Krebstherapie: Das Herz schützen - Deutsche Herzstiftung eV

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Krebstherapie: Das Herz schützen - Deutsche Herzstiftung eV
O N KO LO G I S C H E K A R D I O LO G I E

             Krebstherapie:
            Das Herz schützen
             Dank verbesserter Behandlungen überleben immer mehr
       ­Krebspatienten. Doch der Fortschritt hat seinen Preis: Viele Tumor­
           therapien schädigen Herz und Blutgefäße. Die „Onkologische
     ­Kardiologie“, ein noch junger Fachbereich, hat es sich zum Ziel gesetzt,
       diese stetig wachsende Patientengruppe bestmöglich zu versorgen.

                   von Christopher Hohmann, Roman Pfister und Stephan Baldus

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Illustrationen S. 10–11, 13, 16: Carolin Eitel

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               rkrankungen des Herz-Kreislauf-                             »Heute sterben mehr
               Systems und Tumoren nehmen hier-
                                                                          ­Tumorpatienten an einer
               zulande die vordersten Plätze in der
               Rangliste der häufigsten schweren                         Herz-Kreislauf-Erkrankung
     Leiden ein. Nicht nur in ihrer Häufigkeit, auch                         als jemals zuvor.«
     sonst sind Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkran-
     kungen eng miteinander verknüpft. Bluthoch-
     druck, die Zuckerkrankheit Diabetes mellitus,
     Rauchen, Übergewicht, ungesunde Ernährung                  eine Studie, die nachweisen konnte, dass sich
     und erhöhte Blutfettwerte etwa sind nicht nur              die Pumpkraft des Herzens unter der Krebs-
     Risikofaktoren, die Herz-Kreislauf-Erkrankun-              therapie weniger häufig verschlechtert, wenn
     gen begünstigen. Sie spielen auch beim Entste-             Brustkrebspatientinnen mit erhöhten Blutfett-
     hen und Fortschreiten von Krebserkrankungen                werten vor und während der Krebstherapie ein
     eine bedeutende Rolle und sind zudem mitver-               Statin erhalten. Analog sollte ein zu hoher Blut-
     antwortlich dafür, wenn es unter der Therapie              zuckerspiegel den Leitlinien gerecht mit blutzu-
     eines Krebsleidens vermehrt zu Herz-Kreis-                 ckersenkenden Medikamenten behandelt wer-
     lauf-Erkrankungen kommt. Dies wiegt umso                   den, weil zu viel Zucker im Blut dem Herzen
     schwerer, überleben heute doch dank verbes-                schadet. Eine besondere Aufmerksamkeit sollte
     serter Therapien immer mehr Krebspatienten                 dem Rauchen gelten, ein klassischer Risikofak-
     und sind gefährdet, gesundheitliche Probleme               tor für Krebserkrankungen – und ebenso ver-
     zu entwickeln, die Herz und Kreislauf betref-              bunden mit der Arteriosklerose, dem krank-
     fen. Aktuelle Studien zeigen: Heute sterben                haften Verhärten von Blutgefäßen aufgrund
     mehr Tumorpatienten an einer Herz-Kreislauf-               von Ablagerungen (Plaques). Diese „Arterien-
     Erkrankung als jemals zuvor.                               verkalkung“ wiederum ist die Ursache für die
        Die „Onkologische Kardiologie“ – ein noch               koronare Herzkrankheit, die Arteriosklerose
     junger, interdisziplinärer Fachbereich an der              in den Blutgefäßen, die das Herz versorgen.
     Schnittstelle von Krebs- und Herz-Kreislauf-               Und auch der Risikofaktor Bluthochdruck geht
     Medizin – will sicherstellen, dass das Lang-               nicht allein mit Gefahren für Herz und Kreis-
     zeitüberleben und die Lebensqualität von                   lauf, sondern auch mit einer erhöhten Krebs­
     Menschen, die ein Tumorleiden überstanden                  rate einher, zumindest bei Männern. Bei Frau-
     beziehungsweise unter Kontrolle gebracht ha-               en und Männern wird Bluthochdruck mit einer
     ben, nicht von einer neu auftretenden oder                 erhöhten Krebssterblichkeit in Verbindung ge-
     sich verschlimmernden Herz-Kreislauf-Erkran-               bracht. Bereits vor Beginn einer Krebstherapie
     kung beeinträchtigt wird. Dazu gilt es, Risiken            und in deren Verlauf sollte ein Bluthochdruck
     zu minimieren sowie schädliche Einflüsse der               identifiziert und konsequent behandelt werden.
     Tumortherapie auf Herz und Kreislauf frühzei-
     tig zu erkennen und konsequent zu behandeln.               RECHTZEITIG HANDELN

