KOPF HOCH Plus Werkstatt "Spannung" - Medium Magazin
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magazin für journalisten #03/2017 EURO 10,– EURO 10,– · Postfach 1152, 83381 Freilassing · ISSN 0178-8558 · Y9072 E · Foto: Anja Weber KOPF HOCH und mit Mut in die Schlacht! Giovanni di Lorenzo Plus über Haltung. Werkstatt „Spannung“ Special „Neue Berufsbilder“
Editorial ANNETTE MILZ ist Chefredakteurin des „medium magazins“. FOTO: E. HÄBERLE Haltung für #freedeniz Also haben wir zum Interview mit di Lorenzo diesmal auch Fragen aus der „Top 30“-Community mitgenom- men. Es wurde ein spannendes Experiment (Seite 14). Es lebe den Alltag Zugleich haben wir eine junge Kollegin und einen jungen Kollegen gebeten, ihre eigene Sicht auf das das freie Wort! Thema Haltung zu schildern. Jessica Schober, mit ihrer Aktion „Wortwalz“ be- Die Frage nach der Haltung ist fast kannt geworden, schildert eindringlich ihre Überle- so alt wie der Journalismus selbst. gungen, warum sie nun erneut eine Aktion gestartet hat – die „Newscomer“ – und wie sehr sie nach Ant- Trotzdem müssen wir sie uns immer worten ringt auf die Frage: Wie weit darf Engagement wieder stellen. Die jungen Kollegen im Journalismus gehen? (Seite 22.) fordern zeitgemäße Antworten ein. Daniel Drepper wiederum, seit 1. April Chefredakteur Zu Recht. von Buzzfeed Deutschland und Jahrgang 2012 unserer „Top 30 bis 30“, stellt sich die Frage nach der Haltung jetzt aus einer anderen Sicht als zuvor als Reporter bei Nichts ist mehr sicher in diesen Zeiten. Aber seien wir Correctiv: Als Chefredakteur muss er nun auch für ehrlich: Es sind – trotz allem oder gerade auch des- seine Redaktion Haltung definieren – und sie einfor- wegen – gute Zeiten für den Journalismus. Denn sie dern. Wie er das tut, lesen Sie auf Seite 25. erzwingen Diskussionen über unseren eigenen Berufs- stand, die nicht mehr in den üblichen Festtagsreden Mehr als nur ein PS: Haltung im Verborgenen zeigen und Podiumsdebatten versanden. seit vielen Jahren diejenigen, die ehrenamtlich im Dafür sorgen schon, zum Glück, die jungen Kolle- Verein „Journalisten helfen Journalisten“ in Not ge- ginnen und Kollegen, die die alten zwingen, Farbe zu ratenen und verfolgten Kolleginnen und Kollegen bekennen. Wofür stehst du? Wie schaffen wir es, wie- helfen. In diesen Tagen ist das besonders nötig (s. Sei- der als glaubwürdig wahrgenommen zu werden? Wie te 97): Wer hätte noch vor Kurzem für möglich ge- erreichen wir noch ein breites Publikum mit Quali- halten, dass so viele Journalisten in unserem Nach- tätsjournalismus? Und die Grundsatzfrage: Was ist das barland Türkei bedroht, verfolgt, inhaftiert werden überhaupt heute, Haltung im Journalismus? und unser aller Solidarität dringend bedürfen? Als wir im November 2016 zur 1. „Top 30 bis 30“-Kon- Auch, und leider immer noch Deniz Yücel. Der Kor- ferenz nach Frankfurt einluden, haben solche Fragen respondent der Welt-Gruppe ist bei Redaktionsschluss viele Diskussionen unter den Teilnehmern geprägt. Ende April immer noch in Haft in der Türkei und es Wir haben den Ball aufgenommen und spielen ihn in sieht nicht danach aus, als würde sich das so schnell dieser Ausgabe weiter – an Giovanni di Lorenzo. Als ändern. Chefredakteur der „Zeit“ ist er einer der erfolgreichs- Deshalb erst recht: #freedeniz. Es lebe das freie Wort! ten dieser Zeiten, die Auflage der „Zeit“ steigt stetig, gegen den Trend und Katzenjammer in der Branche. Ihn treibt seit vielen Jahren die Frage nach Werten, nach richtigen und falschen Bekenntnissen im Jour- nalismus um. Und offenbar gibt es viele, die gerne Antworten von ihm erfahren möchten: Sein Buch mit Co-Autor Axel Hacke „Wofür stehst du?“ ist ein Best- seller, die Zeit-Online-Twitteraktion #fragGiovanni lief im Frühjahr bereits zum fünften Mal, mit reger Beteiligung. Journalisten-Werkstatt „Spannung“ Für Abonnenten ist unsere 20-seitige Werkstatt von Marie Lampert zum Thema „Spannung“ aus der Reihe „Besser schreiben“ kostenfrei in dieser Ausgabe enthalten. „medium magazin“ gibt es Nachbestellungen (6,99 Euro zzgl. Versand) auch im iKiosk – als bitte über vertrieb@mediummagazin.de oder Einzelausgabe und im Abo. newsroom.de/shop. MEDIUM MAGAZIN 3
Inhalt #03/2017 I MP RESSUM TITEL ZEIT FÜR MUT Wie gelingt es uns, wieder als glaubwürdig wahrgenommen zu werden? Antworten von Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der „Zeit“ medium magazin Interview: Annette Milz, Unabhängige Zeitschrift für Journalisten mit Fragen aus der „Top 30 bis 30“-Community, 32. Jg., Nr. 3/2017 Fotos: Anja Weber Seite 14 Gegründet von Sebastian Turner Chefredakteurin Annette Milz (V.i.S.d.P., Frankfurt/Main) OBJEKT ODER SUBJEKT? Warum Jessica Schober („Wortwalz“) sich beim Redaktion Projekt „Newscomer“ engagiert und womit sie Katy Walther (Frankfurt), Daniel Bouhs, Jens Twiehaus, Dr. Anne Haeming, im Journalismus hadert. Seite 22 Daniel Kastner (Berlin), Senta Krasser (Köln), Carolin Neumann, Inge Seibel (Hamburg), Annette Walter (München), HALTUNG? JA, BITTE! Ulrike Langer (Seattle) „Wir sollten mit breiter Brust Reporter sein“, fordert Daniel Drepper, der neue Chefredakteur Autoren Buzzfeed Deutschland. Seite 25 Butterland, Christian Fahrenbach, Julian Heck, Anton Hunger, Prof. Josef Joffe, Norbert Küpper, Peter Littger, Carl Wilhelm Macke, Annette Ramelsberger, Stephan Seiler, Bernd Stößel, Pauline Tillmann RUBRIKEN BERUF UND MEDIEN Anzeigen- und Medienberatung Ruperta Oberauer 6 Spektrum. Meldungen, Redaktions- 26 360 Tage im Bunker Tel. +43/6225/27 00-35 ruperta.oberauer@oberauer.com Wohnzimmer der „Neuen Post“, Sport Der NSU-Prozess und kein Ende: Ein foto des Jahres, Uwe Kopfs doppeltes Bericht aus dem Inneren des zermür- Redaktion Im Uhrig 31, 60433 Frankfurt am Main Vermächtnis benden Dauerprozesses Tel. 069/95 29 79-44, Fax -45 Annette Ramelsberger 8 Meisterstücke. Drei herausragende Texte E-Mail: redaktion@mediummagazin.de www.mediummagazin.de und ihre Autoren Senta Krasser 28 Ist „Schwarze“ sagen schon falsch? #twitter @mediummagazin Interview mit Moderatorin Jana 10 Digitale Perlen: Bemerkenswerte www.facebook.com/mediummagazin Pareigis über die Situation Andersfar- Startups (Teil 15) Julian Heck Verlag und Medieninhaber biger in Deutschland Katy Walther Johann Oberauer GmbH 12 Junge Perspektiven. Wer uns und was 30 Fotos für die Freiheit Postanschrift: Postfach 11 52, uns auffiel Jens Twiehaus 83381 Freilassing Fotografen und ihre Werke für den Zentrale: Fliederweg 4, 84 Kiosk. Markt für Freie Bernd Stößel Bildband 2017 der Reporter ohne A-5301 Salzburg-Eugendorf Grenzen Tel. +43/6225/27 00-0, Fax -11 87 Layouttipp. „Südwest Presse“ Norbert Küpper 36 Experimente im Regionalen Produktion Daniela