Lebensfreude - Die oberösterreichische Hospiz- und Palliativzeitung Ausgabe 1 / 2020 - Landesverband Hospiz OÖ

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Lebensfreude - Die oberösterreichische Hospiz- und Palliativzeitung Ausgabe 1 / 2020 - Landesverband Hospiz OÖ
Ausgabe 1 / 2020

Die oberösterreichische Hospiz- und Palliativzeitung

                           Lebensfreude
Lebensfreude - Die oberösterreichische Hospiz- und Palliativzeitung Ausgabe 1 / 2020 - Landesverband Hospiz OÖ
Inhalt
Sehr geehrte                                                Thema
Hospiz- und                                                 9     Wenn ich nur irgendetwas hätte, das ich zerdrücken
                                                                  kann!
Palliativ-
mitarbeiter*innen!                                          Pflege
                                                            11 Lebensfreude – im Alten- und Pflegeheim
                                                            12 Lebensfreude im Hier und Jetzt
Im Rahmen dieser Ausgabe der Lebenswert-Zeitung
möchte ich mich sehr herzlich für Ihr Tun in dieser         Medizin
her­ausfordernden Zeit bedanken.                            14 Was kann Lebensfreude in Zeiten von „Covid-19“
                                                               alles bedeuten
Die letzten Wochen – ich schreibe diese Zeilen Anfang       16 Lebensfreude ist die höchste Form von
Mai 2020 – waren sicherlich nicht leicht. Gerade die           Gesundheit
ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen haben ihre Tätigkeit
im gewohnten Sinn verlassen müssen und haben auf            PatientInnen
Betreuung mit nicht-physischem Kontakt umgestellt,
                                                            18 Freude im Leben – Steffi
logistisch aber auch menschlich schwierig.
                                                            19 Lebensfreude bedeutet…
Ich beobachte zunehmend, wie wichtig aber genau die-
se „neuen“ sozialen Kontakte (telefonieren, SMS, Vi-        Ehrenamtliche
deo, Dinge vor die Haustüre legen …) für die schwer-        20 Lebensfreude in der Begleitung von Sterbenden
kranken Menschen und ihre Angehörigen sind. Dieses          21 Trotzdem Lebensfreude …
Dranbleiben kann in so belastenden Zeiten entschei-
dend sein für die Menschen zuhause.                         Angehörige
                                                            22 Tanzen ist gut für den Himmel
Aus meiner Sicht sollte der Begriff „social distancing“
besser durch „physical distancing“ ersetzt werden. Somit    Weitere Sichtweisen
könnte man bekräftigen, dass ohne physischen Kontakt
                                                            24 Kunstprojekt im Cluster
trotzdem viel an sozialer Kommunikation möglich ist.
                                                            26 Außerdem – Was Lebensfreude noch sein kann
In Krisenzeiten wie diesen sind wir besonders in der
Kommunikation miteinander gefordert, hier kommt             Aktuelles & Nützliches
uns der verständnisvolle und wertschätzende Umgang,         3  Neues vom Landesverband
den wir in der Palliativarbeit gewohnt sind, sehr zugute.   28 Literaturtipps
                                                            30 Neues aus den Regionen
In dem Bewusstsein, dass wir diese schwierige Zeit ge-      46 Kontakte Hospiz & Palliative Care OÖ
meinsam meistern werden, bedanke ich mich für Ihr
besonderes Engagement.
                                                                Kontakt
                                 Dr.in Christina Grebe          Landesverband Hospiz OÖ
           Vorsitzende des Landesverbandes Hospiz OÖ            Büroleitung: Wolfgang Wöger & Andrea Peterwagner
                                                                Pfalzgasse 2, 4055 Pucking
                                                                Telefon: 0699 173 470 24; E-Mail: lvhospizooe@gmx.at
Und bleiben Sie gesund.                                         Bürozeiten Montag und Mittwoch: 8.30 - 15.30 Uhr

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Landesverband

Bitte um Ihre Unterstützung                                                                 Web-Site
In der Finanzierung der Hospiz- und          Spendenkonto NEU: Sparkasse OÖ,                Landesverband
Palliativversorgung sind wir in Oberös-
terreich weiterhin sehr auf Ihre Spen-
                                             IBAN AT88 2032 0324 0203 1474
                                             Auch die Mitarbeit von Freiwilligen ist
                                                                                            Hospiz OÖ
den angewiesen. Dies betrifft sowohl         ein wichtiges Element in der Hospiz-           Auf http://www.hospiz-ooe.at fin-
den Landesverband selbst, als auch un-       und Palliative-Care-Versorgung. Enga-          den Sie ausführliche Informatio-
sere Mitgliedsvereine.                       gieren können Sie sich beispielsweise          nen zu den Themen Hospiz und
                                                                                            Palliative Care, dazu Adressen und
Mit Ihren finanziellen Beiträgen unter-      bei den Hospizvereinen, aber auch bei
                                                                                            Weiterbildungsangebote in Ober-
stützen Sie unsere Arbeit und setzen so      zahlreichen anderen Einrichtungen, de-
                                                                                            österreich und Informationen zu
Impulse, die Begleitung in der letzten       ren Kontakte Sie auf den letzten beiden        Projekten des Landesverbandes.
Lebensphase zu verbessern und Ak-            Seiten dieser Ausgabe finden.                  Wir freuen uns auf Ihren Besuch
zente in der Öffentlichkeitsarbeit zu        Bei Fragen wenden Sie sich jederzeit an        auch dort!
setzen.                                      uns: lvhospizooe@gmx.at

Porträt Mag.a Pia Sternbauer
                                             Geboren 1993 in Wels, Oberösterreich,        Es geht natürlich darum, den Moment
                                             Kunstpädagogin und Kunstvermittlerin         einzufangen und festzuhalten, aber viel
                                                                                          mehr ist es für mich ein experimentel-
                                             Vor allem während meines Studiums
                                                                                          ler Vorgang. Ich versuche dem Zufall
                                             an der Kunstuniversität Linz wählte ich
                                                                                          in meiner Fotografie ebenso Raum zu
                                             das Medium der Fotografie zur Umset-
                                                                                          geben, wie auch bewusst zu inszenieren.
                                             zung meiner künstlerischen Projekte.
                                                                                          Dabei versuche ich Licht, Stimmungen,
                                             Neben der Digitalen Fotografie entwi-
                                                                                          Persönlichkeiten und Lebensumstände
                                             ckelte ich besonders für die Analoge Fo-
                                                                                          einzufangen.
                                             tografie und die Cyanotypie eine große
                                             Leidenschaft.                                Es freut mich sehr, meine Fotos in die-
                                                                                          sem Kontext zeigen zu dürfen.
                                             Die Fotografie ist auf meinen Reisen um
                                             die ganze Welt mein treuer Begleiter.                                 Pia Sternbauer

  Dank & Impressum
  Vielen Dank allen MitarbeiterInnen         fer, Lisa Gegenleitner, Claudia Glössl,    Spenden auf Grundlage des EStG.
  der regionalen Hospiz-Stützpunkte          Claudia Kargl, Elisabeth Neureiter,        Ihre Spende wird an die Mitglieder des
  und Palliativstationen für ihre Beiträge   Andrea Peterwagner, Gerald Prames-         Landesverbands Hospiz OÖ weiter-
  für Lebenswert. Fotos, wenn nicht an-      berger, Veronika Praxmarer, Angeli-        geleitet und dabei Ihre Daten (Name,
  ders angegeben, Pia Sternbauer.            ka Schwarz, Wolfgang Wöger, Karin          Adresse und Spendebetrag) weiterge-
  Für den Inhalt verantwortlich:             Zwirzitz; Lektorat: Stefan Maringer,       geben. Weitere Infos zum Datenschutz
  Dr.in Christina Grebe                      Ursula Leithinger.                         finden Sie hier: www.hospiz-ooe.at
  Pfalzgasse 2, 4055 Pucking                 Die Verarbeitung Ihrer Daten erfolgt       Wollen Sie Lebenswert abbestellen,
  Redaktionsteam: Anneliese Amerstor-        nur zu Verwaltungszwecken Ihrer            nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf!

