Kommunaler Wohnungsbau - sozial und wirtschaftlich - Beiträge der Fraktion DIE LINKE. Berlin zur stadtpolitischen Debatte - Senatorin Katrin Lompscher

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Kommunaler Wohnungsbau - sozial und wirtschaftlich - Beiträge der Fraktion DIE LINKE. Berlin zur stadtpolitischen Debatte - Senatorin Katrin Lompscher
Kommunaler Wohnungsbau –
   sozial und wirtschaftlich
              Beiträge der Fraktion DIE LINKE. Berlin
                        zur stadtpolitischen Debatte
2   Kommunaler Wohnungsbau –
Inhalt

Vorwort | Udo Wolf | Seite 4

Soziale Wohnungswirtschaft für Berlin und Umsteuerung der
städtischen Gesellschaften | Katrin Lompscher | Seite 5

Wohnungsbau und soziale Wohnraumförderung für Berlin.
Der Einstieg in die soziale Wohnungswirtschaft | Dr. Matthias Schindler | Seite 8

Neue Wohnraumförderung vor allem für städtische Wohnungen –
Städtische Wohnungsbaugesellschaften wirtschaftlich stärken
und sozial verpflichten | Antrag der Fraktion DIE LINKE. Berlin | Seite 34

                                                            sozial und wirtschaftlich    3
Vorwort | Udo Wolf

    Liebe Berlinerinnen und Berliner,       Berliner Abgeordnetenhaus ist klar:            Die Fraktion DIE LINKE hat zu-
    Wohnungen sind zu einem begehrten       Wohnen ist ein Grundrecht. Die Miete           sammen mit dem Ökonomen Dr.
    Objekt für Finanzspekulation ge-        muss bezahlbar sein – für alle. Das Land       Matthias Schindler ein Konzept
    worden – auch und gerade in Berlin.     Berlin muss alle zur Verfügung stehen-         erarbeitet, mit dem der Wohnungs-
    Mieterinnen und Mieter werden           den Instrumente nutzen, um bezahlbare          bestand bezahlbar bleibt und der
    aus ihren Wohnungen vertrieben,         Mieten und eine soziale Stadt zu erhalten.     Bau neuer Wohnungen mit dauer-
    um diese nach Sanierung mit hoher       Wir brauchen aber auch eine soziale            haften Belegungsrechten und einer
    Rendite zu vermarkten. Die Mieten       Wohnraumförderung. Die Förderung des           Mietpreisbindung gefördert wird. In
    steigen rasant. Viele können sich die   Senats mit Einstiegsmieten von 6,50 Euro       der vorliegenden Broschüre stellen
    steigenden Wohnkosten für Miete,        und Mietsteigerungen alle zwei Jahre für       wir Ihnen die Ergebnisse des woh-
    Nebenkosten, Wasser, Strom und          1.000 Neubauwohnungen jährlich geht            nungspolitischen Konzepts unserer
    Heizung nicht mehr leisten. Am          an der sozialen Wirklichkeit vieler Berline-   Fraktion vor. Wir legen dar, wie Berlin
    stärksten betroffen sind Geringver-     rinnen und Berliner vorbei.                    eine neue Wohnraumförderung
    dienerinnen und Geringverdiener                                                        gestalten kann.
    sowie Empfängerinnen und Emp-           Nach Jahrzehnten falscher Förderpolitik
    fänger von Transferleistungen. Die      mit einem Sozialen Wohnungsbau, der            Wir würden uns freuen, wenn Sie mit
    Bevölkerung ganzer Quartiere wird       den Namen nicht verdiente, und der             uns diskutieren, wie eine neue sozia-
    ausgewechselt. Um eine neue Woh-        einseitig auf Neubau ausgerichteten aktu-      le Wohnungspolitik und der Einstieg
    nung anmieten zu können, müssen         ellen Senatsstrategie brauchen wir den         in eine soziale Wohnungswirtschaft
    Bewerberinnen und Bewerber immer        Einstieg in eine neue soziale Wohnungs-        Gestalt annehmen kann.
    fragwürdigere Nachweise vorlegen.       wirtschaft. Die Stärke der Stadt sind ihre
    Soweit die beunruhigende Situation.     eigenen Wohnungsbaugesellschaften.
    Für die Fraktion DIE LINKE im           Diese können einen wichtigen Beitrag für
                                            die Wohnraumversorgung zu bezahlbaren
                                            Mieten leisten. Dafür müssen sie aber
                                            neu ausgerichtet werden.
                                                                                           Udo Wolf ist Fraktionsvorsitzender
                                                                                           Fraktion DIE LINKE. Berlin

4      Kommunaler Wohnungsbau –
Katrin Lompscher

Soziale Wohnungswirtschaft
für Berlin und Umsteuerung
der städtischen Gesellschaften

In Berlin herrscht Wohnungsnot – diese    die Herrichtung von Altbauten kann         die Wohnungsbauförderung geflossen,
Aussage stimmt auf jeden Fall für         zusätzlichen Wohnraum schaffen. Aber       ohne dass damit ein nachhaltiger, also
preiswerten Wohnraum und für spezielle    der Mangel an bezahlbaren Wohnungen        dauerhafter Beitrag zur sozialen Wohn-
Bedarfsgruppen wie Menschen mit we-       für kleine Einkommen, an Wohnungen,        raumversorgung geleistet worden ist.
nig Geld, Singles und Personen, die auf   die generationen- und klimagerecht         Der enorme öffentliche Mittelaufwand
barrierefreie Wohnungen angewiesen        sind, wird mit Neubau allein nicht zu      der Vergangenheit steht in keinem Ver-
sind. Für alle anderen wird Wohnraum      beheben sein.                              hältnis zum gesellschaftlichen Nutzen.
zunehmend knapp, was auch in einem                                                   Der anhaltende Zuzug nach Berlin ist ein
anhaltenden Mietpreisauftrieb seinen      Nach dem 2. Weltkrieg waren in Berlin      erfreulicher und ermutigender Vertrau-
Ausdruck findet. Der Senat leugnet         bis 1990 rund 917.000 Wohnungen neu        ensvorschuss in die Zukunft unserer
das Problem nicht mehr, aber was er       gebaut worden, 556.000 im Westen,          Stadt. Berlin hat sich – entgegen an-
real tut, taugt kaum zur Lösung. Allein   361.000 im Osten. Gegenüber 1950           derslautender Befürchtungen – zu einer
Wohnungsneubau zu forcieren bringt        gab es 1990 fast 690.000 Wohnungen         attraktiven Metropole entwickelt. Und
wenig, wenn Bestandswohnungen nicht       mehr in beiden Stadthälften, insgesamt     Berlin gehört national und international
vor untragbarer Mieterhöhung und Um-      rund 1.713.000, obwohl die Einwohner-      zu den Städten mit relativ niedrigen
wandlung in Wohneigentum geschützt        zahl nur um knapp 100.000 Personen         Lebenshaltungskosten, nicht zuletzt
werden.                                   auf reichlich 3,4 Millionen Personen zu-   wegen der (noch) günstigen Mieten. Das
                                          genommen hatte. In diesem Verhältnis       war bisher der große Standortvorteil
Was also wäre zu tun, was wäre eine       spiegelt sich auch die Veränderung von     Berlins und auch das Geheimnis der An-
alternative Strategie für bezahlba-       Haushaltsgrößen und Wohnflächenver-         ziehungskraft für Junge und Kreative. Es
res und bedarfsgerechtes Wohnen           brauch. Der Trend zu kleineren Haus-       ist ein Pfund, das die Stadt nicht aus der
in Berlin? Die Stadt wird älter und       halten und größerem Flächenverbrauch       Hand geben darf, auch und gerade weil
vielfältiger und braucht entsprechend     hat sich bis heute fortgesetzt, scheint    die Einkommenssituation hier struktu-
angepassten Wohnraum. Energiewende        aber an eine Grenze zu geraten.            rell schlechter ist als anderswo. Auch
im städtischen Kontext bedeutet vor                                                  deshalb ist die soziale Wohnraumver-
allem Energieeinsparung und Klimaan-      Seit 1991 sind in Berlin rund 200.000      sorgung eine politische Aufgabe ersten
passung im Gebäudesektor und in der       Wohnungen neu gebaut worden – der          Ranges, gerade in Berlin.
Stadtplanung.                             weitaus größte Teil davon bis zum Jahr
                                          2000. Die Zahl der sozial gebundenen       Die öffentlichen Wohnungsunterneh-
Berlin wächst seit kurzem wieder,         Wohnungen wird von aktuell rund            men sind zentrale wohnungspolitische
braucht also auch mehr Wohnungen.         140.000 auf reichlich 100.000 im Jahr      Instrumente und künftig die entschei-
Berlin braucht Wohnungszuwachs,           2020 zurückgehen. Seit 1991 ist die        dende Säule einer sozialen Wohnungs-
der Senat rechnet mit einem Bedarf        Modernisierung und Instandsetzung          wirtschaft. Auf die Entwicklung dieser
von 137.000 Wohnungen zusätzlich          von über 400.000 Wohnungen geför-          Bestände kann direkt politisch und
bis 2025, das entspricht rund 11.000      dert worden, zu 85 Prozent im Ostteil      finanziell steuernd Einfluss genommen
pro Jahr. Quantitativ ist das eine        Berlins, von denen im Altbaubestand        werden. Und vor dem Hintergrund der
überschaubare, lösbare Aufgabe. Das       heute nur noch rund 25.000 über            Erfahrungen mit dem »alten« sozialen
bedeutet nicht nur Neubau, auch der       soziale Bindungen verfügen. Es sind        Wohnungsbau kann und muss hervorge-
Umbau früherer Gewerbebauten oder         rund 25 Milliarden Euro Landesmittel in    hoben werden: Öffentliche Mittel für den

