Landesbeirat für Vertriebenen-, Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen Rundschreiben 02 / 2019 - MKW NRW
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Landesbeirat für Vertriebenen-, Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen Rundschreiben 02 / 2019 www.mkw.nrw/landesbeirat
Vorwort Heiko Hendriks Foto: MKW Liebe Leserinnen und Leser, In dem neuen Journal werden neben den Themen des die zweite Ausgabe des Rundschreibens des Landesbeirats Landesbeirats und den Informationen aus den Vereinen, für Vertriebenen-, Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen Verbänden und Landmannschaften auch mehr Informa- in diesem Jahr ist etwas Besonderes, da der Landesbeirat tionen über meine Arbeit als Landesbeauftragter für die in seiner Juni-Sitzung einstimmig beschlossen hat, auch in Belange von deutschen Heimatvertriebenen, Aussiedlern der Informations- und Öffentlichkeitsarbeit neue Wege zu und Spätaussiedlern zu finden sein. Freuen Sie sich mit uns gehen. Somit halten Sie heute die letzte Ausgabe in dieser gemeinsam auf diesen neuen Weg, mit dem wir hoffentlich Form in Händen. noch mehr Menschen erreichen werden. Aber es besteht kein Grund zur Sorge. Jetzt aber wünsche ich Ihnen erst einmal wieder eine interessante Lektüre unseres Rundschreibens, verbunden Voraussichtlich Ende des Jahres erscheint das „neue“ mit dem Dank an alle, die sich für unsere gemeinsamen An- Journal in einem neuen „Outfit“. liegen engagieren. Es wird in seiner gesamten Erscheinung „ansprechender“ – besser „lesbar“ – sein. Gestaltung, Schrift, Verwendung von Mit besten Grüßen aus Düsseldorf Farben werden sich dabei an den Gestaltungsrichtlinien des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft orientieren, denn Ihr Heiko Hendriks wie Sie sicherlich wissen ist der Landesbeirat beim Ministe- rium für Kultur und Wissenschaft angesiedelt. Vorsitzender des Landesbeirats für Vertriebenen-, Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen
Inhaltsverzeichnis 1 Kurz notiert 4 2 Wettbewerbe / Projektförderungen /Ausschreibungen Stipendienprogramme 10 3 Tagungen / Veranstaltungen / Ausstellungen Bildungsangebote 13 4 itteilungen von Landsmannschaften, Stiftungen, M Verbänden und Vereinen in Nordrhein-Westfalen 24 5 Veröffentlichungen 35
1 Kurz notiert 1 Kurz notiert Spätaussiedlerzahlen in Nordrhein-Westfalen Regionalforum „Ja, wir engagieren uns, miteinander und füreinander!“ In diesem Jahr sind bis einschließlich März 2019 in Nord- rhein-Westfalen insgesamt 316 Menschen nach den Demokratie heißt Mitmachen – Die Bedeutung der politi- Regelungen des BFVG aufgenommen worden. 130 aus der schen Bildung für die Deutschen aus Russland Russischen Förderation, 144 aus Kasachstan, 17 aus Weiß- russland, 3 aus Kirgistan, 8 aus Turkmenistan, 13 aus der Ukraine, eine Person aus Georgien. (Kompetenzzentrum für Integration) Aufnahmezahlen bundesweit In der Bundesrepublik sind in diesem Jahr (bis einschließ- lich April 2019) 2011 Menschen nach den Regelungen des BVFG aufgenommen worden, davon 701 aus Kasachstan, 11 aus Georgien, 39 aus Kirgistan, 34 aus Moldau, 952 aus der Russischen Förderation, 1 aus Tadschikistan, 4 aus Gruppenfoto – Teilnehmer und Diskutanten der Veranstaltung, Turkmenistan, 202 aus der Ukraine, 21 aus Usbekistan, Foto: OBS 46 aus Weißrussland. Von diesen 2011 Menschen waren 474 Personen deutsche Volkszugehörige im Sinne des § 4 BVFG, 1.193 sind Perso- nen gemäß § 7 BVFG als Ehegatten und Abkömmlinge eines Spätaussiedlers, sowie 344 Personen gemäß § 8 BVFG weitere Familienangehörige des Spätaussiedlers nach Deutschland eingereist. ttp://www.kfi.nrw.de/wissenstransfer/statistik2/ h NRW-weite-Zahlen/2018/Monatsbericht-2018-04.pdf Heiko Hendriks und Prof. Dr. Boos-Nünning in der Debatte, http://www.kfi.nrw.de/wissenstransfer/statistik2/ Foto: OBS NRW-weite-Zahlen/Monatsbericht-2017-12.pdf Kann man Partizipation durch politische und kulturelle Bildung erhöhen? Mit dieser und weiteren komplexen Fragen beschäftigte sich das zweite Regionalforum der Otto Benecke Stiftung e.V. (OBS). Knapp 60 Gäste waren 4
