Kommunaler Wohnungsbau - sozial und wirtschaftlich - Beiträge der Fraktion DIE LINKE. Berlin zur stadtpolitischen Debatte - Senatorin Katrin Lompscher
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Kommunaler Wohnungsbau – sozial und wirtschaftlich Beiträge der Fraktion DIE LINKE. Berlin zur stadtpolitischen Debatte
2 Kommunaler Wohnungsbau –
Inhalt Vorwort | Udo Wolf | Seite 4 Soziale Wohnungswirtschaft für Berlin und Umsteuerung der städtischen Gesellschaften | Katrin Lompscher | Seite 5 Wohnungsbau und soziale Wohnraumförderung für Berlin. Der Einstieg in die soziale Wohnungswirtschaft | Dr. Matthias Schindler | Seite 8 Neue Wohnraumförderung vor allem für städtische Wohnungen – Städtische Wohnungsbaugesellschaften wirtschaftlich stärken und sozial verpflichten | Antrag der Fraktion DIE LINKE. Berlin | Seite 34 sozial und wirtschaftlich 3
Vorwort | Udo Wolf Liebe Berlinerinnen und Berliner, Berliner Abgeordnetenhaus ist klar: Die Fraktion DIE LINKE hat zu- Wohnungen sind zu einem begehrten Wohnen ist ein Grundrecht. Die Miete sammen mit dem Ökonomen Dr. Objekt für Finanzspekulation ge- muss bezahlbar sein – für alle. Das Land Matthias Schindler ein Konzept worden – auch und gerade in Berlin. Berlin muss alle zur Verfügung stehen- erarbeitet, mit dem der Wohnungs- Mieterinnen und Mieter werden den Instrumente nutzen, um bezahlbare bestand bezahlbar bleibt und der aus ihren Wohnungen vertrieben, Mieten und eine soziale Stadt zu erhalten. Bau neuer Wohnungen mit dauer- um diese nach Sanierung mit hoher Wir brauchen aber auch eine soziale haften Belegungsrechten und einer Rendite zu vermarkten. Die Mieten Wohnraumförderung. Die Förderung des Mietpreisbindung gefördert wird. In steigen rasant. Viele können sich die Senats mit Einstiegsmieten von 6,50 Euro der vorliegenden Broschüre stellen steigenden Wohnkosten für Miete, und Mietsteigerungen alle zwei Jahre für wir Ihnen die Ergebnisse des woh- Nebenkosten, Wasser, Strom und 1.000 Neubauwohnungen jährlich geht nungspolitischen Konzepts unserer Heizung nicht mehr leisten. Am an der sozialen Wirklichkeit vieler Berline- Fraktion vor. Wir legen dar, wie Berlin stärksten betroffen sind Geringver- rinnen und Berliner vorbei. eine neue Wohnraumförderung dienerinnen und Geringverdiener gestalten kann. sowie Empfängerinnen und Emp- Nach Jahrzehnten falscher Förderpolitik fänger von Transferleistungen. Die mit einem Sozialen Wohnungsbau, der Wir würden uns freuen, wenn Sie mit Bevölkerung ganzer Quartiere wird den Namen nicht verdiente, und der uns diskutieren, wie eine neue sozia- ausgewechselt. Um eine neue Woh- einseitig auf Neubau ausgerichteten aktu- le Wohnungspolitik und der Einstieg nung anmieten zu können, müssen ellen Senatsstrategie brauchen wir den in eine soziale Wohnungswirtschaft Bewerberinnen und Bewerber immer Einstieg in eine neue soziale Wohnungs- Gestalt annehmen kann. fragwürdigere Nachweise vorlegen. wirtschaft. Die Stärke der Stadt sind ihre Soweit die beunruhigende Situation. eigenen Wohnungsbaugesellschaften. Für die Fraktion DIE LINKE im Diese können einen wichtigen Beitrag für die Wohnraumversorgung zu bezahlbaren Mieten leisten. Dafür müssen sie aber neu ausgerichtet werden. Udo Wolf ist Fraktionsvorsitzender Fraktion DIE LINKE. Berlin 4 Kommunaler Wohnungsbau –
Katrin Lompscher Soziale Wohnungswirtschaft für Berlin und Umsteuerung der städtischen Gesellschaften In Berlin herrscht Wohnungsnot – diese die Herrichtung von Altbauten kann die Wohnungsbauförderung geflossen, Aussage stimmt auf jeden Fall für zusätzlichen Wohnraum schaffen. Aber ohne dass damit ein nachhaltiger, also preiswerten Wohnraum und für spezielle der Mangel an bezahlbaren Wohnungen dauerhafter Beitrag zur sozialen Wohn- Bedarfsgruppen wie Menschen mit we- für kleine Einkommen, an Wohnungen, raumversorgung geleistet worden ist. nig Geld, Singles und Personen, die auf die generationen- und klimagerecht Der enorme öffentliche Mittelaufwand barrierefreie Wohnungen angewiesen sind, wird mit Neubau allein nicht zu der Vergangenheit steht in keinem Ver- sind. Für alle anderen wird Wohnraum beheben sein. hältnis zum gesellschaftlichen Nutzen. zunehmend knapp, was auch in einem Der anhaltende Zuzug nach Berlin ist ein anhaltenden Mietpreisauftrieb seinen Nach dem 2. Weltkrieg waren in Berlin erfreulicher und ermutigender Vertrau- Ausdruck findet. Der Senat leugnet bis 1990 rund 917.000 Wohnungen neu ensvorschuss in die Zukunft unserer das Problem nicht mehr, aber was er gebaut worden, 556.000 im Westen, Stadt. Berlin hat sich – entgegen an- real tut, taugt kaum zur Lösung. Allein 361.000 im Osten. Gegenüber 1950 derslautender Befürchtungen – zu einer Wohnungsneubau zu forcieren bringt gab es 1990 fast 690.000 Wohnungen attraktiven Metropole entwickelt. Und wenig, wenn Bestandswohnungen nicht mehr in beiden Stadthälften, insgesamt Berlin gehört national und international vor untragbarer Mieterhöhung und Um- rund 1.713.000, obwohl die Einwohner- zu den Städten mit relativ niedrigen wandlung in Wohneigentum geschützt zahl nur um knapp 100.000 Personen Lebenshaltungskosten, nicht zuletzt werden. auf reichlich 3,4 Millionen Personen zu- wegen der (noch) günstigen Mieten. Das genommen hatte. In diesem Verhältnis war bisher der große Standortvorteil Was also wäre zu tun, was wäre eine spiegelt sich auch die Veränderung von Berlins und auch das Geheimnis der An- alternative Strategie für bezahlba- Haushaltsgrößen und Wohnflächenver- ziehungskraft für Junge und Kreative. Es res und bedarfsgerechtes Wohnen brauch. Der Trend zu kleineren Haus- ist ein Pfund, das die Stadt nicht aus der in Berlin? Die Stadt wird älter und halten und größerem Flächenverbrauch Hand geben darf, auch und gerade weil vielfältiger und braucht entsprechend hat sich bis heute fortgesetzt, scheint die Einkommenssituation hier struktu- angepassten Wohnraum. Energiewende aber an eine Grenze zu geraten. rell schlechter ist als anderswo. Auch im städtischen Kontext bedeutet vor deshalb ist die soziale Wohnraumver- allem Energieeinsparung und Klimaan- Seit 1991 sind in Berlin rund 200.000 sorgung eine politische Aufgabe ersten passung im Gebäudesektor und in der Wohnungen neu gebaut worden – der Ranges, gerade in Berlin. Stadtplanung. weitaus größte Teil davon bis zum Jahr 2000. Die Zahl der sozial gebundenen Die öffentlichen Wohnungsunterneh- Berlin wächst seit kurzem wieder, Wohnungen wird von aktuell rund men sind zentrale wohnungspolitische braucht also auch mehr Wohnungen. 140.000 auf reichlich 100.000 im Jahr Instrumente und künftig die entschei- Berlin braucht Wohnungszuwachs, 2020 zurückgehen. Seit 1991 ist die dende Säule einer sozialen Wohnungs- der Senat rechnet mit einem Bedarf Modernisierung und Instandsetzung wirtschaft. Auf die Entwicklung dieser von 137.000 Wohnungen zusätzlich von über 400.000 Wohnungen geför- Bestände kann direkt politisch und bis 2025, das entspricht rund 11.000 dert worden, zu 85 Prozent im Ostteil finanziell steuernd Einfluss genommen pro Jahr. Quantitativ ist das eine Berlins, von denen im Altbaubestand werden. Und vor dem Hintergrund der überschaubare, lösbare Aufgabe. Das heute nur noch rund 25.000 über Erfahrungen mit dem »alten« sozialen bedeutet nicht nur Neubau, auch der soziale Bindungen verfügen. Es sind Wohnungsbau kann und muss hervorge- Umbau früherer Gewerbebauten oder rund 25 Milliarden Euro Landesmittel in hoben werden: Öffentliche Mittel für den sozial und wirtschaftlich 5