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Landesverband

Formen der Sterbehilfe
Ein kleines Lexikon zur genauen Unterscheidung
Sowohl in der Ethik als auch im Recht           tive) Abschalten lebenserhaltender            schließlich ist die gezielte Beschleu-
werden die Formen der Sterbehil-                Maschinen. – Die passive direkte              nigung des Sterbevorgangs bzw. die
fe nach zwei Kriterien unterschieden.           Sterbehilfe ist juristisch erlaubt und,       bewusste Tötung des/der Sterbenden.
Zum einen nach der Handlungsabsicht,            wo sie einem eindeutigen Wunsch               Geschieht sie auf Wunsch des/der
die direkt oder indirekt auf den Tod des        des/der Sterbenden entspricht, sogar          Sterbenden, ist sie in den Niederlan-
Menschen gerichtet sein kann. Zum               geboten.                                      den, Belgien und Luxemburg unter
anderen nach der Handlungsweise, die          – Die passive indirekte Sterbehilfe             gewissen Bedingungen straffrei. In
aktiv oder passiv den Sterbevorgang be-         meint den Verzicht auf lebensver-             den meisten Ländern der Erde steht
einflussen kann. Insofern ergeben sich          längernde Rahmenbedingungen, z.B.             sie unter Strafe und dürfte das auch
2 mal 2 Kategorien, die konkreten For-          auf die Einweisung eines Sterbenden           bleiben. Oft wird sie als „Tötung auf
men der Sterbehilfe einzuordnen:                in eine Klinik. Auch sie ist juristisch       Verlangen“ bezeichnet.
– Die passive direkte Sterbehilfe: Sie          erlaubt und, wo sie einem eindeutigen      Eine fünfte Kategorie der Sterbehilfe,
  bedeutet den Verzicht auf lebensver-          Wunsch des/der Sterbenden ent-             die nicht in das klassische Raster passt,
  längernde Maßnahmen, nicht aber               spricht, geboten.                          ist die Beihilfe zum Suizid. Hier stellt
  auf Zuwendung und (Grund-) Pfle-            – Die aktive indirekte Sterbehilfe           eine Ärztin oder ein Angehöriger der
  ge: Körperhygiene und sachgerechte            ­bezeichnet die aktive Schmerzlin-         sterbenden Person auf deren Verlangen
  Lagerung, das Sprechen mit dem/den             derung mit möglicherweise lebens-         hin tödlich wirkende Substanzen zur
  Patient*innen, die Versorgung mit              verkürzenden Nebenwirkungen. Zu           Verfügung. Die sterbende Person muss
  Flüssigkeit und natürliche Ernährung           dieser Maßnahme sind Ärzt*innen           diese Substanzen aber selbst zu sich
  gehören zu diesen unverzichtbaren              ethisch wie rechtlich verpflichtet, da    nehmen. Ob diese Form der Sterbehilfe
  Aktivitäten. Seit Anfang der 2000er            die Leidminimierung eine der obers-       strafbewehrt bleiben soll oder nicht, ist
  Jahre wird in den meisten Industrie­           ten ärztlichen Pflichten darstellt. Die   Gegenstand der aktuellen Diskussion.
  ländern der Verzicht auf künstliche            Lebensverkürzung wird in Kauf ge-               Univ.-Prof. Dr. Michael Rosenberger
  Ernährung per Magensonde ebenfalls             nommen, ist aber nicht das eigentli-                      Institut für Moraltheologie
  als passive Sterbehilfe gewertet. Schon        che Ziel der Maßnahme.                            Katholische Privatuniversität Linz
  länger gilt dies für das (scheinbar ak-     – Die aktive direkte Sterbehilfe                        Bethlehemstraße 20, 4020 Linz

Sterbehilfedebatte – 2 Sichtweisen
Straffreistellung der Suizidbeihilfe?
Das Urteil des deutschen Bundesverfas-        zu fünf Jahren zu bestrafen.“ Natürlich      licht. Sie enthält zwei unterschiedliche
sungsgerichts vom 26. 2. 2020 verlangt        heißt das nicht, dass ein Gericht keine      Voten: 16 Mitglieder befürworten eine
vom Gesetzgeber die Quadratur des             Ermessensspielräume hätte, wenn es zu        Lockerung des strafrechtlichen Verbots
Kreises: Der Staat müsse (!) den Ster-        einer Anklage auf Grund dieses Para-         der Beihilfe zum Suizid. Sie plädieren
benden vor sich selber schützen – aber        graphen kommt. In Würdigung eines            für die Straffreiheit für nahe Angehöri-
er dürfe es nicht so tun, dass dieser völ-    Gewissenskonfliktes kann das Gericht         ge, die erkennbar aus Mitleid handeln,
lig entmündigt werde. Im Unterschied          den Arzt freisprechen. Jedoch bleibt         und für Ärzte, die nach Aufklärung
zu Deutschland gibt es in Österreich          ihm zunächst die Unsicherheit, ob sich       und Verstreichen einer Frist helfen,
eine relativ eindeutige Gesetzeslage:         das Gericht seinen Überlegungen an-          soweit es um volljährige einsichtsfähi-
§ 78 (1) StGB stellt die „Mitwirkung          schließt oder nicht.                         ge Personen geht. 8 Mitglieder stehen
am Selbstmord“ unter Strafe: „Wer ei-         Daher hat sich die Bioethik-Kommissi-        hingegen einer Lockerung des Verbots
nen anderen dazu verleitet, sich selbst zu    on beim österreichischen Bundeskanz-         kritisch gegenüber. Die Änderung der
töten, oder ihm dazu Hilfe leistet, ist mit   leramt mit dieser Frage beschäftigt und      Gesetzeslage gebe ein falsches Signal
Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis         am 12. 2. 15 ihre Position veröffent-        und könne den Suizid zum Normalfall

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Landesverband

werden lassen. Außerdem sei die Äuße-         Erstens, dass kein ethisches oder recht-    haben wir genaue Zahlen. So ist der
rung des Suizidwunsches oft ein Hin-          liches Ge- oder Verbot ohne Ausnahme        assistierte Suizid im US-Bundesstaat
weis auf ganz andere Bedürfnisse, etwa        gilt („Keine Regel ohne Ausnahme“).         Oregon von seiner Straffreistellung
nach menschlicher Zuwendung und               Und zweitens, dass das Öffnen eines         1998 bis 2008 von 0,08 % aller Sterbe-
Aufmerksamkeit. Besser wäre es daher,         Verbots in Einzelfällen eine gute Weise     fälle auf 0,19 % aller Sterbefälle ange-
detailliertere Richtlinien für die Gerich-    der Prävention sein kann, wenn es klug      stiegen und dann bis 2018 auf 0,49 %.
te zu erarbeiten, an Hand deren jeder         und differenziert geschieht.                Während sich der Anteil im ersten Jahr-
Einzelfall zu prüfen und beurteilen sei.      Zwei Einwände sprechen aber m. E. ge-       zehnt verdoppelt hat, ist er im zweiten
Welches Votum ist überzeugender? Zu-          gen eine Straffreigabe: Der Mehrheits-      Jahrzehnt um den Faktor 2,5 angestie-
nächst einmal erkennen beide Seiten an,       vorschlag der Bioethik-Kommission           gen. Die Schweiz ist Oregon ungefähr
dass Palliativmedizin und Schmerzthe-         verlangt den ÄrztInnen kommunikativ         ein Jahrzehnt voraus. Sie lag 2007 be-
rapie in seltenen Fällen an ihre Grenzen      eine Menge ab. Sie sollen die Suizid-       reits bei einer Quote von 0,41 % und
kommen, sodass einzelne PatientInnen          willigen ergebnisoffen, aber zugunsten      steht heute bei 1,51 %. 2018 hat die
unter nicht linderbaren Schmerzen             des Lebens beraten. Damit stünden sie       Zahl assistierter Suizide erstmals die
leiden müssen. Auch stimmen beide             in einer ähnlichen Spannung wie die         Zahl herkömmlicher Suizide übertrof-
Seiten in den Zielen überein, die es zu       Beraterinnen der deutschen Schwan-          fen – und es ist kein Ende der Zunahme
verfolgen gilt: Größtmöglicher Respekt        gerschaftskonfliktberatung. Während         in Sicht.
vor der PatientInnenautonomie, Fürsor-        diese aber in einem Spezialstudium da-      Die BefürworterInnen einer kontrol-
ge durch ärztliche Beratung ohne Tabus,       für ausgebildet werden, haben die Ärzt­     lierten Straffreistellung der Suizidbei-
Schutz der PatientInnen vor sozialem          Innen bestenfalls einen Crashkurs für       hilfe behaupten, mit ihr ließe sich das
Druck, Suizidprävention, Vermeidung           ärztliche Kommunikation hinter sich.        Problem am besten eingrenzen. Die
der Freigabe der Tötung auf Verlangen         Wird sie die Beratung in puncto assis-      Zahlen, die uns zur Verfügung stehen,
und Rechtssicherheit für alle Beteilig-       tierter Suizid also nicht mehrheitlich      geben ihnen nicht recht.
ten. Das sind sechs ohne Wenn und             überfordern?                                      Univ.-Prof. Dr. Michael Rosenberger
Aber erstrebenswerte und ethisch wert-        Mein zweiter Einwand ist das klassische                     Institut für Moraltheologie
volle Zielsetzungen. Und schließlich          Dammbruchargument. Aus den Län-                     Katholische Privatuniversität Linz
stimmen beide Positionen auch in zwei         dern, in denen der assistierte Suizid un-                          Bethlehemstraße 20
ethischen Grundannahmen überein:              ter engen Bedingungen straffrei bleibt,                                    4020 Linz

