Kompetenzen ... gemeinsam bündeln und "mitanand" für mehr Lebensqualität sorgen - Lebenshilfe Vorarlberg
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www.lebenshilfe-vorarlberg.at Zeitschrift der Lebenshilfe Vorarlberg | Ausgabe 2/19 Kompetenzen ... gemeinsam bündeln und „mitanand“ für mehr Lebensqualität sorgen.
I feel the ENERGY wenn im Kopswerk II die Maschinen laufen! ik Simon Manahl, Metalltechn der Meine Ausbildung bei illwerke vkw SIC H JE T ERE D Z IR SC H T D E I N E NUP N TER P E für J MIN R- änne r un d Fe 202 brua 0 r lehrlinge.illwerkevkw.at
IN DIESER AUSGABE 3 THEMEN VORWORT DAS THEMA: „Um was geht es?“ SEITE Gemeinsam Kompetenzen bündeln 4 Zum Thema Kompetenznetzwerk fiel mir das Gespräch der bei- den Buben beim Stundenlauf ein. Mit ihren Überlegungen „Kräfte sammeln, bündeln, nutzen, zemma si ist schö“. „Um was geht es?“, fragt David beim Stundenlauf in Dornbirn. Mein Enkel Christoph atmet tief durch und antwortet „mitren- nen“. Die beiden sechs Jahre alten Buben laufen vor mir her. Ich habe sie nach ihrem großartigen Sprint am Start endlich eingeholt. David zeigt auf sein Nummernschild vom Stunden- lauf und ruft „Christoph, Kraft sammeln zum Weiterrennen“. Seine Zwillingsschwester Miriam zieht mit ihrem Papa gleich- mäßig an uns vorbei. Jasmin im Elektro-Rolli legt sich in die SCHREIB & KUNST WERKSTATT Kurve und ruft beim Vorbeifahren „Hopphopp“. Alle laufen in un- 15 terschiedlichstem Tempo. Die beiden Buben starten durch in Digitalisierung – schöne neue Welt 15 die nächsten Runden. Nach dem Stundenlauf sitzen alle zufrie- Ein Rückblick auf unsere Arbeit als 16 den zusammen, teilweise außer Atem, kunterbunt, Familien mit Selbstvertreter Kindern, Firmengruppen, Freunde und Nachbarn. Christoph 5 Fragen an: Hanna Kamrat 18 sitzt mittendrinnen und sagt: „Oma, zemma si ist schö“. MAGAZIN Die Frage „Um was geht es?“ nehmen wir bei der Lebenshilfe 19 als Ausgangspunkt und erweitern sie mit „Um wen geht es und Sexual(päd)agogik: „Wege zur 20 mit wem?“. Im Mittelpunkt unserer Kompetenznetzwerke ste- selbstbestimmten Sexualität“ hen Menschen mit Beeinträchtigungen, die von qualifizierten IAZ: Vom Jugendcoaching zur 22 Mitarbeitenden der Lebenshilfe Vorarlberg unterstützt werden. richtigen Ausbildung Es geht dabei um die Verbesserung ihrer Selbstbestimmung und ihre gesellschaftlichen Teilhabe. Gemeinsam gilt es, acht- sam zu sein und zu Überlegen, wie wir ihnen noch mehr Le- bensqualität ermöglichen können. In der aktuellen Ausgabe der „Miteinander Leben“ wollen wir Ihnen einige Kompetenznetzwerke, wie zum Thema Pflege, Persönliche Zukunftsplanung, Autismus oder Hilfsmittel näher vorstellen. Dazu gibt es einen Beitrag zur „Sexual(päd)agogik“, Informationen zur „NuterzInnen Befragung“ und zum Thema Gewaltschutz. Ich wünsche viel Freude beim Lesen. INFORMATION & BERATUNG 26 KURZMELDUNGEN 28 FREUNDE & GÖNNER 29 TERMINE 30 Titel: Lara Heidegger (M.) mit Angehörigen und Lebenshilfe- Dr. Adriane Feurstein ExpertInnen bei der „Persönlichen Zukunfstplanung“. Präsidentin der Lebenshilfe Vorarlberg
4 Martin Dang (l.) mit Anette Omann, Teamleiterin „Zielwärts und Persön- liche Zukunftsplanung“ und Lothar Winter, Leiter der Werkstätte Luste- nau Rheinstrasse. Martin Dang (l.) mit seiner Mutter beim E-Rollstuhl-Training. Daneben mit Lothar Winter beim Üben am Computer.
THEMA: KOMPETENZEN 5 Selbstbestimmt die eigene Zukunft planen Im Kompetenznetzwerk „Zielwärts und Persönliche Zukunftsplanung“ war die Kombination aus zwei Werkstät- Omann. Gemeinsam legten sie Ziele fest unterstützt ein qualifiziertes Team ten in Lustenau ideal. Heute arbeitet er und wer Martin wie bei der Umsetzung Menschen mit Behinderungen bei zwei Tage in der Rheinstrasse, zwei Tage unterstützt. „Annette kann ich immer fra- ihrer Lebensgestaltung. Wie etwa im Lorettoweg und einen Tag malt er im gen, auch beim Antragstellen für den E- Martin Dang aus Lustenau, der mit ARTelier Lustenau, das sich in der Werk- Rolli. Sie und Franz-Josef Feurstein, Hilfe seiner Angehörigen, Begleitper- stätte Rheinstrasse befindet“, berichtet Zuständiger für die Hilfsmittel bei der Le- sonen und weiteren Wegbegleiterin- Annette Omann. benshilfe, haben mir dabei geholfen. Das nen bzw. –begleitern seine Ziele ver- Durch die Wochenstruktur konnten so Ar- Schulheim Mäder hat uns wiederum wirklichen will. beitszeit und Pflege ideal auf die Bedürf- einen Rolli geliehen. Martin übt jetzt im- nisse des 38-Jährigen abgestimmt wer- mer fleißig zuhause“, ist Mutter Ngoc den. „Ich schaffe gern. Aber brauche Dung Dang stolz. Wenn man Martin Dang in der Werk- mehr Pausen. Kann nicht alles alleine, stätte Rheinstrasse in Lustenau bei der aber mit Hilfe geht’s gut“, ergänzt Martin Das Training für einen externen Arbeits- Arbeit besucht, fällt einem sofort seine of- Dang. Besonders der Austausch zwi- platz hat Werkstätten-Leiter Lothar Win- fene und fröhliche Art auf. Aber man sieht schen den Teams der beiden Werkstät- ter übernommen. Zweimal in der Woche auch, dass er sich trotz Gehhilfe sehr ten ist wichtig. „Wir tauschen uns übt er mit Martin Dang kleine Bürotätig- schwer mit der Fortbewegung tut. Das ist regelmäßig aus und da hilft es sehr, dass keiten, wie etwa Listen am PC eintippen. auch etwas, was der 38-Jährige in Zu- wir nicht weit auseinander liegen. Jeden Den Computerführerschein selbst hat kunft ändern möchte und noch einiges Mittag gehen wir zudem mit allen im Lo- der 38-Jährige bereits geschafft. Das mehr. „Ich probiere einen E-Rolli aus. Zu- rettoweg Mittagessen. Gemeinsam wird Ziel, das beide vor Augen haben, ist ein hause übe ich. Es macht Spaß“, erzählt besprochen, wenn zum Beispiel etwas Arbeitsplatz in JobKombi. Also, dass Martin Dang ganz stolz. Bereits in seiner besonders war oder Martin einen Martin Dang stundenweise in einer Firma Schulzeit im Schulheim Mäder hatte er Wunsch zur Veränderung hat. So kön- arbeitet und die restliche Woche weiter- einen Elektro-Rollstuhl, mit dem er sich nen wir etwas verbessern oder anpas- hin in der Werkstätte. In einem Jahr wer- selbständig fortbewegen konnte. Aller- sen“, erklärt Lothar Winter, Leiter der den sich alle aus dem Unterstützerkreis dings war es nur ein Leihgerät der Werkstätte Lustenau Rheinstrasse. und Martin Dang wieder treffen. Um zu Zukunft gemeinsam verändern Schule, das er nur dort verwenden schauen, wie weit er seinen Zielen mit konnte. Seit 2016 arbeitet er nun in der Unterstützung gekommen ist. Lebenshilfe-Werkstätte und ist durch die Doch auch für seine berufliche Zukunft Gehhilfe nicht mehr so beweglich. „Ich hatte Martin Dang Wünsche. Er wollte möchte einen eigenen E-Rolli. Dann unbedingt in einer Firma arbeiten. Um kann ich überall hinfahren“, so der 38- ihm bei der Verwirklichung seiner Wün- INFO Was ist PZP? Jährige. Bei diesem Ziel wollen ihn viele sche zu unterstützen, wurde im letzten unterstützen, ganz besonders seine Mut- Mai ein „Unterstützerkreis“ einberufen. rarlberg ist In der Lebenshilfe Vo ter und Annette Omann, Leiterin vom Dabei konnte Martin Dang selbst bestim- nliche Zu- „Zielwärts und Persö Team „Zielwärts und Persönliche Zu- men, wen er alles dazu einlädt. Anwe- die zentrale kunftsplanung“ (PZP) kunftsplanung“. send waren seine Mutter Ngoc Dung nn es um die Le- Dienstleistung, we Individuelle Begleitung Dang und seine Schwester, Begleitper- Me ns chen mit bensgestaltung von sonen aus den Werkstätten, Geschäfts- Mi t einem Behinderungen geht. „Als Martin in die Werkstätte wechselte führer Arnt Buchwald und seine ehe- muliert die „Unterstützerkreis“ for waren wir bereits bei der Begleitung malige Lehrerin Judith Dreymann aus ihr Leben begleitete Person Ziele für dabei. Er wollte gerne arbeiten und so dem Schulheim Mäder sowie Annette an der Ver- und gemeinsam wird Ein we- wirklichung gearbeitet. von PZP ist sentlicher Bestandteil Ich möchte einen eigenen E-Rolli. Dann das achtsame un d ind ividuelle Hin- rfnis se der Per- sehen auf die Bedü kann ich überall hinfahren.“ son. Und das auch für Menschen m Unter- mit hohem und höchste stützungsbedarf.