Wohnungssektor bleiben im öffentlichen Eigentum. Angesichts der ab 2020 geltenden Schuldenbremse sei zudem darauf verwiesen, dass die Vermögen aus Beteiligungen dafür nicht maßgeb- lich werden. Derzeit verfügt Berlin über rund 285.000 Wohnungen in sechs städtischen Woh- nungsbaugesellschaften. Deren Zahl wächst nach großen Einbußen seit 1990 (da gab es 482.000 städtische Woh- nungen) seit 2007 wieder und soll nach Vorstellung des Senats bis 2016 auf 300.000 steigen. Bisher sind Zukäufe maßgeblich für Zuwachs, künftig soll auch der Neubau dazu beitragen. Die berlinovo, Nachfolgegesellschaft der Immobilienauffanggesellschaft nach der Berliner Bankenkrise mit rund 20.000 Wohnungen und Appartements in Berlin, entwickelt sich langsam zur siebenten städtischen Gesellschaft. talausstattung der Unternehmen stetig alen Wohnraumversorgung dienen soll, Im Zeitraum von 2000 bis 2011 haben verbessert und dafür die Unterneh- dann müssen Wohnungsgrößen, Ausstat- die städtischen Gesellschaften zusam- mensziele konkretisiert und die Unter- tung und Baukosten diesem Ziel entspre- men gerade einmal rund 1.350 Wohnun- nehmenssteuerung darauf ausrichtet. chen. Das gilt es bei den Bauprogrammen gen errichtet, darunter knapp 1.000 als Kurz gesagt: Als Gegenleistung für eine der öffentlichen Unternehmen und in Eigentum. Auch die aktuellen Planungen Eigenkapitalzuführung werden die Unter- den Kriterien von öffentlichen Förderpro- nehmen sich noch immer bescheiden nehmen zur dauerhaften Bereitstellung grammen für Dritte sicherzustellen. aus. Das ist kaum verwunderlich an- von bezahlbarem und bedarfsgerechtem gesichts der Tatsache, dass die städti- Wohnraum verpflichtet. Ob im eigenen Zugleich muss die demokratische Kon- schen Wohnungsunternehmen mit der Bestand, über Zukäufe oder durch Neu- trolle der privatrechtlich organisierten Ertüchtigung ihrer Bestände und v.a. bau hängt von der jeweiligen Ausgangs- öffentlichen Wohnungswirtschaft in mit ihrer eigenen Konsolidierung in den lage und Unternehmensstrategie ab und Berlin verbessert werden. Da reicht es letzten zehn Jahren mehr als ausgelastet wird politisch nicht vorgegeben. nicht, dass die öffentlichen Gesellschaf- waren und sind. ten mehr oder weniger engagiert Mie- Für den Wohnungsbau geeignete öffentli- terbeiräte initiieren. Die Einbeziehung Es ist ein Verdienst der rot-roten Koaliti- che Liegenschaften sollen vorrangig den der Mieterinnen und Mieter in Bau- und on, dass die städtischen Gesellschaften städtischen Gesellschaften übertragen Modernisierungsvorhaben muss deut- nach den Einschnitten der sogenannten werden, und zwar zu solchen Konditio- lich verbessert werden, wie zahlreiche »In-Sich-Geschäfte« (eine Gesellschaft nen, die nicht kostentreibend wirken. Und Beispiele von Mieterprotesten in der kauft die andere und zahlt den Kaufpreis was zukünftig an Bedeutung gewinnen letzten Zeit zeigen. Warum nicht auch an den Senat) wirtschaftlich wieder wird: Berlin muss eine strategische Mieterinnen und Mieter in die Aufsichts- handlungsfähig sind. Deshalb können Flächenvorsorge etablieren und gezielten räte? Warum nicht mehr Transparenz und müssen sie zentrale Akteure einer Flächenankauf nicht nur, aber insbeson- bei eigenen Planungs- und Bauvorhaben sozialen Wohnungswirtschaft sein. dere für den Wohnungsbau und Folge- und in der wohnungswirtschaftlichen Die Politik muss diese Funktion gezielt infrastrukturen betreiben. Praxis – von Vermietungskriterien bis unterstützen, indem sie die Eigenkapi- Wenn der Wohnungsneubau einer sozi- Engagement im Stadtteil. 6 Kommunaler Wohnungsbau –
Das derzeitige wohnungswirtschaftliche städtischen Wohnungen, die die Miet- Vergabekriterien sinnvoll. Und diese Controlling des Senats ist weder für das höhen nach oben bestimmen. Da wirkt Kriterien müssen den Bedarf besonderer Parlament noch für die Öffentlichkeit das Mietenbündnis des Senates wie ein Bevölkerungsgruppen, die Anforde- transparent. Das technisch im Wesent- Placebo, und für die ärmsten Wohnungs- rungen an Barrierefreiheit und Ener- lichen vorhandene Instrument wird für suchenden nur noch wie ein Hohn. gieeffizienz, Kostenbewusstsein und eine wohnungspolitische Steuerung Stadtverträglichkeit berücksichtigen. kaum genutzt. Stattdessen werden die Damit sich das ändert und die städti- Für die Vergabeverfahren sind Transpa- Unternehmen für Senatsprojekte – sei schen Gesellschaften dennoch wirt- renz und Partizipation zu sichern. Ein es die Entwicklung Tempelhofs oder am schaftlich stabil bleiben, wohnungswirt- messbarer Beitrag zur sozialen Wohn- Mauerpark – instrumentalisiert und mit schaftlich ausgewogen ihre Bestände raumversorgung soll Voraussetzung für wirtschaftlich nicht leistbaren Aufgaben und Quartiere betreiben können und eine Förderung sein. Die Förderung soll überfordert. weiterhin starke Partner der sozialen als einmaliger Zuschuss erfolgen gegen Stadt(teil)entwicklung sind, muss das einen Anteil dauerhaft zu sozial ange- Dafür stellt der Senat nicht etwa zu- Land Berlin seine Eigentümerfunktion messenen Konditionen (Miethöhe und sätzliche Mittel bereit, abgesehen von anders ausüben. Finanzielle Stärkung, Belegungsrecht) zur Verfügung gestell- den jährlich 32 Millionen Euro für den klare wohnungspolitische Vorgaben, ten Wohnungen. Wohnungsbaufonds, dafür »erlaubt« er transparente demokratische Steuerung den Unternehmen eine Entnahme von und partnerschaftliche Stadtentwick- Gutes und bezahlbares Wohnen als bis zu 175 Millionen Euro aus ihrem lung – das sind unsere Vorstellungen elementares Grundbedürfnis und dabei Eigenkapital und eine zusätzliche Schul- für den Umgang mit den öffentlichen zugleich eine nachhaltige Stadtentwick- denaufnahme von 600 Millionen Euro. Wohnungsunternehmen. lung mit gesellschaftlich vertretbarem Das ist das Gegenteil von strategisch Aufwand zu gewährleisten – das ist die orientierter Wohnungs- und Gesellschaf- Der städtische Wohnungsbestand um- politische Herausforderung. Bezahlba- terpolitik! fasst nur rund 15 Prozent des Gesamt- res Wohnen wird heute zu gesellschaft- bestandes. Auch wenn die Vergrößerung lich tragbaren Kosten überwiegend im Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen