The Time is now Wann ist ein Mann ein Mann? - Interview mit Comiczeichner Ralf König - kultur.west
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The Time is now Junge Malerei im Kunstmuseum Bonn Wann ist ein Mann ein Mann? Interview mit Comiczeichner Ralf König Messen, Menschen, Sensationen Der Kunst-Herbst in NRW VERLAGSBEILAGE
Inhalt Kunst Special 2019 4 Märkte, Menschen, Möglichkeiten 31 Schau hin! Kunst-Notizen aus NRW Ausstellungstipps von Stefanie Stadel 6 »Gegen den wirklichen Rassismus 36 Wo man diesen Herbst Kunst kommt man nur schwerlich an.« gucken und kaufen kann Interview mit dem Comiczeichner Wichtige Messen im In- und Ausland – Ralf König eine Auswahl 14 Alles Malerei! 38 Und nebenan? Zu Besuch bei Malern der Jetzt!- Das bringt der Kunst-Herbst in Ausstellung im Kunstmuseum Bonn Belgien und Holland. 22 Mit vollen Händen 40 Von Aachen bis Wuppertal Interview mit Andrea Firmenich, Ausstellungskalender der neuen Geschäftsführerin der Kunststiftung NRW 44 Himmel & Erde Tipps und Trends im September 24 Mehr, mehr, mehr! Braucht NRW neue Kulturhäuser? Ein Kommentar von PeterGrabowski 26 Wohngemeinschaft im Grünen Zu Besuch auf Gut Hasselrath in Pulheim degree I M P R E S S U M show Die Absolvent*innen M U S I K S P E C I A L des Sommersemesters 2019 KULTUR.WEST der fabdk I HBK Essen präsentieren ihre Abschlussarbeiten. kultur.west erscheint zehn Mal im Jahr im Verlag K-West GmbH VERNISSAGE Dinnendahlstr. 134 | 45136 Essen 27.09.2019 Tel.: 0201 / 49 068-14 | Fax: 0201 / 49 068-15 19 Uhr www.kulturwest.de AUSSTELLUNG REDAKTION 28.09 - 02.10.2019 V.i.S.d.P.: A. Wind 10-19 Uhr M A R K E T I N G MaschMedia, Oberhausen L A Y O U T Morphoria, Pecher D R U C K Lensing Druck GmbH u. Co KG, Dortmundd T I T E L HBK-ESSEN.DE | FADBK.DE Vivian Greven: Leea, 2017. Foto: Ivo Faber
Märkte, Kunstnotizen aus NRW Menschen, Lauter erste Male – Anatol-Museum Möglichkeiten mit Rudolf Zwirner in Moers TEXTE ANNIKA WIND Wenn der 1959 eröffnete er seine erste Galerie in Essen, nicht unweit vom Museum Folkwang. Einer seiner ersten Gäste? Cy Twombly. Einer von so vielen, die Er war Polizist, (Lebens-)Künstler und Gefährte von Beuys. Im Frühjahr ist »Zauberlehrling« Rudolf Zwirner im Laufe seiner Karriere entdeckte und förderte. Wenig spä- Anatol Herzfeld (1931-2019) gestorben – wieder tanzt … ter sollte in den damals neuen Galerieräumen in Köln Joseph Beuys seine erste Aktion mit Fett zeigen. Köln, die Stadt der zeitgenössischen Kunst, in Moers hat man ihm nun ein eigenes Museum eingerichtet. Denn Anatol hatte ist eng mit seinem Namen verbunden. »Ich wollte immer Gegenwart« hat die letzten zehn Jahre seines Lebens nicht … dann ist auch der neue Emscherkunstweg nicht Rudolf Zwirner, Jahrgang 1933, denn auch seine Autobiografie genannt, die nur auf der Museumsinsel Hombroich fern. Denn einige der 17 Skulpturen des Kunstpro- er gemeinsam mit Nicola Kuhn aufgeschrieben hat. Erscheinen wird sie nun verbracht, sondern auch im Seewerk jekts, das im Rahmen der Kulturhauptstadt Ruhr.2010 im September im Wienand Verlag (200 Seiten, 28 Euro). in Moers-Kapellen. Angelika Petri und an den Start ging, werden gerade saniert oder gar neu Frank Merks funktionierten ein ehema- errichtet. 2013 hatte das Künstlerkollektiv Inges Idee liges Fabrikgelände in einen Kunstraum einen tanzenden Strommast in die Nähe von Haus am Silbersee um, in dem nun private Fo- Ripshorst in Oberhausen gestellt. Nun wird die 35 Meter hohe Neuauflage offiziell von der Emscherge- Aber bitte mit Mammut tos, Zeichnungen und Zettel auch Ana- tols Arbeiten und Aktionen der vergan- nossenschaft an den Regionalverband Ruhr überge- genen Jahre dokumentieren. ben – im Rahmen eines »Spätsommerfestes am Zau- Alles ist Kunst. Irgendwie. Aber ein Museum, dessen berühmtestes Exponat berlehrling«. Zwischen 12 und 20 Uhr sind Musik, ein riesiges Wollhaar-Mammut ist nichts ohne Namen. Rund vier Jahre ist WWW.DAS-SEEWERK.DE Workshops mit Kindern und Poetry Slams geplant, das Naturkundemuseum in Dortmund saniert worden, 2020 ist die Wie- aber natürlich auch Touren zu den weiteren Arbeiten dereröffnung geplant. Wovon? Das können Sie mitbestimmen: Vorschläge, entlang der Emscher. Künftig soll der Skulpturenweg wie das neue, alte Haus künftig heißen soll, nimmt die Stadt Dortmund bis dann ein dauerhaftes Ausstellungsformat werden 6. September per Mail an NeuerNameMuseum@dortmund.de entgegen. – und weiter wachsen. Britta Peters, die als künstle- rische Leiterin schon die »Urbane Künste Ruhr« in diesem Jahr neu aufgesetzt hat, nimmt dafür mit der Kuratorin Marijke Lukowicz weitere Künstler in den Blick: Zurzeit arbeitet Nicole Wermers an einer neu- PROGRAMM OKTOBER—DEZEMBER en Skulptur in der Nähe der A42, für die sie Alltags- gegenstände in neue Zusammenhänge setzt. Danach Eine Auswahl will sich Julius von Bismarck mit der Geschichte des Ruhrgebiets beschäftigen – und historischer Bau- substanz. 30.10.—03.11. IMPACT19 ›Weaving Traces‹ IMPACT19 URAUFFÜHRUNG IM RAHMEN WWW.EMSCHER-WEG.DE Mit Ingrid LaFleur, Meg Stuart, 31.10. VON KONSTELLATIONEN Silke Huysmans & 29.+ 30.11. WWW.EMSCHERKUNST-WEG.DE DEUTSCHLANDPREMIERE 11. + 12. 10. Hannes Dereere SILKE HUYSMANS & BRIGEL GJOKA / Photo ©: Marc Domage BORIS CHARMATZ / HANNES DEREERE / RAUF›RUBBERLEGZ‹YASIT TERRAIN CAMPO Foto: Andreas Fritsche / EGLV ›Pleasant Island‹ ›infini‹ DEUTSCHER TANZPREIS 2019 18.10. URAUFFÜHRUNG URAUFFÜHRUNG ISABELLE SCHAD 15.+ 16. 11. 06. + 07. 12. ›Collective Jumps‹ EVA MEYER-KELLER ESZTER SALAMON ›Monument 0.6: Heterochronie / ›Living Matters‹ Palermo 1559—1920‹ NOW! FESTIVAL KONSTELLATIONEN 25.—28.10. 29.11.—01.12. ELECTRIC FLUX — WILLIAM FORSYTHE / KONZERTREIHE 13.10. + 10.11.+ 15. 12. EIN LANGES SYNTHESIZER WOCHENENDE RAUF›RUBBERLEGZ‹YASIT / PACT X BRIGEL GJOKA ENSEMBLE MUSIKFABRIK Installation / Film / Neues Choreographisches Objekt PACT ZOLLVEREIN Choreographisches Zentrum Öffentliche Förderer NRW Betriebs GmbH Bullmannaue 20 a, 45327 Essen Infos & Tickets: +49 (0)201.812 22 00 4 KUNST SPECIAL KULTUR.WEST 09/19 WWW.PACT-ZOLLVEREIN.DE
»Gegen den wirklichen Rassismus kommt man nur schwerlich an, da ist es einfacher, sich auf Comic- figuren zu stürzen.« INTERVIEW VOLKER K. BELGHAUS BELGHAUS@KULTURWEST.DE Ralf König zeichnet seit Jahrzehnten schwule Comics. Ironisch und ikonisch, vom normalen Alltag bis zur Schöpfungsgeschichte und Evo- lution. Vor einiger Zeit wurde sein Comic-Wand- bild in Brüssel mit Farbe besprüht – wegen angeblicher rassistischer und transfeindlicher Darstellungen. Ein Gespräch über die Freiheit der Kunst, die politische Korrektheit von Karika- turen und einen Hoden-Streit, der keiner war. K_West_Monat_2019_LWL_x1a_Layout 1 13.07.19 10:00 Seite 1 9. Westfälische Kulturkonferenz Kulturland Westfalen: Selbermachen .............................................................................................................................................. 11 / 10 / 2019 Ruhrfestspielhaus, Recklinghausen gefördert vom: Programm und Anmeldung unter www.kulturkontakt-westfalen.de Der Zeichner ist anwesend: Ralf König im Kölner Atelier, Foto: vvg-koeln 6 RUBRIK KUNST SPECIAL KULTUR.WEST KULTUR.WEST09/19 9/ 19
