The Time is now Wann ist ein Mann ein Mann? - Interview mit Comiczeichner Ralf König - kultur.west

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The Time is now Wann ist ein Mann ein Mann? - Interview mit Comiczeichner Ralf König - kultur.west
The Time is now
  Junge Malerei im Kunstmuseum Bonn

Wann ist ein Mann ein Mann?
 Interview mit Comiczeichner Ralf König

Messen, Menschen, Sensationen
       Der Kunst-Herbst in NRW
                 VERLAGSBEILAGE
The Time is now Wann ist ein Mann ein Mann? - Interview mit Comiczeichner Ralf König - kultur.west
Inhalt                                                                 Kunst Special 2019

4    Märkte, Menschen, Möglichkeiten                  31   Schau hin!
     Kunst-Notizen aus NRW                                 Ausstellungstipps von Stefanie Stadel

6    »Gegen den wirklichen Rassismus                  36   Wo man diesen Herbst Kunst
     kommt man nur schwerlich an.«                         gucken und kaufen kann
     Interview mit dem Comiczeichner                       Wichtige Messen im In- und Ausland –
     Ralf König                                            eine Auswahl

14   Alles Malerei!                                   38   Und nebenan?
     Zu Besuch bei Malern der Jetzt!-                      Das bringt der Kunst-Herbst in
     Ausstellung im Kunstmuseum Bonn                       Belgien und Holland.

22   Mit vollen Händen                                40   Von Aachen bis Wuppertal
     Interview mit Andrea Firmenich,                       Ausstellungskalender
     der neuen Geschäftsführerin der
     Kunststiftung NRW                                44   Himmel & Erde
                                                           Tipps und Trends im September
24   Mehr, mehr, mehr!
     Braucht NRW neue Kulturhäuser?
     Ein Kommentar von PeterGrabowski

26   Wohngemeinschaft im Grünen
     Zu Besuch auf Gut Hasselrath in Pulheim

                                                           degree
     I M P R E S S U M
                                                           show
                                                             Die Absolvent*innen
     M U S I K S P E C I A L                                 des Sommersemesters 2019
     KULTUR.WEST                                             der fabdk I HBK Essen
                                                             präsentieren ihre
                                                             Abschlussarbeiten.

     kultur.west erscheint zehn Mal im Jahr
     im Verlag K-West GmbH                                                                  VERNISSAGE
     Dinnendahlstr. 134 | 45136 Essen                                                       27.09.2019
     Tel.: 0201 / 49 068-14 | Fax: 0201 / 49 068-15                                            19 Uhr
     www.kulturwest.de
                                                                                           AUSSTELLUNG
     REDAKTION                                                                            28.09 - 02.10.2019
     V.i.S.d.P.: A. Wind
                                                                                              10-19 Uhr
     M A R K E T I N G
     MaschMedia, Oberhausen

     L A Y O U T
     Morphoria, Pecher

     D R U C K
     Lensing Druck GmbH u. Co KG, Dortmundd

     T I T E L                                                                          HBK-ESSEN.DE | FADBK.DE
     Vivian Greven: Leea, 2017. Foto: Ivo Faber
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Märkte,                                                 Kunstnotizen
                                                               aus NRW
    Menschen,                                                                                                       Lauter erste Male –                                                                      Anatol-Museum
    Möglichkeiten                                                                                                   mit Rudolf Zwirner                                                                          in Moers
    TEXTE   ANNIKA WIND        Wenn der                                                              1959 eröffnete er seine erste Galerie in Essen, nicht unweit vom Museum
                                                                                                     Folkwang. Einer seiner ersten Gäste? Cy Twombly. Einer von so vielen, die
                                                                                                                                                                                                             Er war Polizist, (Lebens-)Künstler und
                                                                                                                                                                                                             Gefährte von Beuys. Im Frühjahr ist
                               »Zauberlehrling«                                                      Rudolf Zwirner im Laufe seiner Karriere entdeckte und förderte. Wenig spä-                              Anatol Herzfeld (1931-2019) gestorben –
                               wieder tanzt …                                                        ter sollte in den damals neuen Galerieräumen in Köln Joseph Beuys seine
                                                                                                     erste Aktion mit Fett zeigen. Köln, die Stadt der zeitgenössischen Kunst,
                                                                                                                                                                                                             in Moers hat man ihm nun ein eigenes
                                                                                                                                                                                                             Museum eingerichtet. Denn Anatol hatte
                                                                                                     ist eng mit seinem Namen verbunden. »Ich wollte immer Gegenwart« hat                                    die letzten zehn Jahre seines Lebens nicht
                               … dann ist auch der neue Emscherkunstweg nicht
                                                                                                     Rudolf Zwirner, Jahrgang 1933, denn auch seine Autobiografie genannt, die                               nur auf der Museumsinsel Hombroich
                               fern. Denn einige der 17 Skulpturen des Kunstpro-
                                                                                                     er gemeinsam mit Nicola Kuhn aufgeschrieben hat. Erscheinen wird sie nun                                verbracht, sondern auch im Seewerk
                               jekts, das im Rahmen der Kulturhauptstadt Ruhr.2010
                                                                                                     im September im Wienand Verlag (200 Seiten, 28 Euro).                                                   in Moers-Kapellen. Angelika Petri und
                               an den Start ging, werden gerade saniert oder gar neu
                                                                                                                                                                                                             Frank Merks funktionierten ein ehema-
                               errichtet. 2013 hatte das Künstlerkollektiv Inges Idee
                                                                                                                                                                                                             liges Fabrikgelände in einen Kunstraum
                               einen tanzenden Strommast in die Nähe von Haus
                                                                                                                                                                                                             am Silbersee um, in dem nun private Fo-
                               Ripshorst in Oberhausen gestellt. Nun wird die 35
                               Meter hohe Neuauflage offiziell von der Emscherge-                              Aber bitte mit Mammut                                                                         tos, Zeichnungen und Zettel auch Ana-
                                                                                                                                                                                                             tols Arbeiten und Aktionen der vergan-
                               nossenschaft an den Regionalverband Ruhr überge-
                                                                                                                                                                                                             genen Jahre dokumentieren.
                               ben – im Rahmen eines »Spätsommerfestes am Zau-                       Alles ist Kunst. Irgendwie. Aber ein Museum, dessen berühmtestes Exponat
                               berlehrling«. Zwischen 12 und 20 Uhr sind Musik,                      ein riesiges Wollhaar-Mammut ist nichts ohne Namen. Rund vier Jahre ist
                                                                                                                                                                                                                       WWW.DAS-SEEWERK.DE
                               Workshops mit Kindern und Poetry Slams geplant,                       das Naturkundemuseum in Dortmund saniert worden, 2020 ist die Wie-
                               aber natürlich auch Touren zu den weiteren Arbeiten                   dereröffnung geplant. Wovon? Das können Sie mitbestimmen: Vorschläge,
                               entlang der Emscher. Künftig soll der Skulpturenweg                   wie das neue, alte Haus künftig heißen soll, nimmt die Stadt Dortmund bis
                               dann ein dauerhaftes Ausstellungsformat werden                        6. September per Mail an NeuerNameMuseum@dortmund.de entgegen.
                               – und weiter wachsen. Britta Peters, die als künstle-
                               rische Leiterin schon die »Urbane Künste Ruhr« in
                               diesem Jahr neu aufgesetzt hat, nimmt dafür mit der
                               Kuratorin Marijke Lukowicz weitere Künstler in den
                               Blick: Zurzeit arbeitet Nicole Wermers an einer neu-                                                                                                PROGRAMM
                                                                                                                                                                      OKTOBER—DEZEMBER
                               en Skulptur in der Nähe der A42, für die sie Alltags-
                               gegenstände in neue Zusammenhänge setzt. Danach

                                                                                                                                                                                                Eine Auswahl
                               will sich Julius von Bismarck mit der Geschichte des
                               Ruhrgebiets beschäftigen – und historischer Bau-
                               substanz.                                                                                                              30.10.—03.11.
                                                                                                                                                IMPACT19
                                                                                                                                                        ›Weaving Traces‹                  IMPACT19                  URAUFFÜHRUNG IM RAHMEN
                                               WWW.EMSCHER-WEG.DE                                                                                Mit Ingrid LaFleur, Meg Stuart,               31.10.                          VON KONSTELLATIONEN
                                                                                                                                                   Silke Huysmans &                                                        29.+ 30.11.
                                            WWW.EMSCHERKUNST-WEG.DE                                      DEUTSCHLANDPREMIERE
                                                                                                                11. + 12. 10.                          Hannes Dereere                SILKE HUYSMANS &                      BRIGEL GJOKA /

                                                                                                                                                                                                                                                             Photo ©: Marc Domage
                                                                                                         BORIS CHARMATZ /                                                             HANNES DEREERE /                    RAUF›RUBBERLEGZ‹YASIT
                                                                                                          TERRAIN                                                                          CAMPO
                                               Foto: Andreas Fritsche / EGLV                                                                                                             ›Pleasant Island‹
                                                                                                                        ›infini‹     DEUTSCHER TANZPREIS 2019
                                                                                                                                        18.10.                                                                              URAUFFÜHRUNG
                                                                                                                                                                               URAUFFÜHRUNG
                                                                                                                                         ISABELLE SCHAD                             15.+ 16. 11.
                                                                                                                                                                                                                               06. + 07. 12.
                                                                                                                                                  ›Collective Jumps‹
                                                                                                                                                                                     EVA MEYER-KELLER                     ESZTER SALAMON
                                                                                                                                                                                                                            ›Monument 0.6: Heterochronie /
                                                                                                                                                                                   ›Living Matters‹                               Palermo 1559—1920‹

                                                                                                                                                         NOW! FESTIVAL                 KONSTELLATIONEN
                                                                                                                                                           25.—28.10.                   29.11.—01.12.
                                                                                                                                                      ELECTRIC FLUX —                    WILLIAM FORSYTHE /          KONZERTREIHE
                                                                                                                                                                                                                  13.10. + 10.11.+ 15. 12.
                                                                                                                                                       EIN LANGES SYNTHESIZER
                                                                                                                                                          WOCHENENDE                   RAUF›RUBBERLEGZ‹YASIT /      PACT X
                                                                                                                                                                                              BRIGEL GJOKA       ENSEMBLE       MUSIKFABRIK
                                                                                                                                                                                           Installation / Film /
                                                                                                                                                                                         Neues Choreographisches Objekt