6 Raphael Tomaselli (o.) weiß durch die Fotos, wer und wann im Wohn- haus Dienst hat. Links sieht man den Koffer mit den Symbolbildern für seinen Tagesplan. Raphael Tomaselli und Begleiter Sebastian Amann (l.) beim Kom- munizieren mit dem iPad.
THEMA: KOMPETENZEN 7 Individuelle Begleitung für Menschen mit Autismus Aufgrund ihrer schwerwiegenden Be- einträchtigungen haben Menschen Alle unsere Angebote zielen auf eine mit Autismus-Spektrum-Störung ei- nen besonderen Unterstützungsbe- bestmögliche Unterstützung ab.“ darf. Das Kompetenzteam der Le- benshilfe Vorarlberg hilft Mitarbei- tenden bei Fragen zur individuellen Begleitung und bei der Gestaltung des Lebensumfeldes weiter. Es bietet teten Personen ab. Wichtig ist dabei prä- tere, wie „MARTE MEO“, PECS, das spezielle Schulungen an. ventiv zu arbeiten und nicht erst bei Kri- Führen nach Affolter oder die „Unter- sensituationen weiterzuhelfen. Dem- stützte Kommunikation“. Für jede dieser nächst werden weitere Mitglieder ins Methoden gibt es eine Expertin oder Das „Kompetenzteam Autismus“ setzt Team kommen, die gerade ihre Ausbil- einen Experten im Kompetenzteam. Wünsche mitteilen sich aus unterschiedlichen Mitarbeiten- dung absolvieren“, so die Team-Koordi- den der Lebenshilfe Vorarlberg zusam- natorin und Leiterin des Wohnhaus Dr.- men, die im Bereich Wohnen, „Arbeiten Alfons-Heinzle-Strasse in Götzis. Raphael Tomaselli verwendet seit einiger Pädagogische Förderung & Beschäftigen“ oder im Familienservice Zeit ein iPad als Hilfsmittel für die „Unter- tätig sind. Alle haben fundierte Ausbildun- stützte Kommunikation“. Durch ein gen absolviert und sie bilden sich regel- Bei der Begleitung von Menschen mit Sprachprogramm mit Symbolbildern lernt mäßig weiter. „Als externer Berater un- Autismus wird durch verschiedene Hilfs- der 27-Jährige seine Wünsche mitzutei- terstützt uns Ludo Vande Kerckhove und mittel versucht, Orientierung, Kommuni- len. „Raphael kann so zum Beispiel seine er ist oft bei unseren Austauschtreffen kation und gesellschaftliche Teilhabe im Einkaufsliste erstellen und im Geschäft dabei. Hier besprechen wir neue Er- Alltag zu ermöglichen. Raphael Tomaselli gezielt das richtige Produkt finden“, so kenntnisse, geben Fortbildungsinhalte wohnt im Wohnhaus Dr.-Alfons-Heinzle- sein Begleiter. Aber auch der standort- weiter oder berichten über Beispiele aus Strasse in Götzis und verwendet zur Ori- übergreifende Austausch ist ganz wich- dem Alltag. Eine weitere Möglichkeit des entierung etwa einen Tagesplan mit tig. „Im Wohnhaus und in der Werkstätte externen Austausches ist das multipro- Symbolbildern. Am Vormittag findet sich muss für Raphael die gleiche Struktur zur fessionelle Team des Landes Vorarlberg. darauf zum Beispiel das Bild fürs Zähne- Orientierung vorhanden sein. Daher ha- Hier können sich alle Institutionen mit putzen, Frühstücken oder fürs Arbeiten ben wir gemeinsame Schulungen durch- ihren Fragen zum Thema Autismus hin- in der Werkstätte Feldkirch Nofels. Nach geführt. Nur so kann Raphael lernen, wenden“, erklärt Silvia Blatter, Koordina- der Arbeit ist dann das Symbol für Frei- breiter zu kommunizieren und seine Be- torin des Kompetenzteams. zeit darauf. Raphael nimmt dieses vom dürfnisse ausdrücken“, so Silvia Blatter. Bestmöglichen Begleitung Plan und schaut in die grüne Mappe, die daneben hängt. Hier findet er Fotos, die An Silvia Blatter direkt stellen die Mitar- ihn bei etwas zeigen, was er gerne beitenden der Lebenshilfe ihre Anfragen, macht. Er nimmt sich jenes zum Musik- die sie dann an die anderen Teammitglie- hören heraus. Er geht ins Wohnzimmer, der weiterleitet oder selbst übernimmt. klebt das Foto an seinen Platz und hört Neben der Beantwortung konkreter Fra- sich seine Lieblings-CD an. „Wir geben gen, hilft das Kompetenzteam auch stun- immer nur für bestimmte Tageszeiten die denweise vor Ort weiter. Die Mitarbei- Bilder auf den Plan. Wenn er komplett tenden werden so angeleitet und zum voll wäre, könnte sich Raphael nicht richtigen Umgang mit der begleiteten mehr daran orientieren. Es wären zu Person befähigt. Zudem wird über die viele Reize gleichzeitig, die ihn verwirren Lebenshilfe-Akademie zweimal jährlich würden“, weiß sein Begleiter Sebastian ein Basiskurs zu Autismus angeboten. Amann. „Alle unsere Angebote zielen auf eine Neben der TEACCH-Methode mit Ta- Regelmäßig finden Coachings mit Experte bestmögliche Unterstützung der beglei- gesplan gibt es für die Begleitung wei- Ludo Vande Kerckhove (r.) zu Autismus statt.
8 Abbildung: Die 10 Kompetenznetz- werke der Lebenshilfe Vorarlberg. Sie bestehen aus Fachteams, die unsere Begleitung von Menschen mit Behinderungen qualitativ wei- terentwickeln. Ein Kompetenznetzwerk befasst sich mit dem Thema Pflege. Es besteht aus einem Pflegefachteam, das gute Pflege an den Lebenshilfe- Standorten sicherstellt.