Schneider, Wie Medien im Superwahljahr Vertrau- 88 PR-Personalien. (Seiten-)Wechsel in Martina Hutya, Sabrina Weindl en zurückgewinnen und ihr Publikum der Branche Katy Walther Abo- und Vertriebshotline wieder mehr für Politik interessieren Tel. +43/6225/27 00-41, Fax -44 90 Die Hunger-Kolumne. Die Chefaufseher wollen (Teil 2) Katy Walther FOTOS: ANJA WEBER, SÜDDEUTSCHE, MAURICE WEISS E-Mail: abo@mediummagazin.de entdecken eigene Sprache Anton Hunger 40 Lokale Ideen Druck 91 Lesetipps. Bücher zum Querdenken Unser regionales Schaufenster – Druckerei Roser, Salzburg Bernd Stößel diesmal mit neuen Fenstern 92 Personalien. Köpfe und Karrieren Katy Walther Jens Twiehaus 44 Recherchen regional runterbrechen 97 Journalisten helfen Journalisten. „Wenn Das Recherchebüro Correctiv koope- deine Zeit gekommen ist, kriegen sie riert mit 16 Regionalzeitungen. Das bringt Reichweite – und komische dich“ Butterland, Carl Wilhelm Macke Konstellationen. Wie die Zusammenar- 98 Terminal. Fragebogen: Julia Bönisch, beit funktioniert und die lokalen Drahtzieherin mit Handlungsdrang Kollegen arbeiten. Jens Twiehaus 4 MEDIUM MAGAZIN #03/2017
PLUS: 20 Seiten Journalisten-Werkstatt „Spannung“ Wenn die Werkstatt fehlt: Extrabestellungen via vertrieb@mediummagazin.de – oder am besten gleich ein „medium magazin“-Abo, in dem die Werkstätten enthalten sind. K L E I N G E D RU C K T ES JULIA BÖNISCH JANA PAREIGIS „Im Praktikum „Wir verlieren einen bei der taz habe bestimmten Teil der Humor ich gelernt: Wenn Gesellschaft, wenn sich niemand wir ihn auch medial ist, wenn man trotzdem lacht. beschwert, hast ständig abwerten.“ Seite 28 Eine Binse, jaaaa. Aber eine mit du was falsch gemacht.“ echter Lebensweisheit. Denn sie Seite 98 hilft besonders gut im Alltag einer Social-Media-Redaktion. Das hat das Redaktionsengelchen neulich bei einem Praktikum in einer Onlineredaktion festgestellt: Dort war es viel mit der Moderation der Facebook-Community beschäf- tigt – und so was ist ja keineswegs vergnügungssteuerpflichtig. Was dem Redaktionsengelchen geholfen hat gegen schlechte Laune angesichts der ganzen Hetz- und Hassposts? „Sehr net- te Kollegen“, ein Livestream der schwangeren Giraffe April aus Australien – und Kommentare wie diese: „Eine neue Studie der Humboldt-Universität beweist, 48 Die sieben Sünden des neuen 66 Der Frachter bewegt sich dass 95 % aller Genies (IQ über Journalismus Die Öffentlich-Rechtlichen müssen 150) die AfD wählen.“ Oder ein Ein Essay von Josef Joffe, Mitherausge- sparen – und sich zugleich erneuern. Nutzer promotete unter fünf, sechs ber der „Zeit“, über modische Unsitten Eine aufschlussreiche Recherche über Artikeln seinen eigenen Youtube- im Journalismus. Josef Joffe die Innovationsarbeit und -hürden in Kanal mit sehr schrägen politischen der ARD Senta Krasser Gitarrengesängen – jeweils zehn 52 „Ich gehe da als Mensch rein“ Minuten lang. Wie gesagt: Humor … sagt Johanna Adorján, „Süddeutsche ist, wenn man trotzdem lacht. Der Zeitung“. Teil 22 unserer Interviewreihe PRAXIS Kommentar wurde allerdings nicht über außergewöhnliche Reporter Stephan Seiler zugelassen, weil er in die Katego- 77 Plan A für das eigene Ding rie der „nicht belegbaren Behaup- 60 2017 ist das Jahr der Algorithmen Immer mehr Journalisten entscheiden tungen“ gehörte. Und auch der Von Social Bots bis Hearables – sechs sich dafür, eigene unternehmerische Youtube-Star hatte es schwer, gar nicht mal so futuristische Trends Wege zu gehen, und gründen ein weil er „ab einer gewissen Häu- für den Journalismus von der „South Startup. Doch was gilt es dabei zu figkeit in die Kategorie: Bitte be- by Southwest“(SXSW). beachten? Pauline Tillmann ziehen Sie sich auf das Thema des Ulrike Langer Artikels“ fiel und damit verschwand. 62 Was wir jetzt brauchen Womit wir bei den Kommentaren LaSharah Bunting, Leiterin Digital SPECIAL NEUE BERUFSBILDER zum „medium magazin“ wären: Transformation bei der „New York Danke für die guten Zusprüche zur Times“, antwortet auf Fragen nach der 72 Spezialisierung ist wieder in vergangenen Ausgabe und der Zukunft der Qualitätsinhalte Adieu, eierlegende Wollmilchsau: Die neuen Haptik! Lob ist uns zugege- 65 Graue Lady, schwarze Zahlen Jobprofile differenzieren sich wieder aus ben ein bisschen willkommener Die US-Medienbranche verzeichnet 74 Sechs neue Jobs als Kritik. Aber wenn’s denn sein seit dem Amtsantritt des neuen Profile im Arbeitsalltag muss: Nur zu! Wenn Ihnen unsere Präsidenten sattes Umsatzwachstum. Arbeit auch noch 54 Euro zzgl. 76 „Das sind Künstler“ Versand fürs Jahresabo wert ist, Was bringen Donald Trumps Tiraden Interview mit Studio71-Geschäfts halten wir das besonders gerne der „New York Times“ wirklich? führer Ronald Horstman aus! Annette Milz Christian Fahrenbach Anne Haeming MEDIUM MAGAZIN 5
Spektrum Z I TAT E 4.802 MELDUNGEN junge Menschen haben ARD und ZDF 2016 ausgebildet. Italienisch) bestehen. Die Datenfreunde (OpenDataCity) aus Berlin steuern Umfra- gen in der Bevölkerung und Social Media Presserat hat die Richtlinie 12.1 Monitoring über die behandelten EU-The- „Die Demokratie geändert – ein bisschen men bei. Interessierte Medien sind einge- Der Deutsche Presserat hat, nach heftigen laden, diese Tools auf ihren eigenen Web- braucht die Irritation Auseinandersetzungen mit etlichen Redak- seiten zu nutzen. European Data News Hub … Wir brauchen den tionschefs, allen voran Tanit Koch, nun doch will die Bevölkerung über EU-Themen die umstrittene Richtlinie 12.1 im Presseko- informieren, aber auch Diskussionen an- Mut, uns irritieren zu dex zum Minderheitenschutz geändert. Das regen über die Themen, die Menschen in lassen durch die Din- Plenum beschloss Ende März eine entspre- Europa und weltweit bewegen – z. B. Um- ge, die wir nicht ver- chende Neufassung der Regeln für die Kri- minalitätsberichterstattung und bekräftig- weltschutz, Migration oder Arbeitslosigkeit. Das Projekt erhält Fördermittel von der stehen. Sie müssen te darin die Selbstverantwortung der Europäischen Kommission. uns Ansporn sein.“ Medien. Die neue Richtlinie lautet nun: „In der Berichterstattung über Straftaten dpa-Kindernachrichten: Barbara Hans, Chefredakteurin Spiegel Online, am 19. April in ist darauf zu achten, dass die Erwähnung Happy Birthday! ihrer Kritik zu Stephan der Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Wie feiern amerikanische Ureinwohner? Lambys Film „Nervöse Täter zu ethnischen, religiösen oder ande- Warum wird der Bundestag gewählt? Und Republik“, tinyurl.com/ ren Minderheiten nicht zu einer diskrimi- auch: Warum gibt es Terror? Solche Fragen Hans-Kritik nierenden Verallgemeinerung individuel- beantworten die Kindernachrichten der len Fehlverhaltens führt. Die Zugehörigkeit Deutschen Presse-Agentur (dpa), und das soll in der Regel nicht erwähnt werden, es seit zehn Jahren. Am 1. April 2007 ging die sei denn, es besteht ein begründetes öf- erste Meldung des Teams an die Kunden. fentliches Interesse. Besonders ist zu be- Heute sind die Texte, Fotos und für online achten, dass die Erwähnung Vorurteile oft interaktiven Grafiken für sechs- bis zwölf- gegenüber Minderheiten schüren könnte.