Kultur Soziales Projekt, Kommentar, Kochen, Künstlerportrait, Adressat Moritz, Nachrichten, Blick zurück - Bitte kaufen Sie nur bei Verkäufern mit ...

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                                                              Verkäufern mit offiziellem
                                                              Verkäuferausweis!

                                                              Nr. 260
                                                              2,50 Euro – davon 1,20 Euro
                                                              für unsere Verkäufer

Kultur
Soziales Projekt, Kommentar, Kochen, Künstlerportrait, Adressat Moritz, Nachrichten, Blick zurück
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Strudlprojekte
Bücher sind zu schade für die Papiertonne:
Wir bringen Ihre gut erhaltenen gebrauchten
Bücher wieder unter die Leute und schaffen
Arbeitsplätze!

Der Bücherstand                        vom DONAUSTRUDL Bücherstand auf dem Vier-Eimer-Platz
ist wieder da, und zwar am Vier-Eimer-Platz. Wie bisher -
bei trockenem Wetter - Mi., Fr. und Sa. von 10 bis 18 Uhr.
An alter neuer Wirkungsstätte gefällt es unseren Verkäufern
richtig gut und sie freuen sich auf Sie.
Auch hier gelten die entsprechenden ausgewiesenen
Hygiene- und Abstandsregeln. Vielen Dank!

Trödelkiste
Auf dem Alten Kornmarkt
Mo.-Fr. 11.00-15.00 Uhr, Sa. 9.00-14.00 Uhr

Antiquariat & Internetverkauf                              Trödelkiste auf dem Alten Kornmarkt

Bücher, Schallplatten, DVDs, CDs
und Geschenkgutscheine
Dr.-Theobald-Schrems-Straße 4
Di.-Fr. 10.00-16.00 Uhr, Sa. 10.00-14.00 Uhr
Tel. 0941/567 67 46 donaustrudl.buecher@gmx.de

 Bitte beachten: Bücheranlieferungsstopp im Dezember!
 Leider können wir im Moment keine Bücher annehmen,
                                                           Antiquariat & Internetverkauf

 Wir machen Betriebsferien, und zwar vom 24.12.2020 ab 14 Uhr bis einschließlich 06.01.2021!
 Wir freuen uns, Sie im neuen Jahr wieder begrüßen zu dürfen, danke!
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Liebe Leserinnen und Leser,
SOZIALE STRASSENZEITUNG                 das Wichtigste zuerst: Wir vom DONAUSTRUDL sind noch hier! Etwas „zrupft“ zwar, aber froh,
Jahrgang 23, Nr. 260                    glücklich und immens dankbar.
Dezember 2020
                                        Was war das für ein Jahr? Seit März ist es schwierig geworden, sogar eine Online-Ausgabe
Der Herausgeberverein
Sozialer Arbeitskreis Regensburg        mussten wir machen, um nicht ganz zu verschwinden. Aber mit Ihrer Hilfe konnten und können
(SAK e.V.)                              wir weitermachen und möchten uns nun bei Ihnen ganz persönlich bedanken.
ist als gemeinnützig anerkannt.         Danke für Ihre Hilfe, Ihre Spenden haben uns nie zweifeln lassen! Und weil wir für das kom-
Engelburgergasse 20                     mende Jahr voller Optimismus sind, versprechen wir Ihnen 12 spannende Ausgaben des DO-
Eingang Schulbergl                      NAUSTRUDL im Jahr 2021!
93047 Regensburg                        In der vorliegenden Ausgabe steht das Thema Kultur im Fokus. Pater Clemens eröffnet den
Fon: 85083700                           Thementeil mit seiner Interpretation von Kultur, ein größerer Artikel beschäftigt sich mit der Si-
DONAUSTRUDL- Büro                       tuation von Theatern in Bayern, abgerundet wird dieser Beitrag mit persönlichen Interviews.
Engelburgergasse 20                     Weitere großartige Artikel wünschen sich gelesen zu werden. Von Ihnen!?!
Eingang Schulbergl                      Zum Schluss möchten wir Ihnen alle unsere Werbepartner*innen wärmstens empfehlen. Sie
93047 Regensburg                        haben uns – obwohl sie selbst schwierige Zeiten erleben – immer weiter unterstützt!
Fon: 85083700
                                        Wir wünschen Ihnen eine schöne Adventszeit, ein frohes Weihnachtsfest und einen großartigen
Dienstag – Freitag 10 – 16 Uhr
Samstag 10 – 13 Uhr                     Start für 2021!
info@donaustrudl.de                                               Auf Wiederlesen wünscht Ihnen Ihr gesamtes DONAUSTRUDL- Team

DONAUSTRUDL- Antiquariat
Dr.-Theobald-Schrems-Str. 4
93055 Regensburg
                                         Wussten Sie schon, dass der
                                         DONAUSTRUDL-Herausge-
                                                                              Inhalt
Fon: 563785                              berverein Sozialer Arbeitskreis      Wir über uns ............................................................. 4
antiquariat@donaustrudl.de               SAK eine kleine gemeinnützi-
                                         ge Organisation ist und dass         Soziales Projekt. ..................................................... 5
Mitarbeiter*innen dieser Ausgabe:        diese Soziale Straßenzeitung
Herbert Baumgärtner                      auch nennenswert durch die           Kommentar. ............................................................... 6
Claudia Bernhard                                                              Gewaltfreie Kommunikation............................................... 6
                                         Stadt Regensburg gefördert
Theresa Braun
                                         wird?                                Da hört der Spaß auf.......................................................... 7
Rainer Fürst
Clemens Habiger
Friederike Hirth
                                         Der STRUDL finanziert sich           Kochen.......................................................................... 8
                                         nun durch den Straßenver-
Reinhard Kellner
Lorenz Nix
                                         kauf, Anzeigen, Spenden              Künstlerportrait....................................................... 9
Caritas/K.Pfenninger                     und einen jährlichen finanzi-
Lukas Reinsch                            ellen Zuschuss der Stadt. So         Weihnachten. .......................................................... 10
Fenja Salm                               kommen wir unserem Ziel, die         Grußwort des Bundespräsidenten.................................... 10
Elias Schäfer                            Sozialarbeit auszubauen, ein         Weihachten gemeinsam................................................... 10
Jonas Schriefer                          gutes Stück näher.                   Früher war mehr Lametta................................................. 11
Lisbeth Wagner
Phil Wegerer                             Denn unser Sozialarbeiter            Thema: Kultur......................................................... 12
Annika Zinkler                           ist gut beschäftigt mit der Ver-     Das goldene W................................................................. 13
Layout: Rainer Fürst                     käuferbetreuung und Beglei-          Den Sinn des Theaters nicht verlieren............................. 14
                                         tung der inzwischen sieben           Transit Filmfest goes online.............................................. 16
Titelbild: Jonas Schriefer
                                         Beschäftigungsprojekte. Über         Recht auf Stadt – Recht aus Freiraum............................. 18
Anzeigen:                                20 Ehrenamtliche / Engagier-
SAK Regensburg e.V., Vorstand            te treffen sich jede Woche,
anzeigen@donaustrudl.de                  um monatlich einen neuen
                                                                              Adressat: Moritz.................................................... 20
Es gilt die Preisliste vom 01.01.2020
                                         DonauStrudl herauszu-                Ein Blick zurück.................................................... 21
Anzeigenschluss:                         bringen: Chancengleichheit
jeweils der 15. des Monats.              und Gerechtigkeit sind dabei         Kulturtipps................................................................ 22
Druck: S-Druck                           die Ziele, um auf Armut und
auf 100%-Recycling-Faser-Papier          soziale Missstände aufmerk-          Nachrichten von unten
(Spenden-)Konto: IBAN:                   sam zu machen. Jeder kann            von Reinhard Kellner........................................................ 25
DE43 7505 0000 0000 2125 30              sich bei den öffentlichen Re-
Manuskripte und Beiträge                 daktionstreffen immer don-           Sozialsponsoring................................................. 28
sind jederzeit willkommen.               nerstags ab 17.30 Uhr einbrin-       KISS.............................................................................. 30
Nächste Ausgabe                          gen und Artikel abgeben.
Blick nach vorn                          Die Verkäufer erwerben ein           Weihnachtszauber............................................... 31
Redaktionsschluss:
                                         Heft für 1,30 Euro und bieten
17. Dezember
                                         es dann für 2,50 Euro auf der
V.i.S.d.P.: Vorstand
des SAK Regensburg e.V.
                                         Straße und in Gaststätten an:
                                         So entstehen Selbstbewusst-
                                                                               Redaktionssitzungen
Engelburgergasse 20                      sein und neue Kontakte.               finden immer donnerstags um 17.30 Uhr statt.
Eingang Schulbergl
93047 Regensburg                         Das DONAUSTRUDL-Projekt
                                         „Bücher aus zweiter Hand“
                                         gibt die Möglichkeit, in ein sinn-
                                         erfülltes Berufsleben einzustei-
„Soweit in diesem Magazin aus            gen, eine eigene Wohnung zu
Gründen der besseren Lesbarkeit das      finden und von der staatlichen
generische Maskulinum verwendet          Unterstützung unabhängig zu
wird, sind hiermit stets alle
Geschlechter gemeint“
                                         werden.                                  9-17 Uhr - Keplerstraße 18 - Tel. 6 98 01 54

