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KVJS Aktuell 03/20 Fortbildung KVJS baut Angebot an Online-Seminaren aus Seite 25 KVJS Soziales Integration Gemeinsam Pflege im Eine neue Geschäfts- lebendige Quartiere demografischen idee für Inklusions- entwickeln Wandel unternehmen Seite 4 Seite 13 Seite 17
Impressum KVJS aktuell Juli 2020 Herausgeber: Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg Öffentlichkeitsarbeit Lindenspürstraße 39 70176 Stuttgart www.kvjs.de Verantwortlich: Kristina Reisinger Redaktion: Gabriele Addow Titelfoto: © Maksym Yemelyanov / Fotolia ©REDPIXEL - stock.adobe.com Layout: www.mees-zacke.de Bestellungen und Adressänderungen: Telefon 0711 6375-208 publikationen@kvjs.de Druck: Texdat-Service gGmbH, Weinheim Redaktioneller Hinweis: Wir bitten um Verständnis, dass aus Gründen der Lesbarkeit auf eine durch- gängige Nennung der weiblichen und männlichen Bezeichnungen verzichtet wird. Selbstverständlich beziehen sich die Texte in gleicher Weise auf Frauen, Männer und Diverse. 2 KVJS aktuell 3/2020
KVJS Inhaltsverzeichnis KVJS 4 Gemeinsam lebendige Quartiere entwickeln 6 Verbandsausschuss des KVJS im Umlaufverfahren 7 Fachschulen haben regulären Unterricht wieder aufgenommen 8 Neufassung der Handreichung zur familienfreundlichen Kommune erschienen HABILA 9 Projekt QuarTeTT: Neue Möglichkeiten für Menschen mit Behinderung SOZIALES 11 Barrierefreies Wohnen virtuell erleben 12 KVJS-Jahrestagung zu Vertragsrecht und Vergütungen im Online-Format 13 Pflege im demografischen Wandel 14 Ehrenamtliche Betreuung: Neuer Online-Test für Fortgeschrittene INTEGRATION 15 Auf Umwegen zum Erfolg 16 Lesen mit technischen Hilfsmitteln 17 Eine neue Geschäftsidee für Inklusionsunternehmen 18 Mittelalterrocker als inklusive Arbeitgeber 19 Mit „InkluServ“ auf dem richtigen Weg JUGEND 20 Hilfe für Flüchtlingskinder aus Griechenland 21 Rechtsaufsicht für die Kinder- und Jugendhilfe verlagert 22 Online-Seminar für ASD-Leitungen in Baden-Württemberg 23 Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe FORTBILDUNG 25 KVJS baut Angebot an Online-Seminaren aus NEU ERSCHIENEN 26 Beim KVJS erschienen 3/2020 KVJS aktuell 3
KVJS „Gemeinsam lebendige Quartiere entwickeln“ Angela Hantke vom Lehn von der KVJS-Koordinierungsstelle im Interview Ein zentraler Knotenpunkt im Netzwerk Quartiersakademie des Landes ist die Koordinie- rungsstelle des KVJS. Sie hat im Februar ihre Arbeit aufgenommen. Hierzu ein Interview mit Angela Hantke vom Lehn vom Koordinierungs-Team. Frau Hantke vom Lehn, warum ist die Koordinie- nieren und zu reflektieren unterstützt die Koor- rungsstelle so wichtig? dinierungsstelle durch eine gute inhaltliche und Um den sozialen Zusammenhalt in den Quartie- organisatorische Bündelung von Fortbildungs-, ren vor Ort zu stärken, bedarf es gemeinsamer Tagungs- und Beratungsangeboten. Dabei ent- Anstrengungen aller relevanten Akteure. So wickelt sich die Akademie ständig weiter, immer unterschiedlich wie die einzelnen Quartiere, so orientiert an den jeweiligen gesellschaftlichen breit ist das Spektrum an Handlungsfeldern in der Herausforderungen. Quartiersarbeit. Gemeinsames Ziel ist es, einen lebendigen sozialen Raum mit starkem bürger- Wie ist die Koordinierungsstelle in das Netzwerk schaftlichem Engagement zu entwickeln. Quartiersakademie eingebunden? Die Quartiersakademie ist ein wesentlicher Damit alle Kommunen und ihre Partner in Baden- Baustein der Landesstrategie „Quartier 2020“. Ihr Württemberg von einer Quartiersentwicklung Anliegen ist es, flächendeckende Fortbildungs- profitieren können und diese sich transparent, strukturen im Bereich Quartiersentwicklung aufzu- inklusiv und nachhaltig gestaltet, ist eine gemein- bauen und das gemeinsame kommunale Lernen same Ausgangssituation, Verständnisebene und sowie den Erfahrungsaustausch zwischen den Handlungsstrategie nötig. Diese zu finden, zu defi- Kommunen zu unterstützen. Die Koordinierungs- Die KVJS-Koordinierungsstelle: Baustein im Netzwerk Quartiersakademie. Grafik: Ministerium für Soziales und Integration 4 KVJS aktuell 3/2020
KVJS stelle ist ein zentraler Knotenpunkt in diesem Digitaler Fachtag in Bad Boll Netzwerk, bringt zusammen, was es im Land Am 30.04.2020 fand ein vom Ministerium für bereits gibt und fördert neue Entwicklungen. Jugend und Soziales organisierter Fachtag in Bad Boll statt. Er wurde aus aktuellem Anlass Worin sehen Sie die Herausforderungen jetzt und digital durchgeführt. Die Koordinierungsstelle des künftig? KVJS beteiligte sich mit digitalen Beiträgen. Ganz aktuell geht es darum, schnell Transparenz für alle Beteiligten und Interessierten herzustellen Weitere Informationen unter: sowie mögliche Qualifizierungsebenen aufzuzei- www.quartier2020-bw.de/qualifiziert-ins- gen. Gleichzeitig dürfen wir nicht aus dem Blick quartier/__Qualifiziert-ins-Quartier-www-quar- verlieren, die Koordinierungsstelle auf ein qualita- tier2020-bw-de-qualifiziert-ins-quartier.html tiv gutes, tragbares und nachhaltiges Fundament zu stellen. Dies alles in einen guten Gleichklang Die Internetpräsenz der Quartiersakademie ist im zu bringen, fordert uns in der Aufbauphase sicher Aufbau. Zur vorläufigen Homepage geht es hier: sehr. Aber auch künftig wird die Ausgewogenheit www.quartiersakademie.de zwischen bedarfsorientierter Ausrichtung in der Arbeit einerseits und Anspruch an eine hohe Qua- lität in der Ausgestaltung der Quartiersakademie andererseits wohl die größte Herausforderung für die Koordinierungsstelle darstellen. Die Fragen stellte Gabriele Addow Das Team und seine Aufgaben Die KVJS-Koordinierungsstelle ist Informations- und Anlaufstelle für Kommunen und Zivilge- sellschaft zu Fortbildungsangeboten in der Quartiersentwicklung. Zudem koordiniert sie landesweite Fortbildungsangebote, vernetzt Fort- bildungsträger und wickelt Mittel des Landes ab. Im Mittelpunkt stehen Aufbau und Pflege eines Onlineportals mit Fortbildungsangeboten. Dr. Andrea Keller (li) und Angela Hantke vom Lehn von der KVJS-Koordinierungsstelle Das Team setzt sich aus drei Mitarbeiterinnen zusammen: Angela Hantke vom Lehn arbeitet Andrea Keller übernimmt ab 1. Juli 2020 die bereits seit April für die Koordinierungsstelle. Sie fachliche Leitung der Koordinierungsstelle und bringt 20 Jahre Erfahrung aus Theorie und Praxis der Geschäftsstelle der Lenkungsgruppe. Als in der Quartiersentwicklung mit. Angela Hantke Fachfrau für Erwachsenenbildung wird sie das vom Lehn unterstützt bei der Umsetzung und Wei- Fortbildungskonzept fachlich und konzeptionell terentwicklung des Fortbildungskonzepts, organi- weiterentwickeln. siert die Geschäftsstelle der Lenkungsgruppe und übernimmt die Pflege des Onlineportals sowie die Außerdem wird eine Assistenz das Team unter- Qualitätsprüfung. stützen. 3/2020 KVJS aktuell 5
