Kompetenzen ... gemeinsam bündeln und "mitanand" für mehr Lebensqualität sorgen - Lebenshilfe Vorarlberg

Die Seite wird erstellt Kai-Uwe Voigt
 
WEITER LESEN
Kompetenzen ... gemeinsam bündeln und "mitanand" für mehr Lebensqualität sorgen - Lebenshilfe Vorarlberg
www.lebenshilfe-vorarlberg.at       Zeitschrift der Lebenshilfe Vorarlberg | Ausgabe 2/19

     Kompetenzen
     ... gemeinsam bündeln und „mitanand“
     für mehr Lebensqualität sorgen.
Kompetenzen ... gemeinsam bündeln und "mitanand" für mehr Lebensqualität sorgen - Lebenshilfe Vorarlberg
I feel the
                           ENERGY
                           wenn im Kopswerk II
                           die Maschinen laufen!
                                                     ik
                           Simon Manahl, Metalltechn

                                                der
                           Meine Ausbildung bei
                           illwerke vkw

                                                  SIC H
                                                JE T ERE D
                                                      Z        IR
                                                SC H T D E I N E
                                                      NUP        N
                                                     TER   P E
                                                für J    MIN R-
                                                      änne
                                                           r un
                                                                d Fe
                                                          202        brua
                                                              0           r

lehrlinge.illwerkevkw.at
Kompetenzen ... gemeinsam bündeln und "mitanand" für mehr Lebensqualität sorgen - Lebenshilfe Vorarlberg
IN DIESER AUSGABE                                                      3

THEMEN                                                        VORWORT

DAS THEMA:                                                    „Um was geht es?“
                                         SEITE

Gemeinsam Kompetenzen bündeln               4
                                                              Zum Thema Kompetenznetzwerk fiel mir das Gespräch der bei-
                                                              den Buben beim Stundenlauf ein. Mit ihren Überlegungen
                                                              „Kräfte sammeln, bündeln, nutzen, zemma si ist schö“.
                                                              „Um was geht es?“, fragt David beim Stundenlauf in Dornbirn.
                                                              Mein Enkel Christoph atmet tief durch und antwortet „mitren-
                                                              nen“. Die beiden sechs Jahre alten Buben laufen vor mir her.
                                                              Ich habe sie nach ihrem großartigen Sprint am Start endlich
                                                              eingeholt. David zeigt auf sein Nummernschild vom Stunden-
                                                              lauf und ruft „Christoph, Kraft sammeln zum Weiterrennen“.
                                                              Seine Zwillingsschwester Miriam zieht mit ihrem Papa gleich-
                                                              mäßig an uns vorbei. Jasmin im Elektro-Rolli legt sich in die

SCHREIB & KUNST WERKSTATT
                                                              Kurve und ruft beim Vorbeifahren „Hopphopp“. Alle laufen in un-
                                           15                 terschiedlichstem Tempo. Die beiden Buben starten durch in
Digitalisierung – schöne neue Welt         15                 die nächsten Runden. Nach dem Stundenlauf sitzen alle zufrie-
Ein Rückblick auf unsere Arbeit als        16                 den zusammen, teilweise außer Atem, kunterbunt, Familien mit
Selbstvertreter                                               Kindern, Firmengruppen, Freunde und Nachbarn. Christoph
5 Fragen an: Hanna Kamrat                  18                 sitzt mittendrinnen und sagt: „Oma, zemma si ist schö“.

MAGAZIN
                                                              Die Frage „Um was geht es?“ nehmen wir bei der Lebenshilfe
                                           19                 als Ausgangspunkt und erweitern sie mit „Um wen geht es und
Sexual(päd)agogik: „Wege zur               20                 mit wem?“. Im Mittelpunkt unserer Kompetenznetzwerke ste-
selbstbestimmten Sexualität“                                  hen Menschen mit Beeinträchtigungen, die von qualifizierten
IAZ: Vom Jugendcoaching zur                22                 Mitarbeitenden der Lebenshilfe Vorarlberg unterstützt werden.
richtigen Ausbildung                                          Es geht dabei um die Verbesserung ihrer Selbstbestimmung
                                                              und ihre gesellschaftlichen Teilhabe. Gemeinsam gilt es, acht-
                                                              sam zu sein und zu Überlegen, wie wir ihnen noch mehr Le-
                                                              bensqualität ermöglichen können.

                                                              In der aktuellen Ausgabe der „Miteinander Leben“ wollen wir
                                                              Ihnen einige Kompetenznetzwerke, wie zum Thema Pflege,
                                                              Persönliche Zukunftsplanung, Autismus oder Hilfsmittel näher
                                                              vorstellen. Dazu gibt es einen Beitrag zur „Sexual(päd)agogik“,
                                                              Informationen zur „NuterzInnen Befragung“ und zum Thema
                                                              Gewaltschutz. Ich wünsche viel Freude beim Lesen.

INFORMATION & BERATUNG                     26

KURZMELDUNGEN                              28

FREUNDE & GÖNNER                           29

TERMINE                                    30

Titel: Lara Heidegger (M.) mit Angehörigen und Lebenshilfe-   Dr. Adriane Feurstein
ExpertInnen bei der „Persönlichen Zukunfstplanung“.           Präsidentin der Lebenshilfe Vorarlberg
Kompetenzen ... gemeinsam bündeln und "mitanand" für mehr Lebensqualität sorgen - Lebenshilfe Vorarlberg
4

                             Martin Dang (l.) mit Anette Omann,
                             Teamleiterin „Zielwärts und Persön-
                             liche Zukunftsplanung“ und Lothar
                             Winter, Leiter der Werkstätte Luste-
                             nau Rheinstrasse.

    Martin Dang (l.) mit seiner Mutter
    beim E-Rollstuhl-Training. Daneben
    mit Lothar Winter beim Üben am
    Computer.
Kompetenzen ... gemeinsam bündeln und "mitanand" für mehr Lebensqualität sorgen - Lebenshilfe Vorarlberg
THEMA: KOMPETENZEN                                                            5

Selbstbestimmt die eigene
Zukunft planen
Im Kompetenznetzwerk „Zielwärts
und Persönliche Zukunftsplanung“
                                               war die Kombination aus zwei Werkstät-       Omann. Gemeinsam legten sie Ziele fest

unterstützt ein qualifiziertes Team
                                               ten in Lustenau ideal. Heute arbeitet er     und wer Martin wie bei der Umsetzung

Menschen mit Behinderungen bei
                                               zwei Tage in der Rheinstrasse, zwei Tage     unterstützt. „Annette kann ich immer fra-

ihrer Lebensgestaltung. Wie etwa
                                               im Lorettoweg und einen Tag malt er im       gen, auch beim Antragstellen für den E-

Martin Dang aus Lustenau, der mit
                                               ARTelier Lustenau, das sich in der Werk-     Rolli. Sie und Franz-Josef Feurstein,

Hilfe seiner Angehörigen, Begleitper-
                                               stätte Rheinstrasse befindet“, berichtet     Zuständiger für die Hilfsmittel bei der Le-

sonen und weiteren Wegbegleiterin-
                                               Annette Omann.                               benshilfe, haben mir dabei geholfen. Das

nen bzw. –begleitern seine Ziele ver-
                                               Durch die Wochenstruktur konnten so Ar-      Schulheim Mäder hat uns wiederum

wirklichen will.
                                               beitszeit und Pflege ideal auf die Bedürf-   einen Rolli geliehen. Martin übt jetzt im-
                                               nisse des 38-Jährigen abgestimmt wer-        mer fleißig zuhause“, ist Mutter Ngoc
                                               den. „Ich schaffe gern. Aber brauche         Dung Dang stolz.
Wenn man Martin Dang in der Werk-              mehr Pausen. Kann nicht alles alleine,
stätte Rheinstrasse in Lustenau bei der        aber mit Hilfe geht’s gut“, ergänzt Martin   Das Training für einen externen Arbeits-
Arbeit besucht, fällt einem sofort seine of-   Dang. Besonders der Austausch zwi-           platz hat Werkstätten-Leiter Lothar Win-
fene und fröhliche Art auf. Aber man sieht     schen den Teams der beiden Werkstät-         ter übernommen. Zweimal in der Woche
auch, dass er sich trotz Gehhilfe sehr         ten ist wichtig. „Wir tauschen uns           übt er mit Martin Dang kleine Bürotätig-
schwer mit der Fortbewegung tut. Das ist       regelmäßig aus und da hilft es sehr, dass    keiten, wie etwa Listen am PC eintippen.
auch etwas, was der 38-Jährige in Zu-          wir nicht weit auseinander liegen. Jeden     Den Computerführerschein selbst hat
kunft ändern möchte und noch einiges           Mittag gehen wir zudem mit allen im Lo-      der 38-Jährige bereits geschafft. Das
mehr. „Ich probiere einen E-Rolli aus. Zu-     rettoweg Mittagessen. Gemeinsam wird         Ziel, das beide vor Augen haben, ist ein
hause übe ich. Es macht Spaß“, erzählt         besprochen, wenn zum Beispiel etwas          Arbeitsplatz in JobKombi. Also, dass
Martin Dang ganz stolz. Bereits in seiner      besonders war oder Martin einen              Martin Dang stundenweise in einer Firma
Schulzeit im Schulheim Mäder hatte er          Wunsch zur Veränderung hat. So kön-          arbeitet und die restliche Woche weiter-
einen Elektro-Rollstuhl, mit dem er sich       nen wir etwas verbessern oder anpas-         hin in der Werkstätte. In einem Jahr wer-
selbständig fortbewegen konnte. Aller-         sen“, erklärt Lothar Winter, Leiter der      den sich alle aus dem Unterstützerkreis
dings war es nur ein Leihgerät der             Werkstätte Lustenau Rheinstrasse.            und Martin Dang wieder treffen. Um zu