“ jährige Kinder ein fester Bestandteil der Der Presserat kündigte an, „bald“ Leitsätze deutschen Medienlandschaft. „Vielleicht „Wenn ihr euch an für die Umsetzung in der Praxis vorzulegen. Darauf darf man gespannt sein. waren Nachrichten für Kinder die beste Idee, die wir je hatten“, lobt dpa-Chefredakteur eine Sache von der F8 Denn, so kommentierte Michael Hanfeld Sven Gösmann das Angebot, das noch unter erinnern werdet … in der FAZ die Neuerung in der Nuance: „Sie ersetzt den ,begründbaren Sachbezug‘ durch seinem Vorgänger Wilm Herlyn eingeführt wurde. Selbst international hat das Konzept Die Umwandlung der ,begründetes öffentliches Interesse‘ und Anerkennung erfahren: Die Kindernach- Kamera von einer unterstreicht das Diskriminierungsverbot deutlich. Für Journalisten, die sich vorur- richten haben den Award for Excellence der Europäischen Nachrichtenagentur EANA Funktion in eine teilsfrei mit den Dingen beschäftigen, sollte erhalten. Und seit einem Jahr gibt es auch Plattform, wo jeder das nichts Neues sein.“ www.presserat.de/pressekodex/pressekodex/ einen englischen Ableger an südafrikani- schen Schulen. Entwickler für Aug- FOTOS: BAUER MEDIA GROUP/KLAUSBECKER, IRIS KARSTENSEN, ESTEBAN FELIX mented Reality auf- Europaplattform für Gratisnach- Weniger Volos bei den richten von AFP, ANSA und dpa Öffentlich-Rechtlichen bauen kann, wird ein Das erste Mal in ihrer Geschichte arbeiten 4.802 junge Menschen haben die öffent- wichtiger Schritt die Nachrichtenagenturen AFP, ANSA und die Deutsche Presse-Agentur (dpa) gemein- lich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Jahr 2016 ausgebildet, gaben ARD und das vorwärts sein.“ sam an einer Europaplattform mit frei zu- ZDF Anfang April bekannt. Darunter wa- gänglichen Nachrichten. Offizieller ren 348 Programmvolontäre, 202 weitere Launch-Termin des European Data News Volontäre und Trainees sowie 1.108 Aus- Mark Zuckerberg am 19. April in seinem Hub (EDNH), der kostenfreie Inhalte zu zubildende nach dem Berufsbildungsgesetz eigenen Facebook- EU-Themen für internationale Medien be- (BBiG) und 3.144 Praktikanten. Interessant Account über das reitstellt, ist im Juni 2017. Schwerpunkt- ist das Geschlechterverhältnis: 2.855 Frau- nächste große mäßig bietet die Plattform datenbasierte en und 1.947 Männer. 2015 waren es noch Facebook-Projekt Nachrichtenpakete, die aus Fotos, Videos, 5.176 (der leichte Rückgang korreliert mit Audiobeiträgen, interaktiven Grafiken, In- den Mitarbeiterzahlen), während die Be- fografiken und Texten in fünf Sprachen werbungen zugenommen haben. Infos: (Englisch, Deutsch, Französisch, Spanisch, tinyurl.com/Ausbildungsbericht-2016 6 MEDIUM MAGAZIN #03/2017
TERMINTIPP FUNDSTÜCK GEN Summit 2017 mit preis- gekröntem Datenjournalismus Am 21. bis 23. Juni treffen sich in Wien Chef- redakteure aus der ganzen Welt zum „7. Global Editors Summit 2017“, veranstaltet vom Global Editors Network (GEN). Die drei Tage stehen unter den Schwerpunktthemen Disruption, Innovation und Kooperation. Am 22. Juni werden im Rahmen des GEN Summit auch die Preise für die Data Jour- nalism Awards 2017 verliehen. Laut GEN gingen in diesem Jahr so viele Bewerbungen wie nie zuvor ein: 573 aus 51 Ländern. Die Nominierungen werden am 27. Mai zur Data Journalism Unconference in London bekannt gegeben. globaleditorsnetwork.org/dja2017 30 Jahre Journalistinnenbund Am 30. Juni bis 2. Juli feiert das Netzwerk für Journalistinnen an seinem Gründungsort DAS ZIELGRUPPEN-WOHNZIMMER: Ganz physisch sollen sich die Redaktionsmitglieder des Bauer-Media-Group- Frankfurt/Main sein 30-jähriges Bestehen Yellowblatts „Neue Post“ neuerdings in ihre Zielgruppe hineinversetzen. Um die Leserin stets vor Augen zu mit einer großen Jubiläumsveranstaltung haben, wurde ihr Konferenzraum dem Wohnzimmer der Zielgruppe 50 plus nachempfunden. „Wir müssen uns und vielen prominenten Gästen. jeden Tag aufs Neue darauf besinnen, für wen wir schreiben. Nur so können wir für unsere Leserin die beste ,Neue Post‘ machen“, sagt Chefredakteur Roland Hag: „Mit dem ,Neue Post‘-Wohnzimmer gehen wir noch einen Das Schwerpunktthema lautet: Pressefrei- Schritt weiter und setzen unsere Redakteure in die gute Stube der Zielgruppe. So machen wir die Nähe zu den heit und Frauenrechte. Leserinnen erlebbar.“ Das Wohnzimmer mit Eichenschrankwand und Plätzchen-Etagere wird übrigens nicht nur tinyurl.com/journalistinnenbund-30Jahre für Konferenzen genutzt, sondern auch für Treffen mit Leserinnen und Anzeigenkunden. A U F D I E P L ÄT Z E 1 - 2 - 3 Mediale Siegertypen 1 Welcher Medienmensch wird 2017 die meisten Schlagzeilen produzieren? Das fragte die Me- 2 3 dienkontaktplattform Recherchescout 160 Journalisten im Rahmen des Media Delphi 2017 Deutschland. Die Kollegen waren sich einig: Jan Böhmer- mann steht mit seiner polarisierenden Mi- schung aus Satire, Journalismus, Kunst und Politik auch dieses Jahr ganz oben auf dem Treppchen. Nachdem er bereits 2016 auf Platz 1 gewählt wurde, gewinnt der mehrfache Preis- träger (auch „medium magazin“-„Unterhal- tungsjournalist des Jahres 2016“) mit 61,3 Prozent erneut. Auch Kai Diekmann, Ex-„Bild“-Chefredak- teur und Ex-Bartträger, verteidigt mit 42 Pro- zent seinen 2. Platz. Platz 3 des Rankings (im Vorjahr mit Oliver Welke besetzt) geht 2017 mit 34 Prozent an Edward Snowden. Quelle: www.recherchescout.com/media-del- phi-2017 MEDIUM MAGAZIN 7
