazon? Da landen wir schon bei dem zwei- die der Konzern als günstige Prei- Online-Shop gern benutzen. Im- ten Punkt: Wie die Maschine Ama- se an die Kunden direkt weitergibt. mer mehr Logistikstandorte, damit zon funktioniert. Hier muss alles zu- Diese sind erfreut und kaufen bei die Produkte schnell die Käufer sammen betrachten werden, denn Amazon in Scharen ein, was auch erreichen. Immer neue Segmente der kompulsive Expansionsdrang Drittverkäufer in dessen Kreis zieht. und Geschäftsfelder, damit das und die systematische Gewinnmi- Daraus ergibt sich eine immer grö- Wachstum auch dort einsetzen nimierung sind Kehrseiten ein und ßere Produktauswahl, was wiede- kann. So wurden grob gesagt die derselben Medaille: die der schie- rum umso mehr Kunden anzieht. Einnahmen aus dem originären ren Größe. Das bedeutet wieder Wachstum Buchverkauf, womit Amazon 1994 Eins muss man verstehen: Bei und wieder verringerte Kosten, anfing, ins Segment Musik inves- Amazon kreist alles um den Begriff was weitere Preissenkungen zur tiert. Aus dem CD-Verkauf schöpfte „Growth“, der mitten in einer Krit- Folge hat und noch mehr Kunden der Konzern dann Mittel, um Web- zelei stand, die der Gründer und zu Amazon bringt… hosting-Kapazität aufzubauen und Lenker Jeff Bezos mal zeichnete. Damit Amazon dieses Wachs- in neue Segmente wie Elektronik, Darauf stand Wachstum als gelbe tum ankurbeln kann, investiert der Haushalt und Mode einzusteigen. Sonne, um die die anderen Aspek- Konzern fast alles Geld, das zur Jetzt, da der Konzern damit gutes te ihre Umlaufbahnen ziehen. Aus Verfügung steht, etwa in immer Geld verdient, wird massiv in Zu- Wachstum kommen nämlich gerin- bessere Web-Designs und Algo- kunftsfelder investiert: stadtnähere gere Kosten in Einkauf und Logistik, rithmen, damit die Kunden den und vollautomatisierte Lagerhallen, 11
Streaming-Services für Medien, fu- des Wachstums sei zu schnell, das ist, den Markt kaputt zu machen – turistische Auslieferungsmöglich- Unternehmen breite sich buch- schlichtweg falsch. Zwar macht es keiten wie Drohnen… Interessant stäblich ohne Rücksicht auf Verlus- die eigentümliche Buchführung dabei: Das Investitionsvolumen te aus. Es werde da gar nicht mehr nicht immer einfach zu sehen, wo wächst schneller als je zuvor in der überlegt, ob ein neues Geschäfts- wie viel Überschuss erwirtschaftet Geschichte des Unternehmens. feld profitabel sei. Allerdings wird, aber der Konzern verdient Wo andere sich auf ihren Lorbee- werde das Ganze eh bald kippen, bereits auf sehr vielen Segmenten ren ausruhen würden, gibt sich denn die Investoren – dessen Geld gutes Geld. Analyst Ben Evans, ein Amazon mit dem bislang Erreich- vom Amazon-Gründer, diesem Jeff Amazon-Kenner der Oberklasse, ten nicht zufrieden und gibt einen Bezos, auf seinem nie enden wol- macht dies am Beispiel von der immer höherer Anteil seiner Um- lenden Feldzug verprasst werde dienstältesten Produktkategorie sätze für Forschung und Entwick- – würden so langsam die Geduld Bücher fest. Eine breite Analyse, lung aus. verlieren… die nicht nur auf einige stark ra- Sehr schnell beginnen hier Aber diese so gern von Ve- battierte „Blickfänger“-Titel ausge- viele Analysten sowie Konkurren- teranen des deutschen Einzelhan- richtet ist, würde seiner Meinung ten zu fragen: Aber was ist mit der dels aufgeführte Analyse fußt auf nach ergeben, dass Amazon heute Rendite? Wo ordnet sie sich denn Missverständnissen. Zuerst ist die Bücher grob gesagt zu denselben ins System Amazon ein? Hinter sol- Kritik, dass sich Amazon nicht um Preisen verkauft, wie es der stati- chen Fragen steckt eigentlich im- Rentabilität in einzelnen Geschäfts- onäre Buchhandel tut. Dagegen mer eine von zwei Annahmen – die feldern kümmert – ja, sogar mit operiere zwar so manches neueres eine unzutreffend und die andere Dumpingpreisen nur darauf aus Geschäftsfeld noch in der Verlust- fürs Erste unwesentlich. Die erste Annahme ist, dass Amazon wächst weiter ohne Rücksicht auf die Profitabilität Amazon keine Rendite erzielen Umsatz 2013 in Mrd. Dollar kann. „Zeigt doch ein flüchtiger Blick auf die Jahresergebnisse, dass das Unternehmen bei immer Amazon 74,45 schneller steigendem Umsatz im- eBay 16,05 mer weniger Gewinn verbucht“, geht die vor allem von missgünstig Alibaba Group 7,95 gesinnten Rivalen gern genomme- ne Argumentation. Wie es denn Gewinn 2013 in Mrd. Dollar sein könne, dass der Konzern 2004 noch unter 10 Milliarden umsetzte und dabei eine Rendite Amazon 0,27 von 588,45 Millionen Dollar erziel- eBay 2,86 te, nur um ein Jahrzehnt später bei knapp 90 Milliarden Umsatz sogar Alibaba Group 3,56 Verluste im dreistelligen Millionen- bereich einzufahren? Das Tempo Quelle: Unternehmensangabe, Forester Research 12