Rundschreiben Nr. 2 August 2019 die Entwicklung der Gesellschaft mitgestalten. Allerdings wird es dann schwierig, wenn einem die finanziellen Mittel fehlen“, so Dietmar Schulmeister (LmDR). Auch das zeigt das Projekt IKudaR: dass Wege gefunden werden müssen, um jeden Einzelnen anzusprechen, zu informieren und zu motivieren. Denn besonders die Partizi- pation erhöht die Akzeptanz von politischen Entscheidun- gen, führt zu mehr Verantwortungsübernahme und Identi- fikation und trägt letztlich dazu bei, die Distanz zwischen Bürgerinnen und Bürgern und Politik deutlich zu verringern. So wurde in der Diskussion mit Vertretern des Landtags NRW auch deutlich, dass die These, dass die AfD die Lieb- lingspartei der Russlanddeutschen sei, empirisch nicht Heiko Hendriks mit seinem Statement, Foto: OBS haltbar ist. „Eine gewisse Politikverdrossenheit ist vermut- lich ein gesamtgesellschaftliches Phänomen und einfache Ende April im Großen Saal des Ministeriums für Kultur und Lösungen gibt es heutzutage zu den komplexen Themen in Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen auf Ein- unserem Leben nicht mehr,“ so Dr. Lothar Theodor Lemper, ladung der Otto-Benecke-Stiftung zusammengekommen, Geschäftsführender Vorsitzender des Otto-Benecke-Stif- um die spannenden Vorträge und Diskussionen zur Frage tung e.V.. „Allerdings gilt es auch hier, die obersten Grund- des politischen Engagements der Deutschen aus Russland werte unserer Demokratie in Deutschland selbstbewusst zu verfolgen. Eröffnet wurde das Regionalforum mit einem und gegen rechtsextreme Haltungen zu verteidigen.“, so Grußwort von Heiko Hendriks, Beauftragter der Landes- Lemper in seinem Abschlussplädoyer. regierung für die Belange von deutschen Heimatvertriebe- nen, Aussiedlern und Spätaussiedlern, gefolgt von einem Fachvortrag von Prof. em. Dr. Ursula Boos-Nünning. Delegierte der Landsmannschaft der Deutschen aus Im Zentrum des Regionalforums stand die Vorstellung des Russland NRW wählen neuen Vorstand „Modellprojekts zur Erprobung von Angeboten inter- und intrakultureller Bildung in nordrhein-westfälischen Orga- nisationen der Deutschen aus Russland“ (IKuDaR), das der Verein zur Integration von russlanddeutschen Aus- siedlern (VIRA e.V.) und die OBS in Kooperation mit der Landesgruppe NRW der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland seit August 2018 durchführen. Inhaltliche Schwerpunkte des Projektes sind Angebote zur politischen und kulturellen Bildung, die informieren und letztendlich die Partizipation der Zielgruppe an politischen Prozessen erhöhen sollen. „Das ist nicht einfach“, so Christian Spren- ger des LMDR aus Düsseldorf, „aber ein Rundgang im Haus Der neu gewählte Vorstand des LmDR NRW der Geschichte in Bonn kann zum Beispiel dazu beitragen, dass wir anschließend gemeinsam über Fragen der Wahl- beteiligung oder Möglichkeiten der Partizipation disku- Auf der Landesdelegiertenversammlung der Landesgruppe tieren.