KULTURBRIEF Buchhandlung Breuer & Sohn - APRIL 2022
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Anzeige Konzert- Highlights 2022. 18.3 0 18 19.30 24 PR MAI A STADTKIRCHE BAYREUTH STADTKIRCHE BAYREUTH Orgelkonzert Tenebrae Choir. Viktor Lukas. FASZINIERENDE CHORMUSIK AUS ENGLAND WERKE AUS BAROCK UND ROMANTIK 19.30 21 25I MAI MA 19.3 0 REICHSHOF KULTURBÜHNE MARKGRÄFLICHES OPERNHAUS Beethoven! Sheridan Ensemble. The Next Level. THE BEST IN MUSIC MUSIK, TANZ, WAHNSINN
PRÄLUDIUM Nachrichten aus einem Kulturland von Frank Piontek In gewissem Sinn ist die neue Ausgabe des Kulturbriefs aus Bayreuth, den Umständen entsprechend, eine Sonderausgabe. Wir mussten nicht lange suchen, um die Ukraine in den verschiedensten Bereichen zu entdecken: in der Reihe Das neue Album widmen wir uns einem Bay- reuther Konzert des Ukrainischen Jugendsinfonieorchesters, das Gute Buch bietet seelische Hilfestellungen, die Bibliothek, die wir besucht haben, ist das Ergebnis von Vertreibungen, die den Bogen vom 2. Welt- krieg zur Gegenwart schlagen, wir gehen in eine ukrainische Küche, und der Musiker, der hier war, ist ein Mann aus einer jener Städte, die gerade angegriffen und beschossen werden. Man könnte nun fragen, welchen Stellenwert die friedliche Kultur in diesen Zeiten noch hat. Die Antwort ist einfach: Sie zeigt uns, dass sie das einzige Mittel ist, um weltweit miteinander auszukommen. Kultur ist kein Luxus, son- dern die Essenz, die das und die Leben nicht allein reicher macht. Sie ist, zusammen mit den nötigen Verwandtschafts- und Liebesbezie- hungen, genau jenes völkerverbindende Element, das, über Sprach-, Mentalitäts- und Systemgrenzen hinweg, den Frieden nicht allein sym- bolisiert, sondern ist: in der Musik, der Sprache, auch der Kulinarik. Nein, ein Konzert verhindert keinen Krieg, aber es vermag uns, wenn‘s glückt, dafür zu sensibilisieren, dass Konflikte dort keine Kraft mehr haben, sich zu Kriegen zu entwickeln, wo gespielt, geschrieben, geredet – und gut gegessen wird. Nicht allein in Osteuropa, auch bei uns, den befreundeten Russen, Chinesen, Franzosen, Amerikanern und allen anderen Nationen, die uns so etwas Luxuriöses und Selbst- verständliches wie Bücher, Kompositionen, Gemälde und sonstige Spielarten der Zivilisation hinterließen. 3
Anzeige „Ein starker Gedanke teilt auch dem, der anderer Meinung ist, von seiner Kraft etwas mit.“ Marcel Proust
Inhalt Ausgabe N°15 PRÄLUDIUM3 BAYREUTH LEUCHTET 6 NAIS VOM HEINER 7 IM BILDE 8 HAIKU8 AUS BAYREUTHS KÜCHEN 9 DAS NEUE BUCH 10 WAR HIER 12 HEIMATLICHES13 ABSCHWEIFUNGEN16 BAYREUTHER FESTSPIELE 18 FESTKULTUR21 DAS NEUE ALBUM 23 HINTER DEN KULISSEN 24 AUSSTELLUNGEN26 BIBLIOTHEKEN28 GESCHICHTEN AUS DEM WALD 31 VOM GRÜNEN HÜGEL 32 KULTURTERMINE 34 VIELEN DANK! Wir danken unseren Mäzenen für ihr Engagement. Durch Sie wird der Kulturbrief erst möglich. UNTERNEHMEN Alexander von Humboldt Kulturforum Schloss Goldkronach e.V., Friedrichsforum Bayreuth, Kanzlei Treibert, Kunstmuseum Bayreuth, Musica Bayreuth Orgelwoche Bayreuth e. V., Stadtbibliothek Bayreuth, Stiftung Verbundenheit mit den Deut- schen im Ausland, Osterfestival - Kultur- und Sozialstiftung Internationale Junge Orchesterakademie, Zahnärzte am Opernhaus PRIVATPERSONEN Angelika Beck, Wolfgang Hammon, Gudrun Hartmann, Irmintraut Jasorka, Dr. Dieter Schweingel, Raymond Tholl 5
BAYREUTH LEUCHTET Kultureller Beistand L esen gegen das Fehlen von Worten – so hieß das literarische Programm, mit dem die Studiobühne Bayreuth ihre Solidarität bekundete: mit Texten ukrainischer, russi- scher und polnischer Autorinnen und Autoren, auch einer Theater-Szene von Karl Va- lentin. „Angesichts des Krieges und des dadurch hervorgerufenen Leids der Menschen in der Ukraine versuchen wir“, hieß es, „mit einem Lese-Abend unserer Sprachlosig- keit mit literarischen Texten zu begegnen“. Gingen die Spenden in diesem Fall an die studentische Initiative Ukrainehilfe UBT, so sang der von Barbara Baier gegründete und geleitetet Zamir-Chor einige Werke der ukrainischen Komponisten in der Schloss- kirche: für die humanitäre Brücke Oberfranken-Transkarpatien/Ukraine. Отлично – gut so! In naher Zukunft D as Bayreuther Osterfestival ist wieder da! Nach zwei Pausenjahren wird es uns mit mehreren Konzerten erfreuen, u.a. mit der wunderbar sensiblen Pianistin Alexandra Mikulska. Eröffnet wird das Festival am Karfreitag durch ein seltenes Oratorium in der Bayreuther Stadtkirche: Johann Balthasar Kehls Die Pillgrimme auf Golgatha. Hoffen wir, dass wieder viele Musikfreunde in das Opernhaus und zu Steingraeber pilgern werden. 6
NAIS VOM HEINER Stellda vor von Reinhold Hartmann S tell da vor, wenn alla Leit lebertn ganz ohne Streit tätn sich mitnander freia und net lauter Zwietracht streia. Stell da vor, dass alla Dooch, aana soochd, dass er Diech mooch und Dir net auf die Goschn haut host mol widder wos versaut. Stell da vor, Dei Nochber kummt auf Besuch und kaaner brummt bringt an Kung miet und Kaffee no des wär doch werkli schee. Stell da vor, dass auf der Welt ka aanziger Schuss mehr fällt stott Weltkriech tät des wohl im Lebn werkli bloß nuch Moßkriech gebn. Stell da vor, es werd net glong a jeder tät die Wohrheit song Kerng, Politik und Schul, kaaner liecht, des wär ja cool. Stell da vor, auf dera Welt hätt a jeds genügend Geld kännt Essn und zum Oziehng kaafn und missert net zur Toofl laafn. Stell da vor, bei Jung und Alt geberts an Zusammenhalt jeds hilft na andern ieberoll des wenn so wär, no des wär toll.. Stell da vor, sowos täts gebn, und mir tätns nuch derlebn irchendwie wär des doch schee, helfma zamm, dann werds aa geh. 7
IM BILDE Wo ist das zu finden? HAIKU Was noch bleibt mit 90 Jahren ..... vergiss es erwarte den Frühling Abe Midorijo (1886 - 1980) 8
AUS BAYREUTHS KÜCHEN Vegetarischer Borschtsch aus der Ukraine von Frank Piontek Zutaten für 6 Personen 2 geschälte Rote Beete in kleinen Streifen. 4 Möhren in Scheiben. 700 g Weißkohl in Streifen. 4 große gewürfelte Kartoffeln. 1 kleines Stück Sellerieknolle in kleinen Würfeln. 2 gepresste Knoblauchzehen. 1 gewürfelte Gemüsezwiebel. 2 Lorbeerblätter. 2 EL gehackte Peter- silie. 4 EL Tomatenmark. 1,25 l Gemüsebrühe. Salz. 10 schwarze Pfefferkörner. Olivenöl. 250 ml Saure Sahne. 1 EL Zitronensaft. So geht‘s: Öl in einer Pfanne erhitzen. Sellerie und Rote Beete darin anschwit- zen, dann aus der Pfanne nehmen. In neuem Öl die Gemüsezwiebel und den Knoblauch anbraten. Die Kartoffelwürfel dazu geben und leicht anbraten. Brühe dazu gießen und zum Kochen bringen. Das restliche Gemüse, die Pfefferkörner, das Tomatenmark und das Lor- beerblatt hinein geben, ca. 20 Minuten köcheln lassen. Dabei mehr- mals umrühren. Mit Salz abschmecken. Während des Kochens die Saure Sahne mit dem Zitronensaft verrühren und ziehen lassen. Das Ganze wird schließlich mit (weißem oder anderem) Brot und der Sahne serviert. Fertig ist die ukrainische Nationalsuppe – guten Appetit! 9