dieses Anteils strategisches Ziel einer Bestand angeboten. Bezahlbare Mieten auch, dass die öffentlichen Wohnungs- linken Wohnungspolitik sein muss, im Neubau sind ohne eine öffentliche unternehmen nicht von allein eine sozi- dürfen private Wohnungsanbieter nicht Förderung nicht realisierbar. Aber der ale Vermietungspraxis etablieren. Das vernachlässigt werden. Teil des privaten Wohnungsneubau von heute ist im reicht von der Ausgestaltung der Miethö- Sektors sind auch Genossenschaften – besten Fall Bestandteil des bezahlbaren he bis zur Auswahl von Wohnungsbewer- in Berlin mit immerhin knapp 200.000 Wohnungsbestands von morgen. berinnen und -bewerbern. Menschen mit Wohnungen -, Baugruppen, Einzelei- Transfereinkommen bzw. Migrations- gentümer, freie Träger etc. – es wäre hintergrund müssen unrealistisch hohe also fatal und realitätsfremd, die private finanzielle Sicherheiten offerieren oder Wohnungswirtschaft ausschließlich mit werden aus nicht nachvollziehbaren Gewinnmaximierung und »Heuschre- Gründen abgewiesen. Auch verschulde- cken« zu assoziieren. Auch hier sind te Haushalte sind bei der Wohnungssu- öffentliche Rahmenbedingungen so zu che benachteiligt. Die Verpflichtungen setzen, dass ein Beitrag zur sozialen gegenüber dem Land Berlin, Wohnungen Wohnungsversorgung erreicht werden für besondere Bedarfsgruppen und kann. Dafür stehen normative Regelun- Flüchtlinge bereitzustellen, erfüllen gen im Bau- und Planungsrecht genauso die Gesellschaften seit Jahren nur zur Verfügung wie finanzielle Instrumen- unzureichend. Viele Wohnungen sind te von der Grundstücksvergabe über das für die Mietobergrenzen der Jobcenter Steuerrecht bis zur direkten Förderung. schlicht zu teuer. Regelmäßige, rechtlich Um private Akteure für den Einstieg Katrin Lompscher ist Stellvertretende zulässige Mieterhöhungen im Bestand in eine soziale Wohnungswirtschaft Fraktionsvorsitzende und Sprecherin für lassen die Durchschnittsmieten stetig zu gewinnen, ist ein Wohnungsbau- Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen steigen. In einigen Bezirken sind es die fonds mit inhaltlich klar strukturierten Fraktion DIE LINKE. Berlin. sozial und wirtschaftlich 7
Dr. Matthias Schindler | REDAKTION Katrin Lompscher Wohnungsbau und soziale Wohnraumförderung für Berlin. Der Einstieg in die soziale Wohnungswirtschaft. Zusammenfassung Berlin ist attraktiv. Berlin bleibt attraktiv Folgeinvestitionen. Dieser Mitteleinsatz strategie einbezogen werden. Hier lie- – zumindest auf längere Zeit, vor allem erfordert Amortisation und dort, wo gen die Potentiale, da die erforderlichen für die, die es sich leisten können. Berlin Fremdmittel erforderlich sind, Zins und »Kostenmieten« deutlich unter denen zieht an. Berlin hat kontinuierlichen Tilgung. Sie müssen erlöst werden. Das des Wohnungsneubaus liegen. Mit den Zuzug. Die Zahl der Einwohnerinnen und determiniert die Bedingungen der spä- einzusetzenden öffentlichen Mitteln Einwohner wächst. Gleichzeitig hält die teren Bewirtschaftung. Wohnungsbau können in diesem Segment bei weitem Tendenz zur Verringerung der Haus- und -wirtschaft unterliegen heute immer größere Effekte erzielt werden. haltsgrößen an. Die Zahl der Wohnungen höheren Standards und öffentlich- hat sich durch Rückbau und Zusam- rechtlichen Anforderungen. Auch das Gleiches gilt für die landeseigenen menlegungen in Folge von Sanierungen erhöht die Kosten von Errichtung und Wohnungsunternehmen. Nur auf diese relativ verringert. Deshalb brauchen wir Bewirtschaftung. kann Berlin als Gesellschafter direk- bedarfsgerechten Wohnungsneubau. ten Einfluss im Sinne einer aktiven Das hat Folgen für die Mieten. Woh- Vermietungs- und Mietenpolitik vor Berlin ist groß. Effekte bedürfen bei nungsneubau kann angesichts der dem Hintergrund der Verfasstheit des 3,5 Millionen Menschen und fast zwei tatsächlichen Kosten nur dann zu Wohnungsmarktes und der rechtlichen Millionen Wohnungen einer gewissen (reduzierten) Nettokaltmieten pro Rahmenbedingungen nehmen. Das Größenordnung. Das hat Konsequen- Quadratmeter für berechtigte Personen betrifft zunächst lediglich 15 Prozent zen. Die aktuelle Debatte um den angeboten werden, wenn die Differenz des Berliner Wohnungsangebotes. Alle Wohnungsneubau ist aufgeheizt und aus anderen Quellen beglichen wird. Die anderen Effekte sind vermittelt. Aus die- laut. Ständig neue Ideen, ständig neue Schließung dieser Lücke kann entweder sem Grund muss eine Beförderung von Zahlen, ständig neue Forderungen. Das wie in der Vergangenheit nur über exter- Wohnungsneubau durch das Land Berlin Volumen der dafür in Aussicht gestell- ne Zuschüsse (öffentliche Förderung) konsequent auf die Stärkung der kom- ten Mittel schwankt, steht jedoch im oder durch überhöhte Mieten in anderen munalen Wohnungswirtschaft setzen. krassen Missverhältnis zu den apostro- Wohnungen erfolgen. So werden Das ist der Adressat einer Förderung. phierten Effekten. Die Zahl der Akteure entweder die Gesamtgesellschaft (über Dieser Ansatz erfordert Langfristigkeit wird immer unübersichtlicher. Es ist ein den öffentlichen Haushalt) oder andere und kontinuierlichen Zufluss von rele- lautstarker Überbietungswettbewerb im Mieterinnen und Mieter zur Subvention vanten Mitteln. Auf dieser Basis kann Gang. Aber noch baut Berlin weitgehend herangezogen. der Spielraum der öffentlichen Hand mit Worten! schrittweise erhöht werden, wobei der Deshalb ist der existierende Wohnungs- Weg zu früheren Marktanteilen weit ist. Wohnungsbau und -wirtschaft erfor- bestand für die Bereitstellung von Woh- dern langfristiges Denken und Handeln, nungen zu günstigen Mieten vorrangig Die Mittel sollen so gewährt werden, mit immensen Anfangs- und auch zu betrachten und muss in eine Förder- dass sie eine Doppelfunktion erfüllen 8 Kommunaler Wohnungsbau –
– Stärkung der Eigenkapitalsituation gungen der spezifischen Rechtsform dessen Volumen entsprechend. Die Aus- der Unternehmen und Verfügbarkeit der jeweiligen Gesellschaft gestalten. reichung der Mittel sollte als einmaliger freier Liquidität. Die Erhöhung der Die Rechtsformen der kommunalen Zuschuss in das Eigenkapital auf Antrag- Zahl der Wohnungen in kommunaler Gesellschaften bieten dafür ausreichend stellung nach Maßgabe des Konzepts Hand, die Bestandsertüchtigung und Spielraum. Die adäquate Kontrolle der und Zeitpunkt des Antragseingangs er- die Bereitstellung einer wachsenden Durchsetzung dieser Strategie erfordert folgen. Das Verfahren der Erstellung des Anzahl von Wohnungen zu Mieten, die die Qualifizierung des wohnungswirt- Vergabekatalogs und die Kontrolle sind für einen bevorrechtigten Personenkreis schaftlichen Controllings unter Maßga- öffentlich und transparent zu gestalten mit geringen und mittleren Einkommen be dieser strategischen Ausrichtung. sowie auf eine demokratische, relevante bezahlbar sind, stehen im