zone. Diese neuen Produktkate- Darüber hinaus wird aber von eher dafür entschieden hat, im- gorien seien aber eher wie kleine vielen Analysten, Investoren und mer mehr von diesen Mitteln für Start-ups zu betrachten. „Amazon nicht zuletzt Mitwerbern unter- Investitionen aufzuwenden: Seit ist ein Bündel“, sagt er zusammen- stellt, dass der Konzern Amazon Ende 2009 wird ein immer größe- fassend. als Ganzer gar nicht in der Lage sei, rer Anteil des Operating Cashflow Verstehen tun das nicht alle In- Rendite zu erzielen. Wie auch, wo als „Capital Expenditure“ – sprich: vestoren auf Anhieb. Da viele Un- das Unternehmen immer darauf als Investitionskosten – verbucht. ternehmen es auf eine Produktka- aus ist, alles billiger und schnel- Es handelt sich also nicht um ein tegorie oder eine Nische absehen, ler als die Konkurrenten anzu- Schneeballsystem, denn Amazon arbeiten sie in der Anfangsphase mit bieten. Diese Fehlannahme lässt könnte doch theoretisch hohe Ge- Verlusten, um später zu Gewinnma- sich aber schnell aus dem Weg winne einfahren, hat sich aber da- schinen heranzureifen. Die Verluste räumen, wenn man nicht auf die gegen entschieden. werden also geduldet, weil sie am Rubrik „Rendite“ schielt, sondern Zudem muss das „könnte“ Ende durch Gewinn wettgemacht schlicht und ergreifend nach dem nicht mal im Konjunktiv bleiben. werden. Amazon sollten Geldge- Geld schaut, das das Unterneh- 2014 war ein Jahr der besonders ber daher vielleicht eher wie einen men generiert. Seit zehn Jahren hohen Verluste: Allein das Projekt klassischen Mischkonzern à la Sie- stehen Amazon nach Abzug der zur Entwicklung eines eigenen mens oder GE sehen. Bei so vielen Einkaufskosten zuverlässig rund Smartphones namens Fire zog eine fast unabhängig voneinander ope- 8 Prozent des Umsatzes als soge- Abschreibung von 170 Millionen rierenden Geschäftsbereichen ist nannter Operating Cashflow zur Dollar nach sich. Als die Geduld nämlich zu erwarten, dass immer Verfügung. Davon könnte man der Investoren zum Jahresende nun mindestens einer gerade neu ins sich mit Sicherheit wunderbar Ren- doch wirklich strapaziert war, zeig- Leben gerufen worden und daher dite auszahlen. Tut Amazon aber te Jeff Bezos, wozu sein Konzern al- noch nicht profitabel ist. nicht, weil der Konzern sich viel les in der Lage ist – und schraubte Entwicklung von Amazon seit Gründung (in Mrd. US$) 80 Umsatz 70 Gewinn 60 50 40 30 20 10 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 -10 Die Schere geht auseinander. Seit der Gründung steigt der Amazon-Umsatz konstant schneller an als der Gewinn. 13
// Die Psychologie von Jeff Bezos wird naturgemäß im Endeffekt immer Auslegungssache sein: Sie bleibt dabei eine sehr beliebte. Viele interessieren sich dafür, was diesen Mann treibt. Be- reits heute reiht er sich als weltverändernder Unternehmer neben Landesmänner wie Rockefeller, Ford und Jobs ein – und macht Anstalten, noch weitergehen zu wollen. Denn Bezos ist die Welt zu klein: Bereits zu Schulzeiten soll er Freunden erzählt haben, er möchte Raumsta- tionen in der Erdumlaufbahn betreiben. Und im Jahr 2000, sechs Jahre nachdem er Amazon in seiner mit Koh- leofen beheizten Garage gegründet hatte, rief er ein neues Unternehmen ins Leben: Blue Origin. Ursprünglich ein streng geheimes Unterfangen, im Jahr 2011 erzählte Bezos, ein unbemannter Prototyp sei abgeschmettert, dass es aber Ziel des Unternehmens sei, „einem Jedermann eine Reise ins Weltall zu ermöglichen“. Mit dem Geld, dass Bezos mit Amazon auf der Erde verdient, finanziert er