KVJS Auch online weiter im Geschäft Verbandsausschuss des KVJS im Umlaufverfahren Coronabedingt hat der Verbandsausschuss des KVJS im Mai Beschlüsse im Umlaufverfahren gefasst. Haushaltsplan 2020 und vorläufiges Entwicklung der KVJS-Fortbildung Rechnungsergebnis 2019 Mit 15.062 Teilnehmern an Fortbildungs- und Der KVJS hat den von der Verbandsversammlung Inhouseveranstaltungen sowie Tagungen lag im Dezember beschlossenen Haushaltsplan 2020 der KVJS im Jahr 2019 leicht über dem Vorjahres- der Rechtsaufsichtsbehörde vorgelegt, die dessen niveau. Gesetzmäßigkeit bestätigte. Der Verbandsaus- schuss nahm die Haushaltssatzung im Umlauf Aufgrund von Corona wurden zum Schutz der verfahren ohne Einwände zur Kenntnis. Mitarbeiter, Referenten und Teilnehmer von Mitte März bis Mitte Juni 2020 135 Fortbildungsveran- Auch das vorläufige Rechnungsergebnis 2019 staltungen mit 944 Teilnehmern abgesagt. Bis zum sowie den bisherigen Haushaltsverlauf 2020 Jahresende wird es weitere Einschränkungen im nahm der Ausschuss wohlwollend zur Kenntnis. Fortbildungsbetrieb geben. So mussten aufgrund Das Gesamtergebnis des KVJS hat sich demnach anhaltender Einschränkungen bis Ende des Jahres gegenüber der Planung verbessert. Aktuell geht weitere 90 Veranstaltungen abgesagt werden. Im man jedoch davon aus, dass die Corona-Pandemie Vergleich zur ersten Jahreshälfte im Vorjahr waren negative Auswirkungen auf den Haushaltsverlauf 43 Veranstaltungen mehr geplant. Die Zahl der 2020 haben wird. stornierten Teilnehmer stieg coronabedingt von 642 im ersten Halbjahr 2019 auf 1024 in diesem Die KVJS Bildungseinrichtungen Halbjahr. Es ist abzusehen, dass weitere Veranstal- Der KVJS als Gesellschafter des KVJS-Tagungs- tungen verschoben, abgesagt oder als E-Learning- zentrums Gültstein und des Bildungszentrums Angebote konzipiert werden. Bislang konnten Flehingen hat dem Verbandsausschuss den 59 Veranstaltungen mit 747 Teilnehmern digital Beteiligungsbericht für 2019 vorgelegt mit den angeboten werden, weitere sind geplant. Die betriebswirtschaftlichen Unternehmensdaten. Tagungshäuser haben Hygienekonzepte erarbei- Das Tagungszentrum Gültstein schließt das tet. Leider können jedoch nicht alle abgesagten Geschäftsjahr 2019 mit einer Bilanzsumme von Veranstaltungen kompensiert oder nachgeholt 960.934,76 Euro und einem Jahresüberschuss von werden. Trotz der unklaren Entwicklung plant der 11.709,37 Euro ab. Die Erlöse konnten durch Groß- KVJS das Fortbildungsjahr 2021 wie üblich. veranstaltungen und eine bessere Auslastung in den Sommerferien gesteigert werden. Die Erlöse Kristina Reisinger aus den KVJS-Tagungs- und Fortbildungsveran- staltungen tragen mit 56,87 Prozent zum Gesamt- umsatz der GmbH bei. Für 2020 rechnet der KVJS mit einem schlechteren Ergebnis, da die Corona- Pandemie die Bildungseinrichtungen besonders hart getroffen hat. 6 KVJS aktuell 3/2020
KVJS Von Angesicht zu Angesicht Fachschulen haben regulären Unterricht wieder aufgenommen In Flehingen dürfen sich alle Auszubildenden der KVJS-Fachschulen endlich wieder persönlich begrüßen: Inzwischen findet der Unterricht zu 95 Prozent als Präsenz- veranstaltung statt, nur fünf Prozent der Kurse werden noch online durchgeführt. Wegen der allgemeinen Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus hatte die Fachschule noch Anfang Mai Präsenzunterricht nur für Prüfungs- kurse angeboten. Für die Fachschüler eine Dop- pelbelastung: digitaler Unterricht zu Hause und gleichzeitig verstärkter Einsatz in den Praxisstel- len, da auch dort Not am Mann war. Aber: „Unsere Auszubildenden haben diese große Herausfor- derung mit Bravour gemeistert und freuen sich jetzt sehr, wieder hier an ihrer Fachschule sein zu dürfen“, sagt Schulleiterin Nathalie Lichy. Großes Lob zollt Lichy aber auch den Lehrkräften: „Wir sind unglaublich dankbar, wie unsere Dozenten uns in dieser schwierigen Zeit unterstützt haben, sie haben unglaubliches geleistet und quasi über Nacht von Präsenz- auf Digitalunterricht umge- stellt“. Hervorragende Arbeit leisten sie übrigens auch heute noch: „Momentan sind unsere Klassen Das KVJS-Bildungszentrum Schloss Flehingen bietet an drei weiterhin geteilt, das bedeutet, ein Dozent unter- Fachschulen eine berufsbegleitende, staatlich anerkannte Aus- richtet gleichzeitig in zwei Räumen“, macht die bildung an / Foto: Grohmann Schulleiterin deutlich. Kolloquien und Reflexionsgespräche durch und Insgesamt 300 Schüler sind gegenwärtig im daraus ergaben sich dann die Praxisnoten. KVJS-Bildungszentrum an den drei Fachschulen eingeschrieben, einige stecken mitten in den Ihren Abschluss bereits in der Tasche haben seit Prüfungen. Von März bis Mai hätten eigentlich dem 25. Juni die Absolventen der Fachschule für die praktischen Abschlussprüfungen in den Heilpädagogik. Auf die gewohnten Feiern muss- Einrichtungen der Jugend- und Eingliederungs- ten sie diesmal allerdings leider verzichten, sie hilfe stattfinden sollen, was aber wegen dem bekamen ihr Zeugnis mit der Post zugeschickt. Im Corona-Infektionsschutz nicht möglich war. „Das Oktober folgen dann die übrigen zwei Fachschu- Regierungspräsidium war da sehr kooperativ und len – mit etwas Glück können die angehenden man hat eine alternative Lösung gefunden“, freut Jugend- und Heimerzieher sowie die Heilerzie- sich Nathalie Lichy. So wurde die Praxisprüfung in hungspfleger ihre Zeugnisse dann im festlichen der Einrichtung von den Praxisanleitern vor Ort Rahmen entgegennehmen. durchgeführt. Danach erfolgte die Rückmeldung an die Fachschule, die Dozenten führten daraufhin Gabriele Addow 3/2020 KVJS aktuell 7