D AA SS GG U D U TT EE BB U U CC HH Handwaffenbüchlein von Benjamin Breuer Die unbändige Flut an Nachrichten über zahlreiche unter- schiedliche Kanäle überschwemmt uns. Es sind Nachrichten, die teilweise sehr wichtig für uns sind und die uns persönlich betreffen. Und es sind Informationen, die überhaupt nichts mit unserem Leben oder mit unserem Umfeld zu tun haben. Informationen, die vor allem von den wichtigen Dingen ab- lenken. Letztere sind nicht nur überflüssig, sondern können uns schaden. Dem Einzelnen genauso wie der ganzen Gesell- schaft. Denn wenn wir aufgrund unwichtiger Nachrichten das Bedeutsame aus dem Auge verlieren, ist keinem gehol- fen. Was also tun? Es ist ja nicht so, dass wir nicht die Wahl hätten. Jeder von uns kann das Radio abschalten, kann die Newsticker ausblenden und die Online-Zeitungen ungeöff- net lassen, vor allem die sozialen Medien ignorieren. Nichts einfacher als das, möchte man meinen. Aber so ist es nicht. Der Nachrichtenwahn ist stark geworden. Es handelt sich fak- 10
tisch um eine Abhängigkeit. Es ist wie mit dem Pawlowschen Hund. Sobald die Glocke klingelt, entsteht der unbedingte Drang nach Nachrichtenfutter. Diese Konditionierung hat dazu geführt, dass wir uns durch Neuigkeiten tatsächlich be- lohnt fühlen. Auch wenn Sie grausam und fürchterlich sind. Die Verhaltensanalyse hat diesen Prozess ausführlich bewie- sen. Die Abhängigkeit von diesen Nachrichten hat aber zur Konsequenz, dass wir nicht mehr unterscheiden zwischen dem, was uns betrifft, und dem, was für unser Leben völlig unerheblich ist. Diese Differenzierung aber ist wichtig. Nur wenn wir sie wahrnehmen, ist es möglich, dass wir uns auf Dinge konzentrieren, die wir beeinflussen können. Gerade jetzt ist dieser Fokus essentiell. Will man anderen Menschen eine Hilfe sein, muss man selbst gefestigt sein, stark, einen langen Atem haben, sonst wird die Hilfe schnell verpuffen. Es gibt einen Philosophen, der uns dabei ein wenig helfen kann. Epiktet. Er lebte, griechischen Ursprungs, kurz nach Christus in Rom. Sein kleines Werk Encheiridion ist in einer wunderschönen Ausgabe in der Bibliothek der Weltweisheit erschienen. Die folgende Erklärung findet sich hier im An- hand: „Der griechische Titel ist absichtlich doppeldeutig. Er bedeutet Handbüchlein, das man stets zur Hand haben muss, um ein erfülltes, glückliches Leben im Sinne der stoischen Philosophie führen zu können, und Handwaffe, mit der man sich in jeder Lebenssituation gegen Gefährdungen erfolgreich verteidigen kann.“ Diese Abwehr gegen die Verunsicherung kann uns und denen, die uns jetzt brauchen, nur recht sein. T I TD EALSI LGLUUTSET R BAU TCIHO N High noon an einem Sonntag in Bayreuth. Während die Eingeborenen alle beim Klöß -Essen sitzen, durchqueren völlig unbemerkt zwei weltberühmte Persönlichkeiten, nämlich Phileas Fogg und sein Diener Jean Passepartout, auf ihrer Reise in 80 Tagen um die Welt Bayreuth. Wegen der miserablen Bahnanbindung waren sie auf einen Eselskarren angewiesen, mit dem sie aber wesentlich schneller vorankamen als mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Zeichnung: Matthias Ose 11
WAR HIER Joseph Rubinstein von Frank Piontek „I ch bin Jude − hiermit ist für Sie alles gesagt“. Mit diesen Worten kündigte sich ein Mann in Tribschen an, der zu den nicht miterleben, weil ihn seine psychi- sche Empfindlichkeit daran hinderte, ob- wohl ihn Wagner sehr schätzte. 1877 trat tragischsten Gestalten in Wagners Um- Rubinstein wieder auf Wagner zu, der kreis gehörte. Geboren wurde er 1847 ihn bald als Hauspianist engagierte, doch in Starokostjantyniw, dem ukrainischen blieben Probleme nicht aus, weil Wagner Teil des damaligen Zarenreichs. Sein und seine Frau gelegentlich die angebli- Vater lebte später in Charkiw, er selbst che Unvereinbarkeit des jüdischen und hat seit 1858 in Mitteleuropa gewirkt: des deutschen „Wesens“ zur Sprache zunächst in Wien und Salzburg, dann brachten. Dennoch müssen die letzten in Bayreuth, wo Joseph Rubinstein sich Jahre für den Musiker, der auch durch zu den „Prinzipien des Meisters von Bay- die Bearbeitung einiger Wagner-Werke reuth“ bekannte, indem er in die „Nibe- Unsterblichkeit errang, die glücklichs- lungenkanzlei“ eintrat. Bis 1876 gehörte ten gewesen sein, weil die Spannungen er zu den jungen Leuten, deren Arbeit letzten Endes unwichtiger waren als die als Assistenten der ersten Bayreuther fruchtbaren Begegnungen in Gespräch Festspiele unverzichtbar war. Rubinstein und Musik. 16 Monate nach dem Tod hatte Fähigkeiten, die über das Korrepe- seines Herren brachte er sich um – umso tieren und Notenkopieren hinausgingen: bewegender, dass Cosima Wagner seine als Konzertpianist sollte er noch Jahre sterblichen Überreste auf dem Jüdischen später Lorbeeren einsammeln. Die Eröff- Friedhof in Bayreuth begraben ließ. nung der Festspiele konnte er trotzdem 12
HEIMATLICHES Die Weidenberger Bahrschilder von Adrian Roßner D ie Weidenberger Kirche St. Michael gilt vollends zurecht als Prunkstück des markgräflichen Barockstils. Besuchern konnte: Die „Zünfte“ waren geboren. Neben den bekannten Vereinigungen, die in großen wie auch in kleinen Städten die jedoch, die das monumentale Bauwerk Bäcker, die Müller oder landwirtschaft- besichtigen und sich vom himmlischen lich orientierte Handwerksberufe wie Prunk auf der (zur Erbauungszeit recht Wagner zusammenfassten, organisierten kärglichen) Erde ablenken lassen, entge- sich – je nach Anzahl – mancherorts auch hen zwei kleine ovale Scheiben, die sich die Schmiede in einer entsprechenden Ei- links und rechts der inneren Eingangstür nung. In Weidenberg lässt sich eine sol- befinden und auf ein vergangenes Kapitel che Institution bereits seit 1688 nachwei- der Lokalgeschichte verweisen. sen, was darauf schließen lässt, dass ihre Schon im Mittelalter hatte eine wahre Traditionen weit zurückreichen müssen. „Verstädterung“ auch unserer Region ein- Tatsächlich gilt die These, derzufolge die gesetzt, die zur Folge hatte, dass sich die namensgebenden Herren von Weiden- bis dato meist landwirtschaftlich geprägte berg als Lokatoren und auch als Über- Gesellschaft tiefgreifend veränderte. Aus wacher einer seit dem Hochmittelalter den Bauern, die meist auf verlehnten Hö- betriebenen Suche nach Erzen fungierten, fen arbeiteten und viele Produkte des tägli- als gesichert. Urkundlich fassbar wird der chen Lebens selbst herstellten, hatten sich Bergbau zwar erst 1466, entwickelte