eine Firma, die der erste zu 100 Prozent kommerzielle Akteur im Weltraum werden könnte. Wer sich noch an die abgebrühten Vertreter von „The Company“ in den „Alien“-Filmen erinnert, dem könnte es schwindelig werden. Die amerikanische Motivationsfloskel „Reach for the stars“ scheint Bezos mit diesem Drängen ins Weltall also regelrecht beherzt zu haben. Nicht, dass er Fremdformulierungen nötig hätte: Der Mann ist bereits für seine markante Formulierungen legendär. In Bezug auf sein Business lässt er beispielweise verlauten, dass es zwei Sorten Unternehmen gäbe: Jene, die versuchen, immer mehr abzurechnen und welche, die versuchen, immer weniger abzurechnen. „Wir werden von der zweiten Sorte sein. “ Da müsse aber alles Überflüssige weggespart sein, damit der Kunde wirklich nur sein Produkt und die dazugehörige Leistung entlohnen müsse: „In der alten Welt verbrachte man 30 Prozent der Zeit damit, einen Dienst aufzubauen und 70 Prozent der Zeit damit, das laut- hals kundzutun. In der neuen Welt verhält es sich genau umgekehrt. “ Mundpropaganda würde es schon richten, wenn man nur kundenfokussiert genug arbeite. Zudem: „Arbeitet man mit dem Fokus auf die Wettbewerber, muss man warten, bis der Wettbewerber etwas macht. Arbeitet man mit dem Fokus auf den Kunden, so kann man Pionierarbeit leisten. “ Auch wenn die Vorstöße nicht immer sofort hinhauen, sei das letztendlich egal: „Nach dem Glanz dürfen Unternehmen nicht süchtig werden, denn der Glanz hält nie. “ So übersetzt kann sich Bezos fast preußisch oder schwäbisch anhören. Wie er zum Beispiel die Erfolgsstra- tegie Amazon resümiert: „Bei Amazon haben wir immer an drei großen Ideen festgehalten: Den Kunden vor alles stellen. Etwas erfinden. Geduld haben. “ In anderen Kontexten spricht er wie die reinste Verkörperung eines kaltschnäuzigen, zukunftsbesessenen US-Kapitalisten. Über die Hungerlöhne und Schikanen in Amazon Ful- fillment-Centern oder über den Druck, den der Konzern mit seiner Marktmacht auf Verleger – und zunehmend Hersteller – ausübt, spricht Bezos beispielsweise ungern. Kritik an seinem Geschäftsmodell hält er eine typisch prägnante Formulierung entgegen: „Wer ungern kritisiert werden möchte, der soll um Himmels Willen bloß nichts Neues anfangen! “ Aus Bezos Sicht trägt wohl Amazon keine Schuld daran, wenn ein Unternehmen an dem Konzern krepiert oder eine Einzelperson ausgenutzt wird. Ihr Schicksal geht ihn gar nichts an. Denn – wie der ehemalige Hedgefondsmanager es einst sagte, als er seine Suche nach einer geeigneten Lebensgefährtin be- schrieb – „das Leben ist zu kurz, um mit Leuten abzuhängen, die sich nicht zu helfen wissen. “ So viel kann man wohl sagen: Bezos strebt nicht nach der Macht um der Macht willen, sieht aber nichts darin, diese radikal walten zu lassen, wenn er sie errungen hat. 14
kurzer Hand das Ergebnis von -437 ein Haufen Mulch. Klar, dass man erste Antwort ist, dass Amazon im Millionen Dollar auf +214 Millio- allen Überschuss direkt in ein jun- Heimatland USA gerade rund ein nen Dollar hoch. Im ersten Quartal ges Unternehmen reinvestiert, so Prozent vom Einzelhandel ohne Le- 2015 allerdings wurden wieder 50 die Überlegungen. Und vielleicht bensmittel verantwortet. Für Vertre- Million Dollar Verluste verbucht, bleibt Amazon länger „jung“ als ter der Fraktion „Glas halb voll“ ist während die Investitionskosten andere, aber wie definiert Bezos ein Prozent von den Staaten zwar weiter anwuchsen. Das war eine denn den Punkt, an dem das Un- schon Grund genug zum Jubel. Für nicht so ganz versteckte Botschaft ternehmen reif ist? Den Punkt wird diejenigen, die vor sich ein halb an Investoren: Amazon kann sehr es wohl doch geben, oder? leeres Glas sehen, ist da aber noch wohl Gewinn ausweisen, meidet Und schnell wird es philoso- deutlich Luft nach oben. Die zwei- diesen Schritt aber bewusst, um phisch, metaphysisch fast. Denn, te, viel beunruhigendere Antwort weiter zu wachsen. Und das ist ja, wozu die ständig neuen Ge- ist, dass das Wachstum bei Ama- völlig rational. Denn jeder Dollar, schäftsfelder? Wozu die zwang- zon schon längst zum Selbstzweck der als Dividende aus einem