Kostenbarometer Regulatorik (Kostbar) - Regulatorische Aufwände für Unternehmen der Versicherungsbranche und des Maschinenbaus - Deloitte
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Kostenbarometer Regulatorik (Kostbar) Regulatorische Aufwände für Unternehmen der Versicherungsbranche und des Maschinenbaus
Kostenbarometer Regulatorik (Kostbar) Management Summary 05 1. Einleitung 06 1.1 Hintergrund 06 1.2 Untersuchungsrahmen und Zielstellungen 10 2. Betroffenheit von Wirtschaftsunternehmen durch Bundesnormen 16 2.1Methodischer Untersuchungsansatz inkl. Natural-Language-Processing 16 2.2 Auswertung 23 3. Q uantifizierung branchenspezifischer Aufwände zur Erfüllung regulatorischer Vorgaben 31 3.1 Methodischer Untersuchungsansatz 31 3.2 Auswertung 34 4. Einordnung der Ergebnisse 47 4.1 Einordung der Ergebnisse der Kategorisierung von Bundesgesetzen 47 4.2Einordung der Ergebnisse der erhobenen Daten zur Aufwandssituation 48 5. Fazit 50 Literaturverzeichnis 52 Danksagung 53 03
Kostenbarometer Regulatorik (Kostbar) Management Summary Die Studie „Kostenbarometer Regulatorik die Unternehmen wirkt. Dazu gehören bei- zur Bürokratiebelastung. Die Befragten (Kostbar)“ ist eine gemeinsame Initiative spielsweise EU-Vorschriften, die unmittel- erwarten, dass die zu beachtenden Nor- des Nationalen Normenkontrollrats (NKR) bar gelten, oder solche, die von Aufsichts- men zunehmen. Es zeigte sich aber auch, und der Deloitte GmbH Wirtschaftsprü- behörden erlassen werden. Sie bleiben in dass die bereits unternehmensintern fungsgesellschaft (Deloitte). dieser Untersuchung unberücksichtigt. beantragten Budgets für einmalige Auf- wände für die Umsetzung von Normen Die Studie „Kostbar“ verfolgt zwei Ziele. Der Anteil jährlicher Personal- und Sach- bei 75 Prozent der teilnehmenden Versi- Erstens sollten alle Gesetze der Bundese- aufwände bei den befragten Versiche- cherungsunternehmen geringer als in der bene identifiziert werden, die für Wirt- rungs- und Maschinenbauunternehmen Vergangenheit sind. schaftsunternehmen und ihre einzelnen für die Umsetzung von Normen beträgt Branchen relevant sind. In diesem Zusam- zwischen 4 und 7 Prozent der jährlichen Am Beispiel der befragten Versicherungs- menhang kam neben manuellen Analysen Gesamtaufwände. Um die Zahlen einord- industrie konnte gezeigt werden, dass auch ein Natural-Language-Processing nen zu können, muss man die Rentabilität größere Versicherungen absolut gemessen (NLP)-Ansatz erfolgreich zum Einsatz, was der Unternehmen ins Verhältnis setzen. mehr für Regulatorik zahlen als kleinere. die Tür zu weiteren möglichen Anwen- Mitunter ist diese so gering, dass Aufwände Die relative Belastung für Letztere ist aber dungsbereichen sowohl in Unternehmen zur Umsetzung von Normen einen signifi- größer. als auch im Umfeld der Gesetzgebung kanten Unterschied in der Rentabilitätsbe- eröffnen könnte. Zweitens sollten die rechnung machen können. Betrachtet man Das branchenübergreifende Resultat aus direkten Aufwände von Wirtschaftsunter- diese Aufwände differenzierter, zeigen sich dem qualitativen Teil der Befragung ist nehmen quantifiziert werden, welche sich signifikante Unterschiede. Die Aufwände bemerkenswert. Mehr als 30 Prozent der aus der Erfüllung dieser Normen ergeben. von Unternehmenseinheiten, die nah am Teilnehmer nehmen die Datenschutzvor- Anders als beim ersten Ziel beschränkte Kerngeschäft des Unternehmens sind, gaben als besonders belastend wahr. Dies sich die Studie dabei jedoch nicht nur auf betragen durchschnittlich 3 Prozent. Im ist umso beachtlicher, weil der Fragebogen Gesetze der Bundesebene. Denn für Unter- Gegensatz dazu liegen die Aufwände für offene Fragen stellte, also keine Antwort- nehmen ist oftmals nur schwer nachzu- Stabsfunktionen zwischen 60 und möglichkeiten zur Auswahl vorgab. Die vollziehen, welche gesetzgeberische Ebene 73 Prozent. Befragten äußerten sich ebenfalls dazu, eine Regelung ursprünglich initiiert hat. Um wie aus ihrer Sicht die Normen ausgestaltet die Untersuchung dennoch überschaubar Die einmaligen Aufwände zur Implementie- sein sollten, und machten Vorschläge zur zu halten, wurden exemplarisch Unterneh- rung neuer Normen lagen im Durchschnitt aufwandsärmeren Regulierung, die sich men der Versicherungsbranche und des zwischen 13 und 19 Prozent des gesam- auch mit Ergebnissen ähnlicher Studien Maschinenbaus ausgewählt. ten Budgets für einmalige Aufwände in decken. den befragten Unternehmen. Demnach Die Untersuchung zeigt, dass die Anzahl sind diese ein bedeutender Treiber in der zu beachtenden Normen für Unterneh- den Unternehmen. Dennoch bleibt noch men schon allein auf Bundesebene beacht- Spielraum für einmalige Investitionen ohne lich ist. Es ist davon auszugehen, dass ein regulatorischen Bezug. Interessante Ergeb- Vielfaches davon an weiteren Normen auf nisse ergab auch die Zukunftseinschätzung 05
Investing in Germany | A guide for Chinese businesses 1. Einleitung 1.1 Hintergrund Evaluierungen ein, die Grundlage für wei- chenvergleich deutliche Unterschiede auf. Bürokratieabbau und bessere Rechtset- tere Regulierungsschritte sein können. Belege dafür gibt es auch bei der gemesse- zung haben in Deutschland eine jahrzehn- nen Belastung. So liegt beispielsweise die telange Tradition und sind institutionell Dieses Vorgehen hat durchaus Entlas- Branche von Finanz- und Versicherungs- fest verankert durch den Nationalen tungserfolge erbracht. Aber es führt aus dienstleistungen laut Bürokratiekosten- Normenkontrollrat (NKR), dessen Mandat NKR-Sicht zur unbefriedigenden Situation, index deutlich über der gemessenen Büro- im NKR-Gesetz von 2006 normiert ist. Der dass zu wenig über die gesamten prakti- kratiebelastung für die Gesamtwirtschaft NKR prüft unter anderem, ob die Schätzun- schen Kostenwirkungen aller Normen in (siehe Abbildung 1). gen zu den direkten Kostenfolgen neuer den Unternehmen, speziell auch ganzer oder geänderter Regelungen methodenge- Branchen, bekannt ist. Nicht immer ist klar, Der DIHK gibt in seiner Studie zu bedenken, recht, nachvollziehbar und plausibel sind. wie stark Unternehmen einer bestimmten dass die „low-hanging fruits“ in Ländern mit Die direkten Kostenfolgen sind in Deutsch- Branche durch bestimmte Vorgaben in der einem langjährig etablierten Bürokratie- land durch den Begriff des „Erfüllungsauf- Praxis wirklich betroffen, und welche Unter- abbauprogrammen meist schon geerntet wands“ näher definiert. Dieser umfasst den nehmensbereiche besonders belastet sind. wurden und dass dies einige