Haspa BörsenAnalyse Kapitalmarkt 2021 - Nachhaltig in die neue Normalität - Haspa-Kapitalmarkt
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Haspa BörsenAnalyse AKTUELLE BERICHTE UND ANALYSEN Kapitalmarkt 2021 Nachhaltig in die neue Normalität
Nachhaltig in die neue Normalität Präambel Nachhaltig in die neue Normalität Die bislang theoretische Chance einer Normalisierung erscheint kaum mehr realistisch: Eine wieder einge- Der Blick in die Zukunft wird, wie könnte es auch anders schränkte Liquidität mit spürbar schlechteren Finan- sein, ganz entscheidend von der Gegenwart geprägt. zierungsbedingungen hätte kaum absehbare Folgen Daraus resultiert häufig eine viel zu starke Gewichtung für die Staaten der Euro-Zone, den Unternehmenssek- der jeweiligen aktuellen Faktenlage und gerade bei tor und natürlich auch die Vermögenspreise. Nur nach- größeren Umbrüchen verlieren wir uns zu stark in haltig überschießende Inflationsraten im mittleren ein- Details und häufig genug nicht in dem Erkennen der stelligen Bereich - die allerdings derzeit nicht vorstell- grundsätzlichen Zusammenhänge. Die Digitalisierung bar sind - könnten dem entgegenstehen. mag dafür ein passendes Beispiel sein. Heute stehen wir vor der Herausforderung, dass zwei herausragende Das Abdecken des für Stabilität und Sicherheit stehen- Ereignisse das gesellschaftliche und ökonomische den Anteils in der Vermögensstruktur wird somit zu- Leben, wie wir es bislang kennen, massiv infrage stel- nehmend anspruchsvoller. Oder um es noch deutlicher len und verändern werden. Zum einen sind dies die zu sagen: Höchste Sicherheit und Liquidität in seiner Pandemie sowie zum anderen der ressourcenscho- reinen Form wird Geld kosten. Aber es gibt Alternati- nende Umgang mit unserer Umwelt und die Verantwor- ven. Vertretbare Abstriche in der Bonität des Schuld- tung für ein nachhaltiges Handeln. ners unter anderem im Bereich von Unternehmens- und Schwellenländeranleihen können hier bei einer gu- Wir können heute noch nicht sagen, wann und in wel- ten Streuung und aktiver Bewirtschaftung eine gute chem Umfang wir die Pandemie unter medizinischen Option sein. Auch die Berücksichtigung von Immobi- Aspekten als besiegt bzw. unter Kontrolle bezeichnen lien und Immobilienfonds sollte zu der angestrebten können. Natürlich ist die Hoffnung groß, dass die Ver- Stabilität beitragen, wenngleich der Immobilienmarkt, fügbarkeit von Impfstoffen die ersehnte Wendung her- entsprechend der unterschiedlichen Segmente und beiführt. Belastbar ist dieser Wunsch allerdings noch Nutzungsarten, eine Anpassung durch die Pandemie nicht, da Erfahrungen aus der Vergangenheit schlicht- erfahren wird. weg nicht vorhanden sind. Alleine dies führt zu dem Umstand, dass die hier unterlegten Annahmen insbe- Die wohl für die nächsten Jahre stärkste Kraft geht ein- sondere für das Jahr 2021 einer größeren Unsicherheit deutig von der Transformation in ein grünes und nach- unterliegen und wir in diesem Jahr mit einem zweiten haltiges Wirtschaften und Leben aus. Es ist bezeich- Szenario arbeiten, welches wir allerdings mit einer ge- nend, dass mitten in der Pandemie das Erreichen der ringeren Eintrittswahrscheinlichkeit versehen. Diese Klimaziele nicht gestrichen, sondern aufrechterhalten kurzfristige Unschärfe in der Prognose sollte den kla- und durch den New Green Deal unterstützt wird. Es ist ren Blick für die Zeit nach Corona nicht einschränken, auch so, dass die Aussagen der Unternehmenslenker da sich viele durch das Virus bedingte Veränderungen bislang doch nur bessere Lippenbekenntnisse waren bereits etabliert haben und die neue Normalität prä- und messbare Veränderungen häufig nicht folgten. gen. Die Veränderungen sind dabei äußerst vielfältig, Hier hat der Wandel nachweisbar Einzug gehalten. teilweise massiv und werden neben der Vermögensan- Ganz wichtig erscheint dabei, dass der ökologische lage auch - und das ist wiederum anders als in früheren Umbau nur zusammen mit der Ökonomie funktionieren Krisen - das Leben als solches neu justieren. Angefan- kann. Dies zeigen dann auch eindrucksvoll Renditever- gen von der Art und Weise, wie wir arbeiten, wo und wie gleiche zwischen herkömmlichen Indizes und deren wir zukünftig wohnen und einkaufen werden bis hin zu Pendants auf nachhaltiger Basis. Nicht zwangsläufig dem für den Anleger wohl wichtigstem Punkt: Der so- muss dieser Zusammenhang für immer und alle Anla- genannte risikofreie Zins ist negativ und dürfte für ei- gen gültig sein. Fakt ist jedoch, dass die Kapitalströme nen längeren Zeitraum negativ bleiben. Somit kostet insbesondere in Europa vermehrt in nachhaltige Kapi- das Halten von Liquidität und Anleihen guter Bonität talanlagen fließen. Vor diesem Hintergrund ergeben schlichtweg Geld. Auch wenn wir dieses eigentlich sich in der Vermögensanlage zahlreiche Chancen und nicht zu erklärende Phänomen schon vor Corona ken- vielleicht auch Notwendigkeiten, durch die Berücksich- nengelernt haben, ist aufgrund der immensen Schul- tigung dieses Megatrends, die Vermögensstruktur neu denaufnahme durch die Staaten in Verbindung mit den zu justieren und nachhaltig in der neuen Normalität an- enormen zusätzlichen Liquiditätssalven der Notenban- zukommen. ken der Weg für die nächsten Jahre vorgezeichnet. 2
Nachhaltig in die neue Normalität Zusammenfassung der Prognosen Weltwirtschaft erholt sich 2021: Es wird zinsloser, Liquidität kostet. BIP Welt +4,5 %, Die negativen Zinsen bei Einlagen und Bundes- BIP Euro-Zone +3,5 %, anleihen dürften für eine lange Zeit manifestiert BIP Deutschland +3,5 %, bleiben. BIP USA +3,5 %, BIP China +8,0 %. Im Segment Anleihen favorisieren wir Fonds internationaler Emittenten mit einem aktiven Inflationsraten in Deutschland und Euro-Zone Management, Schwellenländeranleihen, um 1,0 %, in den USA um 2,0 %. nachhaltige Anleihen (Green Bonds) und USA: Keine US-Leitzinsänderung Fremdwährungsanleihen. Federal Funds Rate Ende 2021: 0,00 % - 0,25 %. Es wird grüner, Kapital wird in nachhaltige Euro-Zone: Keine Leitzinsänderung, Anlagen gelenkt. Einlagesatz („Strafzins“) bei minus 0,50 %, Bei möglichen Alternativen favorisieren wir die Hauptrefinanzierungssatz bei 0,00 %. nachhaltige Variante. US-Dollar unter Druck, der Euro klettert in den Es wird asiatischer, Wachstum und zunehmend Bereich um 1,25 USD. auch Technologie kommen aus Asien, wir enga- Der Ölpreis (Nordseeöl Brent) pendelt zwischen gieren uns in Fonds aus Japan und Asien. 