“ Diesen praktischen Ansatz bestätigt auch Tatjana Nordrhein-Westfalen der Landsmannschaft der Deutschen Weber vom JSDR, die sich mit innovativen Angeboten für aus Russland e. V. am 25. Mai 2019 wurde ein neuer Vor- Kinder und jüngere Erwachsene befasst. „Unsere Erfah- stand gewählt. Bei der Versammlung im Gerhart-Haupt- rungen zeigen, dass Jugendliche besonders dann Interesse mann-Haus in Düsseldorf wurden zudem einzelne Aufga- an dem Thema zeigen, wenn es im Rahmen von Freizeiten ben neu verteilt und Ressorts zugeschnitten. oder Sportveranstaltungen dargeboten wird und globaler gesehen wird. Ganz unter dem Motto: `Heimat ist da, wo Dietmar Schulmeister wurde als Vorsitzender im Amt be- WLAN ist´.“ stätigt, unterstützt wird er durch die stellvertretenden Vor- Eine zentrale Frage blieb dabei offen, nämlich inwiefern sitzenden Silvana Schindel, Roman Friedrich und Eleonora auch diese Zielgruppe vorhandene Strukturen nutzen kann, Faust. Neu gewählt in das Amt des Schatzmeisters wurde selbstbewusst und selbstverantwortlich auf politische Ewald Tews, die Schriftführung übernimmt zukünftig Julia Prozesse und Entscheidungen Einfluss zu nehmen. „Ge- Lebedev. Die Arbeit des Beisitzers teilt sich das Dreige- sellschaftlicher Zusammenhalt braucht politische Teilhabe, spann Irina Müller, Irma Merkel und Albert Schessler. und wir wollen, dass alle Bürgerinnen und Bürger aktiv 5
1 Kurz notiert Die Landesdelegiertenversammlung des LmDR NRW, Foto: LmDR Dietmar Schulmeister umreißt die zukünftige Arbeit des In seinem Grußwort wies der Landesbeauftragte u.a. darauf neuen Vorstandes: „Zunächst bin ich froh, dass die De- hin, dass es „die Landesregierung von Nordrhein-West- legierten der Landsmannschaft mir erneut ihr Vertrauen falen als eine wichtige Aufgabe ansieht, die Erinnerung an ausgesprochen haben. Mit dem Mix aus bekannten und Flucht und Vertreibung der Deutschen während und nach neuen Gesichtern im Vorstand sind wir hervorragend auf- dem 2. Weltkrieg wachzuhalten. Die Zahl der Deutschen, gestellt, begonnene Projekte fortzuführen sowie neue Ideen die Flucht und Vertreibung persönlich erlebt und erlitten für die Deutschen aus Russland in Nordrhein-Westfalen haben, wird zunehmend kleiner. Rund 600.000 Menschen umzusetzen.“ leben in Nordrhein-Westfalen, die noch der sogenannten Erlebnisgeneration angehören, also Flucht und Vertreibung Die Mitglieder des Vorstandes übernehmen auch Ressorts am eigenen Leib erfahren mussten. Solange die Möglich- und gründen Ausschüsse. Mehr auf www.lmdr-nrw.de. keit besteht, mit dieser Erlebnisgeneration ins Gespräch zu kommen, sollte diese Chance genutzt werden. Ziel muss es Gedenken der deutschen Opfer von Flucht und sein, das Wissen an die nachfolgende Generation weiterzu- Vertreibung nach dem II. Weltkrieg geben und diese für das Thema zu sensibilisieren.“ Der Gedenktag wurde durch Beschluss der Bundesregie- rung 2014 eingeführt und soll der Erinnerung an die „welt- weiten Opfer von Flucht und Vertreibung und insbesondere der deutschen Vertriebenen“ dienen. Delegation um den NRW-Aussiedlerbeauftragten Heiko Hendriks besuchte Siebenbürgen/Rumänien Im Rahmen einer viertägigen Reise hat eine Delegation um den NRW-Aussiedlerbeauftragten Heiko Hendriks Sieben- bürgen/Rumänien besucht. Stationen waren u.a. Hermann- stadt, Kronstadt, Deutsch-Weißkirch und Schässburg. Ziel war es, mehr über die Situation der deutschen Minder- heit in Rumänien zu erfahren. An der Reise nahmen auch Vertriebenenbeauftragter Heiko Hendriks mit Teilnehmern der Vertreter des Verbandes der Siebenbürger Sachsen aus Gedenkveranstaltung auf Schloss Burg, Quelle: MKW Nordrhein-Westfalen teil (u.a. der Landesvorsitzende der Siebenbürger Sachsen Rainer Lehni). Anlässlich des Gedenktages für die Opfer