THEMA: KOMPETENZEN 9 Was macht ein Kompetenz- netzwerk aus? In der Lebenshilfe Vorarlberg hat sich in den Jahren sehr viel Know- Im Kompetenznetzwerk „Zielwärts und vom Kompetenzteam „Sexual(päd)- How entwickelt. Damit dieses Fach- Persönliche Zukunftsplanung“ ist der agogik“, wo kostenlos und anonym be- wissen besser genutzt und be- zentrale Kernprozess der Lebenshilfe raten wird (siehe Seite 20). Auch mit reichsübergreifend eingesetzt wird, Vorarlberg zusammengefasst. Hier dem Kompetenznetzwerk „Gewalt- gibt es zehn Kompetenznetzwerke. geht es darum, Menschen mit Behinde- schutz“ (siehe Seite 27) wird gemein- rungen zu helfen, dass sie sich mit same Beratung angeboten. ihren Träumen, Interessen, Fähigkeiten Im Mittelpunkt der täglichen Arbeit steht und Zielen auseinandersetzen. Für die Zudem vernetzen sich die verschiede- die Verbesserung der Lebensqualität Umsetzung der Ziele der begleiteten nen Kompetenzteams mit externen der Menschen mit Behinderungen, die Person ist ein „Unterstützerkreis“ aus Beraterinnen oder Beratern. Ein Bei- in verschiedenen Bereichen der Le- Angehörigen, Begleitpersonen, etc. spiel dafür ist das Kompetenzteam Au- benshilfe begleitet werden. Um die Mit- notwendig (siehe Seite 10). tismus, das sich bei regelmäßigen arbeitenden vor Ort entsprechend zu Treffen mit Experte Ludo Vande Kerck- befähigen, gibt es die sogenannten Die Aufgabe des Pflegefachteams des hove austauscht (siehe Seite 6). Kompetenznetzwerke. Diese bestehen Kompetenznetzwerks „Alter, Pflege aus speziell geschulten Mitarbeitenden und Gesundheit“ ist es wiederum, ge- Das Kompetenznetzwerk Selbstvertre- bzw. Kompetenzteams, die jeweils ihr meinsam mit den Führungskräften die tung arbeitet wiederum seit einigen Fachwissen an ihre Kolleginnen und Kollegen weitergeben. So kann zum Beispiel die Begleitung einer Person in- dividueller gestaltet werden oder auch neue, anerkannte Methoden zu Anwen- Das Wissen und die Kompetenz sollen dung kommen. Wichtig dabei ist, dass bereichsübergreifend zusammen gear- für alle verfügbar sein.“ beitet wird. Aktuell gibt es in der Lebenshilfe Vor- arlberg zehn Kompetenznetzwerke mit Standards einer guten Pflege an allen Jahren mit Selbstvertreterinnen und entsprechenden Kompetenzteams: Standorten zu gewährleisten. Die Selbstvertretern aus dem Bodensee- Teammitglieder führen pflegerische raum zusammen. Gemeinsam wurde Kompetenznetzwerk „Zielwärts und Maßnahmen selbst durch oder delegie- zum Beispiel die „Bodensee-Deklara- Persönliche Zukunftsplanung“ ren Pflegetätigkeiten an Mitarbeitende, tion“ verfasst und an Politikerinnen Kompetenznetzwerk „Alter, Pflege die sie wiederum regelmäßig kontrollie- bzw. Politiker der jeweiligen Länder und Gesundheit“ ren. Ziel ist es, die Mitarbeitenden zu übergeben. Aufgrund ihrer jahrelangen Kompetenznetzwerk„Autismus- einer guten Pflege zu befähigen (siehe Erfahrung können die gewählten Spektrum-Störung“ Seite 12). Selbstvertreter der Lebenshilfe Vorarl- Beratung und Wissensaustausch Kompetenznetzwerk „Affolter“ berg auch gut vermitteln, was ihre Ar- Kompetenznetzwerk „Gewaltschutz“ beit ausmacht (siehe Seite 16). Kompetenznetzwerk „Selbstver- Die Teams der Kompetenznetzwerke tretung“ geben aber nicht nur intern ihr Fach- Auch in Zukunft sollen sich die beste- Kompetenznetzwerk „Sozial(päd)- wissen vor Ort oder bei Schulungen henden Kompetenznetzwerke weiter- agogik“ der Lebenshilfe Akademie weiter. Sie entwickeln. Als lernende Organisation Kompetenznetzwerk „Unterstützte werden als anerkannte Referentinnen will die Lebenshilfe Vorarlberg das Wis- Kommunikation“ oder Referenten zu externen Veran- sen und die Kompetenzen für alle ver- Kompetenznetzwerk „Personal“ staltungen eingeladen, wie das zum fügbar machen. So werden in den Kompetenznetzwerk „Therapie/ Beispiel bei der „Unterstützten Kommu- nächsten Jahren neue Kompetenz- Hilfsmittel“ nikation“ der Fall ist. Oder es werden netzwerke aufgebaut werden, wie zum externe Sprechtage veranstaltet, wie Beispiel zum Thema Digitalisierung.
10 Lara Heidegger (l.) bei der Arbeit mit Benno Scherer in der Sunnahof- Tischlerei. Rechts: Lara mit ihrem Chef Sascha Heidegger im Bunt- werk in Dornbirn. Gruppenfoto mit Lara Heidegger (M.) nach ihrem „Unterstützerkreis“ am Sunnahof.
THEMA: KOMPETENZEN 11 Mit qualifizierter Unterstützung das Leben selbständig meistern Lara Heidegger arbeitet gerne in der Tischlerei am Sunnahof. Auch ver- Beim Unterstützerkreis wurde Lara klar, schiedene Jobs außerhalb des Bio- Bauernhofes hat sie schon aus- dass ihr alle helfen werden.“ probiert. Doch die 29-Jährige will mit entsprechender Hilfe noch mehr in ihrem Leben verändern, um selbstän- diger zu werden. menarbeit funktioniert und ich weiß mitt- Wohnung wurde wiederum 2018 ein lerweile, welche Arbeiten sie selbständig „Unterstützerkreis“ im Seminarraum des „Seit 2007 bin ich am Sunnahof. Meine machen kann. Und wo vielleicht etwas Sunnahof abgehalten. Lara Heidegger Mutter hatte die Idee, dass ich hier in der mehr Motivation notwendig ist“, so ihr lud dazu ihre Mutter und ihre Tante, ihren Landwirtschaft arbeite. Das habe ich Chef Sascha Heidegger. Handballtrainer, andere Personen aus Wunsch nach eigener Wohnung auch lange gemacht, aber die Arbeit mit ihrem sozialen Umfeld und Expertinnen Holz hat mir besser gefallen“, erzählt bzw. Experten aus der Lebenshilfe ein. Lara Heidegger. Mit ihrem Wechsel in In der Freizeit unternimmt Lara Heideg- „Gemeinsam besprachen wir mit Lara die Tischlerei ist vor allem Benno Scher- ger gerne etwas mit ihrem Freund Domi- ihren größten Wunsch, nämlich selb- rer zu einer wichtigen Bezugsperson ge- nique. Sie geht regelmäßig ins Fitness- ständig zu wohnen. Wir formulierten worden. „Lara ist zuverlässig, extrem gut studio und ist beim Handballteam der dafür Ziele und wer, wie bei der Umset- zu motivieren und hat eine sehr gute Handball Specials dabei. Zudem tanzt zung unterstützt. Es war schön zu Feinmotorik. Diese Talente haben wir sie seit 2007 im Tanzhaus Hohenems sehen, wie ihr klar wurde, dass ihr alle auch in einer großen Zahnradmaschine mit. Doch trotz abwechslungsreichem dabei tatkräftig helfen werden“, erzählt festgehalten. Sie symbolisiert unser gan- Alltag, war sie mit ihrem Leben noch Benno Scherrer. zes Team, das – wie die Maschine – nur nicht ganz zufrieden. mit allen gemeinsam richtig funktioniert“, Lara Heidegger erinnert sich auch gerne berichtet Benno Scherrer, Leiter der „Lara wohnt noch Zuhause in Hohen- zurück und ergänzt: „Wenn bei meiner Tischlerei. ems bei ihrer Mutter, die sie bei allem Tante der Mieter auszieht, dann kann ich Unterstützung in der Jobsuche was sie tut unterstützt. Nachdem sich in die Wohnung. Die liegt in der Nähe beruflich neue Chancen auftaten, wollte vom Haus meiner Mutter. Dort kann ich In gemeinsamen Gesprächen stellte sie aber auch im Bereich Wohnen eine ausprobieren, wie es ist, alleine zu woh- sich mit der Zeit heraus, dass Lara Hei- Veränderung. Daher habe ich Kontakt nen. Bis dahin übe ich zuhause mit mei- degger gerne in einer externen Firma ar- zu Walter Zaponig aufgenommen. Er ist ner Mutter. Wenn das alleine Wohnen beiten möchte. Benno Scherer unter- einer der Experten des Kompetenznetz- später klappt, ziehe ich vielleicht irgend- stützte sie bei der Jobsuche. Ein gutes werkes ‚Zielwärts – Persönliche Zu- wann mit meinem Freund zusammen.“ Jahr lang arbeitete sie stundenweise in kunftsplanung‘ der Lebenshilfe Vorarl- einem Kindergarten in Hohenems. Die berg und wusste, was zu tun ist“, erin- entsprechende Qualifizierung absol- nert sich Benno Scherrer. vierte die Beschäftigte des Sunnahof be- reits 2015 in der Arbeiterkammer. Es folgten gemeinsame Gesprächster- Obwohl ihr der Job Spaß machte, war mine um herauszufinden, was Lara Hei- Lara Heidegger immer mehr überfordert, degger sich genau für ihre Zukunft dass so viele Kinder gleichzeitig was von wünschte. Dabei kamen auch Fragen ihr wollten. Es ergab sich, dass in der zur Beziehung mit ihrem Freund auf. Firma Buntwerk Textildruck in Dornbirn Walter Zaponig organisierte dafür ein ein Job frei war. „Lara konnte sich gut Erstgespräch bei der Psychosozialen vorstellen, hier zu arbeiten. Seit einein- Beratungsstelle der Lebenshilfe, wo halb Jahren arbeitet sie nun Donnerstag- beide sich kompetent beraten ließen. Lara Heidegger und ihr Freund mit den Bera- und Freitagvormittag hier. Die Zusam- Für Laras Wunsch nach einer eigenen terinnen der Psychosozialen Beratungsstelle.