45 USD und 50 USD pro Barrel. Die Rendite der 10-jährigen Bundesanleihe Prognoserisiken, abwärts bleibt negativ, Ende 2021 bei minus 0,50 %. Impfstoffe enttäuschen, Infektionswellen mit Die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihe nicht abnehmender Amplitude, Stimmungsum- bleibt niedrig, Ende 2021 bei 1,00 %. schwung bei Investoren und Konsumenten, Flankiert von den optimistischeren konjunkturel- nur relativ schwache Konjunkturerholung. len Prognosen sollten die Unternehmensgewinne Handelskonflikt USA - China verschärft sich, rund um den Globus in 2021 kräftig anziehen. Welthandel schwächt sich wieder ab. Ausweitung der Bewertungsmultiplikatoren an- Kartellverfahren wegen marktbeherrschender gesichts der ungebrochenen Liquiditäts- Stellung gegen US-Technologiekonzerne. schwemme realistisch. Insolvenzwelle fällt nach Moratorium stärker aus. Der DAX bewegt sich in einer Bandbreite von 11.500 bis 15.000 Punkten; zum Jahresende: Frühzeitigere Diskussionen über reduzierte DAX 14.000 Punkte, Euro Stoxx 50 3.600 Zähler. Anleihekäufe der Notenbanken. Anlagestrategie „Nachhaltig in die neue Normalität“. Prognoserisiko, aufwärts In einer zinslosen Welt bleibt die Aktie ein strate- Hohe Sparquote entlädt sich in einem gischer Depotbestandteil. Konsumboom. Bevorzugte Aktiensektoren zum Jahresstart: Höheres Trendwachstum durch grüne Pharma, Telekommunikation und Investitionen. Versicherungen. Ausgedehnte Inflationierung der Bei erfolgreicher Pandemiebekämpfung und Vermögenswerte. trittfassender Konjunktur Käufe von konjunktur- sensiblen Aktien. Reduzierung der Strafzölle. Aktienthemen 2021: Nachhaltigkeit, Ökologie, Impfstoffe gegen COVID-19 werden durch Biotechnologie, Medizintechnik, Technologie, wirksame Medikamente ergänzt. Megatrends. 3
Nachhaltig in die neue Normalität Inhaltsverzeichnis Seite Präambel 2 Zusammenfassung der Prognosen 3 Volkswirtschaftliches Umfeld 5 Die Pandemie 5 Szenarien 6 Post-Corona 7 Konjunktur 9 Inflationsraten 11 Notenbanken 12 Währungen 14 Digitale Währungen 15 Erdöl 16 Gold 17 Die grüne Dekade 18 Kapitalmärkte 2021 21 Rückblick 21 Anleihemarkt 22 Aktienmarkt 25 Anlagestrategie 2021 28 Nachhaltig in die neue Normalität 28 Nachhaltige Anlagen auf der Überholspur 32 Liquidität kostet was 33 Asien im Aufschwung 34 Branchenüberblick 35 4
Volkswirtschaftliches Umfeld Nachhaltig in die neue Normalität Die Pandemie Als am Jahresende 2019 erste Meldungen aus China einem neuerlichen Lockdown über. Industrie, Hand- über eine neuartige Atemwegserkrankung namens werk und große Teile des Dienstleistungssektors wa- COVID-19 (Corona) kamen, hielt sich die weltweite Be- ren nicht oder nur eingeschränkt betroffen. sorgnis noch in Grenzen. Von einer Epidemie in China war die Rede. Erst als auch in anderen Ländern Asiens, den USA und Europa vermehrt Infektionen festgestellt wurden, wandelte sich das Bild. Mitte März erklärte die Weltgesundheitsorganisation WHO das sich rasant be- schleunigende Infektionsgeschehen schließlich zur Pandemie. Im November 2020 gelang erstmals die Entwicklung von Impfstoffen, die einen hohen Schutz vor dem COVID-19-Virus versprechen. Die zuerst präsentierten synthetischen Vakzine lassen sich zwar schnell und in sehr großen Mengen produzieren. Sie bereiten aller- dings größere logistische Probleme, da sie bei sehr niedrigen Temperaturen transportiert und gelagert In zahlreichen Ländern wurden daraufhin massive Ein- werden müssen. schränkungen des öffentlichen Lebens und des priva- Mittlerweile wurden weitere erfolgversprechende ten Bereichs beschlossen. Ab März gingen viele Länder Impfstoffe vorgestellt. Einige von ihnen kommen auch Europas in einen mehrwöchigen Lockdown. Die zeit- ohne eine extreme Kühlung aus und sind damit we- weise Schließung der Grenzen führte zur Unterbre- sentlich anwenderfreundlicher. chung von Lieferketten. Die Volkswirtschaften ver- zeichneten den heftigsten Wachstumseinbruch seit Unmittelbar nach Vollendung der klinischen Impfstoff- der Depression Ende der 20er Jahre des vergangenen prüfungen wurde im gesamten Bundesgebiet die Ein- Jahrhunderts. richtung von Impfzentren vorangetrieben. In ihnen sol- len die ersten Vakzine zum Jahresbeginn zum Einsatz kommen. Da pro Tag jedoch nur eine begrenzte Zahl an Men- schen geimpft werden kann, wird es bis weit in das neue Jahr dauern, bis eine sogenannte „Herdenimmu- nität“ erreichbar ist. Selbst wenn die Impftätigkeit also zügig vorankommt, bleibt fraglich, ob bis Ende des Jah- res 2021 ein flächendeckender Schutz der Bevölkerung sichergestellt werden kann. Im Sommer flachte das Infektionsgeschehen deutlich ab, zahlreiche Beschränkungen wurden zurückgenom- men. Die Konjunktur setzte in allen Ländern zu einer beispiellosen Aufholjagd an. Als jedoch im Herbst die zweite Welle der Pandemie über Europa und Amerika hereinbrach, gingen zahlreiche europäische Länder zu 5
Volkswirtschaftliches Umfeld Nachhaltig in die neue Normalität Wie geht es weiter im Basisszenario? Wie geht es weiter im Alternativszenario? Der Einsatz von Impfstoffen kommt rasch voran. Das Der Einsatz von Impfstoffen gestaltet sich schwieriger Vertrauen in die neuen Vakzine nimmt stetig zu, da als erwartet. Das Impfgeschehen kommt nur langsam keine gravierenden Nebenwirkungen festgestellt wer- voran. Zudem treten Nebenwirkungen auf, die das Ver- den. Im Laufe des Jahres werden immer größere Teile trauen in die neuen Vakzine untergraben. der Bevölkerung vor dem Virus geschützt. Auch andere Hilfsmittel wie Schnelltests erweisen sich Auch andere Hilfsmittel wie Schnelltests kommen ver- als nur bedingt tauglich. An den Beschränkungen des stärkt zum Einsatz, so dass die Beschränkungen des sozialen Konsums wird länger als erwartet festgehal- sozialen Konsums teilweise aufgehoben werden kön- ten. Gaststätten, Hotels und Kinos werden nur zeit- nen. Gaststätten, Hotels und Kinos öffnen wieder. Flug- weise wieder geöffnet. Der Flugverkehr entwickelt sich linien nehmen ihre Aktivitäten wieder auf, bleiben wesentlich langsamer als erwartet. jedoch weit unter den Umsätzen vor der Pandemie. Das Wirtschaftsgeschehen bleibt auch zu Jahresbe- Trotz Impfstoffen und Schnelltests ist auch im neuen ginn stark beeinträchtigt. Das Bruttoinlandsprodukt Jahr mit weiteren Corona-Wellen zu rechnen. Sie haben (BIP) schrumpft im Schlussquartal 2020 und stagniert angesichts der vorhandenen Gegenmittel allerdings zu Jahresbeginn 2021. Damit steigt die Wachstums- eine abnehmende Amplitude, d. h., die Wellen werden rate in 2021 bestenfalls um 2 Prozent. kleiner. Angesichts der sich deutlich schwächer entwickelnden Beim Auftreten neuerlicher Corona-Ausbrüche sind in Konjunktur kommt der Ölpreis erneut unter Druck. Die Europa und auch in den USA zeitlich begrenzte Lock- Inflationsrate erhält nicht den erwarteten Auftrieb von downs zu erwarten. In Asien sind sie nur in geringerem den Energiepreisen und verharrt 2021 bei etwa Umfang erforderlich. 