Länder (z.B. gesamten messbaren Zeitaufwand und Niederlande, Belgien) dazu motiviert habe, die Kosten, die durch die Befolgung einer Auch aus Sicht der Wirtschaft hat die branchenorientiertere Ansätze einzuführen bundesrechtlichen Vorschrift bei Bürge- deutsche Bürokratiebekämpfung bei allen (Deutscher Industrie- und Handelskam- rinnen und Bürgern, Wirtschaft sowie der Erfolgen ihre Schwächen, denn die Entlas- mertag und SIRA Consulting 2020). öffentlichen Verwaltung entstehen. Teil des tungsbemühungen werden in der Praxis Erfüllungsaufwandes sind auch die Büro- selten wahrgenommen (vgl. u.a. Deutscher Die wachsende Anzahl von Studien mit kratiekosten.1 Industrie- und Handelskammertag und einem Branchenfokus in den letzten Jahren SIRA Consulting (2020), Holz et al. (2019)). zeigt, dass das Interesse an einer Entlas- Dieser Ansatz soll dafür sorgen, dass das Dies liegt zum Teil daran, dass die Defi- tung gerade in besonders stark regulierten Kabinett seine Entscheidungen in Kenntnis nitionen der Bürokratiekosten und des Branchen zunehmend wächst. Ziel ist, die der daraus entstehenden Kosten trifft und Erfüllungsaufwands auf Grundlage relativ belastendsten Vorgaben per Befragung dass die Regulierungen so aufwandsarm eng gefasst sind. Die Unternehmen haben auf Unternehmensebene zu identifizieren wie möglich gestaltet sind. Zu den Aufwän- jedoch meist ein weiteres Verständnis von und die Zahlen für die (gefühlt) stärksten den von Änderungen, die der Bundestag diesen Begriffen. Zusätzlich unterscheiden Belastungen für die jeweilige Branche und der Bundesrat an den Gesetzen im Unternehmen oft nicht nach den Verursa- hochzurechnen, um damit auch bessere weiteren Verlauf des parlamentarischen chern für Bürokratie. Dass diese gefühlte Ansatzpunkte für Entlastungsmaßnahmen Verfahrens vornehmen, gibt es jedoch Belastung nicht mit der gemessenen Belas- zu liefern. Teilweise geben die Studien keine Schätzungen. tung übereinstimmt, dazu haben Studien einen Überblick über die ermittelten Belas- zur Bürokratiewahrnehmung in den letzten tungen nach Themenfeld (z.B. Schweizeri- Auch die Umsetzung der bundesrechtli- Jahren immer wieder Hinweise geliefert scher Gewerbeverband (2010), NKR (2019), chen Vorgaben durch Länder, Kommunen (vgl. Deutscher Industrie- und Handelskam- Schenkel (2016), ABBL und EY (2014)), auch und nachgeordnete Behörden kann wei- mertag und SIRA Consulting (2020), Holz um themenorientierte Vorschläge zum tere Aufwände für Unternehmen mit sich et al. (2019), NKR Baden-Württemberg und Bürokratieabbau zu gewinnen. bringen, die nicht vorherzusehen waren. KPMG (2020)). Das Statistische Bundesamt misst deshalb Tabelle 1 gibt einen Überblick über Studien einige Zeit nach dem Inkrafttreten nach, Aus methodischer Sicht kommt erschwe- zu Folgekosten von Regulierung (oft mit wie hoch die Aufwände tatsächlich waren. rend hinzu, dass es nicht die Wirtschaft einem Branchenfokus). Diese Erkenntnisse fließen auch in etwaige gibt. Die gefühlte Belastung weist im Bran- 06 Als Bürokratiekosten werden aber nur die Kosten angesehen, die durch Informationspflichten entstehen 1
Kostenbarometer Regulatorik (Kostbar) Abb. 1 – Entwicklung des Bürokratiekostenindex nach Wirtschaftssektoren (Quelle: Statistisches Bundesamt2) 110 108 106 104 102 100 98 96 94 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 E rbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen V ersicherungen, Rückversicherungen und Pensionskassen G esamtwirtschaft 2 ie Inhalte basieren auf der OnDEA-Datenbank. Es sind nur Normen enthalten die ausschließlich diese D Branche betreffen. Normen, die auch andere Branchen betreffen, sind nicht mitberücksichtigt. 07
Investing in Germany | A guide for Chinese businesses Die wachsende Anzahl an Studien mit einem Branchenfokus zeigt das steigende Interesse an Entlastung in stark regulierten Branchen. 08
Kostenbarometer Regulatorik (Kostbar) Tab. 1 – Literaturüberblick zu Untersuchungen regulatorischer Kosten mit Branchenbezug Jahr Beschreibung Land Autoren Regulatorisch bedingte Kosten im Bäcker- 2020 Deutschland NKR Baden-Württemberg und KPMG handwerk Deutscher Industrie- und Handels- 2020 Regulatorisch bedingte Kosten im Gastgewerbe Deutschland kammertag und SIRA Consulting Regulatorisch bedingte Kosten in der Ver- Österreichisches Institut für 2020 Österreich sicherungsbranche Wirtschaftsforschung Messung zur regulatorischen Belastung mithilfe 2020 Australien Australian Government Regulatory Burden Measures Messung der Regulierungskosten mit dem 2019 USA Simkovic, M. und Zhang, M.B. Regulierungsindex Regulatorisch bedingte Kosten eines Handwerks- 2019 Deutschland NKR unternehmens Regulatorisch bedingte Kosten der 2019 Deutschland Seeliger, A. et al. Energiewende Kosten und Nutzen von Regulierung für Gesamtverband der Deutschen 2019 Deutschland Versicherungen Versicherungswirtschaft. Kosten und Nutzen von Regulierung für Deutschland, Österreich, 2016 Elink, M. und Pankoke, D. Versicherungen Schweiz Regulatorisch bedingte Kosten für 2016 Deutschland Schenkel, A. Genossenschaftsbanken Ministry of Economic Affairs und 2014 Einführung der CAR-Methodik Niederlande SIRA Consulting Bestandsmessung der Bürokratiekosten der 2014 Deutschland Statistisches Bundesamt deutschen Wirtschaft Regulatorisch bedingte Kosten des National Association of 2014 USA produzierenden Gewerbes Manufacturers Regulatorisch bedingte Kosten in 2014 Luxemburg ABBL und EY Kreditinstituten Regulatorisch bedingte Kosten in Vereinigung Schweizerischer 2012 Schweiz Kreditinstituten Handels- und Verwaltungsbanken 2010 Regulatorisch bedingte Kosten Schweiz Schweizerischer Gewerbeverband 09