Junge Perspektiven. Macher und Meinungen TEXT: JENS TWIEHAUS Wer und was uns auffiel Das „medium magazin“-Trio C Was uns freut Der Wechsel von Correctiv-Mann Pussy-Podcasterin Vanessa Vu Daniel Drepper zu Buzzfeed kam Vanessa Vu und mehrere Kolleginnen nutzen eine plötzlich und erzeugte in der Übung an der Deutschen Journalistenschule, um Branche, na klar: Buzz. Unter den einen Podcast zu gründen: Ihr „Pussycast“ nennt Reaktionen gab es kaum skepti- sich „der feministische Podcast“ und trägt sche Ablehnung. Die meisten selbstbewusst ein Logo in Vagina-Form. Die jungen Stimmen aus der Branche sagten: Journalistinnen wollen auch nach ihrer DJS-Schul- Spannend! Mal sehen, was er zeit regelmäßig über Feminismus sprechen, weil er aufbaut. in den meisten Medien nicht vorkomme. Zum Auftakt geht es um Gentlemen, Vagina-Witze und Vanessa Vu Selbstbefriedigung. An der ersten Folge, verant- wortet von Vanessa Vu, haben Elsbeth Föger, Caroline Wiemann, Ramona Drosner und Anett D Was uns ärgert Ist Kritik ohne Verstand: Nora-Vanessa Wohlert und Selle gearbeitet. Susann Hoffmann haben die https://soundcloud.com/pussycast Female Future Force gestartet, eine Akademie speziell für Frauen. Youtuber Felix von der Laden 52 Wochen mit 52 Experten. Er ist im Netz besser bekannt als Dner: Der Per Crowdfunding sammeln sie Youtuber Felix von der Laden erreicht über Geld und Kritiker ohne Kenntnis seinen größten Kanal mehr als drei Millionen lästern: Damit finanzieren die doch Abonnenten und vermarktet sich mit eigener nur ihre defizitäre Redaktion Firma selbst. Felix zeigt sich unbeschwert beim Edition F. Reisen und dreht „Let’s Plays“, also Computer- http://www.femalefutureforce.com spiel-Videos. Aber nun wird es ernst: Für Funk geht er raus und dreht die sehenswerte Doku- Reihe „follow me.reports“ über Chancengleich- heit. Klassisch journalistisch und in hoher Produktionsqualität kriecht er in die Behausung Events Felix von der Laden der Obdachlosen Nicole und geht mit ihr Pfand- übern Tellerrand flaschen sammeln. http://go.funk.net/followme_reports n Wissenschaft trifft digitale Realität: Am 12. Mai lädt der „Tagesspiegel“ zum Digital Science Match. Rund 50 Computer-Wissenschaftler Lokal- und „Zeit“-Journalist präsentieren ihren Blick auf digitale Innovati- Gabriel Kords on. Die Veranstaltung findet am Geburtstag des Gabriel Kords hat eine Doppelrolle: Der 28-Jährige ersten digitalen Computers statt, den Konrad ist knapp zur Hälfte Redakteur beim „Nord- Zuse 1939 in Berlin vorstellte. kurier“ in Vorpommern und bei der „Zeit“ in https://science-match.tagesspiegel.de Leipzig. Vor der Bundestagswahl kommt eine Rolle hinzu: Kords ist einer der „Überland“- n Die „Zeit“ wird zum Event: Am 13. Mai findet Lokalreporter, die im Ressort D17 von Zeit Online in Hamburg die „Lange Nacht der ‚Zeit‘“ statt. aus den Regionen berichten. Vorpommern ist Zum Auftakt, schon um 14 Uhr, können Nach- zerrissen: Landschaftlich schön und touristisch wuchs-Fotografen und -Illustratoren den FOTOS: THILO SCHMÜLGEN attraktiv, jedoch arm und mit einem erschreck- Redakteuren ihre eigenen Werke vorstellen end hohen Zuspruch für Rechtsextreme. Kords und dazulernen. Die Veranstaltungen gehen Gabriel Kords Wahlheimat Greifswald sticht daraus wiederum bis tief in die Nacht und sind alle kostenlos. hervor: In der Studentenstadt gibt es eine aktive linke Szene. 12 MEDIUM MAGAZIN #03/2017
„Die meisten Menschen können im Alltag gar nicht mehr unterscheiden: Was ist richtig und was ist falsch?“ INTERVIEW: JENS TWIEHAUS | FOTO: THILO SCHMÜLGEN Hendrik Geisler SAG DOCH MAL … „Fehlinformationen und Halbwahrheiten“ Hendrik Geisler und Lukas Hansen fragen im NRW-Wahlkampf: „Stimmt das wirklich?“ Ihr Faktencheck für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ überprüft Politiker-Aussagen. Die Wähler erreichen sie über Facebook-Videos. Was ist der Anlass zur Serie – wird im NRW-Wahl- Polizeiarbeit auf Basis von Daten. Dabei wird Predi- ZUR PERSON kampf besonders viel gelogen? citive Policing längst angewendet. Hendrik Geisler: Uns fällt auf, dass viele Politiker Hansen: Wir beobachten viele Fehlinformationen Hendrik Geisler, 28, schwammig formulieren und viele Infos deshalb gar und Halbwahrheiten. ist Lokalredakteur nicht überprüfbar sind. Das trifft auf Vertreter aller Geisler: Oft kommt bei Lesern nur eine zentrale des „Kölner Parteien zu. Was bedeutet „viele Übergriffe durch Aussage an. Wir wollen deswegen möglichst viele Stadt-Anzeigers“. Flüchtlinge auf Frauen“? Was ist viel, was wenig? prüfen. Er hat bis 2015 in Manche Wahlprogramme blättern wir durch und Würzburg studiert finden auf 200 Seiten vielleicht fünf wirklich harte Fördert ihr Politikerverdrossenheit, indem ihr auf- und dann beim Fakten. deckt, wie häufig sie Quatsch erzählen? „KStA“ volontiert. Geisler: Nein. Politiker erzählen nicht mehr Unsinn E-Mail: Hendrik. Das klingt nach sehr hohem Aufwand. als andere Menschen. Geisler@dumont.de Lukas Hansen: Ja, wir machen jede Woche zwei Hansen: … nur bei Politikern betrifft es, gerade im Twitter: @hendrikgee Videos für Facebook und unsere Website. Die müssen Wahlkampf, viel mehr Menschen, als wenn irgendwer recherchiert und produziert werden. Ein Kollege hilft was Falsches behauptet. Übrigens veröffentlichen wir Lukas Hansen, 22, bei Dreh und Schnitt. Eigentlich arbeiten wir beide auch, wenn etwas stimmt. Wir zeigen, was ist. Das ist Volontär beim in der Lokalredaktion und machen den Faktencheck sind dann nur nicht die Videos, die die meiste Auf- „Kölner Stadt-An- zusätzlich. Das ist stressig – aber zum Mittagessen merksamkeit bekommen. zeiger“. Sein kommen wir so gerade noch. Nebenbei gucken wir zwölfmonatiges immer in unsere Twitter-Liste, lesen Interviews oder Fakten checken ist Kernaufgabe jedes Journalisten. Volontariat schauen Wahlkampfveranstaltungen, die live auf Face Weshalb in Serie? absolviert er im book übertragen werden. Geisler: Weil es in diesen Zeiten wichtiger denn je Rahmen des Geisler: Wir hätten gern Zugriff auf Wortprotokolle ist, jede zweifelhafte Information zu überprüfen. Journalistik-Studi- von allen Wahlveranstaltungen, aber so was gibt es Menschen hatten nie zuvor Zugriff auf so viele Infor- ums an der TU nicht. mationen und die meisten können im Alltag gar nicht Dortmund. Hansen: Deshalb fordern wir auch Leser auf: Wenn mehr unterscheiden: Was ist richtig und was ist falsch? E-Mail: Lukas. Sie an einer Aussage zweifeln, schicken Sie uns die Hansen: Die Rückmeldungen sind ein großer An- Hansen@dumont.de genaue Quelle an faktencheck@ksta.de und wir prü- sporn. Viele Leser und User schreiben: „Danke, Twitter: @Lukas_ fen das. Stadt-Anzeiger!“ Wir zeigen uns bewusst im Video, Hansen weil Gesichter Vertrauen schaffen, es für Transparenz Was ist das Ziel des Faktenchecks? sorgt und natürlich, weil Video auf Facebook funk- Geisler: Wir wollen wirklich sehen: Wer sagt die tioniert. Wahrheit? „Stimmt das wirklich?“ ist kein Entlar- Geisler: Ich glaube, die meisten Leute sind im Wahl- vungs-Tool für die AfD. Falsches wird quer durch alle kampf auf der Suche nach der Wahrheit. Niemand Parteien erzählt. Ich habe den Eindruck, dass hinter wird gerne angelogen. Und deshalb bedanken sich vielen Aussagen schlicht Unwissen steckt. Da ist zum viele für unsere Dienstleistung. Für uns ist das eine Beispiel CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet, der Verpflichtung: Wir dürfen keine Fehler machen, als behauptet, es gebe in NRW keine vorausschauende Faktenchecker müssen wir zu 100 Prozent genau sein. MEDIUM MAGAZIN 13