0,5 Prozent. Im Unterschied zum Frühjahr 2020 werden die Grenzen Notenbanken und Regierungen sehen sich gezwun- auch bei neuerlichen Lockdowns offengehalten, so gen, noch stärker gegenzusteuern. Zusätzliche liquide dass der Handel und die Produktion nicht zum Erliegen Mittel werden bereitgestellt, weitere staatliche Kon- kommen. junkturprogramme beschlossen. Angesichts der sich abzeichnenden kräftigen konjunk- Sie haben jedoch nicht den gewünschten Erfolg, da bei turellen Erholung bewegt sich der Ölpreis zwischen 45 Verbrauchern und Investoren ein Stimmungsum- und 50 US-Dollar pro Barrel Nordseeöl. Die Inflations- schwung einsetzt. Größere Anschaffungen im privaten raten erhalten im Frühjahr einen zusätzlichen Impuls Bereich werden verschoben, die Sparquote steigt wie- von den Energiepreisen und liegen im Jahresdurch- der deutlich. Unternehmen kürzen, verschieben oder schnitt 2021 bei 1 Prozent. streichen ihre geplanten Investitionen, stellen weniger ein und / oder beginnen mit Entlassungen. Die gesamt- Das Wirtschaftsgeschehen wird im Jahresverlauf 2021 wirtschaftliche Nachfrage wird gedämpft und der er- immer weniger von der Pandemie behindert. Ab 2022 hoffte kräftige konjunkturelle Aufschwung kommt beginnt eine zunehmende Normalisierung in Form ab- nicht zustande. Die Aktienmärkte geraten unter Druck. nehmender Quartalswachstumsraten. Fazit Alternativszenario: Fazit Basisszenario: Die Pandemie bleibt allgegenwärtig. Enttäuschte Kon- Die Pandemie wird uns auch im neuen Jahr wirtschaft- sumenten und Investoren verhindern mit ihrem Ausga- lich und sozial zusetzen. In unserem Basisszenario ge- beverhalten das Einsetzen einer ausgeprägten kon- hen wir allerdings davon aus, dass das Infektionsge- junkturellen Erholung. Der „japanische Weg“ wird in schehen im Laufe des Jahres 2021 langsam unter Kon- Deutschland früher beschritten als erwartet. „Wenig trolle gebracht wird und sich die epidemiologische Wachstum, wenig Inflation und wenig Zinsen“ werden Lage entspannt. Damit sollte sich die Konjunktur ab bereits 2021 Realität. 2022 wieder in ruhigeren Bahnen bewegen. 6
Volkswirtschaftliches Umfeld Nachhaltig in die neue Normalität Die Post-Corona-Ära Die Pandemie deckte die Schwachstellen der moder- In der „Post-Corona-Ära“, also nach Auslaufen der nen Art des Wirtschaftens schonungslos auf. Der im staatlichen und monetären Hilfsmaßnahmen, dürfte Frühjahr 2020 verfügte Lockdown eng vernetzter der globale Warenaustausch eher moderat expandie- Volkswirtschaften hat die auf Kostenminimierung und ren und die frühere Dynamik nicht wieder erreichen. zeitliche Effizienz getrimmten globalen Lieferketten Konjunktur flacht ab. Nach dem Abklingen der Son- vorübergehend schwer gestört. Die Weltwirtschaft ver- derprogramme dürfte die konjunkturelle Entwicklung zeichnete 2020 einen beispiellosen Einbruch. Noten- in Deutschland rasch wieder verhaltener werden. Die banken und Regierungen legten umfangreiche Ret- De-Globalisierung verringert das Exportwachstum. tungsprogramme auf. Darüber hinaus wurden die heu- Eine alternde und tendenziell schrumpfende Bevölke- tigen Formen der Produktion und des Konsums hinter- rung konsumiert und investiert weniger. Die Wachs- fragt. Wie könnte die „Post-Corona-Ära“ aussehen? tumsraten des BIP werden sich nach unserer Einschät- Welthandel schwächt sich ab. Der von den USA ange- zung im Bereich des Potenzialpfades einpendeln, der zettelte Handelsstreit mit China und der Europäischen sich auf etwa 1 Prozent abflachen wird. Deutschland Union (EU) führte zu neuen Zöllen und nichttarifären dürfte in der nun beginnenden Dekade der 20er Jahre Handelshemmnissen. Der bereits vor Jahren einset- den „japanischen Weg“ beschreiten. Dieser kennt zende Trend zur De-Globalisierung wurde verstärkt keine größeren konjunkturellen Ausschläge mehr, son- und schwächt den Welthandel. In vielen Ländern wird dern ist durch „wenig Wachstum, wenig Inflation und darüber nachgedacht, bestimmte ins Ausland ausgela- wenig Zinsen“ gekennzeichnet. gerte Produktionen wieder heimzuholen. Staatseinfluss nimmt zu. In den 80er Jahren setzten sich in den großen Volkswirtschaften die Ideen des Neo-Liberalismus durch. Im Zuge umfangreicher Dere- gulierungen wurde den Marktkräften Vorrang einge- räumt und der Einfluss des Staates zurückgedrängt. Als die Finanzmarktkrise 2008 den Glauben an die Selbst- heilungskräfte des Marktes erschütterte, nahmen die Staaten wieder das Heft in die Hand. Massive finanzi- elle Hilfsprogramme und strenge Regulierungen des Finanzsektors waren die Folge. Bei der Bekämpfung der Folgen der aktuellen Corona- Pandemie spielen die Staaten neben den Notenbanken die Hauptrolle. Mit umfangreichen finanziellen Hilfs- In der Hochzeit der Globalisierung in den 90er Jahren programmen für Unternehmen und private Haushalte wuchs der Welthandel deutlich schneller als das glo- soll die Krise überwunden werden. Dabei ist die bale Bruttoinlandsprodukt. Im Corona-Jahr 2020 Vergabe staatlicher Finanzhilfen mit einem wachsen- dürfte er um mehr als 10 Prozent geschrumpft sein, den Einfluss der Regierungen verbunden. Alles in allem 2021 soll er gemäß IWF um gut 8 Prozent wachsen. dürfte der Einfluss der Staaten in der Post-Corona-Ära voraussichtlich deutlich zunehmen. Staatsschulden steigen. Durch weltweite Konjunktur- programme von rd. 12 Bill. US-Dollar wird die globale staatliche Verschuldung auf etwa 50 Bill. US-Dollar steigen. Um die Kredite zu tilgen, könnten nach der Krise Steuern oder Abgaben erhöht werden. Beide Maßnahmen wirken restriktiv, beschneiden die Kauf- kraft und dürften eine erneute Konjunkturschwäche auslösen. Es ist daher kaum anzunehmen, dass die Staatsschulden in absehbarer Zeit in nennenswertem Umfang zurückgeführt werden. Wahrscheinlicher ist die Anwendung der „Strategie des Hinauswachsens“. 7