12 Heiko Depaoli und Margit Biggel (o.) bei der Durchsicht seiner Blutzucker- werte. Unten zeigt der Bewohner des Wohnhauses Lustenau, wie er mit- tels Messgerät seinen Blutzucker- wert messen kann. Daneben das Pflegefachteam mit Koordinatorin Erika Schatton (3.v.r.) und Geschäfts- bereichsleiter Andreas Dipold (r.).
THEMA: KOMPETENZEN 13 Mitarbeitende befähigen und gute Pflege sicherstellen Auf den Pflegebedarf von Menschen mit Behinderungen wird in der Le- nahmen für Heiko Depaoli geschult spezielle Tabellen, die wichtige Richt- benshilfe Vorarlberg individuell ein- wurden. Sie erhielten anschließend die werte zu den Mahlzeiten und zu einzel- gegangen. Dafür gibt es ein Pflege- schriftliche Delegation zur Ausübung. nen Lebensmitteln enthalten. Die fachteam, das die Mitarbeitenden in Umsetzung im Alltag Teams in der Werkstätte als auch im allen Lebensbereichen und Belan- Wohnhaus achten besonders gut dar- gen direkt vor Ort unterstützt. Seit nunmehr fünf Jahren wird Heiko auf. Zudem wird regelmäßig mit Heiko Depaoli im Wohnhaus Lustenau beglei- Depaoli die Diabetes Ambulanz be- tet und hat sich sehr gut eingelebt. Min- sucht und das zusätzlich zu allen Arzt- Bei Heiko Depaoli ging es zum Beispiel destens dreimal täglich muss sein visiten. „Durch die interne Zusammen- darum, seine Begleitpersonen zum Blutzuckerwert getestet werden. „An- arbeit mit dem Pflegefachteam ist es richtigen Umgang mit seiner Diabetes fangs wurden die Tests mit einem uns möglich, Heiko ein Leben im Typ 1 zu schulen. Erika Schatton, lei- Gerät durchgeführt, wofür jeweils ein Wohnhaus mit bestmöglicher Lebens- tende Pflegefachkraft im Bereich Woh- Tropfen Blut aus dem Finger notwendig qualität zu bieten. Er kann aktiv seinen nen, war dazu schon vor seinem war. Mittlerweile hat Heiko am Oberarm Interessen und Bedürfnissen nachge- Einzug im Wohnhaus vor Ort. Zunächst einen Sensor, der alle 14 Tage ge- hen, ohne wesentliche Einschränkun- erklärte sie den Mitarbeitenden Grund- wechselt wird. Heiko kann unter Anlei- gen. Die Mitarbeitenden können sicher sätzliches über die Diagnose Diabetes, tung nun selbst mit dem Messgerät mit seiner Diabeteserkrankung umge- zeigte Gefahren auf, was bei der Er- darüberstreichen und der Wert wird an- hen und wissen im Bedarfsfall wende nährung und vor allem bei der Behand- gezeigt. Auch zeigt das Gerät einen ich mich an Erika oder das Pflegefach- lung zu beachten ist. „Weiters wurde Verlauf dar, der zusätzlich Sicherheit team“, resümiert die Wohnhausleiterin. Zum Pflegefachteam von mir eine schriftliche Pflegeein- gibt“, berichtet Margit Biggel. Anhand Bestehende Pflegefachkräfte aller Ge- schäftsbereiche der Lebenshilfe Vor- Heiko können wir so ein Leben mit best- arlberg wurden zu einem Pflege- fachteam zusammengefasst. Organi- möglicher Lebensqualität bieten.“ satorisch wird das Team von Andreas Dipold, Geschäftsbereichsleiter Woh- nen, geleitet. Aufgabe des Pflegefachteams ist es, schätzung erstellt, die seit 2014 bei uns des Wertes und nach einer ärztlich an- gemeinsam mit den Führungskräften Standard ist. Im Dokumentationssys- geordneten Liste, richtet sie dann die die Standards einer guten Pflege an tem sind zudem die speziellen Beglei- jeweilige Insulin-Dosis her und spritzt allen Standorten zu gewährleisten und tungshinweise für Heiko hinterlegt, sie Heiko mittels Pen. Ganz bereitwillig damit die gesetzlichen Anforderungen damit alle Mitarbeitenden, die ihn be- krempelt er dafür seinen Pullover hoch. bestmöglich zu erfüllen. Die Teammit- gleiten jederzeit darauf zurückgreifen Danach trägt die Wohnhausleiterin glieder führen pflegerische Maßnah- können“, erklärt Erika Schatton. alles in ein Heft ein. Während des Ar- men selbst durch oder delegieren Pfle- Schulung in der Ausführung beitstages in der Werkstätte, bei Aus- getätigkeiten an Mitarbeitende, die sie flügen oder seinen regelmäßigen wiederum regelmäßig kontrollieren. Alle Mitarbeitenden in den Wohnhäu- Sparziergängen hat Heiko Depaoli Ziel ist es, die Mitarbeitenden zu einer sern, Werkstätten und im Familienser- immer einen Rucksack dabei, der Heft, guten Pflege zu befähigen. vice erhalten die Grundausbildung Zuckermessgerät und Insulin-Pen be- Im Pflegefachteam wurde auch ein maß- „Unterstützung bei der Basisversor- inhaltet. Für den Notfall ist immer Trau- geblicher Pflegeprozess erarbeitet, der gung“ (UBV). Diese war auch Vo- benzucker und Saft dabei. die systematische Erfassung, Planung, raussetzung für jene Mitarbeitenden, Durchführung und Evaluierung pflegeri- die schließlich von Erika Schatton in Ein wesentlicher Faktor bei Diabetes ist scher Maßnahmen beinhaltet. der Ausführung der pflegerischen Maß- die Ernährung. Hierfür gibt es ebenfalls
14 THEMA: KOMPETENZEN Individuelle Begleitung und Pflege in der Familie Der Familienservice der Lebenshilfe Vorarlberg begleitet Kinder, Jugendli- kurzerhand ein Untergestell mit Rollen terin des Familienservice in der Familie. che und Erwachsene auch mit hohem montiert“, berichtet Maria Wohlgenannt. Mutter Maria ist wenig begeistert von den Unterstützungsbedarf direkt zuhause Auch das Bett ihres Sohnes ist eine Spe- gesetzlichen Vorschriften: „Jeder Laie in der Familie. zialanfertigung des Onkels. Hier ist Platz aus der Familie oder aus dem Bekann- für die Spezialschale, alle Pflegeartikel tenkreis darf pflegerischen Tätigkeiten und vor allem viel Buntes zum Ent- ausführen. Aber gelernte Pflegekräfte Gerade mal vier Jahre war Florian Bro- decken, wie die Discokugel, die den 19- dürfen es nur je nach Ausbildungsform, ger alt als Manuela Reiter das erste Mal Jährigen fasziniert. obwohl sie es können. Diese behördli- Die richtige Pflege bei ihm Zuhause war. Seither kommt sie chen Hürden machen es uns Eltern jede zweite Woche einen Tag oder im schwer, entsprechende Hilfe zu bekom- Sommer auch einmal pro Woche einen Besonders wichtig ist bei Florian Brogers men. Dazu kommt der Mangel an Pfle- halben Tag zu ihm. „Ich richte mich da Pflege das regelmäßige Absaugen des gekräften.