                                               Zukunft gemeinsam verändern
Schule, das er nur dort verwenden                                                           schauen, wie weit er seinen Zielen mit
konnte. Seit 2016 arbeitet er nun in der                                                    Unterstützung gekommen ist.
Lebenshilfe-Werkstätte und ist durch die       Doch auch für seine berufliche Zukunft
Gehhilfe nicht mehr so beweglich. „Ich         hatte Martin Dang Wünsche. Er wollte
möchte einen eigenen E-Rolli. Dann             unbedingt in einer Firma arbeiten. Um
kann ich überall hinfahren“, so der 38-        ihm bei der Verwirklichung seiner Wün-         INFO         Was ist PZP?
Jährige. Bei diesem Ziel wollen ihn viele      sche zu unterstützen, wurde im letzten
unterstützen, ganz besonders seine Mut-        Mai ein „Unterstützerkreis“ einberufen.                                rarlberg ist
                                                                                             In der Lebenshilfe Vo
ter und Annette Omann, Leiterin vom            Dabei konnte Martin Dang selbst bestim-                                 nliche Zu-
                                                                                             „Zielwärts und Persö
Team „Zielwärts und Persönliche Zu-            men, wen er alles dazu einlädt. Anwe-                                 die zentrale
                                                                                             kunftsplanung“ (PZP)
kunftsplanung“.                                send waren seine Mutter Ngoc Dung                                 nn es  um die Le-
                                                                                              Dienstleistung, we
Individuelle Begleitung
                                               Dang und seine Schwester, Begleitper-                               Me  ns  chen mit
                                                                                              bensgestaltung von
                                               sonen aus den Werkstätten, Geschäfts-                                   Mi  t einem
                                                                                              Behinderungen geht.
„Als Martin in die Werkstätte wechselte        führer Arnt Buchwald und seine ehe-                                     muliert die
                                                                                              „Unterstützerkreis“ for
waren wir bereits bei der Begleitung           malige Lehrerin Judith Dreymann aus                                         ihr Leben
                                                                                              begleitete Person Ziele für
dabei. Er wollte gerne arbeiten und so         dem Schulheim Mäder sowie Annette                                       an der Ver-
                                                                                              und gemeinsam wird
                                                                                                                            Ein we-
                                                                                               wirklichung gearbeitet.
                                                                                                                        von PZP ist
                                                                                               sentlicher Bestandteil
             Ich möchte einen eigenen E-Rolli. Dann                                            das achtsame un  d ind ividuelle Hin-
                                                                                                                   rfnis  se der Per-
                                                                                               sehen auf die Bedü
             kann ich überall hinfahren.“                                                      son. Und das auch für
                                                                                                                          Menschen
                                                                                                                            m Unter-
                                                                                                mit hohem und höchste
                                                                                                stützungsbedarf.
Kompetenzen ... gemeinsam bündeln und "mitanand" für mehr Lebensqualität sorgen - Lebenshilfe Vorarlberg
6

     Raphael Tomaselli (o.) weiß durch
     die Fotos, wer und wann im Wohn-
     haus Dienst hat. Links sieht man
     den Koffer mit den Symbolbildern
     für seinen Tagesplan.

    Raphael Tomaselli und Begleiter
    Sebastian Amann (l.) beim Kom-
    munizieren mit dem iPad.
Kompetenzen ... gemeinsam bündeln und "mitanand" für mehr Lebensqualität sorgen - Lebenshilfe Vorarlberg
THEMA: KOMPETENZEN                                                               7

Individuelle Begleitung für
Menschen mit Autismus
Aufgrund ihrer schwerwiegenden Be-
einträchtigungen haben Menschen                           Alle unsere Angebote zielen auf eine
mit Autismus-Spektrum-Störung ei-
nen besonderen Unterstützungsbe-                          bestmögliche Unterstützung ab.“
darf. Das Kompetenzteam der Le-
benshilfe Vorarlberg hilft Mitarbei-
tenden bei Fragen zur individuellen
Begleitung und bei der Gestaltung
des Lebensumfeldes weiter. Es bietet
                                              teten Personen ab. Wichtig ist dabei prä-     tere, wie „MARTE MEO“, PECS, das

spezielle Schulungen an.
                                              ventiv zu arbeiten und nicht erst bei Kri-    Führen nach Affolter oder die „Unter-
                                              sensituationen weiterzuhelfen. Dem-           stützte Kommunikation“. Für jede dieser
                                              nächst werden weitere Mitglieder ins          Methoden gibt es eine Expertin oder
Das „Kompetenzteam Autismus“ setzt            Team kommen, die gerade ihre Ausbil-          einen Experten im Kompetenzteam.

                                                                                            Wünsche mitteilen
sich aus unterschiedlichen Mitarbeiten-       dung absolvieren“, so die Team-Koordi-
den der Lebenshilfe Vorarlberg zusam-         natorin und Leiterin des Wohnhaus Dr.-
men, die im Bereich Wohnen, „Arbeiten         Alfons-Heinzle-Strasse in Götzis.             Raphael Tomaselli verwendet seit einiger

                                              Pädagogische Förderung
& Beschäftigen“ oder im Familienservice                                                     Zeit ein iPad als Hilfsmittel für die „Unter-
tätig sind. Alle haben fundierte Ausbildun-                                                 stützte Kommunikation“. Durch ein
gen absolviert und sie bilden sich regel-     Bei der Begleitung von Menschen mit           Sprachprogramm mit Symbolbildern lernt
mäßig weiter. „Als externer Berater un-       Autismus wird durch verschiedene Hilfs-       der 27-Jährige seine Wünsche mitzutei-
terstützt uns Ludo Vande Kerckhove und        mittel versucht, Orientierung, Kommuni-       len. „Raphael kann so zum Beispiel seine
er ist oft bei unseren Austauschtreffen       kation und gesellschaftliche Teilhabe im      Einkaufsliste erstellen und im Geschäft
dabei. Hier besprechen wir neue Er-           Alltag zu ermöglichen. Raphael Tomaselli      gezielt das richtige Produkt finden“, so
kenntnisse, geben Fortbildungsinhalte         wohnt im Wohnhaus Dr.-Alfons-Heinzle-         sein Begleiter. Aber auch der standort-
weiter oder berichten über Beispiele aus      Strasse in Götzis und verwendet zur Ori-      übergreifende Austausch ist ganz wich-
dem Alltag. Eine weitere Möglichkeit des      entierung etwa einen Tagesplan mit            tig. „Im Wohnhaus und in der Werkstätte
externen Austausches ist das multipro-        Symbolbildern. Am Vormittag findet sich       muss für Raphael die gleiche Struktur zur
fessionelle Team des Landes Vorarlberg.       darauf zum Beispiel das Bild fürs Zähne-      Orientierung vorhanden sein. Daher ha-
Hier können sich alle Institutionen mit       putzen, Frühstücken oder fürs Arbeiten        ben wir gemeinsame Schulungen durch-
ihren Fragen zum Thema Autismus hin-          in der Werkstätte Feldkirch Nofels. Nach      geführt. Nur so kann Raphael lernen,
wenden“, erklärt Silvia Blatter, Koordina-    der Arbeit ist dann das Symbol für Frei-      breiter zu kommunizieren und seine Be-
torin des Kompetenzteams.                     zeit darauf. Raphael nimmt dieses vom         dürfnisse ausdrücken“, so Silvia Blatter.

Bestmöglichen Begleitung
                                              Plan und schaut in die grüne Mappe, die
                                              daneben hängt. Hier findet er Fotos, die
An Silvia Blatter direkt stellen die Mitar-   ihn bei etwas zeigen, was er gerne
beitenden der Lebenshilfe ihre Anfragen,      macht. Er nimmt sich jenes zum Musik-
die sie dann an die anderen Teammitglie-      hören heraus. Er geht ins Wohnzimmer,
der weiterleitet oder selbst übernimmt.       klebt das Foto an seinen Platz und hört
Neben der Beantwortung konkreter Fra-         sich seine Lieblings-CD an. „Wir geben
gen, hilft das Kompetenzteam auch stun-       immer nur für bestimmte Tageszeiten die
denweise vor Ort weiter. Die Mitarbei-        Bilder auf den Plan. Wenn er komplett
tenden werden so angeleitet und zum           voll wäre, könnte sich Raphael nicht
richtigen Umgang mit der begleiteten          mehr daran orientieren. Es wären zu
Person befähigt. Zudem wird über die          viele Reize gleichzeitig, die ihn verwirren
Lebenshilfe-Akademie zweimal jährlich         würden“, weiß sein Begleiter Sebastian
ein Basiskurs zu Autismus angeboten.          Amann.
„Alle unsere Angebote zielen auf eine         Neben der TEACCH-Methode mit Ta-              Regelmäßig finden Coachings mit Experte
bestmögliche Unterstützung der beglei-        gesplan gibt es für die Begleitung wei-       Ludo Vande Kerckhove (r.) zu Autismus statt.
Kompetenzen ... gemeinsam bündeln und "mitanand" für mehr Lebensqualität sorgen - Lebenshilfe Vorarlberg
8

                                          Abbildung: Die 10 Kompetenznetz-
                                          werke der Lebenshilfe Vorarlberg.
                                          Sie bestehen aus Fachteams, die
                                          unsere Begleitung von Menschen
                                          mit Behinderungen qualitativ wei-
                                          terentwickeln.