Suizid – Hilfestellung
Die Bundesrepublik Deutschland hatte          müssen, ob diese Bestimmung mit den         umfassende Rechte vor staatlicher Will-
erst 2015 die „geschäftsmäßige“ Ster-         Grund- und Freiheitsrechten auch un-        kür und unzulässigen Einschränkungen,
behilfe, etwa durch Vereine oder auch         serer Verfassung in Einklang zu bringen     vor allem unsere Freiheit zu leben, wie
Palliativmediziner unter Strafe gestellt.     ist oder nicht. Denn mit gutem Grund        und wo wir wollen, zu sagen, was wir
Das deutsche Bundesverfassungsgericht         gilt auch bei uns, dass das Grundrecht      denken, und zu glauben, worauf wir
hat eben diese Einschränkung beseitigt,       auf ein selbstbestimmtes Leben und der      hoffen, zu wählen, wem wir vertrauen,
weil sie das Recht jedes Menschen auf         uneingeschränkte Schutz der Würde           oder zu lehren, was wir vertreten. Un-
ein selbstbestimmtes Sterben verletze.        jedes Menschen die Entscheidung, sich       ser Haus, unsere Briefe, unsere Daten
Die deutsche Entscheidung wirft auch          selbst, aus welchen Gründen immer, das      sind geschützt. Als freie Menschen ha-
ein Schlaglicht auf die aktuelle Diskus-      Leben zu nehmen, zulässt.                   ben wir das Recht, einer medizinischen
sion in Österreich und eine noch für          In Deutschland wie in Österreich ist        Behandlung zuzustimmen oder sie ab-
Juni erwartete Entscheidung unseres           es verboten, einen anderen Menschen         zulehnen. Wir brauchen das nicht zu
Verfassungsgerichtshofes. Anders als in       auch auf dessen Ersuchen, wäre es auch      begründen. Wir, und nicht der Arzt, der
Deutschland ist bei uns jede Form einer       noch so drängend wie nachvollziehbar,       Pfarrer oder der Staat befinden darüber,
Unterstützung der Selbsttötung verbo-         zu töten. Die sogenannte „Tötung auf        was unser Leben ausmacht, und wie wir
ten: „Wer einen anderen dazu verleitet,       Verlangen“ ist dort wie da strafbar und     es zu Ende bringen möchten.
sich selbst zu töten, oder dazu Hilfe leis-   soll es auch bleiben, denn Mord bleibt      Zugleich schützt uns der Staat mit dem
tet, ist mit Freiheitsstrafe von 6 Mona-      Mord.                                       Strafrecht vor Angriffen unserer Mit-
ten bis zu 5 Jahren zu bestrafen“, so § 78    Jede ernstgemeinte Demokratie setzt         menschen auf Leib und Leben, unser
unseres Strafgesetzbuches. Der Verfas-        auf mündige und selbstbestimmte             Eigentum, unsere Freiheit und unsere
sungsgerichtshof wird nun entscheiden         Menschen. Sie schützt und garantiert        Ehre.

                                                                                                                                   5
Lebensfreude - Die oberösterreichische Hospiz- und Palliativzeitung Ausgabe 1 / 2020 - Landesverband Hospiz OÖ
Landesverband

So sollen wir weder einer staatlichen,      wenn ein Mensch entscheidet, sich            Aber es gibt sie, und sie ist bisweilen be-
noch einer individuellen Gewalt ausge-      selbst das Leben zu nehmen, weil er          gründet, weil auch die beste Medizin an
setzt sein.                                 es nicht mehr tragen kann? Welches           ihre Grenzen stößt. Das soll man nicht
Das Strafrecht ist ein mächtiges Inst-      Rechtsgut wird dadurch geschützt, dass       leugnen. Nicht jedem ist es gegeben,
rument. Es zieht eine Grenze zwischen       derjenige bestraft wird, der in dieser Not   Schmerzen oder Atemnot zu ertragen.
dem, was erlaubt und was bei Strafe         beisteht? Warum ist die Hilfestellung        Und man darf sich davor fürchten, und
verboten ist. Das zu entscheiden, obliegt   unter Strafe, wenn doch die eigentliche      man darf frei und aufgeklärt sagen, „Ich
schlussendlich den gewählten Volksver-      Tat erlaubt ist?                             will das nicht“.
tretern. Kein Kardinal und kein Imam        Wir als Gesellschaft sollen und jeder        Ich habe in den neun Jahren der Begeg-
kann darüber befinden. Das war nicht        Einzelne soll alles dafür tun, dass Men-     nung mit sterbenskranken Menschen
immer so; über Jahrhunderte hat die         schen gar nicht zu dem „Rubikon“ der         und bei ihrer Betreuung mir immer und
Kirche mit ihren moralischen Dogmen         Verzweiflung, der Angst und der Aus-         immer wieder die Frage gestellt, ob ich
das Strafrecht und auch das Familien-       weglosigkeit gelangen, und sie dann          denn dieses Leiden ertragen könnte.
recht geprägt. Unsere liberale Demo-        diesen Fluss tatsächlich überqueren.         Und sollte ich es einmal nicht können,
kratie trennt nun messerscharf zwischen     Aber diejenigen, die oft als Partner oder    soll meine Frau und sollen meine Kin-
Kirchen und dem Staat.                      Kinder den Weg mitgehen, ins Gefäng-         der mich begleiten dürfen. Denn al-
Um ein Tun oder auch Unterlassen als        nis zu stecken, ist dezidiert der falsche    lein das Wissen um diese Möglichkeit
strafbar festzulegen, muss es ausreichend   Ansatz. Je umfangreicher aber unsere         und die Gewissheit der Geborgenheit
konkret umschrieben das Rechtsgut an-       Instrumente der Sterbebegleitung aus-        werden mich davor bewahren, diesen
derer Menschen verteidigen. So zuletzt      gelegt sind, je liebevoller und besser die   Schritt tatsächlich zu gehen.
geschehen beim Stalking. Aktuell geht       Palliativteams arbeiten und sie tatsäch-
es darum, anonyme Hetze im Netz un-         lich auch vorhanden sind, desto weniger                DDr. Hans Popper, Hon.-Prof.
ter Strafe zu stellen.                      wird Angst vor einem qualvollen Ster-              Kassier Landesverband Hospiz OÖ
Aber welches Rechtsgut wird geschützt,      ben auftreten.                                     langjähriger Direktor der OÖGKK

Neue Wege des Hospizgedankens
Das Projekt „Hospiz macht Schule“ in Oberösterreich
Wie weit ist der Hospizgedanke zu           den Hospizgedanken in die Schulen            oder das Austauschen von Erfahrun-
spannen? Wie weit soll das Konzept          zu bringen. Aus dieser sehr intensi-         gen.
welche Menschen erreichen? Diese            ven Arbeit ist ein bewährtes und auch
grundlegenden Fragen sind stattgeha-
                                                                                         Wie geht es weiter?
                                            professionelles Konzept entstanden. In
bt und fordern die Hospizbewegung,          einem Projekt mit dem Landesverband          Aufgrund der vorherrschenden Situa-
gerade in Zeiten wie diesen heraus.         Hospiz Oberösterreich soll genau die-        tion bezüglich des Coronavirus haben
Demnach gilt es auch neue Wege              ses Konzept nun schrittweise im Bun-         sich die zeitlichen Rahmenbedingungen
diesbezüglich zu gehen. Die Idee für        desland OÖ umgesetzt werden. Dabei           des Projektes grundsätzlich verschoben.
„Hospiz macht Schule“ ist ein neuer         wird mit allerhöchster Achtsamkeit           An einer nachhaltigen, erfolgreichen
Aspekt davon und versucht vor allem,        und Sensibilität in enger Zusammen-          und vor allem schrittweisen Implemen-
die Grundwerte der Bewegung zu Kin-         arbeit mit den örtlichen Hospizverei-        tierung von „Hospiz macht Schule“ in
dern und Jugendlichen in den Schulen        nen, den Eltern, den Schulleitungen,         den örtlichen Hospizvereinen des Lan-
zu bringen.                                 sowie den Lehrerinnen und Lehrern            des wird aber konsequent gearbeitet.
                                            und vor allem mit den Kindern und            Für weitere Fragen, Anregungen und
„Hospiz macht Schule“ – ein                 Jugendlichen abgestimmt und gearbei-         Informationen stehe ich gerne zur Ver-
neues und altes Konzept?                    tet werden. Die Zielsetzung liegt dabei      fügung:
Schon vor einigen Jahren haben es           auf Vermittlung von Werten bezüglich                       Gerald Pramesberger, DGKP
sich findige Geister der Hospiz-Lan-        Sterben, Tod und Trauer in pädagogi-                 Obmann Hospizverein Bad Ischl –
desverbände Steiermark und vor allem        schen Elementen wie zum Beispiel der                            Inneres Salzkammergut
Niederösterreich der Aufgabe gestellt,      Kommunikation auf der Gefühlsebene,                                  0699 11 85 15 10