Unter- haften Innovationen und Investiti- geworden ist: Weil das Unterneh- nehmen ausgezahlt wird, zeigt vor onen? Wozu die nie aufhörende men nicht anders kann, als seine allem eins: Dass derjenige, der ihn Prozessoptimierung und Kapazi- Technologie und seinen Ansatz auszahlt, glaubt, dieser Euro wird tätsausschöpfung, die Amazon auf neue, vielversprechende Ge- in einem anderen Investment mehr bekanntermaßen betreibt? Warum schäftsfelder anzuwenden. Weil Rendite bringen als im eigenen Un- Händler und Hersteller reihen- es in der DNA des Unternehmens ternehmen. Und genau das glaubt weise das Fürchten lehren und zu steckt, immer die Möglichkeiten Jeff Bezos nicht. Zuarbeitern deklassieren? Warum der Zukunft vor die der Gegenwart Womit wir bei der zweiten Menschen zu unwürdigen Bedin- zu stellen. Weil es Jeff Bezos noch Annahme wären: Viele, die doch gungen schuften lassen? Warum zu viel Spaß macht, Dinge umzu- verstanden haben, dass sich Ama- so viel Geld von Investoren ein- krempeln und anderen zu zeigen, zon bewusst gegen Profit im Hier sammeln und so viele Eigenmittel wie man’s macht. Insofern ist die und Jetzt und für Wachstum in der aufwenden, um noch größer zu Annahme, die Expansion und die Zukunft entschieden hat, gehen werden, wo man ohnehin der un- Gewinnminimierung bei Amazon davon aus, dass diese Strategie angefochtene Riese ist und bereits werden – eine bestimmte Größe einen Endpunkt voraussetzt. Ir- heute hochprofitabel sein könnte? erreicht – abflauen, vollkommen gendwann, so die Idee, wird Be- Ja, wozu, verdammt nochmal?! unwesentlich. Man muss davon zos doch „ernten“ wollen – oder Und was will Konzernchef Bezos ausgehen, dass sich der Kreis erst wegen Investorenaufständen ern- am Ende? So viel Geld, dass er einmal weiterdreht. ten müssen. Wozu solche Mühe, mehr als Bill Gates stiften kann? Deswegen ist Amazon auch für solchen Erfolg, solche Macht, fragt Oder einfach nur die komplette solche Hersteller relevant, die man sich, wenn man nicht irgend- Dominanz des gesamten Handels sich bislang in keinem Verhältnis wann die Früchte davon einfährt? mit allen Waren und Dienstleistun- zu dem einstigen Buchhändler So nach dem Motto: Wenn man gen auf Erden? aus Seattle gewähnt haben. Zu oft den Kürbis zu lange reifen lässt, ist Das sind Fragen, die viele Ama- hat Amazon in der Vergangenheit er nicht mehr der voraussichtlich zon-Beobachter, -Partner und Geschäftsfelder in kürzester Zeit größte im Dorf, sondern nur noch -Konkurrenten nicht loslassen. Die aufgemischt, von denen es hieß, 15
ein Webshop für Medienproduk- Temperatur über 25 Grad steigt, Was ist Amazon? te habe keine Ahnung: Elektronik, wurden davon nicht betroffen. Diese Überlegungen zeigen schon, Mode, Sportartikel… Zu oft ist Doch hat Amazon bereits Ende warum die Definition „Amazon ist Amazon von Händler zu Hersteller 2014 seinen ersten Laden in New ein besonders großer, besonders mutiert: Der Konzern produziert York eröffnet und wird sich in den erfolgreicher Online-Händler“ zu jetzt eigene Smartphones, Tablets, kommenden Jahren verstärkt in die kurz greift. Um zu verstehen, was Kameras, Stative, Akkus… Zu oft „reale Welt“ einbringen – vielleicht Amazon ist, muss man sich zu- hat Amazon aus B2C-Modellen nicht als klassisches Filialgeschäft, nächst vergegenwärtigen, was lukrative B2B-Geschäfte gemacht: aber durchaus mit mehr physi- Amazon alles macht. Danach muss Im Bereich Cloud-Computing für scher Nähe zum Kunden. Vielleicht man verstehen, wie der Konzern in Unternehmenskunden liegt der schließt der Konzern Verträge neue Felder expandiert und dabei Konzern weit vor Google und mit bestehenden Händlern und sein Geschäftsmodell anpasst. Microsoft. Und spätestens 2016 schickt Kaufwillige gegen Provisi- Obwohl der Begriff jetzt nicht wird das Jahr sein, in dem Amazon on zu ihnen, die dann im Geschäft mehr ausreicht, um den Konzern Business in Deutschland ankommt. auch noch mit einem elektroni- zu beschreiben, fing Amazon als Der Konzern setzt also jetzt bei Ge- schen Amazon-Bezahldienst statt Online-Händler an – und tritt doch schäftskunden an. Wer deutsche direkt an den Händler zahlen? noch