Die Evolution – aus der Sicht von Ralf König. Foto: Ralf König/Rowohlt Verlag Spätsommerfest am Zauberlehrling kultur.west: Herr König, seit 2015 gibt es das Wandgemälde mit Charakteren aus Ihren Comic-Bänden an der Fassade des Brüsseler LGBTI-Zentrums »Rainbow-House«. Im vergange- nen Jahr sprayten Unbekannte die Worte »Transphobia« und Samstag, 28. September 2019 Gefördert durch: »Racism« auf Ihre Darstellungen einer Drag-Queen und einer 12 bis 20 Uhr lesbischen, schwarzen Frau. Im Frühjahr hat Ihnen das »Rain- kultur.west: In dem Brief stört man sich an den Lippen der Eintritt frei bow-House« eine zweiseitige Mail geschrieben, mit der Auffor- schwarzen Aktivistin, die vor der Regenbogenflagge die Faust Haus Ripshorst, Ripshorster Str. 306, derung, beide Figuren zu ändern, sonst »hätte man keine ande- hochreckt: »Diese Darstellung hat ihren Ursprung in rassis- 46117 Oberhausen re Wahl, als einen anderen Künstler zu bitten, ein Ersatzbild zu tischen und kolonialistischen Bildern, in denen die Körper- entwerfen«. Wie war Ihre Reaktion auf das Schreiben? merkmale schwarzer Menschen oft auf wenige oberflächliche www.emscherkunstweg.de RALF KÖNIG: Also, die Sprayer waren wohl nicht Merkmale reduziert wurden. Zudem wirkt ihr gesamter Ge- unbekannt, die kamen ja aus den eigenen Reihen des »Rain- sichtseindruck unintelligent und abweisend.« bow-House«. Es muss schon vorher heftigen internen Streit ge- KÖNIG: Das mit dem »unintelligent« und »abweisend« geben haben, von dem ich aber nichts wusste, und die Sprayer verbuche ich mal unter Blödsinn. Aber die Lippen – ich weiß machten quasi kurzen Prozess. Ich bekam zuerst eine betretene, noch genau, dass ich die bewusst lippenstiftrot gemalt habe, entschuldigende Mail. Die Auftraggeber, die vor fünf Jahren weil die Figur für mich positiv und selbstbewusst ist. Und wer das Bild mit mir eingeweiht hatten, waren wohl ebenso über- bei mir Lippenstift trägt, hat automatisch diese dicken Lippen, rumpelt wie ich. Dann hörte ich über ein halbes Jahr nichts ob Frau oder Tunte oder schwarze Lesbe. Allerdings würde ich mehr. In dieser Zeit hatte dort ein Generationswechsel statt- das heute nicht mehr so arglos wiederholen. Ich habe gelernt, gefunden, jedenfalls bekam ich diese zweite Mail, in der mir dass sich Schwarze durch solche Bilder verhöhnt fühlen kön- von einer Aktivistin erst einmal erklärt wurde, was Karikatur nen, Belgien hat da seine ganz eigene Geschichte. Das Ganze hat darf und was nicht. Was ich spontan ein bisschen anmaßend auch mit schlechter Kommunikation zu tun. Wenn man mich fand. Sowohl von der Spray-Aktion wie von dieser Mail war ich schon beim Entwurf gebeten hätte, die Lippen anders zu gestal- ziemlich irritiert und dann auch angepisst. Ich meine, rassis- ten, hätte ich sicher nicht geblockt, aber erst übersprühen und tisch und transphob, das sind schon harte Vorwürfe. dann belehren geht gar nicht. 8 KUNST SPECIAL KULTUR.WEST 09/19
Damals noch unbeschädigt: Ralf Königs Wandbild in Brüssel, 2015 Foto: Ralf König kultur.west: Des weiteren wurde die Drag-Queen als »trans frau« interpretiert, die keine Bartstoppeln und Körperbe- haarung haben dürfte. Und außerdem: »Sie steht isoliert von kultur.west: Da kommt einiges zusammen – ein bedenkliches der Gruppe und ist die einzige Person mit einer deprimierten Verständnis der Kunstfreiheit, die Tatsache, dass man sich Haltung, herunterhängenden Armen sowie einem leeren und mit dieser Mail hinter die Sprayer stellt und die scheinbare stumpfen Blick.« Nichtkenntnis Ihrer bisher erschienenen Comic-Bände. Ihr KÖNIG: Das ist nun echt nicht ernst zu nehmen. Wo Zeichen-Stil ist seit Jahrzehnten bekannt, genauso wie Ihr steht die Tunte denn isoliert, das ist doch Gruppenbild mit gesellschaftliches Engagement. Warum kommen jetzt diese Dame, quasi. In der Mail stand auch, die Figur sei traurig, weil Anfeindungen gerade aus der Queer-Community? Oder gab sie dick ist, also auch noch dickenfeindlich! Da geht die PC-Op- es bereits andere Fälle? ferrolle wirklich mit ihnen durch. Ich habe im Leben noch nie KÖNIG: Nein, das war das erste Mal. Ich hatte eher da- eine Transfrau gezeichnet, das wird vielleicht mal Zeit, aber das mit gerechnet, dass das Bild nachts von Schwulenhassern über- ist eine profane Trümmertunte, die zeichne ich seit 40 Jahren! sprüht wird, aber nicht von den eigenen Leuten. Stimmt, die, die Die will schräg aussehen und debil gucken! Ich hatte selbst mei- mir das vorwerfen, haben vermutlich noch nie einen Comic von ne spaßige Drag-Phase, da muss mir keiner was erzählen. mir gelesen, obwohl es die in französischer Übersetzung gibt. Die sind jung, die wissen gar nicht mehr, wer ich alter Sack bin und wofür ich mit meinen Geschichten stehe. Gegen den wirklichen Rassismus in der Welt kommt man nur schwerlich an, da ist es ein- facher, sich auf Comicfiguren zu stürzen. Da hat man auch gleich den Täter, nämlich den Zeichner. Es gibt solche Diskussionen auch bei Asterix oder Lucky Luke. Ich kann dem nicht folgen. Ich habe als Kind begeistert Lucky Luke gelesen und sicher keine rassisti- schen Einstellungen über Indianer und Chinesen davongetragen. Ich habe ihnen geschrieben, sie können das Bild von mir aus über- malen, wenn sich wirklich jemand beleidigt oder verletzt fühlt. So besprüht und mit einem erklärenden Schild versehen, macht es Gesellschafter und öffentliche Förderer doch ohnehin nicht mehr viel Spaß. 10 KUNST SPECIAL KULTUR.WEST 09/19