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Lebensfreude - Die oberösterreichische Hospiz- und Palliativzeitung Ausgabe 1 / 2020 - Landesverband Hospiz OÖ
Landesverband

Covid 19 und das Bemühen um Schutzkleidung für die
Mobilen Palliativteams
Schutzkleidung bzw. Schutzausrüs-       Landes OÖ für ihren unermüdlichen     feilt haben, bis die ersehnten Liefe-
tung war und ist – jedenfalls bis zum   Einsatz aussprechen, unsere Mobi-     rungen eintrafen. Ob in Eigenregie,
Verfassen dieser Zeilen Ende April –    len Palliativteams Oberösterreichs    dank diverser Schneidereien oder
in den Anfangswochen der Corona­        mit dem dringlichst Benötigten an     anderer Helfer, es wurde viel geschaf-
krise Mangelware, wie auch wir beim     Schutzkleidung zu versorgen.          fen, um die Patient*innen und die
Landesverband Hospiz OÖ feststel-                                             Mitarbeiter*innen der Teams best-
len mussten.                            Andererseits möchte ich den Mobi-     möglich zu schützen, um die Aufga-
                                        len Palliativteams meine Bewunde-     ben weitestgehend „normal“ erfüllen
Mit diesen Zeilen möchte ich zuerst     rung dafür aussprechen, wie sie mit   zu können. Danke!
meinen Dank an alle verantwortli-       sensationeller Kreativität an Über-                      Ing. Wolfgang Wöger
chen Personen beim Krisenstab des       gangslösungen und Provisorien ge-     Büroleitung Landesverband Hospiz OÖ

                                                                                                                       7
Lebensfreude - Die oberösterreichische Hospiz- und Palliativzeitung Ausgabe 1 / 2020 - Landesverband Hospiz OÖ
Lebensfreude
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Lebensfreude - Die oberösterreichische Hospiz- und Palliativzeitung Ausgabe 1 / 2020 - Landesverband Hospiz OÖ
Thema

Wenn ich nur
irgendetwas hätte,
das ich zerdrücken
kann!                                                                                                           Barbara Pachl-Eberhart,
                                                                                                                Autorin und Schreibcoach

Unbändige Lebensfreude lässt uns strah-      in echter Lebensgröße. Eine Freude,            neue Schuhe. Wenn es nicht funktio-
len. Sie ist ein großes Geschenk. Kann es    die mich voll und ganz erfüllt, von den        niert, sind wir enttäuscht. Oder, schlim-
uns gelingen, sie zum Ehrengast in unse-     Haarspitzen bis hin zum kleinen Zeh.           mer noch: Wir schämen uns für unseren
rem Leben zu machen?                         Eine Freude, die manchmal sogar so             selbstgemachten Traum vom Glück. Ei-
                                             groß ist, dass ich sie kaum aushalten          nen albernen Traum, der – kein Wunder
Im Grunde sollten Sie diesen Artikel         kann. Es kichert, es gluckst, es jubelt, es    – schon wieder nicht in Erfüllung ging.
gar nicht lesen. Und im Grunde sollte        tanzt. Als Kind habe ich es einmal so          „Genau“, sagt die kleine Stimme. Sie
ich ihn ja nicht einmal schreiben. Denn      formuliert: „Mama, ich bin so glücklich        will uns schützen, vor der Enttäuschung,
Sie und ich, wir wissen es beide: Echte,     – wenn ich nur irgend etwas hätte, das         aber auch vor dem scheußlichen Gefühl
lebendige Lebensfreude wird nicht am         ich zerdrücken kann!“                          der Scham. Denn jede Freude birgt Ge-
Schreibtisch geboren. Sie funkelt und        Lassen Sie es uns also tun. Lassen Sie         fahren.
kribbelt und hüpft, aber doch nicht da,      uns aufstehen, hinausgehen, hinausfah-         Jede? Sogar die, die sich erfüllt? Ja.
wo wir in einer Zeitschrift blättern. Sie    ren an den Rand der Stadt, dorthin, wo         Denn wie leicht passiert es, dass uns
entsteht ganz anders. Nämlich da, wo         der Wald beginnt. Lassen Sie uns pfei-         jemand unsere Freude, kaum geboren,
wir …                                        fend losmarschieren, mit strammem              schon wieder verdirbt! Da haben wir,
Ja. Im Grunde wissen Sie genau, was Sie      Schritt, lassen Sie uns tief durchatmen        zum Beispiel, endlich den Malkurs ent-
eigentlich tun sollten. Jetzt gleich, am     und …                                          deckt, der uns glücklich macht. Strah-
besten sofort. Ich bin sicher: Sie erin-     Oh. Spüren Sie es? Da ist er: Der Zwie-        lend kommen wir aus der ersten Stun-
nern sich gut daran, was es ist, das Ihnen   spalt, unser alter Bekannter. Er tritt leise   de heim, ein orange-rotes Acrylbild in
wirklich, wirklich Freude macht. Viel-       auf, meldet sich als kleine Stimme in          der Hand. Unsere Wangen glühen vor
leicht ist es eine Weile her, dass Sie zum   unserem Kopf, die uns erzählt, dass wir        Stolz. „Schau, was ich gemalt habe“,
letzten Mal Schlittschuhlaufen waren,        keine Zeit für solchen Unsinn haben.           quietschen wir, mit einer Stimme, die
dass Sie barfuß durch kniehohes Gras         „Ein bisschen viel Aufwand, nur für            gern viel lauter wäre, sich aber nicht so
oder durch den Regen gelaufen sind,          etwas Freude“, sagt diese Stimme. Und          recht zu jubeln traut. „Mmhm“, mur-
dass Sie gemeinsam mit einer Freundin        spricht weiter: „Wer weiß, ob das über-        melt der Sohn, während er weiter in sein
Tränen gelacht haben. Aber irgendetwas       haupt funktioniert? Wer kann schon             iPhone tippt. Und der Mann hatte ei-
davon haben Sie getan. Und es hat rich-      versprechen, dass gerade der Wald die          nen schlechten Tag und ist zu Zynismus
tig große Freude gemacht. Stimmt’s?          Freude schenkt, die du suchst? Lies erst       aufgelegt. „Ok. Und nächstes Mal geht’s
Lebensfreude. Damit meine ich nicht          mal weiter. Dann kannst du immer noch          dann in hellblau weiter, was?“ Autsch,
dieses kleine, verhohlene Schmunzeln,        in deinen Terminkalender schauen.“             das tut weh.
das um unsere Lippen spielt, wenn wir        Im Grunde … hat die liebe Stimme ja            Kein Wunder, dass Sie immer noch
einen netten Witz in der Fernsehzei-         Recht. Ich muss es gestehen: Lebens-           lesen. Kein Wunder, dass ich immer
tung lesen. Ich denke auch nicht an die      freude auf Knopfdruck, planbare Le-            noch hier sitze und schreibe, statt zu
stille Freude des Genießens, die uns er-     bensfreude mit Erfolgsgarantie, die gibt       tollen und zu toben, zu singen und den
füllt, wenn wir den Tisch decken und         es selten. Ja, in Wahrheit gibt es kaum        Salto Mortale zu üben. Das ist einfach
eine Kerze anzünden, bevor wir in un-        ein größeres Risiko als das der unbändi-       sicherer. Niemand lacht uns aus, wenn
ser knuspriges Brot beißen und uns das       gen Freude. Was tun wir nicht alles, um        wir Lebensfreude am Papier genießen.
selbstgemachte Hummus auf der Zun-           sie zu locken? Wir buchen Urlaube, wir         Und ein bisschen kribbelt sie ja auch,
ge zergehen lassen. Lebensfreude ist         melden uns zu Seminaren an, wir kau-           die Vorstellung, die Bilder von Glück.
mehr. Lebensfreude ist für mich: Freude      fen uns einen tollen Jogginganzug und          Ist das nicht fürs Erste genug?