“ Umso mehr ist sie über die ganz nach dem Bedarf von Florians Mut- Schleims im Rachenraum. Daher ist eine Unterstützung und den Austausch mit ter Maria. In der Zeit, wo ich mich um ihn intensive 1:1 Begleitung notwendig, um Manuela Reiter froh, die ihren Sohn kümmere, kann sie den Tag für sich nut- das Ersticken des jungen Mannes zu schon fast so gut kennt, wie sie selbst. zen und wird entlastet“, so die ausgebil- verhindern. Obwohl Manuela Reiter als Aber auch gegenüber neuen Fachkräf- dete Pflegeassistentin. Ein gemeinsamer Pflegeassistentin mehr Qualifikationen ten ist Maria Wohlgenannt aufgeschlos- Tag mit dem 19-Jährigen beginnt mit der als die pflegerische Grundausbildung sen, wie aktuell Praktikantin Anja Baier. üblichen Körperpflege. Danach wird ge- hat, durfte sie zunächst nicht alle Tätig- „Ich absolviere gerade mein Diplom in meinsam die Zeit abwechslungsreich ge- keiten durchführen. „Alle vier Stunden der Familien- und Behindertenarbeit an staltet und es werden physiotherapeu- bekommt Florian über die Magensonde der Schule für Sozialbetreuungsberufe in tische Übungen gemacht. Mittags beim eine Spezialnahrung eingetropft. Das Bregenz. Beim Familienservice kann ich Kochen ist Florian dank Spezial-Rollstuhl dauert jeweils fast eine Stunde. Das Son- sehr viel vom Gelernten anwenden. Ne- dabei. „Durch die Skoliose hat Florian dieren erledigt sonst die Mutter und in ben Besuchen in der Familie bin ich auch einen verkrümmten Rücken. Daher ihrer Abwesenheit ich, weil ich die Dele- am Standort in Batschuns dabei“, erzählt musste eine Spezialschale extra für ihn gation dafür erhalten habe. Nur einer di- Anja Baier. Florian scheint sich gleich gut angefertigt werden. Doch die war zum plomierten Pflegefachkraft ist es ohne mit ihr zu verstehen und zeigt das mit Schieben zu schwer. Mein Bruder hat Nachweis erlaubt“, erklärt die Mitarbei- einem breiten Lachen. Manuela Reiter, Florian Broger, Anja Baier und Mutter Maria Wohlgenannt (v.l.). Florian braucht viel Pflege und wird über eine Sonde ernährt.
15 Die „SCHREIB & KUNST WERK- SCHREIB & KUNST STATT“ wird in Wort und Bild von Menschen mit Behinderungen ge- staltet. Lassen Sie sich überra- WERKSTATT schen. Schöne neue Welt – Gedanken zur Digitalisierung In unserem Leben sind digitale Hilfs- mittel nicht mehr wegzudenken. Das den Augen. Sie sagen sogar, dass die Bei einem epileptischen Anfall ist schnel- Wort Digitalisierung ist in aller Munde. Entwicklung bei Kindern beeinträchtigt le Hilfe nämlich enorm wichtig. „Fearless“ Aber was heißt das eigentlich? werden kann. gibt mir Sicherheit. Damit ich mich auf das „Leben“ konzentrieren kann. „Fear- Auch ich habe negative Erfahrungen ge- less“ ist zu einem wesentlichen Bestand- Die einfachste Definition, die man von Di- macht. Ich darf als Epileptiker mein Ge- teil meines Lebens geworden. Es hat gitalisierung findet besagt, dass „analoge hirn zum Beispiel nicht mit Reizen schon häufiger einen Sturz angezeigt. Inhalte oder Prozesse in eine digitale überfluten. Was ich aber mache, wenn Für mich natürlich eine gute Sache. Form oder Arbeitsweise umgewandelt ich lange am Computer oder vor dem Auch für Menschen mit anderen Behin- werden“. Ein Beispiel, das vielleicht alle Fernseher sitze. Was man dann als „di- derungen gibt es digitale Hilfsmittel zur kennen, ist die Umwandlung einer gitalen Stress“ bezeichnet. Diese Art von Bewältigung ihrer Schwierigkeiten. Einer Schallplatte in eine MP3-Datei. Stress kann bei mir epileptische Anfälle meiner Kollegen hat beispielsweise ein Auch ich verwende einige Geräte, wie auslösen. iPad zur „Unterstützten Kommunikation“. Digitale Hilfsmittel ein Smartphone, den Computer oder Das iPad ist ein relativ kleines und trag- einen Laptop und den Fernseher. Diese bares Gerät. Das Sprachprogramm auf Geräte haben sich auf jeden Fall in vielen Aber auch positive Seiten der Digitalisie- dem iPad unterstützt meinen Kollegen Lebensbereichen als recht nützlich er- rung gibt es. Beispielsweise wie mir „Fe- dabei, mit anderen zu kommunizieren. wiesen, aber es gibt auch kritische Stim- arless“ ermöglicht, ein selbstbestimmtes men. Studien von Expertinnen und Leben zu gestalten. „Fearless“ so heißt Die Digitalisierung hat, wie so Vieles im Experten weisen darauf hin, dass sich zu ein Gerät, das mittels Sensor an der Leben, also zwei Seiten. Man sollte halt viel Zeit vor dem Bildschirm negativ auf Decke einen Sturz wahrnimmt. Wenn ich das Gute für sich zu nutzen wissen. die Gesundheit auswirkt. Man kann stürze, meldet es das Gerät auf das davon zum Beispiel Schlafstörungen be- Diensthandy der Mitarbeiterinnen und Dominic Gessner kommen oder man kriegt Probleme mit Mitarbeiter in meiner Wohngemeinschaft. Redaktionsmitglied Dominic benutzt gerne verschiedene Geräte, aber nicht zu lange. Das Gerät „Fearless“ an der Decke zeigt an, wenn Dominic stürzt.
16 SCHREIB & KUNST WERKSTATT Ein Rückblick auf unsere Arbeit als Selbstvertreter Wir Selbstvertreter versuchen natür- lich unser Bestes, dass wir für die Menschen mit Behinderungen in der Lebenshilfe Vorarlberg etwas errei- chen. Sei es, dass Forderungen in der Politik gehört werden, aber auch dass sich in der Begleitung etwas än- dert. Bis die gewünschten Verbesse- rungen umgesetzt sind, kann es aber dauern. Zum Ende des Jahres möchte ich nun einen kurzen Rückblick auf unsere Ar- beit als Selbstvertreter geben. Und schon kurz einen Ausblick auf 2020 ma- chen. Regelmäßige Werkstattbesuche Selbstvertreter Siegfried Glössl und Klaus Brunner (Mitte) überreichten am 5. Mai die For- Uns Selbstvertretern ist es sehr wichtig, derungen zu „Gehalt statt Taschengeld“ an Landtags-Vizepräsidentin Martina Rüscher. dass wir Kontakt zu den Menschen mit Behinderungen in den Werkstätten oder kümmern uns dann auch darum oder und Politiker aus den 5 Parteien, die im Fachwerkstätten haben. Sie sind näm- helfen bei Problemen weiter. Das macht Vorarlberger Landtag sitzen, eingeladen: lich auch diejenigen, die uns Selbstver- die Arbeit als Selbstvertreter sehr wert- die ÖVP, die SPÖ, die FPÖ, die Grünen treter gewählt haben – also sprich voll, wenn man anderen Personen hel- und die NEOS. Sie sollten uns nämlich Robert Wilhelm, Siegfried Glössl, Hart- fen kann. erklären, was in ihren Wahl-Program- Veranstaltung zur Wahl wig Lorenz und mich. Wir nutzen die Be- men steht und was ihre Wahlziele sind. suche, um Menschen mit Behinde- Besonders interessiert hat uns, was sie rungen direkt nach ihren Anliegen oder Der Anlass für den Informationsabend zu Inklusion und Barrierefreiheit sagen. Beschwerden zu fragen. am 11. September in Schwarzach wa- Das sollten sie uns aber in leichter Spra- ren die Nationalratswahlen Ende Sep- che sagen. Denn Menschen mit Behin- Was ich sehr toll finde ist, dass schon tember und die Landtagswahlen Mitte derungen haben ein wichtiges Stimm- manche Anfrage gekommen ist. Wir Oktober. Daher haben wir Politikerinnen recht. Nur wenn wir etwas verstehen, Regelmäßig besuchen die Selbstvertreter Robert Wilhelm (Mitte), Klaus Brunner und Das 3. „Fest der Inklusion“ war ein voller Er- Hartwig Lorenz (rechts) Beschäftigte , wie hier in der Werkstätte Lustenau Rheinstrasse. folg. Klaus Brunner (links) mit Philipp Wüstner.