Volkswirtschaftliches Umfeld Nachhaltig in die neue Normalität Aus den Schulden wachsen. Staatsschuldenquoten britanniens für etwa 7 Bill. US-Dollar Anleihen erwor- werden berechnet, indem die Summe öffentlicher ben haben. Damit verhindern sie einen Renditeanstieg, Schulden in Relation zum nominalen Bruttoinlandspro- der ansonsten manchen Staaten die Schuldentragfä- dukt gesetzt wird. So steigen die Quoten 2020 alleine higkeit nehmen würde. schon durch den konjunkturellen Einbruch. Der Anstieg Selbst eine direkte Staatsfinanzierung ist in manchen vergrößerte sich noch durch die Aufnahme zusätzlicher Ländern nicht mehr tabu. So weitete die Bank of Eng- Schulden. In Deutschland dürfte die Staatsschulden- land den Überziehungskredit der britischen Regierung quote 2021 auf über 70 Prozent des BIP steigen. für die Bekämpfung der Corona-Krise in ungenannter Höhe aus. Künftig dürfte es häufiger zu einer Arbeitsteilung zwi- schen Regierungen und Notenbanken kommen: Die Regierungen finanzieren ihre Ausgabenprogramme durch die Begebung von Anleihen. Anschließend wan- dern die Anleihen, die nicht am Markt unterzubringen sind, in die Portfolios der großen Notenbanken. Das Funktionieren dieser Strategie setzt allerdings vo- raus, dass das Vertrauen der Bevölkerung in das Finanzsystem erhalten bleibt. Finanzielle Repression. Sollten Anleihekäufe der No- Bei der Strategie des Hinauswachsens muss die tenbanken nicht mehr möglich sein, weil Gerichte sie Summe der Schulden (im Zähler) langsamer wachsen unterbinden, kann zum Mittel der „finanziellen Repres- als das nominale BIP (im Nenner). Auf diese Weise ver- sion“ gegriffen werden. In diesem Fall sorgt der Gesetz- ringert sich die Quote von Jahr zu Jahr. Der Prozess geber mit gezielten Anreizen dafür, dass die Staatsan- kann beschleunigt werden, wenn es gelingt, die Inflati- leihen ihren Weg zu privaten und institutionellen Anle- onsrate zu erhöhen. In diesem Fall wächst das nomi- gern finden. Eine Möglichkeit besteht beispielsweise nale BIP (= reales BIP-Wachstum plus Inflationsrate) im darin, Erträge nichtstaatlicher Anleihen mit einer Son- Nenner stärker und die Quote verringert sich schneller. dersteuer zu versehen. Zudem könnten Kapitalsam- Die Staatsschuldenquoten schmelzen im Laufe der Zeit melstellen verpflichtet werden, einen bestimmten Teil ab, bis sie wieder als „erträglich“ empfunden werden. ihrer Anlagemittel in Staatsanleihen zu investieren. Bei angenommenen Wachstums- und Inflationsraten Europäische Gemeinschaftsanleihen. Eurobonds wä- von jährlich jeweils 1 Prozent würde sich die deutsche ren europäische Gemeinschaftsanleihen mit gesamt- Staatsschuldenquote von 72 Prozent in 2021 auf schuldnerischer Haftung. Jeder Schuldner haftet für 60 Prozent in 2030 verringern. Voraussetzung: Ab die gesamte Anleihe. Der Gläubiger kann sich aussu- 2022 bleiben die Schulden bei 2.400 Mrd. EUR. chen, von welchem Schuldner er die Rückzahlung for- Geldpolitik und Fiskalpolitik nähern sich. Die Zeiten, dert. Das dürfte meist der potenteste Schuldner sein. in denen die Regierungen mit fiskalischen Maßnahmen Vor diesem Hintergrund lehnt die Bundesregierung die für eine Verstetigung der konjunkturellen Entwicklung Einführung von Eurobonds kategorisch ab. „Haftung und die Notenbanken für die erforderliche Preisni- und Kontrolle“ gehören zusammen, heißt es. veaustabilität sorgten, sind vorüber. Zur Finanzierung des Wiederaufbaufonds der Europäi- Künftig dürften Regierungen und Notenbanken enger schen Union (EU) werden allerdings gemeinsame euro- zusammenarbeiten, so dass die Grenzen zwischen päische Anleihen begeben. Sie sind jedoch nur mit ei- Geldpolitik und Fiskalpolitik weiter verschwimmen. ner begrenzten Gemeinschaftshaftung ausgestattet. Jedes Land haftet lediglich bis zum eigenen Anteil am Staatsschulden an die Notenbanken. Zur Abfederung Haushalt der Europäischen Union. Für Deutschland der Folgen der Pandemie begeben die Regierungen sind dies 24 Prozent. Sollte sich die begrenzte Gemein- Anleihen im Volumen von mehreren Billionen US-Dol- schaftshaftung auch bei anderen europäischen Finan- lar und Euro. Die großen Zentralbanken stehen bereit, zierungsrunden durchsetzen, könnte ein neues Markt- diese Anleihen aufzukaufen. Alleine im Jahr 2020 dürf- segment der Euro-Anleihen entstehen. ten die Notenbanken der USA, der Euro-Zone und Groß- 8
Volkswirtschaftliches Umfeld Nachhaltig in die neue Normalität Konjunktur: Das Wachstum kehrt zurück Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht davon Wachstumsraten ist eine solide Basis für Chinas Strate- aus, dass das globale Bruttoinlandsprodukt 2020 um gie, die USA als Weltmacht Nummer Eins abzulösen. 4,4 Prozent schrumpft und 2021 um 5,2 Prozent Die USA haben sich ebenfalls zügig vom Corona-Ein- wächst. Unsere Erwartungen für 2021 sind mit 4,5 Pro- bruch erholt und werden 2020 voraussichtlich einen zent etwas verhaltener. Die Industrieländer verzeich- BIP-Rückgang von 3,5 Prozent verzeichnen. nen gemäß IWF stärkere Einbrüche und geringere Zu- wächse als die Schwellenländer. Letztere schrumpfen 2020 weniger und wachsen 2021 kräftiger. Ursächlich für diese Einschätzung ist die besondere Entwicklung in China, denn das Land wird vom IWF den Schwellen- ländern zugeordnet. Die konjunkturelle Entwicklung im neuen Jahr wird maßgeblich davon abhängen, wie ausgeprägt die Erho- lung am Arbeitsmarkt ist. Während der Pandemie gin- gen gut 22 Mio. Arbeitsplätze verloren, von denen bis- her knapp 60 Prozent wiederbesetzt wurden. Die neue Regierung und die Notenbank werden alles daranset- China verzeichnete den konjunkturellen Einbruch be- zen, möglichst rasch zur Vollbeschäftigung zurückzu- reits im 1. Quartal 2020 und setzte im Frühjahr zu einer kehren. Denn ein florierender Arbeitsmarkt stärkt das beispiellosen Aufholjagd an. Begleitet von überdurch- zuletzt schwer angeschlagene Verbrauchervertrauen schnittlichen Erfolgen im Außenhandel konnte der und erhöht die Konsumneigung. Stark wachsende Kon- Corona-bedingte Wachstumsverlust bereits im sumausgaben sind schließlich die Grundvorausset- 3. Quartal kompensiert werden. zung für einen Aufschwung in den USA, denn mehr als 70 Prozent des amerikanischen BIP werden über den privaten Verbrauch generiert. Die im Wahlkampf hochfliegenden Hoffnungen auf ein weiteres umfangreiches staatliches Konjunkturpaket wurden mittlerweile gedämpft. Die sich abzeichnenden Mehrheitsverhältnisse im Kongress deuten eher auf ein schmaleres Fiskalprogramm hin. Der Handelsstreit mit China dürfte sich auch unter der neuen Regierung fortsetzen. Vor diesem Hintergrund rechnen wir in den USA im neuen Jahr mit einem Zu- wachs des BIP von 3,5 Prozent. Etwa ein Drittel davon Im Gesamtjahr 2020 wird China voraussichtlich die ein- beruht auf dem statistischen Überhang aus 2020. zige größere Volkswirtschaft sein, die mit knapp 2 Pro- Deutschland ist bislang besser durch die Pandemie zent eine positive Wachstumsrate des BIP aufweist. Im gekommen als die großen Nachbarländer. Wegen des neuen Jahr dürfte der Zuwachs sogar die Marke von im November begonnenen Lockdowns dürfte das Brut- 8 Prozent erreichen. Mehr als die Hälfte davon basiert toinlandsprodukt im Schlussquartal allerdings wieder allerdings auf einem statistischen Überhang aus dem schrumpfen. Alles in allem rechnen wir im Corona-Jahr Vorjahr. Die Rückkehr zu überdurchschnittlichen 2020 mit einem Rückgang des BIP um 5,5 Prozent. 9