                                                                                                                                                                 3
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Wir über uns

                                                                 Neue Räume
                                                                 Seit 1. November 2020 haben wir – Verkäufer*innen, Redakti-
                                                                 on, Sozialberatung und Verwaltung – eine neue Adresse: En-
                                                                 gelburgergasse 20 / Eingang Schulbergl. In direkter Nachbar-
                                                                 schaft mit dem Garbo- Kino. Das Foto mit Bearbeitung von Jo-
                                                                 nas Schriefer zeigt den genauen Standort.
                                                                 Wir freuen uns riesig über die neuen Räume, es wird gewerkelt
                                                                 und geräumt. Immer ist irgendwas zu tun. Es herrscht so eine
                                                                 Art Aufbruchsstimmung, der Geist des früheren Strudl scheint
                                                                 wieder zu entstehen. Nicht immer gilt der Spruch: „Nach vorne
                                                                 schauen“, manchmal ist auch ein Schritt zurück notwendig.
                                                                 Sie möchten uns besuchen? Bitte vorher kurz anrufen unter
                                                                 0941 85083700, damit wir Sie entsprechend empfangen kön-
                                                                 nen (Corona-Regeln).

Eine tolle Freude machte uns Herr Kuhn von der Computerfir-
ma SWS (Auf dem Foto ist Herr Kuhn in der Mitte.). Die Spen-
de kommt zum richtigen Zeitpunkt. Vielen lieben Dank!
Foto: Sigi Netter

 Wünsche
 Für unsere Verkäufer*innen wünschen wir uns Mützen,
 Schals, Handschuhe und Socken zu Weihnachten.
 Am liebsten selbst gestrickt. Jede/r Verkäufer*in soll wenig-
 stens ein Teil bekommen.
 Sanne wünscht sich ein paar warme Pullis Größe 42.
 Sie haben etwas für uns? – Danke!
 Gerne erwarten wir Sie beim DONAUSTRUDL.
 Vielen herzlichen Dank für Ihre Unterstützung!                   Bücheranlieferungsstopp
                                                                  im Dezember!
                                                                  Leider können wir im Moment keine Bücher
                                                                  annehmen, Vielen Dank!

                                                                  Wir machen Betriebsferien,
                                                                  und zwar vom 24.12.2020 ab 14.00 Uhr bis
                                                                  einschließlich 06.01.2021!
                                                                  Wir freuen uns, Sie im neuen Jahr wieder
                                                                  begrüßen zu dürfen, da

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Soziales Projekt
Helfer mit Herz                                                    kosten oft nur sehr wenig Geld zur Verfügung haben, organi-
                                                                   sierten die Rengschburger Herzen kostenlose Kaffeefahrten in
                                                                   die Umgebung. Wegen der Corona-Pandemie konnten die Aus-
Ein festliches Essen und Geschenke sind an Weihnachten nicht       flüge allerdings nicht stattfinden, also veranstaltete Arno kurzer-
selbstverständlich. Auch in Regensburg sind die Feiertage für      hand Konzerte mit befreundeten Musikern vor den Fenstern der
viele Menschen alles andere als besinnlich. Deshalb organi-        Bewohner: „Das war ‘ne super G’schicht und wir werden das
siert Arno Birkenfelder, der im vergangenen Jahr den Verein        auch im Frühling wieder machen“, sagt er.
„Rengschburger Herzen“ ins Leben gerufen hat, bereits zum
dritten Mal eine Benfizveranstaltung für Bedürftige. Corona        Das neueste Projekt der Rengschburger Herzen ist ein Repair-
erschwert in diesem Jahr allerding die Planung: „Wir werden        Café, für das sie einige Container gekauft und umgebaut
wieder kochen und Geschenke verteilen, aber wir sind gerade        haben: „Ich hoffe, dass wir es heuer noch schaffen, aber das
noch am Tüfteln, wo wir es machen “, sagt Arno. Damit die Teil-    Problem ist, dass wir zu wenige Helfer haben“. Bisher werden
nehmerzahl überschaubar bleibt, werden Einladungen verteilt.       dort vor allem Fahrräder repariert, aber wenn sich begabte
Die Auserwählten bekommen wie jedes Jahr Einkaufsgutscheine        Bastler finden, sollen dort auch allerlei andere Dinge wieder
und Sachspenden, die Arno und seine Helfer im Vorfeld organi-      in Schuss gebracht werden: „Wir leben ja mittlerweile in einer
sieren. Im vergangenen Jahr war es fast ein ganzer LKW voll:       Wegwerfgesellschaft“, kritisiert Arno.
„Wir haben ein paar große Sponsoren und viele kleine“, sagt er.
                                                                   Mehr Projekte bedeuten aber auch mehr Aufwand für Arno und
Aber nicht nur an Weihnachten wird aufgetischt und verschenkt.     die Rengschburger Herzen: „Ich habe schon ein großes Unter-
Das ganze Jahr über arbeitet Arno mit Regensburger Gastro-         stützer-Netzwerk, ohne würde es nicht gehen“, sagt Arno. Die
nomen zusammen, die die Rengschburger Herzen mit Essens-           meiste Arbeit, vor allem die Organisation, bleibt aber an ihm
spenden unterstützen. Auch die Verkäufer und Mitarbeiter des       hängen: „Das läuft ja alles über mich und das wird mir mitt-
Donaustrudls wurden im Oktober mit Pizzen und Salaten ver-         lerweile auch zu viel“, sagt Arno. Die Rengschburger Herzen
sorgt, die das Il Baretto sponserte.                               helfen ehrenamtlich und alle Spenden gehen direkt an Bedürf-
                                                                   tige, denn „letztendlich soll es bei denen ankommen, die nicht
Mit Aufrufen über Facebook, auf der Website rengschburger-         auf der Sonnenseite des Lebens stehen“, sagt Arno. Hauptbe-
herzen.de oder durch Mundpropaganda organisiert Arno warme         ruflich betreibt er eine Autowerkstatt, aber sein Pachtvertrag
Kleidung und Isomatten, um die Obdachlosen für den Winter          läuft in zwei Jahren aus. Trotzdem ist Arno optimistisch: „Wir
auszurüsten. Die Spendenbereitschaft der Regensburger ist          werden schon irgendwo was finden, wo wir wieder weiterma-
groß, aber der provisorische Lagerraum auf dem Gelände von         chen. Ob wir auch die Werkstatt weitermachen, weiß ich noch
Arnos Autowerkstatt zu klein für noch mehr Kleidung: „Wir arbei-   nicht.“
ten da momentan mit einer Containeranlage, das sind vielleicht
30 Quadratmeter. Irgendwann wird’s halt zu viel“.                  Das Projekt Rengschburger Herzen wird auf jeden Fall weiter-
                                                                   gehen, am besten mit noch mehr Menschen und noch mehr
Nicht nur Obdachlosen, auch alten Menschen in Pflegeheimen         Aktionen: „Ich versuche das Sozial-Gen zu wecken, Fahrt auf-
helfen die Rengschburger Herzen. Allerdings nicht mit warmer       zunehmen und Leute mitzureißen“, sagt Arno.
Kleidung, sondern menschlicher Wärme. Weil viele Bewohner in
Pflegeheimen vereinsamen und wegen hoher Unterbringungs-                                                         von Jonas Schriefer