heute als solcher auf. Ama- Mittelstands-Unternehmen mit DM, Rossmann, & Co. als glo- zon bezieht Produkte von Her- Ersatzteilen beliefert und sich da- rifizierte Paketshops? Kann schnell stellern oder Großhändlern, die mit in Sicherheit wähnt, kann sich passieren. Aber wie genau Ama- „Vendors“ – Verkäufer – in der Kon- warm anziehen. zon als großflächig auftretende zern-Sprache heißen, und bietet Selbst für Händler, die völlig stationäre Macht aussehen mag, diese Konsumenten an. Hier tritt stationär arbeiten und bislang ist dabei zweitrangig: Gekoppelt Amazon als klassischer Händler damit Erfolg gehabt haben, geht mit dem Big-Data-Vorteil, den der auf, der alle Stufen der Wertschöp- vom E-Commerce-Giganten eine Konzern mitbringt, ergibt sich fungskette abdeckt. Der Konzern Gefahr aus. Denn Amazon wird in so ein Alptraumszenario für fast kauft Bestand ein, lagert diesen den kommenden Jahren zeigen, alle Händler, die bislang gut im und bietet ihn Kunden an, nimmt dass der Begriff „E-Commerce“ Geschäft sind. Weiß doch Ama- Zahlungen entgegen und leistet an und für sich eigentlich zu kurz zon auf vielen Segmenten heute Kundenservice nach dem Verkauf. greift – und dass die alten Seg- schon besser als die GfK, welcher In vielen Punkten ist die Rolle mentgrenzen völlig porös sind. Produktmix an welchem Standort von Amazon mit Warenhäusern à Bislang sah E-Commerce nämlich funktioniert. Laufen dann Kunden la Karstadt oder Kaufhof im Vor-In- so aus, dass sich der Kunde über mit Amazon-Phones – oder auch ternet-Zeitalter vergleichbar. Als eine Webseite oder in einer App nur mit installierten Amazon-Apps Marke verspricht Amazon seinen ein Produkt nach Hause oder ins – herum und können sich an vielen Kunden eine große Auswahl an Büro bestellte. Sofortbedarfsar- Orten zeitnah Produkte oder gar Markenprodukten quer durch tikel wie Taschentücher in der Dienstleistungen über Amazon ho- alle denkbaren Segmente sowie Drogeriemarkt an pollenreichen len, wird sich ein Kreis schließen, Sicherheit und Service beim Kauf. Mai-Tagen oder ein erfrischendes der fast alle andere Akteure außen Statt Kundenkarten gibt es als Softgetränk vom Kiosk, wenn die vor lässt. Kundenbindungsmaßnahme Ama- 16
zon Prime, bei dem Artikel schnel- Auch dieses Modell ist aus gangen. Einst kaufte der Konzern ler verschickt werden, und ganz der alten Welt bekannt. Im Grun- bloß Bücher ein und verkaufte sie wie im klassischen Warenhaus de funktioniert ein Wochenmarkt weiter. Heutzutage agiert er als können sich Hersteller darin ver- nicht viel anders: Marktbeschicker Verlag, indem er Autoren unter suchen, mit eigenen Markenshops zahlen an den Marktbetreiber eine Vertrag nimmt und liefert mit dem hervorzutun. Zwar kann Amazon Standmiete und verkaufen dann selbstentwickelten Gerät Kindle unfassbar viele Produkte anbieten ihre Waren an die Kunden. Und ge- sogar einen eigenen Kanal für den und sehr viel mehr Kunden errei- nau wie es auf dem Wochenmarkt Verkauf und die Lektüre der Werke chen, als so ein von den Grenzen Plätze gibt, die einträglicher sind an. Eine weitere Tendenz ist es, be- der Einkaufsstraße eingehegtes und mehr kosten, gibt es bei Ama- stehende Infrastruktur und Experti- Warenhaus das jemals konnte, zon die Möglichkeit, sich „bessere se in neue Segmente hineinzubrin- aber das Geschäftsmodell ist be- Plätze“ zu erkaufen. Bei Amazon gen. So erwuchs die Tätigkeit als kannt. Amazon verkauft – abgese- geschieht dies, indem der Verkäu- Marktplatzbetreiber aus der Infra- hen von einigen Lockangeboten fer eine nähere Kooperation mit struktur, die Amazon als Händler (der „Knüller der Woche“ im alten dem Marktbetreiber eingeht: Wer aufgebaut hatte. Nun dehnt Ama- Einzelhandel-Jargon) – eingekaufte „Fullfilment by Amazon“ bucht, zon seinen Marktplatz-Ansatz auf Ware mit Gewinn weiter. lässt die Lagerung, Verschickung, das Segment der Unternehmens- Aber gerade weil der Konzern und Retournierung der Ware von lieferanten mit Amazon Business als Distanzhändler viel schneller Amazon handhaben und zahlt eine aus. Die Software-, Logistik- und Kapazität aufbauen kann als das im höhere Abgabe, wird