Investing in Germany | A guide for Chinese businesses Mit Ausnahme der Studie des Schwei- anderen an bestimmte Branchen wenden. gen europäischen Ländern gibt es bereits zerischen Gewerbeverbands (2010) gibt Andererseits sollen auch Antworten auf die Versuche, um etwa den Gesetzgebungs- es de facto keine Erhebung, die explizit Frage gefunden werden, welche Branchen prozess durch den Einsatz von KI einfacher untersucht hat, welche Folgekosten regu- wie stark belastet sind und welche Art von zu gestalten. Auf EU-Ebene haben Ana- latorische Vorgaben unternehmensintern Aktivitäten die identifizierten Vorgaben lysten des europäischen Joint Research in verschiedenen Unternehmensbereichen in den Unternehmen auslösen. Letztlich Centre ein semantisches Textanalyse-Tool verursachen, Gesamtergebnisse auf Bran- sollen Erkenntnisse dazu gewonnen wer- (SeTA) entwickelt und im Jahr 2019 in einem chenebene extrapoliert und dies auch mit den, wie hoch die unternehmensinternen technischen Bericht vorgestellt. Auch in qualitativen Ergebnissen zur Bürokratie- Aufwände aufgrund von Normen sind und Deutschland gibt es erste Pilotprojekte wahrnehmung verknüpft. die monetarisierten Ergebnisse aggregiert zu KI-Anwendungen bei der Gesetzesfol- sowie auf Branchenebene extrapoliert genabschätzung.3 Die Studie dient also als Für genauere Erkenntnisse zu den Belas- dargestellt werden. Experimentierfeld, um in Deutschland wei- tungen einzelner Branchen durch den tere praktikable Anwendungsmöglichkeiten Rechtsbestand an Bundesnormen und Um die genannten Aspekte darzustellen, von KI im Bereich der Politikgestaltung auch zu unternehmensinternen Auswir- unterteilt die Studie das Vorhaben in zwei (Gesetzgebung, Gesetzesfolgenabschät- kungen soll die vorliegende Studie genau- Ziele mit entsprechend darauf zugeschnit- zung) und auch für Unternehmen, die von ere Einblicke liefern. Dabei werden die tenen Ansätzen. Regulierung stark betroffen sind, zu prüfen. unternehmensinternen Auswirkungen für Branchen, die in Deutschland als Treiber Für die erste Zielstellung wurden zwei 1.2 Untersuchungsrahmen und Ziel- des Wirtschaftswachstums von Bedeutung Ansätze gefahren. Zum einen erfolgte eine stellungen sind, untersucht. Die Studie bündelt hierfür manuelle Klassifizierung der identifizierten Gesetze, Verordnungen und weitere Vor- die fachlichen Expertisen und den Zugang Normen. Zum anderen wurden parallel schriften (nachfolgend Normen) richten zu Ansprechpartnern in Wirtschaftsunter- Natural-Language-Processing (NLP)- sich an Wirtschaftsunternehmen, die nehmen des NKR und der Deloitte GmbH Methoden getestet. NLP ist ein Bündel von Verwaltung oder an private Haushalte. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (Deloitte). algorithmen-basierten Analyseverfahren Diese Studie konzentriert sich auf Normen, zur Entdeckung von Bedeutungsstrukturen die Wirtschaftsunternehmen betreffen Die Studie „Kostbar“ kombiniert qualitative aus un- oder schwachstrukturierten Text- (Abbildung 2). und quantitative Untersuchungsansätze daten. NLP-Techniken können eingesetzt miteinander, um entsprechende Ergeb- werden, um große Textsammlungen, wie nisse zu erhalten. In qualitativer Hinsicht z.B. den Gesamtbestand an bundesrechtli- soll untersucht werden, welche Normen chen Vorschriften, schnell, zielgerichtet und die Unternehmen als besonders belastend in hoher Qualität auswerten zu können. wahrnehmen und welche Verbesserungs- vorschläge es gibt. Diese qualitativen Auch auf EU-Ebene wird künstliche Intelli- Erkenntnisse werden mit Ergebnissen aus genz (KI) nicht mehr nur als Regulierungs- ähnlich gelagerten Studien gespiegelt, gegenstand, sondern zunehmend auch die sich mit der Bürokratiewahrnehmung als Instrument zur Verbesserung und beschäftigt haben. Daraus sollen Ansätze Vereinfachung der Rechtsetzung begriffen für den weiteren Bürokratieabbau in und eingesetzt. In den Ratsschlussfol- Deutschland entwickelt werden. gerungen vom 27. Mai 2021 betonte die portugiesische Ratspräsidentschaft, „dass In quantitativer Hinsicht zielt diese Studie Datentechnologien unter Umständen auf zwei Aspekte ab. Einerseits erfolgte zu wirksameren, effizienteren, weniger eine Kategorisierung aller wirtschaftsrele- zeitaufwendigen und solideren Folgenab- vanten Bundesgesetze auf Bundesebene. schätzungen, Bewertungen und Voraus- Dabei soll ermittelt werden, wie hoch der schauen beitragen und somit hochwertige, Anteil von Vorgaben ist, die sich zum einen anpassungsfähige und weniger aufwendige an die Wirtschaft insgesamt sowie zum Rechtsvorschriften unterstützen“. In eini- 3 estatis prüft aktuell, wie maschinelle Lernverfahren zur Verbesserung der Datenqualität und Automatisie- D rung von Prozessen im Bereich der besseren Rechtsetzung genutzt werden können. Die Behörde führt alle zwei Jahre Lebenslagenbefragungen zur Zufriedenheit von Bürgerinnen und Bürgern und sowie Unterneh- men mit der öffentlichen Verwaltung durch. Im Rahmen dieser Umfragen können die Befragten Gründe für ihre Unzufriedenheit angeben und Maßnahmen zur Verbesserung vorschlagen. Dazu erhält Destatis mehr als 4.000 Aussagen. Um deren Kategorisierung und Auswertung zu erleichtern, sollen diese Antworten bei der Erhebungswelle 2021 mit NLP-Methoden kategorisiert werden. Die Vorgehensweise könnte später ggfs. 10 auf die Klassifizierung anderer Freitextfragen übertragen werden.
Kostenbarometer Regulatorik (Kostbar) Abb. 2 – Normadressaten im Fokus dieser Studie Kostbar Normadressaten im Fokus dieser Studie Kostbar Wirtschaft Normen Verwaltung Bürger 11
Investing in Germany | A guide for Chinese businesses Abb. 3 – Untersuchte Normquellen der beiden Studienzielstellungen Untersuchte Normquellen der beiden Studienzielstellungen Zielstellung 1 Zielstellung 2 Gesetze, Verordnungen und Richtlinien Bund Länder Kommunen EU Rechtsprechung Verwaltungsvorschriften Privtarechtliche Standards Normen können auf verschiedenen Ebe- konkretisierende Verwaltungsvorschriften, ihren unterschiedlichen Zielstellungen auf nen beschlossen werden. Klassischer- die trotz nicht immer vorhandener Außen- verschiedene Normen. Erstere konzentriert weise unterscheidet man in Deutschland wirkung eine rechtliche Bedeutung und sich ausschließlich auf Normen, die auf Gesetze, Verordnungen und Richtlinien, die teilweise sogar Bindungswirkung für die Bundesebene beschlossen werden. Die durch Bund, Länder, Kommunen, aber auch in dieser Studie betrachteten Normadres- Zweite legt den Fokus hingegen auf alle die EU beschlossen werden. Hinzu kom- saten entfalten können. Daneben gibt es Arten von Normquellen. Dies ist nötig, da men faktische Vorgaben aus Urteilen oder privatrechtliche Standards wie Industrie- die Unternehmen ihre Pflichten oftmals Beschlüssen der Judikative. Zudem existie- oder ISO-Standards. Wie in Abbildung 3 keiner genauen Quelle zuordnen können. ren abstrakte, normauslegende und norm- dargestellt, fokussiert sich diese Studie mit 12
Kostenbarometer Regulatorik (Kostbar) 13