                                                                                               PACT ZOLLVEREIN
                                                                                               Choreographisches Zentrum       Öffentliche Förderer
                                                                                               NRW Betriebs GmbH
                                                                                               Bullmannaue 20 a, 45327 Essen
                                                                                               Infos & Tickets:
                                                                                              +49 (0)201.812 22 00
4              KUNST SPECIAL                                              KULTUR.WEST 09/19    WWW.PACT-ZOLLVEREIN.DE
The Time is now Wann ist ein Mann ein Mann? - Interview mit Comiczeichner Ralf König - kultur.west
»Gegen den wirklichen
                                                                                                                            Rassismus kommt man nur
                                                                                                                            schwerlich an, da ist es
                                                                                                                            einfacher, sich auf Comic-
                                                                                                                            figuren zu stürzen.«
                                                                                                                                                                            INTERVIEW   VOLKER K. BELGHAUS
                                                                                                                                                                                 BELGHAUS@KULTURWEST.DE

                                                                                                                                Ralf König zeichnet seit Jahrzehnten schwule
                                                                                                                                Comics. Ironisch und ikonisch, vom normalen
                                                                                                                                Alltag bis zur Schöpfungsgeschichte und Evo-
                                                                                                                                lution. Vor einiger Zeit wurde sein Comic-Wand-
                                                                                                                                bild in Brüssel mit Farbe besprüht – wegen
                                                                                                                                angeblicher rassistischer und transfeindlicher
                                                                                                                                Darstellungen. Ein Gespräch über die Freiheit
                                                                                                                                der Kunst, die politische Korrektheit von Karika-
                                                                                                                                turen und einen Hoden-Streit, der keiner war.
                                                                                                    K_West_Monat_2019_LWL_x1a_Layout 1 13.07.19 10:00 Seite 1

                                                                                                            9. Westfälische
                                                                                                            Kulturkonferenz
                                                                                                            Kulturland Westfalen: Selbermachen
                                                                                                            ..............................................................................................................................................

                                                                                                            11 / 10 / 2019 Ruhrfestspielhaus, Recklinghausen
                                                                                                                                                                                             gefördert vom:
                                                                                                            Programm und Anmeldung unter
                                                                                                            www.kulturkontakt-westfalen.de
    Der Zeichner ist anwesend: Ralf König im Kölner Atelier, Foto: vvg-koeln

6   RUBRIK
    KUNST SPECIAL                                                              KULTUR.WEST
                                                                                KULTUR.WEST09/19
                                                                                            9/ 19
The Time is now Wann ist ein Mann ein Mann? - Interview mit Comiczeichner Ralf König - kultur.west
Die Evolution – aus der Sicht von Ralf König. Foto: Ralf König/Rowohlt Verlag

                                                                                                                                                         Spätsommerfest
                                                                                                                                                         am Zauberlehrling
kultur.west: Herr König, seit 2015 gibt es das Wandgemälde
mit Charakteren aus Ihren Comic-Bänden an der Fassade des
Brüsseler LGBTI-Zentrums »Rainbow-House«. Im vergange-
nen Jahr sprayten Unbekannte die Worte »Transphobia« und                                                                                                 Samstag, 28. September 2019
                                                                                                                                                                                                 Gefördert durch:
»Racism« auf Ihre Darstellungen einer Drag-Queen und einer                                                                                               12 bis 20 Uhr
lesbischen, schwarzen Frau. Im Frühjahr hat Ihnen das »Rain-       kultur.west: In dem Brief stört man sich an den Lippen der                            Eintritt frei
bow-House« eine zweiseitige Mail geschrieben, mit der Auffor-      schwarzen Aktivistin, die vor der Regenbogenflagge die Faust
                                                                                                                                                         Haus Ripshorst, Ripshorster Str. 306,
derung, beide Figuren zu ändern, sonst »hätte man keine ande-      hochreckt: »Diese Darstellung hat ihren Ursprung in rassis-                           46117 Oberhausen
re Wahl, als einen anderen Künstler zu bitten, ein Ersatzbild zu   tischen und kolonialistischen Bildern, in denen die Körper-
entwerfen«. Wie war Ihre Reaktion auf das Schreiben?               merkmale schwarzer Menschen oft auf wenige oberflächliche                             www.emscherkunstweg.de
         RALF KÖNIG: Also, die Sprayer waren wohl nicht            Merkmale reduziert wurden. Zudem wirkt ihr gesamter Ge-
unbekannt, die kamen ja aus den eigenen Reihen des »Rain-          sichtseindruck unintelligent und abweisend.«
bow-House«. Es muss schon vorher heftigen internen Streit ge-               KÖNIG: Das mit dem »unintelligent« und »abweisend«
geben haben, von dem ich aber nichts wusste, und die Sprayer       verbuche ich mal unter Blödsinn. Aber die Lippen – ich weiß
machten quasi kurzen Prozess. Ich bekam zuerst eine betretene,     noch genau, dass ich die bewusst lippenstiftrot gemalt habe,
entschuldigende Mail. Die Auftraggeber, die vor fünf Jahren        weil die Figur für mich positiv und selbstbewusst ist. Und wer
das Bild mit mir eingeweiht hatten, waren wohl ebenso über-        bei mir Lippenstift trägt, hat automatisch diese dicken Lippen,
rumpelt wie ich. Dann hörte ich über ein halbes Jahr nichts        ob Frau oder Tunte oder schwarze Lesbe. Allerdings würde ich
mehr. In dieser Zeit hatte dort ein Generationswechsel statt-      das heute nicht mehr so arglos wiederholen. Ich habe gelernt,
gefunden, jedenfalls bekam ich diese zweite Mail, in der mir       dass sich Schwarze durch solche Bilder verhöhnt fühlen kön-
von einer Aktivistin erst einmal erklärt wurde, was Karikatur      nen, Belgien hat da seine ganz eigene Geschichte. Das Ganze hat
darf und was nicht. Was ich spontan ein bisschen anmaßend          auch mit schlechter Kommunikation zu tun. Wenn man mich
fand. Sowohl von der Spray-Aktion wie von dieser Mail war ich      schon beim Entwurf gebeten hätte, die Lippen anders zu gestal-
ziemlich irritiert und dann auch angepisst. Ich meine, rassis-     ten, hätte ich sicher nicht geblockt, aber erst übersprühen und
tisch und transphob, das sind schon harte Vorwürfe.                dann belehren geht gar nicht.

8          KUNST SPECIAL                                                                                                             KULTUR.WEST 09/19
The Time is now Wann ist ein Mann ein Mann? - Interview mit Comiczeichner Ralf König - kultur.west
Damals noch unbeschädigt: Ralf Königs Wandbild in Brüssel, 2015 Foto: Ralf König

kultur.west: Des weiteren wurde die Drag-Queen als »trans
frau« interpretiert, die keine Bartstoppeln und Körperbe-
haarung haben dürfte. Und außerdem: »Sie steht isoliert von         kultur.west: Da kommt einiges zusammen – ein bedenkliches
der Gruppe und ist die einzige Person mit einer deprimierten        Verständnis der Kunstfreiheit, die Tatsache, dass man sich
Haltung, herunterhängenden Armen sowie einem leeren und             mit dieser Mail hinter die Sprayer stellt und die scheinbare
stumpfen Blick.«                                                    Nichtkenntnis Ihrer bisher erschienenen Comic-Bände. Ihr
          KÖNIG: Das ist nun echt nicht ernst zu nehmen. Wo         Zeichen-Stil ist seit Jahrzehnten bekannt, genauso wie Ihr
steht die Tunte denn isoliert, das ist doch Gruppenbild mit         gesellschaftliches Engagement. Warum kommen jetzt diese
Dame, quasi. In der Mail stand auch, die Figur sei traurig, weil    Anfeindungen gerade aus der Queer-Community? Oder gab
sie dick ist, also auch noch dickenfeindlich! Da geht die PC-Op-    es bereits andere Fälle?
ferrolle wirklich mit ihnen durch. Ich habe im Leben noch nie                  KÖNIG: Nein, das war das erste Mal. Ich hatte eher da-
eine Transfrau gezeichnet, das wird vielleicht mal Zeit, aber das   mit gerechnet, dass das Bild nachts von Schwulenhassern über-
ist eine profane Trümmertunte, die zeichne ich seit 40 Jahren!      sprüht wird, aber nicht von den eigenen Leuten. Stimmt, die, die
Die will schräg aussehen und debil gucken! Ich hatte selbst mei-    mir das vorwerfen, haben vermutlich noch nie einen Comic von
ne spaßige Drag-Phase, da muss mir keiner was erzählen.             mir gelesen, obwohl es die in französischer Übersetzung gibt. Die
                                                                    sind jung, die wissen gar nicht mehr, wer ich alter Sack bin und
                                                                    wofür ich mit meinen Geschichten stehe. Gegen den wirklichen
                                                                    Rassismus in der Welt kommt man nur schwerlich an, da ist es ein-
                                                                    facher, sich auf Comicfiguren zu stürzen. Da hat man auch gleich
                                                                    den Täter, nämlich den Zeichner. Es gibt solche Diskussionen auch
                                                                    bei Asterix oder Lucky Luke. Ich kann dem nicht folgen. Ich habe
                                                                    als Kind begeistert Lucky Luke gelesen und sicher keine rassisti-
                                                                    schen Einstellungen über Indianer und Chinesen davongetragen.
                                                                    Ich habe ihnen geschrieben, sie können das Bild von mir aus über-
                                                                    malen, wenn sich wirklich jemand beleidigt oder verletzt fühlt. So
                                                                    besprüht und mit einem erklärenden Schild versehen, macht es                          Gesellschafter und öffentliche Förderer
                                                                    doch ohnehin nicht mehr viel Spaß.