                                                                                                        Foto: Herbert Baumgärtner

                                                                                                                                    5
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Kommentar
Gewaltfreie Kommunikation
Was macht gute oder weniger gute Kommunikation mit uns?
Lässt sich die eigene Kommunikations-Art selbstkritisch über-
prüfen und vielleicht sogar verbessern?
Bei zunächst oberflächlicher Betrachtung von Menschengruppen im
privaten oder beruflichen Umfeld, wird gerne festgestellt: „Ja, bei uns
stimmt die Kommunikation nicht“ Bei der Art und Weise, wie das ge-
sagt wird, sehe ich meist mit dem Finger auf Andere zeigen. Doch so
leicht läuft das natürlich nicht. Denn ganz schnell lassen sich Äuße-
rungen hören, wie: „Jetzt sag ich gar nichts mehr!“ Spätestens dann
müsste den Beteiligten klar sein, dass eine Herausforderung ansteht.
Kommunikation geht ALLE an und jede/r Einzelne ist für seinen Teil
dafür mitverantwortlich.
Aus der aktuellen Arbeitswelt: Berufsgenossenschaften haben nicht          Es ist also ein großer Unterschied ob ich zu einer Kollegin sage:
nur erkannt, dass richtiges (also „gesundheits-förderndes“) Füh-           „Jetzt haben Sie schon wieder …“ oder so beginne: „Jetzt haben
rungsverhalten dazu beitragen kann, Motivation und Gesundheit der          wir es ein paarmal in dieser Art versucht – lasst uns doch überle-
MitarbeiterInnen zu stärken. So werden entsprechende Projekte auch         gen, ob es dazu hilfreichere Alternativen gibt!“ Es geht also in der
finanziell gefördert und dabei z. T. auch extern begleitet. Ein kleiner    Kommunikation darum, weniger auf Ansprache (Befehl) zu setzen,
Teil solcher Projekte kann dann z. B. sein, sich in den Einrichtungen,     sondern mehr auf das Wecken von Lösungspotential durch mein
Firmen oder Institutionen mit der sog. „gewaltfreien Kommunikation“        Gegenüber. Natürlich erfordert das Bewusstmachen der Kommuni-
zu beschäftigen – da mir der Begriff nicht so gut gefällt, nenne ich das   kationsweisen in Teams regelmäßige, dabei fair formulierte Korrek-
meist eher „wertschätzende Kommunikation“.                                 turen, nach dem Motto: Lässt sich das eben emotional Dargelegte
vEs hilft auch, sich der bekannten Erkenntnis zu stellen, dass es eine     auch so sagen, dass mein Gegenüber eine gute Chance erhält,
Nicht-Kommunikation nicht gibt. Und Kommunikation besteht nicht            damit umzugehen. Ich gebe zu, je nach dem Entwicklungsstand
zwingend und alleine aus Sprache, sondern auch aus dem Unterton            einzelner Teams (oder genauso gut übertragbar auf Familien, Ver-
(zwischen den Worten), der Mimik und der Körperhaltung. Gesagtes           eine und Vorstandschaften), erfordert es schon etwas Arbeit und
verliert durch nichtstimmige Gesten seinen Wert und Aussagekraft. Wer      Zeit, die eigentlich so einfache „wertschätzende Kommunikation“
sich im beruflichen Bereich bewusst damit beschäftigt hat, die eigenen     so hinzubekommen, dass der/die Einzelne spürt, dass dabei jeder
Worte dahingehend zu überprüfen, ob sie das Gegenüber eher blockie-        dazugewinnt. Natürlich ohne, dass das etwas an den jeweiligen
ren oder die Chance bieten, sich mit seinen Ressourcen und Talenten        Strukturen und Zuständigkeiten abnimmt. Es ist erwiesen, dass die
einzubringen, wird auch im privaten Bereich davon profitieren.             meisten Hemmnisse in den benannten menschlichen Bereichen
                                                                           (ob Familie, Schule, Beruf und Freizeit) damit zu tun haben, dass
                                                                           Konfliktsituationen durch Missverständnisse und Streit entstehen.
                                                                           Dauern solche Umstände länger an, so führt dies zu beidseitigen
                                                                           Ärgernissen, bei denen oft keiner mehr wirklich weiß, wie und wa-
                                                                           rum das eigentlich entstanden ist. Disharmonie, Unzufriedenheit
                                                                           und Frust sind die Folge. Auch wenn es bisweilen ohne externe
                                                                           Begleitung nicht gut weiter geht, wird die Hauptarbeit und Verant-
                                                                           wortung schlussendlich bei den Beteiligten bleiben. Und nach mei-
                                                                           ner Erfahrung müssen Einzelne, die aus welchen Gründen auch
                                                                           immer dazu geschaffen scheinen, in Opferrollen zu geraten, auch
                                                                           lernen, mitzuteilen, was mit ihnen geht und was nicht.
                                                                           Gewaltfreie, bzw. wertschätzende Kommunikation hat den An-
                                                                           spruch, alles zu vermeiden, was das Gegenüber beleidigen oder
                                                                           sogar bedrohen könnte. Im Alltag passiert es meist eher unbe-
                                                                           wusst, Gefühle oder Bedürfnisse des/der Anderen zu verletzen
                                                                           – der ideale Nährboden für Konflikte. Im Vordergrund einer ver-
                                                                           besserten, wertschätzenden Kommunikation steht nicht die Rede-
                                                                           Technik, sondern das auf beiden Seiten wachsende Einfühlungs-
                                                                           vermögen, also das Bewusstmachen über die Möglichkeiten des
                                                                           empathischen Kontaktes. Natürlich gibt es umfangreiche Anleitun-
                                                                           gen zur Einführung wertschätzender Kommunikation in Betrieben,
                                                                           z. B. nach Marshall Rosenberg. Grundlage ist dabei, sich von ei-
                                                                           genen Bewertungen und Interpretationen zu verabschieden und
                                                                           möglichst offen, fair und wertfrei mit sich selbst und dem Gegen-
                                                                           über umzugehen.
                                                                           Bei der Konflikt-Begleitung eines Teams erlebte ich beim Ab-
                                                                           schluss (also eher beim gemütlichen Teil), wie ein Mitarbeiter über
                                                                           eine Kollegin „herziehen“ wollte, die bereits den Raum verlassen
                                                                           hatte. Das gab mir erfolgreich die Gelegenheit, dem Team als eine
                                                                           Art Grundregel vorzuschlagen: „Wir sprechen nicht über Andere,
                                                                           sondern mit den Anderen!“ Oder wie sagte einst bereits der Päda-
                                                                           goge und Philosoph Immanuel Kant: „Was Du nicht willst, was man
                                                                           dir tut, das füg´ auch keinem Andern zu!“
                                                                                                                             von Herbert Ehrl
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Da hört der Spaß auf:
Corona-Maßnahmen gehen auf Kosten der Kultur
Gefühlt bestand 2020 ausschließlich aus Pandemie, ein paar             Der “Lockdown-Light” offenbart aktuell allerdings eher eine kapita-
Wochen Sommer, US-Wahl und nun wieder Corona. Was haben                listische Dystopie, statt ein Verständnis von kultureller Relevanz.
wir dabei bisher gelernt? Eine Pandemie macht keinen Spaß und          Die gesamte Branche wurde lahmgelegt, wohingegen die Türen
Fluggesellschaften sind wichtiger als Kunst und Kultur. Zynische       der Geschäfte weiterhin offen stehen. Wie kann man aber ver-
Aussagen über einen Virus, der weltweit über eine Millionen To-        nünftigerweise begründen, dass die Menschen shoppen dürfen,
desfälle verursacht hat, sicherlich. Aber es ist gerade der Spaß,      während Kultureinrichtungen geschlossen bleiben. Eine ganze
der zuerst unter den Maßnahmen leidet: Kultureinrichtungen, Mu-        Branche sieht Erfolge von oft mehrmonatig erprobte Hygiene-
seen, Sportvereine und Gastronomiebetriebe schließen in Bayern         Konzepte zunichte gemacht - mit einigem Einfühlungsvermögen
im Rahmen des sogenannten “Lockdown Light”. Seit dem 02.11.            für Kulturschaffende und ihre Situation klingt dies durchaus wie ein
heißt es wieder: warten, aussitzen und Netflix schauen.                indirekter Mittelfinger.
Fakt ist, Corona hat eine Menge Maßnahmen notwendig gemacht,           Das Bedürfnis der Menschen nach sozialer Interaktion verschwin-
die uns als Menschen auf Distanz halten sollen. Was wir jedoch         det auch mit drastischen Maßnahmen nicht, was sich durchaus
gemeinsam haben: 2020 haben wir alle in irgendeiner Form verlo-        ändert, ist die Art der Menschen, diesem Bedürfnis nachzukom-
ren. Seien es regulärer Arbeitsbetrieb oder Kita-Schließungen, wir     men. Sind im öffentlichen Bereich Kontakte nicht mehr möglich,
alle haben mit Einschränkungen zu kämpfen. Dort, wo Menschen           verschiebt sich dies in den privaten Bereich. Zwar schränken Maß-
in ihrer freien Zeit zusammenkommen, setzen viele Maßnahmen            nahmen ebenso private Zusammenkünfte ein, aber die Kontrolle
an. Sowohl für Kulturschaffende als auch Kultur-Konsumenten            und ein Konzept ähnlich dem in Gastronomien fehlt. Erfahrungs-
sind die langfristigen Folgen unabsehbar. Ein Extremfall unter den     gemäß neigen die Menschen in intimer Atmosphäre eher zu Nach-
Kultureinrichtungen stellen Diskotheken dar.                           lässigkeiten, weshalb sich RKI-Chef Wieler zufolge dort auch die
                                                                       meisten Menschen infizieren.
Viele Clubs stehen wegen der Corona-Pandemie vor dem Ruin
oder mussten bereits schließen. Vor weniger als einem Jahr ver-        Was wäre also eine mögliche Lösung? Kontrolliertes Beisammen-
sprühten dicht gedrängte Menschen auf stickigen Tanzflächen            sein in Cafés, Bars, Theatern und alle anderen Kulturstätten, die
noch ein Gefühl der Lebensfreude. Spätestens seit den ersten           einen corona-konformen Betrieb gewährleisten können, statt un-
Ausbrüchen in Ischgl steht gemeinsames feiern nicht mehr für           gezügelte Treffen zu Hause. Das würde einerseits die Kulturbran-
Hedonismus, sondern Kontrollverlust. Statt Lebensfreude wer-           che am Leben erhalten und andererseits geregelte Rahmenbedin-
den Aerosole versprüht, die höchstens für einen Covid-Test po-         gungen gewährleisten. Gänzlich verbieten lässt sich der soziale
sitiv sind. Nicht ohne Grund mussten also die Clubs als erstes         Kontakt ohnehin nicht.
schließen und werden vermutlich auch die Letzten sein, die wie-                                  von Annika Zinkler und Jonas Schriefer
der öffnen dürfen. Bis es soweit ist, sind sie allerdings auf finan-
zielle Hilfe angewiesen.
Clubs werden zwar in der Krise staatlich unterstützt, allerdings
nicht in einem Maße, dass ihr Bestehen gesichert ist. Grund da-
für ist vor allem, dass Diskotheken rechtlich nicht als Kulturein-
richtungen, sondern lediglich als Vergnügungsorte gelten - und
sind damit rechtlich auf einer Stufe mit Bordellen oder Spielothe-
ken. Daran wird sich so schnell auch nichts ändern, denn Innen-
minister Seehofer bestätigte beim Bauausschuss im November
den aktuellen Status erneut.
Kultur wird von vielen leider als Synonym zu Hochkultur verstan-
den. In einem zeitgemäßen Kulturbegriff sollten jedoch die finan-
ziellen Hilfen nicht davon abhängig sein, ob sich die zuständigen
Politiker:innen lieber im Bayreuther Festspielhaus oder Berliner
Berghain beschallen lassen. Beide genießen in der jeweiligen
Szene einen außerordentlichen Ruf und locken Publikum und
Künstler aus aller Welt an, werden aber rechtlich gänzlich ver-
schieden bewertet. Damit die Clubkultur erhalten bleibt, muss
also ein Umdenken in Politik und Gesellschaft stattfinden.                                                         Foto: Jonas Schriefer