Medien. Regionales Schaufenster Legende: * PV = Projektverantwortlich, TEXT: KATY WALTHER CR = Chefredakteur Lokale Ideen ich mitgebracht nach Heilbronn und für die „Heilbronner Stimme“ und stimme.de um- gesetzt. Bei der konkreten Gestaltung der Serie hat auch Janis Dietz mitgearbeitet. In jeder Ausgabe stellen wir interessante Projekte im Haben Sie sich ein bisschen von der Re- cherche der SZ inspirieren lassen? Regionalen vor. Diesmal: Viele Fragen und Rundumblicke. Mit der tollen SZ-Recherche hat „Noch Fragen?“ weniger zu tun – zumindest war die SZ-Recherche nicht die Inspiration. Die Idee, unsere Kunden stärker in unsere Ar- beit einzubinden und Journalismus trans- parenter zu machen, haben aber beide Serien gemeinsam. Die SZ legt ihren Fokus auf Überthemen, zu denen die Kolleginnen und Kollegen dann umfangreich und in verschiedene Richtungen recherchieren. Wir suchen eher konkrete Fragen unserer Leser zur Region Heilbronn, die wir mit einer Geschichte beantworten. Wie viele Vorschläge hat die Redaktion „Heilbronner Stimme“ Runde hat mit deutlicher Mehrheit eine beim ersten Aufruf bekommen? Frage zum Heilbronner Untergrund ge- Nach dem ersten Aufruf haben uns etwa Onlineprojekt „Noch Fragen?“ wonnen: „Gibt es ein Tunnelsystem unter 25 ernst gemeinte Fragen erreicht – und mit Leserabstimmung Heilbronn?“ Ihre Recherchen für die Ant- ein paar wenige, die wir aussortiert haben. PV: CR Uwe Heer, Onlinechef Daniel Stahl wort haben die Stimme-Reporter in Daraus haben wir drei Themen für eine und Onlineredakteur Janis Dietz, 07131/615- 360°-Bildern und Karten dokumentiert. erste Abstimmung ausgewählt. Den Sieger 791, janis.dietz@stimme.de Die Fragesteller können zudem bei den Re- der Abstimmung, die Tunnelgeschichte, www.stimme.de/noch-fragen, cherchen erleben, wie „ihre“ Geschichte haben wir sofort umgesetzt. Auch einer www.wearehearken.com entsteht und wie journalistische Arbeit Frage zu einem in der Region verschwun- funktioniert. Die Resonanz war laut Chef- denen Meteoriten, die in der Abstimmung Was bewegt die Menschen in der Region redakteur Uwe Heer sehr gut: „Durch das auf Platz 2 landete, sind wir nachgegangen Heilbronn? In der neuen Online-Serie neue Format stärken wir die Leser-Blatt- (www.stimme.de/meteorit). Eine weite- „Noch Fragen?“ gehen Redakteure der Bindung und bekommen gleichzeitig eine re Frage zu einer abgebauten Skulptur in „Heilbronner Stimme“ den Fragen und Reihe toller Themenideen, die wir sowohl der Heilbronner Innenstadt konnten wir Themenideen ihrer Leser nach. Das Beson- für Print als auch Online aufbereiten kön- schnell beantworten, weil die Redaktion dere daran: Die Leser nen.“ Die technische Unterstützung kommt ohnehin schon zu dem Thema recherchiert können auch dar- von dem amerikanischen Startup Hearken hatte. Inzwischen ist auch die zweite The- über abstimmen, (Chicago), mit dem die „Heilbronner Stim- menrunde vorbei und wir haben erneut welches Thema me“ als erstes deutsches Medienunterneh- 21 Fragen erhalten. Ausnahmslos neugie- die Redakteure men zusammenarbeitet. rige und spannende. Wir haben uns vor- als Nächstes re- genommen, alle zwei Wochen eine Frage cherchieren sol- Nachgefragt bei Daniel Stahl, Onlinere- zu beantworten. Bei der Form der Antwort len. In der ersten dakteur der „Heilbronner Stimme“: Sie wollen wir sehr frei bleiben. lassen jetzt die Bürger die Themen mitbe- stimmen. Wer hatte die Idee zum Projekt? Was genau macht Hearken für Sie? Daniel Stahl: Ich war im vergangenen Jahr Hearken stellt das Tool, mit dem wir für Daniel Stahl, als Burns-Stipendiat in Kanada und in den die Serie arbeiten, unterstützt uns mit ei- „Heilbronner Stimme“ USA. Dort habe ich Hearken kennengelernt, ner smarten technischen Plattform für die ein Tool, mit dem viele nordamerikanische Serie. Dort sammeln wir die Fragen mit- FOTO: STEFAN GREGOR Lokalsender und Lokalzeitungen arbeiten. samt Mailadressen der Fragesteller. Am Die Serien, die damit entstehen, haben dort Ende einer Recherche können wir so alle Namen wie „Curious City“ und machen Le- erneut benachrichtigen. Außerdem hilft serinnen und Leser gezielt vom ersten Schritt Hearken uns mit viel Know-how aus an- an zu einem Teil der Recherche. Das habe deren ähnlichen Serien. 40 MEDIUM MAGAZIN #03/2017
„So illustrieren wir den Fortschritt und erinnern uns daran, bei einem Thema nachzufassen.“ Michael Bröcker, „Rheinische Post“ „Rheinische Post“ Verlagsgruppe Rhein Main WDR Lokaloffensive mit 33 Leitfragen Briefaktion „Ne me quitte pas“ Datenprojekt „Wir sind PV: CR Michael Bröcker, 0211/505 2300, PV: Stefan Schröder, CR „Wiesbadener 18 Millionen“ michael.broecker@rheinische-post.de Kurier“, 0611/355 5300, sschroeder@vrm. PV: Produktion: Hoferichter & Jacobs; Au- com; Koordination: Reinhard Breidenbach, toren: Lutz Hofmann, Jasmin Lakatos, Wie schafft man es, im hektischen Alltag Sina Schreiner, Lars Hennemann Michael Erler, Markus Fitsch und Benjamin einer Lokalredaktion journalistische Krea- http://verlagsgrupperheinmain.pageflow.io/ Arnold; Redaktion: Monika Pohl und Chris- tivität und Innovation zu systematisieren? nemequittepas#93152 tiane Mausbach vom WDR-Dokuteam, Warum macht die Redaktion montags und monika.pohl@wdr.de dienstags oft „business as usual“, während Seit Charles de Gaulle und Konrad Ade- www1.wdr.de/verbraucher/18-millionen/ samstags überraschende Themen angeboten nauer ist die deutsch-französische Freund- Daten: www.18millionen.wdr.de werden? Solche Fragen lagen der Lokalof- schaft ein Stützpfeiler der europäischen Mediathek: www.wdr.de/mediathek fensive zugrunde, die die „Rheinische Post“ Idee. Aber diese in der Weltpolitik vielleicht (RP) 2015/2016 für alle 29 Teilausgaben ge- einmalige Erfolgsgeschichte der Freund- Aus frei zugänglichen Daten z. B. des sta- startet hat. Das Ergebnis ist ein Maßnah- schaft zweier ehemaliger Erbfeinde ist in tistischen Bundesamtes Geschichten zu menmix, zu dem großflächige Formate für Gefahr, womöglich sogar das ganze Frie- machen, ist nichts Besonderes mehr. Ei- visuelles Storytelling in der Zeitung ebenso denswerk der EU: „Angesichts dieser gene Statistiken als Grundlage für Doku- gehören wie der „Bürgermonitor“, bei dem fürchterlichen Aussicht, dass in Frankreich mentationen in Auftrag zu geben, dagegen einmal pro Woche Themen aus der Leser- die Europa-Hasser die Oberhand gewinnen schon. „Wir sind 18 Millionen“ von Hofe- schaft – Missstände, Ärgernisse, Behörden- können“, rief Chefredakteur Stefan Schrö- richter & Jacobs im Auftrag des WDR ist probleme – aufgegriffen und mit einer Am- der eine Aktion ins Leben: Unter dem Titel so eine Doku. In vier Teilen (Wohnen, pel markiert werden. „So illustrieren wir „Ne me quitte pas“ („Verlasse mich nicht“ Freizeit, Ernährung und Zukunft) beleuch- den