DIE PHOTOGRAPHISCHE SAMMLUNG BORIS BECKER —— HOCHBUNKER kultur.west: Gab es so etwas wie eine Einigung? KÖNIG: Das ist ein schönes Beispiel dafür, wie auch Photographien von KÖNIG: Mein letzter Stand ist, dass man eine Plakette von den Medien alles gleich aufgeplustert wird. Der Vertrieb Architekturen und Artefakten anbringen will, die auf die »Problematik« hinweist. Klar wäre es bei Rowohlt hatte angemerkt, dass man mit dem Buch wo- 6.9.2019––9.2.2020 schade, wenn es doch übermalt werden würde. Ich kriege im- möglich Leser anspricht, die zum Beispiel meinen »Proto- mer noch Fotos von gut gelaunten Schwulen gemailt, die sich typ« mochten, meine Version der biblischen Schöpfungsge- vor die gezeichnete Figur Paul stellen und – wie er – das T-Shirt schichte, die wären vielleicht abgeschreckt von dem großen hochheben. Aber das sind natürlich weiße Cis-Männer, die ha- Hodensack. Ich war von der Arbeit an »Stehaufmännchen« Photo: Boris Becker: Hamm, Südring, 1987 © Boris Becker, VG Bild-Kunst, Bonn, 2019 ben angeblich weniger Probleme. so abgenervt, dass ich nicht protestiert habe, ich hab nur seuf- zend diesen brennenden Ast drüber geklebt und gut war’s. Bis kultur.west: In »Stehaufmännchen«, Ihrem neuen Comic-Band, ich diese Anekdote im Nebensatz einem Journalisten erzählt trifft der frühmenschliche Australopithecus Flop in der Savan- hatte. Prompt hieß die Headline »Ralf König streitet mit Ro- ne auf ein gegenwärtiges, ignorantes Urlauber-Ehepaar. Das wohlt-Verlag über Hängehoden!« Aber es gab keinen Streit ist Ihre ganz persönliche Version der Evolution, »eine humane und schon gar keine »Hängehoden«! Das sind pralle, form- Tragödie«. Warum so pessimistisch – war es ein Fehler, auf- schöne Eier! recht zu gehen? Hätte es uns eine Menge Ärger erspart, wenn wir auf den Bäumen geblieben wären? kultur.west: Ist es anstrengend, wenn so eine Sache mit dem KÖNIG: Na ja, die Frage mag müßig sein, aber die stell- Wandbild mehr Beachtung findet als Ihre aktuellen Arbeiten? te ich mir eben. An welchem Punkt der Evolution sind wir falsch KÖNIG: Klar, etwas mehr Aufmerksamkeit für das DIE PHOTOGRAPHISCHE SAMMLUNG / SK STIFTUNG KULTUR abgebogen und haben uns von den natürlichen Kreisläufen ent- Buch würde ich mir wünschen, immerhin hab’ ich da 14 Im Mediapark 7, Köln fremdet? Da kann man vom Faustkeil bis zur Herstellung von Monate schwer dran gesessen. Aber heute ist etwas Neues Täglich außer Mi 14–19 Uhr erster Mo im Monat freier Eintritt Plastikmüll eine direkte Linie ziehen. Uns fallen mit diesem gro- für circa zwei Wochen der heiße Scheiß, dann gibt‘s wieder www.photographie-sk-kultur.de Oben: »Stehaufmännchen«: Das ursprüngliche ßen Hirn Dinge ein, die unser Leben zwar bequem machen, aber was anderes und sowohl Comic als auch Wandbild sind von Cover-Motiv, Foto: Ralf König das geht immer auf Kosten der Umwelt. Ich bin wie Flop Kul- gestern. Unten: Die entschärfte Version, Foto: Ralf König/ Rowohlt Verlag turpessimist, weil ich nicht sehe, wie wir noch die Kurve krie- RZ AZ K-West_1.indd 1 12.08.19 12:07 gen können: Artensterben, Erderwärmung, Überbevölkerung, Massentierhaltung, so unendlich viele Probleme. Und unsere Alphamännchen heißen Trump und Bolsonaro! kultur.west: Haben die Brüsseler Ereignisse Ihre Arbeit an »Stehaufmännchen« beeinflusst? KÖNIG: Nein. Die besagte Mail kam erst nach Abga- be, und die Übersprühung hatte ich nach der ersten Empörung schulterzuckend zur Kenntnis genommen. Ich hoffe ohnehin, RALF KÖNIG dass diese neuen Empfindlichkeiten nie Einfluss auf meine Di- aloge und Geschichten haben. Im Gegenteil, ich denke über ein Buch über dieses Thema nach. Und ich bin froh, dass ich schwul 1960 in Soest geboren, studierte freie Grafik an der Kunstakademie Düsseldorf und veröffentlichte bin! So wie ich mit Sexualität umgegangen bin, immer aus der ab 1980 Comics in Gay-Magazinen. Bis heute er- Testosteron-Perspektive, das konnte ich nur machen, weil es al- schienen zahlreiche Comic-Bände, darunter »Der be- lermeistens um Männer unter Männern ging. Wenn ich solche wegte Mann«, die in 18 Sprachen übersetzt wurden. Ausstellungen und Auszeichnungen folgten, wie Geschichten mit Frauen als Objekt der Begierde gezeichnet hätte, wäre ich längst der Sexist der Nation. der Max und Moritz-Preis sowie der Wilhelm-Busch- Preis für sein Lebenswerk. Ralf König lebt und arbei- 13.10.2019 — tet in Köln und Berlin. 26.1.2020 kultur.west: Auf dem Cover von »Stehaufmännchen« ist der mürrische Erec abgebildet, in dessen früher Version sein gro- ßer Hodensack zu sehen war. Von der Verlagsseite her muss- WWW.RALF-KOENIG.DE Rembrandt van Rijn 6.9.2019–19.1.2020 Kabinettausstellung te das Motiv geändert werden. Warum? Das Buch ist voll mit RALF KÖNIG: »STEHAUFMÄNNCHEN« prächtigen Hoden! ROWOHLT VERLAG, HAMBURG, 2019 VOM WESEN DER 192 SEITEN, 24 EURO LESUNG AM 25. OKTOBER 2019 IM BALLHAUS LANDSCHAFT IM NORDPARK, DÜSSELDORF Jan van der Kooi www.draiflessen.com 12 KUNSTSPECIAL KULTUR.WEST 09/19 KULTUR.WEST 09/19 LIEBE+VWdL_Anzeige- K.west.indd 1 01.08.19 14:32
11.– 30.9.2019 düsseldorf festival! Alles Malerei! Unzählige Male schon wurde sie totgesagt und im Gegenzug genauso oft für höchst leben- dig erklärt. Das Hin und Her Outwitting the Devil Akram Khan Company NRW-Premiere scheint überlebt. Und die Erkenntnis setzt sich fest: Die Malerei wird es wohl weiter geben. Denn bis heute ist es ihr beständig gelungen, im uralten Rahmen die Spannung zu halten. Wie das aussehen kann? Ganz unterschiedliche Antworten auf diese Frage hat Stefanie Stadel in zwei Di 24.9. & Mi 25.9., 20 Uhr Düsseldorfer Ateliers bei Theaterzelt, Burgplatz Vivian Greve und Max Frintrop gefunden. Beide zählen zu den rund 50 Malern*innen, SKULPTURENPARK WALDFRIEDEN WUPPERTAL JOAN MIRÓ die ab September bei der Großausstellung »Jetzt« in Bonn, Chemnitz, Wiesbaden SKULPTUREN 24.8. – 24.11.2019 und Hamburg antreten, um den aktuellen Stand des Mediums zu bestimmen. TEXT UND FOTOS STEFANIE STADEL © Successió Miró/VG Bild-Kunst, Bonn 2019 Hirschstraße 12 · 42285 Wuppertal www.skulpturenpark-waldfrieden.de Successió Miró Aufgerissen. Demnächst gehen die Gemälde von Vivian Greven auf Reisen nach Bonn, Chemnitz oder Wiesbaden 14 RUBRIK KUNST SPECIAL KULTUR.WEST KULTUR.WEST09/19 9/ 19 KULTUR.WEST 09/19
eigenen Anliegen auf den Punkt bringen können.Während sie so redet, erkennt man durch die Plastikfolien der übrigen Bilder im Stapel Umarmungen und einander zugewandte Ge- sichter. Lippen, die sich treffen, oder Hände, die den anderen halten. Die Arbeiten wandern demnächst zur großen Male- rei-Ausstellung nach Bonn, Chemnitz, Wiesbaden, Bonn und Hamburg. Alle mussten bei Sammlern abgeholt werden, denn die Künstlerin ist ausverkauft – zu Hause habe sie praktisch keine Bilder mehr. Dem verwunderten Blick ihrer Besucherin begegnet Greven mit einem zufriedenen Lächeln. »Ja, auch außerhalb des Ateliers läuft es zur Zeit sehr gut.