Volkswirtschaftliches Umfeld Nachhaltig in die neue Normalität Auch in Deutschland spielt der private Verbrauch eine Die Euro-Zone wird geprägt von den vier großen Volks- herausragende Rolle. Im Zuge der Lockdowns und um- wirtschaften Deutschland, Frankreich, Italien und Spa- fangreicher Reisebeschränkungen gab es nur einge- nien. Diese vier Länder stehen für rund 75 Prozent des schränkte Möglichkeiten zur Tätigung von Konsumaus- Euro-BIP. Mit Ausnahme Deutschlands wurden sie gaben. Dies führte im Sommer zu einer Verdoppelung überproportional von der Pandemie getroffen. Wäh- der Sparquote auf gut 20 Prozent des verfügbaren Ein- rend sich in Frankreich und Italien für 2020 BIP-Einbrü- kommens. Im Herbst waren es noch gut 13 Prozent, che im hohen einstelligen Prozentbereich abzeichnen, normal sind Werte um 10 Prozent. Sollte die Konsum- wird die Wirtschaftsleistung des besonders stark vom freude angesichts abnehmender Infektionssorgen im Tourismus geprägten Spanien voraussichtlich sogar neuen Jahr wieder deutlich zunehmen, liegt hier für um 12 Prozent schrumpfen. 2021 ein beachtliches Potenzial für eine höhere ge- Die Hoffnungen der Euro-Länder ruhen im neuen Jahr samtwirtschaftliche Nachfrage. Die überdurchschnittli- auf zwei Säulen. Neben dem erfolgreichen Einsatz von che Sparquote ist daher ein „Aufwärtsrisiko“ für unsere Impfstoffen ist es der von der Europäischen Union auf- Konjunkturprognose. gelegte Wiederaufbaufonds. Er hat ein Volumen von Positive Signale kommen vor allem aus der Industrie, 750 Mrd. EUR, von denen 390 Mrd. EUR als nicht rück- aber auch aus der Bauwirtschaft. Während das verar- zahlbare Zuschüsse und 360 Mrd. EUR als rückzahlbare beitende Gewerbe die Rezession hinter sich gelassen Kredite fließen sollen. hat, wurde die Bautätigkeit von der Pandemie kaum gebremst. Niedrige Zinsen und die anhaltende Wohn- raumknappheit dürften auch weiterhin für eine gute Auslastung im Wohnungsbausektor sorgen. Für die Mittelmeerländer ist zudem der erfolgreiche Einsatz von Impfstoffen von besonderer Bedeutung, um die dringend benötigte Erholung im Tourismussek- tor zu ermöglichen. In der Annahme, dass die wirt- Die konjunkturellen Frühindikatoren sandten zuletzt schaftliche Entwicklung im Laufe des Jahres immer we- eher gemischte Signale. Während die industriellen Ein- niger von der Corona-Pandemie behindert wird, rech- kaufsmanagerindizes weit oberhalb der Wachstums- nen wir in den Ländern der Euro-Zone im neuen Jahr schwelle verharrten, trübte sich die Stimmung im mit einem überproportionalen Aufschwung. In der Dienstleistungssektor massiv ein. Eine nachhaltige Euro-Zone insgesamt dürfte das BIP 2021 um 3,5 Pro- Verbesserung ist erst zu erwarten, wenn der Schutz der zent wachsen. Bevölkerung vor dem Virus deutlich ausgeweitet wird, Wachstumsraten auf einen Blick (in %) so dass die Beschränkungen in den Branchen des sozi- Land, Region 2020 2021 alen Konsums gelockert oder aufgehoben werden kön- Welt -3,5 4,5 nen. USA -3,5 3,5 China 2,0 8,0 In unserem Basisszenario rechnen wir 2021 mit einem Japan -5,5 2,0 positiven Jahresauftakt und einer sich anschließenden Euro-Zone -7,5 3,5 Normalisierung in Form abnehmender Quartalswachs- Deutschland -5,5 3,5 tumsraten. Im Gesamtjahr 2021 erwarten wir eine Stei- Frankreich -9,0 4,0 Italien -9,0 3,5 gerung des deutschen BIP um 3,5 Prozent. Spanien -12,0 4,5 BIP in % zum Vorjahr 10
Volkswirtschaftliches Umfeld Nachhaltig in die neue Normalität Inflationsraten auch 2021 unter den Zielwerten Das primäre Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) ist die Gewährleistung der Preisniveaustabilität. Diese ist erreicht, wenn die Verbraucherpreise in der Euro- Zone um „nahe, aber unter 2 Prozent“ steigen. Der Blick auf die tatsächliche inflationäre Entwicklung der vergangenen Jahre zeigt allerdings, dass das Ziel meist verfehlt wurde. Auch für das Jahr 2020 zeichnen sich mit 0,2 Prozent in der Euro-Zone und 0,5 Prozent in Deutschland viel zu niedrige Inflationsraten ab. Ursächlich für die niedrigen Verbraucherpreise sind u. a. die Globalisierung und die fortschreitende Digita- lisierung. Während die Globalisierung jahrzehntelang Dadurch erhalten die Inflationsraten ab März einen zu- für sinkende Produktionskosten sorgte, führte die sätzlichen Schub. Dieser schwächt sich zwar im weite- Digitalisierung zu einer nie dagewesenen Preistrans- ren Jahresverlauf ab, die Niveauverschiebung beim parenz. Sie macht es Anbietern immer schwerer, hö- Preisindex wächst jedoch erst 2022 wieder heraus. here Preise am Markt durchzusetzen. Für Preisauftrieb sorgt auch die 2021 beginnende CO2- Im Corona-Jahr 2020 dämpften zudem die Energie- Bepreisung. So dürfte die Weitergabe der Kosten von preise den Preisauftrieb. Im April brachen die Ölpreise 25,00 EUR für eine Tonne Kohlendioxid die Treibstoff- im Zuge der aufkommenden Pandemie ein. US-Öl preise pro Liter um 7 bis 8 Cent verteuern. wurde kurzfristig sogar zu einem negativen Preis ge- handelt. Die stark rückläufigen Energiepreise hielten Einzug in die Verbraucherpreisindizes und ließen diese kräftig sinken. In der zweiten Jahreshälfte wiesen die Inflationsraten in Deutschland und der Euro-Zone so- gar negative Vorzeichen auf. Alles in allem rechnen wir 2021 in Deutschland und der Euro-Zone mit Inflationsraten von 1,0 Prozent. In den USA dürfte sich der Wert mit 1,7 Prozent dem Zielwert der Notenbank von 2,0 Prozent annähern, ihn aber auch 2021 nicht erreichen (2020: 1,2 %). Wie geht es weiter? An der preisdämpfenden Tendenz der Digitalisierung wird sich nichts ändern. Im Gegenteil: Die Corona-be- dingte Zunahme des Online-Handels dürfte sie noch verfestigen. Von den Energiepreisen ist dagegen im neuen Jahr ein Aufwärtsimpuls zu erwarten. In der An- nahme, dass sich der Preis für ein Barrel Nordseeöl Brent 2021 zwischen 45 und 50 US-Dollar bewegen wird, liegt der Vorjahresabstand in der Spitze bei mehr als 30 US-Dollar bzw. einem mittleren zweistelligen Prozentsatz. 11