                                                                                                                                           7
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Kochseite
von Andy Maltschik
Lachs mit Zitronensauce
                                    Zubereitung Sauce:
    Zutaten für 4 Personen:
                                    Scharlotten/Zwiebeln in der Pfanne auf mittlerer Hitze in der Butter glasig schwitzen.
    Sauce:                          Bei halber Kochzeit der Zwiebeln den Knoblauch dazugeben.
    2 kleine Zwiebeln/Scharlotten   Mit Weißwein ablöschen und mit Fischfond oder Gemüsebrühe reduzieren,
    1 Knoblauchzehe                 bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist.
    300ml Gemüsebrühe/Fischfond     Währenddessen die Zitronenschale (ohne die weiße bittere Schicht!)
    125 Weißwein (trocken)          von einer Zitrone mit einem scharfen Messer schneiden und in die Sauce geben.
    2 EL Mehl                       Gegen Ende der Kochzeit kann die Säure noch mit Zitrone angepasst werden
    50g Butter                      und nach Bedarf auch etwas Sahne dazugegeben werden.
    1 (Bio)Zitrone                  Zum Schluss eindicken und wenn gewünscht, sieben.
    n.B. Sahne
    n.B. Salz und Pfeffer

                                    Zubereitung Lachs:
    Zutaten für 4 Personen:
                                    Die übrigen Schuppen mit einem Messer abschaben
    Lachs:                          und dem Lachs auf der Hautseite mit etwas Salz einreiben.
    4 Lachsfilets mit Haut,         Die Pfanne auf mittlere-hohe Temperatur bringen.
    ca. 200g                        Wenn die Pfanne heiß ist ein hoch erhitzbares Öl (z.B. Sonnenblumenöl) verwenden
    2 Knoblauchzehen                und den Lachs - ohne ihn dabei zu bewegen - ca 6 Min. auf der Hautseite braten,
    etwas Butter                    bis die Garfront den halben Fisch erreich hat.
    n.B. Salz, Pfeffer,             Im Anschluss 2 Min. auf der Fleischseite anbraten.
    Thymian, Rosmarin               Dann Butter, Kräuter - wie Thymian oder Rosmarin - in die Pfanne geben.
                                    Dazu passen auch ein paar Knoblauchzehen.
                                    Nun den Herd 1-2 Stufen runterstellen und warten bis die Butter schäumt.
                                    Die Pfanne kippen und mit einem Löffel Butter auf die Haut löffeln.

                                    Als Beilage passen dazu Dillkartoffeln und ein Salat, wie z.B. ein Gurken-Sahne-Salat.