Vordergrund gesellschaftliche Akteure einbeziehende des Einsatzes der Mittel. Diese strategische Ausrichtung beant- Grundlage zu stellen. wortet jedoch noch nicht die Frage nach Der jährliche Zufluss sollte einen Betrag der richtigen – das heißt kostengüns- Eine mögliche dritte Säule der Finanzie- von mindestens 100 Millionen Euro tigen und langfristig bedarfsgerechten rung des Wohnungsbaus ist ein Woh- umfassen. Mit diesem Betrag könnte – Neubaustrategie für die kommunalen nungsneubaufonds der IBB für Berlin. der Impuls für Investitionen von bis zu Unternehmen in integrierten städti- Wenn für dieses Zukunftsthema große 500 Millionen Euro pro Jahr gegeben schen und verkehrlich gut erschlosse- Beträge vergesellschafteten Kapitals werden. Diese können sich auf Zukauf nen Lagen. Berlin hat keinen Mangel an mobilisiert werden sollen, ist es sinnvoll von Beständen, Sanierung bzw. Woh- hochpreisigen, großen Wohnungen. Es sich objektiv gängiger Mechanismen nungsneubau richten. Der Zufluss kann fehlen kleinere Wohnungen zu tragbaren zu bedienen, sie gleichzeitig zu verän- in Abhängigkeit von den Existenzbedin- Mieten, die barrierefrei und klimage- dern und auf bestehende Institutionen gungen der einzelnen Gesellschaften recht sind. Vor dem Hintergrund der Er- zurückzugreifen. Darauf setzt der direkt als Liquidität bzw. als Verzicht fordernisse geht es um Masse, Standar- Vorschlag für den Fonds. Er sichert eine auf die Rückzahlung früher gewährter disierung und kleine Wohnflächen. Nur stabile langfristige Verzinsung des ange- Aufwandsdarlehen erfolgen. so ist langfristig ein Effekt für bezahlba- legten Kapitals und soll gleichzeitig die res Wohnen im Neubau zu erzielen. Zahl der durch die kommunalen Gesell- Diese Eigenkapitalzufuhr durch den schaften bewirtschafteten Wohnungen Gesellschafter wird unmittelbar mit Neben der finanziellen Stärkung der erhöhen. Die Kontrolle dieses Woh- der dauerhaften Bereitstellung einer städtischen Wohnungsunternehmen ist nungsbaufonds ist ebenfalls partizipativ verbindlich fixierten und über die Jahre eine ergänzende Förderung für andere und demokratisch auszugestalten. steigenden Zahl von Wohnungen für Akteure des Wohnungssektors sinnvoll. einen berechtigten Personenkreis sowie Diese sollen durch einen Eigenkapitalzu- Und schließlich gilt es den Spielraum den Einsatz der Mittel zur zielgenauen, schuss angeregt werden, sich ebenfalls geltender Gesetze gezielt zu nutzen, um an der jeweiligen Unternehmenslage dauerhaft und einklagbar ähnlichen die öffentlichen Interessen an einer so- orientierten Stärkung der Gesellschaf- Regelungen wie die kommunalen zialen Wohnraumversorgung effektiver ten gekoppelt. Dazu gehört auch der Gesellschaften zu unterwerfen. Es ist durchzusetzen. Dabei steht zunächst der Wohnungsneubau. jedoch davon auszugehen, dass die Zahl umfassende Einsatz des Baugesetzbu- der Interessenten relativ klein sein und ches zur aktiven Grundstückssicherung Damit stärkt das Land Berlin unmittelbar spezielle Projekte erfassen wird. Damit als Voraussetzung für einen an stadtent- seine Stellung als Gesellschafter kom- lassen sich zwar öffentlichkeitswirksa- wicklungspolitischen Leitlinien orientier- munaler Wohnungsunternehmen. Das me Projekte fördern, die quantitativen ten Wohnungsneubau im Vordergrund. muss auch in der Ausgestaltung dieser Effekte für soziale Wohnraumversorgung Rolle zum Ausdruck kommen. Der Ge- werden aber gering sein. Trotzdem sollte In diesem Sinn lohnt es sich, mit dem sellschafterwille kann nicht Gegenstand dieser Weg beschritten werden. Einstieg in eine soziale Wohnungswirt- von Vereinbarungen zwischen dem Ge- schaft zu beginnen. sellschafter und seinen Gesellschaften Der Fonds sollte zunächst aus Landes- sein, er muss vielmehr Grundlage deren mitteln mit einem Volumen von 30 Milli- Handelns sein. Die Umsetzung muss der onen Euro pro Jahr ausgestattet werden, Gesellschafter ausgehend von Bedin- ergänzende Bundesmittel vergrößern sozial und wirtschaftlich 9
Inhalt A Einleitung 1. Der Auftrag 2. Die Vorarbeiten 3. Die Untersuchungsstrategie 4. Die aktuelle Lage 5. Die sozialen Rahmenbedingungen 6. Die aktuelle Debatte 7. Auswirkungen der Veränderung der Bundespolitik 8. DIE LINKE Berlin und der Einstieg in die soziale Wohnungswirtschaft B Die Berliner Wohnungswirtschaft 1. Bestandswohnungen und Bestandsbewirtschaftung 2. Die kommunalen Gesellschaften 3. Veränderungen in der Eigentümerstruktur 4. Der soziale Wohnungsbau der Vergangenheit 5. Konsequenzen aus den Erfahrungen des alten sozialen Wohnungsbaus 6. Der Wohnungsneubau des letzten Jahrzehnts C Der Wohnungsneubau 1. Der neue Wohnungsneubau 2. Die Prognose des Bedarfs 3. Die Flächen 4. Neue Liegenschaftspolitik 5. Die Schlussfolgerungen im Stadtentwicklungsplan Wohnen 6. Die Kosten 7. Die Konsequenzen für die Miete 8. Möglichkeiten und Instrumentarien zur Kostendämpfung D Soziale Wohnungswirtschaft 1. Der Einstieg in ein neues System der sozialen Wohnungswirtschaft 2. Bestandswohnungen 3. Wohnungsneubau als Vorsorge 4. Die Stärkung der kommunalen Wohnungsunternehmen 5. Der Umfang der Mittel und ihr Einsatz 6. Der angestrebte Effekt der Eigenkapitalstärkung 7. Die Stärkung der Gesellschafterrolle und Qualifizierung der Steuerung und Kontrolle 8. Die Qualifizierung des wohnungswirtschaftlichen Controllings 9. Andere Akteure im Wohnungsneubau 10. Fonds zur Förderung anderer Akteure 11. Die Rolle der Investitionsbank Berlin 12. Die Mieterinnen und Mieter 13. Politische Initiativen auf Bundesebene 10 Kommunaler Wohnungsbau –
A Einleitung Immerhin stellte und stellt die kommu- reits absehbar. Der Ruf nach Neubau nale Wohnungswirtschaft Berlins auf und Neuauflage der Wohnraumförde- 1. Der Auftrag Grund ihrer Größe, Komplexität, Wirt- rung wurde lauter. Die SPD-geführte Se- schaftskraft und ihres Anlagevermögens natsverwaltung für Stadtentwicklung je- Im Jahr 2013 erteilte die Fraktion DIE sowie Stellenwertes für die gesamte doch hielt an ihrer Auffassung eines ent- LINKE im Abgeordnetenhaus den Auf- Berliner Wirtschaft einen wesentlichen, spannten Wohnungsmarktes fest und trag zur Erarbeitung einer Studie zu Mo- wenn nicht den entscheidenden Vermö- handelte nicht, abgesehen von punktu- dellen einer neuen Wohnraumförderung gensbestandteil der Kommune Berlin ellen Eingriffen beim alten sozialen Woh- unter Maßgabe folgender Prämissen: zur Ausgestaltung ihrer sozialen Funkti- nungsbau. Erst nach den Wahlen 2011 Stärkung der kommunalen Unter- on dar. änderte sich das. nehmen auf dem Wege der Eigenkapital- erhöhung; Die kommunale Wohnungswirtschaft Förderung von Trägern und Initiato- Berlins war beim Start von Rot-Rot in der 3. Die Untersuchungsstrategie ren sozialer Wohnraumbewirtschaftung Krise. Fast wäre nach dem Notverkauf aus Mitteln des Landeshaushalts un- der GSW noch die Wohnungsbaugesell- Die