« In der Tat kann sich die Bilanz der letzten Jahre sehen lassen: 2015 war sie mit dem Studium fertig und zwei Jahre später schon im Programm der Kölner Galerie Aurel Scheibler an- gekommen. Zuletzt erregten Ausstellungen in der Düssel- dorfer Sammlung Philara Aufmerksamkeit. Und noch mehr Grevens Auftritt in der Ausstellung »Ekstase« vergangenen Winter in der Kunsthalle Stuttgart – der Spiegel druckte ganzseitig einen von ihren innigen »Küssen«. Dieses Früh- jahr konnte die 34-Jährige dann bereits die erste Einzelschau bei Kadel Willborn eröffnen. Im Juni war sie mit der renom- mierten Düsseldorfer Galerie bei der Art Basel, demnächst zieht sie auf die Frieze nach London und zwischendurch zur großen Malereischau. Mit dem Erfolg wächst das Selbstvertrauen. Greven war sich ihrer Sache durchaus nicht immer ganz so sicher. Deshalb hatte sie zunächst für das Studium der Anglistik entschie- den und es sicherheitshalber parallel zum später begonne- nen Kunststudium bis zum Staatsexamen durchgezogen. Auch die Zeit an der Akademie war nicht frei von Zweifeln. Unter dem Einfluss ihres Professors Siegfried Anzinger malte sie damals zuweilen wild, oft gestisch – und war zu- nehmend unzufrieden damit. »Jede Erscheinungsform der Vivian Greven in ihrem Düsseldorfer Atelier. Malerei ist richtig, für mich selbst stellte sich aber die Frage: PETER-BEHRENS-BAU Wen interessiert das, wenn ich mich immer wieder und im- mer weiter selbst verewige?« Ihre Kunst kommt nicht aus ohne Intellekt und Analyse, ohne Ge- Vivian Greven schichte und Psychologie, ohne die akribische Recherche, mit der sich die Malerin jeder Form und jedem Thema nähert – egal ob Die Forscherin im Louvre oder im Internet. Sie erforscht und hinterfragt kunst- historische Vorbilder ebenso wie gegenwärtige Verhaltensmuster. nützlich Gerhard Marcks / Wilhelm Wagenfeld, „Sintrax“-Kaffeemaschine, 1931, © VG Bild-Kunst, Bonn 2019 u. Wilhelm Wagenfeld, Glasschalen aus der Serie „Erbach“, 1938, © VG Bild-Kunst, Bonn 2019 Sie klopft mythologische Geschichten ab auf ihre zeitlose Relevanz, Sie will nicht lange drum herum reden. Kurz nach der Begrü- Mittlerweile ist das Bild komplett enthüllt und drei Damen die bis in die digitale Gegenwart reichen kann. Amor und Psyche & schön ßung und noch bevor sie den Ingwer-Aufguss einschenkt, bittet geben sich zu erkennen. Als Inspiration für das gemalte Trio haben ihr und unserer Zeit einiges zu sagen. Oder auch Narziss, Vivian Greven zum Bilderstapel, der an der Atelierwand lehnt. dienten die drei Grazien, aus der Skulpturengruppe von An- in dessen selbstverliebter Bespiegelung Greven Parallelen entdeckt Sofort macht sie sich an der dick verklebten Noppenfolie zu tonio Canova, einem Klassiker des Klassizismus. Ebenso wie zur Instagram-Generation, die den anderen als Spiegel benutzt und schaffen. Knibbeln, ziehen, reißen – es dauert eine Weile, bis die Schönen des italienischen Bildhauers finden die Grazien sich vor diesem optimal und optimiert in Szene setzt. unter der gründlichen Polsterung das erste Eckchen des Bildes auch bei Greven in schwesterlicher Umarmung zusammen. Al- Ebenso systematisch und präzise wie die Inhalte ist auch die zum Vorschein kommt. Dabei ist Grevens Kennerblick auf die lerdings fällt es etwas schwer, die verschlungenen Körperteile Malerei. Normalerweise arbeitet Greven an vier bis fünf Bildern Transportverpackung nicht umsonst so kritisch. Man kann of- der einen oder anderen zuzuordnen. Auch die merkwürdige gleichzeitig. Zur Zeit hängen aber nur zwei unfertig im Atelier: fenbar vieles falsch machen. Die feinen Grate um die Farbflä- Erscheinung der mittleren Figur stellt sich der süßlichen Glätte Die Konturen sind sorgsam eingefasst von gelbem Klebeband. chen brächen leicht, so die Künstlerin. Und Abrieb könne die entgegen. Sie stützt und hält die anderen, ist dabei aber nicht Bildfeld für Bildfeld arbeitet sie sich vor, trägt in feinen Lasuren Produktdesign von 1920 bis 1940 vielfältige Beschaffenheit der Oberflächen verfälschen. körperlich ausformuliert, sondern gelblich grün und ganz flach die Farbe ein. Variiert Technik und Material, um in jeder Zone 19.05.2019 – 23.02.2020 Beim Zuschauen und Zuhören wird schnell klar, warum sie gehalten. »Eine Leerstelle, wie eine Flimmerfläche im Digita- unterschiedliche Oberflächenwirkungen zu erzeugen. Peter-Behrens-Bau, Oberhausen nichts hält von der Bilderschau am Computer. Die Mühe mit len«, erklärt Greven. Damit spiele auch der Titel: »Leea«. Es sei für sie immer noch nicht selbstverständlich, dieser Art www.nuetzlichundschoen.lvr.de der Folie lohnt sich, denn darunter werden Qualitäten sichtbar, Das ist eine Frage, die sie ganz besonders interessiert: »Wie tre- von Malerei zu vertrauen, sagt sie. Sie sei nach wie vor be- die kein Foto wiedergeben kann. Mal matt, mal glänzend er- ten wir miteinander in Kontakt?« Die Kommunikation ist Gre- rührt, wenn Menschen die Arbeiten sehen und kaufen wol- Ein Projekt von: scheinen die einzelnen Zonen. Hier schimmernd, da leuchtend, vens Thema – und noch dazu eine persönliche Stärke. Es gibt len. »Ich weiß nicht, ob ich eine Künstlerin ohne Empfänger manchmal plastisch, anderswo völlig plan. nicht viele Künstler*innen, die so sicher und verständlich die sein könnte. Für mich gehört der Kontakt in die Welt dazu.« 16 KUNST SPECIAL KULTUR.WEST 09/19 KULTUR.WEST 09/19
NEU ES kunst um heinrich neuy bauhaus Max Frintrop 100 JAHRE Maler ohne Netz Sa 21. September 2019 Beginn: 19.30 Uhr Ort: Gymnasium Arnoldinum Der Weg zum nächsten »jungen« Maler führt raus aus dem Pagenstecherweg 1, 48565 Steinfurt hübschen Hinterhaus-Atelier, rein ins Gewerbegebiet, vor das Karten und Vorverkauf 25,00 Euro | 20,00 Euro hochgezogene Rolltor einer ehemaligen Keramikfabrik. Hier weht offenbar ein ganz anderer Wind. Jazz dringt nach drau- SMarT Steinfurt Marketing und Touristik e.V. Mediales ßen. Die Musik stammt von Charles Mingus, wie man bald Markt 2, 48565 Steinfurt | Tel: 02551/1383 Tanztheater darauf im Studio erfährt. Und sie kommt aus zwei großen www.neuyes-bauhaus.de „Trias“ nach Oskar Schlemmer schwarzen Boxen, auf denen schon James Brown gespielt habe. KOOPERATIONSPARTNER mit dem Theater der Klänge aus Düsseldorf Um die 35 Jahre seien sie – ungefähr so alt wie der freundliche Künstler mit dem vollen Vollbart und der Schirmkappe auf Bagno Konzertgalerie Steinfurt dem Kopf: Max Frintrop. Neben den geliebten Lautsprechern sieht man in seiner Werkstatt ein Regal voller Kunstkataloge: Willem de Kooning, Lee Krasner, Günter Fruhtrunk, Agnes GEFÖRDERT DURCH Martin, Helen Frankenthaler – Frintrop mag sie alle. An den Wänden des Ateliers lehnen die eigenen abstrakten Großfor- mate; noch mehr und zum Teil noch gewaltigere Bilder lagern unter einer Empore. 