SCHREIB & KUNST WERKSTATT 17 können wir mitbestimmen – auch was Dann bin ich auch schon geraume Zeit ERASMUS Projekt in Irland. Das die Wahlen und die Politik betrifft. Mit im Vorstand der Lebenshilfe Vorarlberg, Thema lautet „Digitalisierung und So- dabei waren auch Selbstvertreterinnen wo ich ein Stimm-Recht habe. Das ziale Medien“. Dabei lernt man mit Elek- und Selbstvertreter aus allen Lebenshil- heißt, wenn etwas in der Lebenshilfe tronischen Hilfsmitteln und auch Medien fen in Österreich. Gemeinsam haben wir Vorarlberg geändert werden sollte, kann richtig umzugehen. ein paar Forderungen aufgeschrieben, ich mitentscheiden, ob ich dafür oder was wir von der Politik erwarten. dagegen bin. Ganz wie es sein sollte, Am 20. Juni 2020 findet dann in Über- als Sprachrohr für die Menschen mit Be- lingen, das ist in Deutschland, das Fest 1. „Gehalt statt Taschen-Geld!“ Die 3 wichtigsten Forderungen waren: hinderungen. „Mittendrin“ statt. Wir sind mit Selbstver- treterinnen bzw. Selbstvertretern der 2. „Wahl-Programm in leichter Spra- Und dafür ist es nämlich höchste Zeit. Selbstvertreter Siegfried Glössl ist übri- Schweiz und Deutschland dabei. Wir che!“ gens auch im Vorarlberger Monitoring wollen hier bei den Gästen Aufklärungs- 3. „Leistbares, barrierefreies Wohnen“ Ausschuss. Dort besprechen sie die arbeit machen und unsere Themen prä- Gesetze, die Menschen mit Behinde- sentieren. Besucht uns gerne beim und viel mehr Wohn-Gemeinschaften rungen betreffen. Und schon sehr lange Fest. Mehr Infos gibt’s bald auf der Sprachrohr für andere von der Politik verbessert gehören. Wie Website der Lebenshilfe Vorarlberg das gehen soll, steht ganz genau in der unter www.lebenshilfe-vorarlberg.at Unser Arbeitsfeld als Selbstvertreter ist UN-Konvention. Mit dabei in diesem sehr groß. Zum einen bin ich bei der Ausschuss sind andere Betroffene und Klaus Brunner Einschulung der neuen Zivildiener dabei der Landesvolksanwalt. Selbstvertreter Was haben wir 2020 geplant? und erkläre ihnen einiges. Zum anderen ist mein Kollege Siegfried Glössl bei den Schulungen für neue Mitarbeitende der Im nächsten Jahr haben wir einige Ter- Lebenshilfe Vorarlberg dabei. Gemein- mine geplant. So sind wir Selbstvertre- KONTAKT & sam mit Reinhard Wohlgenannt infor- ter Ende Mai 2020 in Wien beim INFO INFORMATION miert er über verschiedene Themen. sogenannten „Inclusion Europe Kon- gress“. Hier geht es um die Bildung für Klaus Brunner Ich mache mit Friedrich Gföllner, unse- alle. Also Menschen mit und ohne Be- Selbstvertreter 3 rem Unterstützer der Selbstvertretung, hinderungen lernen von Anfang an ge- Tel.: 0 55 23 506- 100 50 rtretu ng @lhv.or.at auch Aufklärungsarbeit. So gehen wir meinsam. E-Mail: selbstve nta g (au ßer am zum Beispiel in Schulen und erklären Erreichbarkeit: Mo ita g den Jugendlichen vieles zum Thema Mitte Juni 2020 bin ich einige Tage und Nachmittag) bis Fre Behinderungen. zwei weitere Personen bei einem Wahl-Veranstaltung: Vertreterinnen und Vertreter aller 5 Parteien im Die Mitglieder des Vorarlberger Monitoring-Ausschuss mit Selbst- Landtag erklärten ihr Wahlprogramm in leichter Sprache. vertreter Siegfried Glössl (oben, 4. von rechts).
18 SCHREIB & KUNST WERKSTATT 5 Fragen an: Vizepräsidentin Hanna Kamrat Der österreichische „Selbstverter-Bei- rat“ war Mitte September zu Gast im Ländle. Nach einer Sitzung hat Klaus Brunner Hanna Kamrat zum Interview getroffen. Sie ist Beiratsvorsitzende und Vizepräsidentin der Lebenshilfe Österreich. Hast Du das Amt der Vizepräsidentin gerne übernommen? Ja, sehr gerne. Seit 11 Jahren bin ich als Selbstvertreterin aktiv und seit 3 Jahren im Amt als Vizepräsidentin der Lebens- hilfe Österreich. Begonnen habe ich mit der Selbstvertretung bei der Lebenshilfe Graz. Ein Freund hatte mir gesagt, dass ich es doch mal versuchen soll. Eigent- lich wollte ich es mir nur mal ansehen und dann wurde ich gewählt. Schnell Hanna Kamrat, Vizepräsidentin der Lebenshilfe Österreich und Selbstvertreter Klaus Brun- habe ich gemerkt, dass es mir Spaß ner trafen sich in der Volkshochschule Götzis zum Interview. macht. Seither setze ich mich für unsere Rechte ein. Dafür ist es notwendig, dass ger. Sich zu trauen Fragen zu stellen, da nicht einfach nur so. Sie sehen, dass wir ich mit Politikerinnen und Politikern per- es nur blöde Antworten gibt. Und ganz Begabungen haben, die es zu fördern sönlich spreche. Und dass ich bei wichtig ist das innere Gleichgewicht. gilt. Meine ist zum Beispiel meine Elefan- Kann Inklusion durch persönliche As- Podiumsdiskussion dabei bin, wie etwa tenhaut – also dass ich viel Geduld habe. sistenz besser gelingen? heuer im Mai zum Thema „Gehalt statt Ich kann gut auf Menschen zu gehen Taschengeld“. Sobald die neue Regie- und mich in sie hineinversetzen. In der rung steht, werden wir Kontakt aufneh- Ja, weil man mit persönlicher Assistenz Gesellschaft selbst hat auch ein Umden- men, um unsere Forderungen noch unabhängiger ist und selbstbestimmt ken stattgefunden, etwa bei der Barriere- einmal mitzuteilen. Leben kann. In einem Wohnhaus einer freiheit. Wie unterstützt Du andere Menschen, Wie verbringst Du Deine Freizeit? Oranisation ist man zum Beispiel mehr mutiger zu sein? an die offiziellen Zeiten gebunden. Ich lebe in Bad Ischl in einer eigenen Woh- Ich bin ein recht gläubiger Mensch, nicht Früher war ich überhaupt nicht mutig. nung und habe persönliche Assistenz. religiös. Mir ist wichtig, dass ich meinen Schon seit der Schulzeit dachte ich, dass Auch bei beruflichen Terminen brauche inneren Frieden habe und mache dazu ich froh sein muss, wenn mir jemand hilft. ich Unterstützung. Wobei die Assistenz auch Kurse. Gerne lese ich Liebesro- Daher habe ich alles gemacht, was man bei allem sozusagen das „Ausführungs- mane, um mich berieseln zu lassen. Da mir gesagt hat. Eigentlich komme ich aus organ“ ist, ich aber bestimme, was ge- ich meinen Rollstuhl wie Füße sehe, Oberösterreich. Ab 1996 habe ich dann macht wird. Man macht auch selbst den gehe ich auch spazieren im Wald. Mir tut in der Steiermark, im Ausseerland, in Dienstplan und teilt die jeweilige Person die Ruhe gut. Der Kontakt zu meinen bei- einer Kreativ-Werkstatt gearbeitet. Doch zur entsprechenden Assistenzzeit ein. den Brüdern und die regelmäßigen Tele- mit dem Amt als Selbstvertreterin bezie- Generell bringt persönliche Assistenz fonate sind mir sehr wichtig. Natürlich hungsweise jetzt als Vizepräsidentin bin auch mehr Selbstbewusstsein mit sich. verbringe ich auch gerne Zeit mit mei- Was konntest Du in Deiner Amtszeit ich viel selbstbewusster und mutiger ge- nem Freund Kurt. Wir sehen uns aber bisher schon erreichen? worden. Das bestätigt mir auch oft mein nicht jeden Tag. Er ist mehr beeinträchtigt Bruder mit „Die traut sich jetzt was. Das und lebt in einer Einrichtung in Ober- war früher nicht so.“ Ganz wichtig ist also, Man merkt, dass die Menschen mehr mit österreich. Zusammenziehen geht aus sein Selbstbewusstsein aufzubauen. uns in Kontakt treten und uns zuhören, mehreren Gründen nicht. Aber ihm kann Denn dann wird man automatisch muti- wenn wir etwas sagen. Sie versprechen ich alles erzählen.