aber auf Servicelösungen, die für das Ge- klassischen Einzelhandel denkbar Amazon sichtbarer und kann im schäft mit Privatkunden (B2C) ent- ist, ist es naheliegend, diese Kapa- Kundenloyalitätsprogramm Prime wickelt wurden, werden nun für zität auch anderen gegen Gebüh- verkaufen. gewerbliche Kunden (B2B) einge- ren zu überlassen. Amazon tritt also Bereits hier sieht man eine setzt. Bald wird der Konzern wohl nicht nur als Händler, sondern als grundlegende Tendenz von Ama- hier ebenfalls als Händler vertreten Online-Marktbetreiber auf. Klein- zon: Ausdehnung der Wertschöp- sein, der Produkte selbst einkauft händler und Hersteller von Waren fungskette hinauf und hinunter. und verkauft. Der letzte Schritt ist ohne starke Marke können bei Ama- Amazon betreibt einen Marktplatz es dann, selbst die Komponenten zon ihre Produkte feilbieten und so – stellt also online eine Infrastruktur und Ersatzteile herzustellen, die an Kunden kommen. Diese kaufen zum Verkauf von Waren zur Verfü- die Geschäftskunden brauchen. „bei Amazon“ aber eben nicht „von gung – und ist bereits damit auch Ein Segment, in dem Ama- Amazon“, sondern vom „Seller“, wie als Payment-Provider tätig, da im zon bereits heute fast alle Schritte diese meistens Krämer und No-Na- Netz kein Bargeld benutzt werden von der Herstellung über die Be- me-Hersteller auf Amazonisch zur kann. Zudem wird Amazon schnell reitstellung bis zur Wartung be- Unterscheidung von „Vendor“ hei- für den Verkäufer zum Lagerhal- herrscht, sind Web-Services wie ßen. Amazon nimmt die Zahlung lenbetreiber, Logistikanbieter und Hosting und Datenspeicherung. entgegen und überweist sie dann Kundenservice-Dienstleister in Ei- Der Konzern ist mit der Sparte abzüglich seiner Gebühren an den nem. Und von der originären Rolle Amazon Web Services – kurz AWS Verkäufer weiter. Der Konzern spielt als Händler ist Amazon auch immer – der weltweit führende Online- hier dieselbe Rolle wie eBay. weiter in Richtung Hersteller ge- dienstleister: Er stellt Server sowie 17
Wie kann ich die Rankings meiner Produkte auf Amazon verbessern? Indem Sie In einer kostenfreien Erst-Analyse Ihrer Produkte Ihren Content auf Amazon erhalten Sie konkrete Empfehlungen, um Ihre Produktrankings zu verbessern. optimieren! Mit unseren Dienstleistungen rund um Amazon unter- Ihre Vorteile stützen wir Sie dabei, Conversion-Rate, Click-Rate, Absatz und Rankings zu erhöhen und Ihren Kunden • Höhere Conversion-Rate gleichzeitig ein positives Kauferlebnis zu bieten. • Höhere Click-Rate Nutzen Sie unser Know-How, um Ihren Umsatz • Verbessertes Ranking nachhaltig zu steigern. • Umsatzsteigerung The Global Marketplace Group GmbH Telefon +49 221 177 337 10 Erfahren Sie mehr auf Brüsseler Straße 89 – 93, 50672 Köln E-Mail info@factor-a.de www.factor-a.de
Datenspeicher Unternehmen und breite, die Amazon als Händler Produkte, die Amazon als Händ- Behörden zur Verfügung und ist und Marktplatzbetreiber verwaltet ler anbietet, sondern auch für sol- mitentscheidend für die Entwick- und anbietet, ist Suchtechnologie che, die der Kunde von Dritten im lung der sogenannten „Cloud“ ge- doch von der ersten Stunden an für Marktplatz erwirbt, solange diese wesen. Geschäftskunden lassen Amazon entscheidend gewesen. Dritten ihre Logistik von Amazon gegen Gebühr ihre Webauftritte Bereits heute suchen mehr Nutzer abwickeln lassen. Zudem bein- von Amazon hosten, ihre Daten über Amazon als über Google, haltet Prime den Zugriff auf den von Amazon speichern, organisie- wenn es darum geht, ein Produkt Amazon-Streaming-Dienst Instant ren und gegen Angriffe verteidi- zu finden: Mit der Einbindung von Video, der ja eher dem Bereich gen und bieten Webdienste ihren Treffern aus Bildern, Büchern, per- AWS zuzuordnen ist und schon Kunden mit Amazon-Infrastruktur sönlichen Notizen und sogar Fil- heute eigens in Auftrag gegebene, an. Zum Beispiel benutzt Daimler men will Amazon jetzt für generelle ausschließlich für Amazon produ- AWS, um die hohen Datenmengen Informationssuchen führend wer- zierte Serien ausstrahlt. (Die teure zu verarbeiten, die beim autono- den. Dann kann es in das lukrative Personalie Woody