DIE REGELBRECHER GAME CHANGER 2015 - Preisträger: BMW, Axel Springer, Eos - Bain & Company
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WIRTSCHAFT AUS ERSTER HAND DEZEMBER 2015 EXTRA GAME CHANGER 2015 DIE REGELBRECHER Preisträger: BMW, Axel Springer, Eos
EDITORIAL STEFFEN KLUSMANN Chefredakteur Inhalt 4 Digitalisierung Die erste Halbzeit ging an US-Unternehmen, jetzt Spielmacher müssen deutsche Fir- men endlich stürmen. gesucht 8 8 Game Changer 2015 BMW denkt das Auto neu. DER WEG ZU EOS führt vorbei an rien unterteilt: „Challenger“ (Eos), 12 Axel Springer macht sauberen Einfamilienhausreihen, „Focused Players“ (Axel Springer) aus der Medienkrise durch viel Wald und Wiesen. Als und „Incumbents“ (BMW). 328 Un- das Beste. Hans Langer die Spezialfirma für in- ternehmen quer durch die Branchen 16 Eos revolutioniert dustriellen 3-D-Druck vor mehr als hat Bain analysiert und ihre Antwor- mit 3-D-Druckern die 25 Jahren gründete, war ihm wichtig, ten auf die Digitalisierung bewertet. Produktion. von seinem Wohnort Gräfelfing Aus der Shortlist von 15 Firmen nicht zu weit zur Arbeit fahren zu wählte eine hochkarätig besetzte 20 Kolumne Florian müssen. Und dass seine Mitarbeiter Jury die Gewinner. Heinemann weist zwischendurch mal an die frische Was alle drei Sieger verbindet: Zu der traditionellen Luft kommen. Beginn der disruptiven Umwälzun- Industrie den Weg. Eine knappe Stunde ist man gen wurden sie von ihresgleichen 22 Jury Sieben Experten vom Münchener Flughafen zur Eos- noch mit Argwohn betrachtet: kürten die Sieger. Zentrale in Krailling unterwegs. Ei- Eos etwa formt aus Metall- oder ne Tour, die immer mehr Pilger aus Kunststoffpulver im Laser-Sinter- aller Welt auf sich nehmen. Denn Verfahren enorm komplexe Werk- Langers Unternehmen schickt sich stücke, die lange als Nischen- mit seiner Drucktechnologie an, die produkte abgetan wurden. BMW Wertschöpfungsketten zahlreicher wurde für den ersten „iDrive“-Dreh- Branchen durcheinanderzuwirbeln. knopf noch verspottet und Sprin- Gemeinsam mit BMW und Axel ger-CEO Mathias Döpfner schon Springer wird Eos deshalb von der als Totengräber der Medienbranche Unternehmensberatung Bain & beschimpft. Company und manager magazin „Wer die Spielregeln ändern will, IMPRESSUM Anschrift des Verlags erstmals mit dem „Game Changer braucht viel Selbstbewusstsein und Ericusspitze 1, 20457 Hamburg Telefon: (040) 30 07-25 51, Award“ ausgezeichnet. Der Preis einen sehr langen Atem“, so das Fa- Fax: (040) 30 07-22 47 geht in diesem Jahr an Unterneh- zit von mm-Reporter Klaus Werle, Chefredakteur: Steffen Klusmann men, die es in vorbildlicher Weise der die drei Sieger-Unternehmen (V. i. S. d. P.) geschafft haben, den digitalen Wan- porträtiert und dieses Heft konzi- Redaktion: Klaus Werle del in ihr Geschäftsmodell einzu- piert hat. Gestaltung: Judith Mohr, bauen und ihn nicht als Bedrohung, Anna-Franziska Wolf sondern als Chance zu sehen. Für Bildredaktion: Anna Schäfer die deutsche Industrie, die vor allem Herzlichst Ihr in traditionellen Branchen stark ist, Titelbild: Euphorika für manager magazin der einzig taugliche Ansatz, um Schlussredaktion: Tim Gallwitz langfristig zu überleben. (frei), Heike Meyer-Ludwig (frei) Zur besseren Vergleichbarkeit Dokumentation: Torsten Biendarra, wurden die Firmen in drei Katego- Joana Klotz, Christel Schulz E x T R A manager magazin 3
D I S R U P T I O N GAME CHANGER 2015 DIGITAL SCHLÄGT ANALOG Die wertvollsten Unternehmen der Welt gemessen am Börsenwert, in Mrd. Dollar Oktober 2015 Apple 649 1 Alphabet (Google) 457 2 Microsoft 382 3 Exxon Mobil 337 4 Berkshire Hathaway 331 5 Oktober 2005 General Electric 358 1 Start ins A m Anfang des Niedergangs stand die Arroganz der Macht, ein offen demonst- liarden Dollar zusammengeschrumpft. Mittlerweile fragen sich Manager des Unternehmens schon öffentlich, ob das 2 3 4 Exxon Mobil Microsoft Time Warner 349 264 230 Fast alle Branchen hat die Digitalisie- rung bereits erfasst. Binnen neun Jahren sind die Erlöse durch physische Bücher Neuland rierter Hochmut. „Nicht Geschäft mit Telefonen für sie noch das Citigroup 224 weltweit um 25 Prozent geschrumpft. jeder kann auf einem Stück Glas herum- Richtige ist. Aus Selbstüberschätzung 5 Amazon lässt grüßen. Reisebüros spürten tippen. Jeder Laptop und nahezu jedes sind Selbstzweifel geworden. die Umsatzeinbußen durch Onlinebu- Quelle: Bloomberg Grafik: manager magazin andere Telefon hat eine tastbare Tasta- Es wollten nämlich doch Millionen chungen noch schneller. Nur sieben Jah- tur. Unser Design ist unser Vorteil“, sagte Menschen auf Glas herumtippen. Apple re brauchte es für ein Minus von 25 Pro- DISRUPTION Die Digitalisierung schreitet Blackberry-Chef Mike Lazaridis nach der war nicht nur ein neuer Teilnehmer, sen wurden Smartphones für Millionen zent. Videotheken brach in neun Jahren Präsentation des ersten iPhones. Sein frü- sondern Taktgeber des Marktes. Ein gu- Menschen erschwinglich. Der technolo- 50 Prozent des Geschäfts weg. Netflix, unaufhaltsam voran. Wer glaubt, er herer Co-Chef Jim Balsillie glaubte: „Es tes Jahr nach der Vorstellung des iPhones gische Wandel war für Massen greifbar. Amazon und iTunes trugen ihren Teil da- könne ihr entkommen, erlebt eine böse wäre übertrieben, von einer großen Ver- kam der App Store – und Tausende un- In Europa fegte es einen Weltmarkt- zu bei. Noch schlimmer erwischte es die änderung für Blackberry zu sprechen.“ abhängige Entwickler machten aus dem führer hinweg. Aus Nokia wurde ein Musikindustrie. Sie verbuchte im glei- Überraschung – wie schon so viele. Übertrieben war am Ende nur Black- Smartphone eine omnipotente Verkaufs- Sanierungsfall, dann ein Verkaufsobjekt, chen Zeitraum 60 Prozent Einbußen. Die ILLUSTRATION: EUPHORIKA FÜR MANAGER MAGAZIN berrys vermeintliche Überlegenheit. Im maschine. Das neuartige Zusammenspiel schließlich blieb nicht einmal der Schrift- zerstörerische Kraft illegaler Download- Herbst 2007, als Apples iPhone frisch auf von Hard- und Software wirkte auf etab- zug auf Geräten übrig. Auch die Finnen plattformen wirkt bis heute nach. dem Markt war, war der Handyhersteller lierte Spieler zerstörerisch. hatten sich für unangreifbar gehalten. Handys, Musik, Film, Reisen, Handel, noch Kanadas wertvollster Konzern, Apple sollte nicht der einzige Neuan- Es gibt viele Beispiele, die zeigen, dass Medien oder auch Maschinenbau und Marktwert: 67,35 Milliarden Dollar. Die kömmling im Handygeschäft bleiben. Im Unternehmen technologische Innova - Autos – die Digitalisierung betrifft nicht Blackberry-Manager wähnten sich in Oktober 2008 kam das erste Smartphone tion und den damit einhergehenden di- nur nahezu jede Branche, sie ist auch ein Sicherheit. 2011 erzielte das Unterneh- mit Googles Betriebssystem Android auf gitalen Wandel nicht wahrhaben wollten sich beschleunigender Prozess. Wollen men noch einmal einen Umsatzrekord. den Markt. Handyhersteller durften die und zu spät reagierten. Und dann mehr Unternehmen überleben, müssen sie Dann folgte nahezu die Zersetzung. Software kostenlos nutzen. In Kombina- oder minder abgewickelt wurden. Die sich wandeln, von Getriebenen zu Trei- Der Marktwert ist inzwischen auf 3,7 Mil- tion mit sinkenden Komponentenprei- Frage ist: Wen trifft es als Nächstes? bern werden. Leicht gesagt. 2 E x T R A manager magazin 5