                                                                                                   sozial und wirtschaftlich   5
Wohnungssektor bleiben im öffentlichen
Eigentum. Angesichts der ab 2020
geltenden Schuldenbremse sei zudem
darauf verwiesen, dass die Vermögen
aus Beteiligungen dafür nicht maßgeb-
lich werden.

Derzeit verfügt Berlin über rund 285.000
Wohnungen in sechs städtischen Woh-
nungsbaugesellschaften. Deren Zahl
wächst nach großen Einbußen seit 1990
(da gab es 482.000 städtische Woh-
nungen) seit 2007 wieder und soll nach
Vorstellung des Senats bis 2016 auf
300.000 steigen. Bisher sind Zukäufe
maßgeblich für Zuwachs, künftig soll
auch der Neubau dazu beitragen. Die
berlinovo, Nachfolgegesellschaft der
Immobilienauffanggesellschaft nach der
Berliner Bankenkrise mit rund 20.000
Wohnungen und Appartements in Berlin,
entwickelt sich langsam zur siebenten
städtischen Gesellschaft.
                                              talausstattung der Unternehmen stetig       alen Wohnraumversorgung dienen soll,
Im Zeitraum von 2000 bis 2011 haben           verbessert und dafür die Unterneh-          dann müssen Wohnungsgrößen, Ausstat-
die städtischen Gesellschaften zusam-         mensziele konkretisiert und die Unter-      tung und Baukosten diesem Ziel entspre-
men gerade einmal rund 1.350 Wohnun-          nehmenssteuerung darauf ausrichtet.         chen. Das gilt es bei den Bauprogrammen
gen errichtet, darunter knapp 1.000 als       Kurz gesagt: Als Gegenleistung für eine     der öffentlichen Unternehmen und in
Eigentum. Auch die aktuellen Planungen        Eigenkapitalzuführung werden die Unter-     den Kriterien von öffentlichen Förderpro-
nehmen sich noch immer bescheiden             nehmen zur dauerhaften Bereitstellung       grammen für Dritte sicherzustellen.
aus. Das ist kaum verwunderlich an-           von bezahlbarem und bedarfsgerechtem
gesichts der Tatsache, dass die städti-       Wohnraum verpflichtet. Ob im eigenen         Zugleich muss die demokratische Kon-
schen Wohnungsunternehmen mit der             Bestand, über Zukäufe oder durch Neu-       trolle der privatrechtlich organisierten
Ertüchtigung ihrer Bestände und v.a.          bau hängt von der jeweiligen Ausgangs-      öffentlichen Wohnungswirtschaft in
mit ihrer eigenen Konsolidierung in den       lage und Unternehmensstrategie ab und       Berlin verbessert werden. Da reicht es
letzten zehn Jahren mehr als ausgelastet      wird politisch nicht vorgegeben.            nicht, dass die öffentlichen Gesellschaf-
waren und sind.                                                                           ten mehr oder weniger engagiert Mie-
                                              Für den Wohnungsbau geeignete öffentli-     terbeiräte initiieren. Die Einbeziehung
Es ist ein Verdienst der rot-roten Koaliti-   che Liegenschaften sollen vorrangig den     der Mieterinnen und Mieter in Bau- und
on, dass die städtischen Gesellschaften       städtischen Gesellschaften übertragen       Modernisierungsvorhaben muss deut-
nach den Einschnitten der sogenannten         werden, und zwar zu solchen Konditio-       lich verbessert werden, wie zahlreiche
»In-Sich-Geschäfte« (eine Gesellschaft        nen, die nicht kostentreibend wirken. Und   Beispiele von Mieterprotesten in der
kauft die andere und zahlt den Kaufpreis      was zukünftig an Bedeutung gewinnen         letzten Zeit zeigen. Warum nicht auch
an den Senat) wirtschaftlich wieder           wird: Berlin muss eine strategische         Mieterinnen und Mieter in die Aufsichts-
handlungsfähig sind. Deshalb können           Flächenvorsorge etablieren und gezielten    räte? Warum nicht mehr Transparenz
und müssen sie zentrale Akteure einer         Flächenankauf nicht nur, aber insbeson-     bei eigenen Planungs- und Bauvorhaben
sozialen Wohnungswirtschaft sein.             dere für den Wohnungsbau und Folge-         und in der wohnungswirtschaftlichen
Die Politik muss diese Funktion gezielt       infrastrukturen betreiben.                  Praxis – von Vermietungskriterien bis
unterstützen, indem sie die Eigenkapi-        Wenn der Wohnungsneubau einer sozi-         Engagement im Stadtteil.

6       Kommunaler Wohnungsbau –
Das derzeitige wohnungswirtschaftliche      städtischen Wohnungen, die die Miet-         Vergabekriterien sinnvoll. Und diese
Controlling des Senats ist weder für das    höhen nach oben bestimmen. Da wirkt          Kriterien müssen den Bedarf besonderer
Parlament noch für die Öffentlichkeit       das Mietenbündnis des Senates wie ein        Bevölkerungsgruppen, die Anforde-
transparent. Das technisch im Wesent-       Placebo, und für die ärmsten Wohnungs-       rungen an Barrierefreiheit und Ener-
lichen vorhandene Instrument wird für       suchenden nur noch wie ein Hohn.             gieeffizienz, Kostenbewusstsein und
eine wohnungspolitische Steuerung                                                        Stadtverträglichkeit berücksichtigen.
kaum genutzt. Stattdessen werden die        Damit sich das ändert und die städti-        Für die Vergabeverfahren sind Transpa-
Unternehmen für Senatsprojekte – sei        schen Gesellschaften dennoch wirt-           renz und Partizipation zu sichern. Ein
es die Entwicklung Tempelhofs oder am       schaftlich stabil bleiben, wohnungswirt-     messbarer Beitrag zur sozialen Wohn-
Mauerpark – instrumentalisiert und mit      schaftlich ausgewogen ihre Bestände          raumversorgung soll Voraussetzung für
wirtschaftlich nicht leistbaren Aufgaben    und Quartiere betreiben können und           eine Förderung sein. Die Förderung soll
überfordert.                                weiterhin starke Partner der sozialen        als einmaliger Zuschuss erfolgen gegen
                                            Stadt(teil)entwicklung sind, muss das        einen Anteil dauerhaft zu sozial ange-
Dafür stellt der Senat nicht etwa zu-       Land Berlin seine Eigentümerfunktion         messenen Konditionen (Miethöhe und
sätzliche Mittel bereit, abgesehen von      anders ausüben. Finanzielle Stärkung,        Belegungsrecht) zur Verfügung gestell-
den jährlich 32 Millionen Euro für den      klare wohnungspolitische Vorgaben,           ten Wohnungen.
Wohnungsbaufonds, dafür »erlaubt« er        transparente demokratische Steuerung
den Unternehmen eine Entnahme von           und partnerschaftliche Stadtentwick-         Gutes und bezahlbares Wohnen als
bis zu 175 Millionen Euro aus ihrem         lung – das sind unsere Vorstellungen         elementares Grundbedürfnis und dabei
Eigenkapital und eine zusätzliche Schul-    für den Umgang mit den öffentlichen          zugleich eine nachhaltige Stadtentwick-
denaufnahme von 600 Millionen Euro.         Wohnungsunternehmen.                         lung mit gesellschaftlich vertretbarem
Das ist das Gegenteil von strategisch                                                    Aufwand zu gewährleisten – das ist die
orientierter Wohnungs- und Gesellschaf-     Der städtische Wohnungsbestand um-           politische Herausforderung. Bezahlba-
terpolitik!                                 fasst nur rund 15 Prozent des Gesamt-        res Wohnen wird heute zu gesellschaft-
                                            bestandes. Auch wenn die Vergrößerung        lich tragbaren Kosten überwiegend im
Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen    dieses Anteils strategisches Ziel einer      Bestand angeboten. Bezahlbare Mieten
auch, dass die öffentlichen Wohnungs-       linken Wohnungspolitik sein muss,            im Neubau sind ohne eine öffentliche
unternehmen nicht von allein eine sozi-     dürfen private Wohnungsanbieter nicht        Förderung nicht realisierbar. Aber der
ale Vermietungspraxis etablieren. Das       vernachlässigt werden. Teil des privaten     Wohnungsneubau von heute ist im
reicht von der Ausgestaltung der Miethö-    Sektors sind auch Genossenschaften –         besten Fall Bestandteil des bezahlbaren
he bis zur Auswahl von Wohnungsbewer-       in Berlin mit immerhin knapp 200.000         Wohnungsbestands von morgen.
berinnen und -bewerbern. Menschen mit       Wohnungen -, Baugruppen, Einzelei-
Transfereinkommen bzw. Migrations-          gentümer, freie Träger etc. – es wäre
hintergrund müssen unrealistisch hohe       also fatal und realitätsfremd, die private
finanzielle Sicherheiten offerieren oder     Wohnungswirtschaft ausschließlich mit
werden aus nicht nachvollziehbaren          Gewinnmaximierung und »Heuschre-
Gründen abgewiesen. Auch verschulde-        cken« zu assoziieren. Auch hier sind
te Haushalte sind bei der Wohnungssu-       öffentliche Rahmenbedingungen so zu
che benachteiligt. Die Verpflichtungen       setzen, dass ein Beitrag zur sozialen
gegenüber dem Land Berlin, Wohnungen        Wohnungsversorgung erreicht werden
für besondere Bedarfsgruppen und            kann. Dafür stehen normative Regelun-
Flüchtlinge bereitzustellen, erfüllen       gen im Bau- und Planungsrecht genauso
die Gesellschaften seit Jahren nur          zur Verfügung wie finanzielle Instrumen-
unzureichend. Viele Wohnungen sind          te von der Grundstücksvergabe über das
für die Mietobergrenzen der Jobcenter       Steuerrecht bis zur direkten Förderung.
schlicht zu teuer. Regelmäßige, rechtlich   Um private Akteure für den Einstieg          Katrin Lompscher ist Stellvertretende
zulässige Mieterhöhungen im Bestand         in eine soziale Wohnungswirtschaft           Fraktionsvorsitzende und Sprecherin für
lassen die Durchschnittsmieten stetig       zu gewinnen, ist ein Wohnungsbau-            Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen
steigen. In einigen Bezirken sind es die    fonds mit inhaltlich klar strukturierten     Fraktion DIE LINKE. Berlin.