KVJS Flagge zeigen für Familie Neufassung der Handreichung zur familienfreundlichen Kommune erschienen Der KVJS hat zusammen mit dem Netzwerk Familie und der Familienforschung sowie Vertretern von Städten, Gemeinden und Landkreisen die Broschüre „Familien- freundliche Kommune“ neu aufgelegt. Sie bietet einen Überblick über wesentliche Felder kommunaler Familienpolitik und zeigt Wege auf, um das familienfreundliche Profil einer Kommune zu schärfen. Die rasanten und dynamischen gesellschaftlichen Akteuren und Verantwortungsträgern vor große Entwicklungen in einer globalisierten und digi- Herausforderungen. Zusätzlich belasten verän- talisierten Welt stellen die Kommunen mit ihren derte Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel der Mangel an bezahlbarem Wohnraum oder das Fehlen passgenauer Kinderbetreuung, das Familienleben immer mehr. „Wir möchten mit Die Handreichung „Familienfreundliche unserer Broschüre den Städten und Gemeinden Kommune“, aktualisierte Auflage 2020, ist hier eine systematische Bestandsaufnahme, eine zu beziehen: https://sozialministerium.baden- Festlegung von bedarfsorientierten Zielen und wuerttemberg.de/de/service/publikation/did/ damit eine strategische Weiterentwicklung ihrer handreichung-familienfreundliche-kommune/ familienfreundlichen Infrastruktur ermöglichen“, so Andreas Reuter vom KVJS. Als WebApp ist die Broschüre zu finden unter: www.familienfreundliche-kommune.de Die Handreichung erfasst mit Hilfe von zehn Handlungsfeldern die wichtigsten relevanten kommunalen Fragestellungen. Praxisorientiert können somit Kommunen, Institutionen und Organisationen anhand von mehr als 200 einzel- nen Aspekten ihre jeweils lokale Familienfreund- lichkeit analysieren. Themen sind zum Beispiel Familienförderung und Familienbildung, Betreu- ung, Ausbildung und Erziehung, Integration und Antidiskriminierung, Älterwerden und Generati- onenbeziehungen, Gesundheitsförderung sowie Wohnen, Wohnumfeld und Mobilität. Praktisch ist auch die Anwendung: Es müssen nicht alle Handlungsfelder von einer Kommune parallel bearbeitet werden, sondern die Broschüre eignet sich auch dazu, spezielle Handlungsfelder auszusuchen, um diese nach dem aktuellen kom- munalen Bedarf zu bearbeiten. Gabriele Addow Statistisches Landesamt 8 KVJS aktuell 3/2020
HABILA Foto: Robert Kneschke/Fotolia Technik für Teilhabe Projekt QuarTeTT schafft neue Möglichkeiten für Menschen mit Behinderung Mit dem innovativen Projekt QuarTeTT hat sich die Habila erfolgreich in einem Ideen- wettbewerb des Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg beworben. Es soll Menschen mit Behinderung und Pflegebedarf durch den Einsatz innovativer Technolo- gien ein selbstständigeres und selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Wie es sich für ein Quartett gehört, setzt sich der Name aus vier Bestandteilen zusammen: Quar- tiersentwicklung, Teilhabe, Technikeinsatz und WissensTransfer stecken im Namen des Projekts. Seit dem 1. April arbeiten die Habila, die Eberhard- Karls-Universität Tübingen und das Zentrum für Telemedizin Bad Kissingen (ZTM) zusammen, um moderne Technik, zielgenaue Beratung und bür- gerschaftliches Engagement so zu kombinieren, dass für Menschen mit Behinderung daraus ein größtmöglicher Nutzen entsteht. Ein Projektteam begleitet und berät Menschen mit nete Technologien im Alltag sinnvoll einzusetzen. Behinderungen in Wohn- und Lebenssituationen – Die Ziele und Wünsche der Teilnehmer werden mit immer mit dem Ziel, technische Geräte und geeig- Hilfe eines eigens entwickelten Befragungsbogens 3/2020 KVJS aktuell 9
HABILA ermittelt. Die möglichen Einsatzbereiche sind viel- Ebenfalls ein Bestandteil von QuarTeTT ist die fältig: Eine intelligente Ausstattung der Wohnung Einbeziehung der Ressourcen im Quartier. In einer mit Sturzerkennungssystemen könnte bei Bedarf Gesellschaft, in der die Menschen immer älter ebenso in Frage kommen wie ein automatischer werden, wird das gewohnte soziale und räumliche Herdwächter oder Sprachausgabegeräte für die Umfeld auch zum Gesundheitsstandort. Indivi- Unterstützte Kommunikation, mit dem sich zum duelle Dienstleistungsangebote im sogenannten Beispiel Haustechnik steuern lässt. Bürger-Profi-Technik-Mix in kleinen Wohnein- heiten fördern heute bereits die Möglichkeiten, Neben der Technik werden in QuarTeTT auch möglichst lange in einer eigenen Wohnung leben ethische und datenschutzrechtliche Fragen zu können. QuarTeTT möchte diese Entwicklung beantwortet. Hierzu dienen Fallstudien, bei denen auf Menschen mit Behinderung und Pflegebedarf Menschen mit Behinderung in verschiedenen ausweiten. Lebenslagen (zum Beispiel alleinstehend, in einem Heim oder einer Wohngemeinschaft lebend) mit Das Projekt schafft Grundlagen und Strukturen für unterschiedlichsten Technologien ausgestattet den Gesundheitsstandort Baden-Württemberg. werden. Die Ergebnisse der Fallstudien werden in Um möglichst viele Personen zu erreichen, kommt Videos aufbereitet, die anschließend zu Lehr- und ein Videokonferenzsystem sowie ein Messenger- Lernzwecken für ähnlich gelagerte Fälle zur Ver- dienst zum Einsatz. So kann sich im Anschluss an fügung stehen. Alle Inhalte des Projekts werden das Projekt jeder Ratsuchende aus Baden-Würt- auch in leichte Sprache übersetzt. Das macht die temberg mit seinem Anliegen an die Beratungs- Projektergebnisse für Menschen mit kognitiven stelle wenden, ohne dafür weite Wege in Kauf Einschränkungen verständlich und nachvollzieh- nehmen zu müssen. bar. Das Vorhaben wird unterstützt durch das Ministe- Das Zentrum für Telemedizin installiert die passen- rium für Soziales und Integration aus Mitteln des den Technologien. In Abstimmung mit der Habila Landes Baden-Württemberg. In der Projektlaufzeit entwickelt das ZTM die zugehörigen Schulungen vom 1. April 2020 bis 31. Januar 2022 stehen dafür für Menschen mit Behinderung, ihre Angehöri- 359.694 Euro zur Verfügung. gen sowie Mitarbeitende der Assistenzträger. Die Eberhard-Karls-Universität Tübingen verantwortet Stephan Gokeler die wissenschaftliche Auswertung der Projekter- gebnisse. 10 KVJS aktuell 3/2020
Soziales Barrierefreies Wohnen virtuell erleben Alternative für den Besuch der Werkstatt Wohnen vor Ort Auch zu Zeiten von Corona steht die Tür der barrierefreien Musterwohnung des KVJS offen – und zwar virtuell. Ein 360-Grad-Rundgang nimmt Interessierte mit in die Werkstatt Wohnen und präsentiert intelligente Lösungen für ein barrierefreies Zuhause. Grafiken: Mees+Zacke Die virtuelle Ausstellung zeigt technische Hilfs- mittel wie Sturzdetektoren, Antipanik-Schlösser und Herdüberwachung. Auch zahlreiche bauliche Lösungen werden vorgestellt. Alle Möglichkei- ten zielen darauf ab, den häuslichen Alltag zu erleichtern, oft ohne dass ein aufwendiger Umbau erforderlich ist. Erklär- und Infotexte liefern wich- Die Website berücksichtigt zudem individuelle tige Fakten zu den Produkten und Maßnahmen. Lebenssituationen und Bedürfnisse. In der Rubrik Ein Angebot, das nachgefragt wird: „Besonders „Lebenswelten“ sind Hilfsmittel und Lösungen wird die Flexibilität geschätzt, die das Angebot gezielt nach einzelnen Themenschwerpunkten mit sich bringt. Durch Corona gab es nochmals wie „Hören“, „Demenz“ oder „Mobilität“ aufbereitet einen deutlichen Anstieg der Nutzerzahlen. Die und zusammengefasst. offene Sprechstunde vor Ort wird auch weiterhin leider nicht stattfinden, sodass wir sehr froh sind, Lernen Sie die Werkstatt Wohnen kennen – auf eine digitale Alternative anbieten zu können“, sagt www.barrierefrei-wohnen.kvjs.de Leiterin Barbara Steiner-Karatas. Julia Holzwarth 3/2020 KVJS aktuell 11