sich Handwerker entwickelt, die immer öfter dann jedoch innerhalb kürzester Zeit zur in die größeren Siedlungen zogen, um gewinnbringenden Wirtschaftsmacht: dort den in der Entwicklung befindlichen Schon 1450 war eine Berggesellschaft ge- „Markt“ zu bedienen. Daraus entstand – gründet worden, um die Fördermengen vollends logisch für dieses frühkapitalis- zu steigern. Rund um den Ort hatten tische System – eine gewisse Konkurrenz sich davon ausgehend nicht allein Zechen zwischen den einzelnen Anbietern, die und Bergwerke entwickelt, sondern es war beispielsweise versuchten, einander durch eine Art „kleines Ruhrgebiet“ entstanden, günstiger hergestellte Waren auszubooten. in dem auf relativ engem Raum die Ver- Die damit einhergehende Qualitätsmin- arbeitung der abgebauten Rohstoffe di- derung nötigte schon bald dazu, die Her- rekt vor Ort geschehen konnte. Von den steller in einer Organisation zu vereinen, Gruben mit recht bildhaften Namen wie die sich zum einen um die Wahrung ihrer „Reiche Zeche“ oder „Beschertes Glück“ Rechte kümmerte, zum anderen jedoch kamen die Erze in die produzierenden dafür sorgte, dass eine gewisse Fairness im Betriebe, „darunter drey Waffenhämmer, Vertrieb der Waren sichergestellt werden von denen zwey zur Oberpfalz gehören 13
Anzeige 2 8 . B A Y R E U T H E R O S T E R F E S T I V A L 15. April Tickets bei den örtlichen Vorverkaufsstellen: Steingraeber & Söhne, Theaterkasse Bayreuth und Kultur- und Sozialstiftung IJOA (tickets@ijoa.de) – 1. Mai sowie online unter www.eventim.de 2022 Fotos: © Bayerische Schlösserverwaltung (Foto: Feuerpfeil Verlag, Bayreuth) Karfreitag, 15. April, 17 Uhr Stadtkirche Bayreuth HIGH ERÖFFNUNGS- LIGHT KONZERT Johann Balthasar Kehl: „Die Pillgrimme auf Golgatha“ Stadtkantorei Bayreuth & Neue Nürnberger Ratsmusik FESTIVAL Solisten: Mi-Seon Kim (Sopran), Yvonne Berg (Alt), Reiner Geißdörfer (Tenor), Michael Kranebitter (Bass) BRASS Leitung: Michael Dorn Sonntag, 1. Mai, 19:30 Uhr Markgräfliches Opernhaus Karsamstag, 16. April, Bayreuth 11 Uhr, Kammermusiksaal, Steingraeber & Söhne Austrian Brass Consort „Der Tag eines Königs“ M ATI N É E I Leitung: Prof. Erich Rinner Katharina und Anouchka Hack (Klavier und Cello), mit Werken von Beethoven, Debussy und Brahms Samstag, 23. April, 11 Uhr, Kammermusiksaal, Steingraeber & Söhne Die Kultur- und Sozialstiftung bereichert BAYREUTHER M ATI N É E I I das Kulturangebot in Bayreuth und OSTERFESTIVAL hilft kranken Kindern in der Region. Chopin im Rausch des Tanzes Aleksandra Mikulska (Klavier) Intendant: Prof. Dr. Ulrich S. Schubert www.osterfestival.de Partnerhotel des Bayreuther Osterfestivals 2022 BAYREUTHER OSTERFESTIVAL
[und deren][…] Arbeiten auf Märkte und Messen geschickt und von In- und Aus- ländern aus fernen Gegenden abgeholt werden“, wie Johann Michael Füssel in seinem Tagebuch schreibt. Diese soge- nannten „Schrötelhämmer“ (Hammer- werke zum Zerkleinern des Erzes vor dem eigentlichen Schmelz-Vorgang) stecken zu rechnen, sofern ein Mitglied Gott läs- noch heute in vielen Ortsnamen wie terte oder sich despektierlich über einen „Rosenhammer“ und dienten daneben seiner Brüder äußerte, ohne Beweise für als Vorlage für unzählige Sagen, in denen seine Beschuldigungen vorweisen zu kön- sich die „Schröteler“ den ein oder ande- nen. Als Ehre jedoch galt es den Meistern, ren Scherz mit den neuen Bewohnern wenn ihnen bei der Beerdigung von den ihrer alten Mühlen erlaubten. Mit Auf- übrigen Mitgliedern der Zunft das Geleit kommen der weiterverarbeitenden Berufe gegeben wurde, wodurch auch die omi- und der relativ schnell eintretenden „Sät- nösen Tafeln in der Weidenberger Micha- tigung“ des Marktes wurde schon bald els-Kirche ihren wahren Sinn enthüllen. eine Spezialisierung auf einzelne Produkte Es handelt sich dabei um „Bahrschilder“, notwendig: So etablierten sich neben den die man bei Beerdigungen entweder di- Hufschmieden auch die Nagel-, Ringel- rekt am Sarg des verstorbenen Meisters und Sägschmiede, die sich in Weidenberg oder aber an einem „Bahrtuch“, das ihn (wo sich noch Ende des 18. Jahrhunderts bedeckte, befestigte. Interessant sind in 15 solcher Handwerker nachweisen las- diesem Zusammenhang in erster Linie die sen) in einer entsprechenden Zunft zu- beiden unterschiedlichen Ausführungen: sammenschlossen. Ausschlaggebend für Während das eine Schild die in der Zunft diese Form der Organisation waren neben vereinten Schmiedeberufe aufführt, zeigt der bereits erwähnten Sicherstellung des das andere, dominiert von den beiden fairen Wettbewerbs untereinander auch herrschaftlichen Löwen, die jeweiligen die Festschreibung der Gesellen-Ausbil- Symbole wie Wagenrad, Säge und Gür- dung, die Dauer der Lehrzeit und – meist telschnalle. Es darf davon ausgegangen vergessen – starke Auswirkungen auf das werden, dass einst mehrere dieser Schilder Privatleben der Mitglieder. Wer Teil einer existierten (auch für andere Zünfte, wie Zunft werden wollte, musste nicht allein die Bäcker), wovon sich jedoch vermut- über das notwendige Kapital verfügen, lich keine mehr erhalten haben. Insofern mit dem die Eignung ihre Geschäfte be- bieten diese beiden, wenngleich unschein- trieb und das notfalls unschuldig verarm- baren Objekte einen beeindruckenden ten Kameraden zur Verfügung gestellt Blick in die Vergangenheit nicht allein wurde, sondern sich auch den Gepflogen- Weidenbergs, sondern der gesamten Re- heiten und Regeln unterwerfen. So war gion und weisen zudem auch auf die Ge- mit einer Anzeige aus den eigenen Reihen sellschaftsformen unserer Vorfahren hin. 15
AD BA S HGWUETI EF UB NUGCEHN SC Der Weg der leeren Hand - Budō-Karate von Misahi Musamoto Mit Karate assoziiert der Laie große starke Männer in weißen Anzügen, die dicke Bretter durchschlagen und dieselben vor dem Kopf zu haben scheinen. Bessere Schlägertypen eben. Inte- ressierte halten Karate für einen Kampfsport, bei dem sie neben der Möglichkeit, sich zu wehren, vor allem Fitness und Muckis im Fokus haben. Beides sind Teile des Karate und doch haben Sie mit Karatedo (Do = Weg), dem Wesen der ursprünglichen Kampfkunst, des Budo, sehr wenig bis gar nichts gemein. In seinem Ursprungsort, Japans südlichster Präfektur Okinawa, dem ehemaligen Königreich Ryūkyū, ist Karate aus der Not- wendigkeit der Clans entstanden, sich gegen die Samurai ohne die Hilfe von Schwertern zu wehren. Das Tragen von Schwer- tern war von der Obrigkeit über Jahrhunderte verboten und so entwickelten sich Techniken zur Selbstverteidigung, die in den verschiedenen Karatestilen aufgingen. Mithilfe dieser Stile war es tatsächlich möglich, völlig unbewaffnet einem Schwert- träger Paroli zu bieten und das bei sehr guten Gewinnchancen. Das ist lange her und bekannt ist heutzutage vor allem der Stil 16