von Flucht und Vertreibung am 20. Juni hat der Landesbeauftragte für die In Hermannstadt (rumänisch: Sibiu) führte der Beauftragte Belange von deutschen Heimatvertriebenen, Aussiedlern der Landesregierung für die Belange von deutschen Hei- und Spätaussiedlern und Vorsitzende des Landesbeirats, matvertriebenen, Aussiedlern und Spätaussiedlern, Heiko Heiko Hendriks, auf Einladung des Bundes der Vertriebenen Hendriks, unter anderem ein Gespräch mit dem Bischof (BDV) NRW zusammen mit Vertreterinnen und Vertretern der evangelischen Landeskirche, Reinhard Guib, und mit des BDV - an der Spitze dessen Landesvorsitzender Rudi der deutschstämmigen Bürgermeisterin von Hermann- Pawelka - sowie Repräsentanten aus der Stadt Solingen, in stadt, Astrid Fodor (siehe Bild), sowie mit Vertretern des der Gedenkstätte des deutschen Ostens auf Schloss Burg Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien. Alle in Solingen den Opfern von Flucht und Vertreibung gedacht Gesprächspartner machten deutlich, dass die Deutschen, und einen Kranz in den NRW-Farben niedergelegt. die sich bereits ab dem 12. Jahrhundert in Siebenbürgen 6
Rundschreiben Nr. 2 August 2019 (v.l.n.r.): Heiko Hendriks, Bürgermeisterin Astrid Fodor, Vertreter des Demokratischen Forums der Deutschen in Kron- Rainer Lehni, Quelle: Heike Mai-Lehni stadt mit Heiko Hendriks (6.v.r.) und Rainer Lehni (3.v.r.) Caroline Fernolend, Kreisvorsitzende des Kronstädter Forums niedergelassen haben, auch heute, insbesondere in Sieben- (5.v.r.) und Thomas Sindilariu, Vorsitzender des Ortsforums bürgen, hohes Ansehen genießen. Oftmals sind sie das Bin- Kronstadt (2.v.r.), Quelle: MKW deglied zwischen der rumänischen Mehrheitsgesellschaft und deutschen Firmen, die sich insbesondere im Raum Hermannstadt angesiedelt haben. Beim anschließenden Geistes weiter zusammenwachsen. Auch wenn die meisten Besuch des Brukenthalgymnasiums, einer Staatsschule Deutschen aus Rumänien mittlerweile u. a. nach Deutsch- mit „Unterricht in der Sprache der deutschen Minderheit“, land ausgesiedelt sind, zeugen doch einige Rückkehrerin- sowie des Museums im Teutsch-Haus unterstrichen die Ge- nen und Rückkehrer, die wir in den vielen Gesprächen auch sprächspartnerinnen, dass der Anteil der Deutschen an der kennengelernt haben, davon, dass zumindest Siebenbür- Gesamtbevölkerung in Rumänien mittlerweile nur noch ca. gen eine interessante Region zum Leben und Arbeiten ist. 0,5 % beträgt. Umso bemerkenswerter ist es, dass ca. 20% Auch von der völkerverständigenden Arbeit des Verbandes aller Rumänen deutsch sprechen und die Nachfrage nach der Siebenbürger Sachsen bin ich nach unserem Besuch dem Erlernen der deutschen Sprache ungebrochen hoch überzeugter denn je!“ sei. Eine Erkenntnis war daher, dass der Erhalt der deut- schen bzw. deutschsprachigen Schulen somit von großem Hintergrund: Das Land Nordrhein-Westfalen hat 1957 eine Wert für alle Beteiligten ist. Patenschaft über die Landsmannschaft der Siebenbürger Über Zeiden (Codlea) fuhr die Delegation in die größte Sachsen übernommen. Gemäß Koalitionsvereinbarung will Stadt Siebenbürgens: Kronstadt (Brasov). Dort standen das Land Nordrhein-Westfalen diese Patenschaft wieder wiederum Gespräche mit dem Demokratischen Forum der stärker leben. Deutschen in Rumänien (siehe Bild) sowie ein Besuch der deutschen Partnerschule der Bundesrepublik Deutschland, Rentensituation der Spätaussiedler dem „Johannes Honterus Nationalkolleg“ an. In beiden Gesprächen wurde deutlich, dass es an deutschsprachigen Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihr besonderes Inter- Lehrer(inne)n