GAME CHANGER 2015 DISRUPTION D I S R U P T I O N GAME CHANGER 2015 Bislang sind es vor allem Konzerne strahlen und bei der Digitalisierung gefragt, aber auch mittelständische an der Westküste der USA, die die Kraft Orientierung geben. Gekürt werden die Werkzeugbauer, die sich üblicherweise NEUE HELDEN GESUCHT der Zerstörung entfalten – und daran hiesigen „Game Changer“, Unterneh- schwertun mit dieser ganz neuen Welt, Idee und Methode des „Game Changer Award“ wunderbar verdienen. Apple, Google, men, die ihr eigenes Haus und ihre Bran- die nun gestaltet werden muss. Facebook breiten sich von dort global che aufgemischt haben (siehe Kasten „Deutsche Unternehmen sind keine aus, und selbst ein Börsenriese wie rechts). Jedes Jahr wählt eine Jury von Vorreiter in puncto Digitalisierung, vor DISRUPTIVE GESCHÄFTSMODELLE ver- Anschließend bewerteten die Bain- Microsoft muss sich beeilen, um nicht Managern und Wissenschaftlern unter allem an der Kundenschnittstelle werden ändern ganze Industrien. Der „Game Berater und externe, internationale bald verloren dazustehen. Zumal In- deutschen Unternehmen in verschiede- sie oft von Branchenfremden angegrif- Changer Award“ von Bain & Company Experten die „digitale Relevanz“ der SCHLAUE AUTOS Anzahl der Neuzulassungen in Europa vestoren im Sog der Großen zahlreiche nen Kategorien die Preisträger. Thema fen. Anders sieht es aus bei fertigungs- und manager magazin will beispielhaft Kandidaten, wobei einzelne Branchen zwischen 2013 und 2020, in Mio. Start-ups mästen, neue Angreifer wie den 2015: Digitalisierung. nahen Technologien wie Big Data oder Leuchtturmunternehmen würdigen, wie etwa Energieversorgung heraus- davon Anteil der Fahrzeuge mit Taxidienst Uber. 3-D-Druck“, sagt Walter Sinn, Managing die die Spielregeln für ihre Branche neu fielen. Wichtige Aspekte bei der vernetzten Systemen, Die erste Halbzeit der Digitalisierung Deutsche Paradedisziplin ist dran Director von Bain. Vorbildhaft ist etwa definieren. Bewertung waren unter anderem die in Prozent 24 23 22 100 hat Europa verpatzt, lautet die gern be- Der Zeitpunkt könnte passen. Denn jetzt Eos. Das mittelständische Unternehmen 2015 werden drei Firmen zu Siegern in Anpassung von Produkten, Vertriebs- 21 20 19 mühte Analogie zum Fußball. Wir shop- hat die Digitalisierung die etablierten In- aus Krailling bei München ist Pionier und den Kategorien „Incumbents“ (Groß- kanälen oder der Geschäftsstruktur 18 18 87 pen bei Amazon, wir suchen bei Google, dustrien erreicht und damit das Herz der Weltmarktführer – und wird deshalb unternehmen), „Focused Players“ an die Digitalisierung. Für die Challen- 74 wir nutzen iOS oder Android, schauen hiesigen Wirtschaft: die Automobilbauer. auch als Game Changer gewürdigt (siehe (etablierte Unternehmen, Branchen- gers wurde zudem analysiert, inwiefern 61 Videos bei Youtube, bleiben in Kontakt Der Elektroautobauer Tesla fordert die Seite 16). führer) und „Challengers“ (kleinere das Geschäftsmodell tatsächlich 47 via Facebook und Whatsapp, glotzen Premiumhersteller heraus, auch Apple Eos ist ein Revolutionär aus eigenem Unternehmen mit innovativem Digital- disruptiv ist – also neu, einzigartig 34 Netflix, hörten lange Songs über iTunes, und Google planen den Angriff auf des Antrieb, der Verlag Axel Springer wurde Business-Charakter) gekürt. und mit großem Einfluss auf Kunden 18 21 und manchmal urlauben wir mit Airbnb. Deutschen liebstes Kind. Sie wollen das von den Verhältnissen dazu gezwungen. und Wettbewerber. Wenn wir uns fragen, welche Unter- vernetzte, das künftig auch selbst fahren- Doch während viele klassische Medien- DIE AUSWAHL DER FINALISTEN folgte einer Am Ende standen pro Kategorie fünf ’13 ’14 ’15 ’16 ’17 ’18 ’19 ’20 nehmen uns am besten kennen, dann de Auto genauso beherrschen wie heute konzerne vom digitalen Wandel über- strukturierten, vierstufigen Methodik: Finalisten. Diese Unternehmen wurden Quelle: Bain-Analyse, Experteninterviews Grafik: manager magazin fällt uns kein europäisches ein. Daten das Smartphone. Doch die Deutschen rascht und überfordert wurden, setzte Zunächst wurde eine Longlist auf Basis einer erneuten detaillierten Prüfung un- sind das Gold des 21. Jahrhunderts, halten dagegen, sie wollen nicht Zuliefe- sich der Traditionsverlag mit Vorstands- der Grundgesamtheit aller Unterneh- terzogen: Wie erfolgreich fiel ihre Re- und die Europäer haben relativ wenige rer werden, sondern Gestalter bleiben. chef Mathias Döpfner (52) an die Spitze men in Deutschland erstellt, nach Krite- aktion auf die Digitalisierung aus, und geschürft. Gut, wir bestellen auch mal Im Rennen ganz vorn dabei ist BMW der Bewegung. Inzwischen kommen rien wie Umsatz, Venture Capital und wie stark beeinflussen sie ihre Industrie bei Zalando, streamen Musik bei Spotify und damit einer unserer Game Changer. 75 Prozent der Gewinne aus dem Digital- Innovationspotenzial. Die Liste um- und ihre Wettbewerber? Sowie, bei den ILLUSTRATION: EUPHORIKA FÜR MANAGER MAGAZIN oder fahren Car2Go oder Drive Now. Die BMW-Manager um den neuen Chef geschäft. Auch das ist einen Game Chan- fasste 100 Incumbents, 150 Focused Challengers: Welchen Mehrwert für den Aber Multimilliardenumsätze und -ge- Harald Krüger (50) stellen dabei ihre ger Award wert (siehe Seite 12). Players sowie 78 Challengers. Kunden bieten sie wirklich? Wie nach- winne werden im Silicon Valley gemacht. Strategie infrage, sie denken das Auto „Digitalisierung ist eine gewaltige Da auch der finanzielle Erfolg ein we- haltig und profitabel ist ihr Wachstum? In der zweiten Halbzeit müssen wir neu (siehe Seite 8). Change-Management-Aufgabe“, sagt sentliches Preiskriterium ist, wurden nun stürmen, stürmen, stürmen. Die Un- Alles ist auch eine Frage des richtigen Sinn. Warten und die eigene Stärke im zweiten Schritt die Finanzdaten der AUF BASIS DIESER DUE DILIGENCE wählte ternehmensberatung Bain & Company Timings für die Umsteuerung. Unsere bejubeln gehört nicht zu den Erfolgs- Firmen untersucht. Bei den Challengers die Jury (siehe Seite 22) nach intensiver und manager magazin haben deshalb Paradedisziplin komme erst noch, heißt faktoren der Gewinner. Oder sie sind wurden zusätzlich – oder alternativ – Diskussion die Sieger in den drei Kate- eine neue Auszeichnung ins Leben ge- es oft: die Digitalisierung der Industrie bald die Gewinner von gestern – und fol- Nennungen in den Medien als gorien. Die Preisverleihung fand am rufen, um Unternehmen hervorzuheben, oder auch Industrie 4.0 genannt. Hier gen den Blackberrys, Nokias und vielen Kenngröße für wirtschaftlichen Erfolg 19. November auf einer Gala im Gaso- die wie Leuchttürme in die Industrien sind Konzerne wie Bosch oder Siemens anderen. 1 Andrea Rungg herangezogen. meter in Berlin statt. D I G ITALER WANDEL Veränderungstempo nach Branchen, bis 2025 schnell moderat langsam no n Te ogie H m ge B del ch n n he o Ga Bil g ro ng M mie Ge Ko Log h nd m ik r n er M ion er izin & r Be as u u its te Öl rge n t ba Ba ch die lls ke te od se c su nsu ist ko rs Au G te ru st u he gü n t af Pr we se an no rg gi ed d uk so l ed Te Me le a ic ev Ve & ug En s Fl el ot H Quelle: Bain & Company Grafik: manager magazin 6 manager magazin E x T R A