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The Time is now Wann ist ein Mann ein Mann? - Interview mit Comiczeichner Ralf König - kultur.west
DIE PHOTOGRAPHISCHE SAMMLUNG

                                                                                                                                                                                                         BORIS BECKER ——
                                                                                                                                                                                                         HOCHBUNKER
                                                             kultur.west: Gab es so etwas wie eine Einigung?                               KÖNIG: Das ist ein schönes Beispiel dafür, wie auch             Photographien von
                                                                      KÖNIG: Mein letzter Stand ist, dass man eine Plakette      von den Medien alles gleich aufgeplustert wird. Der Vertrieb
                                                                                                                                                                                                           Architekturen und Artefakten
                                                             anbringen will, die auf die »Problematik« hinweist. Klar wäre es    bei Rowohlt hatte angemerkt, dass man mit dem Buch wo-
                                                                                                                                                                                                           6.9.2019––9.2.2020
                                                             schade, wenn es doch übermalt werden würde. Ich kriege im-          möglich Leser anspricht, die zum Beispiel meinen »Proto-
                                                             mer noch Fotos von gut gelaunten Schwulen gemailt, die sich         typ« mochten, meine Version der biblischen Schöpfungsge-
                                                             vor die gezeichnete Figur Paul stellen und – wie er – das T-Shirt   schichte, die wären vielleicht abgeschreckt von dem großen
                                                             hochheben. Aber das sind natürlich weiße Cis-Männer, die ha-        Hodensack. Ich war von der Arbeit an »Stehaufmännchen«

                                                                                                                                                                                                                                                                                               Photo: Boris Becker: Hamm, Südring, 1987 © Boris Becker, VG Bild-Kunst, Bonn, 2019
                                                             ben angeblich weniger Probleme.                                     so abgenervt, dass ich nicht protestiert habe, ich hab nur seuf-
                                                                                                                                 zend diesen brennenden Ast drüber geklebt und gut war’s. Bis
                                                             kultur.west: In »Stehaufmännchen«, Ihrem neuen Comic-Band,          ich diese Anekdote im Nebensatz einem Journalisten erzählt
                                                             trifft der frühmenschliche Australopithecus Flop in der Savan-      hatte. Prompt hieß die Headline »Ralf König streitet mit Ro-
                                                             ne auf ein gegenwärtiges, ignorantes Urlauber-Ehepaar. Das          wohlt-Verlag über Hängehoden!« Aber es gab keinen Streit
                                                             ist Ihre ganz persönliche Version der Evolution, »eine humane       und schon gar keine »Hängehoden«! Das sind pralle, form-
                                                             Tragödie«. Warum so pessimistisch – war es ein Fehler, auf-         schöne Eier!
                                                             recht zu gehen? Hätte es uns eine Menge Ärger erspart, wenn
                                                             wir auf den Bäumen geblieben wären?                                 kultur.west: Ist es anstrengend, wenn so eine Sache mit dem
                                                                       KÖNIG: Na ja, die Frage mag müßig sein, aber die stell-   Wandbild mehr Beachtung findet als Ihre aktuellen Arbeiten?
                                                             te ich mir eben. An welchem Punkt der Evolution sind wir falsch               KÖNIG: Klar, etwas mehr Aufmerksamkeit für das                    DIE PHOTOGRAPHISCHE
                                                                                                                                                                                                             SAMMLUNG / SK STIFTUNG KULTUR
                                                             abgebogen und haben uns von den natürlichen Kreisläufen ent-        Buch würde ich mir wünschen, immerhin hab’ ich da 14                        Im Mediapark 7, Köln
                                                             fremdet? Da kann man vom Faustkeil bis zur Herstellung von          Monate schwer dran gesessen. Aber heute ist etwas Neues                     Täglich außer Mi 14–19 Uhr
                                                                                                                                                                                                             erster Mo im Monat freier Eintritt
                                                             Plastikmüll eine direkte Linie ziehen. Uns fallen mit diesem gro-   für circa zwei Wochen der heiße Scheiß, dann gibt‘s wieder                  www.photographie-sk-kultur.de
          Oben: »Stehaufmännchen«: Das ursprüngliche         ßen Hirn Dinge ein, die unser Leben zwar bequem machen, aber        was anderes und sowohl Comic als auch Wandbild sind von
                  Cover-Motiv, Foto: Ralf König
                                                             das geht immer auf Kosten der Umwelt. Ich bin wie Flop Kul-         gestern.
         Unten: Die entschärfte Version, Foto: Ralf König/
                         Rowohlt Verlag                      turpessimist, weil ich nicht sehe, wie wir noch die Kurve krie-
                                                                                                                                                                                              RZ AZ K-West_1.indd 1                                                                      12.08.19 12:07
                                                             gen können: Artensterben, Erderwärmung, Überbevölkerung,
                                                             Massentierhaltung, so unendlich viele Probleme. Und unsere
                                                             Alphamännchen heißen Trump und Bolsonaro!

                                                             kultur.west: Haben die Brüsseler Ereignisse Ihre Arbeit an
                                                             »Stehaufmännchen« beeinflusst?
                                                                      KÖNIG: Nein. Die besagte Mail kam erst nach Abga-
                                                             be, und die Übersprühung hatte ich nach der ersten Empörung
                                                             schulterzuckend zur Kenntnis genommen. Ich hoffe ohnehin,               RALF KÖNIG
                                                             dass diese neuen Empfindlichkeiten nie Einfluss auf meine Di-
                                                             aloge und Geschichten haben. Im Gegenteil, ich denke über ein
                                                             Buch über dieses Thema nach. Und ich bin froh, dass ich schwul          1960 in Soest geboren, studierte freie Grafik an
                                                                                                                                     der Kunstakademie Düsseldorf und veröffentlichte
                                                             bin! So wie ich mit Sexualität umgegangen bin, immer aus der            ab 1980 Comics in Gay-Magazinen. Bis heute er-
                                                             Testosteron-Perspektive, das konnte ich nur machen, weil es al-         schienen zahlreiche Comic-Bände, darunter »Der be-
                                                             lermeistens um Männer unter Männern ging. Wenn ich solche               wegte Mann«, die in 18 Sprachen übersetzt wurden.
                                                                                                                                     Ausstellungen und Auszeichnungen folgten, wie
                                                             Geschichten mit Frauen als Objekt der Begierde gezeichnet hätte,
                                                             wäre ich längst der Sexist der Nation.
                                                                                                                                     der Max und Moritz-Preis sowie der Wilhelm-Busch-
                                                                                                                                     Preis für sein Lebenswerk. Ralf König lebt und arbei-                 13.10.2019 —
                                                                                                                                     tet in Köln und Berlin.
                                                                                                                                                                                                           26.1.2020
                                                             kultur.west: Auf dem Cover von »Stehaufmännchen« ist der
                                                             mürrische Erec abgebildet, in dessen früher Version sein gro-
                                                             ßer Hodensack zu sehen war. Von der Verlagsseite her muss-
                                                                                                                                                     WWW.RALF-KOENIG.DE                                                                             Rembrandt van Rijn

                                                                                                                                                                                                                               6.9.2019–19.1.2020
                                                                                                                                                                                                         Kabinettausstellung
                                                             te das Motiv geändert werden. Warum? Das Buch ist voll mit
                                                                                                                                               RALF KÖNIG: »STEHAUFMÄNNCHEN«
                                                             prächtigen Hoden!
                                                                                                                                               ROWOHLT VERLAG, HAMBURG, 2019                                                                        VOM WESEN DER
                                                                                                                                                      192 SEITEN, 24 EURO
                                                                                                                                           LESUNG AM 25. OKTOBER 2019 IM BALLHAUS                                                                   LANDSCHAFT
                                                                                                                                                  IM NORDPARK, DÜSSELDORF                                                                                                Jan van der Kooi

                                                                                                                                                                                                                                                                         www.draiflessen.com

12   KUNSTSPECIAL                                                                                           KULTUR.WEST 09/19    KULTUR.WEST 09/19
                                                                                                                                                                                              LIEBE+VWdL_Anzeige- K.west.indd 1                                                          01.08.19 14:32
The Time is now Wann ist ein Mann ein Mann? - Interview mit Comiczeichner Ralf König - kultur.west
11.– 30.9.2019

                                                                                                                                                                               düsseldorf
                                                                                                                                                                               festival!

               Alles Malerei!                    Unzählige Male schon wurde
                                                 sie totgesagt und im Gegenzug
                                                 genauso oft für höchst leben-
                                                 dig erklärt. Das Hin und Her
                                                                                                                                                                     Outwitting the Devil
                                                                                                                                                                                           Akram Khan Company
                                                                                                                                                                                               NRW-Premiere
                                                 scheint überlebt. Und die
                                                 Erkenntnis setzt sich fest: Die
                                                 Malerei wird es wohl weiter
                                                 geben. Denn bis heute ist es
                                                 ihr beständig gelungen, im
                                                 uralten Rahmen die Spannung
                                                 zu halten. Wie das aussehen
                                                 kann? Ganz unterschiedliche
                                                 Antworten auf diese Frage
                                                 hat Stefanie Stadel in zwei                                                                                                                   Di 24.9. & Mi 25.9., 20 Uhr
                                                 Düsseldorfer Ateliers bei                                                                                                                         Theaterzelt, Burgplatz
                                                 Vivian Greve und Max Frintrop
                                                 gefunden. Beide zählen zu
                                                 den rund 50 Malern*innen,
                                                                                                                                                                      SKULPTURENPARK WALDFRIEDEN WUPPERTAL

                                                                                                                                                                     JOAN MIRÓ
                                                 die ab September bei der
                                                 Großausstellung »Jetzt« in
                                                 Bonn, Chemnitz, Wiesbaden                                                                                           SKULPTUREN 24.8. – 24.11.2019
                                                 und Hamburg antreten,
                                                 um den aktuellen Stand
                                                 des Mediums zu bestimmen.
                                                                            TEXT UND FOTOS
                                                                         STEFANIE STADEL

                                                                                                                         © Successió Miró/VG Bild-Kunst, Bonn 2019
                                                                                                                                                                               Hirschstraße 12 · 42285 Wuppertal
                                                                                                                                                                               www.skulpturenpark-waldfrieden.de

                                                                                                                                                                              Successió Miró
                                                 Aufgerissen. Demnächst gehen die Gemälde von Vivian Greven auf Reisen
                                                 nach Bonn, Chemnitz oder Wiesbaden