Studie wendet sich in einem ersten ter Berücksichtigung beihilferechtlicher schaft Mitte (WBM) veräußert worden, Abschnitt ausgehend von aktuellen Ent- Vorschriften der Europäischen Union. die an ihren Sondervorhaben und -kon- wicklungen der gegenwärtigen Debatte struktionen krankte. Die Mitte Berlins zum Wohnungsneubau in Berlin zu. Auf Dabei sollten in der Studie unterschiedli- wäre zu einem weißen Fleck der kommu- dieser Basis wird die Ausgangssituation che Volumina der Förderung in ihren un- nalen Wohnungswirtschaft geworden. für die Entwicklung einer eigenen För- terschiedlichen Wirkungen auf die Zahl Die Vorschläge zur Überwindung der derstrategie charakterisiert. der zu errichtenden Wohnungen, deren Krisensituation waren Anfang 2003 Ge- zukünftige Bewirtschaftung, Miethöhen genstand heftiger Auseinandersetzung In einem zweiten Abschnitt werden die und Markteffekte untersucht werden. zwischen den Partnern der damals noch Existenzbedingungen der Berliner Woh- Dabei sollte der Zielgenauigkeit eines jungen Koalition mit der SPD. nungswirtschaft unabhängig von ihrer Ei- möglichen Fördersystems besondere gentümerstruktur erfasst und analysiert. Aufmerksamkeit geschenkt werden. Im Rückblick öffnete die Absage an eine mögliche Privatisierung der WBM dann In einem dritten Abschnitt werden Fra- Darüber hinaus soll die Untersuchung ei- den Weg zu einer relativ schnellen Ge- gen des Wohnungsneubaus unter dem nen Beitrag zur Entwicklung von Strate- sundung des Unternehmens. Wenig wur- Blickwinkel des prognostizierten Be- gien im Umgang mit dem sozialen Woh- den die kommunalen Wohnungsunter- darfs, der Flächenpotentiale, der Kosten nungsbau (alt) leisten. nehmen über das Beteiligungsmanage- und der zu erwartenden Miethöhen ver- ment auf einen »Trimm-dich-Pfad« der tieft. Gesondert wird hier insbesondere Ertragssteigerung durch Mietsteigerung in Auseinandersetzung mit der aktuellen 2. Die Vorarbeiten und Liquiditätssicherung durch umfang- Debatte der Frage der Vorsorgefunktion reiche Wohnungsverkäufe geschickt. des Neubaus Aufmerksamkeit gewidmet. Die Fraktion DIE LINKE im Abgeordne- tenhaus von Berlin hat sich wiederholt Das ist für die hier vorgelegte Untersu- In einem vierten Abschnitt wird der mit der Berliner Wohnungswirtschaft chung insofern relevant, da die spezifi- Einstieg in eine soziale Wohnungswirt- auseinandergesetzt. Im Mittelpunkt die- sche Art und Weise der Überwindung schaft konzipiert und ein dafür geeigne- ser Untersuchungen standen immer wie- der Krisenprozesse der kommunalen ter Förderansatz entwickelt. Im Mittel- der die Fragen nach der Lage der kom- Wohnungswirtschaft bis heute nach- punkt stehen dabei die Möglichkeiten munalen Wohnungswirtschaft, ihrer Rol- wirkt und so ihre heutigen Existenzbe- und Effekte einer Eigenkapitalerhöhung le bei der Versorgung der Berliner und dingungen sowie deren Wirkungen auf kommunaler Gesellschaften als dauer- Berlinerinnen mit Wohnraum, ihrer Aus- den Berliner Wohnungsmarkt maßgeb- hafter Prozess und die dauerhafte Be- zehr durch Entscheidungen der Gesell- lich prägen. reitstellung einer relevanten und stetig schafter, der Kosten der Erschließung steigenden Zahl von Wohnungen für ei- ihrer sozialen Potentiale sowie ihre qua- Seit 2006 war die Veränderung der Lage nen bevorrechtigten Personenkreis mit lifizierte Steuerung und Kontrolle. auf dem Berliner Wohnungsmarkt be- geringen Einkommen. sozial und wirtschaftlich 11
4. Die aktuelle Lage nis gesamtgesellschaftlicher Anstren- Wohnung weiter gesunken und zum an- gungen. Die Lasten für Instandsetzung deren ist der Flächenverbrauch je Be- Berlin ist das größte Ballungszentrum und Modernisierung nach 1990, Inves- wohner gestiegen. So wohnen nach den der Bundesrepublik. Die Bevölkerung titionen in den Altbestand, aber auch Ergebnissen des Mikrozensus nur noch wächst seit Mitte der 2000er Jahre wie- in die energetische Ertüchtigung des 1,75 Personen in einer Wohnung und der der kontinuierlich. Nach den Bevölke- industriellen Wohnungsbaus, wurden in Flächenverbrauch stieg auf 41 Quadrat- rungsverlusten seit 1990 hat die Stadt nicht unerheblichen Maß ebenfalls über meter je Bewohner. Damit unterschei- jetzt wieder die damalige Einwohner- direkte (in Form von Zuschüssen) bzw. det sich die Entwicklung in Berlin von zahl erreicht. Das Wachstum wird in der indirekte (über zinsvergünstige Kredite der in anderen großen Ballungszentren kommenden Dekade – so die Prognose – bzw. steuerliche Abschreibungsmodel- der Bundesrepublik. Das mag auch dem aufgrund von Zuwanderungsgewinnen in le) staatliche Förderung auf die gesam- relativ hohen Leerstand und niedrigen allen Altersgruppen, insbesondere in der te Gesellschaft umverteilt. Mieten in den Vorperioden geschuldet zwischen 35 und 50 Jahren, anhalten. sein, reicht als Erklärung jedoch nicht Mit der Beendigung der Förderprogram- aus. Seit 2001 ist der Neubau von Wohnun- me des sozialen Wohnungsbaus und gen, insbesondere von Mietwohnungen dem Ausstieg aus der Anschlussförde- Dahinter verbergen sich vor allem die nahezu zum Erliegen gekommen. Zwi- rung wurde dem Wohnungsbau diese Auflösung bzw. der tiefgreifende Wan- schen 2006 und 2011 wurden lediglich Grundlage entzogen. del traditioneller Familien- bzw. Wohn- zirka 7.500 WE in Mehrfamilienhäusern strukturen sowie der Alterungsprozess. neu dem Markt zur Verfügung gestellt, Die kommunalen Wohnungsunterneh- Darauf ist der vorhandene Wohnungs- insgesamt wurden knapp 20.000 Woh- men waren Anfang der 2000er Jahre in bestand nur in Teilen eingerichtet. nungen gebaut (im Zeitraum 1996 bis einer teilweise existenzgefährdenden 2000 wurden dagegen rund 95.000 Situation. Geringe Ertragslage, hohe Parallel dazu sind gegenläufige Entwick- Wohnungen insgesamt fertiggestellt). Lasten aus Errichtungs- und Sanierungs- lungen zu verzeichnen, die sich in den Dafür gab es unterschiedliche Gründe. finanzierungen, hohe unternehmensin- kommenden Jahren verstärken wer- terne Aufwendungen und erhebliche den. Dazu zählt vor allem die wachsen- Zunächst muss hier eine Nachwirkung finanzielle Belastungen durch vom Ge- de Zahl von Kindern insbesondere in der des Platzens ungedeckter Wachstum- sellschafter veranlasste, sogenannte relevanten Altersgruppe der Zuziehen- sprognosen und der Stagnation des In-sich-Geschäfte der 90er Jahre hatten den. Für diese sieht dann der Senat im Wohnungsmarktes Ende der 90er Jah- die Substanz aufgezehrt und die Mög- Stadtentwicklungsplan Wohnen auch ei- ren konstatiert werden. Die Effekte des lichkeiten des Wachstums gravierend nen innerstädtischen Bedarf für Einfam- Regierungsumzugs im Jahr 1999 haben eingeengt. Die Reaktion zur Wiederher- lienhaus-ähnliches Wohnen. sich tatsächlich erst mit einer zeitlichen stellung der Handlungsfähigkeit waren Verzögerung von einem halben Jahr- Bestandsverkäufe und