GAME CHANGER 2015 BMW KNOPF IM AUTO H E R E G E H T ’ S L A N G BMW K U LT U RWA N D E L Schuf Führte mit iDrive agiert als treibende Kraft neue Konzerneinheit für schon früh hinter dem Kauf des digitale Dienste und erstes intuitives Be- Kartenanbieters Nokia Here Geschäfte sowie den In- dienkonzept ein (mit Daimler und Audi) kubator Startup Garage CARSHARING Gründete Drive Now, gemeinsam mit Sixt VERNETZUNGSPIONIER Bestückte als erster Auto - G R Ü N D E R Z E I T Über hersteller seine iVentures hat BMW etwa Fahrzeuge mit SIM-Karten in JustPark, Life360 oder cityorientierte Ver- kehrshelfer wie Moovit investiert SIEGER IN DER KATEGORIE INCUMBENTS: BMW Smartphone auf Rädern CEO Harald Krüger will den Vorsprung beim vernetzten Fahren nutzen, um Google & Co. mit Premiumservices rund ums Auto die Stirn zu bieten. ie Strategierunden, zu de- nahmen, auf denen unsere Strategie fuß- verkleinern – und den Vorsprung vor der D nen das Topmanagement von BMW regelmäßig auf Gut Schwärzenbach am Tegernsee zusammenkommt, sind im Konzern berüchtigt. Keine gemütliche te, hatten sich in einigen Bereichen deut- lich verändert“, erinnert sich Finanzvor- stand Friedrich Eichiner (60), der Kopf hinter den Schwärzenbacher Treffen. Der Vorstand beschloss, sich noch mal grund- automobilen Konkurrenz zu verteidigen. „In den digitalen Themen hat BMW viele neue Antworten gefunden und sein Ge- schäftsmodell deutlich breiter aufge- stellt“, sagt Walter Sinn. Der Deutsch- Sause in malerischer Voralpenidylle steht sätzlich mit dem Digitalen zu beschäfti- land-Chef der Unternehmensberatung dann auf dem Programm, sondern eine gen. Das Ergebnis, das die eigentlich bis Bain & Company gehört zur Jury, die dichte Abfolge von Workshops, die tat- 2020 geltende Strategie „Number ONE“ BMW im Game-Changer-Wettbewerb sächlich und oft bis tief in die Nacht neu fassen soll, will BMW-Chef Harald von Bain und manager magazin zum Sie- halten, was das Wort verspricht: Arbeit. Krüger (50) Anfang 2016 vorstellen. ger in der Kategorie Incumbents kürte. Die Vorstände präsentieren und ana- Die Richtung aber ist bereits klar, und „Vieles steht noch am Anfang der Inno- lysieren Trends, diskutieren künftige der an sich wohlüberlegte und besonne- vation, und die Bedrohung durch Apple Marschrouten für das Unternehmen; ne Krüger lässt wenig Gelegenheiten aus, und Google ist real – gerade wenn es um nach langen Tagen gibt oft noch ein Phi- die Dramatik zu betonen: „Die Digitali- die Nutzung der beim Fahren generierten losoph oder Physiker einen „Impuls“ von sierung des Autos und der Mobilität ins- Daten geht.“ ILLUSTRATION: EUPHORIKA FÜR MANAGER MAGAZIN außen, was meist nur ein anderes Wort gesamt ist unsere mit Abstand wichtigste Der schrittweise Umbau des Automo- ist für: noch mehr Arbeit. Aufgabe. Und unsere größte Chance.“ bils zum Smartphone auf vier Rädern ist Im Herbst 2014 hätte es allerdings kei- Wo sein Vorgänger Norbert Reithofer die Paradedisziplin der Bayern, sie führen ner externen Abendgäste bedurft, denn (59) mit der i-Reihe auf das Umwelt- auf dem Feld der Connectivity. Als erster an Impulsen für Autoschaffende herrsch- thema reagierte, muss Krüger eine Ant- Autohersteller stattete BMW seine Fahr- te in den Monaten zuvor kein Mangel: wort finden auf die Disruptoren aus dem zeuge schon vor 15 Jahren mit SIM-Kar- Der Chauffeurdienst Uber tauchte auf, Silicon Valley. Was für Reithofer der ten aus; mit dem intuitiven Bedienkon- Apple deutete Pläne für ein Auto an, Strom war, sind für Krüger die Apps. zept iDrive setzte der Konzern Maßstäbe. Google rückte autonomes Fahren öffent- Für den BMW-Lenker kommt es da- Auch bei den Fahrerassistenzsystemen lichkeitswirksam in den Fokus. „Die An- rauf an, den Abstand zu Google & Co. zu gehörte BMW zu den Pionieren – mit 2 E x T R A manager magazin 9
GAME CHANGER 2015 BMW Kollisionswarnungen oder Spur- und haben könnte – ein gerade im Gaspedal- schon via Web vertrieben. Gemeinsam und tüfteln. Es ist nicht einfach gerade, Abstandshaltesystemen. Der neue 7er, Universum entscheidender Effekt. Lange mit Audi und Daimler kauft BMW den nach den Rekordjahren ist China ein- kürzlich auf der IAA präsentiert, markiert schien die kalifornische Disruption in Kartendienst Here von Nokia für stolze gebrochen, Daimler und Audi holen die vorläufige Spitze: Systeme für teil- den Augen der Automanager weit ent- 2,5 Milliarden Euro. Viele Fragen sind auf, und über allem liegt die Volks- autonomes Fahren, Bediensystem mit fernt von ihrer Industrie, von den Baye- noch offen, sicher ist jetzt schon: Here wagen-Affäre wie, nun ja, düsterer Gestensteuerung, Fernsteuerung fürs rischen Motoren Werken zumal. War ist eine der tragenden Säulen in der Ab- Dieseldunst. WEGBEREITER DER INDUSTRIE 4.0 Garagenparken. „Die Connectivity wird man nicht Renditekönig? Technikfürst? wehrschlacht. Denn Here sammelt und Immerhin: Es sind die alten Prob- künftig neben Design und Fahrfreude Fahrfreudekaiser? verarbeitet Daten. Die braucht Krüger, leme einer alten Zeit. Autobaueralltag, Die weiteren Finalisten eine entscheidende Rolle beim Autokauf Schon. Bloß: Was passiert, wenn denn „in Zukunft wird der BMW Ihre lässt sich regeln. Google, Apple und in der Kategorie Incumbents spielen“, sagt Krüger. Technik zum Standard wird und es kei- Flüge und Hotels buchen oder Ihnen ein Tesla sind ein anderes Kaliber. Ob Pre- Die große Frage ist, wer diesen Zu- nen interessiert, wie viel PS unter der neues japanisches Restaurant empfehlen, miumservices, Connectivity und Digi- gang zum Käufer in Zukunft kontrolliert: Haube brodeln, weil die Wagen autonom weil er weiß, dass Sie gern Sushi essen“. talumbau bald den Absatz beflügeln, DEUTSCHE TELEKOM Der Bonner Cloud und hat sich dafür radi- BMW oder Google? „Wir Autobauer dür- fahren? Wenn die Frage nicht ist: Wer Vor dem Restaurant sucht sich das Auto kann niemand sicher sagen. Erst mal Konzern (Umsatz: rund 63 Mil- kal umgebaut: Das zentrale fen bei der Kundenschnittstelle auf kei- baut das beste Auto? Sondern: Warum selbstständig ein freies Plätzchen und kostet der digitale Weg Milliarden, liarden Euro) gilt als wichtigster Produktversprechen wechselt nen Fall in Abhängigkeit von den großen baut ihr überhaupt noch Autos? parkt allein ein. ähnlich wie die Elektroautos; Geld, das europäischer Treiber für den von Lizenzsoftware zu „Soft- Spielern im Valley geraten“, sagt Eichi- Der Charme der Vision ist in zwei aus dem Kerngeschäft kommen muss, Netzausbau, Cyber-Security- ware as a Service“. Herzstück ner. Doch weil es um Bits und Bytes geht Alles auf die Datenkarte Wörtern gebündelt: Service und