14   RUBRIK
     KUNST SPECIAL          KULTUR.WEST
                             KULTUR.WEST09/19
                                         9/ 19   KULTUR.WEST 09/19
The Time is now Wann ist ein Mann ein Mann? - Interview mit Comiczeichner Ralf König - kultur.west
eigenen Anliegen auf den Punkt bringen können.Während
                                                                                                                                       sie so redet, erkennt man durch die Plastikfolien der übrigen
                                                                                                                                       Bilder im Stapel Umarmungen und einander zugewandte Ge-
                                                                                                                                       sichter. Lippen, die sich treffen, oder Hände, die den anderen
                                                                                                                                       halten. Die Arbeiten wandern demnächst zur großen Male-
                                                                                                                                       rei-Ausstellung nach Bonn, Chemnitz, Wiesbaden, Bonn und
                                                                                                                                       Hamburg. Alle mussten bei Sammlern abgeholt werden, denn
                                                                                                                                       die Künstlerin ist ausverkauft – zu Hause habe sie praktisch
                                                                                                                                       keine Bilder mehr. Dem verwunderten Blick ihrer Besucherin
                                                                                                                                       begegnet Greven mit einem zufriedenen Lächeln. »Ja, auch
                                                                                                                                       außerhalb des Ateliers läuft es zur Zeit sehr gut.«
                                                                                                                                       In der Tat kann sich die Bilanz der letzten Jahre sehen lassen:
                                                                                                                                       2015 war sie mit dem Studium fertig und zwei Jahre später
                                                                                                                                       schon im Programm der Kölner Galerie Aurel Scheibler an-
                                                                                                                                       gekommen. Zuletzt erregten Ausstellungen in der Düssel-
                                                                                                                                       dorfer Sammlung Philara Aufmerksamkeit. Und noch mehr
                                                                                                                                       Grevens Auftritt in der Ausstellung »Ekstase« vergangenen
                                                                                                                                       Winter in der Kunsthalle Stuttgart – der Spiegel druckte
                                                                                                                                       ganzseitig einen von ihren innigen »Küssen«. Dieses Früh-
                                                                                                                                       jahr konnte die 34-Jährige dann bereits die erste Einzelschau
                                                                                                                                       bei Kadel Willborn eröffnen. Im Juni war sie mit der renom-
                                                                                                                                       mierten Düsseldorfer Galerie bei der Art Basel, demnächst
                                                                                                                                       zieht sie auf die Frieze nach London und zwischendurch zur
                                                                                                                                       großen Malereischau.
                                                                                                                                       Mit dem Erfolg wächst das Selbstvertrauen. Greven war sich
                                                                                                                                       ihrer Sache durchaus nicht immer ganz so sicher. Deshalb
                                                                                                                                       hatte sie zunächst für das Studium der Anglistik entschie-
                                                                                                                                       den und es sicherheitshalber parallel zum später begonne-
                                                                                                                                       nen Kunststudium bis zum Staatsexamen durchgezogen.
                                                                                                                                       Auch die Zeit an der Akademie war nicht frei von Zweifeln.
                                                                                                                                       Unter dem Einfluss ihres Professors Siegfried Anzinger
                                                                                                                                       malte sie damals zuweilen wild, oft gestisch – und war zu-
                                                                                                                                       nehmend unzufrieden damit. »Jede Erscheinungsform der
                                                                  Vivian Greven in ihrem Düsseldorfer Atelier.                         Malerei ist richtig, für mich selbst stellte sich aber die Frage:                                                PETER-BEHRENS-BAU

                                                                                                                                       Wen interessiert das, wenn ich mich immer wieder und im-
                                                                                                                                       mer weiter selbst verewige?«
                                                                                                                                       Ihre Kunst kommt nicht aus ohne Intellekt und Analyse, ohne Ge-

Vivian Greven                                                                                                                          schichte und Psychologie, ohne die akribische Recherche, mit der
                                                                                                                                       sich die Malerin jeder Form und jedem Thema nähert – egal ob

Die Forscherin                                                                                                                         im Louvre oder im Internet. Sie erforscht und hinterfragt kunst-
                                                                                                                                       historische Vorbilder ebenso wie gegenwärtige Verhaltensmuster.
                                                                                                                                                                                                                                 nützlich

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   Gerhard Marcks / Wilhelm Wagenfeld,
                                                                                                                                                                                                                                                                                „Sintrax“-Kaffeemaschine, 1931, © VG Bild-Kunst, Bonn 2019 u. Wilhelm
                                                                                                                                                                                                                                                                        Wagenfeld, Glasschalen aus der Serie „Erbach“, 1938, © VG Bild-Kunst, Bonn 2019
                                                                                                                                       Sie klopft mythologische Geschichten ab auf ihre zeitlose Relevanz,
Sie will nicht lange drum herum reden. Kurz nach der Begrü-       Mittlerweile ist das Bild komplett enthüllt und drei Damen           die bis in die digitale Gegenwart reichen kann. Amor und Psyche
                                                                                                                                                                                                                                 &
                                                                                                                                                                                                                                 schön
ßung und noch bevor sie den Ingwer-Aufguss einschenkt, bittet     geben sich zu erkennen. Als Inspiration für das gemalte Trio         haben ihr und unserer Zeit einiges zu sagen. Oder auch Narziss,
Vivian Greven zum Bilderstapel, der an der Atelierwand lehnt.     dienten die drei Grazien, aus der Skulpturengruppe von An-           in dessen selbstverliebter Bespiegelung Greven Parallelen entdeckt
Sofort macht sie sich an der dick verklebten Noppenfolie zu       tonio Canova, einem Klassiker des Klassizismus. Ebenso wie           zur Instagram-Generation, die den anderen als Spiegel benutzt und
schaffen. Knibbeln, ziehen, reißen – es dauert eine Weile, bis    die Schönen des italienischen Bildhauers finden die Grazien          sich vor diesem optimal und optimiert in Szene setzt.
unter der gründlichen Polsterung das erste Eckchen des Bildes     auch bei Greven in schwesterlicher Umarmung zusammen. Al-            Ebenso systematisch und präzise wie die Inhalte ist auch die
zum Vorschein kommt. Dabei ist Grevens Kennerblick auf die        lerdings fällt es etwas schwer, die verschlungenen Körperteile       Malerei. Normalerweise arbeitet Greven an vier bis fünf Bildern
Transportverpackung nicht umsonst so kritisch. Man kann of-       der einen oder anderen zuzuordnen. Auch die merkwürdige              gleichzeitig. Zur Zeit hängen aber nur zwei unfertig im Atelier:
fenbar vieles falsch machen. Die feinen Grate um die Farbflä-     Erscheinung der mittleren Figur stellt sich der süßlichen Glätte     Die Konturen sind sorgsam eingefasst von gelbem Klebeband.
chen brächen leicht, so die Künstlerin. Und Abrieb könne die      entgegen. Sie stützt und hält die anderen, ist dabei aber nicht      Bildfeld für Bildfeld arbeitet sie sich vor, trägt in feinen Lasuren
                                                                                                                                                                                                                                      Produktdesign von 1920 bis 1940
vielfältige Beschaffenheit der Oberflächen verfälschen.           körperlich ausformuliert, sondern gelblich grün und ganz flach       die Farbe ein. Variiert Technik und Material, um in jeder Zone                                 19.05.2019 – 23.02.2020
Beim Zuschauen und Zuhören wird schnell klar, warum sie           gehalten. »Eine Leerstelle, wie eine Flimmerfläche im Digita-        unterschiedliche Oberflächenwirkungen zu erzeugen.                                             Peter-Behrens-Bau, Oberhausen
nichts hält von der Bilderschau am Computer. Die Mühe mit         len«, erklärt Greven. Damit spiele auch der Titel: »Leea«.           Es sei für sie immer noch nicht selbstverständlich, dieser Art                                 www.nuetzlichundschoen.lvr.de
der Folie lohnt sich, denn darunter werden Qualitäten sichtbar,   Das ist eine Frage, die sie ganz besonders interessiert: »Wie tre-   von Malerei zu vertrauen, sagt sie. Sie sei nach wie vor be-
die kein Foto wiedergeben kann. Mal matt, mal glänzend er-        ten wir miteinander in Kontakt?« Die Kommunikation ist Gre-          rührt, wenn Menschen die Arbeiten sehen und kaufen wol-                Ein Projekt von:

scheinen die einzelnen Zonen. Hier schimmernd, da leuchtend,      vens Thema – und noch dazu eine persönliche Stärke. Es gibt          len. »Ich weiß nicht, ob ich eine Künstlerin ohne Empfänger
manchmal plastisch, anderswo völlig plan.                         nicht viele Künstler*innen, die so sicher und verständlich die       sein könnte. Für mich gehört der Kontakt in die Welt dazu.«

16        KUNST SPECIAL                                                                                           KULTUR.WEST 09/19    KULTUR.WEST 09/19
The Time is now Wann ist ein Mann ein Mann? - Interview mit Comiczeichner Ralf König - kultur.west
NEU ES              kunst um heinrich neuy

                                                                                                                                                                                                                                        bauhaus
                                                                                                         Max Frintrop                                                                                                       100 JAHRE

                                                                                                         Maler ohne Netz                                                   Sa 21. September 2019
                                                                                                                                                                           Beginn: 19.30 Uhr
                                                                                                                                                                           Ort: Gymnasium Arnoldinum
                                                                                                         Der Weg zum nächsten »jungen« Maler führt raus aus dem            Pagenstecherweg 1, 48565 Steinfurt

                                                                                                         hübschen Hinterhaus-Atelier, rein ins Gewerbegebiet, vor das      Karten und Vorverkauf
                                                                                                                                                                           25,00 Euro | 20,00 Euro
                                                                                                         hochgezogene Rolltor einer ehemaligen Keramikfabrik. Hier
                                                                                                         weht offenbar ein ganz anderer Wind. Jazz dringt nach drau-
                                                                                                                                                                           SMarT Steinfurt
                                                                                                                                                                           Marketing und Touristik e.V.
                                                                                                                                                                                                                                                                        Mediales
                                                                                                         ßen. Die Musik stammt von Charles Mingus, wie man bald
                                                                                                                                                                           Markt 2, 48565 Steinfurt | Tel: 02551/1383                                                  Tanztheater
                                                                                                         darauf im Studio erfährt. Und sie kommt aus zwei großen           www.neuyes-bauhaus.de                                                                       „Trias“
                                                                                                                                                                                                                                                                        nach Oskar Schlemmer
                                                                                                         schwarzen Boxen, auf denen schon James Brown gespielt habe.       KOOPERATIONSPARTNER
                                                                                                                                                                                                                                                                        mit dem Theater der Klänge
                                                                                                                                                                                                                                                                        aus Düsseldorf
                                                                                                         Um die 35 Jahre seien sie – ungefähr so alt wie der freundliche
                                                                                                         Künstler mit dem vollen Vollbart und der Schirmkappe auf          Bagno Konzertgalerie Steinfurt

                                                                                                         dem Kopf: Max Frintrop. Neben den geliebten Lautsprechern
                                                                                                         sieht man in seiner Werkstatt ein Regal voller Kunstkataloge:
                                                                                                         Willem de Kooning, Lee Krasner, Günter Fruhtrunk, Agnes
                                                                                                                                                                           GEFÖRDERT DURCH

                                                                                                         Martin, Helen Frankenthaler – Frintrop mag sie alle. An den
                                                                                                         Wänden des Ateliers lehnen die eigenen abstrakten Großfor-
                                                                                                         mate; noch mehr und zum Teil noch gewaltigere Bilder lagern
                                                                                                         unter einer Empore.                                               100 jahre bauhaus im westen ist ein Projekt
                                                                                                                                                                           des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft
                                                                                                                                                                           des Landes Nordrhein-Westfalen und der Land-

                                                                                                         Mit Maßen unter zwei Metern habe er immer Probleme, er-
                                                                                                                                                                           schaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe.