    Ein Kompetenznetzwerk befasst
    sich mit dem Thema Pflege. Es
    besteht aus einem Pflegefachteam,
    das gute Pflege an den Lebenshilfe-
    Standorten sicherstellt.
Kompetenzen ... gemeinsam bündeln und "mitanand" für mehr Lebensqualität sorgen - Lebenshilfe Vorarlberg
THEMA: KOMPETENZEN                                                       9

Was macht ein Kompetenz-
netzwerk aus?
In der Lebenshilfe Vorarlberg hat
sich in den Jahren sehr viel Know-
                                            Im Kompetenznetzwerk „Zielwärts und       vom Kompetenzteam „Sexual(päd)-

How entwickelt. Damit dieses Fach-
                                            Persönliche Zukunftsplanung“ ist der      agogik“, wo kostenlos und anonym be-

wissen besser genutzt und be-
                                            zentrale Kernprozess der Lebenshilfe      raten wird (siehe Seite 20). Auch mit

reichsübergreifend eingesetzt wird,
                                            Vorarlberg zusammengefasst. Hier          dem Kompetenznetzwerk „Gewalt-

gibt es zehn Kompetenznetzwerke.
                                            geht es darum, Menschen mit Behinde-      schutz“ (siehe Seite 27) wird gemein-
                                            rungen zu helfen, dass sie sich mit       same Beratung angeboten.
                                            ihren Träumen, Interessen, Fähigkeiten
Im Mittelpunkt der täglichen Arbeit steht   und Zielen auseinandersetzen. Für die     Zudem vernetzen sich die verschiede-
die Verbesserung der Lebensqualität         Umsetzung der Ziele der begleiteten       nen Kompetenzteams mit externen
der Menschen mit Behinderungen, die         Person ist ein „Unterstützerkreis“ aus    Beraterinnen oder Beratern. Ein Bei-
in verschiedenen Bereichen der Le-          Angehörigen, Begleitpersonen, etc.        spiel dafür ist das Kompetenzteam Au-
benshilfe begleitet werden. Um die Mit-     notwendig (siehe Seite 10).               tismus, das sich bei regelmäßigen
arbeitenden vor Ort entsprechend zu                                                   Treffen mit Experte Ludo Vande Kerck-
befähigen, gibt es die sogenannten          Die Aufgabe des Pflegefachteams des       hove austauscht (siehe Seite 6).
Kompetenznetzwerke. Diese bestehen          Kompetenznetzwerks „Alter, Pflege
aus speziell geschulten Mitarbeitenden      und Gesundheit“ ist es wiederum, ge-      Das Kompetenznetzwerk Selbstvertre-
bzw. Kompetenzteams, die jeweils ihr        meinsam mit den Führungskräften die       tung arbeitet wiederum seit einigen
Fachwissen an ihre Kolleginnen und
Kollegen weitergeben. So kann zum
Beispiel die Begleitung einer Person in-
dividueller gestaltet werden oder auch
neue, anerkannte Methoden zu Anwen-                    Das Wissen und die Kompetenz sollen
dung kommen. Wichtig dabei ist, dass
bereichsübergreifend zusammen gear-                    für alle verfügbar sein.“
beitet wird.

Aktuell gibt es in der Lebenshilfe Vor-
arlberg zehn Kompetenznetzwerke mit         Standards einer guten Pflege an allen     Jahren mit Selbstvertreterinnen und
entsprechenden Kompetenzteams:              Standorten zu gewährleisten. Die          Selbstvertretern aus dem Bodensee-
                                            Teammitglieder führen pflegerische        raum zusammen. Gemeinsam wurde
  Kompetenznetzwerk „Zielwärts und          Maßnahmen selbst durch oder delegie-      zum Beispiel die „Bodensee-Deklara-
   Persönliche Zukunftsplanung“             ren Pflegetätigkeiten an Mitarbeitende,   tion“ verfasst und an Politikerinnen
  Kompetenznetzwerk „Alter, Pflege          die sie wiederum regelmäßig kontrollie-   bzw. Politiker der jeweiligen Länder
  und Gesundheit“                           ren. Ziel ist es, die Mitarbeitenden zu   übergeben. Aufgrund ihrer jahrelangen
  Kompetenznetzwerk„Autismus-               einer guten Pflege zu befähigen (siehe    Erfahrung können die gewählten
  Spektrum-Störung“                         Seite 12).                                Selbstvertreter der Lebenshilfe Vorarl-

                                            Beratung und Wissensaustausch
  Kompetenznetzwerk „Affolter“                                                        berg auch gut vermitteln, was ihre Ar-
  Kompetenznetzwerk „Gewaltschutz“                                                    beit ausmacht (siehe Seite 16).
  Kompetenznetzwerk „Selbstver-             Die Teams der Kompetenznetzwerke
  tretung“                                  geben aber nicht nur intern ihr Fach-     Auch in Zukunft sollen sich die beste-
  Kompetenznetzwerk „Sozial(päd)-           wissen vor Ort oder bei Schulungen        henden Kompetenznetzwerke weiter-
  agogik“                                   der Lebenshilfe Akademie weiter. Sie      entwickeln. Als lernende Organisation
  Kompetenznetzwerk „Unterstützte           werden als anerkannte Referentinnen       will die Lebenshilfe Vorarlberg das Wis-
  Kommunikation“                            oder Referenten zu externen Veran-        sen und die Kompetenzen für alle ver-
  Kompetenznetzwerk „Personal“              staltungen eingeladen, wie das zum        fügbar machen. So werden in den
  Kompetenznetzwerk „Therapie/              Beispiel bei der „Unterstützten Kommu-    nächsten Jahren neue Kompetenz-
  Hilfsmittel“                              nikation“ der Fall ist. Oder es werden    netzwerke aufgebaut werden, wie zum
                                            externe Sprechtage veranstaltet, wie      Beispiel zum Thema Digitalisierung.
Kompetenzen ... gemeinsam bündeln und "mitanand" für mehr Lebensqualität sorgen - Lebenshilfe Vorarlberg
10

     Lara Heidegger (l.) bei der Arbeit mit
     Benno Scherer in der Sunnahof-
     Tischlerei. Rechts: Lara mit ihrem
     Chef Sascha Heidegger im Bunt-
     werk in Dornbirn.

                Gruppenfoto mit Lara Heidegger
                (M.) nach ihrem „Unterstützerkreis“
                am Sunnahof.
THEMA: KOMPETENZEN                                                           11

Mit qualifizierter Unterstützung
das Leben selbständig meistern
Lara Heidegger arbeitet gerne in der
Tischlerei am Sunnahof. Auch ver-                         Beim Unterstützerkreis wurde Lara klar,
schiedene Jobs außerhalb des Bio-
Bauernhofes hat sie schon aus-                            dass ihr alle helfen werden.“
probiert. Doch die 29-Jährige will mit
entsprechender Hilfe noch mehr in
ihrem Leben verändern, um selbstän-
diger zu werden.                              menarbeit funktioniert und ich weiß mitt-   Wohnung wurde wiederum 2018 ein
                                              lerweile, welche Arbeiten sie selbständig   „Unterstützerkreis“ im Seminarraum des
„Seit 2007 bin ich am Sunnahof. Meine         machen kann. Und wo vielleicht etwas        Sunnahof abgehalten. Lara Heidegger
Mutter hatte die Idee, dass ich hier in der   mehr Motivation notwendig ist“, so ihr      lud dazu ihre Mutter und ihre Tante, ihren
Landwirtschaft arbeite. Das habe ich          Chef Sascha Heidegger.                      Handballtrainer, andere Personen aus

                                              Wunsch nach eigener Wohnung
auch lange gemacht, aber die Arbeit mit                                                   ihrem sozialen Umfeld und Expertinnen
Holz hat mir besser gefallen“, erzählt                                                    bzw. Experten aus der Lebenshilfe ein.
Lara Heidegger. Mit ihrem Wechsel in          In der Freizeit unternimmt Lara Heideg-     „Gemeinsam besprachen wir mit Lara
die Tischlerei ist vor allem Benno Scher-     ger gerne etwas mit ihrem Freund Domi-      ihren größten Wunsch, nämlich selb-
rer zu einer wichtigen Bezugsperson ge-       nique. Sie geht regelmäßig ins Fitness-     ständig zu wohnen. Wir formulierten
worden. „Lara ist zuverlässig, extrem gut     studio und ist beim Handballteam der        dafür Ziele und wer, wie bei der Umset-
zu motivieren und hat eine sehr gute          Handball Specials dabei. Zudem tanzt        zung unterstützt. Es war schön zu
Feinmotorik. Diese Talente haben wir          sie seit 2007 im Tanzhaus Hohenems          sehen, wie ihr klar wurde, dass ihr alle
auch in einer großen Zahnradmaschine          mit. Doch trotz abwechslungsreichem         dabei tatkräftig helfen werden“, erzählt
festgehalten. Sie symbolisiert unser gan-     Alltag, war sie mit ihrem Leben noch        Benno Scherrer.
zes Team, das – wie die Maschine – nur        nicht ganz zufrieden.
mit allen gemeinsam richtig funktioniert“,                                                Lara Heidegger erinnert sich auch gerne
berichtet Benno Scherrer, Leiter der          „Lara wohnt noch Zuhause in Hohen-          zurück und ergänzt: „Wenn bei meiner
Tischlerei.                                   ems bei ihrer Mutter, die sie bei allem     Tante der Mieter auszieht, dann kann ich