                                                                                                       sozial und wirtschaftlich   7
Dr. Matthias Schindler | REDAKTION Katrin Lompscher

Wohnungsbau und soziale
Wohnraumförderung für Berlin.
Der Einstieg in die
soziale Wohnungswirtschaft.
Zusammenfassung

Berlin ist attraktiv. Berlin bleibt attraktiv   Folgeinvestitionen. Dieser Mitteleinsatz   strategie einbezogen werden. Hier lie-
– zumindest auf längere Zeit, vor allem         erfordert Amortisation und dort, wo        gen die Potentiale, da die erforderlichen
für die, die es sich leisten können. Berlin     Fremdmittel erforderlich sind, Zins und    »Kostenmieten« deutlich unter denen
zieht an. Berlin hat kontinuierlichen           Tilgung. Sie müssen erlöst werden. Das     des Wohnungsneubaus liegen. Mit den
Zuzug. Die Zahl der Einwohnerinnen und          determiniert die Bedingungen der spä-      einzusetzenden öffentlichen Mitteln
Einwohner wächst. Gleichzeitig hält die         teren Bewirtschaftung. Wohnungsbau         können in diesem Segment bei weitem
Tendenz zur Verringerung der Haus-              und -wirtschaft unterliegen heute immer    größere Effekte erzielt werden.
haltsgrößen an. Die Zahl der Wohnungen          höheren Standards und öffentlich-
hat sich durch Rückbau und Zusam-               rechtlichen Anforderungen. Auch das        Gleiches gilt für die landeseigenen
menlegungen in Folge von Sanierungen            erhöht die Kosten von Errichtung und       Wohnungsunternehmen. Nur auf diese
relativ verringert. Deshalb brauchen wir        Bewirtschaftung.                           kann Berlin als Gesellschafter direk-
bedarfsgerechten Wohnungsneubau.                                                           ten Einfluss im Sinne einer aktiven
                                                Das hat Folgen für die Mieten. Woh-        Vermietungs- und Mietenpolitik vor
Berlin ist groß. Effekte bedürfen bei           nungsneubau kann angesichts der            dem Hintergrund der Verfasstheit des
3,5 Millionen Menschen und fast zwei            tatsächlichen Kosten nur dann zu           Wohnungsmarktes und der rechtlichen
Millionen Wohnungen einer gewissen              (reduzierten) Nettokaltmieten pro          Rahmenbedingungen nehmen. Das
Größenordnung. Das hat Konsequen-               Quadratmeter für berechtigte Personen      betrifft zunächst lediglich 15 Prozent
zen. Die aktuelle Debatte um den                angeboten werden, wenn die Differenz       des Berliner Wohnungsangebotes. Alle
Wohnungsneubau ist aufgeheizt und               aus anderen Quellen beglichen wird. Die    anderen Effekte sind vermittelt. Aus die-
laut. Ständig neue Ideen, ständig neue          Schließung dieser Lücke kann entweder      sem Grund muss eine Beförderung von
Zahlen, ständig neue Forderungen. Das           wie in der Vergangenheit nur über exter-   Wohnungsneubau durch das Land Berlin
Volumen der dafür in Aussicht gestell-          ne Zuschüsse (öffentliche Förderung)       konsequent auf die Stärkung der kom-
ten Mittel schwankt, steht jedoch im            oder durch überhöhte Mieten in anderen     munalen Wohnungswirtschaft setzen.
krassen Missverhältnis zu den apostro-          Wohnungen erfolgen. So werden              Das ist der Adressat einer Förderung.
phierten Effekten. Die Zahl der Akteure         entweder die Gesamtgesellschaft (über      Dieser Ansatz erfordert Langfristigkeit
wird immer unübersichtlicher. Es ist ein        den öffentlichen Haushalt) oder andere     und kontinuierlichen Zufluss von rele-
lautstarker Überbietungswettbewerb im           Mieterinnen und Mieter zur Subvention      vanten Mitteln. Auf dieser Basis kann
Gang. Aber noch baut Berlin weitgehend          herangezogen.                              der Spielraum der öffentlichen Hand
mit Worten!                                                                                schrittweise erhöht werden, wobei der
                                                Deshalb ist der existierende Wohnungs-     Weg zu früheren Marktanteilen weit ist.
Wohnungsbau und -wirtschaft erfor-              bestand für die Bereitstellung von Woh-
dern langfristiges Denken und Handeln,          nungen zu günstigen Mieten vorrangig       Die Mittel sollen so gewährt werden,
mit immensen Anfangs- und auch                  zu betrachten und muss in eine Förder-     dass sie eine Doppelfunktion erfüllen