100 jahre bauhaus im westen ist ein Projekt des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen und der Land- Mit Maßen unter zwei Metern habe er immer Probleme, er- schaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe. klärt Frintrop. Dazu passen die riesigen Pinsel am Besenstiel neben dem farbverschmierten Waschbecken in der Ecke. Ak- tuell ruhen diese Werkzeuge allerdings, denn der Maler muss aufräumen. Seit zwei Wochen schon mache er nichts anderes. Dass es so viel Mühe kostet, hat auch mit seiner Arbeitsweise 12.09 – Wiebke Bartsch Stefan Demming zu tun, wie man erst nach und nach erfährt. Er sei nicht ge- wohnt, über seine Kunst zu sprechen, und vermeide es gern, 03.11.2019 Ottmar Hörl Katharina Krenkel Beate Passow so schickt der Künstler voran. Doch dann legt er los und holt am kult, Vreden Dietmar Schmale zunächst einige Papierarbeiten hervor, um vor allem anderen Peer Christian Stuwe zu klären, was ihm wichtig ist in seiner Kunst: Auf dem Papier Künstler*innen könne man Arbeiten umsetzen, die locker wirken, direkt und unkompliziert. Zwar stecke in der Leinwand viel mehr Patina und Pathos, trotzdem versuche er hier genau das Gleiche zu erreichen: »Eine Malerei, die aussieht wie aus dem Handgelenk Max Frintrop in seinem Düsseldorfer Atelier in einer ehemaligen Keramikfabrik. geschwungen – nie bemüht«. Mit Blick auf die Beispiele rings- um im Atelier wird sofort klar, was er meint. Wie von selbst verteilen sich die flüssigen Farben über die Leinwände, neh- men feste Formen an oder verschwimmen. Oft lassen sie tiefere Schichten durchscheinen, nur selten wir- ken sie dunkel und dicht. Sie schlängeln und spritzen umher, verteilen sich wie feiner Nebel oder fallen als dicke Tropfen, bilden Lachen, überlagern sich.Was man nicht sieht und nicht sehen soll, sind die Tricks dahinter. Wenn er etwa den Ventila- tor nutzt, um flüssige Farben zu verwehen. Bei der Arbeit liegen die großen Leinwände meistens auf dem Ausstellungstournee Fußboden. Neben der Windmaschine kommen selbstgebastel- Kloster Bentlage, Rheine te Pinsel zum Einsatz, die vorübergehend eine Breite von 1,60 RELÍGIO / Stadt Telgte Stadt Münster Projektförderer Metern erreicht hatten und in keinen Eimer mehr passten. kult, Vreden Frintrop benutzte stattdessen eine Konstruktion aus Regen- Museum Abtei Liesborn Bioenergiepark, Saerbeck rinnen, um sie mit Farbe zu tränken. Ein spezielles Gemisch: Flottmann-Hallen, Herne w w w. s a l i g i a - k u n s t . d e In der Regel kommen Tusche, Acrylbinder und viel Wasser hinein. Denn er mag »die Leichtigkeit des Auftrags«. 18 KUNST SPECIAL KULTUR.WEST 09/19 KULTUR.WEST 09/19
Beim Malen muss alles rasch gehen: »Man arbeitet ohne Netz – das ist der Reiz für mich.« Und die Herausforderung; oft genug »JE T Z T! geht es schief. Womit wir beim »Aufräumen« wären, denn dazu JUNGE MALEREI IN DEU T SCHL AND« gehört bei Frintrop auch das Aussortieren. Regelmäßig sichtet er W W W.MALEREI. JE T Z T/DE seine Produktion und lässt nur das Beste bestehen. Zwei Drittel der Bilder werden abgespannt und zerschnitten. Was übrig bleibt, 19. SEP T EMBER 2019 BIS 19. JANUAR 2020 findet Anklang. Mittlerweile ist der 1982 geborene Oberhausener KUNS T MUSEUM BONN, MUSEUM WIE SBADEN, bei drei Galerien vertreten, seit sechs Jahren kann er von seiner KUNS T SAMMLUNGEN CHEMNI T Z Kunst leben. Das reicht dem Künstler, wie es scheint, in Sachen Karriere. Aus- 7. FEBRUAR BIS 24. MAI 2020 stellungen wie »Jetzt!«, die große Malereischau, nimmt er weni- HAMBURG DEICH TORHALLEN ger wichtig. Frintrop will nicht reden und auch nicht groß auf- treten, er möchte nur malen – am liebsten allein im Atelier. Dass dies seine Berufung ist, war ihm früh klar. Mit 21 zog er an die Akademie und schloss sie sechs Jahre später als Meisterschüler von Albert Oehlen ab. Es überrascht etwas, dass er damals noch figurativ arbeitete und sich das Ungegenständliche erst nach dem Studium erschlossen hat. Warum kommen Figuren nicht mehr in Frage für ihn? »Weil die Abstraktion besser ist«, weiß Frintrop. »Ich mag das Vage, das Undefinierte. Ich finde gut, dass vieles nicht feststeht. Das ist, warum ich Kunst machen möchte.« STEINKOHLE. BERGBAU. BODENSCHÄTZE. KUNST. DEUTSCHES BERGBAU-MUSEUM BOCHUM www.bergbaumuseum.de/neu »Wie aus dem Handgelenk geschwungen« will Frintrop seine Malerei erscheinen lassen. (Max Frintrop: Dizzy, 2019. Courtesy the artist and Berthold Pott Gallery, Foto: Ben Hermanni) 20 KUNST SPECIAL KULTUR.WEST 09/19
Mit vollen Sie sponsert Ausstellungen und Festivals, unterstützt Produktions- kultur.west: Sie waren seit 1999 für Susanne Klatten tätig, haben für die milliardenschwere Unterneh- kultur.west: Wie bewerten Sie die Situation der Kultur in NRW? Wo sehen Sie Handlungsbedarf? Händen orte, fördert junge Künstler, Kompo- merin das Bad Homburger Museum Sinclair-Haus geleitet, eine Sammlung zeitgenössischer Kunst auf- FIRMENICH: Es ist vielen nicht wirklich be- wusst, dass wir in NRW die größte Dichte an Kulturstät- ten und -initiativen in Deutschland und auch international INTERVIEW STEFANIE STADEL nisten, Literaten. Die Kunststiftung gebaut und zwei Kulturstiftungen an den Start ge- bracht. Vielfältige, spannende, verantwortungsvolle haben. Das ist einzigartig – und zeigt zugleich folgerichtig NRW investiert seit 1989 mit vollen Aufgaben. Was konnte Sie dazu bewegen, diese Posi- den extrem hohen Bedarf an Förderung. Mit der Schaffung des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft unter der Händen in die hiesige Kulturland- tion aufzugeben? FIRMENICH: Es waren wirklich spannende, Führung von Isabel Pfeiffer-Poensgen hat die Landesregie- schaft. Aktuell sind es etwa 9,5 Millio- interessante Jahre, aber ich habe immer Aufbauarbeit ge- rung ein Signal für NRW gesetzt. Ergänzend und zugleich leistet: Im Museum Sinclair-Haus mit Kunstsammlung, wirklich unabhängig kann die Kunststiftung NRW weite- nen Euro jedes Jahr, die aus dem die Altana Kulturstiftung und die ebenfalls interdiszipli- re wesentliche fördernde Akzente setzen. Zunächst aber Westlotto-Topf stammen und durch när ausgerichtete Stiftung Nantesbuch. Jetzt sind die Stif- möchte ich mir Zeit nehmen, mit Ruhe in die verschiede- tungen miteinander verschmolzen und das Team von 45 nen Felder hineinzuschauen, die Lage zu analysieren und die Stiftung auf rund 700 Kultur- Mitarbeitern auf einem guten Weg. Die Aufbauarbeit ist dann – gemeinsam mit dem Stiftungsteam und dem Kura- Projekte verteilt werden. Damit ist beendet und für mich Zeit für etwas Neues. Und ich darf torium – weitere Entscheidungen treffen. Ihnen verraten: Ich freue mich riesig darauf! die Kunststiftung NRW nach dem Land kultur.west: Sie heben die Unabhängigkeit hervor. Doch der zweitgrößte Kultursponsor an kultur.west: Was schätzen Sie besonders an der Kunst- war die Kunststiftung NRW gerade wegen ihrer Nähe Rhein und Ruhr. Im 30. Jahr ihres stiftung NRW? FIRMENICH: Mich reizt vor allem die enorme zur Landespolitik nie ganz unumstritten. Sehen Sie da- rin ein Problem? Bestehens bekommt die Förderein- Bandbreite der Möglichkeiten, alle Sparten der Kunst FIRMENICH: Nein, ich freue mich über das und zunehmend auch transdisziplinäre Projekte zu un- gute Verhältnis zum Ministerium. Wichtig ist es mir, zu richtung nun eine neue Geschäfts- terstützen. schauen, welche Schwerpunkte das Ministerium in sei- führerin, im November übernimmt ner Förderung hat und welche wir darüber hinaus bilden können. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es mir dabei ge- Andrea Firmenich das Ruder. Was lingt, unabhängig zu agieren. Das werde ich nicht aus den bringt die 59-jährige Kunsthistorikerin Augen verlieren. mit nach Düsseldorf? Und was reizt sie am neuen Job? VON DER HEYDT- MUSEUM WUPPERTAL ELSE L ASKER - Else Lasker-Schüler, Jussuf, 1927 (Ausschnitt) Literatur- und Kunstinstitut Hombroich / Sammlung Kahmen SCHÜLER 6.10 . 2019 - 16. 2. 2020 Andrea Firmenich kultur.west: Frau Firmenich, Sie kommen aus dem „PRINZ JUSSUF VON THEBEN“ Foto: Andrea Dingeldein Rheinland, haben in Bonn studiert, waren aber in den UND DIE AVANTGARDE vergangenen 20 Jahren beruflich in Bad Homburg, in München und Umgebung aktiv. Fühlen Sie sich noch Die Ausstellung wurde ermöglicht durch: trittfest in der NRW-Kulturlandschaft? FIRMENICH: Ich bin Rheinländerin und rich- tig weg war ich eigentlich nie, obwohl ich in Hessen und Bayern gearbeitet habe. Denn aus privaten Gründen habe ich immer in Köln gelebt und, was das Kulturleben an- geht, vieles wahrgenommen. Bei uns dreht sich eigentlich – fast – alles um Kultur, auch wegen meines Mannes, der in Köln einen Kunstbuchverlag leitet. 22 KUNST SPECIAL KULTUR.WEST 9/ 19
Mehr, mehr, mehr! AUF BRUEGELS SPUREN KOMMENTAR PETER GRABOWSKI IN FLANDERN Anlässlich seines 450. Todestages erinnert Flandern 2019 mit einem Ein Haus für Gerhard Richter Das könnte man alles einfach nur lustig finden, offenbarte sich dahinter nicht ein bemerkenswer- Sonderprogramm an das Leben und die Zeit des außergewöhnlichen in Köln, ein Fotozentrum tes Aus-der-Zeit-gefallen-Sein des Kulturbereichs. Künstlers. Besucher können im Bruegel-Jahr nicht nur seine Meisterwerke bestaunen, sondern auch an authentischen Orten in die damalige Welt des für Düsseldorf – die Kultur- Als würde es die sonst allgegenwärtige Debatte um Klima, Verkehr und unser Wirtschaften als Ganzes Künstlers und Menschen Pieter Bruegel eintauchen. landschaft in NRW soll nicht geben, als kennten die Szene und ihr politi- immer weiter wachsen, wenn scher Arm weiter nur eine Denkrichtung: mehr, mehr, mehr. Ein Richter-Museum in Köln, ein BRÜSSEL ANTWERPEN es nach dem Willen einiger Fotozentrum in Düsseldorf und vielleicht fehlt ja UNSEEN MASTERPIECES | BRUEGEL-BOX MADONNA TRIFFT TOLLE GRETE irgendwo in NRW noch ein Konzertsaal – außer KÖNIGLICHE MUSEEN DER SCHÖNEN KÜNSTE MUSEUM MAYER VAN DEN BERGH Politiker*innen geht. in Bonn, wo sie das auch schon nicht in time and Bis 31. Dezember 2019 5. Oktober 2019 – 31. Dezember 2020 money auf die Reihe kriegen. Den Besucher erwarten außergewöhnliche virtuelle Das berühmte Bruegel-Gemälde „De Dulle Griet“ wird Man fragt sich allen Ernstes, ob die Verantwortli- Erlebnisse bei denen man das Werk Bruegels aus ganz neuen zusammen mit bedeutenden Werken aus den Königlichen Perspektiven entdecken kann. www.fine-arts-museum.be Museen der Schönen Künste Antwerpen gezeigt. Eines dieser »Wie viele Platten wollt ihr denn noch kaufen?« chen in Kultur- und Kunstinstitutionen, aber auch Werke ist die Madonna des französischen Hofmalers Jean Mein Mitbewohner Tom stand vor dem coolsten in den Fachausschüssen der Stadt- und Landespar- BRUEGELS WELT IN SCHWARZ UND WEISS Fouquet. www.museummayervandenbergh.be Plattenladen Essens, unten auf der Viehofstraße, und lamente eigentlich den Schuss nicht gehört haben: KÖNIGLICHE BIBLIOTHEK BELGIENS brüllte durch ein Schaufenster das musiksüchtige Selbst in der vergleichsweise wohlhabenden Lan- 15. OKTOBER 2019 - 15. FEBRUAR 2020 DIE ZEICHNUNGEN VON JAN BRUEGHEL D.Ä. Volk drinnen an. Einerseits waren wir BFBS-Dauer- deshauptstadt Düsseldorf fällt die Bühnentechnik Im Laufe seines Lebens schuf Bruegel rund sechzig Drucke, ROCKOX & SNYDERS HAUS hörer Mitte der 80er Jahre total wild auf den ganzen der Oper laufend aus, das Vordach des Gebäudes die seinen Ruhm in die ganze Welt trugen. Gezeigt wird eine 5. OKTOBER 2019 - 19. JANUAR 2020 heißen Scheiß aus London oder Manchester. An- muss provisorisch abgestützt werden. Gleichzeitig exklusive Sammlung seiner Schwarz-Weiß-Grafiken. Anlässlich seines 450. Geburtstages widmet sich erstmals dererseits stellte sich selbst Vinyl-Junkies wie uns gibt es dort für eine mindestens dreistellige Zahl www.kbr.be/en eine Ausstellung ausschließlich dem grafischen Werk Jan irgendwann die Frage: Machte das eigentlich Sinn, früherziehungswilliger Kinder mangels Raum und Brueghels. Ergänzend dazu werden Werke seiner Zeitgenossen mit The Clash und Tracey Ullman nicht nur gegen Lehrpersonal nicht mal einen Platz in der Musik- BACK TO BRUEGEL präsentiert. www.snijdersrockoxhuis.be Thatchers Neoliberalismus, sondern gegen den Ka- schule. Doch statt das selbst hier nicht unendlich HALLEPOORT pitalismus insgesamt anzusingen, aber gleichzeitig vorhandene Geld in den Erhalt der vorhandenen 18. Oktober 2019 – 18. Oktober 2020 der Plattenindustrie die damals noch Deutsche Mark Substanz zu stecken, muss jetzt natürlich ganz drin- Besucher können in einem Virtual-Reality-Umfeld die schubkarrenweise in den Rachen zu schütten? Nein, gend noch ein üppig ausgestattetes Fotozentrum bewegenden Themen des 16. Jahrhunderts wie Katholizismus und Reformation, die Erforschung der Welt, Krieg, Frieden, machte es nicht. her – und eine neue Oper sowieso. Kunst, Kultur und vieles mehr hautnah erleben. Daran musste ich denken, als während der Som- An allen Stadttheatern NRWs von Aachen bis Ober- www.kmkg-mrah.be merferien Kölns früherer Oberbürgermeister Fritz hausen wüssten die Intendant*innen aus dem Stand Schramma seiner Nach-Nachfolgerin Henriette viele Millionen Euro in ihre Gebäude zu stecken und BEYOND BRUEGEL Reker im Express anempfahl, dem in seiner Wahl- würden sich damit doch nur gerade mal dem fort- PALAIS DE LA DYNASTIE heimatstadt bislang angeblich frevelhaft unter Wert schreitenden Verfall ein bisschen entgegenstemmen. 