     RISIKEN MINDERN                                            Die drei Grundpfeiler der Krebsbehandlung
                                                                sind Operation und Bestrahlung sowie die
     Viele Krebspatienten weisen vorbestehende                  Gabe von das Zellwachstum hemmenden
     Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankun-               Medikamenten. Zu den Medikamenten zäh-
     gen auf. Eine Brustkrebspatientin etwa mit                 len Chemotherapeutika – Wirkstoffe, die die
     zu hohen Blutfettwerten sollte zusätzlich zur              unkontrollierte Teilung der Krebszellen ver-
     Brustkrebstherapie mit einem Statin, einem                 hindern sollen (klassische Chemotherapie) –,
     Cholesterinsenker, behandelt werden: So lautet             und neuere Arzneimittel, die sich zielgerichtet
     die aktuelle Empfehlung der Deutschen Gesell-              gegen molekulare Eigenschaften der Krebszel-
     schaft für Kardiologie. Die Grundlage dafür ist            len richten, die sie zur Vermehrung antreiben

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                                                                                                      nische Studie
                                                                                                     ­zeigte: Je jünger
                                                                                                      die Patienten
                                                                                                      beim Auftreten
                                                                                                      des Krebsleidens
                                                                                                      waren, desto
                                                                                                      größer ist ihr
                                                                                                      Risiko, an einer
                                                                                                      Herz-Kreislauf-
                                                                                                      Erkrankung zu
                                                                                                      sterben.

(„targeted therapy“). Sowohl die radioaktive      die „Anthrazykline“. Sie hemmen die unkont-
Bestrahlung als auch die gegen Krebs gerich-      rollierte Teilung von Krebszellen, greifen aber
teten Medikamente können das Herz schädi-         auch gesunde Körperzellen an. Das kann mit
gen (Kardiotoxizität), im Fachjargon spricht      schweren, teilweise nicht mehr rückgängig zu
man von einer „Strahlentherapie-induzierten“      machenden Störungen der Funktion gesunder
beziehungsweise einer „Chemotherapie-indu-        Zellen einhergehen, vor allem das Herz ist be-
zierten Kardiotoxizität“. Während der Therapie    troffen (Anthrazyklin-induzierte Kardiotoxizi-
können dann beispielsweise akut Herzrhyth-        tät). Die zellulären und molekularen Ursachen
musstörungen oder erhöhte Blutdruckwerte          sind komplex.
auftreten; nach einer Strahlenbehandlung kann        Grundsätzlich zu unterscheiden ist die früh-
es langfristig zur koronaren Herzerkrankung       zeitig auftretende akute von der spät einsetzen-
kommen. Die häufigste und schwerwiegendste        den chronisch verlaufenden Anthrazyklin-in-
Folge der medikamentösen Tumortherapie auf        duzierten Kardiotoxizität. Die früh auftretende
das Herz aber ist eine Herzschwäche (Herz­        zeigt sich innerhalb von Stunden nach der Gabe
insuffizienz), die vorübergehen, aber auch        von Anthrazyklinen, es können aber auch Wo-
dauerhaft bestehen bleiben kann. Eine sich im     chen bis Monate vergehen. Die Symptome sind
Verlauf oder nach einer Krebstherapie entwi-      mannigfaltig: Sie reichen von Herzrhythmus-
ckelnde Herzschwäche gilt es frühzeitig zu er-    störungen bis hin zur akuten Herzschwäche.
kennen und zu behandeln.                          Wird die akute Herzschädigung frühzeitig
   Zu den in der klassischen Chemotherapie am     erkannt und behandelt, ist sie potenziell re-
häufigsten eingesetzten Medikamenten zählen       versibel und die Schäden am Herzen können