8       Kommunaler Wohnungsbau –
– Stärkung der Eigenkapitalsituation       gungen der spezifischen Rechtsform             dessen Volumen entsprechend. Die Aus-
der Unternehmen und Verfügbarkeit          der jeweiligen Gesellschaft gestalten.        reichung der Mittel sollte als einmaliger
freier Liquidität. Die Erhöhung der        Die Rechtsformen der kommunalen               Zuschuss in das Eigenkapital auf Antrag-
Zahl der Wohnungen in kommunaler           Gesellschaften bieten dafür ausreichend       stellung nach Maßgabe des Konzepts
Hand, die Bestandsertüchtigung und         Spielraum. Die adäquate Kontrolle der         und Zeitpunkt des Antragseingangs er-
die Bereitstellung einer wachsenden        Durchsetzung dieser Strategie erfordert       folgen. Das Verfahren der Erstellung des
Anzahl von Wohnungen zu Mieten, die        die Qualifizierung des wohnungswirt-           Vergabekatalogs und die Kontrolle sind
für einen bevorrechtigten Personenkreis    schaftlichen Controllings unter Maßga-        öffentlich und transparent zu gestalten
mit geringen und mittleren Einkommen       be dieser strategischen Ausrichtung.          sowie auf eine demokratische, relevante
bezahlbar sind, stehen im Vordergrund                                                    gesellschaftliche Akteure einbeziehende
des Einsatzes der Mittel.                  Diese strategische Ausrichtung beant-         Grundlage zu stellen.
                                           wortet jedoch noch nicht die Frage nach
Der jährliche Zufluss sollte einen Betrag   der richtigen – das heißt kostengüns-         Eine mögliche dritte Säule der Finanzie-
von mindestens 100 Millionen Euro          tigen und langfristig bedarfsgerechten        rung des Wohnungsbaus ist ein Woh-
umfassen. Mit diesem Betrag könnte         – Neubaustrategie für die kommunalen          nungsneubaufonds der IBB für Berlin.
der Impuls für Investitionen von bis zu    Unternehmen in integrierten städti-           Wenn für dieses Zukunftsthema große
500 Millionen Euro pro Jahr gegeben        schen und verkehrlich gut erschlosse-         Beträge vergesellschafteten Kapitals
werden. Diese können sich auf Zukauf       nen Lagen. Berlin hat keinen Mangel an        mobilisiert werden sollen, ist es sinnvoll
von Beständen, Sanierung bzw. Woh-         hochpreisigen, großen Wohnungen. Es           sich objektiv gängiger Mechanismen
nungsneubau richten. Der Zufluss kann       fehlen kleinere Wohnungen zu tragbaren        zu bedienen, sie gleichzeitig zu verän-
in Abhängigkeit von den Existenzbedin-     Mieten, die barrierefrei und klimage-         dern und auf bestehende Institutionen
gungen der einzelnen Gesellschaften        recht sind. Vor dem Hintergrund der Er-       zurückzugreifen. Darauf setzt der
direkt als Liquidität bzw. als Verzicht    fordernisse geht es um Masse, Standar-        Vorschlag für den Fonds. Er sichert eine
auf die Rückzahlung früher gewährter       disierung und kleine Wohnflächen. Nur          stabile langfristige Verzinsung des ange-
Aufwandsdarlehen erfolgen.                 so ist langfristig ein Effekt für bezahlba-   legten Kapitals und soll gleichzeitig die
                                           res Wohnen im Neubau zu erzielen.             Zahl der durch die kommunalen Gesell-
Diese Eigenkapitalzufuhr durch den                                                       schaften bewirtschafteten Wohnungen
Gesellschafter wird unmittelbar mit        Neben der finanziellen Stärkung der            erhöhen. Die Kontrolle dieses Woh-
der dauerhaften Bereitstellung einer       städtischen Wohnungsunternehmen ist           nungsbaufonds ist ebenfalls partizipativ
verbindlich fixierten und über die Jahre    eine ergänzende Förderung für andere          und demokratisch auszugestalten.
steigenden Zahl von Wohnungen für          Akteure des Wohnungssektors sinnvoll.
einen berechtigten Personenkreis sowie     Diese sollen durch einen Eigenkapitalzu-      Und schließlich gilt es den Spielraum
den Einsatz der Mittel zur zielgenauen,    schuss angeregt werden, sich ebenfalls        geltender Gesetze gezielt zu nutzen, um
an der jeweiligen Unternehmenslage         dauerhaft und einklagbar ähnlichen            die öffentlichen Interessen an einer so-
orientierten Stärkung der Gesellschaf-     Regelungen wie die kommunalen                 zialen Wohnraumversorgung effektiver
ten gekoppelt. Dazu gehört auch der        Gesellschaften zu unterwerfen. Es ist         durchzusetzen. Dabei steht zunächst der
Wohnungsneubau.                            jedoch davon auszugehen, dass die Zahl        umfassende Einsatz des Baugesetzbu-
                                           der Interessenten relativ klein sein und      ches zur aktiven Grundstückssicherung
Damit stärkt das Land Berlin unmittelbar   spezielle Projekte erfassen wird. Damit       als Voraussetzung für einen an stadtent-
seine Stellung als Gesellschafter kom-     lassen sich zwar öffentlichkeitswirksa-       wicklungspolitischen Leitlinien orientier-
munaler Wohnungsunternehmen. Das           me Projekte fördern, die quantitativen        ten Wohnungsneubau im Vordergrund.
muss auch in der Ausgestaltung dieser      Effekte für soziale Wohnraumversorgung
Rolle zum Ausdruck kommen. Der Ge-         werden aber gering sein. Trotzdem sollte      In diesem Sinn lohnt es sich, mit dem
sellschafterwille kann nicht Gegenstand    dieser Weg beschritten werden.                Einstieg in eine soziale Wohnungswirt-
von Vereinbarungen zwischen dem Ge-                                                      schaft zu beginnen.
sellschafter und seinen Gesellschaften     Der Fonds sollte zunächst aus Landes-
sein, er muss vielmehr Grundlage deren     mitteln mit einem Volumen von 30 Milli-
Handelns sein. Die Umsetzung muss der      onen Euro pro Jahr ausgestattet werden,
Gesellschafter ausgehend von Bedin-        ergänzende Bundesmittel vergrößern

                                                                                                        sozial und wirtschaftlich   9
Inhalt

 A    Einleitung
 1.   Der Auftrag
 2.   Die Vorarbeiten
 3.   Die Untersuchungsstrategie
 4.   Die aktuelle Lage
 5.   Die sozialen Rahmenbedingungen
 6.   Die aktuelle Debatte
 7.   Auswirkungen der Veränderung der Bundespolitik
 8.   DIE LINKE Berlin und der Einstieg in die soziale Wohnungswirtschaft

 B    Die Berliner Wohnungswirtschaft
 1.   Bestandswohnungen und Bestandsbewirtschaftung
 2.   Die kommunalen Gesellschaften
 3.   Veränderungen in der Eigentümerstruktur
 4.   Der soziale Wohnungsbau der Vergangenheit
 5.   Konsequenzen aus den Erfahrungen des alten sozialen Wohnungsbaus
 6.   Der Wohnungsneubau des letzten Jahrzehnts

 C    Der Wohnungsneubau
 1.   Der neue Wohnungsneubau
 2.   Die Prognose des Bedarfs
 3.   Die Flächen
 4.   Neue Liegenschaftspolitik
 5.   Die Schlussfolgerungen im Stadtentwicklungsplan Wohnen
 6.   Die Kosten
 7.   Die Konsequenzen für die Miete
 8.   Möglichkeiten und Instrumentarien zur Kostendämpfung

 D Soziale Wohnungswirtschaft
 1. Der Einstieg in ein neues System der sozialen Wohnungswirtschaft
 2. Bestandswohnungen
 3. Wohnungsneubau als Vorsorge
 4. Die Stärkung der kommunalen Wohnungsunternehmen
 5. Der Umfang der Mittel und ihr Einsatz
 6. Der angestrebte Effekt der Eigenkapitalstärkung
 7. Die Stärkung der Gesellschafterrolle und Qualifizierung der Steuerung und Kontrolle
 8. Die Qualifizierung des wohnungswirtschaftlichen Controllings
 9. Andere Akteure im Wohnungsneubau
10. Fonds zur Förderung anderer Akteure
11. Die Rolle der Investitionsbank Berlin
12. Die Mieterinnen und Mieter
13. Politische Initiativen auf Bundesebene