Volkswirtschaftliches Umfeld Nachhaltig in die neue Normalität Notenbanken sponsern die Märkte Alle bedeutenden Notenbanken der Welt fluten spätes- Aber nicht nur das „kurze“ Ende - also der Geldmarkt - tens seit Ausbruch der Corona-Krise die Märkte mit wird von den Notenbanken gesteuert. Fast alle Zentral- Liquidität. Die extrem expansive Geldpolitik wurde vor banken greifen auch am “langen“ Ende des Marktes der Pandemie damit begründet, dass die viel zu tiefen ein, indem sie in großem Stil Anleihen erwerben. Inflationsraten wieder an ihre Zielwerte geführt werden Vorreiter war die Bank of Japan, die neben Staats- und sollen. Nach dem Corona-bedingten Konjunkturein- Unternehmensanleihen seit einigen Jahren auch bruch dient die Liquiditätsflut der Stärkung des Finanz- Aktien-ETFs erwirbt und auf diese Weise bei vielen bör- systems bei der Bereitstellung von Krediten. Angeneh- sennotierten Aktiengesellschaften zum bedeutenden mer Nebeneffekt: Die Zinsen bleiben extrem niedrig Aktionär geworden ist. und gewährleisten die Schuldentragfähigkeit selbst hochverschuldeter Staaten. Die Europäische Zentralbank begann 2015 im Zuge der Euro-Krise in großem Stil mit dem Erwerb von Anlei- Die Leitzinsen tendieren seit Jahrzehnten nach unten. hen. Die Käufe im Rahmen des APP-Programmes lagen Anfang der 80er Jahre lag die Federal Funds Rate in monatlich bei 20 Mrd. EUR. Im März 2020 kündigte die den USA in der Spitze bei 19,00 (!) Prozent. Der Dis- EZB als Reaktion auf die Ausbreitung des Corona-Virus kontsatz der Deutschen Bundesbank betrug damals und dessen wirtschaftliche Folgen eine vorüberge- 7,50 Prozent. Heute bewegen sich beide Sätze nahe hende Ausweitung der APP-Nettoankäufe von 120 Mrd. der Nulllinie. Der Diskontsatz wurde 1999 zunächst EUR bis zum Ende des Jahres 2020 an. Ab 2021 werden vom Basiszins und später vom Hauptrefinanzierungs- sie wieder mit 20 Mrd. EUR pro Monat fortgeführt. satz abgelöst. Im März 2020 beschloss die EZB zudem ein Pandemie- Die Leitzinsen wurden weltweit in den Bereich der Null- Notfallankaufprogramm namens PEPP. Es wurde von linie gesenkt und verloren an Bedeutung. Auch die Be- ursprünglich 750 Mrd. EUR zunächst auf 1.350 Mrd. reitstellung zusätzlicher Liquidität hat sich massiv ver- EUR aufgestockt und sollte Mitte 2021 auslaufen. Im ändert. Geschah sie früher üblicherweise im Bieterver- Dezember 2020 erfolgte eine Erhöhung auf 1.850 Mrd. fahren mit begrenzter Zuteilung (Stichwort Zinsten- EUR und eine Verlängerung bis März 2022. der), so wechselte die EZB bereits nach der Finanz- marktkrise 2008 zur Vollzuteilung mit einem festgeleg- ten Zinssatz (Stichwort Mengentender). Heute wird der Geldmarkt in der Euro-Zone hauptsäch- lich über gezielte längerfristige Refinanzierungsge- schäfte (TLTROs) gesteuert. Sie dienen dem Erhalt günstiger Kreditbedingungen. Von September 2019 bis Juni 2022 werden den Kreditinstituten vierteljähr- lich dreijährige Kreditgeschäfte zu einem attraktiven Zinssatz angeboten. Er liegt aktuell bei minus 0,50 Pro- zent und verbessert sich bei Erreichen des Kreditverga- beziels in Form einer Prämienzahlung auf minus 1,0 Prozent. 12
Volkswirtschaftliches Umfeld Nachhaltig in die neue Normalität Angesichts der Eleminierung der Leitzinsen und der Es ist anzunehmen, dass die US-Notenbank auch wei- Liquiditätsflut erodierten die Geldmarktsätze. terhin als Käufer am Anleihemarkt aktiv bleibt. Denn sollte sie sich zurückziehen, droht angesichts der stark wachsenden Staatsverschuldung in den USA ein uner- wünschter Renditeanstieg. Auch die Europäische Zentralbank wird den expansiven geldpolitischen Pfad nicht verlassen. Die Anleihekäufe sowie die diversen Kreditgeschäfte mit dem Banken- system haben die Überschussliquidität auf mehr als 3 Bill. EUR anwachsen lassen. Im Gegenzug blähten sich die Bilanzsummen der No- tenbanken enorm auf. Sollten die Renditen trotz der Anleihekäufe nennens- wert steigen, könnten die Notenbanken zur Zinskur- vensteuerung übergehen. Vorreiter ist auch hier die Bank of Japan. Sie hält den Leitzins bei minus 0,1 Pro- zent und fixiert die Rendite 10-jähriger japanischer Staatsanleihen bei 0,00 Prozent. Die Möglichkeit einer Die US-Notenbank Federal Reserve Board (Fed) ist die offenen Zinskurvensteuerung wurde bei der Fed be- bedeutendste Zentralbank der Welt. Sie senkte den reits diskutiert. Schaut man sich die Entwicklung der Leitzins auf 0,00 bis 0,25 Prozent und wird an dieser Renditen in den USA und Europa an, entsteht der Ein- Spanne festhalten, bis wieder Vollbeschäftigung druck, dass sowohl die Fed als auch die EZB bereits herrscht und die Inflationsrate dauerhaft über dem eine verdeckte Zinskurvensteuerung betreiben. Zielwert von 2 Prozent liegt. Dies dürfte kaum vor 2024 der Fall sein. Die Fed verfolgt seit Jahren eine extrem expansive Geldpolitik, bei der drei unterschiedliche In- strumente zum Einsatz kommen. Der Klassiker ist die kurzfristige Bereitstellung von Liquidität für Kreditin- stitute. Das zweite Instrument ist die direkte Vergabe liquider Mittel an Kreditnehmer und Investoren in Schlüssel-Kreditmärkten. Der dritte Weg zur Bereitstel- lung zusätzlicher Liquidität ist der Erwerb von Anleihen am Markt. Ende 2008, direkt nach dem Ausbruch der Finanzmarktkrise, begann die Fed mit ersten Käufen hypothekenbesicherter Obligationen. Bis heute halten die Käufe an. Zuletzt wurden monatlich für mindestens Fazit: Die Notenbanken werden auch weiterhin alle In- 80 Mrd. US-Dollar Anleihen gekauft. Ende November strumente einsetzen, um das Bankensystem und die 2020 hatte die US-Notenbank 4,6 Bill. USD Staatsanlei- Märkte mit ausreichend Liquidität zu versorgen. Mögli- hen und 2,05 Bill. USD hypothekenbesicherte Anleihen che Zinsauftriebskräfte sollten daher auch 2021 kaum in ihren Büchern. Die Bilanzsumme der Fed lag bei Chancen zur Entfaltung haben. Die Renditen dürften 7,2 Bill. USD. noch sehr lange sehr niedrig bleiben. 13