Durchsetzung al- Der Leerstand von Wohnungen sank zehnt eingestellt. ler Mieterhöhungsspielräume. zugleich auf eine Marke unterhalb von fünf Prozent, von denen als tatsächlich Im Weiteren war Wohnungsneubau im Wegen ihrer nach wie vor vorhandenen variables Potential lediglich 1,5 Prozent Berlin nach 1949 – unabhängig ob in Marktmacht wurden die kommunalen angesehen werden. Das steht im Wider- West oder Ost bzw. ab 1990 in Berlin Unternehmen durch dieses Handeln ob- spruch zur Zunahme der Haushalte, die gesamt – im Wesentlichen durch die jektiv zu Mietpreistreibern. die weitere Nachfrage nach Wohnungen Bereitstellung umfassender staatlicher verstärkt. Mittel getrieben. Bis 1990 wurden al- lein im Westteil im sozialen Wohnungs- 5. Die sozialen Rahmen- Die Sozialstruktur Berlins mag sich im bau mit unterschiedlicher Förderung bedingungen letzten Jahrzehnt durch Zuzüge teilwei- 500.000 Wohnungen, mit nachhaltig se verändert haben. Dennoch gehen anhaltender Wirkung auf die Haushalts- Im Verlauf des letzten Jahrzehnts haben vielfältige Veröffentlichungen davon lage des Landes, errichtet. Auch die sich in Berlin zwei für die Wohnraumver- aus, dass weiterhin zirka 60 Prozent der Investitionen in den industriellen Woh- sorgung relevante Prozesse verstärkt. Berliner Bevölkerung über geringe und nungsbau im Ostteil waren das Ergeb- Zum einen ist die Zahl der Bewohner je mittlere Einkommen verfügen und da- 12 Kommunaler Wohnungsbau –
mit zum bevorrechtigten Personenkreis Daneben wird der weiterhin enorme Diese Frage kann jedoch in der Dis- für sozial verträgliche Mieten zählen. auswärtige Zugang für die Berliner Uni- kussion, die mit dem Ziel bezahlbaren Rund 30 Prozent der Haushalte können versitäten und die Berliner Wirtschaft Wohnraum für Alle zu sichern geführt real als einkommensschwach charakte- mit teilweise geringen Einkünften und wird, nicht vernachlässig werden. Der risiert werden. prekären Beschäftigungen anhalten. gesellschaftliche Aufwand für 100.000 Die Studie geht insgesamt von der An- Wohnungen muss mit zirka 20 Milliar- Ende Mai 2013 wurde der neue Miet- nahme aus, dass der Zuzug alle sozia- den Euro angesetzt werden und Netto- spiegel für Berlin vorgelegt. Er offenbart len Schichten erfasst und so eher nicht kaltmieten nicht unter neun Euro pro einen weiteren nachhaltigen Anstieg der von wesentlichen Verschiebungen in Quadratmeter und Monat gelten als wirt- Nettokaltmieten/Quadratmeter (NKM/ der Berliner Sozialstruktur ausgegan- schaftliches Erfordernis im Neubau. Quadratmeter) im gesamten Stadtge- gen werden kann. biet. Deren Wachstum liegt deutlich Abgesehen davon, ob diese Zahlen im über dem Anstieg der Einkommen, ins- Einzelnen tatsächlich einer detaillierten besondere der unteren Einkommens- 6. Die aktuelle Debatte Überprüfung standhalten, zeigt allein gruppen, im gleichen Zeitraum. Daran die Größenordnung, dass ein solches In- hat auch der steigende Zuzug nichts ge- Die Debatte um Wohnungsneubau in vestment kaum mit wenigen Millionen ändert. Berlin entzündete sich bereits vor der Euro initiiert, noch die Mieten auf diesem Wahl zum Abgeordnetenhaus 2011. Erst Weg dauerhaft auf eine sozialverträgli- Damit ist der Anteil, der heute je Haus- nach der Wahl wurde sie vor dem Hinter- che Höhe heruntersubventioniert werden halt für Mieten aufzuwenden ist, weiter grund sinkender Leerstände, steigender könnten. Und auch abgesehen davon, angestiegen und erreicht bzw. über- Mieten, aber auch steigender Markt- dass von den Markteffekten – zum Bei- steigt in nicht wenigen Fällen die als chancen der Verwertung von Wohnungs- spiel bei Grundstücks-, Bau- und Neben- kritisch angesehene Höhe von einem neubau zu einem beherrschenden The- kosten – eines solchen Wohnungsbaupro- Drittel des einzelnen Haushaltseinkom- ma der gesellschaftlichen Debatte in gramms weitgehend abstrahiert wird. mens. Berlin. Abschließend sei darauf verwiesen, dass Mit Blick auf die kommenden Jahre ist Beginnend mit dem Bekenntnis im Ko- in letzter Zeit die für die Mietentwick- nicht von einem überproportionalen An- alitionsvertrag von SPD und CDU zu lung relevanten Zusammenhänge zwi- stieg der Einkommen bzw. der nachhal- einer Größenordnung von 6.000 neu- schen Bestandsbewirtschaftung und tigen Verringerung der Transfereinkom- en Wohnungen pro Jahr, über das öf- Neubau verstärkt diskutiert werden. Ak- mensbeziehenden auszugehen. Einer fentlichkeitswirksam in Szene gesetz- tuell gibt es eine Vielzahl ernst zu neh- solchen Einschätzung stehen auch nicht te Mietenbündnis mit den städtischen mender Stimmen und Überlegungen, die in den letzten Jahren veröffentlich- Wohnungsbaugesellschaften, über un- deren Aufgreifen in der Diskussion lohnt ten guten Konjunkturdaten für Berlin terschiedliche Papiere, nahezu täglich und deren Integration in ein langfristiges entgegen. neue Nachrichten unterschiedlicher Konzept einer sozialen Wohnungswirt- Akteure und umfangreiche Pressever- schaft sinnvoll ist. Insofern kann im besten Fall von einer öffentlichungen, steht inzwischen die gleichbleibenden Öffnung der entstan- Zahl von 10.000 neuen Wohnungen pro Dies gilt auch für Überlegungen zur Aus- denen Schere zwischen Einkommens- Jahr in der laufenden Legislaturperiode gestaltung eines kommunalen Sonder- und Mietentwicklung für die heutige Ber- im Raum. vermögens Wohnen, vor allem wegen liner Bevölkerung ausgegangen werden. der konsequenten Orientierung auf die Die Debatte wird weitgehend von Quan- öffentliche Verantwortung für eine sozi- Hinsichtlich der Einkommensverhältnis- titäten – teilweise in einem Überbie- ale Wohnungswirtschaft und für die Ent- se der Zuziehenden gehen Einschätzun- tungswettbewerb – determiniert. Die wicklung von Instrumentarien zur Einbe- gen davon aus, dass verstärkt Personen realen Kosten des Investments, seiner ziehung der Investitionsbank Berlin und mit höheren Einkommen in der Alters- Finanzierung und der Mietfolgekosten der kommunalen Gesellschaften. gruppe zwischen 30 und 50 sowie ver- werden in den jeweiligen Vorschlägen mögende Rentnerinnen und Rentner vielfach verkürzt dargestellt oder treten Von ähnlicher Relevanz ist auch der von nach Berlin ziehen. gar in den Hintergrund. Mieterinitiativen – wie insbesondere sozial und wirtschaftlich 13