Shotokan des großen Meisters Gichin Funakoshi, der maßgeblich für die Verbreitung der Kampfkunst auf der ganzen Welt verantwortlich war. Dabei wurden die vielen verschiedenen Techniken, anders als die des Schwertkampfes, nicht schriftlich weitergegeben, sondern über so- genannte Kata. Ein Kata ist eine Bewegungsabfolge, die bis zu 108 teils hochkomplexe Angriffs- und Verteidigungstechniken beinhalten kann. Mithilfe des Erlernens dieser Kata wird man über die Jahre zum Kara- teka. Am Ende dieses Weges kann man mit Sicherheit ein paar Bretter zerbröseln, doch das ist nicht der Sinn des Ganzen. Die Ausübung des Karate ist ein Akt höchster Selbstüberwindung, der Überwindung des eigenen Egos. Oder wie der Meister Mabuni Kenwa – der Gründer des Shitō-Ryū-Karate – sagte: Karate ist Zen in Bewegung. Das macht deutlich, dass es sich eben nicht um einen simplen Kampfsport han- delt, sondern um eine Lebensweise, die zu Ausgeglichenheit und Mit- menschlichkeit führt. So wie die erste Bewegung jeder Kata im Karate immer eine Verteidigung darstellt, ist ein Karateka dazu angehalten, sich niemals aktiv auf einen Kampf einzulassen. Das höchste Ziel das Karate ist die Vermeidung des Konflikts. Dass sich auf dem Weg der leeren Hand nebenbei die Gesundheit immens verbessert, der Körper stark wird und der Geist klar, und dass man Karate bis ins hohe Alter trainieren kann, sollte für sie und ihn Motivation genug sein, es we- nigstens einmal auszuprobieren. Anzeige Inhaberin: Elke Leppert-Beck FRÜHLING - WÜNSCHE - FRIEDEN Telefon: 0921 63835 Erlanger Str. 73, Bayreuth 17
BAYREUTHER FESTSPIELE In diesem Jahr machen wir einiges anders Das Programm der Bayreuther Festspiele von Frank Piontek I m nächsten Jahr machen wir alles an- ders… Man denkt unwillkürlich an den Satz, den Richard Wagner 1876 am gen von Stephen Gould, der stimmlich sichtlich gewachsenen und im besten Sinne gereiften Catherine Foster, Georg Ende der ersten Festspiele der Nachwelt Zeppenfeld und Ekaterina Gubanova ins Mikrophon gesprochen hat. Nicht, aufgeführt werden, bevor am 31. Juli dass im Sommer 2022 in Bayreuth alles das Rheingold den ersten Ring-Zyklus anders wäre; nach dem außergewöhn- eröffnen wird. Davor, dazwischen und lichen Programm der Spiele 2021 wirkt danach stehen Tannhäuser unter Axel das neue Programm geradezu konserva- Kober, Der fliegende Holländer, wieder tiv, aber auch heuer werden die Festspiel- unter der ukrainischen Dirigentin Oksa- freunde mit einigen Neuigkeiten kon- na Lyniv, und – bereits zum letzten Mal frontiert werden. – der von Christian Thielemann dirigier- Allein die Tatsache, dass neben dem te Lohengrin in der Inszenierung Yuval schon lange geplanten Ring, der unter Sharons auf dem Programm. Schließlich der Regie von Valentin Schwarz und werden am 31. August und 1. September mit Pietari Inkinen am Pult mehrmals zwei Konzerte mit Klaus Florian Vogt über die Bühne gehen wird, eine weitere unter Andris Nelsons die Zuhörer und Neuinszenierung eines der kanonischen Zuschauerinnen erfreuen. Werke Richard Wagners geben wird, Zu den schönen Extras auch dieses Jahres lässt aufmerken. Die Festspiele werden gehört wieder die Reihe Diskurs Bayreuth also nicht, wie erwartet, mit einer der – diesmal, von Neuem im Reichshof, mit bekannten Produktionen, sondern mit der theatralen Produktion Nach Tristan – dem Tristan eröffnet werden – der indes Eine Reise aus der Vergangenheit rückwärts nur zweimal gebracht wird. Am 25. Juli in die Gegenwart. O-Ton Festspiele: „Ein wird die Handlung in drei Aufzügen, diri- Abend zwischen Richard Wagner und giert von Cornelius Meister und in Sze- Heiner Müller, der den Weg von Tris- ne gesetzt von Roland Schwab, gesun- tan und Isolde zu Quartett auslotet, mit 18
Anzeige Texten beider Autoren und Musik von Wagner, eingerichtet von Ingo Kerkhof und Gerhard Ahrens.“ Wir erinnern uns an Heiner Müllers und Erich Wonders grandiose Tristan-Inszenierung – und freuen uns auf Dagmar Manzel und Syl- vester Groth. Diskurs Bayreuth veranstal- tet auch an zwei Abenden ein sommer- Foto: © Alexander Hornoff liches Festspiel Open Air: „Das Œuvre Richard Wagners bildet hier zwar den inhaltlichen Ankerpunkt, soll jedoch bewusst besetzungs- und genreübergrei- fend interpretiert werden können, um die Wichtigkeit unterschiedlicher Sicht- und Herangehensweisen zu inhaltlich 100+1 = Wir feiern gleichen Themen nachhaltig zu fördern.“ RW weiter Jubiläum - Man darf gespannt sein, wie aus der 21 feiern Sie mit uns! programmatischen Theorie konzertante Praxis wird. Eintritt frei, das ist ja schon Denis Scheck eine Art Programm. Damit nicht genug: Literaturkritiker, am 9. August wird es wieder eine TAFF- Übersetzer und Journalist Festspielnacht am Goldbergsee geben, mit Martin Rassau als (erzfränkischem) präsentiert seinen „Kanon“ Conferencier, einem bislang noch nicht - und den seines Hundes aus genannten „Starsolisten“ und weiteren „Der undogmatische Hund“. Sängern der Festspiele. Gleichfalls nie- Sonntag derschwellig ist das diesjährige Kino- angebot: am 5. August darf man ab 18 15.05.2022 16:30 Uhr | Eintritt: 10,- € Uhr, also um zwei Stunden zeitversetzt, VVK: ab 14.04.2022 das Schlussstück der Tetralogie, die Göt- terdämmerung, im Kino besichtigen. Ort: RW21 Black Box, UG Im nächsten Jahr machen wir alles an- Richard-Wagner-Str. 21 ders? Jein – aber man darf gespannt sein, Tel: 0921-50 70 38 - 30 welchen Radius die Festspiele jenseits des Kanons in diesem Sommer ausmessen werden. www.stadtbibliothek.bayreuth.de 19
Anzeige J Ü R G E N BRO DW O LF PARAPHRASEN 20. MÄRZ – 19. JUNI 2022 Kunstmuseum Bayreuth Altes Barockrathaus Maximilianstraße 33 95444 Bayreuth Geöffnet: Di – So 10 – 17 Uhr www.kunstmuseum-bayreuth.de