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                    sich zurückbilden. Anders bei der chronischen                    Bedeutend hinsichtlich potenzieller Neben-
                    Form der Kardiotoxizität, die sich häufig erst               wirkungen auf Herz und Kreislauf sind die
                    10 bis 20 Jahre nach der Anthrazyklin-Therapie               „Angiogenese-Hemmer“, Substanzen, die die
                    zeigt, in der Regel als Herzschwäche. Je höher               Neubildung von Blutgefäßen stören. Sie wer-
                    die Dosis der Anthrazykline war, die während                 den heute zur Therapie zahlreicher Krebsarten
                    der Krebsbehandlung verabreicht wurde, desto                 eingesetzt. Die biologische Grundlage dafür
                    wahrscheinlicher ist es, dass es langfristig zu              ist, dass Tumoren ab einer bestimmten Grö-
                    einer Herzschwäche kommt. Wird eine akute                    ße nur dann weiterwachsen können, wenn sie
                    oder chronische Anthrazyklin-induzierte Kar-                 Anschluss an das Blutgefäßsystem finden. Nur
                    diotoxizität festgestellt, sollte sie entsprechend           so sichern sie ihre Versorgung mit Sauerstoff
                    den aktuellen Leitlinien zur Therapie der „klas-             und Nährstoffen. Tumorzellen veranlassen
                    sischen“ Herzinsuffizienz behandelt werden.                  selbst die „Angiogenese“, das Aussprossen neu-
                                                                                 er Blutgefäße. Dazu benutzen sie Botenstoffe,
                    NEUE KREBSMEDIKAMENTE                                        etwa den „vaskulären endothelialen Wachs-
                                                                                 tumsfaktor“ (englisch: Vascular Endothelial
                    Inzwischen gibt es viele verschiedene Wirkstof-              Growth Factor, VEGF). Unter den Angiogene-
                    fe zur sogenannten zielgerichteten Tumorthe-                 se-Hemmern gibt es Wirkstoffe (Antikörper),
                    rapie. Sie richten sich zwar gegen bestimmte                 die VEGF direkt abfangen; andere unterdrü-
                    biologische Merkmale der Krebszellen, den-                   cken die Weiterleitung der Wachstumsbot-
                    noch kann es zu Nebenwirkungen kommen. Im                    schaft in die Zelle (Kinase-Hemmer). Zu den
                    Unterschied zur mittlerweile recht gut verstan-              Nebenwirkungen der Angiogenese-Hemmer
                    denen Anthrazyklin-induzierten Kardiotoxizi-                 zählen Blutgerinnsel, Herzrhythmusstörungen,
                    tät sind die Mechanismen der Nebenwirkungen                  Herzinfarkt und Herzschwäche. Häufig ist eine
                    bei vielen zielgerichteten Substanzen bislang                Blutdrucksteigerung. Ein wichtiges Fundament
                    nur unzureichend geklärt.                                    bei der Behandlung mit Angionese-Hemmern

                                                                                                                                         Abbildung: Alamy Stock Foto / Juan Gaertner

    Immunzellen
 attackieren eine
      Krebszelle.