Allen, der für men Fahren von den Radar-, Kame- Geschäft mit Suchmaschinenanzei- eine Auftragsserie von Amazon ra-, und Laserscannersystemen der gen einsteigen. Bereits heute baut gebucht wurde, zeigt, wie ernst es Testfahrzeuge generiert werden, der Konzern sein Werbegeschäft der Konzern mit attraktiven Inhal- während die Amazon-Speicher- auf der eigenen Plattform auf. Wie ten meint.) lösung („Simple Storage Service“, einst Google immer weiter den Fo- Insofern ist Amazon Prime eine kurz S3) beispielsweise von der kus von organischen Suchergeb- Initiative, die sich sowohl gegen an- CIA verwendet wird: Auftragsvo- nissen zu den vom Konzern gegen dere Händler (stationär wie online) lumen 600 Millionen Dollar. Hier Geld angebotenen Suchanzeigen als auch gegen HBO, Sky und nicht hat der Konzern altgediente Kon- verlegte, preist Amazon mit Spon- zuletzt Netflix richtet. Vor allem ist kurrenten mit Vorerfahrung im sored Links verstärkt Produkte von es aber ein Element in dem Kitt, der Verteidigungssektor wie IBM und zahlenden Partnern an prominen- Kunden ans Amazon-Ökosystem Microsoft ausgestochen – und ter Stelle an. bindet. Denn das ist die beste Ant- kann als Branchenprimus zehnmal Das sind die Geschäftsfelder, wort auf die Frage: Was ist Amazon? so viel Rechenkapazität vorweisen auf denen der Konzern aktiv ist und Es ist ein Ökosystem, das mehrere wie die nächsten 14 Cloud-Com- die Rollen, die er in verschiedenen Kreisläufe umfasst und punktuell mit- puting-Dienstleister zusammen. Geschäftsmodellen einnimmt. einander verbindet, das sich immer Zu diesen 14 Unternehmen, Dabei aber fällt auf, dass viele weiter ausdehnt und immer mehr die auf dem Segment derartig einschlägige Amazon-Produkte Stufen in der Wertschöpfungskette hinterherhinken, gehört eben- oder Dienstleistungen nicht eins umschließt. falls Google. Auch auf dessen zu eins auf dieses Schema passen. Dieses Ökosystem funktioniert dabei Hauptgeschäftsfeld Internetsuche Das Kundenbindungsprogramm nach immer denselben Prinzipien, kann Google mit Konkurrenz von Amazon Prime, zum Beispiel, er- egal ob es um Schraubenzieher für Amazon rechnen: Mit A9 agiert möglicht es Privatkunden, ihre Herrn Schmidt, Serien für Fernseh- der Konzern ebenfalls als Such- Lieferungen am nächsten Tag ohne junkies oder Server für die CIA geht. maschinenbetreiber. Angesichts Mehrkosten zu bekommen. Dabei der nie dagewesenen Sortiments- gilt das Programm nicht nur für 19
Informationsbeschaffung fügbarkeit von Produkten, in der Es muss reichen, die Naturgesetze Amazon beschafft sich Information Auslieferung oder bei Retournie- des Systems zu verstehen, ohne darüber, was Kunden auf einem rung und Austausch von bestellten sich von der Frage nach dem Sinn bestimmten Segment möchten, Waren: Bei Amazon werden neue ablenken zu lassen. Denn nur wer vorwiegend indem das Unterneh- Standards in puncto Kundenser- es versteht, kann sich innerhalb men zunächst als Händler oder vice definiert. Die erforderlichen des Systems behaupten. Marktplatzbetreiber auftritt und Investitionen zahlen sich immer Und angesichts seiner bei- Verkäufe dokumentiert. So ver- deswegen aus, weil das Verkaufs- spiellosen Expansion muss sich steht der Konzern, wo die Nachfra- volumen ansteigt und Konkurren- jeder Gedanken machen, wie er ge liegt… ten nachziehen müssen. im System Amazon seine Nische findet und verteidigt. Wertschöpfung Langfristigkeit …und kann die Produkte oder Aufwendungen für Optimierung Dienstleistungen, bei denen es und Kundenfreundlichkeit brau- genügend Marge gibt, selbst an- chen sich nicht sofort auszuzahlen. bieten. Weil so viele Stufen der An der Schnelligkeit der moder- Wertschöpfungskette – von der nen Konzernwelt gemessen denkt Herstellung über die Produktprä- Amazon in geradezu biblischen sentation und –verschickung bis Zeitabständen. Was kurzfristig-Ge- zum Kundenkontakt – bei Amazon sinnten, auf Quartalszahlen ge- liegen, hat der Konzern immer die trimmten Konkurrenten als selbst- Möglichkeit, seine eigenen Er- mörderisches Investitionsgrab zeugnisse dazwischenzuschalten. erscheint, ist oft ein Plan für Domi- nanz in zehn