Investing in Germany | A guide for Chinese businesses Die erste Zielstellung der Studie „Kostbar“ bau ausgewählt. Die Ergebnisse sollten bestand in der Identifizierung und Katego- Einblicke in die Belastungen verschiede- risierung der Bundesnormen, die sich an ner Unternehmensbereiche gewähren, Wirtschaftsunternehmen richten. Es sollten Erkenntnisse zu branchentypischen Auf- Erkenntnisse dazu gewonnen werden, wie wänden liefern und auch Unterschieden viele Vorgaben Unternehmen zu erfüllen zwischen den Branchen nachspüren. Der haben. Außerdem sollten genauere Infor- Untersuchungsansatz sah dafür struktu- mationen darüber gewonnen werden, rierte Befragungen in den Unternehmen welche Art von Aktivitäten diese Vorgaben vor. Im Zeitraum zwischen November in den verschiedenen Unternehmensberei- 2019 und März 2020 führte Deloitte chen auslösen. Die manuellen Vorarbeiten zunächst eine Befragung der Maschi- zu dieser ersten Zielstellung wurden im nenbauunternehmen durch. Nach der März 2020 abgeschlossen, während der COVID-19-bedingten Befragungspause korrespondierende Einsatz von Natural- fand von September 2020 bis April 2021 Language-Processing sich von Oktober die Befragung der Versicherungsunter- 2019 bis August 2020 erstreckte. nehmen statt. Die zweite Zielstellung bestand darin, die Der Auftakt zur Zusammenarbeit für Aufwände der Unternehmen mit Blick auf die Studie zwischen dem Nationalen besonders aufwendige Normen auf Bran- Normenkontrollrat und Deloitte inkl. der chenebene zu quantifizieren und zu mone- gemeinsamen Abstimmung der Zielstel- tarisieren. Anders als beim ersten Untersu- lungen erfolgte im April 2019. Die Studie chungsstrang wurden hier alle Regelungen wurde im August 2021 fertiggestellt und unabhängig davon betrachtet, von welcher anschließend veröffentlicht (siehe Ebene sie beschlossen wurden. Zur weite- Abbildung 4). ren Eingrenzung wurden exemplarisch die Versicherungsbranche und der Maschinen- Wie viele Vorgaben müssen Unternehmen erfüllen, welche Wirkung haben diese und kann Natural-Language-Processing dabei unterstützen? 14
Kostenbarometer Regulatorik (Kostbar) Abb. 4 – Vorgehensweise der Studie Kostbar Vorgehensweise der Studie Kostbar Zielstellung 1 Identifizierung und Kategorisierung der Normen Natural-Language-Processing 2019 2020 2021 Apr Okt/Nov März Sep Apr Aug Start der Fertigstellung Befragung Befragung Zusammenarbeit Maschinenbau Versicherung Zielstellung 2 15
Investing in Germany | A guide for Chinese businesses 2. Betroffenheit von Wirtschaftsunternehmen durch Bundesnormen Die erste Zielstellung der vorliegenden Die OnDEA-Datenbank des Statistischen 2.1.3 Wirkung von Normen innerhalb Studie zielte darauf ab, aufzuzeigen, welche Bundesamtes lieferte dabei 2.246 Normen, der Wirtschaftsunternehmen bestehenden Regelungen der Bundes- „dejure“ 312 Normen und die Datenbank Bei der Entwicklung des Studiendesigns ebene auf Wirtschaftsunternehmen wir- des Bundesjustizministeriums 6.431 stellte sich die Frage nach einer sinnvollen ken, welche Unternehmensbereiche wie Normen. Die Einzellisten wurden mittels funktionalen Gliederung der verschiedenen stark betroffen sind und welche Aktivitäten Gegenüberstellung der Kurz- und Langtitel Vorgabetypen. Es sollte der Fragestellung diese Normen im jeweiligen Unterneh- der jeweiligen Normen abgeglichen. Dar- nachgegangen werden, wie Normen auf die mensbereich auslösen. aus ergab sich eine konsolidierte Liste, die Wirtschaftsunternehmen wirken können 6.459 Rechtsverordnungen und Bundesge- und welche typischen Aktivitäten die beste- 2.1 Methodischer Untersuchungsan- setze umfasst. henden gesetzlichen Vorgaben von den satz inkl. Natural-Language-Processing Unternehmen verlangen. Dieser Abschnitt erläutert die fünf Arbeits- Es handelt sich bei diesem Normenkatalog schritte, die aus methodischer Sicht not- um eine Momentaufnahme gültiger Nor- Für diesen Aspekt entwickelte das Studi- wendig waren, um relevante Normen auf men zum Stichtag 30. Juni 2019. Danach enteam Aktivitätenkategorien und klas- Bundesebene zu identifizieren und eine veränderte oder neu eingeführte Normen sifizierte die Normen entsprechend. Alle brauchbare Klassifikation für die Wirkung wurden nicht berücksichtigt. unternehmensrelevanten Vorschriften las- der Vorgaben in den Unternehmen zu sen sich in die folgenden sechs Kategorien erarbeiten. 2.1.2 Klassifikation Branchencode einordnen: „Ablaufvorschriften“, „eigene Die so ermittelten Bundesnormen wurden Kontrollhandlungen“, „externe Validierun- 2.1.1 Quellen zur Identifizierung der im Anschluss nach Branchen klassifiziert. gen und Zertifizierungen“, „Personal- und relevanten Normen Dies folgte dabei grundsätzlich den Vor- Organisationsvorschriften“, „monetäre Der Umfang des ersten Studienteils ist gaben der statistischen Systematik der Belastung“ sowie „Transparenz- und Infor- begrenzt auf Rechtsverordnungen und Wirtschaftszweige in der Europäischen mationspflichten“ (siehe Abbildung 5). Der Gesetze, die auf Bundesebene beschlossen Gemeinschaft, bezeichnet als „NACE Aspekt „Monetäre Belastung“, der als Ober- worden sind, mit Ausnahme des Strafge- Revision 2“. Anknüpfungspunkt war hier begriff für Zahlungsverpflichtungen der setzbuches. Auf die Aufnahme von Län- die oberste Ebene der Systematik. Abge- Unternehmen steht, wurde in dieser Studie dernormen und Unionsrechtsakten wurde wichen wurde von dieser Standardklas- für die erste Fragestellung berücksichtigt, im Hinblick auf die Zuständigkeit des NKR sifikation insofern, als dass die Branchen aber für die zweite Fragestellung mit der verzichtet. der Abschnitte T und U (private Haushalte Monetarisierung der Aufwände aufgrund sowie exterritoriale Organisationen und der damit verbundenen Komplexität ausge- Die Ausgangsbasis für die in der Studie Körperschaften) aufgrund des Fokus auf klammert. inkludierten Normen bildeten drei eta- klassische Wirtschaftsunternehmen außer blierte staatliche bzw. private Rechtsda- Betracht blieben. Dieses Vorgehen wird dadurch bestärkt, tenbanken: die Online-Datenbank des dass eine ähnlich gelagerte Studie des Erfüllungsaufwands „OnDEA4“ (ehemals Im zweiten Teil dieser Studie werden die Schweizerischen Gewerbeverbands (2010) webSKM) des Statistischen Bundesamtes, Branchen „Maschinenbau“ und „Versi- ebenfalls sechs, sehr ähnliche Aktivitä- die Rechtsdatenbank des Bundesamtes cherungsdienstleister“ näher untersucht. tenkategorien („Handlungspflichten“) für Justiz „Gesetze im Internet5“ sowie die Daher wurden die beiden Branchen zusätz- entwickelte. Datenbank des privaten, juristischen Infor- lich aufgenommen. mationsportals „dejure6“. 4 nDEA - Startseite [Stand: 11.06.2019] O 5 Gesetze im Internet [Stand: 26.06.2019] 16 6 dejure.org [Stand: 25.06.2019]