Kotti&Co – aufgemachte Zusammen- verteilten Kompensationsmittel sinken nen sozial berechtigten Personenkreis, hang zwischen den Lasten auf dem heu- gemäß der Mittelfristplanung konti- dessen Finanzierung und erforderlicher tigen Bestand des sozialen Wohnungs- nuierlich ab, für die Periode 2014 bis Förderung, möglicher Quersubventionie- baus durch Aufwandsdarlehen und dem 2019 ermöglicht eine Revisionsklau- rung etc. äußerst schwierig. Vorhaben, diese zurückfließenden Mittel sel die Überprüfung der Notwendigkeit im Wohnungsneubau einzusetzen. der Kompensationszahlungen. Zudem Das gilt insbesondere dann, wenn sie steht es den Ländern seit 2014 frei, die ein belastbares, strukturiertes Konzept Auch die Fraktionen des Abgeordneten- Mittel auch für andere investive Zwecke zu einer sozialen Wohnungswirtschaft hauses beteiligen sich an dieser Diskus- einzusetzen. anstrebt, das den komplizierten und sion. Bei den Koalitionsparteien SPD komplexen Existenzbedingungen der und CDU zeichnet sich ungeachtet an- Wohnungs- und Mietenpolitik, insbe- Wohnungswirtschaft Rechnung trägt. haltenden Streits über eine von der CDU sondere in Ballungszentren, sind auch gewünschte Eigentumskomponente fol- ein zentrales Feld der Bundespolitik ge- Die Fraktion DIE LINKE im Abgeordne- gende Linie ab: worden. Verschiedene Vorhaben stehen tenhaus hatte sich Fragen einer sozia- Realisierung eines geförderten zur Debatte: Förderung der Länder beim len Wohnungswirtschaft bereits 2011 Wohnungsneubaus; sozialen Wohnungsbau, Begrenzung zugewandt. Eine im Kontext mit der Ver- weitgehende Begrenzung der Mittel umlegbarer Modernisierungskosten, Be- abschiedung des Berliner Wohnraum- auf die Kompensationsmittel der Wohn- grenzung der Maklercourtage, stärkere gesetzes vorgelegte Studie formulierte raumförderung des Bundes bzw. die Subjektförderung, Begrenzung des Erhö- Vorschläge zur Stärkung des Eigenkapi- Rückflüsse aus früherem Wohnungsbau; hungsspielraums bei Bestandsmietern, tals der kommunalen Wohnungsbauge- Begrenzung der perspektivischen Überlegungen zur Begrenzung von Neu- sellschaften bei paralleler Sicherung von Einstiegsmieten auf 7,50 Euro/Quadrat- vermietungsmieten, Konzentration des verbindlichen und dauerhaften Zugangs- meter, die einkommensabhängig auf bis Neubaus auf einen sozial berechtigten rechten zu bezahlbarem Wohnraum im zu 6 Euro/Quadratmeter abgesenkt wer- Personenkreis. Bestand für bevorrechtigte Personen den soll, und damit direkte Integration und Haushalte. des Wohnungsneubaus in die Bereitstel- Den sich abzeichnenden Veränderungen lung von Wohnraum für bevorrechtigte auf Bundesebene ist gemeinsam, dass Der seinerzeitige Vorschlag verfolgte Personen und Haushalte. wesentliche Grundlagen bundesdeut- bereits die Entfaltung einer sozialen, öf- schen Wohnungsbaus, seiner Förderung fentlichen Wohnungswirtschaft mit den Nicht nur die Fixierung auf Kompensa- sowie des Mietrechts nicht in Frage ge- kommunalen Gesellschaften als zent- tionsmittel des Bundes sowie auf Rück- stellt werden und maximal die partielle ralem Träger, die Stärkung der sozialen flüsse aus dem alten sozialen Woh- Reparatur von Zuspitzungen in Ballungs- Funktion des Wohnungsbestandes und nungsbau als Finanzierungsquellen ist räumen beabsichtigt ist. Das betrifft so- deren Verbindung mit dem Wohnungs- dabei problematisch. Damit sollen zum wohl die untaugliche Wiederbelebung neubau. Vor und nach den Wahlen 2011 einen Mittel, deren weitere Bereitstel- des alten »Sozialen Wohnungsbaus« als war für die Kommunikation der Ergebnis- lung wegen Auslaufens ungewiss ist Fördersystem, als auch die Konzentrati- se kaum Raum. Die Debatte war schnell und zum anderen Mittel, die bei der Be- on auf das Vergleichsmietensystem. auf Neubau ausgerichtet. standssicherung des bestehenden sozi- alen Wohnungsbaus einsetzbar wären, Seitdem werden die Regierungsparteien, zur Finanzierung herangezogen werden. 8. DIE LINKE Berlin und der die Interessenverbände der Wohnungs- Einstieg in die soziale Wohnungs- wirtschaft, aber auch Mieter-Initiativen wirtschaft als die zentralen Akteure wahrgenom- 7. Auswirkungen der Veränderung men. Daran hat auch die intensive par- der Bundespolitik DIE LINKE in Berlin muss sich in dem lamentarische Auseinandersetzung der aktuellen Bieterwettbewerb Gehör ver- Fraktion DIE LINKE mit der Problematik Mit der Föderalismusreform II hat sich schaffen. Das ist im Umfeld von ständig – zum Beispiel über kleine Anfragen und der Bund seit 2006 aus der Zuständig- neuen Zahlen zur Größenordnung des Anträge – sowie Anhörungen und Ge- keit für die Wohnungsbauförderung zu- Wohnungsneubaus, zu zukünftigen Miet- sprächsrunden nichts Grundsätzliches rückgezogen. Die auf die Bundesländer höhen, zu dessen Konzentration auf ei- geändert. 14 Kommunaler Wohnungsbau –
Andererseits hat die Wiederaufnahme älter als 35 Jahre und entsprechen – un- sich im Bestand nur schwer entziehen und Entwicklung intensiver Kontakte abhängig von den in den letzten Jahr- können. insbesondere zu den Spitzen der kom- zehnten realisierten Instandsetzungs- munalen Wohnungsunternehmen dazu und Modernisierungsmaßnahmen – in beigetragen, das Problembewusstsein ihrer grundsätzlichen Konfiguration, ein- 2. Die kommunalen Gesellschaften zu schärfen und eigene Lösungsansätze schließlich Wohnungsgröße, den Exis- zu kommunizieren, zu prüfen und weiter- tenz- und Lebensbedingungen des In- Nach eigenen Angaben verfügen die zuentwickeln. Das ist insofern bedeut- dustriezeitalters. Heute wohnen jedoch kommunalen Gesellschaften gegenwär- sam, da die Umsteuerung auf eine an deutlich weniger Personen in diesen als tig über etwa 285.000 Wohnungen und den realen Bedingungen orientierte sozi- zum Zeitpunkt ihrer Errichtung. damit zirka 16 Prozent des Gesamtwoh- ale Wohnungswirtschaft der Akzeptanz nungsbestandes bzw. 19 Prozent des und der Mitwirkung vielfältiger Partner Die durchschnittliche Wohnungsgröße Mietwohnungsbestandes. Dieser verteilt bedarf. beträgt 72 Quadratmeter. Zirka 60 Pro- sich über alle Bezirke mit lokalen Kon- zent der Wohnungen sind kleiner als der zentrationen. B Die Berliner Wohnungswirtschaft Durchschnitt. 31 Prozent aller Wohnun- gen haben eine Fläche zwischen 60 und In Folge des insbesondere zwischen 1. Bestandswohnungen und 79 Quadratmeter, davon liegen fast 40 2002 und 2006 durchgesetzten Sa- Bestandsbewirtschaftung Prozent im Bezirk Lichtenberg. Die Zahl nierungsprozesses der Unternehmen der Wohnungen mit 40 Quadratmeter und in Verbindung mit den veränderten Wer über Wohnungsneubau redet, muss und kleiner liegt bei nur 12 Prozent und Markt- sowie aktuellen Finanzierungsbe- sich zunächst den Bestand ansehen. konzentriert sich auch auf wenige Stadt- dingungen verfügen die Gesellschaften Berlin verfügt Ende 2012 über einen bezirke. Acht Prozent der Wohnungen heute über das Potential, ein ernsthaf- Gesamtbestand an Wohnungen (incl. sind größer als 120 Quadratmeter. tes Instrument sozialer Wohnungspolitik Wohnheimplätzen, Wohnungen in Ge- zu sein. Es ist im Interesse des Gesell- werbegebäuden) von 1.891.000 Woh- Unter Bezugnahme auf die aktuellen Be- schafters Land Berlin, dieses Potential nungen unterschiedlichen Baualters. völkerungszahlen entfällt damit auf je zu erschließen. 