10        Kommunaler Wohnungsbau –
A    Einleitung                              Immerhin stellte und stellt die kommu-      reits absehbar. Der Ruf nach Neubau
                                             nale Wohnungswirtschaft Berlins auf         und Neuauflage der Wohnraumförde-
1.   Der Auftrag                             Grund ihrer Größe, Komplexität, Wirt-       rung wurde lauter. Die SPD-geführte Se-
                                             schaftskraft und ihres Anlagevermögens      natsverwaltung für Stadtentwicklung je-
Im Jahr 2013 erteilte die Fraktion DIE       sowie Stellenwertes für die gesamte         doch hielt an ihrer Auffassung eines ent-
LINKE im Abgeordnetenhaus den Auf-           Berliner Wirtschaft einen wesentlichen,     spannten Wohnungsmarktes fest und
trag zur Erarbeitung einer Studie zu Mo-     wenn nicht den entscheidenden Vermö-        handelte nicht, abgesehen von punktu-
dellen einer neuen Wohnraumförderung         gensbestandteil der Kommune Berlin          ellen Eingriffen beim alten sozialen Woh-
unter Maßgabe folgender Prämissen:           zur Ausgestaltung ihrer sozialen Funkti-    nungsbau. Erst nach den Wahlen 2011
     Stärkung der kommunalen Unter-          on dar.                                     änderte sich das.
nehmen auf dem Wege der Eigenkapital-
erhöhung;                                    Die kommunale Wohnungswirtschaft
     Förderung von Trägern und Initiato-     Berlins war beim Start von Rot-Rot in der   3. Die Untersuchungsstrategie
ren sozialer Wohnraumbewirtschaftung         Krise. Fast wäre nach dem Notverkauf
aus Mitteln des Landeshaushalts un-          der GSW noch die Wohnungsbaugesell-         Die Studie wendet sich in einem ersten
ter Berücksichtigung beihilferechtlicher     schaft Mitte (WBM) veräußert worden,        Abschnitt ausgehend von aktuellen Ent-
Vorschriften der Europäischen Union.         die an ihren Sondervorhaben und -kon-       wicklungen der gegenwärtigen Debatte
                                             struktionen krankte. Die Mitte Berlins      zum Wohnungsneubau in Berlin zu. Auf
Dabei sollten in der Studie unterschiedli-   wäre zu einem weißen Fleck der kommu-       dieser Basis wird die Ausgangssituation
che Volumina der Förderung in ihren un-      nalen Wohnungswirtschaft geworden.          für die Entwicklung einer eigenen För-
terschiedlichen Wirkungen auf die Zahl       Die Vorschläge zur Überwindung der          derstrategie charakterisiert.
der zu errichtenden Wohnungen, deren         Krisensituation waren Anfang 2003 Ge-
zukünftige Bewirtschaftung, Miethöhen        genstand heftiger Auseinandersetzung        In einem zweiten Abschnitt werden die
und Markteffekte untersucht werden.          zwischen den Partnern der damals noch       Existenzbedingungen der Berliner Woh-
Dabei sollte der Zielgenauigkeit eines       jungen Koalition mit der SPD.               nungswirtschaft unabhängig von ihrer Ei-
möglichen Fördersystems besondere                                                        gentümerstruktur erfasst und analysiert.
Aufmerksamkeit geschenkt werden.             Im Rückblick öffnete die Absage an eine
                                             mögliche Privatisierung der WBM dann        In einem dritten Abschnitt werden Fra-
Darüber hinaus soll die Untersuchung ei-     den Weg zu einer relativ schnellen Ge-      gen des Wohnungsneubaus unter dem
nen Beitrag zur Entwicklung von Strate-      sundung des Unternehmens. Wenig wur-        Blickwinkel des prognostizierten Be-
gien im Umgang mit dem sozialen Woh-         den die kommunalen Wohnungsunter-           darfs, der Flächenpotentiale, der Kosten
nungsbau (alt) leisten.                      nehmen über das Beteiligungsmanage-         und der zu erwartenden Miethöhen ver-
                                             ment auf einen »Trimm-dich-Pfad« der        tieft. Gesondert wird hier insbesondere
                                             Ertragssteigerung durch Mietsteigerung      in Auseinandersetzung mit der aktuellen
2.   Die Vorarbeiten                         und Liquiditätssicherung durch umfang-      Debatte der Frage der Vorsorgefunktion
                                             reiche Wohnungsverkäufe geschickt.          des Neubaus Aufmerksamkeit gewidmet.
Die Fraktion DIE LINKE im Abgeordne-
tenhaus von Berlin hat sich wiederholt       Das ist für die hier vorgelegte Untersu-    In einem vierten Abschnitt wird der
mit der Berliner Wohnungswirtschaft          chung insofern relevant, da die spezifi-     Einstieg in eine soziale Wohnungswirt-
auseinandergesetzt. Im Mittelpunkt die-      sche Art und Weise der Überwindung          schaft konzipiert und ein dafür geeigne-
ser Untersuchungen standen immer wie-        der Krisenprozesse der kommunalen           ter Förderansatz entwickelt. Im Mittel-
der die Fragen nach der Lage der kom-        Wohnungswirtschaft bis heute nach-          punkt stehen dabei die Möglichkeiten
munalen Wohnungswirtschaft, ihrer Rol-       wirkt und so ihre heutigen Existenzbe-      und Effekte einer Eigenkapitalerhöhung
le bei der Versorgung der Berliner und       dingungen sowie deren Wirkungen auf         kommunaler Gesellschaften als dauer-
Berlinerinnen mit Wohnraum, ihrer Aus-       den Berliner Wohnungsmarkt maßgeb-          hafter Prozess und die dauerhafte Be-
zehr durch Entscheidungen der Gesell-        lich prägen.                                reitstellung einer relevanten und stetig
schafter, der Kosten der Erschließung                                                    steigenden Zahl von Wohnungen für ei-
ihrer sozialen Potentiale sowie ihre qua-    Seit 2006 war die Veränderung der Lage      nen bevorrechtigten Personenkreis mit
lifizierte Steuerung und Kontrolle.           auf dem Berliner Wohnungsmarkt be-          geringen Einkommen.

                                                                                                      sozial und wirtschaftlich   11
4. Die aktuelle Lage                         nis gesamtgesellschaftlicher Anstren-      Wohnung weiter gesunken und zum an-
                                             gungen. Die Lasten für Instandsetzung      deren ist der Flächenverbrauch je Be-
Berlin ist das größte Ballungszentrum        und Modernisierung nach 1990, Inves-       wohner gestiegen. So wohnen nach den
der Bundesrepublik. Die Bevölkerung          titionen in den Altbestand, aber auch      Ergebnissen des Mikrozensus nur noch
wächst seit Mitte der 2000er Jahre wie-      in die energetische Ertüchtigung des       1,75 Personen in einer Wohnung und der
der kontinuierlich. Nach den Bevölke-        industriellen Wohnungsbaus, wurden in      Flächenverbrauch stieg auf 41 Quadrat-
rungsverlusten seit 1990 hat die Stadt       nicht unerheblichen Maß ebenfalls über     meter je Bewohner. Damit unterschei-
jetzt wieder die damalige Einwohner-         direkte (in Form von Zuschüssen) bzw.      det sich die Entwicklung in Berlin von
zahl erreicht. Das Wachstum wird in der      indirekte (über zinsvergünstige Kredite    der in anderen großen Ballungszentren
kommenden Dekade – so die Prognose –         bzw. steuerliche Abschreibungsmodel-       der Bundesrepublik. Das mag auch dem
aufgrund von Zuwanderungsgewinnen in         le) staatliche Förderung auf die gesam-    relativ hohen Leerstand und niedrigen
allen Altersgruppen, insbesondere in der     te Gesellschaft umverteilt.                Mieten in den Vorperioden geschuldet
zwischen 35 und 50 Jahren, anhalten.                                                    sein, reicht als Erklärung jedoch nicht
                                             Mit der Beendigung der Förderprogram-      aus.
Seit 2001 ist der Neubau von Wohnun-         me des sozialen Wohnungsbaus und
gen, insbesondere von Mietwohnungen          dem Ausstieg aus der Anschlussförde-       Dahinter verbergen sich vor allem die
nahezu zum Erliegen gekommen. Zwi-           rung wurde dem Wohnungsbau diese           Auflösung bzw. der tiefgreifende Wan-
schen 2006 und 2011 wurden lediglich         Grundlage entzogen.                        del traditioneller Familien- bzw. Wohn-
zirka 7.500 WE in Mehrfamilienhäusern                                                   strukturen sowie der Alterungsprozess.
neu dem Markt zur Verfügung gestellt,        Die kommunalen Wohnungsunterneh-           Darauf ist der vorhandene Wohnungs-
insgesamt wurden knapp 20.000 Woh-           men waren Anfang der 2000er Jahre in       bestand nur in Teilen eingerichtet.
nungen gebaut (im Zeitraum 1996 bis          einer teilweise existenzgefährdenden
2000 wurden dagegen rund 95.000              Situation. Geringe Ertragslage, hohe       Parallel dazu sind gegenläufige Entwick-
Wohnungen insgesamt fertiggestellt).         Lasten aus Errichtungs- und Sanierungs-    lungen zu verzeichnen, die sich in den
Dafür gab es unterschiedliche Gründe.        finanzierungen, hohe unternehmensin-        kommenden Jahren verstärken wer-
                                             terne Aufwendungen und erhebliche          den. Dazu zählt vor allem die wachsen-
Zunächst muss hier eine Nachwirkung          finanzielle Belastungen durch vom Ge-       de Zahl von Kindern insbesondere in der
des Platzens ungedeckter Wachstum-           sellschafter veranlasste, sogenannte       relevanten Altersgruppe der Zuziehen-
sprognosen und der Stagnation des            In-sich-Geschäfte der 90er Jahre hatten    den. Für diese sieht dann der Senat im
Wohnungsmarktes Ende der 90er Jah-           die Substanz aufgezehrt und die Mög-       Stadtentwicklungsplan Wohnen auch ei-
ren konstatiert werden. Die Effekte des      lichkeiten des Wachstums gravierend        nen innerstädtischen Bedarf für Einfam-
Regierungsumzugs im Jahr 1999 haben          eingeengt. Die Reaktion zur Wiederher-     lienhaus-ähnliches Wohnen.
sich tatsächlich erst mit einer zeitlichen   stellung der Handlungsfähigkeit waren
Verzögerung von einem halben Jahr-           Bestandsverkäufe und Durchsetzung al-      Der Leerstand von Wohnungen sank
zehnt eingestellt.                           ler Mieterhöhungsspielräume.               zugleich auf eine Marke unterhalb von
                                                                                        fünf Prozent, von denen als tatsächlich
Im Weiteren war Wohnungsneubau im            Wegen ihrer nach wie vor vorhandenen       variables Potential lediglich 1,5 Prozent
Berlin nach 1949 – unabhängig ob in          Marktmacht wurden die kommunalen           angesehen werden. Das steht im Wider-
West oder Ost bzw. ab 1990 in Berlin         Unternehmen durch dieses Handeln ob-       spruch zur Zunahme der Haushalte, die
gesamt – im Wesentlichen durch die           jektiv zu Mietpreistreibern.               die weitere Nachfrage nach Wohnungen
Bereitstellung umfassender staatlicher                                                  verstärkt.
Mittel getrieben. Bis 1990 wurden al-
lein im Westteil im sozialen Wohnungs-       5. Die sozialen Rahmen-                    Die Sozialstruktur Berlins mag sich im
bau mit unterschiedlicher Förderung             bedingungen                             letzten Jahrzehnt durch Zuzüge teilwei-
500.000 Wohnungen, mit nachhaltig                                                       se verändert haben. Dennoch gehen
anhaltender Wirkung auf die Haushalts-       Im Verlauf des letzten Jahrzehnts haben    vielfältige Veröffentlichungen davon
lage des Landes, errichtet. Auch die         sich in Berlin zwei für die Wohnraumver-   aus, dass weiterhin zirka 60 Prozent der
Investitionen in den industriellen Woh-      sorgung relevante Prozesse verstärkt.      Berliner Bevölkerung über geringe und
nungsbau im Ostteil waren das Ergeb-         Zum einen ist die Zahl der Bewohner je     mittlere Einkommen verfügen und da-