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Künstlerportrait
The Southern Funk Conspiracy
„The Southern Funk Conspiracy“, zu deutsch etwa „Die
Southern Funk Verschwörung“ heißt die Band von den Jungs
aus Neumarkt und Regensburg. Chris (Guitarre/ Vocals), Han-
nes (Schlagzeug), Andi (Bass) und Phil (Saxophon) haben sich
verschworen: ihr selbsgewählter Auftrag ist es, den Sound ver-
gessener und unterschätzter Rock-Dekaden zurückzubringen.
Und damit nicht genug, denn die viel schwierigere Aufgabe sei
es, so sagt Chris im Interview, die geliebten Klänge vom Staub
der Zeit zu befreien und ,mit eigener Note versehen, wie zeit-
gemäß zu machen.
Begonnen hat die Bandgeschichte von „The Southern Funk
Conspiracy“ schon vor einer ganzen Weile. Chris und Hannes
machen bereits zusammen Musik, seit sie das zarte Alter von
14 Jahren erreicht haben. Die jungen Andersdenker und Träu-
mer haben große Vorbilder, Ideale und vor allem den Durst da-
nach, sich abseits des Mainstreams auszuprobieren.
Wirft man einen Blick zurück in die amerikanische Musikge-
schichte der 1960er und 1970er Jahre, trifft man auf eine At-
mosphäre, eine Stimmung, die genau diese Grundideen teilt.
Poster mit den Gesichtern und Emblemen von Musikgrößen
wie Jimi Hendrix, den Eagles und später auch Led Zepplin ha-
ben die Schlafzimmerwände Heranwachsender geziert und tun
dies noch immer. Der Drang nach Freiheit, das Aufbegehren
gegen den vorherrschenden Status Quo ist, wie kaum etwas                                                       Foto: Daniela Krapf
anderes, bezeichnend für diese Periode. Kein Wunder also,
dass sich dies in Kunst und gerade auch in der Musik nieder-
schlägt.                                                           Am Anfang des Jahres hat es mich tatsächlich sehr runterge-
                                                                   zogen, diese Aussicht, erstmal „Nichts zu dürfen“ unter den
Bei dem ganz eigenen Sound von „The Southern Funk Conspi-          gegebenen Umständen. Aber zuletzt habe ich gemerkt, dass
racy“ mischt sich diese musikalische Kritik am Establishment       ich öfter früh wach wurde und dann die Ideen kamen. Das ist
mit einer subtilen, aber unüberhörbaren Melancholie. Nicht un-
                                                                   erstaunlich, denn sonst war das immer eher andersherum. Ich
wichtig für die Bandgeschichte und die Entwicklung ihres ganz
                                                                   bin manchmal gegen fünf wach geworden, habe mich hinge-
eigenen Sounds ist die Erfahrung, zu keiner sozialen Gruppe
richtig und ausschließlich dazuzugehören - und ist bis heute
                                                                   setzt, meine Gitarre in die Hand genommen und dann sprudelte
größter Antrieb für das Widerstehen wider jeden Gegenwind.         es nur so aus mir heraus. Gerade Melodien und Gitarren-Se-
Mit dem Sound von „The Southern Funk Conspiracy“ weht eine         quenzen sind vielfach auf diese Weise entstanden, da war ich
Brise von der so gern mit Amerika der 1960er und 1970er as-        von mir selbst überrascht. Texte kamen allerdings vermehrt erst
soziierten Alles-ist-möglich-Einstellung über den großen Teich     dann wieder, als die Maßnahmen diesen Sommer etwas aufge-
bis an die Donau. Gerade wenn man genauer hinhört, ist eine        lockert wurden. Lyrischer Output wird bei mir oft vor allem durch
umfassende und einnehmende Energie spürbar - nicht mit der         die Menschen um mich herum angestoßen.
plumpen Aggressivität so manchen Rock ‚n‘ Roll- Cowboys,
                                                                   Inwieweit hatte dieses Jahr mit all seinen pandemiebeding-
sondern irgendwie samtiger. Saftige Guitarren-Sequenzen
                                                                   ten Hindernissen einen Einfluss auf die Menge an kreati-
halten dagegen, bringen Abwechslung. Zum eigenen Sound
gehört besonders das Saxophon - wie etwa auch auf dem De-          vem Output?
bütalbum „Sax Tapes“ (2019) -, ist fordernd, aber verspielt und    Gute Frage. Ich kann nicht sagen, ob ich tatsächlich mehr oder
melodisch. Mit einer gehörigen Portion Machen-wider-die-Um-        weniger Output hatte. Was ich allerdings glaube, ist, dass, be-
stände, einer Prise Freiheitsdrang und dem Zusammenspiel           dingt durch die Schließung von Fitnessstudio, Bars und derglei-
aus Rotznasigkeit und Melancholie mischen „The Southern            chen, ich eine Lücke zu füllen hatte. Da hat sich das kreative
Funk Conspiracy“ die Regensburger Musikszene gehörig auf.          Schaffen angeboten, weil es eben von konkreten Orten unab-
Absolute Hörempfehlung - Stimmung und Wetterlage egal.“            hängig ist. Auf der einen Seite ist dabei mehr Gitarrenmusik und
                                                                   Wille zu musikalischen Experimenten entstanden, gleichzeitig
Im Interview spricht Lead-Gitarrist Chris über Musikmachen         aber auch weniger lyrischer Output, wie ich es nenne. Dies hat-
während der Corona-Krise und den Einfluss, den die Lock-           te, wie gesagt, damit zu tun, dass ich weniger Menschen ge-
down-Maßnahmen auf den kreativen Prozess gehabt haben.             sehen hatte und um mich herum hatte, die sonst eine starke
Regelmäßige Gigs und Auftritte gehören sonst für euch als          Inspirations-Quelle sind. Im Endeffekt hält sich das, glaube ich,
Musiker dazu, wie habt ihr da dieses Jahr mit den einge-           die Waage.
schränkten Möglichkeiten erlebt?                                   Wie gehst du inzwischen mit den Maßnahmen und deren
Auftritte sind für uns deshalb wichtig, weil wir uns mit anderen
                                                                   Einschränkungen für Künstler um?
Musikern austauschen können. Aber auch das Ausprobieren
                                                                   Ich muss sagen, mein kreativer Schaffensprozess hat vor allem
von zum Beispiel Songs, passend zu Stimmungen und Set-
tings, ist ein wichtiger Aspekt.
                                                                   dadurch Aufschwung bekommen, dass mir eine Sache klar ge-
Wir hatten das große Glück, sowohl kurz vor dem ersten Lock-       worden ist: Dieses Jahr wird musiktechnisch öffentlich nicht viel
down als auch zuletzt in der Mälze auftreten zu dürfen. Die-       passieren. Ich glaube stark daran, dass Akzeptanz irgendwann
se beiden Gelegenheiten waren unsere einzigen Gigs dieses          der Schlüssel war. Es bringt nichts, ähnlich wie bei der musikali-
Jahr, das ist schon irre. Das geht einem absolut ab und hat un-    schen Verarbeitung von gescheiterten Beziehungen, sich lange
seren und meinen kreativen Prozess absolut beeinflusst.            und stur an den Empfindungen festzubeißen.
Wie das?                                                                                         Das Interview führteAnnika Zinkler