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Lebensfreude - Die oberösterreichische Hospiz- und Palliativzeitung Ausgabe 1 / 2020 - Landesverband Hospiz OÖ
Thema

Natürlich ist es das. Ich denke, wir dür-    nein. Ohne Zweifel braucht es den ers-         musst dich mehr ärgern. Ja, noch mehr!
fen dankbar sein für unsere Phantasie,       ten, kleinen Schritt, die offene Bereit-       Ärgere dich so lange, bis es dir richtig
die es uns ermöglicht, Lebensfreude im       schaft, die Einladung an uns selbst. Die       Spaß macht, dich zu ärgern!“
Schonwaschgang zu kosten. Wo immer           Lebensfreude kommt nicht ungeladen             Ärgern als Aufwärmübung für die Freu-
wir auch sind, es gibt keinen falschen       zu Besuch. Griesgrämige, verkrampf-            de? Ja – als Clown durfte ich erleben,
Ort und keine falsche Zeit für einen sol-    te Stirnrunzeln schrecken sie ab. An           dass das funktioniert. Wir müssen nicht
chen Probelauf im Kopf. Wenn nichts          Abenden, an denen das monotone Zap-            unbedingt lächeln, um lebendig zu sein.
anderes geht, ist das schon sehr viel.       pen mit der Fernbedienung die Haupt-           Schon gar nicht dann, wenn uns nicht
Und doch: Wir sollten aufpassen, dass        rolle spielt, bleibt sie lieber vor der Tür.   nach Lachen zumute ist. Die Bereit-
wir die wirkliche, wonnige Freude und        Sie wartet. So lange, bis wir bereit sind      schaft zu echter Lebensfreude entsteht
das Kino im Kopf nicht aus Versehen          für … ja, wofür? Worin liegt denn nun          da, wo wir genau das begrüßen, was
zu verwechseln beginnen. Zumindest so        der Schlüssel zur Freude, der Schlüssel        gerade in uns ist. Lebendigkeit stellt
lange es noch geht, so lange wir nicht       zum Glück?                                     sich da ein, wo wir uns von uns selbst
bettlägerig sind, so lange es uns noch       Ich möchte Ihnen eine Geschichte aus           bewegen lassen, mit Lunge, Zwerchfell,
möglich ist, zu laufen, zu springen und      meiner Vergangenheit als Clowndoctor           Hand und Fuß. Hals über Kopf, mit
zu klecksen. Auch wenn es manchmal           erzählen. Meine Kollegen und ich hat-          Haut und Haar.
kleckert.                                    ten einmal einen Workshop bei einem            Die Lebensfreude selbst brauchen wir
„Sei bitte vorsichtig“, säuselt die Stimme   sehr berühmten Lehrer, mit dem wir             nicht zu üben. Sie ist ständig verfügbar,
im Kopf. Ich frage mich: Ist das mög-        eine Woche lang die Welt der großen            in voller Wucht, auch wenn wir sie eine
lich? Können wir uns langsam herantas-       Gefühle erforschten. Am zweiten Tag            Zeit lang vergessen haben. Doch wir
ten, an eine Freude, an die wir vielleicht   des Seminars stand das Ärgern auf dem          können üben, ehrlich mit uns selbst zu
nicht mehr so recht gewohnt sind?            Programm. Wir, die Clowns, übten               sein und unsere Gefühle liebevoll anzu-
Können wir es vorsichtig miteinander         stundenlang, uns kräftig zu wurmen.            nehmen. Ärger, Angst, die Freude und
probieren?                                   Wir lernten, dass wir dabei nicht ver-         auch die Traurigkeit. Sie gehören zu-
Eine schwierige Frage. Ich denke nach,       suchen sollten, komisch zu sein. Nein,         sammen. Sie sind wie die Dauben eines
versuche herauszufinden, ob es so etwas      es ging darum, den Ärger wirklich in           Fasses. Das Wasser kann nur so hoch
wie eine Räuberleiter der Freude gibt.       uns hineinzulassen, bis in die Füße, bis       steigen, wie die kürzeste Daube reicht.
Schmunzeln, lächeln, lachen, schreien.       hinter das rechte Ohr, ja, er musste hi-       Die Badewanne der Lebensfreude kann
Gehen, laufen, drehen, tanzen … kann         nauswachsen über uns selbst. Erst dann         nur so groß werden wie unsere Toleranz
man Anlauf nehmen für den Sprung in          durften wir beginnen, mit ihm zu spie-         für Gefühle aller Art. Je weicher unser
die haltlose Freude? Ich glaube: ja und      len. Unser Lehrer feuerte uns an. „Du          Zwerchfell wird, je mehr es uns gelingt
                                                                                            zu zittern, zu beben und das pulsieren-
                                                                                            de Leben in unserem Körper zu spüren,
                                                                                            umso größer wird die Freude sein, die
                                                                                            auf uns wartet.
                                                                                            Wenn es so weit ist, brauchen wir
                                                                                            nichts mehr zu tun. Unsere Füße ken-
                                                                                            nen den Weg, wir müssen ihnen nur
                                                                                            noch folgen – auf die Wiese, in den
                                                                                            Regen, in den Wald. Dorthin, wo es
                                                                                            ihnen gefällt.
                                                                                            Ich weiß: Im Grunde haben Sie das die
                                                                                            ganze Zeit gewusst. Wie schön, dass
                                                                                            Sie trotzdem zu Ende gelesen haben.
                                                                                            So können wir uns jetzt gemeinsam auf
                                                                                            den Weg machen. Vielleicht treffen wir
                                                                                            uns ja im Malkurs oder auch beim Jog-
                                                                                            gen. Und wenn uns jemand die Freude
                                                                                            verdirbt, dann ärgern wir uns. Ein biss-
                                                                                            chen, und dann ein bisschen mehr. So
                                                                                            lange, bis es Spaß macht. Ich wünsche
                                                                                            Ihnen viel Freude dabei, und bei allem
                                                                                            was Sie tun.

10
Pflege

Lebensfreude –
im Alten- und
Pflegeheim
                                                                                                                 Johanna Putz
                                                                                                                 Fachsozialbetreuerin
                                                                                                                 Evangelisches Alten-
                                                                                                                 und Pflegeheim in Bad
                                                                                                                 Goisern

Hallo Johanna, danke, dass du für die Fra-     ist. Aber mit der Zeit in diesem Beruf        fröhlich sein die beste Medizin ist,
gen unter diesen besonderen Umständen          lernt man, wie man am besten damit            denn das Leben ist meistens sowieso
Zeit hast. Bitte stell dich ganz kurz vor.     umgeht und auch dass man das Positive         ernst genug.
Kannst du uns auch vielleicht kurz erklä-      sieht, wenn sie gehen DÜRFEN.                 Mein Spruch, den ich mir immer vor
ren, welchen Beruf du wo ausübst?                                                            Augen halte: Lächle und das Leben lä-
Mein Name ist Putz Johanna, ich bin            Wie gehst du als junger Mensch mit deiner     chelt zurück :)
21 Jahre alt und lebe in Bad Goisern am        Vergänglichkeit um? Beschäftigst du dich
Hallstättersee.                                damit?                                        Johanna, was ist für dich Lebensfreude?
Seit ca. 2 Jahren arbeite ich im Evange-       Also bevor ich diesen Beruf ausgeübt          Lebensfreude ist für mich das zu tun,
lischen Alten- und Pflegeheim in Bad           habe, war ich mir über sehr viele Din-        was einen glücklich macht. Zufrieden
Goisern.                                       ge nicht im Klaren, habe mir auch nie         zu sein mit dem, was man hat und dass
                                               wirklich einen Kopf darüber gemacht,          man manche Dinge nicht so negativ
Johanna, du bist für dein Alter noch relativ   über das Sterben und auch nicht, was          sieht.
neu im Beruf. Kannst du uns Vorteile und       mit meinen Eltern irgendwann passie-
vielleicht auch Nachteile nennen?              ren kann. Aber ich finde gerade deshalb
                                                                                             Gibt’s noch etwas, was du uns mitteilen
Ja, ich muss zugeben, das höre ich ziem-       diesen Beruf so interessant, weil man
                                                                                             möchtest?
lich oft, aber ich denke mir, dass es wie      so viel mitnehmen und lernen kann für
                                                                                             Bleibt’s gsund!! :)
in jedem anderen Beruf ist, wenn man           sein ganzes Leben.
jung ist fehlt einem eine gewisse Le-
bens- und Arbeitserfahrung, die man            Freunde und auch deine Kollegen beschrei-     Danke Johanna für’s Gespräch.
aber mit der Zeit bekommt.                     ben dich als lebenslustig und optimistisch.
Ich finde es einfach schön, dass man           Stimmt das und wie geht’s dir dabei im
von den Arbeitskollegen, die diesen Be-        Beruf?                                        Das Interview führte DGKP Gerald Pra-
ruf schon länger ausüben, etwas lernen         Das freut mich aber sehr zu hören.            mesberger, Obmann des Hospiz­vereines
kann und darf. Deshalb finde ich die           Ich bin der Meinung, dass lachen und          Bad Ischl – Inneres Salzkammergut
Mischung von Jung und Alt immer sehr
gut, weil jeder von dem anderen etwas
Neues mitnehmen kann.