12       Kommunaler Wohnungsbau –
mit zum bevorrechtigten Personenkreis        Daneben wird der weiterhin enorme           Diese Frage kann jedoch in der Dis-
für sozial verträgliche Mieten zählen.       auswärtige Zugang für die Berliner Uni-     kussion, die mit dem Ziel bezahlbaren
Rund 30 Prozent der Haushalte können         versitäten und die Berliner Wirtschaft      Wohnraum für Alle zu sichern geführt
real als einkommensschwach charakte-         mit teilweise geringen Einkünften und       wird, nicht vernachlässig werden. Der
risiert werden.                              prekären Beschäftigungen anhalten.          gesellschaftliche Aufwand für 100.000
                                             Die Studie geht insgesamt von der An-       Wohnungen muss mit zirka 20 Milliar-
Ende Mai 2013 wurde der neue Miet-           nahme aus, dass der Zuzug alle sozia-       den Euro angesetzt werden und Netto-
spiegel für Berlin vorgelegt. Er offenbart   len Schichten erfasst und so eher nicht     kaltmieten nicht unter neun Euro pro
einen weiteren nachhaltigen Anstieg der      von wesentlichen Verschiebungen in          Quadratmeter und Monat gelten als wirt-
Nettokaltmieten/Quadratmeter (NKM/           der Berliner Sozialstruktur ausgegan-       schaftliches Erfordernis im Neubau.
Quadratmeter) im gesamten Stadtge-           gen werden kann.
biet. Deren Wachstum liegt deutlich                                                      Abgesehen davon, ob diese Zahlen im
über dem Anstieg der Einkommen, ins-                                                     Einzelnen tatsächlich einer detaillierten
besondere der unteren Einkommens-            6. Die aktuelle Debatte                     Überprüfung standhalten, zeigt allein
gruppen, im gleichen Zeitraum. Daran                                                     die Größenordnung, dass ein solches In-
hat auch der steigende Zuzug nichts ge-      Die Debatte um Wohnungsneubau in            vestment kaum mit wenigen Millionen
ändert.                                      Berlin entzündete sich bereits vor der      Euro initiiert, noch die Mieten auf diesem
                                             Wahl zum Abgeordnetenhaus 2011. Erst        Weg dauerhaft auf eine sozialverträgli-
Damit ist der Anteil, der heute je Haus-     nach der Wahl wurde sie vor dem Hinter-     che Höhe heruntersubventioniert werden
halt für Mieten aufzuwenden ist, weiter      grund sinkender Leerstände, steigender      könnten. Und auch abgesehen davon,
angestiegen und erreicht bzw. über-          Mieten, aber auch steigender Markt-         dass von den Markteffekten – zum Bei-
steigt in nicht wenigen Fällen die als       chancen der Verwertung von Wohnungs-        spiel bei Grundstücks-, Bau- und Neben-
kritisch angesehene Höhe von einem           neubau zu einem beherrschenden The-         kosten – eines solchen Wohnungsbaupro-
Drittel des einzelnen Haushaltseinkom-       ma der gesellschaftlichen Debatte in        gramms weitgehend abstrahiert wird.
mens.                                        Berlin.
                                                                                         Abschließend sei darauf verwiesen, dass
Mit Blick auf die kommenden Jahre ist        Beginnend mit dem Bekenntnis im Ko-         in letzter Zeit die für die Mietentwick-
nicht von einem überproportionalen An-       alitionsvertrag von SPD und CDU zu          lung relevanten Zusammenhänge zwi-
stieg der Einkommen bzw. der nachhal-        einer Größenordnung von 6.000 neu-          schen Bestandsbewirtschaftung und
tigen Verringerung der Transfereinkom-       en Wohnungen pro Jahr, über das öf-         Neubau verstärkt diskutiert werden. Ak-
mensbeziehenden auszugehen. Einer            fentlichkeitswirksam in Szene gesetz-       tuell gibt es eine Vielzahl ernst zu neh-
solchen Einschätzung stehen auch nicht       te Mietenbündnis mit den städtischen        mender Stimmen und Überlegungen,
die in den letzten Jahren veröffentlich-     Wohnungsbaugesellschaften, über un-         deren Aufgreifen in der Diskussion lohnt
ten guten Konjunkturdaten für Berlin         terschiedliche Papiere, nahezu täglich      und deren Integration in ein langfristiges
entgegen.                                    neue Nachrichten unterschiedlicher          Konzept einer sozialen Wohnungswirt-
                                             Akteure und umfangreiche Pressever-         schaft sinnvoll ist.
Insofern kann im besten Fall von einer       öffentlichungen, steht inzwischen die
gleichbleibenden Öffnung der entstan-        Zahl von 10.000 neuen Wohnungen pro         Dies gilt auch für Überlegungen zur Aus-
denen Schere zwischen Einkommens-            Jahr in der laufenden Legislaturperiode     gestaltung eines kommunalen Sonder-
und Mietentwicklung für die heutige Ber-     im Raum.                                    vermögens Wohnen, vor allem wegen
liner Bevölkerung ausgegangen werden.                                                    der konsequenten Orientierung auf die
                                             Die Debatte wird weitgehend von Quan-       öffentliche Verantwortung für eine sozi-
Hinsichtlich der Einkommensverhältnis-       titäten – teilweise in einem Überbie-       ale Wohnungswirtschaft und für die Ent-
se der Zuziehenden gehen Einschätzun-        tungswettbewerb – determiniert. Die         wicklung von Instrumentarien zur Einbe-
gen davon aus, dass verstärkt Personen       realen Kosten des Investments, seiner       ziehung der Investitionsbank Berlin und
mit höheren Einkommen in der Alters-         Finanzierung und der Mietfolgekosten        der kommunalen Gesellschaften.
gruppe zwischen 30 und 50 sowie ver-         werden in den jeweiligen Vorschlägen
mögende Rentnerinnen und Rentner             vielfach verkürzt dargestellt oder treten   Von ähnlicher Relevanz ist auch der von
nach Berlin ziehen.                          gar in den Hintergrund.                     Mieterinitiativen – wie insbesondere