                                                                                                         klärt Frintrop. Dazu passen die riesigen Pinsel am Besenstiel
                                                                                                         neben dem farbverschmierten Waschbecken in der Ecke. Ak-
                                                                                                         tuell ruhen diese Werkzeuge allerdings, denn der Maler muss
                                                                                                         aufräumen. Seit zwei Wochen schon mache er nichts anderes.
                                                                                                         Dass es so viel Mühe kostet, hat auch mit seiner Arbeitsweise
                                                                                                                                                                           12.09 –                                                                                               Wiebke Bartsch
                                                                                                                                                                                                                                                                                Stefan Demming
                                                                                                         zu tun, wie man erst nach und nach erfährt. Er sei nicht ge-
                                                                                                         wohnt, über seine Kunst zu sprechen, und vermeide es gern,        03.11.2019                                                                                              Ottmar Hörl
                                                                                                                                                                                                                                                                              Katharina Krenkel
                                                                                                                                                                                                                                                                                  Beate Passow
                                                                                                         so schickt der Künstler voran. Doch dann legt er los und holt     am kult, Vreden                                                                                     Dietmar Schmale
                                                                                                         zunächst einige Papierarbeiten hervor, um vor allem anderen                                                                                                      Peer Christian Stuwe
                                                                                                         zu klären, was ihm wichtig ist in seiner Kunst: Auf dem Papier                                                                                                          Künstler*innen
                                                                                                         könne man Arbeiten umsetzen, die locker wirken, direkt und
                                                                                                         unkompliziert. Zwar stecke in der Leinwand viel mehr Patina
                                                                                                         und Pathos, trotzdem versuche er hier genau das Gleiche zu
                                                                                                         erreichen: »Eine Malerei, die aussieht wie aus dem Handgelenk
                     Max Frintrop in seinem Düsseldorfer Atelier in einer ehemaligen Keramikfabrik.      geschwungen – nie bemüht«. Mit Blick auf die Beispiele rings-
                                                                                                         um im Atelier wird sofort klar, was er meint. Wie von selbst
                                                                                                         verteilen sich die flüssigen Farben über die Leinwände, neh-
                                                                                                         men feste Formen an oder verschwimmen.
                                                                                                         Oft lassen sie tiefere Schichten durchscheinen, nur selten wir-
                                                                                                         ken sie dunkel und dicht. Sie schlängeln und spritzen umher,
                                                                                                         verteilen sich wie feiner Nebel oder fallen als dicke Tropfen,
                                                                                                         bilden Lachen, überlagern sich.Was man nicht sieht und nicht
                                                                                                         sehen soll, sind die Tricks dahinter. Wenn er etwa den Ventila-
                                                                                                         tor nutzt, um flüssige Farben zu verwehen.
                                                                                                         Bei der Arbeit liegen die großen Leinwände meistens auf dem       Ausstellungstournee

                                                                                                         Fußboden. Neben der Windmaschine kommen selbstgebastel-           Kloster Bentlage, Rheine

                                                                                                         te Pinsel zum Einsatz, die vorübergehend eine Breite von 1,60     RELÍGIO / Stadt Telgte
                                                                                                                                                                           Stadt Münster                                                                                       Projektförderer
                                                                                                         Metern erreicht hatten und in keinen Eimer mehr passten.          kult, Vreden
                                                                                                         Frintrop benutzte stattdessen eine Konstruktion aus Regen-        Museum Abtei Liesborn
                                                                                                                                                                           Bioenergiepark, Saerbeck
                                                                                                         rinnen, um sie mit Farbe zu tränken. Ein spezielles Gemisch:      Flottmann-Hallen, Herne                                                         w w w. s a l i g i a - k u n s t . d e
                                                                                                         In der Regel kommen Tusche, Acrylbinder und viel Wasser
                                                                                                         hinein. Denn er mag »die Leichtigkeit des Auftrags«.

18   KUNST SPECIAL                                                                   KULTUR.WEST 09/19   KULTUR.WEST 09/19
Beim Malen muss alles rasch gehen: »Man arbeitet ohne Netz –
                                                                                                                          das ist der Reiz für mich.« Und die Herausforderung; oft genug                          »JE T Z T!
                                                                                                                          geht es schief. Womit wir beim »Aufräumen« wären, denn dazu               JUNGE MALEREI IN DEU T SCHL AND«
                                                                                                                          gehört bei Frintrop auch das Aussortieren. Regelmäßig sichtet er               W W W.MALEREI. JE T Z T/DE
                                                                                                                          seine Produktion und lässt nur das Beste bestehen. Zwei Drittel
                                                                                                                          der Bilder werden abgespannt und zerschnitten. Was übrig bleibt,       19. SEP T EMBER 2019 BIS 19. JANUAR 2020
                                                                                                                          findet Anklang. Mittlerweile ist der 1982 geborene Oberhausener       KUNS T MUSEUM BONN, MUSEUM WIE SBADEN,
                                                                                                                          bei drei Galerien vertreten, seit sechs Jahren kann er von seiner           KUNS T SAMMLUNGEN CHEMNI T Z
                                                                                                                          Kunst leben.
                                                                                                                          Das reicht dem Künstler, wie es scheint, in Sachen Karriere. Aus-            7. FEBRUAR BIS 24. MAI 2020
                                                                                                                          stellungen wie »Jetzt!«, die große Malereischau, nimmt er weni-              HAMBURG DEICH TORHALLEN
                                                                                                                          ger wichtig. Frintrop will nicht reden und auch nicht groß auf-
                                                                                                                          treten, er möchte nur malen – am liebsten allein im Atelier. Dass
                                                                                                                          dies seine Berufung ist, war ihm früh klar. Mit 21 zog er an die
                                                                                                                          Akademie und schloss sie sechs Jahre später als Meisterschüler
                                                                                                                          von Albert Oehlen ab. Es überrascht etwas, dass er damals noch
                                                                                                                          figurativ arbeitete und sich das Ungegenständliche erst nach dem
                                                                                                                          Studium erschlossen hat. Warum kommen Figuren nicht mehr
                                                                                                                          in Frage für ihn? »Weil die Abstraktion besser ist«, weiß Frintrop.
                                                                                                                          »Ich mag das Vage, das Undefinierte. Ich finde gut, dass vieles
                                                                                                                          nicht feststeht. Das ist, warum ich Kunst machen möchte.«

                                                                                                                                STEINKOHLE. BERGBAU. BODENSCHÄTZE. KUNST.

                                                                                                                                                    DEUTSCHES BERGBAU-MUSEUM BOCHUM
                                                                                                                                                          www.bergbaumuseum.de/neu

     »Wie aus dem Handgelenk geschwungen« will Frintrop seine Malerei erscheinen lassen.
     (Max Frintrop: Dizzy, 2019. Courtesy the artist and Berthold Pott Gallery, Foto: Ben Hermanni)

20   KUNST SPECIAL                                                                                    KULTUR.WEST 09/19
Mit vollen                            Sie sponsert Ausstellungen und
                                           Festivals, unterstützt Produktions-
                                                                                                                           kultur.west: Sie waren seit 1999 für Susanne Klatten
                                                                                                                           tätig, haben für die milliardenschwere Unterneh-
                                                                                                                                                                                         kultur.west: Wie bewerten Sie die Situation der Kultur
                                                                                                                                                                                         in NRW? Wo sehen Sie Handlungsbedarf?

     Händen                                orte, fördert junge Künstler, Kompo-
                                                                                                                           merin das Bad Homburger Museum Sinclair-Haus
                                                                                                                           geleitet, eine Sammlung zeitgenössischer Kunst auf-
                                                                                                                                                                                                  FIRMENICH: Es ist vielen nicht wirklich be-
                                                                                                                                                                                         wusst, dass wir in NRW die größte Dichte an Kulturstät-
                                                                                                                                                                                         ten und -initiativen in Deutschland und auch international
            INTERVIEW    STEFANIE STADEL
                                           nisten, Literaten. Die Kunststiftung                                            gebaut und zwei Kulturstiftungen an den Start ge-
                                                                                                                           bracht. Vielfältige, spannende, verantwortungsvolle           haben. Das ist einzigartig – und zeigt zugleich folgerichtig
                                           NRW investiert seit 1989 mit vollen                                             Aufgaben. Was konnte Sie dazu bewegen, diese Posi-            den extrem hohen Bedarf an Förderung. Mit der Schaffung
                                                                                                                                                                                         des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft unter der
                                           Händen in die hiesige Kulturland-                                               tion aufzugeben?
                                                                                                                                     FIRMENICH: Es waren wirklich spannende,             Führung von Isabel Pfeiffer-Poensgen hat die Landesregie-
                                           schaft. Aktuell sind es etwa 9,5 Millio-                                        interessante Jahre, aber ich habe immer Aufbauarbeit ge-      rung ein Signal für NRW gesetzt. Ergänzend und zugleich
                                                                                                                           leistet: Im Museum Sinclair-Haus mit Kunstsammlung,           wirklich unabhängig kann die Kunststiftung NRW weite-
                                           nen Euro jedes Jahr, die aus dem                                                die Altana Kulturstiftung und die ebenfalls interdiszipli-    re wesentliche fördernde Akzente setzen. Zunächst aber
                                           Westlotto-Topf stammen und durch                                                när ausgerichtete Stiftung Nantesbuch. Jetzt sind die Stif-   möchte ich mir Zeit nehmen, mit Ruhe in die verschiede-
                                                                                                                           tungen miteinander verschmolzen und das Team von 45           nen Felder hineinzuschauen, die Lage zu analysieren und
                                           die Stiftung auf rund 700 Kultur-                                               Mitarbeitern auf einem guten Weg. Die Aufbauarbeit ist        dann – gemeinsam mit dem Stiftungsteam und dem Kura-
                                           Projekte verteilt werden. Damit ist                                             beendet und für mich Zeit für etwas Neues. Und ich darf       torium – weitere Entscheidungen treffen.
                                                                                                                           Ihnen verraten: Ich freue mich riesig darauf!
                                           die Kunststiftung NRW nach dem Land                                                                                                           kultur.west: Sie heben die Unabhängigkeit hervor. Doch
                                           der zweitgrößte Kultursponsor an                                                kultur.west: Was schätzen Sie besonders an der Kunst-         war die Kunststiftung NRW gerade wegen ihrer Nähe