                                                                                                                                     9
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Weihnachten
                             Bundes-                               Weihnachten gemeinsam
                                                                   statt einsam
                             präsident                             „Einsamkeit und das Gefühl unerwünscht zu sein, ist die schlimms-
                                                                   te Armut.“ Mit diesen Worten beschrieb Mutter Teresa einst, was
                             Frank-Walter                          viele Menschen kennen. Besonders schmerzlich trifft Einsamkeit
                             Steinmeier                            die Menschen zur Weihnachtszeit: Erinnerungen an die Kindheit
                                                                   und Familie werden wach, emotionale Momente kommen wieder
                             Schriftliches Grußwort                an die Oberfläche.
                             für die Weihnachtsaus-
                                                                   Brigitte Weißmann ist die Leiterin des Referats Soziale Beratung
                             gaben der deutschen                   beim Caritasverband der Diözese Regensburg. „Gerade an Weih-
                             Straßenmagazine und                   nachten soll kein Mensch einsam sein müssen. Das ist für uns
                             -zeitungen                            ein klarer Auftrag“, sagt sie. Auch Tobias Mehrbrey, Referent für
                                                                   besondere Lebenslagen bei der Caritas, meint: "Die Menschen
 Seit mehr als 25 Jahren gibt es Straßenmagazine und –zei-         vereinsamen mehr und mehr und vermissen gemeinsame Gesprä-
 tungen in Deutschland. Seit zweieinhalb Jahrzehnten sind          che.“
 sie Menschen, die auf der Straße leben, eine Hilfe zur Selbst-    Deshalb veranstaltet die Caritas seit vielen Jahren an Heiligabend
 hilfe. Und sie leben von der Straße, vom Straßenverkauf.          eine gemeinsame Weihnachtsfeier für obdachlose, von Armut be-
 Monat für Monat – bis zu diesem April, als viele von ihnen nur    troffene oder alleinstehende Menschen.
 mehr digital erscheinen konnten. Denn die Straße, das öf-
 fentliche Leben, unser aller Leben, steht seit nunmehr einem      Während sich viele Familien an Weihnachten um den Christbaum
 dreiviertel Jahr unter dem Einfluss der weltweiten Corona-        sammeln, fühlen sich die Menschen am Rande der Gesellschaft
 Krise.                                                            besonders alleine. Ziel der Caritas ist es, ihnen Wärme und Zu-
                                                                   flucht zu spenden. In diesem Jahr stehen die Organisatoren aber
 Was bedeuten die Infektionsgefahr und die Kontaktbe-              vor einer besonderen Herausforderung: Corona. Dennoch soll laut
 schränkungen für Menschen, die weiter auf der Straße le-          Weißmann niemand Heiligabend alleine verbringen: „Es wird nach
 ben, die auf Einkünfte aus dem Straßenverkauf angewiesen          heutigem Stand eine Christmette in Sankt Emmeram geben, die
 sind, deren Anlaufstellen nur noch im Notbetrieb arbeiten         unser Diözesanvorsitzender Dr. Roland Batz zelebriert“, so Weiß-
 können, die keinen Rückzugsraum haben? Ein öffentlicher           mann.
 Raum ohne Menschen, ohne Kommen und Gehen, ist wie
 ein blinder Fleck.                                                Die Christmette hat Tradition: Schon in den vergangenen Jahren
 Doch gerade jetzt sind die Menschen, die weiter auf der           wurde gemeinsam in St. Emmeram die Heilige Messe gefeiert.
 Straße und von der Straße leben, auf Wahrnehmung an-              Nach den derzeit gültigen Hygienemaßnahmen können in diesem
 gewiesen, darauf, dass sie nicht aus dem Blick geraten in         Jahr circa 120 Menschen in der Basilika teilnehmen. Beginnen
 dieser Krise. Durch Corona sind wichtige Anlaufstellen und        wird die Christmette um 13.30 Uhr. „St. Emmeram bietet einen be-
 Aufenthaltsorte für wohnungslose Menschen nur noch ein-           sonders feierlichen Rahmen für das Weihnachtsfest. Die Basilika
 geschränkt nutzbar. Im bevorstehenden Winter heißt das für        ist jedes Jahr schön dekoriert und von den Kerzen hell erleuchtet“,
 viele – trotz großer Anstrengungen einer Vielzahl von kari-       erklärt Weißmann.
 tativen Organisationen: Weniger Orte zum Aufwärmen, und,
 gerade in dieser Gesundheitskrise, weniger Möglichkeiten          In den Vorjahren kamen die Gäste im Anschluss in der Fürstli-
 für einfachen medizinischen Rat.                                  chen Notstandsküche zusammen. Unter ihnen war stets auch
                                                                   Bischof Rudolf Voderholzer, um mit den Menschen ins Gespräch
 Straßenmagazine wie bodo und andere Einrichtungen der             zu kommen. An diesem Weihnachtsfest finden das gesellige Bei-
 Obdachlosenhilfe können hier Unterstützung leisten. Sie ver-      sammensein und gemeinsame Essen unter freiem Himmel statt.
 lieren ihre Leute nicht aus den Augen. Wir sollten es auch        „Wir planen Weihnachtsbuden im Pfarrgarten von Sankt Emmeram
 nicht. Wer obdachlos ist, ist schutzlos, wenn ihm nicht gehol-    aufzustellen. Dort erhalten die Gottesdienstbesucher einen Weih-
 fen wird. Alle Institutionen der Obdachlosenhilfe sind deshalb    nachts-Burger“, so Weißmann. „Im Pfarrgarten ist auch die traditio-
 auf unsere Wahrnehmung und Hilfe angewiesen, gerade in            nelle Bescherung geplant – die lassen wir uns nicht nehmen.“ Die
 dieser Zeit, in der sich Deutschland und Europa darauf kon-       Gesichter der Leute, die ohne diese Feier in diesen Stunden allei-
 zentrieren, die Corona-Krise zu überwinden.                       ne wären, sprächen dabei Bände: „Das Lächeln der Menschen, die
 Denn: Wenn wir alle aufgefordert sind, zuhause zu bleiben,        für einen Augenblick nicht an ihre Sorgen und Probleme denken,
 was bedeutet das für Menschen, die kein Zuhause haben?            ist ein Geschenk.“
 Müssen wir diejenigen, die kein Zuhause haben, in einer sol-
 chen Zeit nicht erst recht stützen, damit sie nicht fallen? Da-   Ob am Ende die geplante Weihnachtsfeier in dieser Form umge-
 ran könnten wir denken, wenn wir uns in diesem Jahr nicht         setzt werden kann, ist vom Infektionsgeschehen abhängig. Kurz-
 auf festlich geschmückten Straßen und Weihnachtsmärkten           fristige Änderungen der Hygienemaßnahmen sind für die Verant-
 begegnen, sondern im engsten Kreis Weihnachten feiern.            wortlichen des Caritasverbandes noch nicht absehbar. „Für uns
                                                                   gilt: Wenn es irgendwie möglich ist, möchten wir den Menschen
 Ich wünsche uns allen ein frohes Weihnachtsfest, Gesund-          am Rande der Gesellschaft ein schönes Weihnachtsfest bereiten.
 heit und ein gutes neues Jahr!                                    Ihnen stehen wir das ganze Jahr zu Seite und damit gerade auch
                                                                   an Heiligabend. Wir lassen sie nicht alleine!“, erklärt Weißmann.

                                                                                                              Von Caritas/K. Pfenniger
                                      Frank-Walter Steinmeier

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Früher war mehr Lametta
Der Weihnachtsbaum im Wandel
Was macht Weihnachten aus? Auf diese Fragen würden viele Men-          Bis der Brauch sich in allen Gesellschaftsschichten etablierte, dau-
schen wahrscheinlich unterschiedliche Antworten geben, für man-        ert es noch. Als die Oberste Heeresleitung 1914 zehntausende
che ist die Messe das Highlight, für andere die Zeit mit der Familie   Miniatur-Weihnachtsbäume an die Front schickte, war das für viele
und für Kinder die Bescherung. Einig sein dürften sich aber wohl       wohl der erste. Das sorgte in manchen Gräben für besinnlichere
die meisten bei zwei Aspekten: „Dazu gehört das weihnachtliche         Stimmung, als von den edlen Spendern erwünscht: An Teilen der
Schenken und als ein fast weltweit verständliches Schlüsselsym-        West-/Ostfront kam es am 24. Dezember und den folgenden Tagen
bol der Brauch, einen Weihnachtsbaum aufzustellen“, erklärt Prof.      zu einer nicht genehmigten Waffenruhe. Besonders berühmt ist
Daniel Drascek, der an der Universität Regensburg den Lehrstuhl        das „Weihnachtswunder von Arras“, wo deutsche und britische Sol-
für Vergleichende Kulturwissenschaft innehat. Doch woher kommt         daten zusammen Weihnachten feierten und Fußball an der Front
der Brauch mit dem Baum eigentlich?                                    spielten. Mit dem Krieg wandelte sich auch der Schmuck: Während
                                                                       der Zeit des Nationalsozialismus baumelten an vielen „Jultannen“
Die Anfänge liegen zwar einige hundert Jahre weiter zurück, aber       Zeppeline, Bomben oder allerlei NS-Kram.
mit einem uralten germanischen Mittwinterbrauch hat der Weih-
nachtsbaum, wie fälschlicherweise oft angenommen, nichts zu tun.       In der Nachkriegszeit gewann der Weihnachtsbaum immer mehr
Die Verbindung zum germanischen Julfest wurde vor allem wäh-           Bedeutung. Die vormals wegen der Bombenangriffe verdunkel-
rend der NS-Zeit hergestellt: Goebbels versuchte erfolglos, den        ten Straßen und Fenster waren zur Weihnachtszeit hell erleuch-
Namen „Jultanne“ zu propagieren und das Fest so aus dem christ-        tet und auf öffentlichen Plätzen funkelten Weihnachtsbäume: „Wir
lichen Kontext zu lösen, was sich allerdings nicht durchsetzte.        können heute kaum mehr ermessen, welche Freude noch Anfang
                                                                       der 1950er Jahre über den weihnachtlichen Lichterglanz herrschte“
Den ersten sicheren Beleg für einen geschmückten Nadelbaum             sagt Drascek. Die euphorische Stimmung der Wirschaftswunder-
gibt es 1521 im Elsass. Ein weiterer, nicht ganz eindeutiger, Beleg    zeit zeigte sich auch in den Wohnzimmern, und „wer es sich leis-
von 1590 stammt sogar aus der hiesigen Region, dem Örtchen             ten konnte, stattete seinen Weihnachtsbaum in den 1960er Jahren
Schwarzach zwischen Straubing und Deggendorf. „Aufgestellt             mit elektrischem Kerzenlicht aus, das mit viel Lametta den Weih-
worden sind die frühesten belegbaren Bäume häufig in öffentli-         nachtsbaum strahlen ließ.“
chen Stuben der Zünfte, Rathäusern. Geschmückt waren sie mit
Äpfeln, Nüssen, Datteln, Brezeln, Papierblumen, Oblaten und            Heute ist Weihnachten für viele eher hektisch als besinnlich, statt
Zucker“, sagt Drascek. Sie haben allerdings nichts mit unserem         Zeit mit der Familie steht Konsum im Vordergrund. Loriots Klas-
modernen Verständnis vom Weihnachtsbaum zu tun. In der Kul-            siker „Weihnachten bei Hoppenstedts“ – der dank genderfluidem
turwissenschaft wird angenommen, dass der Brauch auf das im            Enkelkind und Öko-Weihnachtsbaum nach wie vor aktuell ist – führt
16. Jahrhundert weit verbreitete „Paradiesspiel“ zurückzuführen        uns das besonders unverblümt vor Augen. Früher war eben alles
ist, das am 24. Dezember – dem Adam und Eva-Tag – aufgeführt           besser, das bekommt man vor allem an Weihnachten oft zu hören.
wurde. Die Leckereien sollten die Menschen, wie der Apfel in der       Für Opa Hoppenstedt liegt es vor allem an einem: Früher war mehr
biblischen Geschichte, in Versuchung führen. An Weihnachten
                                                                       Lametta.
(25.12), dem Tag von Jesus Geburt - der im christlichen Glauben
                                                                                                                     von Jonas Schriefer
die Menschheit von der Erbsünde befreite -, wurden die Bäume
dann abgeschüttelt und von ihrer sündigen Last befreit: „So gese-
hen spricht vieles dafür, dass die Wurzeln unseres Weihnachts-
baumes in diesen Sündenfallbäumen zu suchen sind. Allerdings
scheint sich die Kenntnis um diesen Sachverhalt bald schon verlo-
ren zu haben“, erklärt Drascek.