Johanna, du betreust im Alten- und Pflege­
heim auch sterbende Menschen. Wie geht es
dir dabei?
Ich muss sagen, es ist nicht immer                                    An sich ist nichts weder gut noch böse,
leicht, klar ist es für mich irgendwo eine
große Ehre einen Menschen begleiten                                   das Denken macht es erst dazu.
zu dürfen auf seinem letzten Weg. Je-
                                                                                                     William Shakespeare
doch verbringt man sehr viel Zeit mit
den Bewohnern, man baut eine gewisse
Bindung auf und man ist traurig wenn
diese Person auf einmal nicht mehr da

                                                                                                                                 11
Pflege

                                                                     Lebensfreude
                                                                     im Hier und Jetzt
 Mag.a Ulrike Pribil MSc
       Geschäftsführerin
KinderPalliativNetzwerk

     Als ich das Leitthema dieser Ausgabe          tern, nahen Angehörigen und Freunde           zweifelt nicht zu viele Gefühle für das
     erfuhr – „Lebensfreude“ – kamen mir           der von uns betreuten Kinder immer            schwerstkranke Kind zu entwickeln,
     unmittelbar viele der vom KinderPal-          wieder.                                       gehen mitunter sogar auf räumlichen
     liativNetzwerk betreuten Kinder und                                                         Abstand. Besuche im Krankenhaus sind
     ihre Familien in den Sinn. Trotz nieder-                                                    rar. Eine Mutter sagte zu mir: „Ich habe
     schmetternder Diagnosen und Progno-           Am Beginn …                                   gehofft, dann tut es nicht so weh, aber
                                                   steht oft eine niederschmetternde Di-         so funktioniert es nicht. Ich habe lange
     sen von Krankheitsverläufen, die hoff-
                                                   agnose, die alle Hoffnung zu zerstören        gebraucht, bis ich das verstanden habe.“
     nungslos scheinen, begegnen wir täglich
                                                   scheint, die keinerlei Aussicht auf Bes-      Zu Hause den Weg weiter zu gehen ist
     so viel Lebensfreude, wie ich sie bisher in                                                 oft unvorstellbar.
                                                   serung oder Entwicklung verspricht.
     keiner anderen Arbeit erleben durfte.
                                                   Eltern erzählen in diesem Zusammen-           Diesen Weg zu begleiten, braucht viel
     Im Hier und Jetzt zu sein, tiefe Freude       hang von einem Gefühl der Macht-              Geduld, Achtsamkeit und Verständnis.
     empfinden und ausstrahlen zu können,          und Hilflosigkeit, „es hat uns den Boden      Vertrauen und eine „gelungene“ Bezie-
     darin sind für mich Kinder wahre Le-          unter den Füßen weggezogen“.                  hung sind das, was unsere Betreuungen
     benskünstler und unsere besten Lehr-          Manche Eltern gehen anfangs ei-               tragen. Sie gilt es in regelmäßigen Kon-
     meister. Das bestätigen mir auch die El-      nen Weg der Distanz, versuchen ver-           takten zum erkrankten Kind und seiner

Die Fotos von Marie, die ich seit über zwei Jahren begleiten darf, sind für mich Ausdruck purer Lebensfreude und zeugen von einem
unglaublichen Lebenswillen. Vielen lieben Dank an die Eltern, dass sie mir die Bilder für diesen Artikel zur Verfügung gestellt haben.

     12
Pflege

Familie aufzubauen und zu „pflegen“.         wöchentlich zur Familie, es gab immer     ne Hautfarbe veränderte sich, wurde
Dabei ist es wichtig, zu sehen und wahr-     wieder Notfallsituationen am Wochen-      blass-cyanotisch und er wimmerte leise,
zunehmen, was für jeden Einzelnen Le-        ende und auch nachts.                     weil er keine Kraft zum Weinen hatte.
bensqualität in der jeweiligen Situation     Am Ende eines Besuches, es war schon      Warme Ölkompressen am Bauch wa-
ist, was positiv dazu beiträgt, und letzt-   Abend, sagte die Mutter fast nebenbei     ren für ihn sehr hilfreich. Sie belasteten
endlich als Freude am Leben, Freude          zu mir: „Wenn wir doch wenigstens         ihn nicht und linderten trotzdem seine
am Augenblick zum Ausdruck kommt.            wieder einmal eine Nacht schlafen         Bauchschmerzen. In sein Waschwasser
Im Gegenzug bedeutet das, auch Be-           könnten“. Sie erzählte mir weiter, dass   gaben wir einen Teelöffel Rosen- oder
lastendes wahrzunehmen und eine              ihre Tochter seit Diagnosestellung        Orangenblütenhydrolat und konnten
Basis zu schaffen, in der auch negative      vor fast einem Jahr jede Nacht bei ihr    mit Teilwaschungen, die ihn nicht an-
Gefühle zugelassen werden und offen          schlief. Erholsamen Schlaf fanden sie     strengten, Wohlbefinden und Lebens-
angesprochen wird, welche Aspekte die        beide aber schon lange nicht mehr. Es     freude geben. Wenn er zufrieden mit ei-
Freude am Leben mindern. Dies er-            wurde bereits medikamentös versucht       nem Lächeln nach der Pflege bei seinen
möglicht es, gemeinsam mit der Fami-         zu unterstützen, der Erfolg blieb aber    Eltern im Arm einschlief, war auch für
lie individuell Lösungen zu entwickeln,      aus. Ich erzählte ihr von der Möglich-    sie Freude spürbar, Freude, dass ihr klei-
wie zum Beispiel Entlastungsangebote,        keit warmer Ölkompressen, mit denen       ner Sohn bei ihnen war. Der kleine Bub
Unterstützung durch fachliche Experti-       ich sehr gute Erfahrungen sammeln         wurde nur wenige Monate alt. Nach sei-
se oder durch die Möglichkeit des Aus-       konnte. Wir haben einen Löffel hoch-      nem Tod schrieb mir seine Mutter ei-
sprechens „unaussprechlicher“ Dinge          wertiges pflanzliches Öl auf ein Lei-     nen Brief: „Wir konnten es uns anfangs
mit der Gewissheit, gehört und nicht         nenfleckerl gegeben und mit Hilfe eines   nicht vorstellen, mit Leonhard nach
bewertet zu werden.                          Kirschkernkissens erwärmt. Mit dem        Hause zu gehen, die Verantwortung
                                             Lieblingsseidentuch ihrer Oma, wel-       für seine Pflege zu übernehmen. Wir
Palliativpflege und                          ches das Schmusetuch des Mädchens         hatten Angst, etwas falsch zu machen,
Lebensfreude                                 war, haben wir ihr die warme Kompres-     etwas Wesentliches zu übersehen und
                                             se um ihren Nacken modelliert.            ihm damit zu schaden. Wir hatten auch
Lebensqualität und Lebensfreude ste-
                                                                                       große Angst, ihn viel zu sehr zu lieben,
hen in engem Zusammenhang und den            Am nächsten Tag rief mich die Mutter
                                                                                       wenn wir ihn die ganze Zeit bei uns
Beitrag, den wir in der Palliativpflege      schon sehr früh an. Im ersten Moment
                                                                                       haben, die Vorstellung, ihn dann herge-
unserer Kinder dazu leisten können, ist      befürchtete ich wieder eine Notfallsi-
                                                                                       ben zu müssen, war unerträglich. Heute
ein sehr wesentlicher. Wir übernehmen        tuation. Die Mutter erzählte mir aber:
                                                                                       empfinden wir große Dankbarkeit für
selten die Pflege an sich. Diese sollte,     „Wir haben beide durchgeschlafen. Die
                                                                                       jeden Moment, den wir mit ihm erleben
wann immer möglich, den nahen Be-            erste Nacht seit einem Jahr. Das musste
                                                                                       durften, ihn berühren durften, für ihn da
zugspersonen vorbehalten sein – die          ich dir gleich als Erste erzählen. Dan-
                                                                                       sein durften. Wir sind stolz, dass wir das
Eltern sind die ExpertInnen und Pri-         ke.“ Die warmen Auflagen gehörten
                                                                                       geschafft haben. Leonhard hat uns in
märbetreuerInnen ihrer Kinder. Unser         von nun an zum abendlichen Ritual.
                                                                                       dieser kurzen Zeit so viel Lebensfreude
Schwerpunkt liegt in der Beratung und        Manchmal haben wir auch einen Trop-
                                                                                       vermittelt und für unser weiteres Leben
Anleitung palliativpflegerischer Maß-        fen Lavendelöl oder Mandarinenöl auf
                                                                                       ohne ihn geschenkt.“
nahmen. Dabei geht es immer um ein           die Kompresse gegeben. Wieder schla-
Wahrnehmen des Ganzen: Was tut               fen können, Ruhe finden, war eine un-     Ich bin beeindruckt und berührt, wie
dem Kind gut? Worin fühlen sich die          schätzbare Lebensqualität, die die Fa-    viel Lebensfreude trotz vieler Ein-
Eltern in der Umsetzung sicher und           milie lange Zeit vermisst hatte und die   schränkungen und Rückschläge in jeder
wohl?                                        wieder ganz wesentlich zur Freude am      Begegnung mit den von uns betreuten
Bei der Betreuung eines fünfjährigen         Leben beitrug.                            Familien spürbar ist. Dazu, insbeson-
Mädchens mit Hirntumor stand eine            Bei einem herzkranken, neugeborenen       dere im Rahmen der Palliativpflege, ei-
sehr komplexe Schmerztherapie und            Baby hatten viele alltägliche Situatio-   nen positiven Beitrag zu leisten, ist die
Behandlung von belastenden Sympto-           nen wie Bauchkoliken oder Waschen         schönste berufliche und auch mensch-
men im Vordergrund. Es war eine sehr         beängstigende Folgen. Der kleine          liche Herausforderung, die man sich
intensive Begleitung, ich kam mehrmals       Bub bekam sichtlich schwer Luft, sei-     wünschen kann.