Soziales Jahrestagung im Online-Format. Vor dem Start wird nochmal die Technik geprüft / Fotos: Holzwarth (Virtueller) Raum für Austausch KVJS-Jahrestagung zu Vertragsrecht und Vergütungen im Online-Format Besondere Umstände erfordern besondere Maßnahmen. Am 16. Juni hieß es daher: Jahrestagung im virtuellen Raum. Knapp 40 Fachkräfte erhielten ein Update zu derzeitigen Entwicklungen im Vergütungs- und Vertragswesen. Für Eva Dargel war es die erste Jahrestagung in ihrer Funktion als neue Referatsleiterin und dazu noch in einem komplett neuen Format: Sie begrüßte die Kolleginnen und Kollegen aus den Stadt- und Landkreisen per Videobotschaft und betonte, dass es – insbesondere zur Krisen- zeit – wichtig sei, einen Rahmen für Austausch und Fragen zu schaffen. Zu diesem Zweck wurde eine Chatfunktion eingerichtet, aufgeteilt in die Leistungsbereiche Jugend-, Alten- sowie Einglie- Eva Dargel begrüßt die Teilnehmenden. derungshilfe. Die Fach- und Führungskräfte aus dem Vergütungs- und Vertragswesen vernetzten mit den Einrichtungen und den derzeitigen Tarif- sich darin mit Video- oder Textnachrichten und entwicklungen. Auch die Neuerungen im Bereich erhielten fachlich fundierte Antworten auf indivi- der Altenhilfe waren Bestandteil der Tagung. In duelle Fragen. dem Kontext informierte der KVJS über Aktuelles in der Kurzzeitpflege. Nicht zuletzt standen das Die Jahrestagung informierte in Form eines Bundesteilhabegesetz und die Verhandlungen Online-Seminars über Entwicklungen sowie über zum Landesrahmenvertrag im Mittelpunkt: Das die aktuelle Verhandlungspraxis und Rechtspre- Fachteam verdeutlichte, dass an einem Abschluss chung aus dem Fachbereich. Im Mittelpunkt stand mit Hochdruck gearbeitet werde und dieser in zunächst die Situation in der Corona-Krise und wie Kürze zu erwarten sei. Geplant seien auch Hand- sie sich konkret auf die drei Hilfebereiche aus- lungsleitlinien für die Stadt- und Landkreise und wirkt. Darüber hinaus erhielten die Teilnehmen- spezielle Fachveranstaltungen. den eine Zusammenfassung mit Zahlen, Daten und Fakten zur aktuellen Verhandlungssituation Julia Holzwarth 12 KVJS aktuell 3/2020
Soziales Pflege im demografischen Wandel Bericht gibt Einblick in Status Quo und künftige Entwicklungen Der KVJS hat einen neuen Bericht zur „Hilfe zur Pflege“ veröffentlicht. Eine zusätzliche Vorausberechnung zeigt, wie stark Pflegeleistungen im Jahr 2030 nachgefragt werden. Die demografische Entwicklung bestimmt die Anstieg um 90.000 auf rund 490.000 pflegebedürf- Zukunft der Pflege in Deutschland maßgeblich: tige Personen erwartet. Wenn sie ambulante und Durch die Zunahme der älteren Bevölkerung stationäre Leistungen wie bisher in Anspruch neh- wird sich auch die Anzahl der pflegebedürftigen men, wären in zehn Jahren rund 49.000 Personen Personen erhöhen, da das Risiko der Pflegebedürf- mehr auf professionelle Leistungen in Form von tigkeit mit steigendem Alter wächst. ambulanter und stationärer Pflege angewiesen. Eine Entwicklung, die beträchtliche Auswirkungen Instrument zur Vorausberechnung auf die Pflege- und Versorgungslandschaft und Um Unterstützungsnetzwerke ausbauen und Pfle- den dafür benötigten Fachkräftebedarf hat. geangebote in den Stadt- und Landkreisen ent- sprechend planen zu können, muss der zukünftige Hilfe zur Pflege: Mehr Leistungsberechtigte Bedarf gekannt werden. Hierfür hat der KVJS ein Durch den Anstieg der pflegebedürftigen Men- Instrument entwickelt, das die Zahl der Pflegebe- schen wird sich voraussichtlich auch die Zahl der dürftigen und ihre Verteilung auf die jeweiligen Leistungsempfänger in der Hilfe zur Pflege weiter Leistungsformen vorausberechnen kann: Ausge- erhöhen. Hilfe zur Pflege erhalten Personen, die hend vom Jahr 2017 wird bis zum Jahr 2030 ein die Pflegekosten mit den Leistungen aus der Grafik: KVJS. Datenbasis: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Bevölkerungsvorausrechnung auf Basis der Bevölkerungsstatistik zum 31.12.2017 sowie Pflegestatistik 2017. Eigene Berechnungen KVJS. 3/2020 KVJS aktuell 13
Soziales © Westend61-Nico Hermann / Fotolia Pflegeversicherung und dem eigenen Einkommen ten. Unter den Heimbewohnern war fast jeder nicht bezahlen können. Am 31. Dezember 2018 dritte auf Hilfe zur Pflege angewiesen. haben mehr als 27.000 Menschen in den Pflege heimen Baden-Württembergs diese Leistung Mehr Infos zu Faktoren und Entwicklungen sowie bezogen. Das sind knapp 6.500 Menschen mehr konkrete Zahlen finden Sie im Bericht: als noch 2001. 82 Prozent aller Leistungsempfän- www.kvjs.de/soziales/statistik-steuerungsunter ger hatten das 65. Lebensjahr bereits überschrit- stuetzung/hilfe-zur-pflege/ Julia Holzwarth Ehrenamtliche Betreuung: Neuer Online-Test für Fortgeschrittene Das Wissensportal für ehrenamtliche Betreuer hat stellen können und nach Maßgabe des Betreu- sich mittlerweile zu einer vielgenutzten Wissens- ungsrechts bewältigt werden müssen. Das neue quelle in der rechtlichen Betreuung etabliert. Mit Angebot ergänzt damit den Basistest, der sich auf aktuellen Infos und verständlich aufbereiteten die Grundlagen fokussiert. Grundlagen zum Betreuungsrecht unterstützt das Portal seit 2018 Ehrenamtliche und Interessierte. Eine Gesamtauswertung beinhaltet zusätzliche Das Angebot wird stetig weiterentwickelt und Informationen zu einzelnen Themenbereichen, die aktualisiert. Seit Kurzem steht ein neuer Wissens- auf dem Wissensportal abgerufen werden können. test zur Verfügung – mit vertiefenden Aspekten Probieren Sie es gleich aus: für Fortgeschrittene. Er beinhaltet Fragen zu www.ehrenamtliche-betreuer-bw.de Aufgaben und Situationen, die sich einem ehren- amtlichen Betreuer im Rahmen seiner Tätigkeit Julia Holzwarth 14 KVJS aktuell 3/2020