Mit dem Verschwinden des Paradiesspiels verschwand für die
nächsten zweihundert Jahre auch der Brauch des Baumschmü-
ckens aus dem Gedächtnis der Menschen und die Belege wer-
den immer spärlicher. Erst im 18. Jahrhundert werden allmählich
wieder die ersten Nadelbäume vom Wald in die Wohnzimmer des
Großbürgertums verlagert. Die Äpfel werden durch Kugeln ersetzt
und Kerzen auf die Äste gesteckt, die das „Licht der Welt“, symbo-
lisieren sollen: „Erst mit dieser symbolischen Umwertung können
wir von einem Weihnachtsbaum in unserem heutigen Sinne spre-
chen, also einen Baum, der auf die Geburt Christi verwies“, erklärt
Drascek.

Weihnachten, so wie wir es kennen, entwickelte sich im 19. Jahr-
hundert, denn im bürgerlichen Milieu wächst die familiäre und
private Bedeutung des religiösen Festes. „Hinzu kommt der öko-
nomische Aufschwung in den 1870/80er Jahren, der dazu führte,
dass sich immer mehr Menschen einen Weihnachtsbaum als Pres-
tigeobjekt leisten konnten und dafür den entsprechenden Wohn-
raum besaßen“, sagt Drascek. Das Wirtschaftswachstum während
der Industrialisierung und eine prosperierende Spielzeugindustrie
sorgten dafür, dass beim Nachwuchs des Bürgertums immer mehr
Geschenke unter dem Weihnachtsbaum liegen. „Dabei müssen wir
uns vor Augen halten, dass ein Weihnachtsbaum um 1900 noch in                      Diese ausklappbaren Miniaturbäume wurden 1914
den wenigsten bäuerlichen Stuben und noch seltener in kleinen                    zu Weihnachten tausendfach an die Front verschickt.
Arbeiterwohnungen zu finden war“.                                                             Foto: © Nightflyer/WikimediaCommons

                                                                                                                                       11
Kultur Kultur Kultur Kultur Kultur
Was ist das, „Kultur“? Ich meine, schon mehr als Kunst, Musik,        Ich „pflege“ meine Beziehung: Ich nehme es nicht nur „so“ hin, wir
Literatur, angenehmes Dasein... Es ist etwas, was wir brauchen        leben nicht nur „irgendwie“ miteinander, nebeneinander. Ich frage,
und oft nicht finden.                                                 was braucht der/die andere? Was machen wir zusammen, damit
                                                                      unser Leben reicher wird? Wie beschenkt mich der/die andere?
Du steigst in einen Aufzug ein. Eine Person ist schon drinnen.             Ich bin dankbar dafür... Ich sage es ihr/ihm … (Bist du, liebe
Du sagst „Hallo“ - keine Antwort, sie geht nur etwas                               Leserin, lieber Leser, jetzt auf den Geschmack ge-
zur Seite. Der Aufzug fährt los, der Aufzug hält,                                       kommen?)
der andere geht hinaus - wortlos.
                                                                                            Ich „pflege“ meine Beziehung zur Natur: Ich
Du läßt einem die Vorfahrt, seine Antwort:
                                                                                               fühle mich nicht nur als ein Teil von ihr,
Ein stures Gesicht, nicht einmal eine
                                                                                                 ich lebe von ihr und werde mir des-
lässige Handbewegung.
                                                                                                   sen bewusst, ich muss sorgsam mit
                                                                                                     ihr umgehen... Das wissen wir alle.
Ein harmloses Beispiel, und doch
                                                                                                      Bloß sind wir uns dessen nicht im-
vielsagend. Denn so sind wir
                                                                                                       mer bewusst und manchen ist es
meist. Jeder von uns lebt in sei-
                                                                                                        „Wurscht“… Das gehört sich „kul-
ner eigenen Welt – was geht
                                                                                                        tiviert“.
mich der andere an, und ich
lasse mir nichts einreden. Wir                                                                           Ich „pflege“ meine Beziehung
fühlen uns nicht mehr als ein                                                                            zur „Liebe“, aus der ich komme,
„Miteinander“. Wie heißt es so                                                                           die mich erfüllt, die mich leben
treffend: „Jeder denkt an sich.                                                                         lässt – mich kleines Menschlein.
Nur ich denk an mich.“                                                                                 Dessen brauche ich mich nicht zu
                                                                                                      schämen. Das macht mich frei, ich
Zunächst eigentlich schon ok. Es                                                                    brauche mir und anderen nichts vor-
stimmt sehr wohl: „Liebe dich selbst!                                                              machen... Wie fragt Adel Tamil: „Hal-
Dann können andere dich gern ha-                                                                 lo, ist da jemand?“ Es ist jemand da.
ben.“ Aber wir lieben uns nicht selbst.                                                        Sag „ja“ zu ihm. Das andere ergibt sich
Wir haben Angst um unser Ich, sind nei-                                                      dann von selbst.
disch - „die Ausländer kriegen alles“-, fühlen                                             Ach, so vieles ließe sich jetzt sagen bzw. sch-
uns immer angegriffen, werden selbst aggressiv,                                       reiben. „Kultivieren“ wir unser Leben, dann wird es
bis dahin, dass Demonstranten Polizisten angreifen,                             inniger und intensiver, unsere Umgebung lebenswerter,
bespucken...                                                          die Welt reicher. Ich fühle mich mit anderen verbunden, ob ich sie
                                                                      kenne oder nicht. Wenn ich dann zu jemandem „Hallo“ sage, dann
Ja, so ist das Leben: hart, keinem wird was geschenkt, ich suche      ist das mehr als „Luftbewegung“. Ich stelle mich ihm vor: „Da bin
meinen Vorteil... Die Folgen? Schau doch die Welt an! Und irgend-     ich“. Gleichzeitig nehme ich ihn wahr, ich bejahe ihn: „Ich kenne
wie alles doch so was wie „Wüste“... Du bist im Grunde einsam.        dich nicht, aber du bist nicht ein Nichts, du bist „jemand“ und du
Und das soll alles sein?                                              bist es wert, dass ich dich anspreche, dich grüße.“ Ja „grüßen“!
                                                                      Englisch „to greet“ = „grüßen“, „segnen“. Wenn ich also zu jemand
Was wir brauchen ist „Kultur“. Wenn ich mich an meinen Latein-        sage: „Grüß Gott!“, dann ist das kein Imperativ, sondern das heißt:
unterricht vor über 60 Jahren erinnere, dann kommt „Kultur“ von       „Gott“ (= die „Liebe“) möge dich segnen, dich mit Kraft erfüllen, es
lateinisch „colere“: „bauen, bebauen, pflegen.                        soll dir gut gehen und das Schwere dir genommen werden...“ Das
Das brauchen wir. Also „kultivieren“, pflegen wir uns.                ist eigentlich Kultur in Höchstform.
Ich „pflege“ mich – ganz bewusst: Ich gönne mir etwas, ich gestalte
mein Leben selbst, ich hänge nicht bloß umeinander... So, dass ich    In diesem Sinne wünsche ich euch allen (auch denen, die mir das
sagen kann: Ich freue mich, dass ich lebe.                            Leben schwer machen) ganz herzlich: „Grüße euch Gott!“
                                                                                                                     Euer Pater Clemens