und an Schulpartnerschaften mit NRW-Schu- esse an der aktuellen Rentensituation der Spätaussiedler len fehle. Die Delegation versicherte zu prüfen, ob man an bekundet. „Spätaussiedlern eine angemessene soziale dieser Stelle helfen kann. Absicherung im Alter zu gewährleisten, ist ein wichtiges An- In Deutsch-Weißkirch (Viscri) besuchte die Delegation die liegen der Bundesregierung“, heißt es in einem Schreiben deutsche Minderheit und besichtigte die Kirchenburg, die des Bundeskanzleramtes an die Bundesvorsitzende vom Weltkulturerbe ist. In Reps (Rupea) konnten die Gäste aus Verband der Siebenbürger Sachsen Herta Daniel. Dabei NRW einen Dualen Ausbildungsbetrieb und ein von der setze sie bei der anstehenden Prüfung und Neubewertung Kirche betriebenes Altenheim besichtigen. der Aussiedlerrenten durch die Bundesregierung gemäß Zum Abschluss traf sich die Delegation u.a. mit dem dem Koalitionsvertrag auf einen Ausgleich über eine Fonds- Dechanten des Kirchenbezirks Schässburg (Sighisoara), lösung für Härtefälle. Bruno Fröhlich. Das Bundeskanzleramt begründete die Rentenkürzungen Resümee von Heiko Hendriks: „Die Unterstützung der der 1990er Jahre: Die Einschränkungen im Fremdrenten- deutschen Minderheit durch Deutschland und auch durch recht sollten dazu beitragen, „die Akzeptanz von Renten- die rumänische Regierung ist sehr positiv und bewirkt, dass leistungen, denen keine Beitragszahlung an einen Träger Deutschland und Rumänien im Sinne des europäischen der Deutschen Rentenversicherung gegenübersteht, in der Bevölkerung weiterhin zu gewährleisten“. Damals hätten 7
1 Kurz notiert nach dem Fremdrentengesetz (FRG) gezahlte, auf der sich über die außerordentliche Erfolgsgeschichte der Auf- Grundlage von Tabellenentgelten berechnete Renten teil- nahme und Integration von Deutschen aus der ehemaligen weise Renten überstiegen, die auf in Deutschland geleiste- Sowjetunion auszutauschen. ten Beiträgen beruhten. Zudem haben viele Spätaussiedler Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, Horst See- nach ihrer Zuwanderung die Möglichkeit gehabt, ihre Rente hofer: „Über 2,4 Millionen Deutsche kamen seit 1990 aus durch eine Beschäftigung in Deutschland zu verbessern. den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion in die Bundesre- Das Bundeskanzleramt wies darauf hin, dass Spätaussied- publik. Sie sind schnell Teil unserer Gesellschaft geworden - ler, deren im ausländischen Herkunftsgebiet zurückgelegte das ist eine große Leistung, die ausdrückliche Anerkennung Versicherungszeiten nach dem Fremdrentengesetz in der verdient. Aussiedler und Spätaussiedler sind gleichzeitig gesetzlichen Rentenversicherung anerkannt werden, von aber auch Deutsche mit besonderer Geschichte, für die wir Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversi- wegen ihres schweren Schicksals nach dem Zweiten Welt- cherung profitierten. Das am 1. Januar 2019 in Kraft getre- krieg in besonderer Verantwortung stehen. Ihre bewegende tene Gesetz über Leistungsverbesserungen und Stabilisie- Vergangenheit und reiche Kultur sind Bestandteil der deut- rung in der gesetzlichen Rentenversicherung stelle sicher, schen und der gesamteuropäischen Geschichte.