Kostenbarometer Regulatorik (Kostbar) Abb. 5 – Übersicht der gebildeten Aktivitätenkategorien 1. Transparenz- 6. Monetäre und Informations- Belastungen pflichten Abgaben, Gebühren, Verpflichtende Subventionen oder Informationserhebung Zuschüsse und -weitergabe 5. Externe Validierung und 2. Ablauf- Zertifizierung vorschriften Rechtlich Restriktionen der verpflichtende originären Betriebs- Kontrollhandlungen prozesse oder die durch Dritte, die zu Erfordernis neuer Aufwand in Ihrem Prozesse bzw. Unternehmen führen Prozessschritte 4. Eigene 3. Personal- und Kontrollhandlungen Organisations- Handlungen die die vorschriften Einhaltung der Vorschriften bzgl. der rechtlichen Vorgaben Ausgestaltung der gewährleisten Organisation oder der Behandlung, Bezahlung und Qualifikation des Personals 2.1.4 Manuelle Klassifizierung der Die Klassifizierung der Normen erfolgte 2.1.5 Klassifizierung der Bundes- Bundesnormen während der Vorarbeiten zunächst manuell normen durch Natural-Language- Die manuelle Klassifizierung bezog sich durch Rechtsexperten von Deloitte. Diese Processing zunächst auf die Frage der Wirtschaftsrele- erhielten hierfür eine gemeinsame Deloitte- Wie oben beschrieben, erfordert die manu- vanz im Allgemeinen und darauffolgend auf interne Schulung durch das Studienteam. elle Klassifizierung von Gesetzestexten die Bedeutung für einzelne Branchen und Insgesamt erarbeiteten acht Rechtsexper- einen erheblichen Personal- und Zeitauf- die jeweilige Wirkungsart. Mit der Klassifi- ten die manuelle Klassifizierung der Bundes- wand. zierung von 6.459 identifizierten Bundes- normen. normen lässt sich für jedes Wirtschaftsun- Um Bundesnormen in kürzerer Zeit nach ternehmen einer bestimmten Branche der Eine Mehrfachzuweisung einer Norm zu ihrer Relevanz für die Wirtschaftsunterneh- vollständige Katalog der Normen abrufen, Branchen und zu Aktivitätenkategorien war men im Allgemeinen bzw. für ausgewählte die für dieses Unternehmen gelten. Ein- möglich. Die Ergebnisse aus dieser manuel- Branchen zu klassifizieren, bot sich der Ein- schränkend sei an dieser Stelle angemerkt, len Klassifizierung wurden für den Vergleich satz von Natural-Language-Processing an. dass die manuelle Klassifizierung lediglich aus der algorithmengestützten Analyse Bisher gab es keine Erfahrungswerte bezüg- eine Momentaufnahme gültiger Normen herangezogen. Die Auswertungen des Kapi- lich der Güte und Vorhersagegenauigkeit darstellt. Denn der Bundesgesetzgeber tels 2.2 beinhalten die Ergebnisse aus dieser dieser Analysemethoden in Deutschland. setzt kontinuierlich neue Normen in Kraft. manuellen Klassifizierung. Deswegen sollten die Ergebnisse, die auf Zusätzlich müssen Wirtschaftsunterneh- klassische Art (d.h. manuelle Prüfung durch men weitere Normen beachten, die in dieser Rechtsexperten) mit denen, die mithilfe von ersten Zielstellung nicht betrachtet werden. NLP-Methoden gewonnen wurden, im Rah- men dieser Studie verglichen werden. 17
Investing in Germany | A guide for Chinese businesses Exkurs: Einsatz von Datentechnologien in der besseren Rechtsetzung und bei öffentlichen Dienstleistungen Unter dem breiten Banner der künstli- bung, bürgerschaftliches Engagement), Verwaltung möglich werden. Dabei zeigt chen Intelligenz (KI) tummeln sich viele bei denen der Einsatz von Datentech- sie Möglichkeiten auf, wie die Nutzung Anwendungsmöglichkeiten für Daten- nologien auch Big-Data-Quellen nutzen von Datentechnologien die Konzeption technologien, die eine gewisse kreative und so Verbesserungen erreichen konnte und die praktische Umsetzung öffentli- Kapazität aufweisen. KI erlaubt es, ein (World Bank Group 2017). Auch die EU – cher Leistungen verbessern kann (Van bestimmtes Ziel zu definieren und dann selbst ein Produzent und starker Nutzer Ooijen, Ubaldi und Welby 2019, Johnstone das algorithmenbasierte Programm großer Textbestände – hat bereits eigene et al. 2019). (, ) selbst den Weg zum Ziel finden zu las- Anwendungen entwickelt (Craglia, Hradec sen. KI unterstützt den Nutzer darin, und Troussard 2020). Der Joint Research Bei all dem Interesse für die stärkere innerhalb komplexer, unübersichtlicher Service stellte in einem technischen Nutzung von Datentechnologien darf Datenmengen Muster zu finden, Daten Bericht unter anderem sein „Semantic jedoch auch der ethische Aspekt nicht nach bestimmten Kriterien zu ordnen Text Analysis Tool“ vor, das das „Text aus dem Blick geraten. Es steht außer und Vorhersagen zu treffen (Government Mining and Analysis Competence Centre“ Frage, dass der Einsatz von Datentech- Office for Science 2015). KI-Programme seit 2016 entwickelt hat und das einge- nologien nur auf der Grundlage starker können Spiele spielen, Gesichter und setzt wird, um schnell und zielgerichtet Governance-Regeln erfolgen kann. Diese Sprache erkennen, lernen und logisch Informationen finden zu können, die die hier angemessen zu diskutieren, würde fundierte Entscheidungen treffen (Eggers, evidenzbasierte Politikentwicklung in den Rahmen des explorativen NLP- Schatsky und Viechnicki 2017). Während allen Phasen des Rechtssetzungskreis- Exkurses in dieser Studie sprengen. große, internationale Technologiekon- laufs unterstützen (vgl. Hradec et al. Dieser Diskurs muss an anderer Stelle zerne schon lange von den Möglichkeiten (2019) und JRC/EU (2019)). Auf ähnliche geführt werden und konkrete Anwen- der KI profitieren, öffnete die öffentliche Anwendungen setzt auch das Statisti- dungsfälle betrachten. Verwaltung erst langsam dem Einsatz von sche Bundesamt in Deutschland, die entsprechenden Anwendungen. Dabei beispielsweise NLP-Methoden nutzen, hat KI gerade hier großes Potenzial, um in um Daten aus qualitativen Befragungen arbeitsintensiven Verwaltungsdienstleis- und Rückmeldungen in Freitextfeldern tungen einen sparsameren Umgang mit von Fragebögen schneller und zielgerich- knappen Ressourcen sicherzustellen und teter auswerten zu können. Denkbar ist mehr Zufriedenheit bei den Adressaten perspektivisch auch der Einsatz in der zu erreichen (Mehr 2017, Government Gesetzesvorbereitung, etwa um schneller Office for Science 2015, Eggers, Schatsky die Vorgaben identifizieren zu können, die und Viechnicki 2017). sich auf den Erfüllungsaufwand auswir- ken. Die deutschen Ansätze korrespon- Angesichts dieses vielversprechenden dieren daher mit dem Ziel, das die portu- Potenzials überrascht es nicht, dass das giesische Ratspräsidentschaft am Interesse an KI seitens großer interna- 27. Mai 2021 in ihren Ratschlussfolgerun- tionaler Organisationen wie der OECD gen festgehalten hat: Bessere Rechtset- und der Weltbank sowie auch seitens der zung soll durch Datentechnologien unter- Europäischen Union gerade in den letz- stützt und optimiert werden. ten Jahren gewachsen ist. Die Weltbank stellte für den World Government Sum- Die OECD legt den Fokus stark auf die mit 2017 eine Reihe von internationalen digitale Erbringung öffentlicher Dienst- Praxisbeispielen zusammen (Erbringung leistungen, die aufgrund der aktuell statt- öffentlicher Dienstleistungen, Gesetzge- findenden Digitalisierung der öffentlichen 18