                                           Rhein und Ruhr. Im 30. Jahr ihres                                               stiftung NRW?
                                                                                                                                    FIRMENICH: Mich reizt vor allem die enorme
                                                                                                                                                                                         zur Landespolitik nie ganz unumstritten. Sehen Sie da-
                                                                                                                                                                                         rin ein Problem?
                                           Bestehens bekommt die Förderein-                                                Bandbreite der Möglichkeiten, alle Sparten der Kunst                    FIRMENICH: Nein, ich freue mich über das
                                                                                                                           und zunehmend auch transdisziplinäre Projekte zu un-          gute Verhältnis zum Ministerium. Wichtig ist es mir, zu
                                           richtung nun eine neue Geschäfts-                                               terstützen.                                                   schauen, welche Schwerpunkte das Ministerium in sei-
                                           führerin, im November übernimmt                                                                                                               ner Förderung hat und welche wir darüber hinaus bilden
                                                                                                                                                                                         können. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es mir dabei ge-
                                           Andrea Firmenich das Ruder. Was                                                                                                               lingt, unabhängig zu agieren. Das werde ich nicht aus den
                                           bringt die 59-jährige Kunsthistorikerin                                                                                                       Augen verlieren.

                                           mit nach Düsseldorf? Und was reizt
                                           sie am neuen Job?
                                                                                                                          VON DER HEYDT- MUSEUM
                                                                                                                                      WUPPERTAL

                                                                                                                          ELSE
                                                                                                                          L ASKER -

                                                                                                                                                                                                                                                        Else Lasker-Schüler, Jussuf, 1927 (Ausschnitt) Literatur- und Kunstinstitut Hombroich / Sammlung Kahmen
                                                                                                                          SCHÜLER
                                                                                                                           6.10 . 2019 - 16. 2. 2020
     Andrea Firmenich                      kultur.west: Frau Firmenich, Sie kommen aus dem                                „PRINZ JUSSUF VON THEBEN“  
     Foto: Andrea Dingeldein               Rheinland, haben in Bonn studiert, waren aber in den                              UND DIE AVANTGARDE
                                           vergangenen 20 Jahren beruflich in Bad Homburg, in
                                           München und Umgebung aktiv. Fühlen Sie sich noch                               Die Ausstellung wurde ermöglicht durch:
                                           trittfest in der NRW-Kulturlandschaft?
                                                      FIRMENICH: Ich bin Rheinländerin und rich-
                                           tig weg war ich eigentlich nie, obwohl ich in Hessen und
                                           Bayern gearbeitet habe. Denn aus privaten Gründen habe
                                           ich immer in Köln gelebt und, was das Kulturleben an-
                                           geht, vieles wahrgenommen. Bei uns dreht sich eigentlich
                                           – fast – alles um Kultur, auch wegen meines Mannes, der
                                           in Köln einen Kunstbuchverlag leitet.

22           KUNST SPECIAL                                                                            KULTUR.WEST 9/ 19
Mehr, mehr, mehr!                                                                                                          AUF BRUEGELS SPUREN
                                           KOMMENTAR   PETER GRABOWSKI
                                                                                                                                IN FLANDERN
                                                                                                                                Anlässlich seines 450. Todestages erinnert Flandern 2019 mit einem
Ein Haus für Gerhard Richter                                Das könnte man alles einfach nur lustig finden,
                                                            offenbarte sich dahinter nicht ein bemerkenswer-
                                                                                                                                Sonderprogramm an das Leben und die Zeit des außergewöhnlichen
in Köln, ein Fotozentrum                                    tes Aus-der-Zeit-gefallen-Sein des Kulturbereichs.
                                                                                                                                Künstlers. Besucher können im Bruegel-Jahr nicht nur seine Meisterwerke
                                                                                                                                bestaunen, sondern auch an authentischen Orten in die damalige Welt des
für Düsseldorf – die Kultur-                                Als würde es die sonst allgegenwärtige Debatte um
                                                            Klima, Verkehr und unser Wirtschaften als Ganzes                    Künstlers und Menschen Pieter Bruegel eintauchen.
landschaft in NRW soll                                      nicht geben, als kennten die Szene und ihr politi-
immer weiter wachsen, wenn                                  scher Arm weiter nur eine Denkrichtung: mehr,
                                                            mehr, mehr. Ein Richter-Museum in Köln, ein
                                                                                                                                BRÜSSEL                                                       ANTWERPEN
es nach dem Willen einiger                                  Fotozentrum in Düsseldorf und vielleicht fehlt ja                   UNSEEN MASTERPIECES | BRUEGEL-BOX                             MADONNA TRIFFT TOLLE GRETE
                                                            irgendwo in NRW noch ein Konzertsaal – außer                        KÖNIGLICHE MUSEEN DER SCHÖNEN KÜNSTE                          MUSEUM MAYER VAN DEN BERGH
Politiker*innen geht.                                       in Bonn, wo sie das auch schon nicht in time and                    Bis 31. Dezember 2019                                         5. Oktober 2019 – 31. Dezember 2020
                                                            money auf die Reihe kriegen.                                        Den Besucher erwarten außergewöhnliche virtuelle              Das berühmte Bruegel-Gemälde „De Dulle Griet“ wird
                                                            Man fragt sich allen Ernstes, ob die Verantwortli-                  Erlebnisse bei denen man das Werk Bruegels aus ganz neuen     zusammen mit bedeutenden Werken aus den Königlichen
                                                                                                                                Perspektiven entdecken kann. www.fine-arts-museum.be          Museen der Schönen Künste Antwerpen gezeigt. Eines dieser
     »Wie viele Platten wollt ihr denn noch kaufen?«        chen in Kultur- und Kunstinstitutionen, aber auch
                                                                                                                                                                                              Werke ist die Madonna des französischen Hofmalers Jean
     Mein Mitbewohner Tom stand vor dem coolsten            in den Fachausschüssen der Stadt- und Landespar-
                                                                                                                                BRUEGELS WELT IN SCHWARZ UND WEISS                            Fouquet. www.museummayervandenbergh.be
     Plattenladen Essens, unten auf der Viehofstraße, und   lamente eigentlich den Schuss nicht gehört haben:                   KÖNIGLICHE BIBLIOTHEK BELGIENS
     brüllte durch ein Schaufenster das musiksüchtige       Selbst in der vergleichsweise wohlhabenden Lan-                     15. OKTOBER 2019 - 15. FEBRUAR 2020                           DIE ZEICHNUNGEN VON JAN BRUEGHEL D.Ä.
     Volk drinnen an. Einerseits waren wir BFBS-Dauer-      deshauptstadt Düsseldorf fällt die Bühnentechnik                    Im Laufe seines Lebens schuf Bruegel rund sechzig Drucke,     ROCKOX & SNYDERS HAUS
     hörer Mitte der 80er Jahre total wild auf den ganzen   der Oper laufend aus, das Vordach des Gebäudes                      die seinen Ruhm in die ganze Welt trugen. Gezeigt wird eine   5. OKTOBER 2019 - 19. JANUAR 2020
     heißen Scheiß aus London oder Manchester. An-          muss provisorisch abgestützt werden. Gleichzeitig                   exklusive Sammlung seiner Schwarz-Weiß-Grafiken.              Anlässlich seines 450. Geburtstages widmet sich erstmals
     dererseits stellte sich selbst Vinyl-Junkies wie uns   gibt es dort für eine mindestens dreistellige Zahl                  www.kbr.be/en                                                 eine Ausstellung ausschließlich dem grafischen Werk Jan
     irgendwann die Frage: Machte das eigentlich Sinn,      früherziehungswilliger Kinder mangels Raum und                                                                                    Brueghels. Ergänzend dazu werden Werke seiner Zeitgenossen
     mit The Clash und Tracey Ullman nicht nur gegen        Lehrpersonal nicht mal einen Platz in der Musik-                    BACK TO BRUEGEL                                               präsentiert. www.snijdersrockoxhuis.be
     Thatchers Neoliberalismus, sondern gegen den Ka-       schule. Doch statt das selbst hier nicht unendlich                  HALLEPOORT
     pitalismus insgesamt anzusingen, aber gleichzeitig     vorhandene Geld in den Erhalt der vorhandenen                       18. Oktober 2019 – 18. Oktober 2020
     der Plattenindustrie die damals noch Deutsche Mark     Substanz zu stecken, muss jetzt natürlich ganz drin-                Besucher können in einem Virtual-Reality-Umfeld die
     schubkarrenweise in den Rachen zu schütten? Nein,      gend noch ein üppig ausgestattetes Fotozentrum                      bewegenden Themen des 16. Jahrhunderts wie Katholizismus
                                                                                                                                und Reformation, die Erforschung der Welt, Krieg, Frieden,
     machte es nicht.                                       her – und eine neue Oper sowieso.
                                                                                                                                Kunst, Kultur und vieles mehr hautnah erleben.
     Daran musste ich denken, als während der Som-          An allen Stadttheatern NRWs von Aachen bis Ober-
                                                                                                                                www.kmkg-mrah.be
     merferien Kölns früherer Oberbürgermeister Fritz       hausen wüssten die Intendant*innen aus dem Stand
     Schramma seiner Nach-Nachfolgerin Henriette            viele Millionen Euro in ihre Gebäude zu stecken und                 BEYOND BRUEGEL
     Reker im Express anempfahl, dem in seiner Wahl-        würden sich damit doch nur gerade mal dem fort-                     PALAIS DE LA DYNASTIE
     heimatstadt bislang angeblich frevelhaft unter Wert    schreitenden Verfall ein bisschen entgegenstemmen.                  6. April 2019 – 31. Januar 2020
     geschätzten Gerhard Richter jetzt aber mal zügig       Auch viele Bibliotheken im Land sehen aus wie in ei-                Eine beeindruckende Multimedia-Ausstellung zeigt das
     ein eigenes Museum anzubieten. In der einstigen        ner 70er-Jahre-Zeitschleife stecken geblieben. Beina-               Leben und Werk des flämischen Meisters in einer bislang nie
     römischen Provinzhauptstadt Nieder-Germaniens          he allen Museen mangelt es an genügend geeigneten                   erlebten Weise. Höhepunkt ist eine beeindruckende 360-Grad-
     wirkt die Antike mental ja bis heute nach: Köln gilt   Depot- und Restaurierungsräumen; von zeitgemäßer                    Projektion. www.beyondbruegel.be
     immer noch als nördlichste Großstadt Italiens. Ent-    Klima- oder Ausstellungstechnik ganz zu schweigen.
     sprechend schlugen die Wogen des Palavers sofort       Free W-LAN? Tja, später, mal sehen, die Kosten, Sie
     hoch, wenn auch nur kurz. Erst erklärte Reker, dass    wissen schon …
     sie längst an Richter dran sei, der sich aber nach-    Es ist höchste Zeit sich zu fragen, wann die in The-
     haltig reserviert zeige. Dann sagte der 87-jährige     aterstücken, Romanen und Bildender Kunst seit
     Meister via Deutschlandfunk und dpa höchstper-         Jahrzehnten allgegenwärtige Kritik an der Wachs-
     sönlich öffentlich ab: Er »brauche kein eigenes        tumsideologie und der gleichzeitige Ruf nach Nach-
     Haus«. Selbst das wollten ein paar ganz Verwegene      haltigkeit endlich aus der Sphäre der Kunst auch in
     aus dem Schramma-Lager im Nachgang noch zu ei-         die Köpfe der Akteur*innen und Entscheider*innen
     nem Signal seiner eigentlichen Bereitschaft umdeu-     des Kulturbetriebes vordringen. Verdammt noch
     ten … ach ja, Köln.                                    mal: Wie viele Platten wollt ihr denn noch kaufen?
                                                                                                                                VISITFLANDERS
24   KUNST SPECIAL                                                                                              K.WEST 09/ 18
                                                                                                                                www.flemishmasters.com
Seit bald drei Jahrzehnten ge-
                                                                                                                                                                 deiht auf Gut Hasselrath in Pul-
                                                                                                                                                                 heim nicht nur das Grün im
                                                                                                                                                                 bezaubernden Park. Auch eine
                                                                                                                                                                 prominent besetze Sammlung
                                                                                                                                                                 zeitgenössischer Skulptur wächst
                              Antony Gormleys gußeiserne Skulptur »Still Running, 1990/1993« wurde 2005 im »Bewohnten Garten« aufgestellt.
                                                                                                                                                                 und wächst auf dem Areal her-
                                                                                                                      Foto: Frank Kräuter                        an. Ein echter Schatz, der lange
                                                                                                                                                                 hinter hohen Hecken schlief.
                                                                                                                                                                 Nun hat Michael Zimmer seinen