“ „dass das Rentenniveau bis 2025 mindestens 48 Prozent Vor rund 250 Jahren suchten Deutsche auf Geheiß von beträgt“. Darüber hinaus werde Erziehenden von vor 1992 Zarin Katharina der Großen ihr Glück als Siedler im Rus- geborenen Kindern ein weiteres halbes Jahr Kindererzie- sischen Reich. Mit dem Zweiten Weltkrieg änderte sich hungszeit angerechnet. Überdies sei die Zurechnungszeit, das Schicksal für die deutschen Volkszugehörigen in der nach der Erwerbsminderungsrenten so berechnet werden, Sowjetunion jedoch abrupt: Die einst Willkommenen er- als ob die Betroffenen nach Eintritt der Erwerbsminderung litten Diskriminierung, Deportation und Zwangsarbeit. Erst wie bisher weitergearbeitet hätten, „noch einmal erheblich mit dem Fall des Eisernen Vorhangs erfüllte sich für viele verlängert“ worden. von ihnen die Hoffnung, den Sehnsuchtsort Deutschland endlich auch zur Heimat werden zu lassen. h ttps://www.siebenbuerger.de/zeitung/artikel/ver- Viele von Ihnen haben Deutschland über Generationen band/19731-spaetaussiedlerrente-bundeskanzlerin.html hinweg als Heimat im Herzen bewahrt. Diese besondere (gekürzt) Leistung der Deutschen aus der ehemaligen Sowjetunion sollte beim Dialogforum im Bundesinnenministerium ge- Heimat im Herzen, Heimat in Deutschland würdigt werden Bundesinnenminister Seehofer würdigt Deutsche aus h ttps://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemittei- Russland lungen/DE/2019/06/heimat-im-herzen.html Am 04. Juni 2019 eröffnete der Parlamentarische Staats- sekretär beim Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, Stephan Mayer, das Dialogforum mit Deutschen aus Russland. Das Forum fand unter dem Motto „Heimat im Herzen, Heimat in Deutschland“ statt und bot Gästen aus Politik, Wirtschaft, Sport und Kultur die Möglichkeit, 8
Rundschreiben Nr. 2 August 2019 Bundesversammlung der Landsmannschaft Schlesien Das deutsche Wolgagebiet - Eine unvollendete Foto- in Fulda geschichte – Fotoausstellung zum 100. Jahrestag der Wolga-Deutschen-Autonomie im Lew Kopelew-Forum in Köln Die Bundesversammlung der Landsmannschaft Schlesien, Ober- und Niederschlesien tagte im Bonifatiushaus in Fulda. Foto: LBHS Fotos © RusDeutsch Die zweitägige Bundesdelegiertenversammlung der Lands- mannschaft Schlesien, Nieder- und Oberschlesien tagte Die Ausstellung zeigt einzigartige historische Fotografien als höchstes Organ in diesem Jahr im hessischen Fulda. aus russischen und deutschen Staatsarchiven über das Vertreter der Landsmannschaft der Oberschlesier waren Leben der Wolgadeutschen. Viele der Fotografien werden ebenfalls nach Fulda gekommen. Nach einem festlichen erstmals öffentlich gezeigt. Sie sind Zeugnis des traditio- Empfang der Stadt Fulda für die Gäste im Grünen Zimmer nellen deutschen Lebens während der Hungersnot von des Stadtschlosses trafen erstmals die beiden Vorstände 1921–1922, des der Landsmannschaften Schlesien und der Oberschlesier Aufbaus und der mit ihren Bundesvorsitzenden Stephan Rauhut und Klaus Entwicklung von Plaszczek zu einer gemeinsamen Sitzung zusammen. Landwirtschaft Wichtige Themen der Bundesversammlung waren die und Industrie der Herkunftserinnerung und Kulturpflege sowie das große Republik und vieler Deutschlandtreffen der Schlesier 2019 in Hannover. The- anderer Aspekten matisiert wurde auch ein möglicher Zusammenschluss der des Lebens in der Landsmannschaft mit der Landsmannschaft der Ober- deutschen Autono- schlesier. Hierzu sprachen sich die Delegierten der Bundes- mie. Mit dem Mani- delegiertenversammlung der Schlesier in Fulda einstimmig fest von Katharina und ohne Enthaltungen für einen Zusammenschluss aus. der Großen im Jahr 1763, das Ausländern erlaubte, sich im (Pm gekürzt Hessische Landesvertriebenenbeauftragte) Russischen Zarenreich niederzulassen, siedelten tausende Europäer in den Folgejahren in das Wolgagebiet. Ein er- Anerkennungsleistung an ehemalige zivile deutsche heblicher Teil der Einwanderer stammte aus dem heutigen Zwangsarbeiter Deutschland, und im Jahr 1918 wurde auf dem Territorium der Wolgaregion eine national-territoriale Autonomie ge- 63 % der Anträge sind bearbeitet schaffen. Ursprünglich erhielt sie den Namen „Autonome Nach aktuellen Informationen des BVA zum Antrags- und Region der Wolgadeutschen“. Von Januar 1924 bis Septem- Bearbeitungsstand der Anerkennungsleistung an ehemalige ber 1941 hieß sie „Autonome Sozialistische Sowjetrepublik zivile deutsche Zwangsarbeiter (ADZ) sind bis Ende Februar der Wolgadeutschen“. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs 2019 63 % aller Anträge abschließend bearbeitet worden. in der UdSSR erließ Stalin ein Dekret, wonach Sowjetdeut- Da die Antragssteller zu 90 % ein Alter von 80 Jahren und sche nach Sibirien und Kasachstan zu deportieren sind. Die älter erreicht haben, ist die Bearbeitung der insgesamt mehr Ausstellung erzählt auch vom Schicksal der deportierten als 46.000 Anträge besonders dringlich. Das BVA bewältigt Russlanddeutschen und wie es ihnen gelang, ihre deut- diese Herausforderung in beachtenswerter Weise, so der Be- schen Traditionen über die Jahrhunderte zu bewahren. auftragte für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Begleitet wird die Ausstellung von einem Fotoalbum, das Prof. Dr. Bernd Fabritius. Der Beauftragte dankt den Mit- die Geschichte deutscher Autonomie an der Wolga mit arbeitern des Bundesverwaltungsamtes (BVA) für die zügige ihren Höhe- und Tiefpunkten dokumentiert. Die Ausstellung Antragsbearbeitung. wurde Ende Juni mit einer Vernissage eröffnet. Im Rahmen dieser Veranstaltung fand unter Moderation von Katharina h ttps://www.aussiedlerbeauftragter.de/Sha- Heinrich ein Gespräch mit der Herausgeberin der Moskau- redDocs/Kurzmeldungen/AUSB/DE/adz-stand- er Deutschen Zeitung Olga Martens und dem Beauftragten maerz-2019.html;jsessionid=B3631AA5B83E- für die Belange von Spätaussiedlern Heiko Hendriks statt. 2B2060A423F4F9563DB1.2_cid295?nn=3791990 Lew-Kopelew-Forum, Köln 9
2 Wettbewerbe / Projektförderung / Ausschreibungen / Stipendienprogramme 2 Wettbewerbe/Projektförderung/ Ausschreibungen/Stipendienprogramme NRW-Schülerwettbewerb „Begegnung mit Osteuropa“: Die nordrhein-westfälischen Preisträgerinnen und Preis- Landesregierung vergibt Siegerpreise träger kommen aus Ahaus, Beckum, Beverungen, Bocholt, Bochum, Coesfeld, Detmold, Dortmund, Dülmen, Düren, Seit 1953 haben mehr als drei Millionen Schülerinnen Duisburg, Düsseldorf, Ennigerloh, Essen, Euskirchen, Köln, und Schüler am Kreativwettbewerb teilgenommen. Lemgo, Lindlar, Marl, Mönchengladbach, Münster, Neuen- kirchen, Nottuln, Oberhausen, Ratingen, Recklinghausen, Zum 66. Mal findet der Schülerwettbewerb des Landes NRW Schmallenberg, Steinhagen und Wuppertal. „Begegnung mit Osteuropa“ statt. Das diesjährige Motto lautet: „Europa – Zukunft braucht Geschichte“. Der Wettbewerb ist nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden Prof. Dr. Hans-Ulrich Baumgarten, Gruppenleiter im Minis- – motiviert durch die Neuordnung Europas und die damit terium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW, hat verbundenen Erfahrungen von Flucht und Vertreibung. als Vertreter der Landesregierung Nordrhein-Westfalen die Generationen von Schülerinnen und Schülern sowie von Leh- diesjährigen 50 Preisträgerinnen und Preisträger im Haus rerinnen und Lehrern aus Ost und West haben einander auch der Stadt in Düren ausgezeichnet. über die Teilnahme an diesem Wettbewerb kennengelernt Am diesjährigen Wettbewerb haben sich 4.024 Kinder und und den europäischen Gedanken mit Leben gefüllt. Jugendliche aus Nordrhein-Westfalen und aus 16 mittel-, „Mit dem