Volkswirtschaftliches Umfeld Nachhaltig in die neue Normalität Währungen: Euro im Aufwind Mit dem Erwerb von Fremdwährungen war im Corona- Der Wechselkurs spiegelt in den seltensten Fällen die Jahr 2020 aus Sicht von Euro-Investoren nicht viel zu tatsächliche Kaufkraft einer Währung wider. Nach verdienen. Lediglich die Schwedische Krone konnte Berechnungen des Internationalen Währungsfonds zum Euro etwas aufwerten. Während der Wechselkurs (IWF) liegt der angemessene Wechselkurs des Euro bei des Schweizer Franken marginal zulegte, konnte sich knapp 1,30 US-Dollar. Andere Berechnungen kommen der Chinesische Renminbi lediglich knapp behaupten. zu noch höheren Werten. Der Anstieg des Außenwertes des Euro ließ kaum Vor diesem Hintergrund dürfte der Euro grundsätzlich Wechselkursgewinne zu. weiter an Boden gewinnen. Eine allzu starke Aufwer- tung ist jedoch nicht im Interesse europäischer Export- eure, da sie die Ausfuhren verteuert und die preisliche Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt beeinträch- tigt. Und auch die Europäische Zentralbank (EZB) hat kein Interesse an einem zu starken Euro. Euro und US-Dollar bilden das mit Abstand bedeu- tendste Währungspaar im internationalen Handel. Während der US-Dollar angesichts massiv steigender amerikanischer Staatsschulden sowie der Haushalts- und Leistungsbilanzdefizite unter Druck gerät, profi- tiert der Euro von der „neuen Gemeinsamkeit“. Kräftige Einbußen verzeichneten die sogenannten Öl- währungen aus Mexiko und Norwegen. Aber auch der US-Dollar verlor gegenüber dem Euro rund 7 Prozent. Am schwächsten schnitten 2020 jedoch der Russische Rubel und die Türkische Lira ab. Die europäische Gemeinschaftswährung gewann seit der Implementierung des Wiederaufbaufonds im Som- mer 2020 weltweit an Ansehen und Vertrauen. Die „neue Gemeinsamkeit“ ließ die Fliehkräfte und damit verbundene Sorgen vor einem Auseinanderbrechen der Euro-Zone kleiner werden. Die erstmalige Bege- bung von Gemeinschaftsanleihen durch die EU-Kom- Vor diesem Hintergrund halten wir eine begrenzte wei- mission wurde zudem dahingehend gedeutet, die Wäh- tere Aufwertung des Euro für realistisch. Sollte er den rungsunion könne in absehbarer Zeit durch eine Fiskal- charttechnischen Widerstand bei 1,20 US-Dollar nach- union ergänzt werden. haltig überwinden, besteht weiteres Wechselkurspo- Wie geht es weiter? tenzial bis in den Bereich um 1,25 US-Dollar. Bei den Rohstoffwährungen halten sich die Erwartun- gen in Grenzen. Während der Ölpreis 2021 nur noch wenig zulegen dürfte, scheint die „China-Phantasie“ in den Wechselkursen Australiens und Neuseelands weit- gehend eingepreist zu sein. Fazit: Engagements in Fremdwährungsanleihen blei- ben in einem geringen Ausmaß auch 2021 zur Diversi- fizierung eines Portfolios geeignet. 14
Volkswirtschaftliches Umfeld Nachhaltig in die neue Normalität Digitale Währungen auf dem Vormarsch Mit dem Begriff digitale Währungen werden häufig die einer mächtigen globalen Parallelwährung heraufzie- sogenannten Kryptowährungen wie Bitcoin & Co. ver- hen, die geldpolitische Entscheidungen konterkarieren bunden. Es gibt jedoch auch andere Ausprägungen wie oder herausfordern kann. Sollten nämlich viele der der vom Internetriesen Facebook geplante Diem sowie rund 2,7 Mrd. Facebook-Nutzer einen Teil ihrer liquiden die digitalen Währungen der Notenbanken. Mittel in Diem tauschen, würde sich ein gigantisches Im Umfeld der Finanzmarktkrise 2008 entwickelte ein Portfolio Diem-hinterlegter US-Dollar ansammeln. Das gewisser Satoshi Nakamoto eine „Währung für das In- Volumen könnte so groß werden, dass es die Diem-Be- ternet“ und nannte sie Bitcoin. Im Januar 2009 wurden treiber in die Lage versetzt, Einfluss auf die Geldpolitik die ersten Bitcoin „geschürft”. 2011 folgte Litecoin, zu nehmen. 2013 Ripple und 2015 Ethereum. Mit einer Marktkapi- Zudem beschäftigen sich mehrere Notenbanken seit talisierung von gut 350 Mrd. USD und einem Marktan- Jahren mit der Schaffung eigener digitaler Währungen. teil von 62 Prozent ist der Bitcoin auch heute noch un- Führend sind hier die Schwedische Riksbank und die angefochtener Platzhirsch unter den fast 7.800 „Wäh- chinesische People‘s Bank of China. rungen“. Seine Anzahl ist auf 21 Mio. limitiert, ihre Auch die Europäische Zentralbank (EZB) arbeitet an ei- Schöpfung („Mining“) geschieht nach festgelegten nem digitalen Euro, der das Bargeld ergänzen, aber Regeln. Aktuell gibt es knapp 18,6 Mio. Bitcoin. nicht ersetzen soll. „Niemand hat die Absicht, das Bar- geld abzuschaffen“ lautet das Credo der EZB. Der E-Euro soll nach den Vorstellungen der EZB ein Zah- lungsinstrument sein und nicht mit anderen Finanzin- strumenten konkurrieren. Einem Denkmodell der EZB zufolge würde jede Privatperson und jedes Unterneh- men in der Euro-Zone ein Konto für digitales Zentral- bankgeld bei der Notenbank erhalten. Guthaben bis zu 3.000 EUR würden verzinst, Beträge darüber hinaus mit einem Strafzins versehen. Die flächendeckende Einrichtung digitaler E-Konten bei der Notenbank würde für das Bankensystem ein beachtliches Risiko darstellen, da die Rolle der Kreditinstitute als Zah- Die Geschichte des Bitcoins ist eine rasante Berg- und lungsverkehrsdienstleister gefährdet wäre. Bis Mitte Talfahrt. Dem kürzlich markierten neuen Höchststand 2021 will die EZB eine Entscheidung fällen, wie der könnte eine ausgeprägte Korrektur folgen. Möglich ist E-Euro ausgestaltet werden soll. aber auch eine Stabilisierung auf erhöhtem Niveau oder gar ein neuerlicher Höhenflug, denn der Bitcoin In China begann im Herbst 2020 ein großangelegter ist dabei, sich bei professionellen Kapitalanlegern zu Feldversuch, indem 50.000 Menschen in Shenzhen etablieren. Zunehmende Regulierungen könnten dazu jeweils umgerechnet 25,00 EUR auf ihre Smartphones führen, dass aus der einst alternativen Kryptowährung geladen bekamen. Damit konnten sie bei angeschlos- für das Internet ein „salonfähiges“ Asset für besonders senen Händlern kleinere Einkäufe tätigen. Das Pilot- risikofreudige Kapitalanleger wird. projekt wird nun auf andere Städte ausgeweitet. Soll- Der von Facebook geplante Diem (ehemals Libra) ist als ten die Tests positiv ausfallen, könnte 2021 die landes- Stablecoin konzipiert. Die Menge ausgegebener Diem weite Einführung des E-Renminbi anstehen. Er wäre wird mit der gleichen Menge etablierter Währungen geeignet, die Finanzierungsströme im Reich der Mitte hinterlegt, um die Schwankungsanfälligkeit zu verrin- noch besser zu kontrollieren. gern. War ursprünglich ein Korb aus mehreren Han- Fazit: Die Einführung digitaler Währungen scheint le- delswährungen vorgesehen, wird der Diem nun ledig- diglich eine Frage der Zeit zu sein. Aus Notenbanksicht lich mit dem US-Dollar unterfüttert. Damit ähnelt er verbessert sich dadurch vor allem die Effektivität der dem Hongkong Dollar, der seit Jahrzehnten an den US- Geldpolitik. Ob die E-Währungen letztendlich tatsäch- Dollar gekoppelt ist. Die Diem-Emission ist für Anfang lich nur eine „Ergänzung zum Bargeld“ sein werden, 2021 vorgesehen. wird sich zeigen. Notenbanken und Aufsichtsbehörden lehnen die Face- book-Währung überwiegend ab. Sie sehen die Gefahr 15