                                                                                                      sozial und wirtschaftlich   13
Kotti&Co – aufgemachte Zusammen-           verteilten Kompensationsmittel sinken       nen sozial berechtigten Personenkreis,
hang zwischen den Lasten auf dem heu-      gemäß der Mittelfristplanung konti-         dessen Finanzierung und erforderlicher
tigen Bestand des sozialen Wohnungs-       nuierlich ab, für die Periode 2014 bis      Förderung, möglicher Quersubventionie-
baus durch Aufwandsdarlehen und dem        2019 ermöglicht eine Revisionsklau-         rung etc. äußerst schwierig.
Vorhaben, diese zurückfließenden Mittel     sel die Überprüfung der Notwendigkeit
im Wohnungsneubau einzusetzen.             der Kompensationszahlungen. Zudem           Das gilt insbesondere dann, wenn sie
                                           steht es den Ländern seit 2014 frei, die    ein belastbares, strukturiertes Konzept
Auch die Fraktionen des Abgeordneten-      Mittel auch für andere investive Zwecke     zu einer sozialen Wohnungswirtschaft
hauses beteiligen sich an dieser Diskus-   einzusetzen.                                anstrebt, das den komplizierten und
sion. Bei den Koalitionsparteien SPD                                                   komplexen Existenzbedingungen der
und CDU zeichnet sich ungeachtet an-       Wohnungs- und Mietenpolitik, insbe-         Wohnungswirtschaft Rechnung trägt.
haltenden Streits über eine von der CDU    sondere in Ballungszentren, sind auch
gewünschte Eigentumskomponente fol-        ein zentrales Feld der Bundespolitik ge-    Die Fraktion DIE LINKE im Abgeordne-
gende Linie ab:                            worden. Verschiedene Vorhaben stehen        tenhaus hatte sich Fragen einer sozia-
     Realisierung eines geförderten        zur Debatte: Förderung der Länder beim      len Wohnungswirtschaft bereits 2011
Wohnungsneubaus;                           sozialen Wohnungsbau, Begrenzung            zugewandt. Eine im Kontext mit der Ver-
     weitgehende Begrenzung der Mittel     umlegbarer Modernisierungskosten, Be-       abschiedung des Berliner Wohnraum-
auf die Kompensationsmittel der Wohn-      grenzung der Maklercourtage, stärkere       gesetzes vorgelegte Studie formulierte
raumförderung des Bundes bzw. die          Subjektförderung, Begrenzung des Erhö-      Vorschläge zur Stärkung des Eigenkapi-
Rückflüsse aus früherem Wohnungsbau;        hungsspielraums bei Bestandsmietern,        tals der kommunalen Wohnungsbauge-
     Begrenzung der perspektivischen       Überlegungen zur Begrenzung von Neu-        sellschaften bei paralleler Sicherung von
Einstiegsmieten auf 7,50 Euro/Quadrat-     vermietungsmieten, Konzentration des        verbindlichen und dauerhaften Zugangs-
meter, die einkommensabhängig auf bis      Neubaus auf einen sozial berechtigten       rechten zu bezahlbarem Wohnraum im
zu 6 Euro/Quadratmeter abgesenkt wer-      Personenkreis.                              Bestand für bevorrechtigte Personen
den soll, und damit direkte Integration                                                und Haushalte.
des Wohnungsneubaus in die Bereitstel-     Den sich abzeichnenden Veränderungen
lung von Wohnraum für bevorrechtigte       auf Bundesebene ist gemeinsam, dass         Der seinerzeitige Vorschlag verfolgte
Personen und Haushalte.                    wesentliche Grundlagen bundesdeut-          bereits die Entfaltung einer sozialen, öf-
                                           schen Wohnungsbaus, seiner Förderung        fentlichen Wohnungswirtschaft mit den
Nicht nur die Fixierung auf Kompensa-      sowie des Mietrechts nicht in Frage ge-     kommunalen Gesellschaften als zent-
tionsmittel des Bundes sowie auf Rück-     stellt werden und maximal die partielle     ralem Träger, die Stärkung der sozialen
flüsse aus dem alten sozialen Woh-          Reparatur von Zuspitzungen in Ballungs-     Funktion des Wohnungsbestandes und
nungsbau als Finanzierungsquellen ist      räumen beabsichtigt ist. Das betrifft so-   deren Verbindung mit dem Wohnungs-
dabei problematisch. Damit sollen zum      wohl die untaugliche Wiederbelebung         neubau. Vor und nach den Wahlen 2011
einen Mittel, deren weitere Bereitstel-    des alten »Sozialen Wohnungsbaus« als       war für die Kommunikation der Ergebnis-
lung wegen Auslaufens ungewiss ist         Fördersystem, als auch die Konzentrati-     se kaum Raum. Die Debatte war schnell
und zum anderen Mittel, die bei der Be-    on auf das Vergleichsmietensystem.          auf Neubau ausgerichtet.
standssicherung des bestehenden sozi-
alen Wohnungsbaus einsetzbar wären,                                                     Seitdem werden die Regierungsparteien,
zur Finanzierung herangezogen werden.      8. DIE LINKE Berlin und der                  die Interessenverbände der Wohnungs-
                                              Einstieg in die soziale Wohnungs-         wirtschaft, aber auch Mieter-Initiativen
                                              wirtschaft                                als die zentralen Akteure wahrgenom-
7.   Auswirkungen der Veränderung                                                       men. Daran hat auch die intensive par-
     der Bundespolitik                     DIE LINKE in Berlin muss sich in dem         lamentarische Auseinandersetzung der
                                           aktuellen Bieterwettbewerb Gehör ver-        Fraktion DIE LINKE mit der Problematik
Mit der Föderalismusreform II hat sich     schaffen. Das ist im Umfeld von ständig     – zum Beispiel über kleine Anfragen und
der Bund seit 2006 aus der Zuständig-      neuen Zahlen zur Größenordnung des           Anträge – sowie Anhörungen und Ge-
keit für die Wohnungsbauförderung zu-      Wohnungsneubaus, zu zukünftigen Miet-        sprächsrunden nichts Grundsätzliches
rückgezogen. Die auf die Bundesländer      höhen, zu dessen Konzentration auf ei-       geändert.

14      Kommunaler Wohnungsbau –
Andererseits hat die Wiederaufnahme        älter als 35 Jahre und entsprechen – un-   sich im Bestand nur schwer entziehen
und Entwicklung intensiver Kontakte        abhängig von den in den letzten Jahr-      können.
insbesondere zu den Spitzen der kom-       zehnten realisierten Instandsetzungs-
munalen Wohnungsunternehmen dazu           und Modernisierungsmaßnahmen – in
beigetragen, das Problembewusstsein        ihrer grundsätzlichen Konfiguration, ein-   2.   Die kommunalen Gesellschaften
zu schärfen und eigene Lösungsansätze      schließlich Wohnungsgröße, den Exis-
zu kommunizieren, zu prüfen und weiter-    tenz- und Lebensbedingungen des In-        Nach eigenen Angaben verfügen die
zuentwickeln. Das ist insofern bedeut-     dustriezeitalters. Heute wohnen jedoch     kommunalen Gesellschaften gegenwär-
sam, da die Umsteuerung auf eine an        deutlich weniger Personen in diesen als    tig über etwa 285.000 Wohnungen und
den realen Bedingungen orientierte sozi-   zum Zeitpunkt ihrer Errichtung.            damit zirka 16 Prozent des Gesamtwoh-
ale Wohnungswirtschaft der Akzeptanz                                                  nungsbestandes bzw. 19 Prozent des
und der Mitwirkung vielfältiger Partner    Die durchschnittliche Wohnungsgröße        Mietwohnungsbestandes. Dieser verteilt
bedarf.                                    beträgt 72 Quadratmeter. Zirka 60 Pro-     sich über alle Bezirke mit lokalen Kon-
                                           zent der Wohnungen sind kleiner als der    zentrationen.
B    Die Berliner Wohnungswirtschaft       Durchschnitt. 31 Prozent aller Wohnun-
                                           gen haben eine Fläche zwischen 60 und      In Folge des insbesondere zwischen
1.   Bestandswohnungen und                 79 Quadratmeter, davon liegen fast 40      2002 und 2006 durchgesetzten Sa-
     Bestandsbewirtschaftung               Prozent im Bezirk Lichtenberg. Die Zahl    nierungsprozesses der Unternehmen
                                           der Wohnungen mit 40 Quadratmeter          und in Verbindung mit den veränderten
Wer über Wohnungsneubau redet, muss        und kleiner liegt bei nur 12 Prozent und   Markt- sowie aktuellen Finanzierungsbe-
sich zunächst den Bestand ansehen.         konzentriert sich auch auf wenige Stadt-   dingungen verfügen die Gesellschaften
Berlin verfügt Ende 2012 über einen        bezirke. Acht Prozent der Wohnungen        heute über das Potential, ein ernsthaf-
Gesamtbestand an Wohnungen (incl.          sind größer als 120 Quadratmeter.          tes Instrument sozialer Wohnungspolitik
Wohnheimplätzen, Wohnungen in Ge-                                                     zu sein. Es ist im Interesse des Gesell-
werbegebäuden) von 1.891.000 Woh-          Unter Bezugnahme auf die aktuellen Be-     schafters Land Berlin, dieses Potential
nungen unterschiedlichen Baualters.        völkerungszahlen entfällt damit auf je     zu erschließen.
                                           1,74 Einwohner (1991: 1,96) eine Woh-
81 Prozent der Wohnungen befinden           nung bzw. eine Wohnfläche von 41,38         Dabei stehen zunächst die effektive Be-
sich in Häusern mit sieben und mehr        Quadratmeter auf jede Person.              standsbewirtschaftung, sein Erhalt und
Wohnungen, wobei fast die Hälfte in                                                   seine Anpassung an die veränderten
Objekten mit 13 und mehr Wohnungen         Im Durchschnitt verfügen die Bestands-     gesetzlichen und Nutzeranforderungen
liegt. 10,5 Prozent sind klassische Ein-   wohnungen über 3,5 Zimmer, wobei 33        im Vordergrund. Allein der nach wie vor
und Zweifamilienhäuser.                    Prozent über drei Räume und 27 Pro-        bestehende hohe Instandsetzungs- und
                                           zent über vier Räume verfügen. Dass        Modernisierungsbedarf – insbesondere
81 Prozent aller Wohnungen sind als        heißt, auf jeden Bewohner entfallen da-    der im Westteil der Stadt gelegenen Be-
Mietwohnungen vermietet. Unter Ein-        mit etwa zwei Zimmer mit einer Durch-      stände – wird auch zukünftig weiterhin
schluss des Leerstands und der als Feri-   schnittsgröße von jeweils 21 Quadrat-      hohe finanzielle Mittel binden.
enwohnungen ausgewiesenen Einhei-          meter.
ten gibt es damit in Berlin insgesamt
1.612.000 potentielle Mietwohnungen.       Der überproportionale Flächenver-          3. Veränderungen in der
                                           brauch je Person ist zum einen Resultat       Eigentümerstruktur
Vom Gesamtbestand entfallen auf die        der historisch überkommenen Substanz
Baujahre vor 1919 27 Prozent die fol-      des Bestandes und zum anderen den          Als Konsequenz der Privatisierungen
genden bis 1949 15 Prozent, auf die zwi-   relativ moderaten Mieten der Vergan-       aus der Umsetzung des Altschuldenhil-
schen 1949 und 1978 34 Prozent und         genheit geschuldet. Mit dem rasanten       fegesetzes (AHG, im Ostteil Berlins), der
dann bis 1990 14 Prozent. Lediglich        Anstieg der Mieten entwickelt sich diese   Auszehr der kommunalen Gesellschaf-
zehn Prozent der Wohnungen wurden          Flächenbilanz des Berliner Wohnungsbe-     ten durch In-Sich-Geschäfte in den 90er
nach 1990 errichtet.                       standes zu einer objektiven finanziellen    Jahren, sanierungsbedingter Verkäufe
Drei Viertel aller Wohnungen sind damit    Last für Mieterinnen und Mieter, der sie   kommunaler Wohnungsbestände und