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ist deshalb, einen eventuell bereits bestehenden           »Die Onkologische Kardiologie
Bluthochdruck vor Beginn der Tumortherapie
                                                     will sicherstellen, dass das Leben und
optimal einzustellen beziehungsweise das Auf-
treten von Bluthochdruck während der The-               die Lebensqualität von Menschen,
rapie frühzeitig zu erkennen und unmittelbar           die eine Krebserkrankung überstan-
eine blutdrucksenkende Therapie einzuleiten.
                                                          den haben, nicht durch eine neu
    Eine weitere neue Wirkstoffgruppe gegen
Krebs sind „Immun-Checkpoint-Hemmer“.                    auftretende oder sich verschlim-
Bei den „Checkpoints“ handelt es sich um               mernde ­Herz-Kreislauf-Erkrankung
spezielle Eiweißkörper (Rezeptoren), die sich
                                                                ­beeinträchtigt werden.«
auf der Oberfläche bestimmter Immunzellen
(T-Zellen) finden. Sie fungieren als Kontroll-
punkte und aktivieren oder bremsen Akteure
des Immunsystems. Auf diese Weise werden
Überreaktionen der körpereigenen Abwehr
verhindert. Manchen Tumoren gelingt es,
Checkpoints so zu beeinflussen, dass Immun-         zu erkennen: Bestimmte Krebsmedikamente,
zellen, die Krebszellen eigentlich erkennen         etwa Kinase-Hemmer, können in einzelnen
und bekämpfen könnten, stark gebremst wer-          Fällen das ­Risiko für lebensbedrohliche Herz-
den. Immun-Checkpoint-Hemmer sollen diese           rhythmusstörungen erhöhen. Eine Ultraschall­
Bremsen gleichsam lösen und so die Reaktio-         untersuchung des Herzens kann eine eventuell
nen der körpereigenen Abwehr gegen Tumor-           bereits eingeschränkte Herzleistung erfassen,
zellen verstärken.                                  auch die Funktion der Herzklappen lässt sich
    Eine Therapie mit Immun-Checkpoint-             damit beurteilen und die Druckverhältnisse
Hemmern kann mit Nebenwirkungen auf das             im Lungenkreislauf können abgeschätzt wer-
Herz-Kreislauf-System einhergehen. Sie rei-         den. Den aktuellen Empfehlungen nach sollten
chen von Herzrhythmusstörungen bis hin zu           bereits Patienten mit einer nur leicht einge­
schnell und schwer verlaufenden Entzündun-          schränkten Funktion der linken Herzkammer
gen des Herzmuskels, die der neuesten Daten-        (Auswurffraktion/Ejektionsfraktion weniger als
lage nach keine Einzelfälle sind und häufig zum     55 Prozent) als Risikopatienten eingestuft und
Abbruch der Krebstherapie führen. Wichtige          entsprechend kontrolliert und behandelt wer-
begleitende Maßnahmen sind deshalb echo-            den. Bei der Ermittlung des kardialen Risikos
kardiographische Untersuchungen des Herzens         können auch Modelle wie der „Cardiotoxicity
vor und während einer Therapie mit Immun-           Risk Score“ helfen. Er erfasst die Risikofak-
Checkpoint-Hemmern sowie Blutuntersu-               toren seitens des Patienten – beispielsweise
chungen, um Marker nachzuweisen, die eine           weibliches Geschlecht, eine bereits bekannte
Schädigung des Herzmuskels frühzeitig anzei-        Herzschwäche oder Herzmuskelerkrankung,
gen können.                                         Bluthochdruck oder das Vorliegen der Zucker-
    Bevor eine Krebstherapie begonnen werden        krankheit – und setzt sie in Beziehung zur frü-
kann, die mit potenziellen Wechselwirkun-           heren Krebsbehandlung, etwa mit Anthrazyk-
gen auf das Herz-Kreislauf-System verbunden         linen oder Bestrahlungen des Brustkorbs. Der
ist, muss ermittelt werden, wie groß die Ge-        ermittelte Messwert (Score) erlaubt es, das Ge-
fahren für Herz und Kreislauf sind (kardiale        samtrisiko des Patienten zu beurteilen und die
Risikoerfassung). Dazu dienen eine ausführ-         Intensität der kardialen Vor- und Nachsorge zu
liche Befunderhebung sowie die körperliche          planen. Von den Fachgesellschaften unisono un-
Untersuchung. Ein wichtiger Teil der Risiko-        terstrichen wird die Bedeutung des klinischen
erfassung ist es, mittels EKG aktuelle bezie-       Urteilsvermögens des behandelnden Arztes bei
hungsweise frühere Herzrhythmusstörungen            der individuellen Risikoeinschätzung.