Kostenbarometer Regulatorik (Kostbar) Als Referenzmodell wurden die „Gradient bildet die Basis für eine Matrix, in der jede echtpositiven (echtnegativen) Vorhersagen Boosting Decision Trees“ gewählt. Die- Zeile einen Gesetzestext widerspiegelt und zu den tatsächlich positiven (negativen) ses Modell sowie dessen nachfolgend jede Spalte eines der 35.000 Wörter reprä- Fällen wiedergibt. Precision zeigt in dieser beschriebene Varianten wurden aufgrund sentiert. Falls ein Wort in einem Gesetz Studie den Anteil der korrekt als wirtschaft- der schnellen Implementierbarkeit, der vorkommt, wird die Spalte in der Zeile des lich relevant klassifizierten Normen im Ergebnisqualität in vergleichbaren Anwen- Gesetzestextes auf eins gesetzt, falls nicht, Vergleich zu allen als wirtschaftlich relevant dungsfeldern sowie deren Nutzung als wird die Spalte auf null belassen. Jede Zeile klassifizierten Normen an. Beispielhaft sagt gängige Benchmark-Modelle ausgewählt. der binären Matrix fungiert als separate eine Precision von 90 Prozent aus, dass Die „Gradient Boosting Decision Trees“ Stichprobe für das Trainieren. Anderer- 90 Prozent der durch den Algorithmus als basieren auf Entscheidungsbäumen. Die seits wurde die TF-IDF-Codierung (Term wirtschaftlich relevant geschätzten Nor- Gesetztexte stellen die Eingabedaten dar. Frequency – Inverse Document Frequency) men auch wirklich wirtschaftlich relevant Dabei werden iterativ Entscheidungsbäume angewendet. Dieser Algorithmus bewertet, waren. Der Recall, häufig auch „Sensitivity“ hintereinandergeschaltet, wobei jeder wei- wie häufig ein Wort in einem Dokument oder „True Positive Rate“ genannt, zeigt tere Entscheidungsbaum darauf trainiert (Norm) vorkommt und wie häufig der das Verhältnis zwischen vom Algorithmus wird, die Fehler seiner Vorgänger vorherzu- Begriff zwischen den Dokumenten (ver- korrekt als wirtschaftlich relevant klassifi- sagen. Die finale Schätzung besteht dann schiedenen Normen) erscheint. Während zierten Normen zu allen in Wahrheit wirt- aus der Summe der Schätzungen aller Ersteres den zugewiesenen numerischen schaftlich relevanten Normen. Beispielhaft Entscheidungsbäume. Wert für den entsprechenden Begriff besagt ein Recall von 80 Prozent, dass erhöht, senkt Letzteres diesen Wert. Damit wir 80 Prozent der in unseren Testdaten Mit den ersten Klassifizierungsergebnis- werden Begriffe, die sehr spezifisch für ein- vorhandenen wirtschaftlich relevanten sen aus den Vorarbeiten einer manuellen zelne Dokumente sind, stärker gewichtet. Normen auch als solche erkannt haben. Zuordnung wurden zwei unterschiedliche Mit diesem Verfahren wird ebenfalls eine Da sich Precision und Recall gegenläufig Varianten des „Gradient Boosting Decision Matrix wie in der Binärcodierung erstellt, verhalten, werden diese gemittelt, um eine Trees“-Referenzmodells trainiert. Dazu wur- wobei die Werte nicht mehr binär sind, aussagekräftige Größe zur Bewertung den knapp 4.000 zu dem Zeitpunkt nach sondern TF-IDF-Werte für die jeweiligen des Modells zu erhalten. Dieses Mittel, Wirtschaftsrelevanz und Branchen klassifi- Wörter in den Spalten darstellen. Jede Zeile das Werte zwischen 0 (im schlechtesten zierte Normen für die Analyse aufbereitet, repräsentiert weiterhin einen Gesetzestext. Fall, also 0 Prozent) und 1 (im besten Fall, indem die Rechtstexte der Gesetze und also 100 Prozent) annehmen kann, stellt Verordnungen um sogenannte Stopwords Mit den präparierten Daten und beiden den F1-Score dar. Beim F1-Score wird also bereinigt wurden. Darunter fallen insbe- Codierungsarten wurden dann die beiden das harmonische Mittel aus Precision und sondere Artikel, Konjunktionen, Präpositio- Varianten des oben beschriebenen Modells Recall gebildet, da hier Verhältnisse gemit- nen und vergleichbare Worte, die in diesem namentlich die „Light Gradient Boosted telt werden sollten. Modell nicht zur Güte der Vorhersagen Machine“ (LGBM) und das „Extreme Gra- beitragen. Darauf folgten weitere vergleich- dient Boosting“ (XGBoost), antrainiert bare, datenvorbereitende Schritte wie die und auf ihre Treffsicherheit bzw. Güte hin Entfernung der Interpunktion oder die überprüft.7 Umwandlung aller Buchstaben in Minu- skeln. Weiter wurde die Klassifizierung in Die Güte der einzelnen Modelle wurde „Ja“ und „Nein“ für die Wirtschaftsrelevanz anhand des sog. F1 Score bemessen. d.h. die Bezugsgröße bzw. abhängige Vari- Er ist eine Maßzahl aus dem Machine- able, im Data Science Jargon auch „Labels“ Learning-Bereich und aussagekräftiger als genannt in ein binäres Format übersetzt. die Accuracy bei schiefen Labels, d.h. bei Den letzten Schritt zur Aufbereitung der Datengrundlagen, bei denen die abhängige Daten stellte die Umwandlung der Geset- Variable in einer Ausprägung deutlich häu- zestexte in maschinenlesbare Formate dar. figer vorkommt als in der anderen Ausprä- Hierfür wurden zwei Codierungsalgorith- gung. Der F1-Score setzt sich zusammen men genutzt, einerseits die Binärcodierung. aus der „Precision“ des Modells, also dem Hierbei wird ein Wörterbuch einer fixierten Verhältnis der echtpositiven (echtnegati- Größe angelegt (in unserem Fall die 35.000 ven) Vorhersagen zu den gesamten positi- am häufigsten auftretenden Wörter in ven (negativen) Vorhersagen, und aus dem den Gesetztestexten). Dieses Wörterbuch „Recall“ des Modells, der das Verhältnis der 7 ähere Details zu den Modellen findet man u.a. in der Publikationen von Ke et al. (2017) und Chen und N Guestrin (2016). 19