THEMA: KOMPETENZEN 19 Hilfsmittel sorgen für mehr Lebensqualität In der Fachwerkstätte Dornbirn arbei- tet Andrea Ender. Die 40-Jährige sitzt Teile aufreihen und zusammenfügen. im Rollstuhl und hat Schwierigkeiten Gerne zeigt Andrea Ender, wie gut das mit der Feinmotorik. Um ihren Alltag funktioniert. zu verbessern, hat Therapieberater Beratung und Instandhaltung Franz-Josef Feurstein spezielle Hilfs- mittel organisiert. Seit Anfang 2018 ist Franz-Josef Feur- stein Therapie- und Hilfsmittelberater in der Lebenshilfe Vorarlberg. Daher arbei- Neben einem Arbeitstisch hat Andrea tet er nur noch stundenweise in der Ender einen weiteren Tisch, der an den Fachwerkstätte als Begleiter. In der Re- Rollstuhl angebracht werden kann. Die- paraturwerkstatt, ebenfalls in der Fach- ser erleichtert ihr mittags das Essen. werkstätte, werden die Hilfsmittel nicht Täglich helfen der 40- Jährigen auch me- nur gelagert: „Marcel und drei weitere dizinische Hilfsmittel, wie ihre Hand- Beschäftigte helfen mir etwa Rollstühle, schienen dabei, ihre Lebensqualität zu Pflegebetten, etc. zu reparieren“, erzählt Marcel Ott, Andrea Ender und Franz-Josef verbessern. „Zuerst werden die Hände Franz-Josef Feurstein. „Es macht Spaß Feurstein (v.l.) beim Stehtisch. etwas massiert, damit sich die Muskula- und ist mal eine andere Arbeit als sonst“, tur entspannt und das Anziehen leichter fügt Marcel Ott hinzu. auch einen kompetenten Ansprechpart- fällt. Die Schienen stützen Andreas Bei Anfragen von Lebenshilfe-Standor- ner für Neuanschaffungen oder Repara- Hände und verbessern die Haltung“, so ten berät Franz-Josef Feurstein, küm- turen“, so Sabine Hammerschmidt von Begleiterin Carmen Hohenberger. Auch mert sich um die entsprechenden An- der Werkstätte Langenegg. die Anschaffung eines Stehtisches und träge und besorgt die Hilfsmittel. Aber die Finanzierung über die Versicherung auch Angehörigen hilft er gerne weiter. hat Franz-Josef Feurstein organisiert. Bei speziellen Anfragen schätzt er den KONTAKT & Zehn Minuten täglich am Stehtisch hel- internen Austausch mit Erika Schatton INFO INFORMATION fen Andrea Ender, ihren Stehimpuls an- vom Pflegefachteam. zuregen und die Körperhaltung zu Die zentrale Therapie- und Hilfsmittelbe- verbessern. Wobei sie entscheidet, wann ratung ist eine große Unterstützung. „Ge- Franz-Josef Feurstein lberatung sie sich die Zeit dafür nimmt. Für ihren meinsam mit Franz-Josef haben wir eine Therapie- und Hilfsmitte Wunsch, selbständiger arbeiten zu kön- Bestandsaufnahme gemacht. Nicht Mobile Dienste nen, wurde eine Art Drehscheibe mit Ver- mehr gebrauchte Hilfsmittel konnten so Tel.: 0664 887 14 842 ein@lhv.or.at tiefungen aus Holz in der Fachwerkstätte anderen Standorten zur Verfügung ge- E-Mail: franz-josef.feurst rar lberg.at angefertigt. Damit kann sie nun einzelne stellt werden. Mit Franz-Josef haben wir www.lebenshilfe-vo Andrea Ender (l.) mit Handschiene und Carmen Hohenberger. Franz-Josef Feurstein (v.) und Marcel Ott in der Reparaturwerkstatt.
20 MAGAZIN Wege zur selbstbestimmten Sexualität Beitrag zum Sexualität ist mit dem Menschsein untrennbar verbunden. Sie umfasst Um auf Fragen, Wünsche und Vorstel- alle Aspekte des Mann- oder Frau- lungen zum Thema Sexualität einge- Kompetenznetzwerk seins und ist bereits Teil der kindli- hen zu können, bedarf es einer um- chen Persönlichkeit. In der zwi- fassenden Auseinandersetzung mit „Sexual(päd)agogik“ schenmenschlichen Beziehung ist dem Thema. Die zur Folge haben Sexualität von großer Bedeutung für kann, dass das Selbstbewusstsein und die Werte der Liebe, Nähe, Wärme, Selbstwertgefühl einer Person gestei- Zärtlichkeit und Sinnlichkeit. gert wird. Menschen mit Behinderungen beschäf- Grundsätzlich hat jeder Mensch, unab- tigen oft Themen wie: hängig vom Alter und unabhängig vom Ausmaß des Pflege- und Unterstüt- die Sehnsucht nach Beziehung, zungsbedarfs, das Recht auf Sexuali- Vertrauen, Nähe, Zuverlässigkeit. Das tät, auf Respektierung seiner ge- Gefühl, gebraucht zu werden. schlechtlichen Identität und seiner Le- der Wunsch nach Veränderung, bensweise. Selbstständigkeit, Loslösung vom El- Respektierung, Orientierung und ternhaus – die Erwachsenenrolle ein- Lebensweise zunehmen. die Verleugnung der eigenen Behin- Anita Sailer Da Sexualität und Partnerschaft lange derungen. Zeit ein Tabuthemen waren und teil- der Wunsch, durch ein Kind eine Kompetenzteam weise immer noch sind, wurden viele „normale“ Familie zu sein. „Sexual(päd)agogik“ Menschen mit Behinderungen nicht der Lebenshilfe Vorarlberg aufgeklärt. Bei der Aufklärung geht es Generell ist die Sexualität ein Grund- nicht in erster Linie um das Kennenler- recht jedes Menschens. Die Partner- nen von Sexualpraktiken, sondern viel- schaft gibt uns Selbstbestätigung und mehr um die Erweiterung der eigenen vermittelt Normalität. Verhaltensauffäl- Körperwahrnehmung und das Wissen ligkeiten von Menschen mit Behinde- über den eigenen Körper. rungen können ihren Ursprung mög- Daniel Waldner Kompetenzteam „Sexual(päd)agogik“ der Lebenshilfe Vorarlberg Das Team der „Sexual(päd)agogik“ (v.l.): Daniel Waldner, Sonja Lässer-Bulander, Anita Sailer und Liane Diwischek.