Pre - was die Rendite nicht hübscher macht. Dienste und intelligente Netz- der neuen Strategie ist die und weniger um PS, machen digitale „Derlei Gedanken bereiten uns keine mium. Wer in 30 Jahren noch ein Auto Die i-Flotte soll jetzt ausgebaut werklösungen. Sie werden die „In-Memory Computing“-Soft- Strategie und Erfolge die Münchener Sorgen: Wir bauen heute sehr gute Autos kauft, will Exzeptionelles. Will Marken- werden, auch Kundenorientierung, Industrie 4.0 prägen, vor allem ware Hana, mit der exponen- zwar zu Vorreitern – doch es bleibt eine und werden auch bei der Mobilität der glanz, Technikexzellenz und Service - Markensteuerung und natürlich Digi- den Gesundheitssektor, die tielle Zeitersparnisse bei Abwehrschlacht, eine Strategie der Ver- Zukunft einen guten Job machen“, sagt paradies. Hinter Marke und Technik talisierung werden Eckpunkte der Energiebranche und eine neue Berechnungen und Big-Data- teidigung. Vorwärtsverteidigung, wenn Finanzer Eichiner, der auch das i-Projekt kann BMW ein Häkchen setzen, Service weiterentwickelten Strategie sein. In- Generation vernetzter Automo- Analysen erzielt werden es nach Krüger geht. initiiert hat. Sein Chef Krüger hat derweil im Premiumbereich ist Ziel der Digital- klusive direkterer interner Prozesse bile. CEO Timotheus Höttges können. Mit Hana disrupted Gestensteuerung des Navis, Lichthu- gleich zwei Jobs: Eine kulturelle Tradi- offensive. „Die Kunden sind bereit, für und dem ein oder anderen neu zu er- richtet vor allem T-Systems SAP unter CEO Bill McDer- pe-App, fahrerlos einparken und Spotify tion aufrechtzuerhalten, die sehr präzise gute Services, etwa Concierge-Dienste, werbenden Start-up. Krüger setzt viel konsequent auf die Zukunfts- mott den Markt für Unterneh- aus den Boxen sind dabei nice to have – sehr perfekte Wagen vom Band rollen zu zahlen“, sagt Bain-Automobilexperte auf die Vernetzungs- und Datenkarte. themen Cloud-Computing, menssoftware. reichen aber nicht. Das Denken muss sich lässt. Die im Jahr 2014 80 Milliarden Stricker. Manches kann man sich durchaus von Big Data und Mensch-zu-Ma- ändern. Darum grübeln die Vorstände auf Euro erlöste, dabei fast 6 Milliarden Bis zum Sushi ist es noch ein ordent- den Kaliforniern abschauen: Tesla et- schine-Kommunikation aus. SIEMENS Das Schwergewicht Gut Schwärzenbach seit Jahren über Euro Nettogewinn machte und knapp liches Stückchen Weg. Skepsis von außen wa, das bislang allerdings Verluste pro- im Dax (rund 72 Milliarden Urbanisierungs- und Sharing-Economy- 120 000 Mitarbeiter beschäftigt. Und muss überwunden werden, wie beim duziert, setzt statt auf Händlernetze BOSCH Sein Stiftungscharakter Euro Umsatz) gehörte zu den Trends. Darum entwickelte BMW Drive dieser Kultur zugleich beizubringen, „im iDrive-Knubbel auf der Mittelkonsole, auf Callcenter und Onlinebetreuung ermöglicht dem Konzern auch ersten Anbietern vollintegrier- Now, schuf den Incubator Startup Garage digitalen Geschäft den Mut und das den die Branche zunächst verlachte und und verkauft die Wagen komplett im mutigere Strategieschwenks. ter Lösungen für Soft- und und den hauseigenen VC-Fonds iVentures Risiko zu lieben“. Das ist es, was Krüger dann kopierte. Und intern müssen alle Netz. Mit regelmäßigen Software-Up- So erweiterte Bosch sein Hardware über komplette (der etwa in JustPark, ChargePoint oder mit Digital Leadership meint, einem sei- mitspielen. Als die i-Elektroautos ent- dates wird die Elektronik der Autos auf Kerngeschäft als Autozuliefe- Produktlebenszyklen hinweg. MyCityWay investierte), kooperiert mit ner Lieblingsbegriffe. wickelt werden sollten, verzichtete der neue Entwicklungsstände gehoben. rer und gilt heute als wichtiger Die „Digital Enterprise Soft- Apple im Bereich Connected Cars. Des- Krüger gilt als Menschenversteher, als Vorstand bewusst auf die Wasserfall- BMW will den Beweis erbringen, Anbieter von Industrie-4.0- ware Suite“ unterstützt Kun- halb baute der Konzern in Chicago ein Denker und Infragesteller. Wenn er be- kommunikation die Hierarchien runter dass ein Big Player der Traditions- Technologie und Connected den bei der Transformation zu Start-up auf, das Apps entwickelt, und obachtet, wie seine Kinder in der Küche und ließ den 9000 Führungskräften vom industrie in dieser Valley-Dynamik Driving. Das Unternehmen stärker automatisierter Pro- schneiderte eine Geschäftseinheit für di- kochen und das Rezept vom Smartphone Abteilungsleiter bis zum Fertigungsmeis- reüssieren kann. Sollte es zwischen- (knapp 50 Milliarden Euro Um- duktion und hin zur „digitalen gitale Dienste, mit eigener Struktur und ablesen, dann hat das Folgen, auch für ter die Strategie stattdessen in eintägigen durch haken, könnte ein alter Plan satz, CEO: Volkmar Denner) Fabrik“. Als einziger großer Kultur. „Sicher, viele Innovationen ste- BMW. Gern verweist er auf die zwei gro- Workshops erläutern. Motto: „Strategy neu auf den Tisch kommen: die schon wird geprägt von einer für Spieler bietet Siemens die hen noch am Anfang, die Disruption ist ßen Disruptionen, die bereits in den Kon- on Tour“. „Es ist mitnichten so, dass alle unter dem heutigen Aufsichtsratschef einen deutschen Großkonzern Software auch mittelständi- für das Unternehmen noch lange nicht zernannalen stehen: Mit dem x3 wurde sofort ,Hurra‘ rufen, wenn ein Vorstand Reithofer diskutierte und wieder ver- ungewöhnlichen Start-up- schen Unternehmen an. Auch vorbei“, sagt Bain-Partner Klaus Stricker, der erste BMW fremdentwickelt und -ge- eine neue Strategie verkündet. Ohne die worfene intensivere Zusammenarbeit Mentalität. nach innen richtet sich Sie- „aber BMW ist in einer guten Position fertigt. Und natürlich die Erfindung der richtige Kommunikation wird auch die mit Apple, etwa beim Bau oder Ver- mens unter CEO Joe Kaeser und bereit, sich weiter zu verändern.“ i-Reihe. beste Strategie nicht funktionieren“, sagt trieb der i-Reihe. SAP Das einzige deutsche rund um das Thema „digitale Der Game-Changer-Preis würdigt Mehr soll folgen. In China startete ein Eichiner. Lieber aber wären die Bayern selbst Softwareunternehmen von Fabrik“ neu aus, um Ver- auch die Breitenwirkung, die ein gewan- Modellversuch für Autoverkauf online; In diesem Herbst sitzen die BMW- das deutsche Apple. Born in Gut Weltrang (Umsatz: gut 17 Milli- netzungspotenziale besser zu delter Konzern auf die gesamte Branche auch die i-Modelle werden zum Teil Granden wieder auf Gut Schwärzenbach Schwärzenbach. 1 Klaus Werle arden Euro) setzt alles auf die erschließen. 10 manager magazin E x T R A