Fortschritt und erinnern uns selbst – nach dem Chanson des belgischen Chan- tet sie das Leben der Menschen in NRW. daran, bei einem Thema nachzufassen“, sonniers Jacques Brel) veröffentlichen die Mit spannenden Ergebnissen: Die Nord- erklärt Chefredakteur Michael Bröcker. Die Zeitungen der Gruppe („Darmstädter rhein-Westfalen schlafen zwei Minuten Ergebnisse der Lokaloffensive wurden nun Echo“, „Gießener Anzeiger“, „Allgemei- weniger als die „Durchschnittsdeutschen“, in 33 Leitfragen zusammengefasst, als Hand- ne Zeitung“ Mainz und „Wiesbadener engagieren sich häufiger in Vereinen und out an alle Redakteure verteilt und in DIN A2 Kurier“/„Wiesbadener Tagblatt“) mindes- stehen so lange im Stau wie niemand sonst. an jeden Desk gehängt – als „Hilfsmittel für tens bis zur Stichwahl am 7. Mai jeweils Im Schnitt suchen sie 16 Minuten am Tag unsere Lokalredakteure, um eine überra- zwei Briefwechsel zwischen Deutschen einen Parkplatz, trinken täglich 0,8 Liter schende, attraktive und relevante Zeitung und Franzosen pro Woche – Menschen aus Bier und sind gut zwei Stunden online. Im zu machen“, sagt Bröcker. Unter den 33 der Region, Prominente und Normalbür- Westen wird im Jahr 2030 in fast jeder Fragen: „Welches Thema bräuchte eigentlich ger. Die Briefe und Antworten werden in zweiten Wohnung nur noch eine Person mehr Platz?“, „Welcher Mensch steht im Print und als Pageflow-Multimedia-Ge- leben. Auf seiner Website hat der WDR für Mittelpunkt, der keine öffentliche Funktion schichte veröffentlicht. Zu den ersten alle NRW-Regionen die wichtigsten Daten bekleidet?“, „Welches unserer Themen wird Briefschreibern zählte ESA-Generaldirek- zusammengefasst. Die Doku-Reihe „Wir morgen Stadtgespräch sein?“, „Wo erklären tor Johann-Dietrich Wörner. „Dazu gibt sind 18 Millionen“ ist noch ein Jahr in der wir dem Leser die Welt?“, „Wenn ich noch es begleitende Reportagen und Berichte, Mediathek abrufbar. eine halbe Stunde investiere, wo könnten da vor allem die rheinland-pfälzischen (siehe auch Seite 66 die „Innovationsga- wir die Ausgabe besser machen?“. Auch die Ausgaben unserer Zeitungsgruppe die ehe- ragen der Öffentlich-Rechtlichen“) fünf Zielgruppen der RP wurden visualisiert, malige Grenze zu Frankreich im Blick ha- so dass sich die Redakteure immer bewusst ben“, berichtet Stefan Schröder. sind, für wen sie schreiben. >>> MEDIUM MAGAZIN 41
„Wir sind kein Schnellboot wie ein Start-up, eher ein Frachter, der auch in stürmischen Zeiten Sicherheit und Orientierung bieten will.“ Roland Scheble, Bayerischer Rundfunk (BR) PRAXIS Drei Beispielprojekte aus öffentlich-rechtlichen Innovationsabteilungen „360 Grad Kölner Dom“ (WDR): „Truly Media“ (Deutsche Welle): „Bremen Next“ (Radio Bremen): Hightech trifft auf Weltkulturerbe Google, hilf(t) beim Verifizieren! Die Jungen crossmedial erobern Beim Hit-Thema Virtual Reality gibt der WDR Noch bevor das Thema in der Medienwelt Nicht Fernsehen, nicht Radio, nicht Internet, seit dem Vorjahr ordentlich Gas, und das hier förmlich explodierte, setzte Wilfried Rundes sondern alles gleichzeitig und zusammen: ist das bislang größte und aufwendigste Team für technische Innovation bei der Das ist der neue crossmediale Jugendkanal, Projekt: Mithilfe der 360-Grad-Technik und Deutschen Welle Verifikation von Inhalten den Radio Bremen im August 2016 aufmach- einer VR-Brille kann man durch den Kölner aus sozialen Netzwerken auf die For- te. Bremen Next, das zurzeit wichtigste Dom „fliegen“ und scheinbar grenzenlos schungsagenda. 2014 startete das mit Zukunftsprojekt an der Weser, mit dem die verschiedene Perspektiven wählen. Die EU-Mitteln (Horizon 2020) geförderte Jungen gewonnen werden sollen, nahm WDR-Tüftler selbst stießen in der Entwick- Projekt Reveal. Mit dem daraus entstande- Anlauf als Idee in der hauseigenen „Digitalen lungsphase an die Grenzen des Machbaren. nen Prototyp bewarb sich die DW zwei Jahre Garage“ (s. Seite 70) und wird jetzt von einer So mussten verschiedene Kamerasysteme später bei Googles Digital News Initiative und bunten Truppe, die nicht wesentlich älter ist (darunter ein fernsteuerbarer Leih-Dolly aus erhielt aus dem Fonds 300.000 Euro für die als die Zielgruppe, für Bremerinnen und England) ausprobiert werden, ob sie in der Weiterentwicklung. Das Ergebnis: Truly Bremer im Alter zwischen 15 und 25 Jahren Dunkelheit des Doms taugen. Absichtlich Media, eine Plattform „von Journalisten für gemacht. Redaktionsleiterin ist Felicia setzte das vierköpfige Kernteam auch Journalisten“, die die Echtheit von Informa- Reinstädt, die Radio Bremen vom Bayeri- Techniken ein (wie die Photogrammetrie), tionen, die auf Facebook & Co. zirkulieren, schen Rundfunk abgeworben hat. Alle die effektiv wohl nur wenige Zuschauer teilautomatisiert überprüft. Entwicklungs- Themen werden von Beri, Joka, Adu und nutzen können, die aber dem eigenen partner war das Athens Technology Center Co. so aufbereitet, dass sie sowohl in sozialen Erkenntnisgewinn nützen. Die Kölner wollen (ATC). Die Plattform ist in drei Hauptbereiche Medien funktionieren, aber auch im Radio, – und können es auch mit Stütze aus dem unterteilt: „Find“, „Organise“ und „Verify“. wo die visuelle Komponente zwangsweise Sondertopf für Innovationen der WDR-Inten- In den Bereich Verify (siehe Bild) ist Google wegfallen muss. Dafür wurden ganz neue danz – selbst VR-Wissen aufbauen und Maps eingebunden, d. h. über die aus dem redaktionelle und technische Denk- und künftig so wenig Aufträge wie möglich an Twitter-Foto extrahierten Geodaten wird die Arbeitsweisen entwickelt. Das Spektrum der externe Dienstleister vergeben. Dafür wurde entsprechende Ansicht in Google Street Themen reicht vom Partymachen bis zum eine achtköpfige „VR Taskforce“ gegründet; View aufgerufen, so dass verifiziert werden politischen Weltgeschehen, das auf Bremen die Mitglieder werden von ihren jeweiligen kann, wo das Foto aufgenommen wurde. Im und Umgebung heruntergebrochen wird. So Redaktionen fünf Tage im Monat freigestellt, Unterschied zu anderen Verifikationstools findet sich auf dem eigenen Youtube-Kanal um sich intensiv um VR-Projekte zu (z. B. Factfox des BR) ermöglicht Truly z. B. eine Reportage über den Problem- kümmern. In die Dom-App floss gleichwohl Media, sich kollaborativ intern mit den Stadtteil Grohner Dühne und ein Interview Fremdwissen ein, etwa von der Münchner eigenen Experten, aber auch mit anderen mit dem aus Kurdistan geflüchteten Rapper Spezialfirma Re’Flekt, die auch die „Süddeut- Redaktionen auszutauschen und abzustim- KC Rebell, das in einem Bremer Flüchtlings- sche Zeitung“ bei ihren 360-Grad-Videos men. An der momentanen Beta-Testphase heim geführt wurde. Anders als das bayeri- unterstützt. Über das