6. April 2019 – 31. Januar 2020 geschätzten Gerhard Richter jetzt aber mal zügig Auch viele Bibliotheken im Land sehen aus wie in ei- Eine beeindruckende Multimedia-Ausstellung zeigt das ein eigenes Museum anzubieten. In der einstigen ner 70er-Jahre-Zeitschleife stecken geblieben. Beina- Leben und Werk des flämischen Meisters in einer bislang nie römischen Provinzhauptstadt Nieder-Germaniens he allen Museen mangelt es an genügend geeigneten erlebten Weise. Höhepunkt ist eine beeindruckende 360-Grad- wirkt die Antike mental ja bis heute nach: Köln gilt Depot- und Restaurierungsräumen; von zeitgemäßer Projektion. www.beyondbruegel.be immer noch als nördlichste Großstadt Italiens. Ent- Klima- oder Ausstellungstechnik ganz zu schweigen. sprechend schlugen die Wogen des Palavers sofort Free W-LAN? Tja, später, mal sehen, die Kosten, Sie hoch, wenn auch nur kurz. Erst erklärte Reker, dass wissen schon … sie längst an Richter dran sei, der sich aber nach- Es ist höchste Zeit sich zu fragen, wann die in The- haltig reserviert zeige. Dann sagte der 87-jährige aterstücken, Romanen und Bildender Kunst seit Meister via Deutschlandfunk und dpa höchstper- Jahrzehnten allgegenwärtige Kritik an der Wachs- sönlich öffentlich ab: Er »brauche kein eigenes tumsideologie und der gleichzeitige Ruf nach Nach- Haus«. Selbst das wollten ein paar ganz Verwegene haltigkeit endlich aus der Sphäre der Kunst auch in aus dem Schramma-Lager im Nachgang noch zu ei- die Köpfe der Akteur*innen und Entscheider*innen nem Signal seiner eigentlichen Bereitschaft umdeu- des Kulturbetriebes vordringen. Verdammt noch ten … ach ja, Köln. mal: Wie viele Platten wollt ihr denn noch kaufen? VISITFLANDERS 24 KUNST SPECIAL K.WEST 09/ 18 www.flemishmasters.com
Seit bald drei Jahrzehnten ge- deiht auf Gut Hasselrath in Pul- heim nicht nur das Grün im bezaubernden Park. Auch eine prominent besetze Sammlung zeitgenössischer Skulptur wächst Antony Gormleys gußeiserne Skulptur »Still Running, 1990/1993« wurde 2005 im »Bewohnten Garten« aufgestellt. und wächst auf dem Areal her- Foto: Frank Kräuter an. Ein echter Schatz, der lange hinter hohen Hecken schlief. Nun hat Michael Zimmer seinen Wohngemeinschaft »Bewohnten Garten« in eine Stif- tung überführt und lässt ab und zu Besucher ein. kultur.west war im Grünen schon da, um mit dem Sammler einen sonnigen Spaziergang zu TEXT STEFANIE STADEL unternehmen. 26 KUNST SPECIAL KULTUR.WEST 09/19 KULTUR.WEST 09/19 KUNST SPECIAL 27
Ein Weilchen ist man schon durch den Garten gestreift und hätte Dabei hilft Zimmer nach – mit mal mehr und mal weniger Auf- dabei fast übersehen, dass da unter Bäumen im Dickicht jemand wand und unterstützt vom Landschaftsarchitekten Bernhard Kor- sein Zweimann-Zelt aufgeschlagen hat. Als ob er jederzeit den te, der auch auf der Insel Hombroich gewirkt hat. Als Bühne für Reißverschluss öffnen und hinausgucken könnte. Diesmal bleibt Paul McCarthys mächtige und meterhohe Bronze wurde eigens der Mensch allerdings nur ein Gespinst, denn das Zelt ist leer und ein Hügel aufgeschüttet und mit Trauerweiden gepflanzt. Pierre von Martin Honert aus festem, starren Polyester gemacht. Die Huyghes berühmter Frauenakt mit Bienenstock, den Zimmer bei Farne rund ums Kunstwerk hat Zimmer eigens anpflanzen lassen. der Documenta sah und sogleich kaufte, steht auf einem roman- Auf die Idee zur Skulpturensammlung im Garten war einst der be- tischen Plätzchen unter Bäumen, umgeben von einem Sortiment freundete Udo Kittelmann gekommen, der Anfang der 90er Jah- ausgewählter Blüten. Die raue Frauenfigur von Hans Josephsohn re – lange bevor er später die Berliner Nationalgalerie leiten soll- wird dagegen von dichten Buchs- und Ilexbüschen eingerahmt, die te – Direktor des Kölnischen Kunstvereins war. Zimmer schlug wie Kissen zugeschnitten auf dem Rasen liegen. Ist ihr Ort einmal ein. Während Kittelmann oft die künstlerischen Angelegenheiten hergerichtet, bleibt die Skulptur wo sie ist, so Zimmers Prinzip. übernahm, verlegte sich der Hausherr darauf, die Werke mit den »Auch wenn wir die Stücke einmal ausleihen, kehren sie danach Künstlern in den Garten zu fügen. Beim Weg mit dem Sammler immer an ihren Platz zurück.« Seit einem Vierteljahrhundert trifft über Wiesen und durchs Gestrüpp merkt man schnell, wie ernst man etwa Antony Gormleys Arbeit aus hohlem Gusseisen »Still er diese Aufgabe nimmt und wie sehr sein Ehrgeiz das Projekt Running« ohne Sockel einfach auf dem Rasen. Zumindest sieht es prägt. »Skulptur bewohnt den Garten«, so erklärt er selbst es. »Das so aus, denn das Fundament ist unter dem Grün nicht zu sehen. ist nicht der Garten für die Skulptur, sondern das ist die Skulptur, Das ist Zimmer sehr wichtig, wie es scheint. Denn er beginnt nun, die sich einfindet in den Garten.« die spezielle konische Konstruktion genau zu beschreiben und Die Idee zum Skulpturengarten hatte Udo Kittelmann – hier ein Werk von Franz West. Franz West © Archiv Franz West and Estate Franz West Foto: Peter Schaffrath Erst Autobahn, dann Landstraße, schließlich nur noch ein schma- in Dormagen und der durchoptimierten Landwirtschaft rings ler Weg, der sich durch abgemähte Felder und Kartoffeläcker um«, sagt Zimmer. Rehe, Wildschweine, Fasane, Enten, Gänse, zieht. Aus Köln sind es gerade mal 20 Minuten hierher. Doch so- Füchse wohnen im Garten. Aber sie sind nicht die einzigen, die bald sich das gewichtige Tor hinter dem Heck zugezogen hat, fühlt sich eingelebt haben. Hier und da und dort sind Skulpturen zu man sich wie in einer etwas anderen Welt. Zwischen Hecken ver- entdecken, die sich in die Natur fügen und immer wieder über- borgen. Zuerst knirschen noch die Kiesel unter den Autoreifen. raschen. Danach ist nur mehr der Wind zu hören, wie er durch die Bäume Zimmers Gartentour startet vor dem Haus. Joep van Lieshouts streicht, und ab und zu ein Schnattern auf dem glatten See. »Leader« dort könnte auf den ersten Blick wie eine gruselige Hier lebt Michael Zimmer. Vor 30 Jahren hatte er den Ort für Mischung aus Erlöser und Darth Vader wirken. Doch entpuppt sich entdeckt: Gut Hasselrath hat seinen Namen von einem ur- sich der »Anführer« schnell als Trugbild, als leere Hülle, die ihr alten Rittergeschlecht. Als sich der Kunstsammler allerdings ebenso körperloses Reittier auf den Hof lenkt. Fast ohne Hüllen zum Kauf entschloss, war längst nichts mehr übrig vom eins- kommt dagegen Olaf Metzels zierliche Türkin aus, unweit eher ZAV-Künstlervermittlung tigen Glanz. Stattdessen stand da ein ruinöses Haus aus dem beiläufig im Erika-Beet platziert. Sie ist entblößt bis auf das eng 19. Jahrhundert, der Hof war komplett betoniert, davor lag eine um den Hals gewundene Kopftuch. Nacktheit und Verschleie- Müllgrube. »Das wollte keiner haben.« Es muss einige Phanta- rung mögen auf West und Ost anspielen, auf unterschiedliche Runden Sie Ihre Veranstaltung perfekt ab sie gekostet haben, sich auszumalen, was daraus zu machen ist: Werte, die Metzel in einer einzigen Figur kollidieren lässt – Wir vermitteln Ihnen Künstlerinnen und Künstler aus Show, Wiesen, Büsche, Hügel, Senken, Trauerweiden, Wiesenblumen, immer wieder geht er in seiner Kunst mit dem Thema Migration Artistik und Musik – von Klassik über Rock, Pop und Jazz bis meterhohes Schilf, Farne, Streuobst auf dem Trampelpfad... »In- um. Wie hier interessiert sich Zimmer vor allem für die Figur, hin zur Tanz- und Volksmusik zwischen sind wir so etwas wie eine Oase in diesem industriali- das Menschliche, auch wenn er diese Leitlinie seiner Sammlung www.zav-kuenstlervermittlung.de sierten Sektor. Mit dem nahen Braunkohlekraftwerk, mit Bayer ziemlich großzügig auslegt. 28 KUNST SPECIAL KULTUR.WEST 09/19 KULTUR.WEST 09/19 RUBRIK 29