Unterstützung in der Jobsuche
                                              was sie tut unterstützt. Nachdem sich       in die Wohnung. Die liegt in der Nähe
                                              beruflich neue Chancen auftaten, wollte     vom Haus meiner Mutter. Dort kann ich
In gemeinsamen Gesprächen stellte             sie aber auch im Bereich Wohnen eine        ausprobieren, wie es ist, alleine zu woh-
sich mit der Zeit heraus, dass Lara Hei-      Veränderung. Daher habe ich Kontakt         nen. Bis dahin übe ich zuhause mit mei-
degger gerne in einer externen Firma ar-      zu Walter Zaponig aufgenommen. Er ist       ner Mutter. Wenn das alleine Wohnen
beiten möchte. Benno Scherer unter-           einer der Experten des Kompetenznetz-       später klappt, ziehe ich vielleicht irgend-
stützte sie bei der Jobsuche. Ein gutes       werkes ‚Zielwärts – Persönliche Zu-         wann mit meinem Freund zusammen.“
Jahr lang arbeitete sie stundenweise in       kunftsplanung‘ der Lebenshilfe Vorarl-
einem Kindergarten in Hohenems. Die           berg und wusste, was zu tun ist“, erin-
entsprechende Qualifizierung absol-           nert sich Benno Scherrer.
vierte die Beschäftigte des Sunnahof be-
reits 2015 in der Arbeiterkammer.             Es folgten gemeinsame Gesprächster-
Obwohl ihr der Job Spaß machte, war           mine um herauszufinden, was Lara Hei-
Lara Heidegger immer mehr überfordert,        degger sich genau für ihre Zukunft
dass so viele Kinder gleichzeitig was von     wünschte. Dabei kamen auch Fragen
ihr wollten. Es ergab sich, dass in der       zur Beziehung mit ihrem Freund auf.
Firma Buntwerk Textildruck in Dornbirn        Walter Zaponig organisierte dafür ein
ein Job frei war. „Lara konnte sich gut       Erstgespräch bei der Psychosozialen
vorstellen, hier zu arbeiten. Seit einein-    Beratungsstelle der Lebenshilfe, wo
halb Jahren arbeitet sie nun Donnerstag-      beide sich kompetent beraten ließen.        Lara Heidegger und ihr Freund mit den Bera-
und Freitagvormittag hier. Die Zusam-         Für Laras Wunsch nach einer eigenen         terinnen der Psychosozialen Beratungsstelle.
12

     Heiko Depaoli und Margit Biggel (o.)
     bei der Durchsicht seiner Blutzucker-
     werte.

     Unten zeigt der Bewohner des
     Wohnhauses Lustenau, wie er mit-
     tels Messgerät seinen Blutzucker-
     wert messen kann. Daneben das
     Pflegefachteam mit Koordinatorin
     Erika Schatton (3.v.r.) und Geschäfts-
     bereichsleiter Andreas Dipold (r.).
THEMA: KOMPETENZEN                                                        13

Mitarbeitende befähigen und
gute Pflege sicherstellen
Auf den Pflegebedarf von Menschen
mit Behinderungen wird in der Le-
                                            nahmen für Heiko Depaoli geschult           spezielle Tabellen, die wichtige Richt-

benshilfe Vorarlberg individuell ein-
                                            wurden. Sie erhielten anschließend die      werte zu den Mahlzeiten und zu einzel-

gegangen. Dafür gibt es ein Pflege-
                                            schriftliche Delegation zur Ausübung.       nen Lebensmitteln enthalten. Die

fachteam, das die Mitarbeitenden in         Umsetzung im Alltag
                                                                                        Teams in der Werkstätte als auch im

allen Lebensbereichen und Belan-
                                                                                        Wohnhaus achten besonders gut dar-

gen direkt vor Ort unterstützt.
                                            Seit nunmehr fünf Jahren wird Heiko         auf. Zudem wird regelmäßig mit Heiko
                                            Depaoli im Wohnhaus Lustenau beglei-        Depaoli die Diabetes Ambulanz be-
                                            tet und hat sich sehr gut eingelebt. Min-   sucht und das zusätzlich zu allen Arzt-
Bei Heiko Depaoli ging es zum Beispiel      destens dreimal täglich muss sein           visiten. „Durch die interne Zusammen-
darum, seine Begleitpersonen zum            Blutzuckerwert getestet werden. „An-        arbeit mit dem Pflegefachteam ist es
richtigen Umgang mit seiner Diabetes        fangs wurden die Tests mit einem            uns möglich, Heiko ein Leben im
Typ 1 zu schulen. Erika Schatton, lei-      Gerät durchgeführt, wofür jeweils ein       Wohnhaus mit bestmöglicher Lebens-
tende Pflegefachkraft im Bereich Woh-       Tropfen Blut aus dem Finger notwendig       qualität zu bieten. Er kann aktiv seinen
nen, war dazu schon vor seinem              war. Mittlerweile hat Heiko am Oberarm      Interessen und Bedürfnissen nachge-
Einzug im Wohnhaus vor Ort. Zunächst        einen Sensor, der alle 14 Tage ge-          hen, ohne wesentliche Einschränkun-
erklärte sie den Mitarbeitenden Grund-      wechselt wird. Heiko kann unter Anlei-      gen. Die Mitarbeitenden können sicher
sätzliches über die Diagnose Diabetes,      tung nun selbst mit dem Messgerät           mit seiner Diabeteserkrankung umge-
zeigte Gefahren auf, was bei der Er-        darüberstreichen und der Wert wird an-      hen und wissen im Bedarfsfall wende
nährung und vor allem bei der Behand-       gezeigt. Auch zeigt das Gerät einen         ich mich an Erika oder das Pflegefach-
lung zu beachten ist. „Weiters wurde        Verlauf dar, der zusätzlich Sicherheit      team“, resümiert die Wohnhausleiterin.

                                                                                        Zum Pflegefachteam
von mir eine schriftliche Pflegeein-        gibt“, berichtet Margit Biggel. Anhand

                                                                                        Bestehende Pflegefachkräfte aller Ge-
                                                                                        schäftsbereiche der Lebenshilfe Vor-
            Heiko können wir so ein Leben mit best-                                     arlberg wurden zu einem Pflege-
                                                                                        fachteam zusammengefasst. Organi-
            möglicher Lebensqualität bieten.“                                           satorisch wird das Team von Andreas
                                                                                        Dipold, Geschäftsbereichsleiter Woh-
                                                                                        nen, geleitet.
                                                                                        Aufgabe des Pflegefachteams ist es,
schätzung erstellt, die seit 2014 bei uns   des Wertes und nach einer ärztlich an-      gemeinsam mit den Führungskräften
Standard ist. Im Dokumentationssys-         geordneten Liste, richtet sie dann die      die Standards einer guten Pflege an
tem sind zudem die speziellen Beglei-       jeweilige Insulin-Dosis her und spritzt     allen Standorten zu gewährleisten und
tungshinweise für Heiko hinterlegt,         sie Heiko mittels Pen. Ganz bereitwillig    damit die gesetzlichen Anforderungen
damit alle Mitarbeitenden, die ihn be-      krempelt er dafür seinen Pullover hoch.     bestmöglich zu erfüllen. Die Teammit-
gleiten jederzeit darauf zurückgreifen      Danach trägt die Wohnhausleiterin           glieder führen pflegerische Maßnah-
können“, erklärt Erika Schatton.            alles in ein Heft ein. Während des Ar-      men selbst durch oder delegieren Pfle-

Schulung in der Ausführung
                                            beitstages in der Werkstätte, bei Aus-      getätigkeiten an Mitarbeitende, die sie
                                            flügen oder seinen regelmäßigen             wiederum regelmäßig kontrollieren.
Alle Mitarbeitenden in den Wohnhäu-         Sparziergängen hat Heiko Depaoli            Ziel ist es, die Mitarbeitenden zu einer
sern, Werkstätten und im Familienser-       immer einen Rucksack dabei, der Heft,       guten Pflege zu befähigen.
vice erhalten die Grundausbildung           Zuckermessgerät und Insulin-Pen be-         Im Pflegefachteam wurde auch ein maß-
„Unterstützung bei der Basisversor-         inhaltet. Für den Notfall ist immer Trau-   geblicher Pflegeprozess erarbeitet, der
gung“ (UBV). Diese war auch Vo-             benzucker und Saft dabei.                   die systematische Erfassung, Planung,
raussetzung für jene Mitarbeitenden,                                                    Durchführung und Evaluierung pflegeri-
die schließlich von Erika Schatton in       Ein wesentlicher Faktor bei Diabetes ist    scher Maßnahmen beinhaltet.
der Ausführung der pflegerischen Maß-       die Ernährung. Hierfür gibt es ebenfalls
14                                                  THEMA: KOMPETENZEN

Individuelle Begleitung und
Pflege in der Familie
Der Familienservice der Lebenshilfe
Vorarlberg begleitet Kinder, Jugendli-
                                                 kurzerhand ein Untergestell mit Rollen          terin des Familienservice in der Familie.

che und Erwachsene auch mit hohem
                                                 montiert“, berichtet Maria Wohlgenannt.         Mutter Maria ist wenig begeistert von den