GAME CHANGER 2015 Axel Springer N E T Z - G E L D Springer steigerte den Anteil seiner Digitalaktivitäten am SIEGER IN DER KATEGORIE FOCUSED PLAYERS: AXEL SPRINGER Gewinn auf 75 Prozent Neues Welt-Bild S C H R A N K E Erst berichteten „Bild“ und „Welt“ online, Das Rubrikengeschäft im Netz liefert satte Gewinne. Aber Axel Springer dann folgten Bezahl- modelle will nun beweisen, dass auch digitaler Journalismus Geld bringt. W E R B U N G Vermark- tungsmodelle wurden ausgebaut (Idealo, N ein, einen pyjama Friday gibt wie Business insider, Ozy und der news- ebitda bei, inzwischen sind es drei es bei Axel Springer noch plattform Mic.com. „eine beeindrucken- Viertel. Zanox, Aufeminin) nicht. Aber es fehlt nicht de Transformation“, sagt der gründer Die Frage ist: Wie hat Springer das ge- mehr viel. Der einst streng und Valley-Milliardär Andreas von Bech- macht? Und kann das zum Vorbild für die gegelte Herr Diekmann hat die Haare tolsheim. „Die haben ihr eigenes ge- gebeutelte Verlagsbranche werden? jetzt wuscheliger, zwei Tattoos und die schäftsmodell aus den Angeln gehoben“, Spätestens seit dem Jahrtausend- E R L Ö S T R E I B E R Das Rubri- Ärmel hochgekrempelt; außerdem ist staunt die Wirtschaftsprofessorin Ann- wechsel sind die Verleger weltweit kon- kengeschäft wanderte ins Netz (Stepstone, Seloger, er nicht mehr Herr Diekmann, sondern Kristin Achleitner. frontiert mit einem bemerkenswerten Immowelt) „der Kai“. CeO Mathias Döpfner (52) be- Von Bechtolsheim und Achleitner phänomen: Der technologische Wandel gnügt sich mit einem elf Quadratmeter gehören der Jury an, die Axel Springer schuf „eine internetumgebung voller kleinen glasbüro, wo er die Vision für in der Kategorie Focused players mit freier inhalte und gekappter Verbindun- den Verlag in einer nonchalanten Mi- dem game-Changer-preis von Bain & gen zwischen denen, die inhalte herstel- schung aus Valley-Sound und Bildungs- Company und manager magazin ehrte. len, und denen, die für produkte und bürgervokabular erläutert. Und wehe, ein „Springer hat ,digital‘ extrem schnell ge- Dienste geld bekommen“, schreiben Au- redakteur sagt, er arbeite bei der „Bild“- lernt, ist dynamisch und risikobereit“, toren der Stanford Business School in Zeitung. Denn das heißt jetzt: „bei ,Bild‘“. sagt imeyen ebong, partner bei Bain. einer Fallstudie – über Axel Springer. Wenn sich Unternehmen einen Kul- „gemessen am Veränderungsgrad, ist der Heute wird dem Verlag von der eliteuni turwandel verordnen, ist das oft nur ein Verlag eine Art role Model für die idee „strategische Führung“ in der digitalen anderes Wort für Stellenabbau; im an - des game Changer Award.“ Medientransformation attestiert, und genehmsten Szenario werden ein paar Wer regeln bricht, erntet nicht nur das liegt an Timing und radikalität. LIEBLINGSKINDER Workshops angesetzt und neue Topf- Begeisterung. Spötter sprechen von Döpfner und sein Team erkannten Digitale journalis - pflanzen ins Foyer gestellt. nicht so bei Springer als private-equity-Holding mit früh, dass Veränderungskosmetik nicht tische Formate Axel Springer. Kein deutsches Medien- angeschlossenem Verlagsteil, Traditio- lange ausreichen würde, denn „irgend- werden gekauft oder haus, kaum ein Unternehmen aus an - nalisten sehen in Döpfner mit seinen in- wann kommt der Strömungsabriss“, wie entwickelt (Business deren Branchen, hat sich, sein geschäft, tegrierten redaktionen, paid-Modellen „Bild“-Chef Kai Diekmann sagt: „Das ist Insider, Upday) seine Mitarbeiter und sein image in den und seinem Digitalaktionismus den wie eine dicke Schneeschicht auf dem ILLUSTRATION: EUPHORIKA FÜR MANAGER MAGAZIN vergangenen zehn Jahren so radikal ver- Totengräber der Zunft. Die Aktionäre Dach, die von der Frühlingssonne weg- ändert wie der Verlag, der einst nahezu jedoch freuen sich über den Börsenkurs, geschmolzen wird.“ mythenhaftes Symbol war für Konser - der sich seit Anfang 2010 nahezu ver - Springer startet 2006. Zunächst sollte vativismus und engstirnigkeit. doppelt hat; Berater loben die Financials: das altehrwürdige papiergeschäft fit Traditionsblätter wie „Hörzu“ und Die ebit-Marge liegt bei rund 13 prozent, gemacht werden für die Onlinewelt: Die „Hamburger Abendblatt“ – weg. Das ru- Tendenz steigend. Zwar kommen noch redaktionen von „Bild“ und „Welt“ wur- brikengeschäft – nahezu komplett online. immer 38 prozent der erlöse aus print – den aus ihren Silos vertrieben: news wer- Die große „Bild“ – im strategischen ge- aber nur noch 23 prozent des ebitda. den postwendend multimedial verarbei- füge nach hinten durchgereicht, im Cool- Die Früchte der Transformation fallen tet, in Feeds, posts, Bewegtbild, und ness-ranking abgeschlagen hinter akqui- im netz an: 2012 steuerten die Digital- einmal am Tag fällt auch eine Zeitung rierten, im Web gewachsenen perlen aktivitäten erst knapp 40 prozent zum dabei ab. Objekte, deren digitale Zu- 2 12 manager magazin e x T r A
GAME CHANGER 2015 Axel Springer kunft fraglich war, wurden abgestoßen – Solisten werden gefördert, sofern sie im sondern in der zweiten oder dritten verändern? Beispielsweise indem die die meisten regionalzeitungen („Ham- rhythmus bleiben; Misstöne – das Deba- reihe, bei den angesagten Hoffnungs- paid-idee in die Fläche gebracht wird – FOTOS, FERNSEHEN UND ROBOTER burger Abendblatt“) und Zeitschriften kel mit dem Briefzusteller pin, die ge- trägern. Springer beteiligte sich etwa an und langfristig das Verhalten der Wer es bei den Focused Players noch wie „Hörzu“ gingen 2013 für 920 Millio- scheiterte Fusion mit proSiebenSat.1 –, der Millennial-lifestyle-gruppe Thrillist Mediennutzer verändert? Oder mehr nen euro an die Funke-gruppe. vom Dirigenten elegant weggewedelt. Media, kaufte das angesagte Wirtschafts- Synergien zwischen altem und neuem ins Finale schaffte Mit Zukäufen im netz wie idealo „Der Kulturwandel hatte für mich portal Business insider oder brachte die geschäft gehoben werden? Zudem (2006) und Zanox (2007) wurde das vom ersten Tag an priorität“, sagt Döpf- politpostille politico per Joint Venture in droht der lukrativen rubrikensparte schwächelnde printgeschäft weiter ge- ner. Jetzt muss sich zeigen, ob der Kon- europa heraus. gefahr: Sogar Springer-Manager ge- CEWE Das führende europä- KUKA Mit seinen leichten, flexi- stützt. Vor allem der Umzug der rubri- zern die neue Welt verstanden hat, denn Wenn Döpfner über die angehenden hen davon aus, dass diverse Start-ups ische Fotofinishing-Unter- blen und lernfähigen Robotern ken ins netz erwies sich als lukrativ: vor rund drei Jahren startete Springer die Digitalzaren spricht, gerät der Springer- weltweit momentan versuchen, das nehmen (CEO: Rolf Hollander) treibt der Hersteller unter Springer erwarb Webseiten wie Step- nächste Stufe der Transformation. ehr- Chef ins Schwärmen: „Die reden wieder geschäft zu kannibalisieren. Auch die modelte sein Kerngeschäft CEO Till Reuter die roboter- stone, Totaljobs, immowelt oder Seloger, geiziges Ziel: „leading Digital publisher“ über Tonalität, illustrationen, über Hal- expansion in den angelsächsischen komplett um: von analog zu gesteuerte Automatisierung die heute das erlösrückgrat des Konzerns werden. Spielfelder: paid Content, Ver- tung – nicht über sinkende Werbeumsät- raum dürfte noch nicht vom Tisch digital. Dabei betont Cewe der nächsten Generation – bilden. Die Stellenanzeigen oder Woh- marktung (idealo, Aufeminin, Kaufda, ze.