MAGAZIN 21 licherweise auch in unterdrückter Se- Gesundheit, Prävention und Verhü- dig, werden Erstkontakte zu weiteren xualität haben. Ihr partnerschaftliches tung internen und externen Beratungsstel- Interesse ist aber nicht unmittelbar an Privatsphäre, Intimsphäre und Auf- len hergestellt. Sprechtage in Dornbirn Geschlechtsverkehr gekoppelt. zeigen von möglichen Wegen zu einer Was macht das Kompetenznetzwerk gelebten, selbstbestimmten Sexualität „Sexual(päd)agogik“ aus? Identität und Orientierung Jeden 2. und 4. Samstag im Monat fin- Beziehungen, Partnerschaft und den im Familien- und Sozialzentrum an Das Kompetenznetzwerk „Sexual- Kinderwunsch der Ach in Dornbirn (Freizeittreff „Füra- (päd)agogik“ besteht aus einem Team Nähe und Distanz, Grenzen setzen nand“) die „Sexual(päd)agogischen an ausgebildeten Sexualpädagoginnen – „Stopp/Nein sagen“ Sprechtage“ statt. Von 10.00 bis 13.00 und Sexualpädagogen der Lebenshilfe Uhr können hier alle Fragen anonym Vorarlberg. Das Team berät und unter- Außerdem werden laufend öffentliche und kostenlos an ein Mitglied des stützt Menschen mit Behinderungen, Fortbildungen an der Akademie der Le- Teams „Sexual(päd)agogik“ gestellt deren Angehörige, Begleitpersonen benshilfe Vorarlberg angeboten: werden. und Fachkräfte zum Thema „Sexualität und Behinderungen“. Die Beratung ist Aufklärungsworkshops für Menschen möglich, egal ob bereits Kontakt zur mit Behinderungen – Grundkurs und Lebenshilfe besteht oder noch nicht. Aufbaukurs Beratungs-Angebot im Überblick Fort- und Weiterbildungen für Be- gleitpersonen und Fachkräfte KONTAKT & Das Team „Sexual(päd)agogik“ unter- Abendvorträge, wie zum Beispiel zu INFO INFORMATION stützt in Einzel- und Paarberatungen „Psycho-sexuelle Entwicklung von nach terminlicher Vereinbarung. Infor- Kindern und Jugendlichen mit Behin- gsstelle mationen und Beratungen gibt es zu derungen“ Psychosoziale Beratun Landesgeschäftsste lle folgenden Themen: Götzis Zusätzlich bietet das Team, zusammen Gartenstrasse 2, 6840 Aufklärung, Sprache – das Team mit dem Kompetenznetzwerk „Gewalt- Tel.: 0664 887 120 56 .at hilft zu verstehen, was in Körper und schutz“ der Lebenshilfe Vorarlberg, Be- E-Mail: beratung@lhv.or sh ilfe -vo rar lbe rg.at Psyche vorgeht (Liebeskummer, Kör- ratungen und Hilfestellungen bei www.leben perwahrnehmungen,etc.) sexualisierter Gewalt an. Falls notwen- Bei der Beratung verwendet das Team der „Sexual(päd)agogik“ verschiedene Anschaungsmaterialen.
22 Ahmad Berees mit seinem Aus- bilder Emanuel Egle in der Tischlerei des IAZ Röthis. Arbeitsassistentin Franziska Maier (l., Firma „dafür“) mit Ahmad Berees und Carmen Kager, Sozialpädagogin des IAZ Röthis.
MAGAZIN 23 Vom Jugendcoaching zur richtigen Ausbildung Jedes Jahr im September beginnen neue Jugendliche mit Beeinträchti- fahrungen gesammelt, unterschiedliche Syrer bereits angefreundet. Doch bei gungen ihre Ausbildung an den drei Berufsbilder kennengelernt und berufs- Fragen nutzt er lieber die Möglichkeit, Standorten des Integrativen Ausbil- spezifische Tests durchgeführt. „Hier seine beiden Ausbilder direkt anzuspre- dungszentrums (IAZ). In Röthis waren musste ich alles machen. Ich habe ge- chen. „Ahmad ist sehr zuverlässig und es heuer sieben Jugendliche, darun- feilt, gemalt – alles“, erzählt der 17-Jäh- arbeitet gerne mit Holz. Da er ein Hörim- ter auch Ahmad Berees. rige in gutem Deutsch. Auch Schnup- plantat hat, waren die lauten Maschinen pertage in unterschiedlichen Berufen ge- anfangs ein Problem. Hier haben wir mit hörten dazu. Im IAZ in Wolfurt lernte dem Landeszentrum für Hörgeschädigte Seit 2015 ist Ahmad Berees mit seiner Ahmad Berees die Malerei und Drucke- (LZH) in Röthis Kontakt aufgenommen, Familie in Österreich. Ursprünglich rei kennen. Im IAZ in Röthis probierte er die Ahmad schon länger begleiten. So kommt er aus der Hafenstadt Latakia in im Bereich Tischlerei das Arbeiten mit konnten spezielle Kopfhörer besorgt Syrien. Seine Pflichtschule hat der 17- Holz aus. In der Gastronomie zu arbei- werden, die ihm die Arbeit erleichtern“, Jährige mit Hörbeeinträchtigung im Son- ten, konnte sich der Jugendliche nicht berichtet Ausbilder Emanuel Egle. derpädagogische Zentrum in Götzis wirklich vorstellen. Daher gab es keinen absolviert. Zuvor besuchte er die Mittel- Schnuppertag im Hotel Viktor am Vik- Auch von Sozialpädagogin Carmen schule Feldkirch Gisingen. „Jugendliche torsberg. „Am besten hat mir die Tisch- Kager wird der Auszubildende zusätzlich mit Beeinträchtigungen kommen im letz- lerei gefallen. Das Schleifen und die unterstützt. „Im ersten Jahr gehen wir ten Pflichtschuljahr automatisch ins Ju- Werkzeuge. Das wollte ich machen“, er- täglich gemeinsam den Arbeitstag durch. gendcoaching. Und anschließend nach innert sich der Jugendliche. Wir besprechen überhaupt alles, was der beruflichen Orientierung und der Ab- den Jugendlichen wichtig ist. Ahmad klärung der kognitiven Fähigkeiten in die Somit leiteten Arbeitsassistentin Fran- zum Beispiel möchte eventuell in die Arbeitsassistenz. Bei uns in der Arbeits- ziska Maier von „dafür“ und Sozialpäd- zweite und längere Ausbildungsform, die assistenz werden die Jugendlichen bei agogin Carmen Kager vom IAZ Röthis Teilqualifikation wechseln. Je nachdem der Suche nach einer passenden Ausbil- alles für den Ausbildungsstart in die wie das erste Jahr klappt, wird das auch dungsstelle unterstützt. Meist nehmen Wege. Beim Aufnahmegespräch war möglich sein. Im zweiten Ausbildungs- wir dann Kontakt mit unserem Koopera- auch Ahmads Vater mit dabei. Mit Sep- jahr werde ich dann versuchen, Praktika tionspartner, dem Integrativen Ausbil- tember begann Ahmad Berees nun seine für ihn in der Wirtschaft zu organisieren. dungszentrum (IAZ) auf. Grundvoraus- Anlehre in der Tischlerei, die zwei Jahre Ich bin zuversichtlich, dass Ahmad seine setzung für die Begleitung durch die Ar- dauert. Unter der Woche erhält er seine Ausbildung bestens meistern wird“, ist beitsassistenz und die Anstellung im IAZ praktische Ausbildung im IAZ Röthis und die Sozialpädagogin überzeugt. ist übrigens eine Arbeitsberechtigung. am Freitagvormittag besucht er die Be- Diese ist bei Ahmad aufgrund seines rufsschule in Bregenz. „Mir gefällt die Ar- Konventionspasses gegeben“, berichtet beit. An die (Sicherheits-)Schuhe musste Franziska Maier von der Firma „dafür“ in ich mich gewöhnen. Wir haben auch Integratives Hohenems. schon einen Erste-Hilfe-Kurs gemacht. INFO Ausbildungs- zentrum Der Weg zum Ausbildungsplatz Ins IAZ fahre ich mit dem Bus und mit dem Zug zur Schule – von Zuhause in mit Beein- Im IAZ Röthis wurden schließlich Ahmad Götzis“, berichtet der Auszubildende. Etwa 60 Jugendliche an den drei trächtigungen werden Unterstützung in allen Bereichen Berees berufliche und persönliche Fäh- iven Aus- igkeiten getestet. Dafür gibt es ein ent- Standorten des Integrat Z) – IAZ Rö- sprechendes Verfahren, das sich „Prak- Mit dem einen oder anderen Auszubil- bildungszentrums (IA d Hotel Viktor tisches Clearing“ nennt. Es werden Er- denden der Tischlerei hat sich der junge this, IAZ Wolfurt un eb ildet. Das (Viktorsberg) – ausg sbildungs- Angebot umfasst drei Au hn Berufs- Am besten hat mir die Tischlerei formen und das in ze ntegratives- feldern. Mehr: www.i gefallen. Das wollte ich machen.“ ausbildungszentrum.at
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