Integration Auf Umwegen zum Erfolg Kai Winkler arbeitet als Verkäufer bei REWE Rund 30 Mitarbeiter hat der REWE-Markt in Stuttgart-Hedelfingen. Zum Team gehört ein junger Mann mit Behinderung. Regale mit verschiedenen Brotsorten bestücken, Winkler einen unbefristeten Arbeitsvertrag als Ver- Molkereiprodukte sortieren, Paletten voll mit käufer – in Vollzeit. Dafür gibt es von der Agentur unzähligen Packungen Toilettenpapier aus dem für Arbeit drei Jahre lang einen Eingliederungs- Lager holen, sich um den Leergutautomaten zuschuss und zusätzlich Inklusionsprämien nach kümmern und zwischendurch Verkaufsgespräche dem Förderprogramm „Arbeit Inklusiv“. führen, per Smartphone Waren bestellen und Dokumente am PC bearbeiten – der Arbeitsalltag Auch Kunden zu beraten gehört mit zum Aufga- von REWE-Mitarbeiter Kai Winkler lässt keine Lan- benspektrum von Kai Winkler. Vor allem bei den geweile aufkommen. betagten Besuchern ist mitunter viel Geduld ange- sagt. Chef Henning Waldmann weiß die Freund- Thomas Hüsson-Berenz vom Integrationsfach- lichkeit, Hilfsbereitschaft und das große Engage- dienst (IFD) Stuttgart hat den jungen Mann auf ment des 22-Jährigen zu schätzen: „Bei uns kaufen dem Weg zu seiner jetzigen Tätigkeit begleitet. viele ältere Leute ein, die betreut werden wollen. Dieser Weg führt von der Theodor-Dierlamm- Da ist es enorm wichtig, Mitarbeiter zu haben, die Schule in Stetten, einem Sonderpädagogischen bereit sind, sich einzubringen.“ Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ) mit dem Förderschwerpunkt geistige sowie körperliche Bis heute steht Kai Winkler der IFD zur Seite. „Er und motorische Entwicklung zunächst in eine hat sich toll entwickelt was Handlungskompetenz Berufsvorbereitende Einrichtung. Verschiedene und Handlungssicherheit angeht“, freut sich Fach- Praktikumsstellen im Rahmen der „Kooperative berater Thomas Hüsson-Berenz. „Seine beruflichen berufliche Bildung und Vorbereitung auf den all- Perspektiven sind wirklich gut.“ gemeinen Arbeitsmarkt“ schließen sich an. Doch mit der Zeit zeigt sich: Kai Winkler ist mit den Gabriele Addow komplexen Aufgaben überfordert - die Bildungs- maßnahme wird abgebrochen. Nach einem kurzen Praktikum in einem CAP-Markt kommt Kai Winkler schließlich zum REWE-Markt nach Stuttgart-Hedelfingen. Hier entwickelt sich schnell ein belastbares Vertrauensverhältnis zwi- schen ihm und Marktleiter Henning Waldmann, gleichzeitig auch Inhaber des Supermarktes. „Belastbar heißt, dass der Chef ihn nicht mit Kritik und klaren Ansagen verschont, andererseits aber immer wieder sein Vertrauen in seine Fortschritte und Erfolgsmöglichkeiten ausdrückt“, sagt Thomas Hüsson-Berenz. Diese Form der Orientierung und Ermutigung zahlt sich aus: Im April 2019 erhält Kai Kai Winkler mit REWE-Chef Henning Waldmann (li) und Thomas Hüsson-Berenz vom IFD Stuttgart (re). 3/2020 KVJS aktuell 15
Integration Aus der Nähe betrachtet Lesen mit technischen Hilfsmitteln Wenn ein Kollege Verpackungsmaterial benötigt, ist Christian Fritz zur Stelle. Dank moderner Technik kann der sehbehinderte Arbeitnehmer seine Aufgaben in der Prototyp-Werke GmbH fast so gut wie normalsehende Mitarbeiter ausführen. musste.“ Für die Schriftstücke auf Papier brachte zunächst eine mobile elektronische Lupe Erleichterung. Allerdings konnte der gewissenhafte Arbeitneh- mer sein Dokument damit nur abschnittsweise einsehen. Das ging langsam und erforderte viel Konzentration. Mit steigen- dem Arbeitsvolumen wurde deutlich, Christian Fritz braucht Mit Kamera, großem Monitor und spezieller Software (l.) geht für Christian Fritz das Lesen heute schneller als bisher nur mit der elektronischen Lupe (r.). | Christian Fritz weitere behindertengerechte liest ein Dokument mit Hilfe der elektronischen Lupe / Fotos: Prototyp-Werke GmbH Unterstützung. Christian Fritz druckt Etiketten aus, holt die Tests vor Ort Kartonagen aus dem Lager und ordnet die Auf- Das Unternehmen kontaktierte die Experten des tragszettel den Fräs- und Gewindewerkzeugen Technischen Beratungsdiensts vom KVJS-Integra- der Prototyp-Werke GmbH zu. Am PC bucht er tionsamt in Karlsruhe, die nach einer Begehung ein, welches Verpackungsmaterial er verwendet des Arbeitsplatzes Vorschläge zur technischen hat. Bisher war das eine Herausforderung für den Ausstattung machten und Kontakt zu Fachfirmen seit seiner Geburt sehbehinderten Arbeitneh- herstellten. „Wichtig war mir, dass die Hilfsmittel mer. Schrift kann er nur entziffern, wenn sie groß vor Ort mit den Schriftstücken erprobt werden, die genug ist und auf gutem Kontrast steht. Christian Fritz täglich bearbeiten muss“, erläutert der Zuständige des Technischen Beratungsdiensts Digitale Unterstützung Karl-Heinz Baumert. Für ihn ist entscheidend, mit Dass er seine Aufgaben heute ähnlich sicher wie nor- welcher Ausstattung der sehbehinderte Mensch malsehende Mitarbeiter ausführen kann, verdankt am besten zurechtkommt. „Bei diesem Testen er einer Arbeitsplatzumgestaltung im April 2019. Für stellte sich direkt heraus, dass die neuen Hilfs- ihn angeschafft wurde ein PC mit großem Monitor, mittel sehr praktikabel sind“, erinnert sich Carola ein elektronisches Kamerasystem, eine spezielle Heinsius. Christian Fritz ist damit so zufrieden, Tastatur und Software zur vergrößerten Darstellung dass er die Software seinem ebenfalls sehbehin- von Schrift und Grafik sowie Sprachausgabe. derten Vater zeigte, der seitdem endlich wieder richtig Zeitung lesen kann. „Bis Frühjahr 2019“, erläutert Personalleiterin Carola Heinsius, „teilte sich Christian Fritz mit Karen Guckes-Kühl, Universum Verlag seinen Kollegen einen PC, der immer mühsam auf unterschiedliche Schriftgrößen umgestellt werden 16 KVJS aktuell 3/2020
Integration Das richtige Gras wachsen lassen Wiesendrusch – eine neue Geschäftsidee für Inklusionsunternehmen Warum nicht das Nützliche mit dem Sinnvollen verbinden? Nämlich Naturschutz und Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen? So kam ein Pforzheimer Inklusionsunternehmen auf eine Geschäfts idee, die auch für andere inklusive Betriebe interessant ist. Norbert Bogner, Geschäftsführer der miteinander- bereiten die Wiesen vor, leben service gGmbH aus Pforzheim ist ständig entfernen unerwünschte auf der Suche nach neuen Geschäftsideen. Um Fremdarten, ernten, seine Grüngruppe auszulasten, kam er auf das trockenen, verpacken Die Grüngruppe beherrscht auch den Umgang mit zertifizierten Sämereien. Thema gebietsheimischer Wiesendrusch. Denn: und mischen Saatgut“, Foto: Brenner Wiese ist nicht gleich Wiese. erklärt er in einer jetzt vom KVJS herausgegebenen Broschüre über Sollen beispielsweise beim Straßenbau Randflä- Wiesendrusch als Geschäftsidee für Inklusions chen, Böschungen oder Dämme begrünt werden, unternehmen. schreibt eine EU-Verordnung gebietsheimisches Saatgut vor. Aber nicht nur bei öffentlichen Flä- „Ein Inklusionsunternehmen kann Gewinnung chen, auch bei als Flora-Fauna-Habitate ausgewie- und Vertrieb des Saatguts leicht mit vorhandenen senen Naturräumen darf zum Schutz der einhei- Betriebsprozessen in Einklang bringen“, erklärt mischen Pflanzen und Tiere nur entsprechend Bernhard Pflaum, Leiter des Referats Inklusions- zertifiziertes Saatgut zum Einsatz kommen. betriebe beim KVJS. „Auch die harten Zahlen sprechen für den Wiesendrusch. Deshalb wollen Korrekt blühende Landschaften wir diese erfolgversprechende Idee anderen Inklu Bogners Idee trug Früchte. Er fand Abnehmer für sionsunternehmen mit unserer neuen Broschüre das besondere Saatgut, Landwirte mit den passen- vorstellen.