                                                                                                                              13
Medizin

                                                                    Was kann
      DGKP Elisabeth
     Gegenleitner, MSc
      Geschäftsführung
                                                                    Lebensfreude in
Hospizbewegung Bezirk
           Vöcklabruck
                                                                    Zeiten von „Covid-19“
 Mobiles Palliativteam
       Salzkammergut                                                alles bedeuten
    Auf der ganzen Welt arbeiten Virologen        und Sicherheit, die ich in diesem Aus-       licht. Jahr für Jahr faszinierend. Heuer
    an einem Medikament und einem Impf-           maß noch nie wahrgenommen habe.              besonders.
    stoff gegen das Coronavirus Sars-CoV-2.       Weiters bemerke ich auch eine Ent-           Dr. Veronika Franner, Praktische Ärztin
    Die Wissenschaft forscht nach einem           schleunigung des Lebens, welche oft          und Schulärztin HAK Gmunden
    Ausweg aus der Corona-Krise und Ex-           mit einer Besinnung auf die Grundwer-
    perten erstellen Prognosen. Der gesamte       te und einer Dankbarkeit für alles was       Lebensfreude an (m)einem persönli-
    Medizinische Bereich ist gefordert.           man hat einhergeht.                          chen Feiertag!
    Wir haben in der Karwoche Ärztinnen           Ich als Allgemeinmedizinerin bemühe          Aus verschiedenen Gründen verbrachte
    und Ärzte aus den verschiedensten Fach-       mich, das Beste für meine Gemeinde           ich den heurigen Karfreitag alleine –
    bereichen kontaktiert, und sie um eine        herauszuholen und bin überwältigt von        aber nicht isoliert – zu Hause. Cleo, un-
    persönliche Stellungnahme zur Lebens-         der konstruktiven, solidarischen Stim-       sere Katze, hatte sich im Bett zu meinen
    freude in Corona Zeiten gebeten. Wir ha-      mung in der Bevölkerung. Jede Krise ist      Füßen gekuschelt.
    ben ihnen die Frage gestellt: „Was bedeutet   eine Chance, gestärkt daraus hervorzu-       Die Sonne und Vogelgezwitscher weck-
    für Sie Lebensfreude in der derzeitigen       gehen und Lebensfreude zusätzlich zu         te uns in Vorfreude auf ein gemütliches
    Situation mit ,Covid-19‘ aus ärztlicher       gewinnen.                                    Frühstück (keine Vögel!). Bei Tee und
    Sicht?“ Die Reaktionen machen Mut             Dr. Elisabeth Leifer-Lepic, Praktische       Honigbrot machte ich mir Gedanken
    und lassen uns positiv stimmen. Danke         Ärztin und Palliativmedizinerin im Mo-       über diese Zeilen und hörte mir die Ra-
    für alle Einblicke und Gedanken!              bilen Palliativteam Salzkammergut            dionachrichten an. Natürlich bestimmte
                                                                                               Corona die Schlagzeilen. Dieser Virus
    „Mit Augenmaß, Freundschaft, Zuver-           Für mich bedeutet Lebensfreude in            zwingt uns zu einer „globalen“ Sicht auf
    sicht und Vertrauen versuche ich, in der      Coronazeiten aus ärtzlicher Sicht …          unsere Endlichkeit – etwas was Palliati-
    Krise meine Lebensfreude zu erhalten.         Entschleunigung, mehr Zeit für die Fa-       ve Care „normalerweise“ unter anderen
    Kann mich dabei glücklicherweise auf          milie!                                       Gesichtspunkten im Alltag ständig ver-
    ein tolles Team verlassen.“                   Stressabbau, angehäufte Überstunden          sucht.
    Prim. Dr. Bernhard Mayr, Leiter der Ab-       in der Arbeit werden abgebaut! Die Na-       Anschließend begann der evangelische
    teilung für Innere Medizin am Salzkam-        tur genießen, sehen wie sich die Natur       Gottesdienst, der sich ebenfalls die-
    mergut-Klinikum Gmunden                       vom Menschen erholen kann!                   sem Thema widmete. Nach der schö-
                                                  Gestaltung, das Eigenheim verschö-           nen Melodie von „O Haupt voll Blut
    Lebensfreude ist für mich der Sinn des        nern und teilweise neugestalten! Sich        und Wunden“ folgten Gedanken zur
    Lebens!                                       wohl fühlen und positiv in die Zukunft       Hoffnung in dieser Krise und über „die-
    Ich habe das Gefühl, dass in der jetzi-       schauen!                                     ses Leben“ hinaus. Gestärkt besuchte
    gen Corona-Krise vielen Menschen ge-          OA Dr. Norbert Keiblinger, Facharzt für      ich einen Stock tiefer – mit Abstand
    lingt, diese Lebensfreude mehr zu spü-        Unfallchirurgie am Salzkammergut-Kli-        an der Haustüre – meine betagten El-
    ren denn je. Ich erlebe eine Zunahme          nikum Gmunden                                tern. Freudig berichteten sie mir, dass
    an Solidarität zwischen Alt und Jung,                                                      im November ihr zweites Urenkerl zur
    zwischen Gesunden und Kranken und             Lebensfreude in Covidzeiten, aus ärzt-       Welt kommen wird – das vermehrte
    auch international zwischen den Staa-         licher, aus meiner Sicht, finde ich in der   Zusammenrücken in der Familie hat
    ten und Kontinenten. Das Vertrauen in         wunderbaren Natur im Frühling: auf-          eben durchaus Vorteile. Am Abend kam
    unsere Regierung, in unsere Experten,         wachen mit Amselgesang, Sprießen der         meine Frau mit unseren 3 Töchtern
    gibt den Menschen eine Zufriedenheit          Blumen, Waldspaziergänge, Sonnen-            wieder nach Hause. Punkt 18.00 gingen

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Medizin

wir auf unseren Balkon und feierten mit      Brian“ kennt, gehört leider fast schon    men hatten und es nur wenige Todes-
den umgebenden Nachbarn in ihren             zur Risikogruppe!)                        fälle gab. Der gute Austausch mit vielen
Gärten und Terrassen unsere tägliche                                                   Kollegen hilft, Mut und Kraft für diese
                                             Nach einem gemütlichen Osterwo-
Musikviertelstunde. Von einer Seite er-                                                schwierige Zeit zu schöpfen, und der
                                             chenende mit Hauskirche und Eröff-
klang Beethovens „Ode an die Freude“                                                   Dialog mit den Palliativpatienten be-
                                             nung der Grillsaison mit einem guten
auf der Klarinette, gegenüber gefolgt                                                  stärkt gerade auch jetzt die Erfahrung
                                             Glas Wein liefen zu Hause Home Of-
von einem Passionslied mit Trompete                                                    der Dankbarkeit für jeden „gesunden“
                                             fice, Kurzarbeit und Distance Learning
– zum Abschluss sangen wir von meh-                                                    Tag, für die Menschen, die mir nahe
                                             für Schule, Matura und Hochschule
reren Gitarren unterstützt wie jeden Tag                                               stehen, für die Möglichkeit sinnvoll ar-
                                             weiter, während ich wieder maskiert in
„Always look on the bright side of life“ –                                             beiten zu können …
                                             den Krankenhausbetrieb eintauchte.
Glaube, Hoffnung und Humor fanden                                                      Dr. Bernhard Mossbauer, Arzt an der Pal-
so an diesem Karfreitag ihren heilsamen      Natürlich freute ich mich darüber, dass   liativstation St. Louise Ordensklinikum
Platz. (Wer den Film „Das Leben des          die Covidfälle nicht drastisch zugenom-   Linz BHS