Unterstützungsbedarf direkt zuhause
                                                 Auch das Bett ihres Sohnes ist eine Spe-        gesetzlichen Vorschriften: „Jeder Laie

in der Familie.
                                                 zialanfertigung des Onkels. Hier ist Platz      aus der Familie oder aus dem Bekann-
                                                 für die Spezialschale, alle Pflegeartikel       tenkreis darf pflegerischen Tätigkeiten
                                                 und vor allem viel Buntes zum Ent-              ausführen. Aber gelernte Pflegekräfte
Gerade mal vier Jahre war Florian Bro-           decken, wie die Discokugel, die den 19-         dürfen es nur je nach Ausbildungsform,
ger alt als Manuela Reiter das erste Mal         Jährigen fasziniert.                            obwohl sie es können. Diese behördli-

                                                 Die richtige Pflege
bei ihm Zuhause war. Seither kommt sie                                                           chen Hürden machen es uns Eltern
jede zweite Woche einen Tag oder im                                                              schwer, entsprechende Hilfe zu bekom-
Sommer auch einmal pro Woche einen               Besonders wichtig ist bei Florian Brogers       men. Dazu kommt der Mangel an Pfle-
halben Tag zu ihm. „Ich richte mich da           Pflege das regelmäßige Absaugen des             gekräften.“ Umso mehr ist sie über die
ganz nach dem Bedarf von Florians Mut-           Schleims im Rachenraum. Daher ist eine          Unterstützung und den Austausch mit
ter Maria. In der Zeit, wo ich mich um ihn       intensive 1:1 Begleitung notwendig, um          Manuela Reiter froh, die ihren Sohn
kümmere, kann sie den Tag für sich nut-          das Ersticken des jungen Mannes zu              schon fast so gut kennt, wie sie selbst.
zen und wird entlastet“, so die ausgebil-        verhindern. Obwohl Manuela Reiter als           Aber auch gegenüber neuen Fachkräf-
dete Pflegeassistentin. Ein gemeinsamer          Pflegeassistentin mehr Qualifikationen          ten ist Maria Wohlgenannt aufgeschlos-
Tag mit dem 19-Jährigen beginnt mit der          als die pflegerische Grundausbildung            sen, wie aktuell Praktikantin Anja Baier.
üblichen Körperpflege. Danach wird ge-           hat, durfte sie zunächst nicht alle Tätig-      „Ich absolviere gerade mein Diplom in
meinsam die Zeit abwechslungsreich ge-           keiten durchführen. „Alle vier Stunden          der Familien- und Behindertenarbeit an
staltet und es werden physiotherapeu-            bekommt Florian über die Magensonde             der Schule für Sozialbetreuungsberufe in
tische Übungen gemacht. Mittags beim             eine Spezialnahrung eingetropft. Das            Bregenz. Beim Familienservice kann ich
Kochen ist Florian dank Spezial-Rollstuhl        dauert jeweils fast eine Stunde. Das Son-       sehr viel vom Gelernten anwenden. Ne-
dabei. „Durch die Skoliose hat Florian           dieren erledigt sonst die Mutter und in         ben Besuchen in der Familie bin ich auch
einen verkrümmten Rücken. Daher                  ihrer Abwesenheit ich, weil ich die Dele-       am Standort in Batschuns dabei“, erzählt
musste eine Spezialschale extra für ihn          gation dafür erhalten habe. Nur einer di-       Anja Baier. Florian scheint sich gleich gut
angefertigt werden. Doch die war zum             plomierten Pflegefachkraft ist es ohne          mit ihr zu verstehen und zeigt das mit
Schieben zu schwer. Mein Bruder hat              Nachweis erlaubt“, erklärt die Mitarbei-        einem breiten Lachen.

Manuela Reiter, Florian Broger, Anja Baier und Mutter Maria Wohlgenannt (v.l.).   Florian braucht viel Pflege und wird über eine Sonde ernährt.
15

                                                                                            Die „SCHREIB & KUNST WERK-
SCHREIB & KUNST                                                                             STATT“ wird in Wort und Bild von
                                                                                            Menschen mit Behinderungen ge-
                                                                                            staltet. Lassen Sie sich überra-
WERKSTATT                                                                                   schen.

Schöne neue Welt –
Gedanken zur Digitalisierung
In unserem Leben sind digitale Hilfs-
mittel nicht mehr wegzudenken. Das
                                              den Augen. Sie sagen sogar, dass die          Bei einem epileptischen Anfall ist schnel-

Wort Digitalisierung ist in aller Munde.
                                              Entwicklung bei Kindern beeinträchtigt        le Hilfe nämlich enorm wichtig. „Fearless“

Aber was heißt das eigentlich?
                                              werden kann.                                  gibt mir Sicherheit. Damit ich mich auf
                                                                                            das „Leben“ konzentrieren kann. „Fear-
                                              Auch ich habe negative Erfahrungen ge-        less“ ist zu einem wesentlichen Bestand-
Die einfachste Definition, die man von Di-    macht. Ich darf als Epileptiker mein Ge-      teil meines Lebens geworden. Es hat
gitalisierung findet besagt, dass „analoge    hirn zum Beispiel nicht mit Reizen            schon häufiger einen Sturz angezeigt.
Inhalte oder Prozesse in eine digitale        überfluten. Was ich aber mache, wenn          Für mich natürlich eine gute Sache.
Form oder Arbeitsweise umgewandelt            ich lange am Computer oder vor dem            Auch für Menschen mit anderen Behin-
werden“. Ein Beispiel, das vielleicht alle    Fernseher sitze. Was man dann als „di-        derungen gibt es digitale Hilfsmittel zur
kennen, ist die Umwandlung einer              gitalen Stress“ bezeichnet. Diese Art von     Bewältigung ihrer Schwierigkeiten. Einer
Schallplatte in eine MP3-Datei.               Stress kann bei mir epileptische Anfälle      meiner Kollegen hat beispielsweise ein
Auch ich verwende einige Geräte, wie          auslösen.                                     iPad zur „Unterstützten Kommunikation“.

                                              Digitale Hilfsmittel
ein Smartphone, den Computer oder                                                           Das iPad ist ein relativ kleines und trag-
einen Laptop und den Fernseher. Diese                                                       bares Gerät. Das Sprachprogramm auf
Geräte haben sich auf jeden Fall in vielen    Aber auch positive Seiten der Digitalisie-    dem iPad unterstützt meinen Kollegen
Lebensbereichen als recht nützlich er-        rung gibt es. Beispielsweise wie mir „Fe-     dabei, mit anderen zu kommunizieren.
wiesen, aber es gibt auch kritische Stim-     arless“ ermöglicht, ein selbstbestimmtes
men. Studien von Expertinnen und              Leben zu gestalten. „Fearless“ so heißt       Die Digitalisierung hat, wie so Vieles im
Experten weisen darauf hin, dass sich zu      ein Gerät, das mittels Sensor an der          Leben, also zwei Seiten. Man sollte halt
viel Zeit vor dem Bildschirm negativ auf      Decke einen Sturz wahrnimmt. Wenn ich         das Gute für sich zu nutzen wissen.
die Gesundheit auswirkt. Man kann             stürze, meldet es das Gerät auf das
davon zum Beispiel Schlafstörungen be-        Diensthandy der Mitarbeiterinnen und                                    Dominic Gessner
kommen oder man kriegt Probleme mit           Mitarbeiter in meiner Wohngemeinschaft.                               Redaktionsmitglied

Dominic benutzt gerne verschiedene Geräte, aber nicht zu lange.    Das Gerät „Fearless“ an der Decke zeigt an, wenn Dominic stürzt.
16                                             SCHREIB & KUNST WERKSTATT

Ein Rückblick auf unsere Arbeit
als Selbstvertreter
Wir Selbstvertreter versuchen natür-
lich unser Bestes, dass wir für die
Menschen mit Behinderungen in der
Lebenshilfe Vorarlberg etwas errei-
chen. Sei es, dass Forderungen in
der Politik gehört werden, aber auch
dass sich in der Begleitung etwas än-
dert. Bis die gewünschten Verbesse-
rungen umgesetzt sind, kann es aber
dauern.

Zum Ende des Jahres möchte ich nun
einen kurzen Rückblick auf unsere Ar-
beit als Selbstvertreter geben. Und
schon kurz einen Ausblick auf 2020 ma-
chen.