“ den Wiesen und ein Lohnunternehmen für den eigentlichen Dreschvorgang. „Unsere Mitarbeiter Monika Kleusch Broschürenreihe zu inklusiven Geschäftsideen Das KVJS-Integrationsamt stellt in loser Folge interessante Geschäftsideen für Inklusionsunternehmen vor. Neben der Projektbeschreibung finden sich auch Analysen zu Marktlage, Personal- und Investitionsbedarf und weitere praktische Hinweise. Bisher erschienen: Wiesendrusch – Gewinnung und Vertrieb von gebietsheimischem Saatgut Hotel- & Boardingshouse mit integrativem Betriebskonzept Inklusive Boardinghouses. Investitionen mit gesellschaftlichem Mehrwert Kontakt / Bestellung: Bernhard Pflaum, Telefon 0711 6375-311, Bernhard.Pflaum@kvjs.de Auch im Internet unter: www.kvjs.de/behinderung-und-beruf/inklusionsbetriebe bei „Publikationen“. 3/2020 KVJS aktuell 17
Integration Trifft den richtigen Ton: Gunther Kopf von Saltatio mortis. | Susanne Paetow hat die Band-Verwaltung im Griff / Fotos: Uli Stöckle Das rockt! Mittelalterrocker als inklusive Arbeitgeber Als Susanne Paetow die Stellenausschreibung für eine Bürokraft las, machte sie sich keine großen Hoffnungen. Spätestens wenn sie in einem Bewerbungsgespräch ihre psychische Behinderung erwähnte, war meist Schluss. Diesmal sollte es anders kommen. „Als ich die Ausschreibung als Bürokraft sah, hat neben einer psychischen Behinderung auch dachte ich, das wäre bei einem Mittelalter- körperliche Einschränkungen. „Beim Vorstellungs- Online-Game... das muss locker sein“, erinnert gespräch ist sie dann damit herausgerückt: Hör sich Susanne Paetow lachend. „Und beim Vorstel- mal zu, ich bin schwerbehindert“, schildert Band- lungsgespräch wurde ich dann überrascht: Es war mitglied und Geschäftsführer Gunther Kopf. „Wir kein Online-Game, es war es eine Band.“ Die Band haben uns sehr offen und ehrlich unterhalten. Ich mit dem klangvollen Namen „Saltatio Mortis“, zu wusste ja nicht, was da auf mich zukam.“ Deutsch „Totentanz“, hatte quasi verdeckt aus- geschrieben. Das sollte verhindern, dass sich vor Da konnte Astrid Langenecker vom Integrationsfach- allem Fans bewerben. Sie wollten jemanden mit dienst Karlsruhe weiterhelfen. Sie informierte über der richtigen Qualifikation. die Auswirkungen von Susanne Paetows Behinde- rung, klärte auf über Rechte und Pflichten beider Qualifiziert ist Susanne Paetow ohne Zweifel. Sie Seiten und leitete einen Beschäftigungssicherungs- ist ausgebildete Bürokauffrau, hat Zusatzquali- zuschuss des KVJS-Integrationsamtes in die Wege. fikationen in Buchhaltung und Logistik. Und sie Ihr Fazit: „Sie passen einfach gut zusammen.“ Seit gut fünf Jahren ist Susanne Paetow nun bei Filmreihe „Beschäftigung mit Handikap“ Saltatio Mortis voll integriert. Das erfolgreiche In loser Folge präsentiert das KVJS-Integrati- Zusammenspiel der Bürokauffrau und der Mittel- onsamt interessante Beispiele für die berufliche alter-Rockband zeigt ein knapp siebenminütiger Integration von Menschen mit Behinderungen. Film mit dem Titel „Traumjob trotz Handikap“. „Traumjob trotz Handikap“ finden Sie unter: Schauen Sie mal rein! www.ifd-bw.de/berufliche-orientierung/praxis- beispiele Monika Kleusch 18 KVJS aktuell 3/2020
Integration Mit „InkluServ“ auf dem richtigen Weg Werkstätten Esslingen-Kirchheim erproben neues Assistenzsystem Für das Projekt „InkluServ“ forscht das Fraunhofer IAO an einem Assistenzsystem, das die Fahrerinnen und Fahrer einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung bei der Arbeit unterstützt – von der Tourenplanung bis zur anspruchsvollen Kundensituation. Der KVJS ist Partner. ten das Assistenzsystem ihnen später Hilfestellung zu leisten hat.“ Geplant sind ein Modul zur voraus schauenden Tourenplanung, ein barrierefreies Navigationssystem und ein interaktiver Webshop für Kunden. In den Werkstätten Esslingen-Kirchheim (WEK) gehen Menschen mit Behinderung verschiede- Das KVJS-Integrationsamt unterstützt „InkluServ“ nen beruflichen Tätigkeiten nach, unter anderem als ideeller Transferpartner. „Uns ist es sehr wich- arbeiten sie als Auslieferungsfahrer: Mit einem tig, das Wissen um solche Projekte zu verbreiten“, E-Lastenbike bringen sie ihren Kunden bestellte sagt Karl-Friedrich Ernst, Leiter des KVJS-Integra- Waren direkt vor die Haustür. Diese Tätigkeit bietet tionsamtes Baden-Württemberg. „Denn vielleicht den Menschen mit Behinderung eine Chance auf liefern diese auch an anderer Stelle den zünden- unmittelbare Teilhabe an der Lebens- und Arbeits- den Funken zu neuen Ideen für die Inklusion von welt von nichtbehinderten Menschen. Menschen mit Behinderung.“ Doch die Arbeit außerhalb der unmittelbaren Anna-Lena Nöhren, Universum-Verlag Betreuungsbereiche der Werkstatt ist auch eine große Herausforderung für die Menschen. Denn trotz guter Planungen können bei den Liefer- fahrten jederzeit unvorhergesehene Situationen eintreten, zum Beispiel gesperrte Wege. Zudem könnten die Kunden ein Unsicherheitsfaktor sein: Sie können unzufrieden sein, nicht genug Bargeld dabeihaben oder gar nicht erst anzutreffen sein. Gezielte Unterstützung Deswegen forschen Wissenschaftler des Fraun- hofer IAO nun im Rahmen des Projekts „Inklu- Serv“ an einem digitalen Assistenzsystem für die Auslieferungsfahrer der WEK: „Derzeit analysieren wir, welche Anforderungen der Lieferdienst an seine Mitarbeiter stellt – und umgekehrt, welche Kompetenzen die Menschen der WEK mitbringen“, erklärt David Kremer, der das Projekt auf Seiten Mit dem Assistenzsystem sollen Aushilfsfahrer bestellte Waren des Forschungspartners Fraunhofer IAO betreut. künftig noch sicherer ans Ziel bringen. / Foto: Werkstätten „So können wir genau ermitteln, an welchen Punk- Kirchheim-Esslingen (WEK) 3/2020 KVJS aktuell 19