Schau hin! düsseldorf 11.– 30.9.2019 ihre Vorzüge zu erklären. »So etwas entwickele ich gerne mit, das Auch für Thomas Schütte hat sich der Sammler reichlich Zeit macht mir Freude.« genommen – fünf Tage sei man gemeinsam unterwegs gewesen, Was der Rest des Jahres festival! Zimmer kennt sich gut aus mit solch praktischen Fragen rund ums bis die »Gartenzwerge« ihr Zuhause gefunden hätten. Aber da- bringt. Ausstellungstipps, Bauen, auch wenn eher der Schreibtisch sein Platz ist. Nach dem mit nicht genug. Anschließend musste Zimmer noch einen Fach- zusammengestellt Kunstgeschichts-Studium hatte er die Immobilien-Firma seines Vaters mit rund 60 Mitarbeitern übernommen, sie zum deutsch- mann auftreiben, der ihm eine fünf Tonnen schwere Betonscheibe als Sockel fertigt und per Kran installiert. Wichtig war Schütte da- von Stefanie Stadel FORCES landweit größten Unternehmen für Asset Management aufgebaut und dann verkauft. Heute arbeitet er als Berater großer Konzerne bei eine Fuge, um die Scheibe scheinbar über der Wiese schwe- ben zu lassen. Mit dem Ergebnis war der Künstler dann offenbar OF THE NORTH AACHEN in Immobiliengeschäften. Alles in allem ein bisher offenbar über- zufrieden. Denn er spendierte Zimmer den Entwurf für einen LUDWIG FORUM aus einträgliches Berufsleben. Im Garten und mit der Kunst könne Pavillon, der demnächst errichtet werden und als Gruppenraum »LOUISA CLEMENT. REMOTE CONTROL« er abschalten, so Zimmer. Fast jeden Morgen drehe er mit dem und Bibliothek dienen soll. Auch sonst ist noch einiges geplant für schwarzen Riesenschnauzer eine große Runde. Und selbst in den die nächste Zeit. Zimmer hebt die Frauenquote unter den Gar- 27. SEPTEMBER 2019 BIS 26. JANUAR 2020 NEXT ZONE stressigsten Phasen habe es ihm gut getan, sich für den Austausch tenbewohnern. Auf seiner Einkaufsliste stehen Nicole Eisenman Sie »porträtiert« gesichtslose Schaufensterpuppen und kleidet ganze Räume mit künstlicher Haut aus. Louisa Clement kippt DANCE mit den Künstlern Zeit zu nehmen. Mittlerweile ist man bei den »Trashstones« von Wilhelm Mundt angekommen, die am Ufer, mit einem kleinen Brunnen und ein Pinocchio von Cosima von Bonin. Das Wildblumenbett für die sechs Meter lang ausgestreck- tonnenweise schwarz-glänzende Glasschlacke in den Ausstel- COMPANY lungssaal und experimentiert neuerdings auch mit VR-Brillen umgeben von hohem Gras, wie in einer Nische ruhen und silbrig te Frauenfigur von Tracey Enim zeigt sich bereits in voller Blüte. und künstlicher Intelligenz. Ihre Fotografien, Videos, Installati- Deu t schlandpr emier e glänzend den Sonnenschein reflektieren. Zuerst wäre Mundt ein Im September wird die Dame wohl hineingelegt. Ist ein Ende in onen, Skulpturen und Virtual-Reality-Arbeiten reflektieren un- Choreografie: Lene Boel zentraler Ort oben beim Haus lieber gewesen, erinnert sich Zim- Sicht? Wann ist Zimmers Garten komplett? »Nein, es gibt kein fes- sere Wirklichkeit auf verführerische und gleichzeitig abgründige mer. Und es habe einige Mühe gekostet, ihn zu überzeugen. Heute tes Ziel«, sagt der Sammler lächelnd. »Ich hatte vor 25 Jahren nicht Weise. Aktuell dreht die 32-jährige Bonnerin extrem erfolgreich aber sei der Künstler froh um das lauschige Plätzchen am Wasser, das Ziel, einen Skulpturengarten aufzubauen, das hat sich zufällig ihre Runden durch die Kunstlandschaft. Im Sprengel-Museum auch wegen des reizvollen Lichtspiels. Zum Dank kommt er regel- ergeben – und bei dieser Zufälligkeit will ich es auch in Zukunft in Hannover war sie schon zu Gast, jetzt zieht sie mit ihrer ersten Fr 27.9. & Sa 28.9., 20 Uhr mäßig her, um seine Steine zu polieren. belassen.« großen Einzelausstellung ins Ludwig Forum nach Aachen. Theaterzelt, Burgplat z DER BEWOHNTE GARTEN STIFTUNG ZUR FÖRDERUNG ZEITGENÖSSISCHER KUNST GUT HASSELRATH, PULHEIM ES FINDEN REGELMÄSSIG GEFÜHRTE TOUREN STATT. ANMELDUNG ÜBER: WWW.DERBEWOHNTEGARTEN.DE ZUM GARTEN IST GERADE EIN BUCH ERSCHIENEN: »A SCULPTURE GARDEN« HRSG. VON UDO KITTELMANN UND MICHAEL ZIMMER IM VERLAG STEFAN SCHUELKE FINE BOOKS (196 SEITEN, 39,80 EURO) BONN BUNDESKUNSTHALLE »MARTIN KIPPENBERGER. BITTESCHÖN DANKESCHÖN und ... Licht Wanderausstellung 2019 – EINE RETROSPEKTIVE« Christoph Dahlhausen 1. NOVEMBER 2019 BIS 16. FEBRUAR 2020 Konstantinos Angelos Gavrias Er malte und machte Musik, stellte sich selbst als Frosch Krüger & Prothmann dar oder als türkische Putzfrau am Kreuz. Er feierte früh Molitor & Kuzmin Erfolge, lebte ausschweifend und starb mit nur 44 Jahren: Diana Ramaekers Martin Kippenberger (1953–1997), einer der medial und stilistisch vielseitigsten deutschen Künstler der 1980er und 90er Jahre. Dazu ein notorischer Provokateur, der weiterhin Anlass zur Diskussion bietet. Die Bundes- kunsthalle widmet ihm nun eine Retrospektive, die vor allem zeigen will, wie komplex sein Werk quer durch alle Medien war – Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen, Col- 18.1. – 17.3. Saarbrücken 23.3. – 3.5. Trier lagen, Multiples, Plakate, Künstlerbücher. 16.5. – 6.7. Mönchengladbach 11.7. – 25.8. Troisdorf Martin Kippenberger vor einer Wandarbeit von Günther Förg, 30.8. – 2.10. Essen Galerie Max Hetzler, Köln 1985; zu sehen in der Bundeskunsthalle, Bonn www.kunst.ekir.de 11.10. – 17.11. Krefeld (© Foto: Estate Günther Förg, Suisse / VG Bild-Kunst, Bonn 2019 Courtesy the @und_Licht 21.11. – 14.2.2020 Düsseldorf In Pulheim zuhause: eine Arbeit von Paul McCarthy. Estate of Martin Kippenberger, Galerie Gisela Capitain, Cologne). #und_Licht 29.2. – 5.4.2020 Radevormwald Paul McCarthy © Courtesy the artist and Hauser & Wirth Foto: Peter Schaffrath 30 KUNST SPECIAL KULTUR.WEST 09/ 19 KULTUR.WEST 09/19 kulturwest_92,75x127_4C.indd 1 17.05.19 11
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