Volkswirtschaftliches Umfeld Nachhaltig in die neue Normalität Erdöl: Der Ölboom ist vorüber „Peak Oil“ bezeichnet das zeitliche Maximum der glo- Seit mehr als zwei Jahren ist zu viel Öl am Markt. Ende balen Förderung von Rohöl. Dieser Zeitpunkt wurde bis 2018 reagierte die OPEC+ mit einem Förderbegren- vor kurzem damit begründet, dass die Quellen irgend- zungsabkommen. Als OPEC+ wird die Organisation wann erschöpft sind und das Angebot sinkt. Erdöl exportierender Länder (OPEC) bezeichnet, er- gänzt um Russland, Mexiko, Kasachstan, Aserbaid- Rechnete man bisher damit, dass die globale Ölnach- schan sowie sechs weitere eher kleinere Ölförderlän- frage noch bis etwa 2035 steigt, geht der britische der. Zusammen kontrollieren sie etwa die Hälfte des Energieriese BP mittlerweile davon aus, dass der Öl- globalen Ölmarktes. boom bereits vorüber ist. Im Zuge der Corona-Krise sorgte die nachlassende Nachfrage dafür, dass die Öl- Die Förderländer drosselten ihre Produktion in mehre- förderung ihren Höhepunkt bereits überschritten hat. ren Schritten. Nach der Stabilisierung der Ölpreise sol- len die Förderkürzungen bis April 2022 sukzessive zu- Der Blick auf die Entwicklung des Ölpreises erhärtet rückgenommen werden. Dies geschieht jedoch nur in diese Einschätzung. Das Barrel Nordseeöl Brent kostet kleinen Schritten. So wird die für Januar 2021 geplante derzeit mit rund 47 US-Dollar weit weniger als die Anhebung der Fördermenge um 2 Mio. Barrel pro Tag Hälfte dessen, was zu den Hochzeiten der Jahre 2008 (bpd) auf 0,5 Mio. bpd reduziert. und 2011 gezahlt wurde. Die dramatische Lage der Ölproduzenten verdeutlicht auch die Zahl amerikanischer Ölbohrstellen (Rigs). Gab es im September 2014 noch fast 1.600 aktive Rigs, so sind es derzeit nur noch gut 220. Im Frühjahr 2020 brachen die Öl-Notierungen ein. Die rasante Ausbreitung des Corona-Virus sorgte für einen globalen Konjunkturabsturz. Die Nachfrage nach Öl im- plodierte, der Angebotsüberhang wurde immer größer. Amerikanisches WTI-Öl wurde im April kurzfristig sogar Wie geht es weiter? mit minus 40 US-Dollar gehandelt. Der sich abzeichnende Siegeszug der erneuerbaren Energien macht eine Rückkehr des Ölmarktes zu der Zeit vor Corona wenig wahrscheinlich. Erdöl dürfte als wichtigster Energierohstoff abgelöst werden. Die Öl- produktion kann allenfalls moderat steigen, ohne ei- nen neuerlichen Preiseinbruch auszulösen. Der Preis für ein Fass Nordseeöl Brent dürfte sich 2021 zwischen 45 und 50 US-Dollar bewegen. Stabile Ölpreise auf niedrigem Niveau sind aus Sicht der ölverbrauchenden Industrie- und Schwellenländer von Vorteil, da sie die Rückkehr auf den Wachstums- pfad erleichtern. Und auch aus Sicht der Notenbanken sind stabile Ölpreise zu begrüßen, da die von den Ener- Mittlerweile haben sich die Notierungen erholt, liegen giepreisen ausgehenden inflationären Impulse in die- aber immer noch unter dem Stand zu Jahresbeginn. sem Fall begrenzt sind. 16
Volkswirtschaftliches Umfeld Nachhaltig in die neue Normalität Gold glänzt etwas weniger Trotz der jüngsten Korrektur des Goldpreises dürfte Dahinter verbirgt sich der Umstand, dass der Erwerb sich die Anlage in Gold als eines der erfolgreichsten In- von (zinslosem) Gold umso interessanter ist, je gerin- vestments im Corona-Jahr 2020 erweisen. Das gelbe ger der entgangene Zinsgewinn ausfällt. Bei Renditen Metall zog zunächst unaufhaltsam an und markierte im nahe Null sind die Opportunitätskosten - also die August mit 2.070 US-Dollar pro Feinunze einen neuen Hauptkosten der Goldhaltung - weitgehend ver- historischen Höchststand. schwunden. Steigen die Inflationserwartungen, nimmt die Realverzinsung ab. So sorgen höhere Inflationsra- ten ebenfalls für steigende Goldpreise. Das korrespon- diert mit der Einschätzung, dass Gold als Schutz vor Geldentwertung erworben wird. Wie geht es weiter? Die Angebots-Nachfrage-Relation dürfte sich 2021 wieder verbessern. Im 3. Quartal 2020 war die globale Goldnachfrage mit 892 Tonnen (t) fast 20 Prozent ge- ringer als im Vorjahr. Die Schmucknachfrage brach so- gar um 29 Prozent auf 333 t ein. In China und Indien wurden 25 Prozent bzw. 48 Prozent weniger Gold- schmuck geordert. Mittlerweile hat sich zumindest in In der zweiten Jahreshälfte lief die Rallye aus. Umfang- China die Goldnachfrage wieder deutlich belebt. Die reiche Goldverkäufe einiger Notenbanken und die Pandemie ist dort weitgehend besiegt und die Wirt- schwache Nachfrage in den Hauptabnahmeländern schaft floriert wieder. China und Indien ließen den Goldpreis korrigieren. Ein erneuter Anlauf auf die 2.000-er Marke endete abrupt, Ein stabiler Faktor dürfte auch die Investmentnach- denn der Präsidentschaftswechsel in den USA und ins- frage bleiben. Sie lag im 3. Quartal mit 495 t um 21 Pro- besondere die Entdeckung eines Impfstoffes gegen zent über dem Vorjahr. Während 273 t in Gold-ETFs das Corona-Virus ließen die Verunsicherung der Markt- flossen, schnellte die Nachfrage nach Barren und Mün- teilnehmer schwinden. Belastend wirkten auch die zen sogar um 49 Prozent auf 222 t. vorübergehende Festigung des US-Dollar sowie die Die Virus-bedingte Unsicherheit wird trotz des neuen rasante Konjunkturerholung und die daraus resultie- Impfstoffs nicht aus der Welt verschwinden. Das Vor- rende neue Zuversicht der Anleger. machtstreben Chinas und die wachsende Ungleichheit Die stärkste Bremswirkung dürfte jedoch der Anstieg in der Welt dürften zudem dafür sorgen, dass politische der Realverzinsung in den USA entfaltet haben. Konflikte an der Tagesordnung bleiben. Die US-Notenbank versicherte wiederholt, dass sie die Leitzinsen erst wieder erhöht, wenn die Inflation ihren Zielwert nachhaltig überschritten hat. Gemäß ihren ei- genen Projektionen wird dies nicht vor 2024 der Fall sein. Damit dürfte die US-Rendite noch lange sehr niedrig bleiben. Die Inflationsraten liegen immer noch unter dem Zielwert der Notenbank, die Inflationserwar- tungen ziehen jedoch tendenziell an. Damit dürfte die amerikanische Realverzinsung sehr niedrig bleiben und den Goldpreis stützen. Fazit: Gold dürfte auch in der Post-Corona-Ära ein diversifizierender Faktor in der Asset Allokation blei- Seit einigen Jahren verläuft der Goldpreis nahezu spie- gelbildlich zur amerikanischen Realrendite, abgebildet ben. Angesichts der abnehmenden Verunsicherung dürfte seine Gewichtung jedoch etwas reduziert wer- als Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen abzüglich den. Wir halten Gold-Notierungen im Bereich um 2.000 der Inflationserwartungen. US-Dollar pro Feinunze weiterhin für realistisch. 17
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