“ es sind die neuen Hipster-perlen im sein. stark die eigene Marke und auch in weniger automati- nungsangebote im netz erzielen mär- Zanox) und rubriken. portfolio, Döpfner nennt sie „Fuß-in-die- Döpfner hat die parole ausgegeben, setzt auf Mehrwertprodukte sierten Industrien. Damit ver- chenhafte renditen von bis zu 50 pro- Tür-investments“. Soll heißen: Hier wird der Verlag könne sich nun ganz auf die wie Fotobücher, um zusätz- ändert Kuka (Umsatz: 2,1 zent – und wachsen stark. „Mit den Hipster-Perlen im Portfolio nicht der schnelle euro gemacht wie bei netzwelt konzentrieren: „nach Um- liche Erlöse zu schaffen. Milliarden Euro) die gesamte Umbauten hat Springer sein Kernge- im ersten Schritt ließ Döpfner bei „Bild“ runtastic, das Springer erwarb und kürz- bau und strategischer neuausrichtung Mehr als 80 Prozent des Um- Wertschöpfungskette und be- schäft von print zu Multikanal erweitert und „Welt“ die Bezahlschranke herunter; lich für 220 Millionen euro an Adidas wollen wir in den nächsten zehn Jah- satzes von 524 Millionen reitet ebenfalls den Weg in die und online gleichzeitig den Fokus von derzeit nutzen knapp 300 000 Abon- verkaufte, das Zehnfache des einkaufs- ren das digitale Wachstum treiben. Euro kommen heute aus dem Arbeitswelt der Industrie 4.0. den inhalten auf die nutzer gelegt“, sagt nenten das paid-Angebot „Bild plus“. preises. Hier geht es um die Zukunft. Das ist der schönere Teil.“ Sein aktuell Onlinegeschäft. Ein echtes Bain-experte ebong. Bis 2020, glauben experten, könne der noch sind Business insider & Co. nur wichtigster pfeil im Köcher ist Upday, Erfolgsbeispiel in der digitalen PROSIEBENSAT.1 Der TV-Kon- interne reibereien blieben nicht aus. Verlag die digitalen Vertriebserlöse auf große Wetten, wenn auch aussichtsrei- eine plattform für aggregierte nach- Ära. zern unter CEO Thomas Die Zeitungsleute sahen nicht ein, 50 Millionen euro steigern – das wäre che. Doch schon jetzt hat Döpfner er- richteninhalte, die nativ auf den pre- Ebeling hat sich in den ver- warum sie eine immobilienanzeige, mit ein Zehntel des heutigen nationalen reicht, dass selbst noch höhere Verluste miumhandys von Samsung installiert FESTO Welche Rolle wird der gangenen Jahren erfolgreich der sie vorher schöne 50 euro verdient printumsatzes. bei der „Welt“ und ein einbruch bei werden soll. Derzeit gibt es die Beta- Mensch in der digitalen Fabrik von einem reinen Fernseh- hatten, für nur 6 euro online verram- Derlei rechenexempel allerdings sind „Bild“ den Verlag nicht ruinieren würden. Version, 2016 soll es dann richtig los- der Zukunft noch spielen? sender zur diversifizierten schen sollten. Alte Verlagskämpen für Döpfner Teil genau jenes „defensiven Das ist mehr, als die meisten Medienhäu- gehen. Unter anderem dieser Frage Medienfirma mit großem rümpften ob gewisser recruiting-Volten rückwärtsmanagements“, das ihn so ser sagen können – aber für jemanden, „Weltn24“-Chefredakteur Jan-eric geht der weltweit wichtigste digitalem Angebot umgebaut, die nase, etwa als Stephanie Caspar zur nervt. Viel lieber spricht der Springer- der am liebsten in der Valley-liga spielen peters wurde eigens als „Chief product Anbieter pneumatischer und inklusive Video-on-Demand geschäftsführerin der „Welt“-gruppe CeO darüber, wie „der digitale Journa- würde, nicht genug. Officer“ abgestellt. Döpfner spricht elektrischer Automatisierungs- (Maxdome), E-Commerce und ernannt wurde – sie hatte vorher den lismus, noch vor drei Jahren unterschätz- Die „Financial Times“ hätte Döpfners von der App als wichtigster innovation technologie im schwäbischen Gaming. Das Kerngeschäft Onlineshop Mirapodo geleitet. Die Top- tes Aschenputtel, plötzlich unfassbar Spiel auf eine neue ebene heben sollen: seit erfindung der „Bild“. gründung Esslingen nach. Der Firmen- wurde diversifiziert und um führungskräfte maulten, als sie zu einer sexy geworden ist“. Vox Media, mit einer eine weltweite Topmarke als Türöffner einer europäischen Digitalzeitung, fokus liegt auf der Vernetzung Digitalkanäle erweitert; mit Firmentagung economy nach San Fran- Milliarde Dollar bewertet, Vice Media, für den englischsprachigen raum. Dazu strategische partnerschaft mit einem von Hard- und Software, unter Studio 71 betreibt ProSieben- cisco fliegen und dort im wenig glamou- vier Milliarden, dazu Buzzfeed, Huffing- intellektuell renommiert, es wäre eine globalen Hardwarekonzern, Zukunft CEO Eberhard Veit erreicht der Sat.1 ein eigenes Multichan- rösen Tenderloin District nächtigen soll- ton post und andere: „Das sind die Time Trophäe gewesen. Doch nikkei schnapp- hoch zwei – Upday ist ein projekt ganz Umsatz rund 2,5 Milliarden nel-Netzwerk. Das ten. Alles nur, weil Kai Diekmann sich Warners und Disneys der Zukunft, da te sie weg, der Konzern zahlte 1,2 Mil- nach Wunsch und Ambition des Sprin- Euro. Festo wandelte sich vom Unternehmen ist an zahlrei- monatelang im Silicon Valley herumge- würden wir gern mitspielen. Die werden liarden euro – 150 Millionen über Sprin- ger-Chefs. Komponentenhersteller zum chen Start-ups beteiligt (vor trieben und die Zusammenkunft unter höhere renditen haben als die groß - gers Schmerzgrenze. Kaufdisziplin: sehr Wird es ein erfolg oder wird eines Anbieter integrierter Lösungen allem in den Bereichen Beauty ein vielsagendes Motto gestellt hatte: verleger der alten printwelt.“ gut, aber: Jetzt sind vergleichbare Ob - der Springer-Start-ups zum Milliar- mit selbst-adaptiven Syste- und Reisen), meist über „leaving the Comfort Zone“. Und Springer soll natürlich dabei jekte in dieser Wall-Street-Journal-liga denspieler, wäre die von Döpfner be- men, digitalen Lernkonzepten Media for Equity, wobei Wer- erleichtert wurden die Umbauten sein, wenn Content wieder King ist. Des- nicht mehr zu haben. nachdem auch die schworene neue goldene Ära des digi- und bionischen Robotern, die bezeit für Firmenanteile ver- durch glasklare Machtverhältnisse: Mit halb gründete der Verlag 2013 den Start- Fusion mit proSiebenSat.1 zum zweiten talen Verlegens ein Stückchen näher den Übergang zur Industrie kauft wird. Der Umsatz beträgt Mehrheitseigentümerin Friede Springer up-Accelerator plug and play, deshalb be- Mal gescheitert ist, steht nicht nur unter gerückt. Wenn nicht, wird etwas ande- 4.0 unterstützen. 2,9 Milliarden Euro. im rücken kann Vorstandschef Döpfner teiligte er sich an der gründerschmiede Analysten die Frage im raum: What’s res ausprobiert. Wie heißt es noch? durchregieren, Change ist im Verlag eine project A, deshalb tätigte Döpfner in den next? Try again. Fail again. Fail better. One-Man-Show. Döpfner, der studierte vergangenen Jahren Akquisitionen für Die internen Spielregeln hat Springer Hat Samuel Beckett gesagt. Könnte Musikwissenschaftler, gibt Tonart, Takt knapp zwei Milliarden euro, kaufte ein, gründlich entstaubt. Doch hat sein Weg aber auch der Kai aus dem Valley mit- und Melodie vor, das Orchester folgt. nicht bei den Schon-Milliarden-playern, auch das Zeug, den rest der Branche zu gebracht haben. 1 Klaus Werle 14 manager magazin e x T r A e x T r A manager magazin 15