Wohngemeinschaft                                                                                                                                                 »Bewohnten Garten« in eine Stif-
                                                                                                                                                                 tung überführt und lässt ab und
                                                                                                                                                                 zu Besucher ein. kultur.west war

      im Grünen
                                                                                                                                                                 schon da, um mit dem Sammler
                                                                                                                                                                 einen sonnigen Spaziergang zu
     TEXT STEFANIE STADEL                                                                                                                                        unternehmen.

26            KUNST SPECIAL                                                                                        KULTUR.WEST 09/19         KULTUR.WEST 09/19                        KUNST SPECIAL   27
Ein Weilchen ist man schon durch den Garten gestreift und hätte                      Dabei hilft Zimmer nach – mit mal mehr und mal weniger Auf-
                                                                                                                                          dabei fast übersehen, dass da unter Bäumen im Dickicht jemand                        wand und unterstützt vom Landschaftsarchitekten Bernhard Kor-
                                                                                                                                          sein Zweimann-Zelt aufgeschlagen hat. Als ob er jederzeit den                        te, der auch auf der Insel Hombroich gewirkt hat. Als Bühne für
                                                                                                                                          Reißverschluss öffnen und hinausgucken könnte. Diesmal bleibt                        Paul McCarthys mächtige und meterhohe Bronze wurde eigens
                                                                                                                                          der Mensch allerdings nur ein Gespinst, denn das Zelt ist leer und                   ein Hügel aufgeschüttet und mit Trauerweiden gepflanzt. Pierre
                                                                                                                                          von Martin Honert aus festem, starren Polyester gemacht. Die                         Huyghes berühmter Frauenakt mit Bienenstock, den Zimmer bei
                                                                                                                                          Farne rund ums Kunstwerk hat Zimmer eigens anpflanzen lassen.                        der Documenta sah und sogleich kaufte, steht auf einem roman-
                                                                                                                                          Auf die Idee zur Skulpturensammlung im Garten war einst der be-                      tischen Plätzchen unter Bäumen, umgeben von einem Sortiment
                                                                                                                                          freundete Udo Kittelmann gekommen, der Anfang der 90er Jah-                          ausgewählter Blüten. Die raue Frauenfigur von Hans Josephsohn
                                                                                                                                          re – lange bevor er später die Berliner Nationalgalerie leiten soll-                 wird dagegen von dichten Buchs- und Ilexbüschen eingerahmt, die
                                                                                                                                          te – Direktor des Kölnischen Kunstvereins war. Zimmer schlug                         wie Kissen zugeschnitten auf dem Rasen liegen. Ist ihr Ort einmal
                                                                                                                                          ein. Während Kittelmann oft die künstlerischen Angelegenheiten                       hergerichtet, bleibt die Skulptur wo sie ist, so Zimmers Prinzip.
                                                                                                                                          übernahm, verlegte sich der Hausherr darauf, die Werke mit den                       »Auch wenn wir die Stücke einmal ausleihen, kehren sie danach
                                                                                                                                          Künstlern in den Garten zu fügen. Beim Weg mit dem Sammler                           immer an ihren Platz zurück.« Seit einem Vierteljahrhundert trifft
                                                                                                                                          über Wiesen und durchs Gestrüpp merkt man schnell, wie ernst                         man etwa Antony Gormleys Arbeit aus hohlem Gusseisen »Still
                                                                                                                                          er diese Aufgabe nimmt und wie sehr sein Ehrgeiz das Projekt                         Running« ohne Sockel einfach auf dem Rasen. Zumindest sieht es
                                                                                                                                          prägt. »Skulptur bewohnt den Garten«, so erklärt er selbst es. »Das                  so aus, denn das Fundament ist unter dem Grün nicht zu sehen.
                                                                                                                                          ist nicht der Garten für die Skulptur, sondern das ist die Skulptur,                 Das ist Zimmer sehr wichtig, wie es scheint. Denn er beginnt nun,
                                                                                                                                          die sich einfindet in den Garten.«                                                   die spezielle konische Konstruktion genau zu beschreiben und

                                                                                                                                          Die Idee zum Skulpturengarten hatte Udo Kittelmann – hier ein Werk von Franz West.
                                                                                                                                          Franz West © Archiv Franz West and Estate Franz West
                                                                                                                                          Foto: Peter Schaffrath

Erst Autobahn, dann Landstraße, schließlich nur noch ein schma-     in Dormagen und der durchoptimierten Landwirtschaft rings
ler Weg, der sich durch abgemähte Felder und Kartoffeläcker         um«, sagt Zimmer. Rehe, Wildschweine, Fasane, Enten, Gänse,
zieht. Aus Köln sind es gerade mal 20 Minuten hierher. Doch so-     Füchse wohnen im Garten. Aber sie sind nicht die einzigen, die
bald sich das gewichtige Tor hinter dem Heck zugezogen hat, fühlt   sich eingelebt haben. Hier und da und dort sind Skulpturen zu
man sich wie in einer etwas anderen Welt. Zwischen Hecken ver-      entdecken, die sich in die Natur fügen und immer wieder über-
borgen. Zuerst knirschen noch die Kiesel unter den Autoreifen.      raschen.
Danach ist nur mehr der Wind zu hören, wie er durch die Bäume       Zimmers Gartentour startet vor dem Haus. Joep van Lieshouts
streicht, und ab und zu ein Schnattern auf dem glatten See.         »Leader« dort könnte auf den ersten Blick wie eine gruselige
Hier lebt Michael Zimmer. Vor 30 Jahren hatte er den Ort für        Mischung aus Erlöser und Darth Vader wirken. Doch entpuppt
sich entdeckt: Gut Hasselrath hat seinen Namen von einem ur-        sich der »Anführer« schnell als Trugbild, als leere Hülle, die ihr
alten Rittergeschlecht. Als sich der Kunstsammler allerdings        ebenso körperloses Reittier auf den Hof lenkt. Fast ohne Hüllen
zum Kauf entschloss, war längst nichts mehr übrig vom eins-         kommt dagegen Olaf Metzels zierliche Türkin aus, unweit eher                                                                                               ZAV-Künstlervermittlung
tigen Glanz. Stattdessen stand da ein ruinöses Haus aus dem         beiläufig im Erika-Beet platziert. Sie ist entblößt bis auf das eng
19. Jahrhundert, der Hof war komplett betoniert, davor lag eine     um den Hals gewundene Kopftuch. Nacktheit und Verschleie-
Müllgrube. »Das wollte keiner haben.« Es muss einige Phanta-        rung mögen auf West und Ost anspielen, auf unterschiedliche
                                                                                                                                                                                                                               Runden Sie Ihre Veranstaltung perfekt ab
sie gekostet haben, sich auszumalen, was daraus zu machen ist:      Werte, die Metzel in einer einzigen Figur kollidieren lässt –                                                                                              Wir vermitteln Ihnen Künstlerinnen und Künstler aus Show,
Wiesen, Büsche, Hügel, Senken, Trauerweiden, Wiesenblumen,          immer wieder geht er in seiner Kunst mit dem Thema Migration                                                                                               Artistik und Musik – von Klassik über Rock, Pop und Jazz bis
meterhohes Schilf, Farne, Streuobst auf dem Trampelpfad... »In-     um. Wie hier interessiert sich Zimmer vor allem für die Figur,                                                                                             hin zur Tanz- und Volksmusik
zwischen sind wir so etwas wie eine Oase in diesem industriali-     das Menschliche, auch wenn er diese Leitlinie seiner Sammlung                                                                                              www.zav-kuenstlervermittlung.de
sierten Sektor. Mit dem nahen Braunkohlekraftwerk, mit Bayer        ziemlich großzügig auslegt.