Investing in Germany | A guide for Chinese businesses In den Varianten des Referenzmodells satz wurden anschließend 384 Datenzeilen lag dieser Wert zwischen 79 Prozent für für einen zusätzlichen Validierungsda- das TF-IDF-codierte und mittels XGBoost tensatz herausgelöst. Während mit den trainierte Modell und 82 Prozent für das Trainingsdaten unterschiedliche Parametri- LGBM-Modell. Dabei wurden die Ergeb- sierungen erprobt wurden, diente der Vali- nisse mit einem StratifiedKFold-Verfahren dierungsdatensatz der Auswahl der geeig- ermittelt, wobei das Trainingsset von 4.000 netsten Einstellung. Der Testdatensatz Texten jeweils in vier Teile geteilt wurde. diente abschließend einzig der Berechnung Stratifizierung heißt in diesem Zusammen- und Prüfung der Leistungskennzahlen. hang, dass die Teilung so erfolgt, dass eine ungefähr gleiche Verteilung der abhängigen Ein F1-Score für Normen, die für Wirtschafts- Variable „wirtschaftliche Relevanz“ in allen unternehmen relevant sind, in Höhe von ca. vier Teilen sichergestellt wird. Für jedes 96 Prozent und knapp 90 Prozent für Nor- Referenzmodell wurde immer auf drei men, die nicht für Wirtschaftsunternehmen Teilen trainiert und der vierte Teil wurde als relevant sind, ergibt einen durchschnittlichen Out-of-Fold (OOF)-Set für die Berechnung Wert von gerundet 93 Prozent. Ebenso des F1-Score herangezogen. Dieses Proze- erfolgversprechend ist die Analyse der dere wurde viermal wiederholt, wobei also Relevanz für eine Branche. Aus dem manuell jeder der vier Teile einmal als OFF-Set ein- klassifizierten Datensatz wurde beispiels- gesetzt wurde. Somit ist jedes Sample der weise für die Versicherungsbranche ein 4.000 Texte einmal als OOF-Sample in die Trainingsdatensatz gezogen, der 1.225 Daten, Berechnung des F1-Scores eingegangen. 147 Validierungsdaten und 275 Testdaten umfasste. Damit wurde ein durchschnittli- Auf der Suche nach einem noch treffsiche- cher F1-Score von 95 Prozent erreicht. reren Modell wurde dann das frei verfüg- bare und zum Zeitpunkt der Studienerstel- Angesichts einer so hohen Treffsicherheit lung dem Stand der Technik entsprechende und Ergebnisgüte lässt sich mit diesem linguistische Datenverarbeitungsmodell Modell nicht nur die Wirtschaftsrelevanz BERT (Bidirectional Encoder Representa- von Bundesnormen sehr gut automatisiert tions from Transformers) getestet.8 Dieses klassifizieren. Auch die Möglichkeit der wurde bereits auf Millionen von Texten Ausweitung der automatisierten Analyse vortrainiert und arbeitet mit einer bidirek- beispielsweise auf die Branchenrelevanz ist tionalen Kontexterkennung. Da BERT in der damit gegeben. Der Vergleich zeigte, dass Lage ist, die Bedeutung einzelner Worte im die Analyse von Rechtstexten mit Daten- Satz zu erfassen, entfiel die Notwendigkeit, technologien den klassischen Analyseme- die Worte der einzelnen Gesetzestexte zu thoden durchaus das Wasser reichen kann. codieren und Stopwords, Interpunktion sowie Majuskeln zu entfernen. Die 3.937 zu dem Zeitpunkt bereits manuell klassifizierten Daten wurden dazu im Ver- hältnis 80:20 in einen Trainingsdatensatz (3.149 Daten) und einen Testdatensatz (788 Daten) aufgeteilt. Aus dem Trainingsdaten- 20 8 Nähere Details beschreibt u.a. die Publikation von Devlin et al. (2019)
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Investing in Germany | A guide for Chinese businesses Exkurs: Ähnliche mögliche Anwendungs- bereiche von Datentechnologien Die Studie „Kostbar“ zeigt, dass sich Ex-post-Betrachtung (ähnlich wie in • Language-Processing erlaubt ein Grup- durch den Einsatz von Datentechnologien Kapitel 3 dargestellt), ist es auch mög- pieren von vorhandenen Texten und viel Zeit und Personalaufwand sparen lich, die Ex-ante-Aufwandsprognose kann automatisiert Verbindungen und lässt: Eine automatisierte Klassifizierung von Gesetzesvorhaben automatisiert den Grad der Ähnlichkeit zwischen den von Normen kann nur durch deren Nor- durchzuführen (die anschließend noch Texten aufzeigen. meninhalte erfolgen. Das ist ein vielver- manuell geprüft werden können). Es sprechender Ansatz insbesondere für würden in einer einfachen Variante die • Ebenso erlauben NLP-Ansätze, Muster Wirtschaftsunternehmen, um ihr Rechts- von Gesetzesvorhaben wahrscheinlich in neuen oder bestehenden Rechtstex- monitoring zu optimieren, jedoch sind betroffenen Branchen und notwendi- ten zu erkennen. So wäre es denkbar, auch weitere Anwendungen denkbar: gen Aktivitäten in den Unternehmen mögliche Inkonsistenzen von recht- prognostiziert und anschließend mit lichen Regelungen insbesondere in • Mit der automatisierten Erkennung von vorgehaltenen Ex-post-Informationen komplexen, unübersichtlichen Rechts- Textinhalten durch Natural-Language- zu regulatorisch bedingten Aufwänden gebieten automatisiert zu identifizieren. Processing lassen sich Ähnlichkeitsana- (wie zum Beispiel durchschnittliche Kos- Das wäre in Rahmen der Ex-ante- lysen durchführen. So lassen sich bspw. ten für Kontrollhandlungen in Versiche- Einschätzung von neuen Gesetzesvor- Richtlinien, schriftlich fixierte Ordnun- rungen) kombiniert werden, um daraus haben, aber auch in einer Ex-post- gen o.Ä. von Unternehmen mit Geset- die geschätzten Aufwände zu ermitteln. Betrachtung bestehender Regulierun- zen abgleichen um festzustellen, welche Voraussetzung für diese Aufgabe sind gen vorstellbar. Gesetze und deren Novellierungen sich die initiale Erarbeitung und laufende auf interne Dokumente auswirken. Pflege von dafür notwendigen Daten. Die Aufgabe der Datenpflege ist so • Daneben ermöglicht Natural Language wichtig, dass insbesondere in China, wo Processing per Stichwortsuche das sehr viele KI-Anwendungen im Einsatz Auffinden der relevantesten Passagen sind, ein eigener Berufsstand dafür in Gesetzen oder unternehmensintern entstanden ist, der sich Datenetikettie- geltenden Dokumenten. Ebenso ist eine rer nennt. Die aktuellen Pilotprojekte direkte Beantwortung eingegebener des Statistischen Bundesamtes zeigen Fragestellungen denkbar. Anwendern bereits, dass NLP-Ansätze im Bereich kann dadurch die Klärung der aktuellen der Erfüllungsaufwandsschätzungen Rechtslage oder Unternehmensanwei- bei neuen regulatorischen Vorgaben sung stark erleichtert werden. eingesetzt werden könnten. Auf euro- päischer Ebene und in manchen EU- • Ein weiteres großes Anwendungsfeld Mitgliedstaaten wird ebenfalls bereits von Natural-Language-Processing ist an dem Thema KI in der Aufwandsprog- die Extrahierung von Informationen aus nose von Gesetzesvorhaben gearbeitet Texten, sodass automatisiert Zusam- (u.a. in Portugal die Software „AI 2 IA“, menfassungen von einzelnen oder meh- auf EU-Ebene die Semantische reren Texten erstellt werden können. Textanalyse-Anwendung SeTA). Anwendungsfälle sind aber auch im Rah- • Ein Anwendungsfeld könnte zum Bei- men der Gesetzgebung möglich: spiel im Rahmen einer Ex-ante- Einschätzung liegen, wenn man einen • Verlängert man die Wertschöpfung Überblick über Verbindungen des des genutzten NLP-Ansatzes zur Gesetzesvorhabens zu bereits beste- Klassifizierung von Texten mit mone- henden Normen benötigt. Natural- tären Informationen zu regulatorisch bedingten Aufwänden aus einer 22