FESTKULTUR Einzigartig bürgerlich Die Karfreitagsprozession zu Lohr am Main von Frank Piontek K eine Karfreitagsprozession ist älter. Die erste Quelle, die uns darüber Auskunft gibt, stammt aus dem Jahr Was aber macht die unterfränkische Kar- freitagsprozession so einzigartig? Zum einen ist sie die letzte vollständig erhal- 1658, eigentümlich ist auch der Ablauf. tene Figural-Prozession Deutschlands. Denn die Bewohner von Lohr am Main Waren das Heilsgeschehen abbildende gestalten dieses Fest nicht als „Event“ Prozessionen im 17. und 18. Jahrhun- (auch wenn es für die, die mitmachen, je- dert noch üblich, so wurden sie im Zuge des Mal ein Ereignis ist), sondern als un- der Säkularisation verboten. Zum Ande- gewöhnlich ernste religiöse Prozession. ren handelt es sich nicht um eine kirch- Dass man heute den langen Zug schwei- liche, sondern um eine bürgerliche Ver- gend an sich vorüberziehen lässt und nur anstaltung. „Bei der seit über 300 Jahren der unheimliche Schlag einer einsamen bestehenden Prozession“, liest man auf Trommel erklingt (bevor den Ende des der Homepage des Vereins, der sich um Zugs am Ende denn doch eine Blaska- die Prozession kümmert, „sind die An- pelle, die Wombacher Blasmusik, mit gehörigen aller Berufe gebeten, sich bei Trauerchorälen macht): dies ist erst seit der Station einzugliedern, die Ihnen [sic] den 60er Jahren so Sitte. Bis dahin pfleg- besonders nahe steht“. Es sind die Mit- ten die Gläubigen die Prozession noch glieder der alten Handwerkszünfte, der betend und singend zu begleiten, bevor Vereine und Verbände, die die 13 schwe- die Schwärze des Karfreitags auch über ren, blumengeschmückten Holzpodeste die vergleichsweise passiven Teilnehmer auf ihren Schultern tragen, auf denen des Trauerfests kam und Stille in den die lebensgroßen Figuren die „Leidens- Straßen einkehrte. Erst im Anschluss an geschichte unseres Herrn und Heilands“ den Schweigemarsch wird heute auf dem darstellen, wie es auf einem Schild heißt, Kirchplatz gebetet und gesungen. das von einem Kind, noch vor der Stadt- 21
kapelle von Lohr am Main, vorangetra- Förster und Waldarbeiter. Die Bäcker gen wird: vom Stadtkirchenplatz von tragen den Leib Christi (den sie auch St. Michael über kleine Straßen und die backen) durch die Straßen – und wenn Hauptstraße wieder zurück zum Aus- Christus seiner Kleider beraubt wird, ha- gangspunkt. ben‘s die Schneider und die Mitarbeiter Begründet wurde die Karfreitagsprozes- der Bekleidungsindustrie und des Textil- sion vermutlich von Kapuzinern oder Je- handels zu verantworten, bevor eine der suiten: als gegenreformatorische Aktion, schönsten Figuren, Jona im Maul des die wir uns ursprünglich noch viel grö- Walfischs, als Allegorie der Auferstehung ßer vorstellen müssen. Es sind nicht we- von der lebenrettenden Feuerwehr ver- niger als 600 schwarz gekleidete Lohrer sorgt wird. Die Prozession ist Männersa- Männer und ein paar Frauen, die die Fi- che, aber es gibt eine bezeichnende und guren durch die Stadt tragen, doch keine schöne Ausnahme: Junge Frauen über- Geistlichen, die allerdings den Zug (an nehmen fast am Schluss die Pietà, die der Spitze nach der Kapelle: die Minis- trauernde Muttergottes mit dem toten tranten) zusammen mit den städtischen Jesus. Mandatsträgern abschließen. Durchaus So ist die Karfreitagsprozession zu Lohr hintersinnig ist dabei die Zuordnung der am Main gleich beides, ein sog. Volks- einzelnen Figuren zu den jeweiligen Be- aufzug, aber auch eine wandelnde Me- rufsständen und Handwerkerinnungen: ditation über das Leiden und Sterben Das Abendmahl gehört der Büttnerin- Christi: des Repräsentanten aller Men- nung und dem Brau- und Gastgewerbe, schen, die unschuldig verfolgt, angeklagt, die Gefangennahme Christi wird der gefoltert und ermordet werden. „Es hat Wagner-, Schmiede- und Schlosserin- ja alles was sehr Archaiches“, sagte der nung sowie den Metall- und Eisenarbei- Würzburger Weihbischof Ulrich Boom tern anvertraut, die Geißelung Christi ist zu diesem eigentümlichen Leidens- und in Händen der Schuhmacher- und Satt- Hoffnungsfest. Etwas Archaisches – und, lerinnung, der Polsterer, Raumgestalter, leider, immer auch etwas sehr Zeitloses. Fliesenleger und der Kolpingfamilie, die Die Bürger von Lohr am Main wissen es Kreuzträger sind gewöhnlich Gärtner, spätestens seit 1658. Landwirte, Obst- und Gemüsehändler, 22
DAS NEUE ALBUM Yo u t h s y m p h o n y O r c h e s t r a o f U k r a i n e : To n f ü r To n von Frank Piontek S ie ist, lesen wir, „eine Kulturbotschafterin der Ukraine“. Sie di- rigierte, als erste Frau im Graben der Bayreuther Festspiele ste- hend, im Sommer 2021 einen exzellenten Fliegenden Holländer. Ihr Bayreuth-Debüt lag damals schon zwei Jahre zurück, denn bereits Ende August 2019 trat sie in der Panzerhalle vor ein Orchester ihrer Heimat. Oksana Lyniv ist eine Frau aus Joseph Roths Geburtsort Brody, die als Chefdirigentin der Grazer Oper amtierte und seit 2022 Generalmusikdirektorin des Teatro Communale di Bologna, also der erste weibliche GMD Italiens ist. Daneben gründete sie 2017 das Ukrainische Jugendorchester und das Kulturfestival LvivMozArt in Lviv. „Ein psychophysisches Erlebnis ersten Ranges“, so nannte das ein Rezensent, als er den Höhepunkt des Bayreuther Festivals junger Künstler miterlebte. Nun liegt ein Teilmitschnitt dieses bemerkens- werten Konzerts auf CD vor. Zwar fehlen die Taras Bulba-Ouver- türe des ukrainischen Nationalkomponisten Michail Lyssenko und einige Sätze des symphonischen Hauptwerks des Abends, doch wenn Krystina Mychailenko das technisch wie poetisch anspruchsvolle ers- te Liszt-Klavierkonzert mit Bravour und interpretatorischer Digni- tät interpretiert, bleiben keine Wünsche offen. Das Orchester formte unter Oksana Lyniv einen Klang, der uns begreifen ließ, dass Musik nur dann zu fließen vermag, wenn er „stimmt“: auch in der Schehera- zade des großen russischen Komponisten Nikolai Rimski-Korsakow, da der Einbruch des herrlichen Wogenthemas und der erlösende fina- le Akkord das Werk, die Interpretation, das Konzert und das Album herrlich beschließen. Label: Festival junger Künstler 23
HINTER DEN KULISSEN Friedrich Leers Die Ruinen von Bad Bernek Textauswahl von Stephan Jöris I n Hof hielt ich mich nur einen Tag auf. Diese Stadt, welche beinah fünftausend Einwohner zählt und mehr als sechs- Fuße des berühmten Fichtelgebirges – und ward nicht getäuscht. Hoch über mir links auf dem kahlen hundert Häuser, ist der Sitz eines Lan- sonnigen Gipfeln der Felsen traten auf deshauptmanns und hat außer den drei drei verschiedenen Gegenden in roman- kleinen Städten Münchberg, Lichten- tischer Pracht, von leicht schweben- berg und Naila noch vier Marktflecken den Gesträuchen umwebt, die braunen und vier Dörfer unter sich. Sie ruht am Trümmer von Burgen und halb einge- Fuße einer ansehnlichen Bergkette, und stürzten Warten hervor. – Es waren die wird von den Wellen der Saale gespült, Ruinen von Bernek! - Tief unten, wie in die drei kleine Meilen von hier bei Zelle ein weites Grab gesenkt, zwischen den unter einem Baum ihre Quelle hat. aufgetürmten Felsenmassen, so freund- An einem schönen Morgen reiste ich von lich und still mit seinen schwärzlichen hier ab, über Münchberg und Gefrees. Schindeldächern das Städtlein her, wel- Von hier fing die Gegend an, sich von ches von jenen bewunderungswürdigen neuem zu verwildern; der Weg senkte Überresten des Altertums seinen Namen sich zwischen Steinklippen, welche bei entlehnte. jedem Schritte links und rechts höher Die Etymologisten haben sich weid- ragten und zuletzt, als froh, schroffe Fel- lich gestritten über dieses Namens Her- senmauern mit ihren Gipfeln nachbar- kommen; da meinten einige, in diesen lich den Himmel grüssten. wilden Gründen hätten die Bären ihre Links unten murmelte am Wege ein Hekke und Zucht vor Zeiten gehabt; schmaler Bach von Weiden und Erlen andere versicherten, an der Gebirgsecke geschirmt, zwischen den hochgrasigten müssten sonst liebliche Beeren den Pilger Ufern hin. - Ich erwartete etwas Außer- freundlich herangelokt haben, und neu- erdenkliches, Denn ich stand hier am lich behauptete noch ein anderer, dass 24