Jahren. Optimierung Amazon ist der Überzeugung, Gnadenlosigkeit dass Prozesse immer optimiert Wegen seiner schieren Größe, werden können. In den Lager- seiner unschlagbaren Leistungsfä- hallen werden bereits Menschen higkeit und seines Expansionswil- gegen Maschinen ausgetauscht, len ist das Unternehmen nicht auf denn Letztere arbeiten fehlerfrei andere angewiesen – und lässt das und sind billiger. Auch sinnbild- gern alle spüren. lich hierfür: Amazon ist führend im Amazon ist also ein Ökosys- Bereich Grid-Computing, wobei tem, das nach diesen Regeln flo- hier die freie Rechenkapazität aller riert und immer mehr Lebensraum angeschlossenen Computer welt- für sich in Anspruch nimmt. Und weit verfügbar gemacht wird. genau wie in der Natur ist die Fra- ge nach dem Wozu eine eher me- Kundenfreundlichkeit taphysische, auf die es keine be- Ob in der Auffindbarkeit und Ver- friedigende Antwort geben kann. 20
KAPITEL 2: (ÜBER)LEBEN MIT AMAZON Wie können Hersteller im Amazon-Ökosystem eine Nische finden, die nicht zum Gefängnis wird? Dass bei der heutigen Marktmacht Tag – bald vielleicht am selben Tag oder wird demnächst dort auftau- und der voraussichtlichen Ausdeh- – erhält… chen. Aber warum ist das denn nung von Amazon für Hersteller Die im Privatleben geprägten Er- bedrohlich? Warum brauchen Sie aller Segmente wirklich kein Weg wartungen, dass alles schnell, un- als Hersteller da eine Strategie? mehr an Amazon vorbei geht, liegt kompliziert, zum besten Preis und Macht doch Amazon in erster Li- auf der Hand. 30 Prozent aller Pro- von überall aus verfügbar sein soll, nie anderen Händlern Konkurrenz, duktsuchen im Netz fangen in der werden Millionen Kunden selbst- nicht Ihnen. Und vor allem sind Amazon-Suchmaschine an. Ama- verständlich nicht an der Bürotür die Umsatzaussichten mit Amazon zon ist auf vielen Smartphones mit jeden Morgen abgeben. Am Ar- doch hervorragend, oder nicht? seiner App die erste Anlaufstelle beitsplatz auch nicht vergessen zu Sogar so gut, dass man glatt alle für Kunden im schnell wachsen- machen: Die guten Erfahrungen, anderen E-Commerce-Akteure ge- den mobilen Commerce. Sollte die man schon als Privatkunde mit trost vergessen könnte… Und ge- sich das konzerneigene Smartpho- der Marke Amazon gemacht hat. nau darin liegt der Clou. Denn mit ne Fire oder ein Nachfolgemodell Daher ist zu erwarten, dass der Amazon begibt man sich schnell in durchsetzen, ist davon auszuge- Konzern noch in diesem Jahr an- die absolute Abhängigkeit, ohne hen, dass diese Position zulasten fängt, die eher festen und konser- es zu merken – mit potenziell exis- der Mitbewerber gefestigt wird – vativen gewerblichen Lieferungs- tenziellen Folgen. beispielsweise durch Lock-ins, wie ketten in Deutschland mit Amazon vorinstallierte Amazon-eigene Be- Business aufzumischen. Seit 2012 Hersteller und Amazon: zahlapplikationen (Apple macht es hat Amazon Business in der Be- Wie es gründlich schieflau- hier gerade mit „Apple Pay“ vor). ta-Version schon rund 2,25 Millio- fen kann Und schon bald wird Technologie nen Artikel verkauft und ist bereits Das trojanische Pferd, der Ratten- wie Amazon Echo bei den Kon- in Deutschland – sowie in 50 ande- fänger von Hameln, Hänsel und sumenten zu Hause landen: Mit ren Ländern – aktiv. Wenn der Kon- Gretl, oder eben unsere Einlei- diesem Stimmerkennungsgerät zern mit der Markteroberung ernst tungsgeschichte von Knut und sollen verbale Kommandos aus- macht und hierzulande günstige den Amazonen: Die Evolution ei- reichen, um Bestellungen abzuge- Kreditlinien, extralange Zahlungs- ner typischen Beziehung zwischen ben. Wozu sich noch den Gang ziele, und kostenfreie Lieferungen Herstellern und Amazon hat einen zu irgendeinem anderen Anbieter anbietet, wird es schnell gehen. oft parabelhaften Charakter. Zuerst überlegen? Zumal man schon Pri- Kurzum: Egal für wen Sie was kommt der Konzern mit Geschen- me-Kunde ist und Bestellungen auch immer herstellen, ist Amazon ken, beschert dem Hersteller ohne Aufpreis gleich am nächsten bereits auf Ihrem Segment präsent reichlich Umsatz, und verleiht ihm 21
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