starke visuelle Erlebnis beteiligt sind neben dem Social Media Desk sche Pendant Puls wird das Programm von hinaus war es den Machern wichtig, der DW auch „Tagesschau“, WDR, SWR, BR Bremen Next zusätzlich über UKW verbreitet. inhaltlichen Mehrwert über virtuelle Infoflyer und AFP. Die DNI-Förderung endet im In der Hansestadt begreift man sich selbst als in die App einzuarbeiten. Nächster Schritt: September. Bis dahin möchte das deutsche „kleine regionale Schwester von Funk“, dem Der „WDR-Dom“ wird Gegenstand einer Auslandsfernsehen ein (Finanzierungs-) im vorigen November gestarteten Jugend User-Experience-Studie. Erste Ergebnisse Modell zur Fortführung des Projekts angebot von ARD und ZDF, das allerdings nur sollen Ende Mai vorliegen. gefunden haben. Online-only-Verbreitung hat. Link: dom360.wdr.de Link: www.truly.media Link: www.bremennext.de „Neuland betreten“: WDR-Intendant Tom Buhrow (r.) Echt oder falsch? Das mit DNI-Förderung entwickelte Tool „Regionale Schwester von Funk“: Das Jugendangebot von ist hingerissen vom neusten VR-Projekt seines Senders. Truly Media checkt die Herkunft von News und Fotos. Radio Bremen ist im Netz, hat aber auch UKW-Verbreitung. MEDIUM MAGAZIN 67
Special. Neue Berufsbilder TEXT: ANNE HAEMING SPEZIALISIERUNG IST WIEDER IN Vor 15 Jahren sah es so aus, als müsste ein Redakteur bald Natürlich wissen wir alle, wie normal dieses damals unvorstellbare Arbeiten in- die Jobs von vielen machen. Nun entsteht eine Gegenbe- zwischen ist. Die Projektion war: Jeder wegung: Die Jobprofile differenzieren sich wieder aus. Redakteur wird ein Allrounder sein. Und nun scheint es, dass es eine Art Weg zurück gibt. Keine Regression, nein, der Es war im Spätherbst 2002 in der Redaktion müsse alles können, was aus den Fotografen, Leserbriefredakteur ist gut in seiner Rolle einer Berliner Tageszeitung, als eine Res- Layoutern und den anderen werde, tja, hm, als Community Manager angekommen. sortleiterin von einer Fortbildung zurück- das müsse man sehen. Es klang ganz und gar Sondern ein Zurück zur Ausdifferenzierung. kam und auf der Morgenkonferenz von der unwahrscheinlich, in dieser Zeit, als es noch Denn die neuen Berufsbilder, die derzeit Zukunft erzählte. Redakteure, sagte sie, ein Redaktionshandy gab, das man sich aus- entstehen, repräsentieren eine Art Zwi- würden bald auch Fotos machen und Videos leihen konnte, wenn man zu einer Demo schenplateau: Rund um neue Aufgabenge- von den Terminen mitbringen und alles zu- oder so musste, um den Stand der Dinge biete und Gewerke wachsen die Teams. Sie sammen produzieren. Auch online. Jeder kurz vor Andruck durchzutelefonieren. haben inzwischen genug Manpower, um FOTO: KAIQUE ROCHA Der wackelige Selfmade-Look ist nicht mehr gefragt, weder bei Instagram noch bei Youtube. Jetzt gilt: möglichst professionell und alles in HD, please. Mindestens. 72 MEDIUM MAGAZIN #03/2017
#1 „Instagram ist nicht so komplex wie Youtube.“ Oğuz Yılmaz, Gründer Whylder, Ex-Y-Titty sich zu spezialisieren. Und ändern damit Eine Runde Top 10 ren Seite der Kamera. Er erinnert sich noch auch die Arbeitsstrukturen beim Rest. An dieser Stelle ein paar Zahlen: Bei Insta- gut an die Anfänge, als noch kein Geld mit Und dennoch machen die Social-Media-Re- gram haben Toni Kroos und Mesut Özil 11,9 Youtube zu verdienen war: 2011 begann Y- dakteure, Datenjournalisten, Entwicklungs- Millionen Follower, das junge Stuttgarter Titty mit einer geschenkten Xbox 2011 und redakteure, SEO-Texter, Instagrammer, Zwillingspärchen Lisa und Lena 10,9 Mil- der „Pionierarbeit“: Im Wohnzimmer ihrer Analysten und Youtuber immer wieder die lionen. Die Plattform hatte laut eigenen Dreier-WG, mit Strahlern vom Baumarkt, Erfahrung, dass sie fast bei null anfangen Angaben Ende 2016 600 Millionen Nutzer das einzige Ziel, jeden Freitag um 16 Uhr ein müssen, sollen sie erklären, was eigentlich weltweit. Video hochzuladen. Ende 2011 stellten sie ihr Job ist (siehe Berufsporträts S. 74/75). Laut aktuellem Social-Media-Kompass erste Leute ein, zogen in ein Studio, produ- des BVDW hat Snapchat 2016 rund sieben zierten bald 14 Videos die Woche. Bei Facebook geht’s mit Gefühl Millionen deutsche Nutzer; die Musikplatt- „Vor fünf Jahren gab es niemanden, der form musical.ly hatte laut Eigenangaben Professionalisierung, please Berufserfahrung im Social-Media-Bereich Anfang 2017 8,5 Millionen, eine Verachtfa- Jetzt, in der neuen Rolle, ist Oğuz Yılmaz hatte“, sagt Torsten Beeck, Leiter Social chung in einem Jahr; das deutlich ältere froh, nicht mehr so abhängig davon zu sein, Media und Mitglied der Chefredaktion des Twitter veröffentlichte 2016 erstmals Nut- mit seinem Gesicht für etwas zu stehen. „Spiegels“, „damals machten das alle noch zerzahlen für Deutschland: zwölf Millionen. Und staunt darüber, wie wenig Firmen nebenher, wie ich auch.“ Er war Ressort- Die deutschen Twitterprofile mit den meis- verstanden haben, was diese Youtuber, In- leiter bei „Computer Bild“, leitete von 2012 ten Followern: 1. Mesut Özil (14,8 Mio.), stagrammer, Snapchatter eigentlich ma- bis Ende 2014 die Abteilung Social Media 2. Toni Kroos (4,5 Mio), dann folgen bis Platz chen. „Die Kunden haben oft falsche Er- und Community bei „Bild“ und wechselte 13 der Musiker Zedd, Heidi Klum, Fußballer wartungen“, sagt er. „Vielen geht es darum, dann an die Ericusspitze. Als er bei „Bild“ und Fußballmannschaften, auf der 14 mit möglichst viele Klicks für die Homepage zu anfing, war er der Einzige in der Rolle, als 2,6 Mio. Cinta Laura Kiehl, eine deutsch-in- generieren. Dafür sind Influencer oft das er ging, war sein Team auf 30 angewachsen. donesische Schauspielerin, Model und Sän- falsche Vehikel.“ Anfangs postete man zehn Mal am Tag gerin aus Quakenbrück. Spiegel Online steht Überhaupt: Influencer, dieses Wort, das einen Text bei Facebook und filterte unter auf Platz 16, vor Twitter Deutschland; und in Deutschland Anfang 2016 auf einmal auf den Kommentaren alle raus, die „Arsch- die Beauty-Influencerinnen @bibisbeauty dem Radar der Google-Trends-Suchstatis- loch“ oder „Hitler“ schrieben. Beim „Spie- und @dagibee auf 28 und 29. tik auftauchte. Yılmaz definiert das so: Ein gel“ seien es nun etwa 20 Mitarbeiter, in Bei Facebook gehen die ersten neun Plät- Instagrammer mit 10.000 Abonnenten ist den kommenden zwölf Monaten solle das ze an Fußballer, Platz 10: Rammstein. Von ein Influencer, sofern die Interaktion mit Team um 50 Prozent wachsen, so Beeck. Medien erst mal keine Spur. den Nutzern stimmt. Mit Whylder berät er Es gehe gar nicht anders, erklärt er, allein Und hier noch die Top 10 der deutschen Firmen, mit welchem Konzept es sich lohnt, weil die Vielfalt der Aufgaben und Kanäle Youtube-Kanäle: 1. der Fußballkanal Free- mal hier, mal da einen Post mit 500 Euro nonstop wachse. „Wir denken heute sehr viel kickerz (5,39 Mio.), 2. der Computerspiel- zu sponsern. Aber wer nicht wisse, welche stärker darüber nach, was wir auf welchen kommentarkanal Gronkh (4,57 Mio.), 3. Botschaft man vermitteln wolle, könne den Kanälen brauchen“, so Beeck. „Was bei Face die Schmink-Tutorials von Bibis Beauty richtigen Influencer gar nicht finden.