12
Das goldene W.
Allein die Tatsache, dass von Kulturen geredet wird – immer in ei-      Nur hat Medea es nicht einfach hingenommen, die ungeliebte Aus-
ner unheiligen Verbindung mit der hochgelobten „Leitkultur“ – ist ein   länderin in einem Land zu sein, von dem sie nur verachtet wird. Und
so zynisch passendes Bild der Gegenwart. Es wird immer davon            hat aus Rache ihre zwei gemeinsamen Kinder mit Iason getötet. Ihre
ausgegangen, dass hier so etwas wie eine der Gegenwart zu Grun-         letzten Beziehungen zu dem Land gekappt, in dem sie als Fremde
de liegende Kultur da ist. Die Kultur des tausendjährigen Deutsch-      angekommen ist und als ungeliebter Fremdkörper leben musste. Ein
tümelns, mit besonderem Fetisch auf Goethe, Wagner und Günther          „Zurück“ gab es nicht.
Grass. Dass die letzten beiden Antisemiten waren, wird gerne über-      Sich ihrer eigenen Lage bewusst, hat sie die unvergessliche Zeile
sehen. Ohne das Zweite sieht man nämlich besser.                        gesagt:
Was durch die Venen der Kultur – Leitkultur – fließt, ist dabei eine    „Jetzt bin ich Medea.“
Brühe aus dem eingeübten Vaterunser der letzten einhundert Jah-         Sie hatte alle Erwartungen und Vorstellungen in Korinth erfüllt. Sie
re. Und diese Brühe hinterlässt Verderben, wo immer sie auch hin-       war die unzivilisierte, barbarische Ausländerin geworden, als die sie
tropft. Mittlerweile fließt sie auch wieder ungehemmt.                  schon immer gesehen wurde.
Hinter verschlossenen Türen hat sich nämlich nichts verändert und       Früher konnte sie durch die Sünde, dass sie das Blut ihres Bruders
nach außen hat niemand etwas gewusst, außer ein paar Verur-             vergossen hat, nicht mehr zurück. Heute durch Waffen, die von hier
teilter. Es nicht gesehen. Es gegen den Willen machen müssen.           nach dort verkauft werden. Denn Medea ist nur so lange hier geliebt,
Dazu gezwungen worden. Heimlich Widerstand geleistet. Versucht,         solange es dem goldenen W gut geht. Nur wurden die Sünden früher
es zu verhindern. Befehle befolgt. Nur befolgt. Versucht, sich zu       von den Göttinnen und Göttern da bestraft, wo es heute vielleicht
schützen. Überleben wollen. Verweigert. Zu verweigern versucht.         eine Randnotiz in der Tagesschau gibt.
Mitgemacht. Es sogar gerne gemacht. Korpsgeist. Haben ja alle
gemacht damals. Versucht, sich hochzuarbeiten. Sich gut stellen         Die Medeas heute, denen statt eines Lebens als Gleiche unter Glei-
wollen. Einen guten Eindruck machen wollen. Existenzen zerstört.        chen immer noch so oft unverhohlener Hass und unverdiente Ab-
Leben gewaltsam ausgelöscht. Geschichte vernichtet. Geschichte          lehnung entgegenschlägt, haben jedes Recht, sich zu wehren, wie
geschrieben. Sich schuldig gemacht. Schuld auf sich geladen. Wei-       im Original. Die auferlegten Bande zu dem Land – in dieser Hinsicht
tergelebt. So überwiegend oft ohne echte Reue. Denn Rechtferti-         sind Deutschland und Österreich gedanklich immer noch eins, der
gungen gab es schon immer dafür. Schnell wurden die Täter:innen         Anschluss war schon immer zuerst ein geistiger. Und widerwärtige
für sich selbst zu Opfern. Und das Aufbegehren gegen sie zu den         Heldenplätze finden sich noch überall.
Taten. Und dieses Aufbegehren wieder zu neuen Rechtfertigungen.         Die Mentalität Korinths, die von Iason, sie spaltet. Sie spielt gegenei-
Die zu neuen Befehlen wurden.                                           nander aus. Ein vermeintliches „Wir“ gegen ein vermeintliches „Die“,
In unserer Gegenwart einer Pandemie beweist sich diese als sehr         um die Macht der Wenigen unantastbar zu machen. Ein Auflehnen
viel standhafter als die dünne Schicht von Menschlichkeit, mit de-      gegen Korinth muss ein Auflehnen für eine ehrliche Gemeinschaft
nen sich so viele Leute des öffentlichen Lebens gerne bedecken.         sein, sonst bleiben die Gedanken Iasons am Leben.
Wie Schminke, die in der Mischung aus Schweiß und Nieselregen           Durch das inzestuöse Gleichstellen von Leitkultur und europäischem
gerne abtropft und verläuft, verblassen die Clownsgesichter in der      Christentum bleibt nichts anderes übrig. Denn von oben sehen so-
Aufregung und werden zu dämonischen Masken. Denn die Haupt-             wieso fast alle aus wie Barbar:innen.
sache ist, dass es dem goldenen W gut geht. Was wären wir auch          Der Kindsmord bei der originalen Medea wäre heute vieles, was
ohne es.                                                                hier aber nicht beantwortet werden darf. Es kann auch einfach nicht
Ohne eine goldene, eine blühende Wirtschaft gäbe es keine einzige       beantwortet werden, da es sonst nur das Vereinnahmen einer Per-
Ausrede mehr, warum ein Zusammenleben hier ohne Aufarbeitung            spektive wäre, deren Sicht nicht von der eines geborenen Iasons
der eigenen Vergangenheit wünschenswert ist.                            übermalt werden darf.
Ohne eine goldene, eine blühende Wirtschaft gibt es keinen Grund        Iason und seine Sichtweise steht schon zu oft und zu groß in den
mehr, so zu tun, als wären die ganzen Leute auf einmal öffentlich-      Geschichtsbüchern. Aber es scheint auch fast egal zu sein, im
keitswirksam systemrelevant, die mit der Faust in ihren Mündern         Nachhinein hat wieder kaum ein:e Nachfahr:in Iasons von der Leit-
ihren unterbezahlten Jobs nachgehen müssen, ihren Job verloren          kultur gewusst oder war eigentlich sowieso dagegen. Und was bringt
haben, oder hier sowieso nie arbeiten durften. Sie waren es vorher      überhaupt die deutsche Besessenheit mit Kultur – klassisch, traditi-
schon. Jetzt sind sie es mehr denn je.                                  onell, reaktionär –, wenn der Anschein von Zivilisation immer mehr
Durch die rücksichtslosen Beschreibungen wie „unqualifiziert“ und       bröckelt und Abgründe wieder so leicht sichtbar werden. Das einge-
„ausbildungsfrei“ wird die Begründung geliefert, warum die Leute in     schworene NIE WIEDER verhallt langsam, ertrinkt in der deutschtü-
diesen gesellschaftstragenden Berufen so miserabel bezahlt wer-         melnden Brühe und kann wieder offen angezweifelt werden. Iason
den. Aufgenommen wurden sie nur im Namen des goldenen W.                ist nicht wieder auferstanden, er war nie tot. Jetzt greift er wieder
Was den Kreis zurückführt zur Kultur und dem Mangel daran:              nach der Krone. Auch wenn nicht alle in der Rolle der Medea sind,
Die Erinnerung an die Figur der Medea wird so offensichtlich unbe-      müssen sich alle hinter sie stellen. Kein Vergeben, kein Vergessen.
wusst geweckt, dass die Leute mit ihren humanistischen Bildungs-        Iasons Korinth hier muss endlich fallen. Und diesmal so, dass sich
hintergründen von selbst darauf kommen sollten. Medea, eine Fi-         aus den Trümmern das Gleiche nicht noch einmal erheben kann.
gur aus der griechischen Antike, ist aus ihrem Heimatland geflohen.
Aus Liebe zu Iason, dem Held, dem später eingeheirateten König                                                               von Phil Wegerer
von Korinth, und aus der Angst vor ihrem Bruder Apsyrtos, der die
beiden verfolgt hat. Bis er getötet wurde, denn natürlich war er nur
ein Wilder, ein Barbar, kein Grieche. Und Griechen sind Europä-
er, sind wie wir hier, wenn es um Kultur und Tradition geht. Nicht
wenn es um Solidarität gehen sollte. Aber Iason wollte eine jüngere,
schönere, einheimische Königin. Also war Medea irgendwann nur
noch in der Rolle der Ausländerin und nicht mehr durch die Ehe mit
Iason akzeptiert.
Das aus deutscher Sicht „Fremde“ wird – in Anlehnung an die Tra-
dition Europas – nur so lange geduldet, wie es nützt. Als Königin
oder in der Pflege oder auf dem Bau. Christliches Abendland eben,
wenn der Sonnenaufgang nur das Ende der Nachtschicht anzeigt
und keinen neuen, besseren Tag.

                                                                                                                                           13
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