Regelmäßige Werkstattbesuche                    Selbstvertreter Siegfried Glössl und Klaus Brunner (Mitte) überreichten am 5. Mai die For-
Uns Selbstvertretern ist es sehr wichtig,       derungen zu „Gehalt statt Taschengeld“ an Landtags-Vizepräsidentin Martina Rüscher.
dass wir Kontakt zu den Menschen mit
Behinderungen in den Werkstätten oder           kümmern uns dann auch darum oder               und Politiker aus den 5 Parteien, die im
Fachwerkstätten haben. Sie sind näm-            helfen bei Problemen weiter. Das macht         Vorarlberger Landtag sitzen, eingeladen:
lich auch diejenigen, die uns Selbstver-        die Arbeit als Selbstvertreter sehr wert-      die ÖVP, die SPÖ, die FPÖ, die Grünen
treter gewählt haben – also sprich              voll, wenn man anderen Personen hel-           und die NEOS. Sie sollten uns nämlich
Robert Wilhelm, Siegfried Glössl, Hart-         fen kann.                                      erklären, was in ihren Wahl-Program-

                                                Veranstaltung zur Wahl
wig Lorenz und mich. Wir nutzen die Be-                                                        men steht und was ihre Wahlziele sind.
suche, um Menschen mit Behinde-                                                                Besonders interessiert hat uns, was sie
rungen direkt nach ihren Anliegen oder          Der Anlass für den Informationsabend           zu Inklusion und Barrierefreiheit sagen.
Beschwerden zu fragen.                          am 11. September in Schwarzach wa-             Das sollten sie uns aber in leichter Spra-
                                                ren die Nationalratswahlen Ende Sep-           che sagen. Denn Menschen mit Behin-
Was ich sehr toll finde ist, dass schon         tember und die Landtagswahlen Mitte            derungen haben ein wichtiges Stimm-
manche Anfrage gekommen ist. Wir                Oktober. Daher haben wir Politikerinnen        recht. Nur wenn wir etwas verstehen,

Regelmäßig besuchen die Selbstvertreter Robert Wilhelm (Mitte), Klaus Brunner und              Das 3. „Fest der Inklusion“ war ein voller Er-
Hartwig Lorenz (rechts) Beschäftigte , wie hier in der Werkstätte Lustenau Rheinstrasse.       folg. Klaus Brunner (links) mit Philipp Wüstner.
SCHREIB & KUNST WERKSTATT                                                         17

können wir mitbestimmen – auch was            Dann bin ich auch schon geraume Zeit           ERASMUS Projekt in Irland. Das
die Wahlen und die Politik betrifft. Mit      im Vorstand der Lebenshilfe Vorarlberg,        Thema lautet „Digitalisierung und So-
dabei waren auch Selbstvertreterinnen         wo ich ein Stimm-Recht habe. Das               ziale Medien“. Dabei lernt man mit Elek-
und Selbstvertreter aus allen Lebenshil-      heißt, wenn etwas in der Lebenshilfe           tronischen Hilfsmitteln und auch Medien
fen in Österreich. Gemeinsam haben wir        Vorarlberg geändert werden sollte, kann        richtig umzugehen.
ein paar Forderungen aufgeschrieben,          ich mitentscheiden, ob ich dafür oder
was wir von der Politik erwarten.             dagegen bin. Ganz wie es sein sollte,          Am 20. Juni 2020 findet dann in Über-
                                              als Sprachrohr für die Menschen mit Be-        lingen, das ist in Deutschland, das Fest

1. „Gehalt statt Taschen-Geld!“
Die 3 wichtigsten Forderungen waren:          hinderungen.                                   „Mittendrin“ statt. Wir sind mit Selbstver-
                                                                                             treterinnen bzw. Selbstvertretern der

2. „Wahl-Programm in leichter Spra-
Und dafür ist es nämlich höchste Zeit.        Selbstvertreter Siegfried Glössl ist übri-     Schweiz und Deutschland dabei. Wir

che!“
                                              gens auch im Vorarlberger Monitoring           wollen hier bei den Gästen Aufklärungs-

3. „Leistbares, barrierefreies Wohnen“
                                              Ausschuss. Dort besprechen sie die             arbeit machen und unsere Themen prä-
                                              Gesetze, die Menschen mit Behinde-             sentieren. Besucht uns gerne beim
und viel mehr Wohn-Gemeinschaften             rungen betreffen. Und schon sehr lange         Fest. Mehr Infos gibt’s bald auf der

Sprachrohr für andere
                                              von der Politik verbessert gehören. Wie        Website der Lebenshilfe Vorarlberg
                                              das gehen soll, steht ganz genau in der        unter www.lebenshilfe-vorarlberg.at
Unser Arbeitsfeld als Selbstvertreter ist     UN-Konvention. Mit dabei in diesem
sehr groß. Zum einen bin ich bei der          Ausschuss sind andere Betroffene und                                      Klaus Brunner
Einschulung der neuen Zivildiener dabei       der Landesvolksanwalt.                                                    Selbstvertreter

                                              Was haben wir 2020 geplant?
und erkläre ihnen einiges. Zum anderen
ist mein Kollege Siegfried Glössl bei den
Schulungen für neue Mitarbeitende der         Im nächsten Jahr haben wir einige Ter-
Lebenshilfe Vorarlberg dabei. Gemein-         mine geplant. So sind wir Selbstvertre-
                                                                                                            KONTAKT &
sam mit Reinhard Wohlgenannt infor-           ter Ende Mai 2020 in Wien beim
                                                                                               INFO         INFORMATION
miert er über verschiedene Themen.            sogenannten „Inclusion Europe Kon-
                                              gress“. Hier geht es um die Bildung für           Klaus Brunner
Ich mache mit Friedrich Gföllner, unse-       alle. Also Menschen mit und ohne Be-              Selbstvertreter
                                                                                                                            3
rem Unterstützer der Selbstvertretung,        hinderungen lernen von Anfang an ge-              Tel.: 0 55 23 506- 100 50
                                                                                                                 rtretu ng  @lhv.or.at
auch Aufklärungsarbeit. So gehen wir          meinsam.                                          E-Mail: selbstve
                                                                                                                     nta g  (au ßer am
zum Beispiel in Schulen und erklären                                                            Erreichbarkeit: Mo
                                                                                                                      ita g
den Jugendlichen vieles zum Thema             Mitte Juni 2020 bin ich einige Tage und            Nachmittag) bis Fre
Behinderungen.                                zwei weitere Personen bei einem

Wahl-Veranstaltung: Vertreterinnen und Vertreter aller 5 Parteien im Die Mitglieder des Vorarlberger Monitoring-Ausschuss mit Selbst-
Landtag erklärten ihr Wahlprogramm in leichter Sprache.              vertreter Siegfried Glössl (oben, 4. von rechts).
18                                            SCHREIB & KUNST WERKSTATT

5 Fragen an:
Vizepräsidentin Hanna Kamrat
Der österreichische „Selbstverter-Bei-
rat“ war Mitte September zu Gast im
Ländle. Nach einer Sitzung hat Klaus
Brunner Hanna Kamrat zum Interview
getroffen. Sie ist Beiratsvorsitzende
und Vizepräsidentin der Lebenshilfe
Österreich.

Hast Du das Amt der Vizepräsidentin
gerne übernommen?
Ja, sehr gerne. Seit 11 Jahren bin ich als
Selbstvertreterin aktiv und seit 3 Jahren
im Amt als Vizepräsidentin der Lebens-
hilfe Österreich. Begonnen habe ich mit
der Selbstvertretung bei der Lebenshilfe
Graz. Ein Freund hatte mir gesagt, dass
ich es doch mal versuchen soll. Eigent-
lich wollte ich es mir nur mal ansehen
und dann wurde ich gewählt. Schnell            Hanna Kamrat, Vizepräsidentin der Lebenshilfe Österreich und Selbstvertreter Klaus Brun-
habe ich gemerkt, dass es mir Spaß             ner trafen sich in der Volkshochschule Götzis zum Interview.
macht. Seither setze ich mich für unsere
Rechte ein. Dafür ist es notwendig, dass       ger. Sich zu trauen Fragen zu stellen, da     nicht einfach nur so. Sie sehen, dass wir
ich mit Politikerinnen und Politikern per-     es nur blöde Antworten gibt. Und ganz         Begabungen haben, die es zu fördern
sönlich spreche. Und dass ich bei              wichtig ist das innere Gleichgewicht.         gilt. Meine ist zum Beispiel meine Elefan-

                                               Kann Inklusion durch persönliche As-
Podiumsdiskussion dabei bin, wie etwa                                                        tenhaut – also dass ich viel Geduld habe.

                                               sistenz besser gelingen?
heuer im Mai zum Thema „Gehalt statt                                                         Ich kann gut auf Menschen zu gehen
Taschengeld“. Sobald die neue Regie-                                                         und mich in sie hineinversetzen. In der
rung steht, werden wir Kontakt aufneh-         Ja, weil man mit persönlicher Assistenz       Gesellschaft selbst hat auch ein Umden-
men, um unsere Forderungen noch                unabhängiger ist und selbstbestimmt           ken stattgefunden, etwa bei der Barriere-
einmal mitzuteilen.                            Leben kann. In einem Wohnhaus einer           freiheit.