Jugend Hilfe, die ankommt Ein neues Zuhause für Flüchtlingskinder aus Griechenland Der Anfang ist gemacht: Baden-Württemberg hat die ersten unbegleiteten jungen Flüchtlinge (UMA) aus Griechenland aufgenommen und zum Teil bei ihren Familien untergebracht. Weitere Aufnahmen sollen folgen. Anfang März beschloss die Bundesregierung, amt, dem Ministerium für Soziales und Integra- mit anderen zehn EU-Ländern insgesamt 1.600 tion, den Kommunalen Landesverbänden sowie allein reisende Minderjährige aus den überfüllten den jeweils betroffenen Stadt- und Landkreisen ist Flüchtlingscamps in Griechenland aufzunehmen. es gelungen, alle diese Familienzusammenführun- Angesichts vielfältiger Gefahren wie Gewalt, gen nach dem Kinder- und Jugendhilferecht aus Ausbeutung und sexuellem Missbrauch in den humanitären Gründen umzusetzen“, sagt Gerald meist informellen Camps sollten hierbei vor allem Häcker, beim KVJS zuständiger Referatsleiter für besonders schutzbedürftige UMA aufgenommen die Verteilung der jungen Geflüchteten. Wichtig werden, also jene, die entweder wegen einer in diesem Zusammenhang: Das Land e rstattet schweren Erkrankung dringend behandlungsbe- den Jugendämtern in Baden-Württemberg, dürftig oder aber unbegleitet und jünger als 14 die in diesem Verfahren freiwillig unbegleitete Jahre sind. Mitte April kamen dann bereits die Flüchtlingskinder aus Griechenland übernommen ersten 47 UMA in Deutschland an. Sie wurden auf haben, die Kosten für Transport, Unterbringung, Jugendämter verteilt oder zu Familienangehöri- Betreuung und Versorgung. gen gebracht, die bereits in Deutschland leben. Die Bundesregierung hatte von Beginn an beab- Von den insgesamt 47 UMA haben 18 verwandt- sichtigt, zu einem späteren Zeitpunkt zusätzlich schaftliche Beziehungen nach Deutschland, noch rund 300-450 weitere besonders schutz- Angehörige von vier jungen Flüchtlingen leben bedürftige UMA aus den griechischen Hotspots in Baden-Württemberg. „Durch einen eng abge- aufzunehmen. Bedingt durch die Corona-Pande- stimmten Prozess zwischen dem Landesjugend- mie waren geplante Hilfen für Flüchtlinge auf den Auf dem Weg in ein neues Zuhause / Foto: bettysphotos – Fotolia 20 KVJS aktuell 3/2020
Jugend griechischen Inseln erneut in den Hintergrund Hintergrund gerückt. Am 10. Juni 2020 wurde nun bekannt Auf den griechischen Ägäis-Inseln harren aktuell gegeben, dass Deutschland möglichst zeitnah etwa 42.000 Flüchtlinge unter widrigen Umstän- bevorzugt kranke Kinder aufnehmen wolle. 243 den aus, da die offiziellen Lager völlig überfüllt von ihnen sollen aus Griechenland einreisen. sind. Sie leben dort meist in Zelten, unter Plas- Hinzu kämen Geschwister und Eltern sowie sechs tikplanen oder Bretterverschlägen ohne sanitäre Minderjährige, die bei dem ersten Flug mit 47 Anlagen, regelmäßiges Essen oder ärztliche Kindern und Jugendlichen im April nicht mitreisen Kontrolle. Nach Angaben des Hohen Flüchtlings- konnten. kommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) sind 34 Prozent davon Jugendliche und Kinder. Weit Geplant ist, dass Baden-Württemberg künf- über die Hälfte von ihnen sind unter 12 Jahre alt. tig eventuell ein größeres Kontingent an UMA Etwa 14 Prozent der Minderjährigen sind ohne aufnimmt. Einige Stadt- und Landkreise haben ihre Angehörigen unterwegs. inzwischen ihre grundsätzliche Bereitschaft zur freiwilligen Aufnahme signalisiert. Die Landesver- Informationen zur UMA-Landesverteilstelle des teilstelle steht in diesem Zusammenhang regel- KVJS unter: www.kvjs.de/jugend/fluechtlingskin- mäßig mit den Jugendämtern in Kontakt, berät zu der-uma/landesverteilstelle-uma/ aufkommenden Fragen und informiert fortlaufend über den aktuellen Sachstand. Gabriele Addow Rechtsaufsicht über die Kinder- und Jugendhilfe verlagert Rückwirkend zum 01.01.2020 wurde die Oberste zuständig. Im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes Rechtsaufsicht über die Kinder- und Jugendhilfe (BTHG) wurden für diese Aufgaben nun die Träger vom Ministerium für Inneres, Digitalisierung und der Eingliederungshilfe bestimmt. Um das gewach- Migration (IM) auf das Ministerium für Soziales sene System in Baden Württemberg beizubehalten, und Integration übertragen. Die Rechtsaufsicht, war es erforderlich, das Kinder- und Jugendhilfe auch im Bereich der Arbeit der Jugendämter ist, gesetz an das Bundesteilhabegesetz anzupassen wie die Rechtsaufsicht über alle anderen Aufga- und die Träger der Eingliederungshilfe für die Früh- benbereiche der Stadt- und Landkreise Teil der förderung zu benennen. In diesem Zusammenhang Kommunalaufsicht, die von den Regierungsprä- wurde die Rechtsaufsicht verlagert. sidien wahrgenommen wird. Oberste Rechtsauf- sichtsbehörde für die gesamte Kommunalaufsicht Gabriele Addow war das IM. Mit dieser Entscheidung ist zwar der Teil Jugendamt und Jugendhilfe immer noch Teil der Kommunalaufsicht. Die Regierungspräsidien unterstehen für diesen speziellen Teil nun aber Die Rechtsaufsicht kontrolliert, ob die INFO dem Sozialministerium. Für den übrigen Teil unter- gesetzlich festgelegten öffentlichen stehen sie weiterhin dem Innenministerium. Aufgaben und Verpflichtungen erfüllt werden und überwacht die Gesetz- In Baden-Württemberg waren bisher die Träger und Rechtmäßigkeit der Verwaltungs- der Sozialhilfe für die Frühförderung von Kindern tätigkeit. mit Behinderungen nach dem SGB IX sachlich 3/2020 KVJS aktuell 21
Jugend Neue Formen der Kommunikation Online-Seminar für ASD-Leitungen in Baden-Württemberg Ganz im Zeichen von Corona stand die diesjährige Jahrestagung für ASD-Leitungen in Baden-Württemberg. Die Tagung beschäftigte sich schwerpunktmäßig auch mit bescheidenen Mitteln in der Jugendhilfe mit der Arbeit in Zeiten von Corona mit besonde- entwickelt wurden, um mit Kindern, Jugendlichen rem Blick auf Kinderschutz und häusliche Gewalt. und Familien in Kontakt zu bleiben. Notwendig sei Doch damit nicht genug: Unter den Vorzeichen gerade beim Thema Kinderschutz unter Corona- der Pandemie fand sie nicht in gewohnter Form im Bedingungen ein differenzierter Blick, denn: KVJS- Tagungszentrum in Gültstein statt, sondern „In manchen Familien wurden in der Krise auch der KVJS hatte als Ersatz kurzfristig ein digitales Ressourcen neu mobilisiert und Beziehungen ver- Angebot auf die Beine gestellt. „Für alle Beteilig- ändert“, gab der Diplompädagoge zu bedenken. ten eine Premiere“, sagt Stephanie Alter-Betz vom Und zur Frage: „Was kommt auf uns zu und was Tagungsteam des Landesjugendamtes. können wir jetzt für die Zukunft lernen?