K N O W- H O W Technologie- E O S GAME CHANGER 2015 führer im Laser-Sintern und First Mover bei additiver Fertigung NEUE KONSTRUKTIONEN Präzisere Fertigung durch Eos-Drucker – spart Sprit bei Einspritzdüse von GE R A S A N T Eos konnte seinen Umsatz von rund 60 Millio- nen Euro (2009) auf gut 260 Millionen (2015) steigern SIEGER IN DER KATEGORIE CHALLENGER: EOS Nur noch kurz die Welt drucken KRONE UND BRÜCKE Zahnersatz lässt sich schneller und präziser fertigen Seit 25 Jahren entwickelt Hans Langer 3-D-Drucker. Heute schreibt seine Firma Eos die Gesetze von Produktion und Logistik um. V A L L E S A N D E R S 3-D-Druck mit or einigen Jahren, im ICE bei der Gründung 1989, dass das Ganze „Das Disruptionspotenzial mit star- Disruptionspotenzial für nach Dortmund, saß Hans eines Tages richtig groß werden könnte.“ ken Wirkungen auf die gesamte Volks- die ganze Wertschöpfungskette Langer (63) neben einem Heute ist Langers Unternehmen Eos wirtschaft ist bei Eos enorm“, sagt (F&E, Logistik, Produktion) älteren Herrn. Der Mann, Weltmarktführer mit Maschinen für SAP-Mitgründer und Jurymitglied Hen- weißes Haar, skeptischer Blick, kam Lan- industriellen 3-D-Druck. Konzerne wie ning Kagermann. US-Präsident Barack G L A N Z Mit 3-D-Druck ger vage bekannt vor, aber erst kurz vor General Electric, Siemens oder BMW Obama nannte die Drucktechnik die keine Einschränkungen Köln fiel ihm sein Name ein: Nicolaas zahlen bereitwillig hohe sechsstellige „nächste industrielle Revolution“. mehr im Design, etwa bei Goldschmuck Bloembergen, 1981 mit dem Physik- Summen – für eine davon. Fast alle Dax- Dabei ist Langer, jetzt wo alles von Nobelpreis für seine Beiträge in der Konzerne sind Kunden. Seit 2009 ist Eos der magischen Welt des 3-D-Drucks Laserspektroskopie geehrt. Viele Jahre im Schnitt mit 23 Prozent im Jahr ge- schwärmt, vor allem damit beschäftigt, zuvor hatte Langer, der promovierte Phy- wachsen, 2014 waren es 36 Prozent. Zu- Missverständnisse auszuräumen. „Wir siker, mit dem Gedanken gespielt, bei letzt erwirtschafteten 740 Mitarbeiter bauen keine Maschinen, wo man oben ihm als Post-Doc zu arbeiten; nun sprach weltweit rund 260 Millionen Euro. einen Datensatz reinwirft, und unten er ihn an. Schön. Langer aber, jetzt kommt’s, kommt ein Auto oder eine Pizza heraus.“ „Was machen Sie jetzt so?“, fragte rechnet mit einer Verzehnfachung in den Der 3-D-Druck, der die Fantasie der Mas- Bloembergen. nächsten zehn Jahren. Denn das Poten- sen beflügelt, bewegt sich eher im Nied- „Additive Fertigung.“ zial ist gigantisch – auf 100 Milliarden rigkostenbereich für Endkonsumenten; ILLUSTRATION: EUPHORIKA FÜR MANAGER MAGAZIN „Langweilig.“ Dollar könnte der Markt für industriellen zuletzt erhielten die hochfliegenden Er- „Ich glaube, Sie täuschen sich“, ent- 3-D-Druck in den kommenden Jahren wartungen hier einen deutlichen Dämp- gegnete Langer. „Wir arbeiten mit Lasern wachsen. „Eos als First Mover hat die fer, die Aktienkurse von Anbietern wie an Phasenübergängen in mikroskopi- richtigen Patente, die Technologie- Stratasys oder 3D Systems fielen. U M D E N K E N Eos-Drucker schen Strukturen.“ führerschaft und einen Marktanteil von Eos-Produkte dagegen sind auf den machen neue Werk- stücke möglich, mit Bloembergens Gesicht hellte sich auf: rund 50 Prozent“, sagt Klaus Neuhaus, ersten Blick unauffällig wie die Unter- Hohlräumen oder bioni- „Das klingt spannend.“ Partner bei Bain & Company. Die Bera- nehmenszentrale in Krailling bei Mün- schen Bauteilen An hochgezogene Augenbrauen, tung hat Eos zusammen mit manager chen. Ehemaliges Militärübungsgelände, wenn er von seiner Firma erzählte, war magazin zum Game Changer in der heute Teil der „Kraillinger Innovations Langer gewöhnt. „Aber ich wusste schon Kategorie Challenger gekürt. Meile“ (KIM), direkt am Landschafts- 2 E x T R A manager magazin 17
E O S GAME CHANGER 2015 schutzgebiet und nur wenige Kilome- einsparen würden. „Die Reduzierung von der heute neben Eos noch die Mehrheit geht da gar nichts. Eos hat eine eigene ter von Langers Wohnhaus. Ein silbern Gewicht oder Fertigungskomplexität an der ähnlich erfolgreichen Lasertech- Beratergruppe für das „Additive Manu- schimmernder Flachbau mit optischem birgt nicht nur großes Sparpotenzial, nikfirma Scanlab hält, sah die Möglich- facturing Consulting“ hingestellt; zu- 3-D-Effekt, nachhaltige Materialien; sondern ebnet den Weg für ganz neue keiten für den Prototypenbau und schlug sammen mit den Kunden muss mit gegenüber wird mal wieder gebaut, Teile und Produkte“, sagt Bain-Industrie- vor, ein Unternehmen für 3-D-Druck zu Werkstoffen, Design und Anwendungen weil die Firma in den vergangenen Jah- experte Neuhaus. gründen. Doch General Scanning scheute experimentiert werden, bis alles passt. ren regelmäßig aus den Nähten platzt. In einer Vitrine im ersten Stock der das Risiko, und Langer, der schlau ist und Trotz Aussicht auf Big-Player-Status In den Fluren Kaffee umsonst, die Firmenzentrale liegen beigefarbene das nicht ungern zeigt, machte es selbst: will Eos seine „Start-up-Kultur behalten Kantinenspeisekarte auf Englisch und Kunststoffteile und dunkel glänzende „Wir haben das Potenzial der Laser-Sin- und durch definierte Abläufe ergänzen“, hinter der Glasfront im Erdgeschoss Metallstücke – eine dreidimensionale ter-Technologie mit als Erste erkannt.“ wie Abeln sagt. Nicht aus Freude an MODE, MUSIK UND SEHENDE ROBOTER das Herzstück: Forschung und Ent- Show bisheriger Firmenerfolge. Eos baut Bis zum großen Erfolg vergingen Jah- Turnschuhen und auffälligen T-Shirts, wicklung. Maschinen, die wie deutlich 3-D-Drucker, die Drohnen in einem Stück re voller Patentstreitigkeiten mit Kon- sondern weil Konzernstrukturen nicht Wer noch zur Challenger-Shortlist zählte überdimensionierte Kühlschränke herstellen oder Maschinen, mit denen kurrenten wie 3D Systems und endlosen gut geeignet sind, mit der dahingalop - wirken, surren und brummen. Hinter Tempo und Präzision in der Zahnprothe- Tüfteleien an Software, Lasereinstellun- pierenden technologischen Entwicklung dem Sichtfenster eine Arbeitsplatte. senfertigung potenziert werden. Neben- gen und Material. Fast 20 Jahre dauerte Schritt zu halten: Mehrere Materialien ISRA VISION „Sehende“ Robo- SOUNDCLOUD Melodien für Mil- Darauf wird in dünnen Schichten von bei wirft die Firma das ein oder andere es, „die ganzen Werkstoffthemen ab - gleichzeitig, neue Werkstoffe wie weiche ter sind das nächste heiße lionen – das führende soziale 20 bis 150 Mikrometern Pulver aus Me- „Geht nicht“ der Goldschmiede über zuarbeiten“ und sich für Pulver zu ent- Kunststoffe oder hochschmelzende Ding in der Automatisierung – Netzwerk für Musik ermöglicht tall oder Kunststoff aufgetragen – ein Bord oder entwickelte für Siemens eine scheiden. Im Prinzip lässt sich jedes Metalle verarbeiten – das werden die und Isra Vision (gut 100 Mil- nicht nur Nutzern ein intensi- menschliches Haar hat einen Durch- Lösung, um Gasturbinen schneller und schmelzbare Material als Pulver in die nächsten Entwicklungssprünge sein. lionen Euro Umsatz) ist der veres Erleben der Inhalte, son- messer von rund 100 Mikrometern. günstiger zu warten. Riesendrucker geben, doch der Durch- Langer wäre nicht Langer, wenn er führende Anbieter von Syste- dern hat sich auch als virale Immer wenn eine Schicht fertig ist, Eos’ spektakulärstes Werkstück aber bruch kam mit den Metallpülverchen. nicht schon über den nächsten Technik- men für „maschinelles Sehen“, Werbeplattform für Künstler wird sie mit der vorhergehenden per ist eine unscheinbare Einspritzdüse, die Titan, Aluminium, Nickel – beinahe alles schritt hinausdenken würde. „Der 3-D- wie sie in der Oberflächen- und Plattenfirmen etabliert. Laser verschmolzen – gesteuert von General Electric (GE) zusammen mit kann jetzt per Präzisionslaser zu Werk- Druck hat das Potenzial, ganze Gesell- inspektion oder der auto- Mitgründer und CEO Alexander einer Software, die dem Lichtblitz sagt, Langers Leuten entwickelte. Fünf Jahre stücken verbacken werden. 