Wie unterstützt Du andere Menschen,                                                          Wie verbringst Du Deine Freizeit?
                                               Oranisation ist man zum Beispiel mehr

mutiger zu sein?
                                               an die offiziellen Zeiten gebunden. Ich
                                               lebe in Bad Ischl in einer eigenen Woh-       Ich bin ein recht gläubiger Mensch, nicht
Früher war ich überhaupt nicht mutig.          nung und habe persönliche Assistenz.          religiös. Mir ist wichtig, dass ich meinen
Schon seit der Schulzeit dachte ich, dass      Auch bei beruflichen Terminen brauche         inneren Frieden habe und mache dazu
ich froh sein muss, wenn mir jemand hilft.     ich Unterstützung. Wobei die Assistenz        auch Kurse. Gerne lese ich Liebesro-
Daher habe ich alles gemacht, was man          bei allem sozusagen das „Ausführungs-         mane, um mich berieseln zu lassen. Da
mir gesagt hat. Eigentlich komme ich aus       organ“ ist, ich aber bestimme, was ge-        ich meinen Rollstuhl wie Füße sehe,
Oberösterreich. Ab 1996 habe ich dann          macht wird. Man macht auch selbst den         gehe ich auch spazieren im Wald. Mir tut
in der Steiermark, im Ausseerland, in          Dienstplan und teilt die jeweilige Person     die Ruhe gut. Der Kontakt zu meinen bei-
einer Kreativ-Werkstatt gearbeitet. Doch       zur entsprechenden Assistenzzeit ein.         den Brüdern und die regelmäßigen Tele-
mit dem Amt als Selbstvertreterin bezie-       Generell bringt persönliche Assistenz         fonate sind mir sehr wichtig. Natürlich
hungsweise jetzt als Vizepräsidentin bin       auch mehr Selbstbewusstsein mit sich.         verbringe ich auch gerne Zeit mit mei-

                                               Was konntest Du in Deiner Amtszeit
ich viel selbstbewusster und mutiger ge-                                                     nem Freund Kurt. Wir sehen uns aber

                                               bisher schon erreichen?
worden. Das bestätigt mir auch oft mein                                                      nicht jeden Tag. Er ist mehr beeinträchtigt
Bruder mit „Die traut sich jetzt was. Das                                                    und lebt in einer Einrichtung in Ober-
war früher nicht so.“ Ganz wichtig ist also,   Man merkt, dass die Menschen mehr mit         österreich. Zusammenziehen geht aus
sein Selbstbewusstsein aufzubauen.             uns in Kontakt treten und uns zuhören,        mehreren Gründen nicht. Aber ihm kann
Denn dann wird man automatisch muti-           wenn wir etwas sagen. Sie versprechen         ich alles erzählen.
THEMA: KOMPETENZEN                                                              19

Hilfsmittel sorgen für mehr
Lebensqualität
In der Fachwerkstätte Dornbirn arbei-
tet Andrea Ender. Die 40-Jährige sitzt
                                            Teile aufreihen und zusammenfügen.

im Rollstuhl und hat Schwierigkeiten
                                            Gerne zeigt Andrea Ender, wie gut das

mit der Feinmotorik. Um ihren Alltag
                                            funktioniert.

zu verbessern, hat Therapieberater          Beratung und Instandhaltung
Franz-Josef Feurstein spezielle Hilfs-
mittel organisiert.
                                            Seit Anfang 2018 ist Franz-Josef Feur-
                                            stein Therapie- und Hilfsmittelberater in
                                            der Lebenshilfe Vorarlberg. Daher arbei-
Neben einem Arbeitstisch hat Andrea         tet er nur noch stundenweise in der
Ender einen weiteren Tisch, der an den      Fachwerkstätte als Begleiter. In der Re-
Rollstuhl angebracht werden kann. Die-      paraturwerkstatt, ebenfalls in der Fach-
ser erleichtert ihr mittags das Essen.      werkstätte, werden die Hilfsmittel nicht
Täglich helfen der 40- Jährigen auch me-    nur gelagert: „Marcel und drei weitere
dizinische Hilfsmittel, wie ihre Hand-      Beschäftigte helfen mir etwa Rollstühle,
schienen dabei, ihre Lebensqualität zu      Pflegebetten, etc. zu reparieren“, erzählt    Marcel Ott, Andrea Ender und Franz-Josef
verbessern. „Zuerst werden die Hände        Franz-Josef Feurstein. „Es macht Spaß         Feurstein (v.l.) beim Stehtisch.
etwas massiert, damit sich die Muskula-     und ist mal eine andere Arbeit als sonst“,
tur entspannt und das Anziehen leichter     fügt Marcel Ott hinzu.                        auch einen kompetenten Ansprechpart-
fällt. Die Schienen stützen Andreas         Bei Anfragen von Lebenshilfe-Standor-         ner für Neuanschaffungen oder Repara-
Hände und verbessern die Haltung“, so       ten berät Franz-Josef Feurstein, küm-         turen“, so Sabine Hammerschmidt von
Begleiterin Carmen Hohenberger. Auch        mert sich um die entsprechenden An-           der Werkstätte Langenegg.
die Anschaffung eines Stehtisches und       träge und besorgt die Hilfsmittel. Aber
die Finanzierung über die Versicherung      auch Angehörigen hilft er gerne weiter.
hat Franz-Josef Feurstein organisiert.      Bei speziellen Anfragen schätzt er den
                                                                                                         KONTAKT &
Zehn Minuten täglich am Stehtisch hel-      internen Austausch mit Erika Schatton           INFO         INFORMATION
fen Andrea Ender, ihren Stehimpuls an-      vom Pflegefachteam.
zuregen und die Körperhaltung zu            Die zentrale Therapie- und Hilfsmittelbe-
verbessern. Wobei sie entscheidet, wann     ratung ist eine große Unterstützung. „Ge-       Franz-Josef Feurstein
                                                                                                                         lberatung
sie sich die Zeit dafür nimmt. Für ihren    meinsam mit Franz-Josef haben wir eine          Therapie- und Hilfsmitte
Wunsch, selbständiger arbeiten zu kön-      Bestandsaufnahme gemacht. Nicht                 Mobile Dienste
nen, wurde eine Art Drehscheibe mit Ver-    mehr gebrauchte Hilfsmittel konnten so          Tel.: 0664 887 14 842
                                                                                                                       ein@lhv.or.at
tiefungen aus Holz in der Fachwerkstätte    anderen Standorten zur Verfügung ge-             E-Mail: franz-josef.feurst
                                                                                                                    rar lberg.at
angefertigt. Damit kann sie nun einzelne    stellt werden. Mit Franz-Josef haben wir         www.lebenshilfe-vo

Andrea Ender (l.) mit Handschiene und Carmen Hohenberger.        Franz-Josef Feurstein (v.) und Marcel Ott in der Reparaturwerkstatt.
20                                        MAGAZIN

Wege zur selbstbestimmten
Sexualität
Beitrag zum                  Sexualität ist mit dem Menschsein
                             untrennbar verbunden. Sie umfasst
                                                                             Um auf Fragen, Wünsche und Vorstel-

                             alle Aspekte des Mann- oder Frau-
                                                                             lungen zum Thema Sexualität einge-
Kompetenznetzwerk
                             seins und ist bereits Teil der kindli-
                                                                             hen zu können, bedarf es einer um-

                             chen Persönlichkeit. In der zwi-
                                                                             fassenden Auseinandersetzung mit
„Sexual(päd)agogik“
                             schenmenschlichen Beziehung ist
                                                                             dem Thema. Die zur Folge haben

                             Sexualität von großer Bedeutung für
                                                                             kann, dass das Selbstbewusstsein und

                             die Werte der Liebe, Nähe, Wärme,
                                                                             Selbstwertgefühl einer Person gestei-

                             Zärtlichkeit und Sinnlichkeit.
                                                                             gert wird.

                                                                             Menschen mit Behinderungen beschäf-
                             Grundsätzlich hat jeder Mensch, unab-           tigen oft Themen wie:
                             hängig vom Alter und unabhängig vom
                             Ausmaß des Pflege- und Unterstüt-                 die Sehnsucht nach Beziehung,
                             zungsbedarfs, das Recht auf Sexuali-            Vertrauen, Nähe, Zuverlässigkeit. Das
                             tät, auf Respektierung seiner ge-               Gefühl, gebraucht zu werden.
                             schlechtlichen Identität und seiner Le-           der Wunsch nach Veränderung,
                             bensweise.                                      Selbstständigkeit, Loslösung vom El-

                             Respektierung, Orientierung und
                                                                             ternhaus – die Erwachsenenrolle ein-

                             Lebensweise
                                                                             zunehmen.
                                                                               die Verleugnung der eigenen Behin-
Anita Sailer                 Da Sexualität und Partnerschaft lange           derungen.
                             Zeit ein Tabuthemen waren und teil-               der Wunsch, durch ein Kind eine
Kompetenzteam                weise immer noch sind, wurden viele             „normale“ Familie zu sein.
„Sexual(päd)agogik“          Menschen mit Behinderungen nicht
der Lebenshilfe Vorarlberg   aufgeklärt. Bei der Aufklärung geht es          Generell ist die Sexualität ein Grund-
                             nicht in erster Linie um das Kennenler-         recht jedes Menschens. Die Partner-
                             nen von Sexualpraktiken, sondern viel-          schaft gibt uns Selbstbestätigung und
                             mehr um die Erweiterung der eigenen             vermittelt Normalität. Verhaltensauffäl-
                             Körperwahrnehmung und das Wissen                ligkeiten von Menschen mit Behinde-
                             über den eigenen Körper.                        rungen können ihren Ursprung mög-

Daniel Waldner

Kompetenzteam
„Sexual(päd)agogik“
der Lebenshilfe Vorarlberg

                             Das Team der „Sexual(päd)agogik“ (v.l.): Daniel Waldner, Sonja Lässer-Bulander, Anita Sailer
                             und Liane Diwischek.
MAGAZIN                                                                  21

licherweise auch in unterdrückter Se-           Gesundheit, Prävention und Verhü-       dig, werden Erstkontakte zu weiteren
xualität haben. Ihr partnerschaftliches     tung                                        internen und externen Beratungsstel-
Interesse ist aber nicht unmittelbar an        Privatsphäre, Intimsphäre und Auf-       len hergestellt.