Kostenbarometer Regulatorik (Kostbar) 2.2 Auswertung Abb. 6 – Anzahl relevanter Normen auf Bundesebene für Im ersten Schritt wurden 6.459 Normen Wirtschaftsunternehmen auf Ebene des Bundes identifiziert. Im Anschluss wurde jede danach bewertet, ob 2.331 sie für Wirtschaftsunternehmen relevante Relevante Regelungen enthält. Wie aus Abbildung 6 hervorgeht, ist die Relevanz für 2.331 oder Normen etwa 36 Prozent der analysierten Normen gegeben. 6.459 Analysierte Normen R elevante Normen Nicht relevante Normen Die Anzahl der zu beachtenden Normen für Unternehmen ist schon allein auf Bundesebene beachtlich. Es ist davon auszugehen, dass ein Vielfaches davon an weiteren Normen auf die Unternehmen wirkt. Dazu gehören beispielsweise EU-Vorschriften, die unmittelbar gelten, oder solche, die von Aufsichtsbehörden erlassen werden. 23
Investing in Germany | A guide for Chinese businesses 10% Die nächste Klassifizierung erfolgte hin- Abb. 7 – Anzahl relevanter Normen je Branche sichtlich der Branchen. Abbildung 7 gibt die Anzahl relevanter Normen je Branche Verarbeitendes Gewerbe 924 wieder. Daraus geht hervor, dass das ver- arbeitende Gewerbe mit 924 Normen die höchste Anzahl relevanter Bundesnormen Verkehr und Lagerei 807 auf sich zieht. Darauf folgen Verkehr- und Lagerei mit 807 relevanten Normen sowie die Land- und Forstwirtschaft/Fischerei mit Land- und Forstwirtschaft, Fischerei 727 727 relevanten Gesetzen und Rechtsver- ordnungen auf Bundesebene. Die geringste Erbringung von Finanz- und Versicherungs- 511 Anzahl an Normen weisen der Kunst-, dienstleistungen Unterhaltungs- und Erholungssektor mit 296 Bundesnormen, das Grundstücks- und Handel, Instandhaltung und Reparatur von 479 Wohnungswesen mit 310 Bundesnormen Kraftfahrzeugen und das Gastgewerbe mit 330 relevanten Bundesnormen auf. Energieversorgung 444 Baugewerbe 440 Erziehung und Unterricht (ohne 429 Organisationen ohne Erwerbszweck) Erbringung von sonstigen Dienstleistungen 427 Erbringung von freiberuflichen, wissenschaft- 387 lichen und technischen Dienstleistungen Wasserversorgung, Abwasser-/Abfallent- sorgung und Beseitigung von Umweltver- 373 schmutzungen Gesundheits- und Sozialwesen (ohne 359 Organisationen ohne Erwerbszweck) Bergbau und Gewinnung von Steinen 359 und Erden Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen 353 Dienstleistungen (z.B. Reisebüro, Detektei) Öffentliche Verwaltung, 346 Verteidigung, Sozialversicherung Information und Kommunikation 338 Gastgewerbe 330 Grundstücks- und Wohnungswesen 310 Kunst, Unterhaltung und Erholung (ohne 296 Organisationen ohne Erwerbszweck) 0 200 400 600 800 1.000 24
Kostenbarometer Regulatorik (Kostbar) Die Branchen „Maschinenbau“ und „Versi- Abb. 10% 8 – Anzahl relevanter Normen der Maschinenbau- und cherungsdienstleister“, für die im zweiten Versicherungsdienstleistungsbranche Studienteil der regulatorische Aufwand aufgrund von Befragungen ermittelt wird, liegen mit einer Anzahl an relevanten Versicherungen 397 Normen in Höhe von 445 bzw. 397 jeweils unter dem Durchschnitt von 451 Normen (Siehe Abbildung 8). Es ist einschränkend Maschinenbau 445 zu erwähnen, dass daraus nicht gefolgert werden kann, dass Branchen mit vielen 0 200 400 600 800 1.000 zu beachtenden Normen mehr Aufwände haben als Branchen mit weniger Normen. Die einzelnen Normen verursachen nicht gleich viel Aufwand, wie auch die empiri- schen Auswertungen in den Jahresberich- ten des NKR immer wieder zeigen. 25
Investing in Germany | A guide for Chinese businesses Im Rahmen der Studie kam die Fragestel- fen und Prozessen in den Unternehmen lung auf, wie Normen auf die Wirtschafts- nach sich. Einen weiteren entscheidenden unternehmen wirken können. Abschnitt Teil machen notwendig gewordene Trans- 2.1.3 beschreibt die entwickelten Katego- parenz- und Informationspflichten (ca. 43%) rien zur Wirkung von Normen. sowie Personal- und Organisationsvor- schriften (ca. 39%) aus. In geringerem Maße Die Anzahl an Normen, die den einzelnen führen relevante Normen zu Aktivitäten, Aktivitäten zugewiesen werden können, die sich den Kategorien „externe Validie- sind in Abbildung 9 dargestellt. Eine Norm rung und Zertifizierung“ (ca. 24%) bzw. kann auch mehreren Aktivitäten zugeord- „monetäre Belastung“ sowie „eigene Kont- net werden. Demnach zieht der Großteil rollhandlungen“ (jeweils ca. 10%) zuordnen der Regulatorik – knapp 59 Prozent der lassen. relevanten Normen –Vorschriften zu Abläu- Abb. 9 – Anzahl relevanter Normen nach Aktivitätenkategorien (Mehrfachzählung möglich) Ablaufvorschriften 1.372 59% Transparenz- und Informationspflichten 998 43% Personal- und Organisationsvorschriften 902 39% Externe Validierung und Zertifizierung 557 24% Monetäre Belastung 242 10% Eigene Kontrollhandlungen 237 10% 0 500 1.000 1.500 26
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Investing in Germany | A guide for Chinese businesses Werden die beiden Klassifikationen kom- Daten. Für die Branchen „Erziehung und biniert - wird also für jede Branche der Unterricht“ sowie „Erbringung sonstiger jeweilige Anteil an Normen der einzelnen Dienstleistungen“ – die Tätigkeiten wie Vorschriftsarten betrachtet – so zeigt sich bspw. die Vermietung beweglicher Güter, über die Branchen ein homogenes Bild mit Arbeitskräftevermittlung, Reisedienstleis- vergleichbaren Anteilen und grundsätz- tungen, Sicherheitsdienste oder Gebäu- lich geringen Schwankungsbreiten9 (Siehe debetreuungen umfasst – stellen Normen Abbildung 10). Mit durchschnittlich mit Personal- und Organisationsvorschrif- 29 Prozent aller relevanten Branchennor- ten mit je 46 bzw. 39 Prozent die größte men stellen Vorschriften zu Abläufen im Gruppe dar. Mit durchschnittlich 12, 8 und Unternehmen grundsätzlich die größte 5 Prozent aller relevanten Branchennor- Normenkategorie dar. Normen, die Pflich- men nehmen Vorschriften zu externen Vali- ten in den Bereichen Transparenz und dierungen und Zertifizierungen, monetärer Information bzw. Personal und Organisa- Belastung (z.B. für Steuern, Gebühren) tion auferlegen, bilden mit durchschnittlich sowie eigenen Kontrollhandlungen einen 24 bzw. 22 Prozent die nächstgrößeren untergeordneten Anteil an der Gesamtzahl Gruppen. Dabei verzeichnet die letztge- der Normen ein. nannte Kategorie zwei Ausreißer in den Mehr als die Hälfte aller Normen auf Bundesebene regeln Abläufe. 9 Gemessen anhand der Standardabweichung der jeweiligen Branchenanteile 28
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