28         KUNST SPECIAL                                                                                             KULTUR.WEST 09/19    KULTUR.WEST 09/19                                                                                                                   RUBRIK          29
Schau hin!                                                                                                         düsseldorf
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                11.– 30.9.2019

ihre Vorzüge zu erklären. »So etwas entwickele ich gerne mit, das                          Auch für Thomas Schütte hat sich der Sammler reichlich Zeit
macht mir Freude.«                                                                         genommen – fünf Tage sei man gemeinsam unterwegs gewesen,
                                                                                                                                                                         Was der Rest des Jahres                                                                                            festival!
Zimmer kennt sich gut aus mit solch praktischen Fragen rund ums                            bis die »Gartenzwerge« ihr Zuhause gefunden hätten. Aber da-                  bringt. Ausstellungstipps,
Bauen, auch wenn eher der Schreibtisch sein Platz ist. Nach dem                            mit nicht genug. Anschließend musste Zimmer noch einen Fach-
                                                                                                                                                                         zusammengestellt
Kunstgeschichts-Studium hatte er die Immobilien-Firma seines
Vaters mit rund 60 Mitarbeitern übernommen, sie zum deutsch-
                                                                                           mann auftreiben, der ihm eine fünf Tonnen schwere Betonscheibe
                                                                                           als Sockel fertigt und per Kran installiert. Wichtig war Schütte da-          von Stefanie Stadel                                                                                    FORCES
landweit größten Unternehmen für Asset Management aufgebaut
und dann verkauft. Heute arbeitet er als Berater großer Konzerne
                                                                                           bei eine Fuge, um die Scheibe scheinbar über der Wiese schwe-
                                                                                           ben zu lassen. Mit dem Ergebnis war der Künstler dann offenbar                                                                                                                       OF THE
                                                                                                                                                                                                                                                                                NORTH
                                                                                                                                                                         AACHEN
in Immobiliengeschäften. Alles in allem ein bisher offenbar über-                          zufrieden. Denn er spendierte Zimmer den Entwurf für einen
                                                                                                                                                                         LUDWIG FORUM
aus einträgliches Berufsleben. Im Garten und mit der Kunst könne                           Pavillon, der demnächst errichtet werden und als Gruppenraum
                                                                                                                                                                         »LOUISA CLEMENT. REMOTE CONTROL«
er abschalten, so Zimmer. Fast jeden Morgen drehe er mit dem                               und Bibliothek dienen soll. Auch sonst ist noch einiges geplant für
schwarzen Riesenschnauzer eine große Runde. Und selbst in den                              die nächste Zeit. Zimmer hebt die Frauenquote unter den Gar-
                                                                                                                                                                         27. SEPTEMBER 2019 BIS 26. JANUAR 2020                                                                 NEXT ZONE
stressigsten Phasen habe es ihm gut getan, sich für den Austausch                          tenbewohnern. Auf seiner Einkaufsliste stehen Nicole Eisenman
                                                                                                                                                                         Sie »porträtiert« gesichtslose Schaufensterpuppen und kleidet
                                                                                                                                                                         ganze Räume mit künstlicher Haut aus. Louisa Clement kippt
                                                                                                                                                                                                                                                                                DANCE
mit den Künstlern Zeit zu nehmen. Mittlerweile ist man bei den
»Trashstones« von Wilhelm Mundt angekommen, die am Ufer,
                                                                                           mit einem kleinen Brunnen und ein Pinocchio von Cosima von
                                                                                           Bonin. Das Wildblumenbett für die sechs Meter lang ausgestreck-
                                                                                                                                                                         tonnenweise schwarz-glänzende Glasschlacke in den Ausstel-                                             COMPANY
                                                                                                                                                                         lungssaal und experimentiert neuerdings auch mit VR-Brillen
umgeben von hohem Gras, wie in einer Nische ruhen und silbrig                              te Frauenfigur von Tracey Enim zeigt sich bereits in voller Blüte.
                                                                                                                                                                         und künstlicher Intelligenz. Ihre Fotografien, Videos, Installati-                             Deu t schlandpr emier e
glänzend den Sonnenschein reflektieren. Zuerst wäre Mundt ein                              Im September wird die Dame wohl hineingelegt. Ist ein Ende in
                                                                                                                                                                         onen, Skulpturen und Virtual-Reality-Arbeiten reflektieren un-                                 Choreografie: Lene Boel
zentraler Ort oben beim Haus lieber gewesen, erinnert sich Zim-                            Sicht? Wann ist Zimmers Garten komplett? »Nein, es gibt kein fes-
                                                                                                                                                                         sere Wirklichkeit auf verführerische und gleichzeitig abgründige
mer. Und es habe einige Mühe gekostet, ihn zu überzeugen. Heute                            tes Ziel«, sagt der Sammler lächelnd. »Ich hatte vor 25 Jahren nicht
                                                                                                                                                                         Weise. Aktuell dreht die 32-jährige Bonnerin extrem erfolgreich
aber sei der Künstler froh um das lauschige Plätzchen am Wasser,                           das Ziel, einen Skulpturengarten aufzubauen, das hat sich zufällig
                                                                                                                                                                         ihre Runden durch die Kunstlandschaft. Im Sprengel-Museum
auch wegen des reizvollen Lichtspiels. Zum Dank kommt er regel-                            ergeben – und bei dieser Zufälligkeit will ich es auch in Zukunft
                                                                                                                                                                         in Hannover war sie schon zu Gast, jetzt zieht sie mit ihrer ersten                            Fr 27.9. & Sa 28.9., 20 Uhr
mäßig her, um seine Steine zu polieren.                                                    belassen.«
                                                                                                                                                                         großen Einzelausstellung ins Ludwig Forum nach Aachen.                                         Theaterzelt, Burgplat z

                                                                                                              DER BEWOHNTE GARTEN STIFTUNG ZUR
                                                                                                  FÖRDERUNG ZEITGENÖSSISCHER KUNST GUT HASSELRATH, PULHEIM

                                                                                                         ES FINDEN REGELMÄSSIG GEFÜHRTE TOUREN STATT.
                                                                                                        ANMELDUNG ÜBER: WWW.DERBEWOHNTEGARTEN.DE

                                                                                                          ZUM GARTEN IST GERADE EIN BUCH ERSCHIENEN:
                                                                                                                    »A SCULPTURE GARDEN«
                                                                                            HRSG. VON UDO KITTELMANN UND MICHAEL ZIMMER IM VERLAG STEFAN SCHUELKE
                                                                                                              FINE BOOKS (196 SEITEN, 39,80 EURO)

                                                                                                                                                                            BONN
                                                                                                                                                                            BUNDESKUNSTHALLE
                                                                                                                                                                            »MARTIN KIPPENBERGER. BITTESCHÖN DANKESCHÖN
                                                                                                                                                                                                                                                                                              und ...   Licht
                                                                                                                                                                                                                                                                                                        Wanderausstellung 2019
                                                                                                                                                                            – EINE RETROSPEKTIVE«
                                                                                                                                                                                                                                                                                                        Christoph Dahlhausen
                                                                                                                                                                            1. NOVEMBER 2019 BIS 16. FEBRUAR 2020                                                                                       Konstantinos Angelos Gavrias
                                                                                                                                                                            Er malte und machte Musik, stellte sich selbst als Frosch                                                                   Krüger & Prothmann
                                                                                                                                                                            dar oder als türkische Putzfrau am Kreuz. Er feierte früh                                                                   Molitor & Kuzmin
                                                                                                                                                                            Erfolge, lebte ausschweifend und starb mit nur 44 Jahren:                                                                   Diana Ramaekers
                                                                                                                                                                            Martin Kippenberger (1953–1997), einer der medial und
                                                                                                                                                                            stilistisch vielseitigsten deutschen Künstler der 1980er
                                                                                                                                                                            und 90er Jahre. Dazu ein notorischer Provokateur, der
                                                                                                                                                                            weiterhin Anlass zur Diskussion bietet. Die Bundes-
                                                                                                                                                                            kunsthalle widmet ihm nun eine Retrospektive, die vor
                                                                                                                                                                            allem zeigen will, wie komplex sein Werk quer durch alle
                                                                                                                                                                            Medien war – Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen, Col-                                                                         18.1. – 17.3. Saarbrücken
                                                                                                                                                                                                                                                                                                        23.3. – 3.5. Trier
                                                                                                                                                                            lagen, Multiples, Plakate, Künstlerbücher.                                                                                  16.5. – 6.7. Mönchengladbach
                                                                                                                                                                                                                                                                                                        11.7. – 25.8. Troisdorf
                                                                                                                                                                            Martin Kippenberger vor einer Wandarbeit von Günther Förg,                                                                  30.8. – 2.10. Essen
                                                                                                                                                                            Galerie Max Hetzler, Köln 1985; zu sehen in der Bundeskunsthalle, Bonn                        www.kunst.ekir.de             11.10. – 17.11. Krefeld
                                                                                                                                                                            (© Foto: Estate Günther Förg, Suisse / VG Bild-Kunst, Bonn 2019 Courtesy the                    @und_Licht                  21.11. – 14.2.2020 Düsseldorf
           In Pulheim zuhause: eine Arbeit von Paul McCarthy.                                                                                                               Estate of Martin Kippenberger, Galerie Gisela Capitain, Cologne).                             #und_Licht                    29.2. – 5.4.2020 Radevormwald
           Paul McCarthy © Courtesy the artist and Hauser & Wirth Foto: Peter Schaffrath

30         KUNST SPECIAL                                                                                                                            KULTUR.WEST 09/ 19   KULTUR.WEST 09/19
                                                                                                                                                                                                                                                           kulturwest_92,75x127_4C.indd 1                                               17.05.19 11
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