                                                                                        Sprechtage in Dornbirn
Geschlechtsverkehr gekoppelt.               zeigen von möglichen Wegen zu einer

Was macht das Kompetenznetzwerk
                                            gelebten, selbstbestimmten Sexualität

„Sexual(päd)agogik“ aus?
                                               Identität und Orientierung               Jeden 2. und 4. Samstag im Monat fin-
                                               Beziehungen, Partnerschaft und           den im Familien- und Sozialzentrum an
Das Kompetenznetzwerk „Sexual-              Kinderwunsch                                der Ach in Dornbirn (Freizeittreff „Füra-
(päd)agogik“ besteht aus einem Team            Nähe und Distanz, Grenzen setzen         nand“) die „Sexual(päd)agogischen
an ausgebildeten Sexualpädagoginnen         – „Stopp/Nein sagen“                        Sprechtage“ statt. Von 10.00 bis 13.00
und Sexualpädagogen der Lebenshilfe                                                     Uhr können hier alle Fragen anonym
Vorarlberg. Das Team berät und unter-       Außerdem werden laufend öffentliche         und kostenlos an ein Mitglied des
stützt Menschen mit Behinderungen,          Fortbildungen an der Akademie der Le-       Teams „Sexual(päd)agogik“ gestellt
deren Angehörige, Begleitpersonen           benshilfe Vorarlberg angeboten:             werden.
und Fachkräfte zum Thema „Sexualität
und Behinderungen“. Die Beratung ist          Aufklärungsworkshops für Menschen
möglich, egal ob bereits Kontakt zur        mit Behinderungen – Grundkurs und
Lebenshilfe besteht oder noch nicht.        Aufbaukurs

Beratungs-Angebot im Überblick
                                              Fort- und Weiterbildungen für Be-
                                            gleitpersonen und Fachkräfte                                KONTAKT &
Das Team „Sexual(päd)agogik“ unter-           Abendvorträge, wie zum Beispiel zu          INFO          INFORMATION
stützt in Einzel- und Paarberatungen        „Psycho-sexuelle Entwicklung von
nach terminlicher Vereinbarung. Infor-      Kindern und Jugendlichen mit Behin-                                       gsstelle
mationen und Beratungen gibt es zu          derungen“                                      Psychosoziale Beratun
                                                                                           Landesgeschäftsste     lle
folgenden Themen:                                                                                                     Götzis
                                            Zusätzlich bietet das Team, zusammen           Gartenstrasse 2, 6840
   Aufklärung, Sprache – das Team           mit dem Kompetenznetzwerk „Gewalt-             Tel.: 0664 887 120 56
                                                                                                                        .at
hilft zu verstehen, was in Körper und       schutz“ der Lebenshilfe Vorarlberg, Be-         E-Mail: beratung@lhv.or
                                                                                                        sh ilfe -vo rar lbe rg.at
Psyche vorgeht (Liebeskummer, Kör-          ratungen und Hilfestellungen bei                www.leben
perwahrnehmungen,etc.)                      sexualisierter Gewalt an. Falls notwen-

Bei der Beratung verwendet das Team der „Sexual(päd)agogik“ verschiedene Anschaungsmaterialen.
22

         Ahmad Berees mit seinem Aus-
         bilder Emanuel Egle in der Tischlerei
         des IAZ Röthis.

     Arbeitsassistentin Franziska Maier
     (l., Firma „dafür“) mit Ahmad Berees
     und Carmen Kager, Sozialpädagogin
     des IAZ Röthis.
MAGAZIN                                                             23

Vom Jugendcoaching zur
richtigen Ausbildung
Jedes Jahr im September beginnen
neue Jugendliche mit Beeinträchti-
                                            fahrungen gesammelt, unterschiedliche         Syrer bereits angefreundet. Doch bei

gungen ihre Ausbildung an den drei
                                            Berufsbilder kennengelernt und berufs-        Fragen nutzt er lieber die Möglichkeit,

Standorten des Integrativen Ausbil-
                                            spezifische Tests durchgeführt. „Hier         seine beiden Ausbilder direkt anzuspre-

dungszentrums (IAZ). In Röthis waren
                                            musste ich alles machen. Ich habe ge-         chen. „Ahmad ist sehr zuverlässig und

es heuer sieben Jugendliche, darun-
                                            feilt, gemalt – alles“, erzählt der 17-Jäh-   arbeitet gerne mit Holz. Da er ein Hörim-

ter auch Ahmad Berees.
                                            rige in gutem Deutsch. Auch Schnup-           plantat hat, waren die lauten Maschinen
                                            pertage in unterschiedlichen Berufen ge-      anfangs ein Problem. Hier haben wir mit
                                            hörten dazu. Im IAZ in Wolfurt lernte         dem Landeszentrum für Hörgeschädigte
Seit 2015 ist Ahmad Berees mit seiner       Ahmad Berees die Malerei und Drucke-          (LZH) in Röthis Kontakt aufgenommen,
Familie in Österreich. Ursprünglich         rei kennen. Im IAZ in Röthis probierte er     die Ahmad schon länger begleiten. So
kommt er aus der Hafenstadt Latakia in      im Bereich Tischlerei das Arbeiten mit        konnten spezielle Kopfhörer besorgt
Syrien. Seine Pflichtschule hat der 17-     Holz aus. In der Gastronomie zu arbei-        werden, die ihm die Arbeit erleichtern“,
Jährige mit Hörbeeinträchtigung im Son-     ten, konnte sich der Jugendliche nicht        berichtet Ausbilder Emanuel Egle.
derpädagogische Zentrum in Götzis           wirklich vorstellen. Daher gab es keinen
absolviert. Zuvor besuchte er die Mittel-   Schnuppertag im Hotel Viktor am Vik-          Auch von Sozialpädagogin Carmen
schule Feldkirch Gisingen. „Jugendliche     torsberg. „Am besten hat mir die Tisch-       Kager wird der Auszubildende zusätzlich
mit Beeinträchtigungen kommen im letz-      lerei gefallen. Das Schleifen und die         unterstützt. „Im ersten Jahr gehen wir
ten Pflichtschuljahr automatisch ins Ju-    Werkzeuge. Das wollte ich machen“, er-        täglich gemeinsam den Arbeitstag durch.
gendcoaching. Und anschließend nach         innert sich der Jugendliche.                  Wir besprechen überhaupt alles, was
der beruflichen Orientierung und der Ab-                                                  den Jugendlichen wichtig ist. Ahmad
klärung der kognitiven Fähigkeiten in die   Somit leiteten Arbeitsassistentin Fran-       zum Beispiel möchte eventuell in die
Arbeitsassistenz. Bei uns in der Arbeits-   ziska Maier von „dafür“ und Sozialpäd-        zweite und längere Ausbildungsform, die
assistenz werden die Jugendlichen bei       agogin Carmen Kager vom IAZ Röthis            Teilqualifikation wechseln. Je nachdem
der Suche nach einer passenden Ausbil-      alles für den Ausbildungsstart in die         wie das erste Jahr klappt, wird das auch
dungsstelle unterstützt. Meist nehmen       Wege. Beim Aufnahmegespräch war               möglich sein. Im zweiten Ausbildungs-
wir dann Kontakt mit unserem Koopera-       auch Ahmads Vater mit dabei. Mit Sep-         jahr werde ich dann versuchen, Praktika
tionspartner, dem Integrativen Ausbil-      tember begann Ahmad Berees nun seine          für ihn in der Wirtschaft zu organisieren.
dungszentrum (IAZ) auf. Grundvoraus-        Anlehre in der Tischlerei, die zwei Jahre     Ich bin zuversichtlich, dass Ahmad seine
setzung für die Begleitung durch die Ar-    dauert. Unter der Woche erhält er seine       Ausbildung bestens meistern wird“, ist
beitsassistenz und die Anstellung im IAZ    praktische Ausbildung im IAZ Röthis und       die Sozialpädagogin überzeugt.
ist übrigens eine Arbeitsberechtigung.      am Freitagvormittag besucht er die Be-
Diese ist bei Ahmad aufgrund seines         rufsschule in Bregenz. „Mir gefällt die Ar-
Konventionspasses gegeben“, berichtet       beit. An die (Sicherheits-)Schuhe musste
Franziska Maier von der Firma „dafür“ in    ich mich gewöhnen. Wir haben auch
                                                                                                        Integratives
Hohenems.                                   schon einen Erste-Hilfe-Kurs gemacht.          INFO         Ausbildungs-
                                                                                                        zentrum
Der Weg zum Ausbildungsplatz
                                            Ins IAZ fahre ich mit dem Bus und mit
                                            dem Zug zur Schule – von Zuhause in                                      mit Beein-
Im IAZ Röthis wurden schließlich Ahmad      Götzis“, berichtet der Auszubildende.           Etwa 60 Jugendliche
                                                                                                                     an den drei
                                                                                            trächtigungen werden
                                            Unterstützung in allen Bereichen
Berees berufliche und persönliche Fäh-                                                                                 iven Aus-
igkeiten getestet. Dafür gibt es ein ent-                                                   Standorten des Integrat
                                                                                                                    Z) – IAZ Rö-
sprechendes Verfahren, das sich „Prak-      Mit dem einen oder anderen Auszubil-            bildungszentrums (IA
                                                                                                                  d Hotel Viktor
tisches Clearing“ nennt. Es werden Er-      denden der Tischlerei hat sich der junge         this, IAZ Wolfurt un
                                                                                                                    eb ildet. Das
                                                                                             (Viktorsberg) – ausg
                                                                                                                       sbildungs-
                                                                                             Angebot umfasst drei Au
                                                                                                                      hn Berufs-
            Am besten hat mir die Tischlerei                                                  formen und das in ze
                                                                                                                      ntegratives-
                                                                                              feldern. Mehr: www.i
            gefallen. Das wollte ich machen.“                                                 ausbildungszentrum.at
Sie können auch lesen