“ zeigte er unter anderem auf: „Die Kinder- und Jugendhilfe Auf dem Programm stand unter anderem der braucht eine Digitalisierungsoffensive, fachlich Vortrag von Heinz Müller vom Institut für Sozial geleitet, überall in Deutschland und rechtlich pädagogische Forschung Mainz (ISM). Er warb abgesichert, vor allem in den Verwaltungen.“ dafür, dass nicht nur die Kinderschutzdebatte die Wahrnehmung der Jugendhilfe in der Öffent- In mehreren Foren konnten die ASD-Leitungen lichkeit bestimmen sollte. „Die Krise hat wie ein anschließend in kleinerer Runde mit dem Refe- Brennglas gewirkt: Vorhandene Struktur- und renten und dem KVJS-Tagungsteam ihre aktuellen Grundsatzfragen der Kinder-und Jugendhilfe Praxiserfahrungen dazu austauschten. wurden nochmal sichtbarer und rückten zum Teil auch ins Bewusstsein der Öffentlichkeit“, machte Das Fazit dieses ersten Online-Seminars für ASD- der Jugendhilfeexperte deutlich. Bundesweite Leitungen in Baden-Württemberg fiel für die Praxisbeispiele zeigten jedoch beeindruckend, Teilnehmenden und auch für das Tagungsteam wie viele gute Konzepte in kürzester Zeit und oft des KVJS-Landesjugendamtes positiv aus: „Es ist gelungen, Informationsvermittlung und fach- lichen Austausch digital rüberzubringen“, freut sich Stephanie Alter-Betz. Zwar fehlten bei dieser Form der Fachtagung insbesondere die vielfälti- gen persönlichen Begegnungsmöglichkeiten und Die Jahrestagung für Leiterinnen und Leiter die kollegialen Fachgespräche. Auch könne die der Allgemeinen Sozialen Dienst in Baden- gewohnte Themenvielfalt, die gerade Jahresta- Württemberg ist seit vielen Jahren ein fester gungen im komplexen Arbeitsfeld ASD kennzeich- und wichtiger Termin in den Kalendern der net, nicht in ein einzelnes Online-Seminar gepackt ASD-Führungskräfte in Baden-Württemberg. werden. „In Ergänzung zu Präsenzveranstaltungen Sie informiert über aktuelle Themen und sind sie aber auf jeden Fall weiterentwicklungsfä- Entwicklungen und dient dem landesweiten hig“. fachlichen Austausch der Leitungskräfte. Gabriele Addow 22 KVJS aktuell 3/2020
Jugend Mit gutem Beispiel voran Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe 2020 Das KVJS-Landesjugendamt unterstützt in diesem Jahr vier Modellprojekte zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe mit insgesamt 284.422 Euro. Das hat der Landesjugendhilfeausschuss beschlossen. Die Projekte widmen sich aktuellen und grundle- genden Themen der Kinder- und Jugendhilfe. Neu ab diesem Jahr: Der Förderschwerpunkt „Hilfen zur Erziehung und Eingliederungshilfen“. Jedes Projekt hat eine Laufzeit von drei Jahren und wird von einer Fachkraft des KVJS-Landesjugendamtes begleitet. Folgende neue Vorhaben lassen Ergebnisse erwarten, die zum Beispiel in Form von Tagungen, Leitfäden und Handreichungen auch anderen öffentlichen und freien Trägern zur Verfügung gestellt werden: CL.A.B.S. – Care Leaver Lotsen- und Anlauf- stelle Beratung Selbstverwaltung (Träger: Tübinger Verein für Sozialtherapie bei Kindern und Jugendlichen e.V.): Das Projekt entwickelt neue Formen der passge- nauen, niederschwelligen Beratung und zielgrup- penspezifischen Information für Care Leaver und schafft dadurch eine wichtige Lotsenfunktion beim Übergang ins Erwachsenenleben. Zentral ist dabei, dass Care Leaver von Anfang an selbst aktiv in die Konzeptentwicklung und Umsetzung einge- bunden sind. Im Fokus sind Angebote der Peer-to- Peer-Beratung sowie selbstgestaltete Angebote von, für und mit Care Leavern. Ein integriertes Gesamtkonzept für Partizi- pation und Engagementförderung für junge Menschen im Sozialraum (Träger: Jugendhilfe Bad Friedrichshall e.V. Kindersolbad gGmbH): Es soll erprobt werden, inwieweit eine früh und ganzheitlich angelegte Beteiligungsstrategie von Kindern zu einem erfolgreichen Partizipations- modell für Jugendliche führt. Ferner ist geplant, Partizipation: junge Menschen mischen mit / Foto: pheebs/photocase.de 3/2020 KVJS aktuell 23
Jugend die Schnittstelle zwischen Partizipation und Engagement zu beobachten, zu analysieren und auszuwerten, um daraus passgenaue Angebote im Sinne von Engagementförderung zu entwickeln. Ziel ist es, auch solche jungen Menschen zu errei- chen, für die die bisherigen Hürden in der Partizi- pation und im Engagement zu groß sind. Jugendhilfe Förderzentrum Kinderheimat Kleingartach (Träger: Diakonische Jugendhilfe Region Heilbronn gGmbH): Hilfe zur Erziehung, Sonderpädagogik und das Gesundheitswesen arbeiten in dieser Einrichtung für Kinder, Jugendliche und Familien mit intensi- vem, auch therapeutischem oder medizinischem Hilfe- und Förderbedarf interdisziplinär zusam- men. Das Arbeiten in multiprofessionellen Teams erfordert eine gute Steuerung und Koordinierung der verschiedenen Akteure und der vorhandenen Ressourcen. Diese Fallsteuerung bezieht je nach Bedarfslage des jungen Menschen und der Eltern die Akteure aus anderen Systemen frühzeitig mit ein und stellt eine kontinuierliche Begleitung, Reflexion und Weiterentwicklung sicher. Systemherausforderer als Chance des Miteinanders (Träger: Mutpol Diakonische Jugendhilfe Tuttlingen e.V.): Es gibt Kinder und Jugendliche, die das Sys- tem Jugendhilfe an ihre Grenzen bringen, stark Manche jungen Menschen bringen das System Jugendhilfe an ihre Grenzen / Foto: iMAGINE Fotolia herausfordern und oftmals sogar überfordern. In diesem Projekt beleuchtet eine „Task Force“, beste- hend aus Führungs- und speziellen Fachkräften gen. Alle Mitglieder sind schon länger mit die- von sechs Einrichtungen der freien Jugendhilfe sem Thema befasst und bringen aufgrund ihrer gemeinsam Einzelfälle aus den unterschiedlichen langjährigen Erfahrung in der Erziehungshilfe Perspektiven und entwickelt tragfähige Lösun- auch entsprechend kreative und unorthodoxe Herangehensweisen mit. Erprobt wird, ob mit großem Know-how und schnellen Reaktionen auf die Bedürfnisse der jungen Menschen adäquat Förderschwerpunkte 2021 reagiert werden kann, um diese im Hilfesystem zu Neu: Ab 2021 gibt es einen zusätzlichen Förder- halten. schwerpunkt „Fachkräftesicherung“. Zudem wird der bisherige Förderschwerpunkt „Demokratie- Weitere Informationen finden Sie im Internet bildung und Aktivierung im Sozialraum“ durch unter www.kvjs.de/jugend/modellvorhaben/ „Demokratiebildung und Digitalisierung“ ersetzt. Gabriele Addow 24 KVJS aktuell 3/2020
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