die uns bekannten ältesten Bewohner Schweißtropfen perlte auf den heißen dieser Gegenden, die Slawen und eigent- Fels hinab. licher, Sorben, hier auf den Berggipfeln, Ein alter, hoher, vierekkigter Thurm er- ihrem Donnergotte Perun, oder Perku- hebt sich majestätisch da, wo sich der ne, Tempel und ein unverlöschliches, Schlossberg absenkt zur Stadt. Einsam heiliges Altarfeuer gehalten hätten. wehen eben in den Rissen und Brüchen Ich will keinem widerstreiten. Alles was seines Gemäuers einzelne Halme und die man für solche Meinungen auftreiben nickende Distel. Rings umher zu seinen kann, sind Wahrscheinlichkeiten ohne Füßen ruht eingesunkenes Mauerwerk, Kraft der Beruhigung; mühsame, und verwittert und bemoost. – Dies war die dankbare Arbeiten, welche der Geschich- weiland feste Burg – Bernek! te und dem menschlichen Heil wenigen, Wo sind die Helden, welche einst aus oder keinen Vortheil zu führen; leuch- deinen Thoren hervorstürzten beim tende Spiele des Wizzes, ohne Wärme. klingenden Spiel der Waffen? – Wo die Gelockt von dem prächtigen, ehrwür- lieblichen Dirnen welche den frommen digen Anblick der Ruinen, eilt ich nach Rittern die glühende Stirn kühlten nach dem Städtchen und von da aus empor zu der Heimkunft vom Abenteuer der Feh- ihnen. Es krümmte sich der schmale Pfad de oder vom wilden Thurney? – Ich höre allmählich am schroffen Felsen hindern, nicht mehr der vollen Becherklang, der kleine Hütten lehnten sich nach unten Ritter Kriegeslied, der Knappen und Zo- an den Abhang dieses Berges, mit ihrem fen muntern Scherz. Gärtchen und halb zerfallenen Zäunen. Sind verweht, die Gebeine der Helden, Weit hinauf bauten die Schwalben nach- erloschen ist ihrer Thaten Gedächtniß! barlich ihr Nest. In diesen morschen Trümmern nistet Wie die friedlichen Hütten dort unten nun Verwesung; Fledermaus und Eu- so fahrlos ruhen, inzwischen ungeheure len flattern bei Nacht um des alternden Felsenstücke grausen drüber hinschwe- Thurmes Höh‘ und unter moosigen Ge- ben und ihren Absturz drohn! stein bettet sich der Salamander. Ein grünes Nez von Rankengewächsen ums spinnt freundlich die herunterdro- Ausschnitt aus Meine Wallfahrt nach Paris - hende Last und scheint sie allein noch an 1796 vom Christoph Friedrich Leers (1769 ihrer Stelle zu fesseln. - 1825). Christoph Friedrich Leers wurde in Wunderbar durcheinander gewürfelte Wunsiedel geboren und war ein deutscher Kaufmann, Fabrikant und Magistratrat der Felstrümmern liegen in schauerlichem Stadt Bayreuth. Leers beteiligte sich im hohen Gemisch umher, jeden Augenblik bereit, Maße am öffentlichen Leben und engagierte in die schwindlichte Tiefe prasselnd hin- sich für die verschiedensten sozialen Einrich- unter zu fahren; nur ein karges Moos, ein tungen im Bayreuth seiner Zeit. Seinen Nach- mageres Steingras grünt dort und hie. lass stiftete er zur Errichtung des Leers’schen Endlich ist der Berg erstiegen; manches Waisenhauses. müde Ach! ward geseufzt und mancher 25
AUSSTELLUNGEN Silent Landscapes – im Stillen laut von Inken Bößert „B itte nicht berühren“ – dies fällt bei Betty Beiers Erdschollen besonders schwer. 100x100x5-20 cm messen die dahinter. Bedrückend wird sichtbar ge- macht, was wir längst wissen. Wir ver- ändern die Welt. Weltweit. Klimawandel, dreidimensionalen Bildskulpturen. Ein illegale Brandrodung, Hafenerweiterung, Quadratmeter der Erde, ein Quadratme- Staudammbau. Alles von Beier in Kunst- ter, der wegen seiner Geschichte als Ab- harz oder Acryl festgehalten. druck festgehalten wurde. Eine Geschich- Erfrischenderweise wird der Wissens- te der Vergänglichkeit. Die zukünftige durst gelöscht. Fundort der Abnahme Vergänglichkeit, wie beim Schneeferner. und Datum sind minutiös festgehalten. Als Beier diesen Quadratmeter Gletscher Die Geschichte dahinter kann auf Inter- in den Bayerischen Alpen künstlerisch netseiten per QR-Code noch in der Aus- verewigte, war seine Vergänglichkeit vor- stellung erkundet werden. Das „Gefährt“, gezeichnet. Er schmolz. Oder die vollzo- mit dem Beier zu den Fundorten kommt, gene Vergänglichkeit der Erdscholle aus ist ebenso Teil der Ausstellung wie Zeich- Paraguay. Diese dokumentiert das, was nungen und Fotografien. nicht mehr da war, als der Quadratmeter Nun könnte man die Ausstellung ver- Erde zur Erdscholle wurde. Durch illega- lassen und „Was kann denn eine Ausstel- le Brandrodung hält die Bildskulptur fest, lung…“ seufzen. Aber „Mind the gap“! was durch menschlichen Eingriff unwie- Diese Ausstellung kann mehr. In einem derbringlich ist. Oder aus Island, China, Zeitalter, in dem der Mensch der wich- Alaska, Brasilien, Hamburg – demnächst tigste Einflussfaktor auf geologische, at- auch von der Frankenalb in der Fränki- mosphärische und biologische Prozesse schen Schweiz.. geworden ist, wurden Wege gesucht, die- So wie die Ästhetik der Erdschollen be- sen Einflussfaktor zu begeistern. Inspirati- rührt, so ergreifend sind die Geschichten on gab das vor 500 Jahren gemalte Aqua- 26
rell „Das große Rasenstück“ von Albrecht Franken verortet. So führt Anke Jentsch, Dürer, auf dem sich Pflanzenarten des Biologin, Professur für Störungsökolo- fränkischen Wiesenstücks identifizieren gie, Universität Bayreuth, unter ande- lassen. Auf den Spuren Dürers und an- rem Bildungsaktionen mit Jugendlichen, hand von naturwissenschaftlichen Expe- Gletscher-Exkursionen, Gelände-Expe- rimenten zur Rolle von Biodiversität für ditionen zu Biodiversitätsforschung und die nachhaltige Nutzung von Grünland Klimawandel durch. Und eine weitere sollen Kunstwerke aus Oberfranken zum Erdscholle wird entstehen - aus dem Fich- Thema Artenschwund und Biopiraterie telgebirge. Eine weitere (öko)politische entstehen. Dafür wurde die Zusammen- Skulptur, die nicht mit dem mahnenden arbeit von Menschen aus Wissenschaft, Zeigefinger daherkommt, die nicht laut Kunst und Medien in Zusammenarbeit schreit und anklagt, sondern auf beson- mit Jugendlichen gewagt und heraus kam dere Weise wachrüttelt. Beier sagt: „Bö- das Projekt: „Mind the gap! Wissenschaft den sind Archive, die vom Einwirken der und Kunst zu Artenschwund in Fran- Menschen zeugen.“ Und macht daraus ken.“ Hierbei werden aktuelle, lokale gesellschaftsverändernde Kunst. Durch Herausforderungen des Artenschwunds die Konservierung des Erinnerungspo- mit den globalen Erkenntnissen der Bio- tenzials der Erde, Silent Landscapes, die diversitätsforschung verbunden und in im Stillen laut sind. Anzeige 27