                                                                                                                            15
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                                                                   Lebensfreude ist
   Dr.in Renate Riesinger                                          die höchste Form von
                                                                   Gesundheit
          Palliativstation
              St. Vinzenz
         Krankenhaus der
Barmherzigen Schwestern
         Ried im Innkreis
                             Foto: © privat

      Der Dalai Lama meinte: „Lebensfreude       auf, dieses Gefühl der Dankbarkeit für       diese Lebensfreude spüren – denn sie
      ist die höchste Form von Gesundheit.“      und Freude an meinen Freundschaften.         gedeihen trotz oft geringer Pflege und
      Für mich persönlich ist Lebensfreude       Und es ist meine Entscheidung, ob ich        mit wenig gärtnerischem Wissen!
      ein Geschenk, das ich mir täglich machen   dieses Gefühl zulasse und mich daran         Eine ebenso basale Freude empfinde ich
      kann und das mir unendlich wohltut.        erfreue.                                     beim Kochen – besonders an den Tagen,
      Aber wie fühlt sich das an: Lebensfreu-    Meine Entscheidung ist es auch, in           wo ich Zeit habe, mir ein Rezept auszu-
      de? Dieses Empfinden der Freude am         meinem Alltag andere zu erfreuen – ein       wählen, gute Zutaten dafür besorge und
      eigenen Leben erzeugt in mir ein Wär-      Kompliment über das strahlende Blau          ich dann in der Küche – oft gemeinsam
      megefühl, das den ganzen Körper bis in     eines Bademantels einer Patientin zau-       mit meinem Mann – werkle und mich
      die letzte Zelle warm durchflutet und      bert ein Lächeln in ihr Gesicht – und        dabei schon auf das gemeinsame Essen
      lässt mich entspannt und glücklich wer-    lässt auch in mir Freude wachsen, wie        freue. Fremde Kulturen lassen sich so
      den. Manchmal muss ich schier jauchzen     einfach und schön es ist, jemandem           kulinarisch erleben: Im Moment führen
      vor Begeisterung, manchmal ist es „nur“    Freude zu bereiten.                          uns Currys und Naan-Brot nach Asien.
      ein kurzes Aufblitzen von tiefer innerer   Ein weiterer Quell von Lebensfreude ist      Apfelstrudel, Buchteln und Mohnnu-
      Zufriedenheit.                             für mich die Natur. Vielleicht liegt dies    deln erwecken Erinnerungen an die
                                                 auch in meiner Biografie begründet;          Kindheit. Eine Paella, dazu ein Schluck
      Wenn ich mir überlege, wann ich per-       viel eher glaube ich, dass die Natur allen   Wein, lässt uns noch einmal in Spanien
      sönlich Lebensfreude so richtig intensiv   Menschen diesen Schatz bereithält.           urlauben.
      empfinde, fallen mir folgende Berei-       Besonders gerne bin ich im Frühling          Und schon sind wir beim Essen, das ich
      che ein: in der Interaktion mit anderen    unterwegs – wenn die Obstbäume in            ebenso genieße wie das Kochen! Zuge-
      Menschen, in der Natur, durch Musik,       voller Blüte stehen und der Löwenzahn        geben, nicht alle Küchenexperimente
      wenn ich genieße oder wenn mir etwas       gelbe Sonnen in die grünen Wiesen            gelingen. Doch die Würdigung des Ko-
      gelungen ist.                              malt, darüber der blitzblaue Himmel.         chens und die mit den Mahlzeiten ver-
      Aufgewachsen in einer Großfamilie auf      Dieser Anblick alleine reicht, um mich       bundenen Erinnerungen sowie das ge-
      dem Land war Familie für mich immer        aus vollem Herzen des Lebens zu er-          meinsame Lachen über Küchenunfälle
      schon ein wichtiger Quell von Lebens-      freuen! Oder wenn ich schwitzend ei-         lassen dennoch Freude aufkommen!
      freude. Ob in der großen Familienrunde     nen Gipfel erklommen habe und oben           Freude am guten Essen ist etwas, das
      – meist bei festlichen Anlässen – oder     – quasi als Königin über die Gipfel – die    unsere Familie verbindet. Dazu gehört
      beim alltäglichen Abendessen mit mei-      Aussicht bei einer guten Jause genieße.      die Freude, gemeinsam am Tisch zu
      nem Mann und meinen Kindern – ger-         Aber auch die ruhige Wanderung über          sitzen – aber auch, sich im Gasthaus
      ne lehne ich mich ein wenig zurück und     grüne Almen, den Duft von Bergkräu-          kulinarisch verwöhnen zu lassen und
      freue mich daran, dass wir uns haben       tern in der Nase, erwecken dieses Glück      auch dort einmal etwas Neues auszu-
      und uns gernhaben.                         in mir.                                      probieren. Schon früh meinte meine äl-
      Ähnlich ergeht es mir nach einem           Nicht immer muss ich so weit in die          tere Tochter, Kinderschnitzel könnte ich
      Abend oder einem gemütlichen Kaf-          Ferne schweifen – es reicht schon ein        daheim kochen, sie möchte auch etwas
      feeplausch mit Freunden. Zugegeben:        Schritt vor die Tür: Bei der Arbeit in       von dem Fisch oder Braten probieren.
      Oft, aber nicht immer, prägen Scherze      meinem Garten spüre ich die Verbun-          Dieses Verbindende in meiner Fami-
      und Gelächter unsere Treffen. Manch-       denheit mit der Natur und große Freude       lie zu erleben, erfreut mich mindestens
      mal werden auch Sorgen gewälzt –           am Säen, Pflegen und Ernten. Und ich         ebenso wie der Genuss guten Essens
      dennoch taucht es auf dem Heimweg          habe den Verdacht, dass meine Pflanzen       selbst!

      16
Medizin

Kunst war und ist für uns Menschen         nem Beruf oder in meinem Privatleben       meinen Patientinnen und Patienten für
immer schon ein Ausdruck und Quell         gut gelingt. Da meine perfektionistische   mein Leben mitnehme. Nachdem Le-
von Lebensfreude gewesen. Für mich         Veranlagung oft genug Herausforde-         bensqualität und Lebensfreude oft In-
trifft das im Besonderen auf die Musik     rung für mich selbst ist, freue ich mich   halt unserer Gespräche sind, erfahre ich
zu. Ich kann völlig selbstvergessen zu     manchmal ebenso, wenn ich es schaffe,      zugleich, was Lebensfreude für andere
Musik tanzen – erst der Muskelkater        auch mal fünf gerade sein zu lassen!       bedeuten kann und lerne auch hier eine
in den folgenden Tagen macht mir die       Nun, wo viele Freizeitaktivitäten abge-    große Vielfalt kennen.
damit verbundene körperliche Anstren-      sagt sind und wir körperliche Distanz      Lebensfreude ist oft ganz spontan da.
gung – und vielleicht auch meine aus-      halten müssen, um uns gegenseitig zu       Das Wichtigste aber ist, sie auch zuzu-
baufähige Fitness – bewusst.               schützen, vermisse ich einige meiner       lassen! Mir macht das schönste Essen
In ihrer Vollendung verspüre ich Le-       Quellen der Freude – und gleichzei-        keine Freude, wenn ich es in Eile hinun-
bensfreude beim Singen in meinem           tig sind andere viel mehr präsent. Mir     terschlingen muss oder anfange, die Ka-
Chor. Schon in den Proben mischt           persönlich bringt die Entschleunigung      lorien darin zu zählen. Aber das Schöne
sich die Mühe, die zum Erlernen von        Zeit. Zeit, die ich bewusst für Dinge,     an Lebensfreude ist: das Zulassen habe
Stücken notwendig ist, mit der Freude      die mir Freude bringen, nutze.             ich selbst in der Hand. Ich kann mir die
am gemeinsamen Tun. Wenn dann bei          Meine Arbeit als Palliativmedizinerin      Zeit nehmen, Lebensfreude aufkom-
einer Aufführung meine Stimme Teil         in einem Krankenhaus beeinflusst auf       men zu lassen und so richtig zu genie-
des Gesamten ist – oft begleitet von den   jeden Fall mein Erleben und Zulassen       ßen! Ich kann bewusst die Dinge ver-
Klängen eines Orchesters – das sind für    von Lebensfreude! Durch das Bewusst-       mehrt tun, die mir Freude bereiten! Ich
mich Gänsehautmomente und Freude           machen, dass jedes – und damit auch        kann mir Lebensfreude zum Geschenk
pur!                                       mein – Leben endlich ist, versuche ich     machen!
Etwas zu schaffen bereitet mir ebenso      es intensiver zu erleben und zu nutzen.    Ihnen, liebe Leserinnen und Leser,
Freude – sei es, dass mir etwas in mei-    Das ist ein Auftrag, den ich mir von       wünsche ich gutes Gelingen dabei!

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