1,74 Einwohner (1991: 1,96) eine Woh- 81 Prozent der Wohnungen befinden nung bzw. eine Wohnfläche von 41,38 Dabei stehen zunächst die effektive Be- sich in Häusern mit sieben und mehr Quadratmeter auf jede Person. standsbewirtschaftung, sein Erhalt und Wohnungen, wobei fast die Hälfte in seine Anpassung an die veränderten Objekten mit 13 und mehr Wohnungen Im Durchschnitt verfügen die Bestands- gesetzlichen und Nutzeranforderungen liegt. 10,5 Prozent sind klassische Ein- wohnungen über 3,5 Zimmer, wobei 33 im Vordergrund. Allein der nach wie vor und Zweifamilienhäuser. Prozent über drei Räume und 27 Pro- bestehende hohe Instandsetzungs- und zent über vier Räume verfügen. Dass Modernisierungsbedarf – insbesondere 81 Prozent aller Wohnungen sind als heißt, auf jeden Bewohner entfallen da- der im Westteil der Stadt gelegenen Be- Mietwohnungen vermietet. Unter Ein- mit etwa zwei Zimmer mit einer Durch- stände – wird auch zukünftig weiterhin schluss des Leerstands und der als Feri- schnittsgröße von jeweils 21 Quadrat- hohe finanzielle Mittel binden. enwohnungen ausgewiesenen Einhei- meter. ten gibt es damit in Berlin insgesamt 1.612.000 potentielle Mietwohnungen. Der überproportionale Flächenver- 3. Veränderungen in der brauch je Person ist zum einen Resultat Eigentümerstruktur Vom Gesamtbestand entfallen auf die der historisch überkommenen Substanz Baujahre vor 1919 27 Prozent die fol- des Bestandes und zum anderen den Als Konsequenz der Privatisierungen genden bis 1949 15 Prozent, auf die zwi- relativ moderaten Mieten der Vergan- aus der Umsetzung des Altschuldenhil- schen 1949 und 1978 34 Prozent und genheit geschuldet. Mit dem rasanten fegesetzes (AHG, im Ostteil Berlins), der dann bis 1990 14 Prozent. Lediglich Anstieg der Mieten entwickelt sich diese Auszehr der kommunalen Gesellschaf- zehn Prozent der Wohnungen wurden Flächenbilanz des Berliner Wohnungsbe- ten durch In-Sich-Geschäfte in den 90er nach 1990 errichtet. standes zu einer objektiven finanziellen Jahren, sanierungsbedingter Verkäufe Drei Viertel aller Wohnungen sind damit Last für Mieterinnen und Mieter, der sie kommunaler Wohnungsbestände und sozial und wirtschaftlich 15
-gesellschaften wie der GSW sowie um- zugerechnet. Das sind noch 28 Prozent stelliger Millionenhöhe, wobei große fangreicher Verkäufe öffentlicher Lie- der Wohnungen, die zwischen 1952 und Schwankungen auftreten. genschaften hat sich die Eigentümer- 1992 in Berlin als Sozialwohnungen er- struktur im Wohnungssektor in den letz- richtet wurden. Der Anteil der Wohnun- Für Wohnungen, deren Nettokaltmiete ten 20 Jahren diversifiziert. gen des sozialen Wohnungsbaus am Ge- im Jahr 2013 über einen Durchschnitts- samtbestand der Berliner Wohnungen betrag von 5,50 Euro/Quadratmeter Der Mikrozensus 2011 weist aus, dass (1.891.402 WE) hat sich damit auf 7,7 p.m. zu steigen drohten, wurde eine 62 Prozent der Gebäude mit Wohnungen Prozent verringert. Allein in den Bezirken Kappungsgrenze (wieder)eingeführt. im Eigentum von Privatpersonen stehen. Spandau und Neukölln liegt ihr Anteil bei Das betrifft fast 35.000 Wohnungen in Auf diese entfallen aber nur 29 Prozent über 15 Prozent des Gesamtbestandes. Großsiedlungen, von denen 40 Prozent der Wohnungen. 20 Prozent der Woh- in den Bezirken Spandau und Neukölln nungen stehen im Eigentum von Woh- Von diesen Wohnungen liegen 131.337 liegen. Daraus ergeben sich Mehrauf- nungseigentümergemeinschaften und Wohnungen (90 Prozent) im Westteil wendungen und Mindereinnahmen von 18 Prozent im Eigentum größerer priva- der Stadt. Im Ostteil befinden sich da- insgesamt 2.600.000 Euro. Diese Auf- ter Wohnungsunternehmen. Genossen- gegen nur 15.224 Wohnungen. Rund 40 wendungen werden in den kommenden schaften haben rund 190.000 Wohnun- Prozent befinden sich innerhalb des S- Jahren steigen. gen und einen Marktanteil von rund Bahn-Rings. zehn Prozent. Das kontinuierliche Absinken der Zahl 60 Prozent des Bestandes befinden der Sozialwohnungen ist den bundesge- Insbesondere das Auftreten großer, in- sich im Eigentum von unterschiedlichen setzlichen Grundlagen für den Sozialen ternational agierender institutioneller privaten Individual-Eigentümern. Dazu Wohnungsbau von vornherein geschul- Wohnungsunternehmen hat den Be- kommen noch einmal acht Prozent, die det und das Soziale an ihnen war maxi- stand, das Transaktionsgeschehen und sich im Eigentum der 2004 privatisier- mal temporär angelegt. Auf die wesent- die Preise nachhaltig beeinflusst. Die ten GSW befinden. Sechs Prozent sind lichen Aspekte der Widersprüche des einst städtische GSW mit etwa 60.000 im Bestand von Genossenschaften. Ver- sozialen Wohnungsbaus sei an dieser Wohnungen (drei Prozent des Gesamt- bleiben zirka 26 Prozent, die von kom- Stelle noch einmal zusammenfassend bestandes) wird von der Aktiengesell- munalen Gesellschaften bewirtschaftet hingewiesen: schaft Deutsche Wohnen übernommen, werden. Das bis zum Zeitpunkt des Auslau- auch andere große bundesweit agieren- fens der Sozialbindung jahrzehntelang de Akteure wie Deutsche Annington und Die Durchschnittsmieten (netto kalt) al- vergesellschaftete Risiko der Kostende- GAGFAH halten relevante Bestände in ler Sozialwohnungen lagen 2011 bei 5,47 ckung sollte durch die allgemeine Wirt- Berlin. Euro/Quadratmeter pro Monat. 2012 schaftsentwicklung hinfällig werden. stellte das Land Berlin zur Sicherung die- Dem lag die Vorstellung zugrunde, dass Ähnliche Entwicklungen sind auch für ser Miethöhe noch 363 Millionen Euro in Folge prosperierender wirtschaftli- den Wohnungsneubau zu erwarten. Hier bereit. Das sind fast 2.500 Euro pro cher Entwicklung und entsprechender verfügt zum Beispiel die GSW über gro- Wohnung und Jahr. Einkommenssteigerungen keine Not- ße zusammenhängende Entwicklungs- wendigkeit für eine dauerhafte Sozial- flächen, die auch Eingang in den Stadt- In den Jahren bis 2017 wird der Aufwand bindung bestünde. entwicklungsplan Wohnen des Senats aus dem Landeshaushalt jährlich um In der Doppelfunktion des auf be- gefunden haben. zirka 50 Millionen Euro sinken, was im stimmte Teile der Bevölkerung zielenden Wesentlichen dem Herausfall weiterer Versorgungsauftrags und der konjunk- Wohnungsbestände (zirka ein Drittel des turpolitischen Funktion des sozialen 4. Der soziale Wohnungsbau heutigen Bestandes) aus dem sozialen Wohnungsbaus besteht ein gesetzlich fi- der Vergangenheit Wohnungsbau geschuldet ist. xierter, systemimmanenter Widerspruch. Die Fördernehmereigenschaft wird Nach Angaben des Senats wurden in Parallel dazu bewegen sich die kalkula- dem Hersteller der Wohnungen zuge- Berlin Ende 2012 noch 146.561 Woh- torischen Einnahmen aus dem Rückfluss wiesen; der eigentliche Adressat, das nungen dem sozialen Wohnungsbau in von früheren Mitteln aus der sozialen Zielsubjekt des sozialen Wohnungsbaus seinen verschiedenen Förderformen Wohnraumförderung jährlich in drei- – nämlich der Teil der Bevölkerung, der 16 Kommunaler Wohnungsbau –
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