Anzeige Humboldt-Wanderung Goldkronach Termine: immer samstags von 11.00 – 18.00 Uhr 23. April, 28. Mai, 11. Juni, 16. Juli, 20. August, 24. September und 15. Oktober Ausgangs- und Zielpunkt: Marktplatz Goldkronach Geführte Humboldt-Wanderungen mit David Zinke Während der Wanderungen gibt es Erläuterungen über und Hartmut Koschyk auf dem Humboldtweg die Geschichte des Bergbaus in Goldkronach und die rund um Goldkronach mit Humboldt-Brotzeit. fränkischen Jahre Alexander von Humboldts. Bei dieser Wanderung begehen wir den „Humboldtweg“, sowie einen Teil des „Fränkischen Gebirgsweges“ und bestaunen die Relikte des über Jahrhunderte andauern- den Goldkronacher Bergbaues. Neben historischen Er- läuterungen zum Bergbau und der Geschichte der Stadt Goldkronach erfahren wir auch viel über das Leben und Wirken Alexander von Humboldts in Goldkronach und dem Fichtelgebirge und genießen verschiedene herrli- che Ausblicke über die Landschaft und die umliegenden Täler. Weiterhin ist eine „Humboldt-Brotzeit“ Teil der Wanderung. Die Wegstrecke umfasst knapp 12 Kilometer bei ange- nehm verteilten 400 Höhenmetern und mehreren klei- nen Rastmöglichkeiten. Festes Schuhwerk, dem Wetter angepasste Kleidung und Getränkemitnahme werden empfohlen. Hier ein Einblick in die Wanderroute: https://v.bayern.de/kWNPj Der Unkosten-Beitrag beträgt pro Person 10 Euro einschließlich der Humboldt- Brotzeit! Anmeldung erforderlich unter Telefon: 09241/4858592 oder E-Mail: info@humboldt-kulturforum.de www.humboldt-kulturforum.de
BIBLIOTHEKEN Die Bibliothek des Lastenausgleichsarchivs von Frank Piontek W enn dieses Heft – wir schreiben An- fang April 2022 – herauskommt, werden nach nur fünf Wochen vier Mil- und Berlin das deutsche Archivgut ver- walteten, bearbeiteten und herausgaben: als historisches Gedächtnis, das Millionen lionen Ukrainer ihr Land verlassen ha- Dokumente, die zwischen 1495 und der ben. Damit haben wir es mit der größten Gegenwart entstanden, sicherte und nutz- Fluchtbewegung zu tun, die seit 1945 in bar machte. Das Bayreuther Archiv kam derart kurzer Zeit über die Welt kam. In 1989 hinzu: als Zentralarchiv für den Bayreuth erinnert ein Ort in besonderer Lastenausgleich, also für alle Dokumen- Weise an eine andere Flüchtlingskrise, die te, die als Objekte des Kriegsfolgenrechts gleichfalls beispiellos war: an die Flucht für eine Archivierung in Frage kamen. In und Vertreibung all jener deutschspre- mehr als 30 laufenden Kilometern wer- chenden Menschen, die zwischen 1945 den im früheren Krankenhaus der Stadt und 1950 aus den deutschen Ostgebieten Bayreuth in der Dr.-Franz-Str. 1 u.a. die sowie aus Ostmittel-, Ost- und Südost- Akten der Ausgleichsverwaltung gelagert, europa gewaltsam nach Westen gespült die viele jener Schäden widerspiegeln, die wurden. die Vertriebenen und die Flüchtlinge sei- Unter den Bayreuther Archiven ragt also nerzeit erlitten. Zu den Archivalien gehört eines besonders heraus: das Lastenaus- nun auch – wie in allen anderen Standor- gleichsarchiv, das als Außenstelle des Bun- ten des Bundesarchivs – eine Bibliothek. desarchivs firmiert. Zieht man all jene Knapp 20000 Bände bilden genau jenes Standorte ab, die nach der Integration Thema ab, das in den Originaldokumen- der Stasi-Unterlagen in die Bestände des ten pure Zeitgeschichte und deren soziale Bundesarchivs hinzukamen, hatte man Bewältigung durch den Lastenausgleich es bis zum Mauerfall mit sieben großen ist: hier wie dort geht es um die Verhält- Archiven zu tun, die zwischen Koblenz nisse in den Ostgebieten des ehemaligen 29
Deutschen Reichs, um Flucht und Ver- literatur, die, da es sich um eine Dienstbi- treibung am Ende des 2 Weltkriegs, um bliothek handelt, neben den Archivalien die Integration der Vertriebenen und im Benutzersaal gelesen und ausgewertet um Millionen Aussiedlerschicksale. So werden können. Eine Ortschronik von Ja- wird etwa die im Archiv befindliche, in cobshagen, Kreis Saatzig (Pommern), ein den 1950er Jahren entstandene Ost-Do- Buch über die Evangelische Volksschule kumentation durch eine sehr eigene Art in Lemberg, über deutsche Kolonien im von historischer Primärliteratur ergänzt: Gouvernement Kijew oder die Beziehun- Den 30.000 Berichten, durch die die gen zwischen der Stadt Weiden und Böh- Erlebnisse der Menschen in den letzten men in den Jahren 1241 bis 1600 mag Monaten des Zweiten Weltkriegs, aber nur wenige interessieren – das Wissen um auch die Wirtschafts- und Lebensver- die historischen Zusammenhänge, Er- hältnisse in den ehemaligen Ostgebieten eignisse und Orte zu sammeln ist per se lebendig werden, stehen jene Bücher zur sinnvoll, weil die Geschichte und damit Seite, die man vermutlich in kaum einer die Menschen, die sie machten, niemals anderen Bibliothek finden wird: spezielle ohne die nur scheinbar abseitigsten De- Ortschroniken, ganze Reihen von Tele- tailkenntnisse angemessen beurteilt wer- fonbüchern, Autobiographien und viele den können, oder, um es in ein Bild zu andere Werke, die für die Erforschung bringen: Ein großes Gemälde besteht aus von Flucht und Vertreibung, für die Re- Abertausenden von Pigmentflecken. gionalgeschichte und Familienkunde der Der literarische Schatz wurde übrigens ehemaligen deutschen Ostgebiete und titelmäßig digital erschlossen: auf der Sei- für die frühe Sozial- und Gesellschafts- te https://bibliothek.bundesarchiv.de/F geschichte der Bundesrepublik Deutsch- kann der Interessent mit Namen und land unverzichtbar sind. Der Leiter des Stichworten schon mal recherchieren, was Lastenausgleichsarchivs, Karsten Kühnel, über die alten Heimatorte Stettin, Bres- weist darauf hin, dass die Historiker den lau oder Schlesien so alles gelesen wer- Wert der Bibliothek gelegentlich unter- den kann. Im Blick auf die gegenwärtige schätzen, da sich doch auch in ihren Be- Flucht der bedrängten Ukrainer kann ständen äußerst seltene Geschichtsquellen man – auch als Bayreuther Geschichts- befinden, die das Wissen um das Leben freund – allerdings nur hoffen, dass ein in den ehemaligen deutschen Ostgebieten wertvolles Historisches Archiv der Ukrai- gespeichert haben. Kommen hinzu die ner, das sich ausserhalb des Kriegsgebietes Bände einer Sekundär- und Forschungs- befindet, niemals nötig sein wird. 30