2004 war der schaften zu verändern“, sagt der Gründer matischen Qualitätskontrolle Ljung machte das „Youtube welche Form am Ende gewünscht ist. hatte der Konzern nach der richtigen An- letzte Patentstreit beigelegt, die Firma selbstbewusst. Zuerst die Fertigung eingesetzt werden. Auch drei- für Musik“ zu einer der großen „Im Grunde ist dieses Laser-Sintern wendung für 3-D-Druck gesucht – und in- global positioniert, und Langer hatte alle selbst: Neue Designs und bislang unvor- dimensional können die Robo- deutschen Start-up-Erfolgs- dreidimensionales Schweißen, mit vestierte dann in die Entwicklung dieses Anteile, die er Business Angels wie Falk stellbare Anwendungen bescheren den ter von Isra Vision unter CEO geschichten, mit aktuell rund Tausenden aufeinanderfolgenden Teils einen dreistelligen Millionenbetrag. Strascheg oder zwischenzeitlichen Ret- Entwicklungsingenieuren ein goldenes Enis Ersü ihre Umwelt schon elf Millionen Euro Umsatz. Schweißnähten“, sagt Langer. Sieht, Bis 2020 will GE die additive Fertigung tern wie Carl Zeiss überlassen hatte, Zeitalter der Gestaltungsfreiheit. In der erfassen – und damit den vom zuckenden Laserstrahl abge- mit 3,5 Milliarden Dollar weiterent- zurückgekauft. Es konnte weitergehen. Folge werden sich Logistikkonzepte ver- Robotiktrend weitertreiben. ZALANDO Wer vor einer Postfiliale sehen, etwas unspektakulär aus – doch wickeln – unter anderem um die Ein- ändern – was heute noch tagelang über die Menschen beobachtet, wenn das Werkstück nach einigen spritzdüse in Serie zu produzieren, mit Goldenes Zeitalter der Gestaltung die Ozeane geschippert werden muss, CHECK24 Was heute weltmän- wie sie ein halbes Dutzend Za- Stunden oder Tagen aus dem über- 3-D-Druckern von Eos natürlich. Klingt Fast 2000 Anlagen wie etwa die Formiga kommt künftig aus der Fabrik um die nisch „disrupten“ genannt lando-Retourenpakete balan- schüssigen Pulver geschält wird, sind wahnsinnig, hat aber Methode: Mit der P 110 oder die Eos M 290 hat Eos bislang Ecke. Neue Geschäftsmodelle entstehen, wird, hieß früher schlicht cieren, braucht keinen weite- die Möglichkeiten offensichtlich: neuen Düse kommen die Triebwerke von weltweit verkauft, mindestens 500 sollen wenn etwa Schmuckdesigner ihre Ent- „aufmischen“ – und das ist ren Beleg mehr, wie das eins- Hohlräume, bionische Bauteile, Tur- GE Aviation mit weniger Sprit aus – ein es im laufenden Geschäftsjahr werden. würfe ins Netz stellen und bei Interesse exakt, was Check24 (Umsatz: tige Start-up nachhaltig das binenelemente aus einem Stück – wo starker Wettbewerbsvorteil. Jetzt muss das Unternehmen zusehen, einfach ausdrucken lassen. Fertigung 207 Millionen Euro) mit der Kundenverhalten und damit einst für Fertigungsingenieure die Auch der Aufstieg von Eos selbst war dass die Firmenstruktur mit dem raschen wird dezentral, Daten werden irgendwo Assekuranzbranche gemacht den europäischen Handel mit Welt des Machbaren endete, da fangen geprägt von kleinen Details mit großer Wachstum Schritt hält – und den Markt ins Netz gespeist und vor Ort ausge- hat. Das führende deutsche Mode und Schuhen verändert Laser und Pulver erst an. Wirkung – und oft genug gefährdet. Ei- entwickeln. „Das Geschäft hebt gerade druckt. „Wir werden große Teile der Pro- Vergleichsportal für Versiche- hat. Mit schrillen Werbespots Eine Blutzentrifuge lässt sich plötz- gentlich wollte Langer nach seinem Dok- ab“, sagt Langer. Aber auch im Höhenflug duktion aus Niedrig- in Hochlohnländer rungen besetzte die Schnitt- („Schrei vor Glück!“) und lich aus 3 statt 32 Teilen zusammen- tor am Max-Planck-Institut Professor muss gesteuert werden, sonst ist der zurückholen“, prophezeit Langer. stelle zum Kunden, machte diversen Annehmlichkeiten für setzen; Scharniere, die früher mühsam werden. Doch die Aussichten waren mau, Absturz umso härter. Um die Marktfüh- Diesmal ist er nicht allein. Obama hat das Geschäft für diesen be- den Kunden (große Auswahl, zusammengefrickelt werden mussten, sein Doktorvater riet ihm zum Wechsel rerschaft zu verteidigen, muss Eos die die Förderung von 3-D-Druck als natio- quemer und transparenter – kostenlose Retournierung bei kommen in einem Guss heraus. Das in die Wirtschaft, wo der Schnelldenker Zuverlässigkeit seiner Systeme weiter nale Aufgabe benannt. Die Berater von und erhöhte branchenweit Nichtgefallen) wurde Zalando Ziel: schneller, leichter, günstiger. und -redner 1981 im Vertrieb eines Laser- optimieren und die Stückkosten senken. Bain sagen der additiven Fertigung ein Preisdruck und Wechselbereit- zum führenden Onlinehändler Spannend ist das weniger für End- technikherstellers landete. Und reüs- Ziel: Stärker in die Serienfertigung Marktvolumen von gut zwölf Milliarden schaft. Beobachter erwarten und lehrte Otto & Co. das verbraucher, die im Wohnzimmer ein sierte. „Technischer Vertrieb ist der einzusteigen, wie das mit GE gerade Dollar im Jahr 2018 voraus. Andere Prog- künftig einen Effekt auch Fürchten. Nach etwas ruckeli- lebensechtes Modell der Liebsten aus- Physik nicht unähnlich: Beide suchen gelungen ist. nosen sehen für 2025 „ausgedruckte“ Wa- auf andere Branchen (zum gem Start ist das Wachstum drucken wollen. Sondern für Kon- nach Lösungen“, sagt er heute. Dafür fahndet Eos nach der lohnends- ren im Wert von 550 Milliarden Dollar. Beispiel Tourismus) durch inzwischen des Öfteren profi- zerne, die heute viele Millionen in die Später baute der gelernte Laserphysi- ten Anwendung seiner Drucker beim Niemand weiß genau, wie groß indus- aggressiveres Cross- tabel, der Umsatz unter Entwicklung von Hightech-Teilen ste- ker das Europa-Geschäft für die US-Fir- Kunden. „Das ist mit unsere größte trieller 3-D-Druck wird. Aber alle sind si- Selling unter Geschäfts- Vorstand Robert Gentz liegt cken – und mittels additiver Fertigung ma General Scanning auf, die Laser-Po- Herausforderung“, sagt Entwicklungs- cher, dass er groß wird. Hans Langer hat führer Henrich Blase. bei 2,2 Milliarden Euro. morgen gern einige Hundert davon sitionier-Einheiten produzierte. Langer, vorstand Tobias Abeln. Auf Knopfdruck das immer schon gewusst. 1 Klaus Werle E x T R A manager magazin 19
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