H E R Z h e u t e 1 / 2 02 1                                                                          15
O N KO LO G I S C H E K A R D I O LO G I E

     KREBS IM KINDESALTER                                                »Es gilt, Risiken zu minimieren
                                                                         sowie schädliche Einflüsse der
     Rund 80 Prozent der Kinder und Jugendlichen,
     die an Krebs erkranken, können heute geheilt                  ­Tumortherapie auf Herz und Kreis-
     werden. Allerdings sind sie gefährdeter, im Er-                     lauf frühzeitig zu erkennen und
     wachsenenalter eine Herz-Kreislauf-Erkran-                           ­konsequent zu behandeln.«
     kung zu entwickeln. Sie bedürfen deshalb der
     besonderen Beachtung und einer lebenslangen
     kardiovaskulären Nachsorge (siehe auch den
     Beitrag „Die Balancekünstlerin“ auf Seite 18).
     Eine im Jahr 2019 in der Fachzeitschrift „Eu-              krankungen doppelt so hoch. Aufgrund dieser
     ropean Heart Journal“ veröffentlichte Studie               Erkenntnisse fordern die Autoren der Studien,
     zeigte etwa, dass Bluthochdruck und Störun-                Screening-Programme, die Bluthochdruck und
     gen des Fettstoffwechsels bei Patienten, die im            erhöhte Fettwerte frühzeitig im Fokus haben,
     Kindes- und Jugendalter eine Krebserkrankung               zum festen Bestandteil der Krebsnachsorge
     durchlitten und überstanden haben, häufiger                werden zu lassen. Eine vom Fachblatt „Circu-
     und früher als in der allgemeinen Bevölkerung              lation“ publizierte Auswertung eines kanadi-
     auftreten. Dieser Studie nach ist das Risiko               schen Kinderkrebsregisters ergab, dass Überle-
     der Krebsüberlebenden für Herz-Kreislauf-Er-               bende von Krebserkrankungen im Kindesalter

16                                                                                           H E R Z heu te 1 / 2 02 1
O N KO LO G I S C H E K A R D I O LO G I E

                                                           im Vergleich zu Altersgenossen schon in relativ                                 Christopher Hohmann                Literatur:
                                                           jungen Jahren ein um bis zu dreifach erhöhtes                                   ist wissenschaftlicher Mitar­
                                                                                                                                                                              Sturgeon, K. et al.
                                                                                                                                           beiter der Klinik III für Innere
                                                           Risiko haben, eine Herzerkrankung zu erlei-                                                                        (2019): A popula­
                                                                                                                                           Medizin am Herzzentrum der         tion-based study
                                                           den. Darüber hinaus erkrankten Krebsüberle-                                     Universitätsklinik Köln.           of cardiovascular
                                                           bende mit Diabetes und/oder Bluthochdruck                                       Kontakt: christopher.hoh­          disease mortality
                                                                                                                                                                              risk in US can­
                                                           als Erwachsene deutlich häufiger an Herz-                                       mann@uk-koeln.de
                                                                                                                                                                              cer patients. doi:
                                                           krankheiten. Die Autoren vermuten, dass diese                                                                      10.1093/eurheartj/
                                                           – modifizierbaren – Risikofaktoren mit einer                                                                       ehz766