GESCHICHTEN AUS DEM WALD Jagdsaison von Irmintraut Jasorka S ie saßen dicht beieinander, der alte Berg Raabe und sein Waldwichtel. In der Dämmerung erschien der schlan- ke Laubfrosch größer als gewöhnlich – und sehr aufgeregt. „Wichtel – Wichtel hör doch!“ Wichtel hörte. „Wohin so has- tig!“ „Er ist soeben vorübergegangen! Kleiner König, hat er gesagt, warum bist du nicht bei der Chorprobe zum Feiertag? Ich kann doch nicht singen, Herr“, habe ich gesagt – und Er – „Ich gebe dir eine Stimme! Du sollst einen langen tiefen Ton singen, mit einem kleinen Kullern am Ende! Und du sollst so lange singen, wie jemand dich hört!“ „Und jetzt muss ich zur Chorprobe – aber wo ist die?“ „Nächs- te Wiese links – Schraat, mein Rabe, du bist doch ein Sing- vogel – jetzt los!“ Von der Wiese tönte es: Löffel der Feldhase schlug den Rhythmus mit dem Hinterlauf. Tack, Tack, Tack! Sieben junge Zaunkönige saßen brav einer über den anderen auf dem Busch am Steinbruch; Auerhahns Familie kollerte im Takt, der Fuchs bellte sein „Hi“ synkopisch dazwischen. Gril- len zirpten, Mäuse pfiffen, der Schlag der Hasenpfote hielt alle zusammen. „Halt – jetzt kommt die neue Stimme!“ rief der Wichtel – und ein langer runder Sang kam aus der Kehle des kleinen Froschkönigs, Jubel und ein wasserheller Triller. Pause. „Das ist ja herrlich!“ rief der Wichtel. „Eine Sängerin fehlt noch – aber da ist sie schon!“ Dann sang die Amsel. Die Chor- gemeinschaft fiel zurück – leise schwankend, drängend; und die Amsel sang. Hoch oben auf der Baumspitze jubelte sie ihr Frühlingslied, ein Beben ging durch den Wald, die Süße des Lebens. Jäh brach der Wohllaut ab. Die Kugel pfiff – ein Knall, ein ferner langer Klagelaut. – Die Wiese war leer, die Amsel fort, „Jagdzeit!“ sagte der alte Rabe und flog davon. Am nächsten Morgen schon, der Tau benetzte die grünen Wiesen, hörte man sie wieder musizieren. 31
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VOM GRÜNEN HÜGEL Tonbandgespräche m it Wolfgang Wagner Bayreuth 6. August 1985 von Raymond Tholl M aria Müller (1898 Theresien- stadt +1958 Bayreuth) debütierte 1919 als Elsa in Richard Wagners Lo- en auf. Weitere Gastspiele führten sie nach Salzburg, London, Mailand, Paris, Wien und Hamburg. Nach dem hengrin am Linzer Stadttheater. Nach zweiten Weltkrieg ist sie noch gelegen- Engagements in Brünn (1920/21), tlich an der Städtischen Oper in Berlin am Deutschen Theater in Prag (1921- aufgetreten. Maria Müller beherrschte 23) und an der Münchner Staatsoper ein vielfältiges Repertoire, war aber be- (1924/1925) kam sie 1926 an die Städ- sonders als Wagner-Sängerin berühmt. tische Oper und 1927 an die Staatsoper (Das neue Lexikon der Musik / Verlag in Berlin, der sie bis Ende des Zweiten J.B.Metzler) Weltkriegs angehörte. 1925-35 war sie gleichzeitig an der Metropolitan Opera Herr Wagner, wie bei den meisten in New York, wo sie auch im italien- deutschen Sängern ihrer Generation setzte ischen Fach gefeiert wurde. 1930 trat sie der zweite Weltkrieg einen Strich unter die erstmalig bei den Bayreuther Festspiel- Fortsetzung einer Weltkarriere der Ma- 33
ria Müller. Als die Städte in Trümmern Sind Sie Maria Müller, die 1958 in lagen, war diese Sängerin Mitte vier Bayreuth starb, in den letzten Jahren zig, und ihr Herz war gebrochen durch ihres Lebens begegnet? den Verlust ihres Mannes. Wann begeg- neten Sie zum ersten Mal Maria Müller? Sie war sehr zurückhaltend und hat das Schicksal nie überwunden, dass 1944 habe ich als junger Mann mit ihr Mann am Schluss des Krieges noch 25 Jahren unmittelbar noch mit die eingezogen wurde und gefallen ist. Sie ser großen Künstlerin arbeiten können, wurde nach dem Krieg hier in Bayreuth und habe nachher die ganze Tragödie bei einer Dame aufgenommen, bei der erlebt. Bedingt durch ihren im Krieg sie immer während den Festspielen ge- gefallenen Mann war sie vollkommen wohnt hat. Trotzdem lebte sie in ein- hilflos und dadurch starb sie hier. Es er totalen Einsamkeit und wollte auch war ein Trauerspiel, denn sie war so niemand empfangen. Wir haben noch stark an ihren Mann gebunden, der al- einmal versucht, sie in einem Konzert les für sie abnahm, alles also was mit hier zu reaktivieren, vor 1951. Das hat ihrer sängerischen Karriere, mit ihrer sie gemacht, sie sang die Hallenarie, es Laufbahn zu tun hatte. war ein grosser Triumph für sie, sie ist Er war ein echter Manager und Betreuer dann aber nie mehr bei uns aufgetreten. und wie der nicht mehr da war, sie Ich habe in den Jahren immer wieder hätte bestimmt noch viel mehr leisten versucht, sie zu besuchen, aber leider können, sackte sie in sich zusammen. ohne Erfolg. Sie wollte nicht mehr an Sie hatte also niemand, der sie irgend- ihre glanzvolle Zeit in Bayreuth erin- wie führen konnte. nert werden und ich erfuhr nur über Bayreuther Leute, wie es ihr ging. Anzeige Industrie- und Glasmuseum Fichtelgebirge e.V. Das Museum sucht einfache Staffleien Telefon: 09276-787 34
KULTURTERMINE Gartengeschichte erleben und verstehen Freitag, 01.4.2022 Führung im Gartenkunst-Museum Schloss Fantaisie Bildergucken 14.00 Uhr Interessante Einblicke SGV Bayreuth 14.00 Uhr ↸ Gartenkunst-Museum Schloss und Park Fantaisie RW21 Maunz‘ und Wuffs guter Tag ↸ Richard-Wagner-Str. 21 Mobiles Kinderstück von Timo Parvela 15.00 Uhr Erzähl mir doch (k)ein Märchen Studiobühne Bayreuth Märchen und deren Geschichte 19.00 Uhr Offenes Geheimnis – Die verborgene Botschaft ↸ vhs Bayreuth Führung in der Staatsgalerie im Neuen Schloss 15.00 Uhr Glückliche Tage SGV Bayreuth Von Samuel Beckett ↸ Neues Schloss 20.00 Uhr Studiobühne Bayreuth Orgelperformance: 42 und die Weltformel Revolutions-Requiem-Zyklus mit Peter Kees Samstag, 02.4.2022 19.00 Uhr Michael Dorn Vorlesestunden ↸ Stadtkirche Bayreuth Spannende und lustige Geschicten 11.00 Uhr Dienstag, 05.4.2022 RW21 ↸ Richard-Wagner-Str. 44 Junge Meisterpianisten Klaviersonaten aus 3 Jahrhunderten Orgel um 12 19.30 Uhr 12 Eine Andacht mit Pfr. M. Gundermann und KMD ↸ Steingraeberhaus Kammermusiksaal 12.00 Uhr Michael Dorn Rollin‘ Chocolate Band ↸ Stadtkirche Bayreuth Süb-Live-Konzert 20.00 Uhr 2 Maunz‘ und Wuffs guter Tag ↸ Kunst- und Kulturhaus Neuneinhalb Mobiles Kinderstück von Timo Parvela 15.00 Uhr Mittwoch, 06.4.2022 Studiobühne Bayreuth Arild Andersen Group Vorlesestunden Eine Legende des norwegischen Jazz Spannende und lustige Geschichten 20.00 Uhr 24 16.00 Uhr 12 Jazzforum Bayreuth e. V. RW21 ↸ Bechersaal ↸ Richard-Wagner-Str. 45 Kammerorchester des Nationaltheaters Prag Sonntag, 03.4.2022 Mit Petr Vronský und Franziska Hölscher 17.00 Uhr 37,50 Sonntagsführung Deutsches Gewürzmuseum Das Zentrum 10.30 Uhr Kulmbacher Mönchshof Alle aktuellen Kulturtermine ↸ Museen im Kulmbacher Mönchshof unter: www.kulturbrief.de 35
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