                                                                                                   sozial und wirtschaftlich   15
-gesellschaften wie der GSW sowie um-      zugerechnet. Das sind noch 28 Prozent        stelliger Millionenhöhe, wobei große
 fangreicher Verkäufe öffentlicher Lie-    der Wohnungen, die zwischen 1952 und         Schwankungen auftreten.
 genschaften hat sich die Eigentümer-      1992 in Berlin als Sozialwohnungen er-
 struktur im Wohnungssektor in den letz-   richtet wurden. Der Anteil der Wohnun-       Für Wohnungen, deren Nettokaltmiete
 ten 20 Jahren diversifiziert.              gen des sozialen Wohnungsbaus am Ge-         im Jahr 2013 über einen Durchschnitts-
                                           samtbestand der Berliner Wohnungen           betrag von 5,50 Euro/Quadratmeter
Der Mikrozensus 2011 weist aus, dass       (1.891.402 WE) hat sich damit auf 7,7        p.m. zu steigen drohten, wurde eine
62 Prozent der Gebäude mit Wohnungen       Prozent verringert. Allein in den Bezirken   Kappungsgrenze (wieder)eingeführt.
im Eigentum von Privatpersonen stehen.     Spandau und Neukölln liegt ihr Anteil bei    Das betrifft fast 35.000 Wohnungen in
Auf diese entfallen aber nur 29 Prozent    über 15 Prozent des Gesamtbestandes.         Großsiedlungen, von denen 40 Prozent
der Wohnungen. 20 Prozent der Woh-                                                      in den Bezirken Spandau und Neukölln
nungen stehen im Eigentum von Woh-         Von diesen Wohnungen liegen 131.337          liegen. Daraus ergeben sich Mehrauf-
nungseigentümergemeinschaften und          Wohnungen (90 Prozent) im Westteil           wendungen und Mindereinnahmen von
18 Prozent im Eigentum größerer priva-     der Stadt. Im Ostteil befinden sich da-       insgesamt 2.600.000 Euro. Diese Auf-
ter Wohnungsunternehmen. Genossen-         gegen nur 15.224 Wohnungen. Rund 40          wendungen werden in den kommenden
schaften haben rund 190.000 Wohnun-        Prozent befinden sich innerhalb des S-        Jahren steigen.
gen und einen Marktanteil von rund         Bahn-Rings.
zehn Prozent.                                                                            Das kontinuierliche Absinken der Zahl
                                           60 Prozent des Bestandes befinden              der Sozialwohnungen ist den bundesge-
Insbesondere das Auftreten großer, in-     sich im Eigentum von unterschiedlichen        setzlichen Grundlagen für den Sozialen
ternational agierender institutioneller    privaten Individual-Eigentümern. Dazu         Wohnungsbau von vornherein geschul-
Wohnungsunternehmen hat den Be-            kommen noch einmal acht Prozent, die          det und das Soziale an ihnen war maxi-
stand, das Transaktionsgeschehen und       sich im Eigentum der 2004 privatisier-        mal temporär angelegt. Auf die wesent-
die Preise nachhaltig beeinflusst. Die      ten GSW befinden. Sechs Prozent sind           lichen Aspekte der Widersprüche des
einst städtische GSW mit etwa 60.000       im Bestand von Genossenschaften. Ver-         sozialen Wohnungsbaus sei an dieser
Wohnungen (drei Prozent des Gesamt-        bleiben zirka 26 Prozent, die von kom-        Stelle noch einmal zusammenfassend
bestandes) wird von der Aktiengesell-      munalen Gesellschaften bewirtschaftet         hingewiesen:
schaft Deutsche Wohnen übernommen,         werden.                                            Das bis zum Zeitpunkt des Auslau-
auch andere große bundesweit agieren-                                                    fens der Sozialbindung jahrzehntelang
de Akteure wie Deutsche Annington und      Die Durchschnittsmieten (netto kalt) al-      vergesellschaftete Risiko der Kostende-
GAGFAH halten relevante Bestände in        ler Sozialwohnungen lagen 2011 bei 5,47       ckung sollte durch die allgemeine Wirt-
Berlin.                                    Euro/Quadratmeter pro Monat. 2012             schaftsentwicklung hinfällig werden.
                                           stellte das Land Berlin zur Sicherung die-    Dem lag die Vorstellung zugrunde, dass
Ähnliche Entwicklungen sind auch für       ser Miethöhe noch 363 Millionen Euro          in Folge prosperierender wirtschaftli-
den Wohnungsneubau zu erwarten. Hier       bereit. Das sind fast 2.500 Euro pro          cher Entwicklung und entsprechender
verfügt zum Beispiel die GSW über gro-     Wohnung und Jahr.                             Einkommenssteigerungen keine Not-
ße zusammenhängende Entwicklungs-                                                        wendigkeit für eine dauerhafte Sozial-
flächen, die auch Eingang in den Stadt-     In den Jahren bis 2017 wird der Aufwand       bindung bestünde.
entwicklungsplan Wohnen des Senats         aus dem Landeshaushalt jährlich um                 In der Doppelfunktion des auf be-
gefunden haben.                            zirka 50 Millionen Euro sinken, was im        stimmte Teile der Bevölkerung zielenden
                                           Wesentlichen dem Herausfall weiterer          Versorgungsauftrags und der konjunk-
                                           Wohnungsbestände (zirka ein Drittel des       turpolitischen Funktion des sozialen
4. Der soziale Wohnungsbau                 heutigen Bestandes) aus dem sozialen          Wohnungsbaus besteht ein gesetzlich fi-
   der Vergangenheit                       Wohnungsbau geschuldet ist.                   xierter, systemimmanenter Widerspruch.
                                                                                              Die Fördernehmereigenschaft wird
Nach Angaben des Senats wurden in          Parallel dazu bewegen sich die kalkula-       dem Hersteller der Wohnungen zuge-
Berlin Ende 2012 noch 146.561 Woh-         torischen Einnahmen aus dem Rückfluss          wiesen; der eigentliche Adressat, das
nungen dem sozialen Wohnungsbau in         von früheren Mitteln aus der sozialen        Zielsubjekt des sozialen Wohnungsbaus
seinen verschiedenen Förderformen          Wohnraumförderung jährlich in drei-          – nämlich der Teil der Bevölkerung, der

16       Kommunaler Wohnungsbau –
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