                                                           Chemo- oder Strahlentherapie zusammenwir-                                                                          Rassaf, T. et al.
                                                                                                                                            Prof. Dr. Roman Pfister           (2020): Onco-Car­
                                                           ken und die Entwicklung von Herzerkrankun-                                       ist Oberarzt der Klinik III für   diology: Consen­
                                                           gen beschleunigen.                                                               Innere Medizin am Herz­           sus Paper of the
                                                                                                                                            zentrum der Universitäts­         German Cardiac
                                                                                                                                                                              Society, the Ger­
                                                           ZWEI FÄCHER – EIN ZIEL                                                           klinik Köln.
                                                                                                                                                                              man Society for
                                                                                                                                            Kontakt: roman.pfister@
                                                                                                                                                                              Pediatric Cardiolo­
                                                                                                                                            uk-koeln.de                       gy and Congenital
                                                           Nur das enge Zusammenwirken von Onkolo-                                                                            Heart Defects
                                                           gie und Kardiologie – in der Außenwahrneh-                                                                         and the German
                                                                                                                                                                              Society for Hema­
                                                           mung zumeist als getrennt voneinander agie-                                                                        tology and Medical
                                                           rende Bereiche angesehen – birgt die Chance,                                     Prof. Dr. Stephan Baldus          Oncology. doi:
                                                           Herz-Kreislauf-Komplikationen bei Tumor­                                         ist Direktor der Klinik III für   10.1007/s00392-
                                                                                                                                            Innere Medizin am Herz­           020-01636-7
                                                           erkrankungen frühzeitig zu erkennen und zu
                                                                                                                                            zentrum der Universitäts­         Hohmann, C. et al.
                                                           behandeln und Risikofaktoren langfristig zu                                      klinik Köln und Sprecher des      (2019): Curing can­
                                                           minimieren. Bei einigen Patienten gilt es etwa                                   Arbeitskreises „Onkologische      cer and protecting
                                                                                                                                                                              the heart: Chal­
                                                           zu gewährleisten, dass sie die lebensverlän-                                     Kardiologie“ der Deutschen
                                                                                                                                            Gesellschaft für Hämatologie      lenges in cardio-
                                                           gernde Krebstherapie weiter erhalten können;                                                                       oncology in the era
                                                                                                                                            und Medizinische Onkologie.
                                                           bei anderen ist sicherzustellen, dass die Ent-                                   Kontakt: stephan.baldus@
                                                                                                                                                                              of modern tumor
                                                                                                                                                                              treatment. doi:
                                                           wicklung eines schweren Herzleidens nicht                                        uk-koeln.de                       10.1007/s00059-
                                                           wahrscheinlicher ist als ein Wiederauftreten                                                                       019-4787-6
                                                           des Tumors.                                                                                                        Koutsoukis, A. et
                                                               Die Onkologische Kardiologie b   ­eschäftigt                                                                   al. (2018): Cardio-
                                                                                                                                                                              Oncology: A Focus
                                                            sich explizit mit der Diagnose und Behand-                                                                        on Cardiotoxicity.
                                                           lung derart komplex erkrankter Patienten.
                                                                                           ­­          Das                                                                    doi: 10.15420/
                                                                                                                                                                              ecr.2017:17:2
                                                           Ziel muss es sein, noch besser zu ­verstehen,
                                                           wie Herz-Kreislauf-Risikofaktoren den E  ­ rfolg                                                                   Faber, J. et al.
                                                                                                                                                                              (2018): Burden of
                                                           ­einer Krebsbehandlung beeinflussen, die ne­-                                                                      cardiovascular risk
                                                            gativen Nebeneffekte der T
                                                            ­                             ­   umortherapie                                                                    factors and cardio­
                                                                                                                                                                              vascular disease in
                                                            auf Herz und Kreislauf zu minimieren be­                                                                          childhood cancer
Fotos: MFK (oben); Michael Wodak (mitte); Uniklinik Köln

                                                            ziehungs­weise frühzeitig zu erkennen und                                                                         survivors: data
                                                                                                                                                                              from the German
                                                            zu behandeln, ohne dabei die Effektivität der                                                                     CVSS-study.
                                                            Tumortherapie einzuschränken. Die enge
                                                            ­                                                                                                                 doi: 10.1093/eur­
                                                            Kooperation von Krebs- und Herz-Kreislauf-                                                                        heartj/ehy026

                                                            Medizin ist die Grundlage, um diese zukünftig                                                                     Khanna, A. et al.
                                                                                                                                                                              (2019): In­creased
                                                            weiter wachsende Patientengruppe bestmög-                                                                         Risk of All Cardio­
                                                            lich zu versorgen – und zu verhindern, dass                                                                       vascular Disease
                                                            das Leben und die Lebensqualität von Men-                                                                         Subtypes Among
                                                                                                                                                                              Childhood Cancer
                                                            schen, die eine Krebserkrankung überstanden                                                                       Survivors.
                                                            haben, durch eine neu auftretende oder sich                                                                       doi: 10.1161/
                                                                                                                                                                              CIRCULATIO­
                                                            verschlimmernde ­Herz-Kreislauf-Erkrankung                                                                        NAHA.119.041403
                                                            beeinträchtigt wird.

                                                           H E R Z h e u t e 1 / 2 02 1                                                                                                         17
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