„In- book klappt, läuft auch auf anderen Plattfor- Palace (4,49), dahinter Musiklabel, Welt- stagram ist nicht so komplex wie Youtube“, men – aber nicht umgekehrt. Bei Facebook erklärvideos, Lifestyle, Comedy. Hier do- sagt er. „Fotos zu erstellen ist einfacher, als funktionieren vor allem Emotionen, also Wut, minieren Macher, für die das der Hauptbe- Videocontent zu produzieren.“ Zumal der Häme, Humor. Und damit auch Breaking ruf ist. Und nicht nebenher Fußball spielen. wacklige Selfmade-Look nicht mehr gefragt News mit ihrem Überraschungselement.“ sei, professionelle Videos in HD müssten es Irgendwer muss all das auswerten und in Ein Comedy-Mann wird Berater schon sein. die Redaktion zurückspielen, außerdem Es gibt einen, der geradezu verkörpert, wie In Social-Media-Zeitrechnung gehört bitte ein Video in hochkant und zehn Se- die Macher in diesem Segment erwachsen Oğuz Yılmaz zu einer anderen Generation. kunden lang, und dann noch mal quadra- werden: Oğuz Yılmaz, einer der Y-Titty- Er hat einen Beruf, den es vor fünf Jahren tisch in Langform, jemand muss sich um Youtuber, dessen Comedy-Kanal bis Ende nicht gab: als Gründer einer Agentur für Kooperationen mit Plattformen kümmern, 2015 lief und etliche Preise abräumte (übri- „plattformübergreifende Kommunikati- irgendwer einen Dummy bauen, um das gens immer noch auf Platz 10 der meist onsstrategien im Social Web“. Ergebnis des Votings auf dem einen Kanal abonnierten deutschen Kanäle ist). Vor ei- Dieser Dominoeffekt spiegelt sich in den zu visualieren, und klassischerweise wäre nem Jahr hat Yılmaz nun die Seiten Redaktionen. Aber damit wird traditionel- es Job der Marketingabteilung, Konzepte gewechselt. Er ist jetzt Berater. les journalistisches Handwerk nicht degra- auszutüfteln, um bei Facebook Erlöse zu Zusammen mit Lukas Schneider, der zuvor diert, es findet nur einen anderen Ausdruck. erzielen. bei Endemol gearbeitet hat, gründete er in Wer etwa Zahlen auswertet, muss wissen, Die Schnittstelle für all das ist Beecks Köln die Social-Media-Beraterfirma Whyl- was daraus abzuleiten ist. Für die nächste Team. Voilà, die Ära der neuen Ausdiffe- der. Sie ergänzen sich: Schneider hat lange Story. renzierung, in der „Social-Media-Redak- Kooperationen mit Youtubern und Marken teur“ nur noch als Oberbegriff gelten kann. gemanagt, Yılmaz kennt das von der ande- MEDIUM MAGAZIN 73
Terminal. Fragebogen FOTO: BASTIAN LINDER PHOTOGRAPHY Julia Bönisch, Drahtzieherin mit Handlungsdrang Warum sind Sie Journalistin Uff, diese Fragen kann ich geworden? nicht mehr hören. Ich glaube, Julia Bönisch: Weil man (fast) bei dem Thema wird in der überall hin und (fast) jede Fra- Branche zu viel geredet und zu ge stellen darf. wenig gehandelt. Wie kamen Sie an Ihren ersten Mit welchem Ihrer Merkmale Beitrag? würde man Sie am treffendsten Während meines ersten Prak- karikieren oder parodieren? tikums bei der WAZ in Gelsen- Ich fürchte, ich gelte als ziem- kirchen. Das Thema war offen- lich streng – es könnte also JULIA BÖNISCH, sichtlich nicht besonders auf- etwas mit einer Peitsche zu tun Jahrgang 1980, ist seit Januar Chefredakteurin von süddeutsche.de. Bönisch wuchs in Gelsenkirchen auf, studierte Journalistik und BWL an der Uni Eich- regend – ich kann mich nicht haben … stätt-Ingolstadt und in Indiana/USA. Während des Studiums sammelte sie bei der mehr dran erinnern. „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“, der taz, bei „Bild“, Sat.1 und dem ZDF Ihre persönlichen Stärken und Erfahrung. Bei Spiegel Online machte sie mehrere Redakteursvertretungen. Ihre Vorbilder im Journalismus? Schwächen? Bönisch reiste nach dem Studium für die katholische Entwicklungshilfe-Organi- sation Missio durch die Welt. 2007 kam sie zu süddeutsche.de, verantwortete das Ehrlich gesagt: Da habe ich Ich bin sehr ungeduldig, lei- Ressort Job & Karriere, leitete das Team Plus, war Chefin vom Dienst und ab 2012 keine. Ich lerne jeden Tag von der auch mit Menschen … Eine stellvertretende Chefredakteurin. Seit Januar 2017 bildet sie mit Stefan Plöchinger vielen tollen Kollegen. Stärke ist, dass ich das weiß eine Doppelspitze. und daran arbeite. Ein Journalist ist ein guter Jour- nalist, wenn er/sie …? Was macht Sie wütend oder Woche ohne Strom, fließend Mit Netflix und beim Putzen. … bereit ist, sich überraschen ungeduldig? Wasser, dafür aber mit einer zu lassen, beharrlich ist und Schlechte Planung und wenn schlimmen Lebensmittelvergif- Sind Sie Mitglied einer Partei? einen guten Draht zu Menschen Menschen ihre Entscheidungs- tung. Dass ich trotzdem eine Nein. Ich finde, das verträgt findet. spielräume nicht nutzen. gute Geschichte mitgebracht sich nicht mit dem Selbstver- habe, darauf bin ich stolz. ständnis eines Journalisten. Die Herausforderung des Jour- Welche sozialen Medien nutzen nalismus als Tweet in 140 Zei- Sie und wofür? Welcher ist Ihnen peinlich? Welcher Rat hat Ihnen auf Ih- chen? Facebook, Twitter, Ins ta Das verrate ich natürlich nicht rem beruflichen Weg besonders Alles im Fluss (Das waren nur gram, Xing – die alle recht ak- :-) geholfen? 14). tiv. Accounts habe ich auch bei Im Praktikum bei der taz habe Snapchat und Pinterest, da bin Ihre drei Lieblinge unter Zei- ich gelernt: Wenn sich niemand Wie wichtig ist Klatsch? ich aber nur passive Konsu- tungen, Sendungen und Web- beschwert, hast du was falsch Ich bin gerne über Klatsch im mentin. sites? gemacht. eigenen Haus informiert, das Ich lese, schaue und höre je- hilft an vielen Stellen – von der Mit wem würden Sie gerne mal den Tag drei Dutzend – und Was sollte Ihnen später einmal Personalplanung bis zu der Fra- einen Tag tauschen? entdecke jedes Mal woanders nachgesagt werden? ge, welcher Kollege sich gut mit Eigentlich mag ich mein ei- etwas Neues, das mir Spaß Sie kannte weder Blei- noch Orchideenthemen auskennt. genes Leben ziemlich gerne. macht. Klebesatz. Auf der thematischen Ebene kann er ein erster Anstoß für Auf welchen Beitrag sind Sie Ihr Lieblings-(Fremd-)App? eine Recherche sein … besonders stolz? WhatsApp. Ich war mal für eine Reporta- Wo haben es Frauen im Jour- ge im Grenzgebiet von Angola Wie und womit entspannen Sie nalismus schwerer? und Sambia unterwegs – eine sich? 98 MEDIUM MAGAZIN #03/2017
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