Wettbewerb möchten wir junge Menschen dafür ost- und südosteuropäischen Staaten mit 1.612 Beiträgen gewinnen, sich mit den Themen Flucht, Vertreibung und Aus- beteiligt. Das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des siedlung auseinanderzusetzen, insbesondere im Kontext von Landes NRW fördert den Wettbewerb mit jährlich 130.000 €. Europa. Angesichts globaler Entwicklungen und spürbarer Die Auszeichnungen gehen an zehn Delegationen aus Kroa- Veränderungen wächst die Gefahr, dass neue Mauern in den tien, Lettland, Litauen, Polen, Russland, Serbien, Slowakei Köpfen der Menschen entstehen und man die geschichtli- sowie aus Ungarn. chen Ereignisse aus den Augen verliert. 10
Rundschreiben Nr. 2 August 2019 Die Zukunft Europas liegt in den Händen der jungen Men- schen. Wir möchten mit diesem Wettbewerb erreichen, dass junge Menschen gemeinsame europäische Wurzeln entdecken und in eine gemeinschaftliche Zukunft starten.“, führte Prof. Baumgarten in seiner Festansprache aus. Im Jahr 2020 steht der Schülerwettbewerb „Begegnung mit Osteuropa“ unter dem Motto „Europa – da mache ich mit“. Er richtet sich an alle Schülerinnen und Schüler ab der Grundschule in Nordrhein-Westfalen sowie in den Staaten Mittel-, Ost- und Südosteuropas. Die Projekte basieren auf den aktuellen Richtlinien für die verschiedenen Unter- richtsfächer und Schulformen und können daher direkt im Fachunterricht erarbeitet werden. Alle Schulen erhalten die neuen Wettbewerbsunterlagen. h ttp://www.schuelerwettbewerb.eu/unserWettbewerb/ nachrichten/LSE-66-Dueren-2019/index.php Eine kleine Übersicht über prämierte Wettbewerbsbeiträge Fotos: MKW 11
2 Wettbewerbe / Projektförderung / Ausschreibungen / Stipendienprogramme Richeza-Preis für Projekte des Gehart-Hauptmann-Hauses Weitere Infos zu dem Projekt finden Sie hier: Drei Jugendprojekte h ttp://www.g-h-h.de/index.php?id=111 des Gerhart-Haupt- Das Projekt „Migration – Industrieller Wandel in NRW und mann-Hauses wur- Oberschlesien“ gewann als „sehr auszeichnungswürdiges“ den kürzlich mit dem Projekt ein Preisgeld von 3.500 Euro. Richeza-Preis der NRW-Landesregierung Mehr Infos zu diesem Projekt: ausgezeichnet. Zwei ttp://www.g-h-h.de/index.php?id=88%20 „besonders auszeich- nungswürdige Leucht- Multiplikatoren im Projekt IKuDaR schließen turm-Projekte“ sogar Schulungsprogramm ab Rekonstruktionsarbeit an einem den Höchstpreis von Grabstein in Wilken/Wilki 2018 5.000 Euro. Dazu gehört Mit einem zweitägigen Abschlussseminar endete am 30.06.19 das deutsch-polnische Projekt „Verlorene Dörfer in Masuren“ das Schulungsprogramm für die erste Multiplikatorenstaffel an welchem Dr. Sabine Grabowski seit 2017 mit Studierenden im Modellprojekt IkuDaR. 20 Ehrenamtliche, die in mehreren und Schülern arbeitet. Ende Mai wird das Projekt mit einem Städten in Vereinen der Deutschen aus Russland aktiv sind, Besuch der polnischen Teilnehmer in Düsseldorf fortgesetzt, haben seit Projektbeginn im Oktober 2018 erfolgreich daran bei dem eine zweisprachige Wanderausstellung über das teilgenommen. Die Weiterbildung umfasst Seminare, Coa- Projekt erstellt wird. Die Gestaltung werden Schülerinnen & chings und praktische Übungen. Sie wird von Prof. Dr. Ursula Schüler des Ausbildungsgangs Gestaltungstechnik an der Boos-Nünning geleitet. Zum Weiterbildungsteam gehört Lore-Lorentz-Schule Düsseldorf übernehmen. Mit diesem auch der ehemalige Aussiedlerbeauftragte der Bundesregie- Projekt zeigen junge Menschen aus Deutschland und Polen, rung, Jochen Welt, aus dessen Hand die Teilnehmenden ihr dass es eine zukunftsweisende europäische Verständigung Abschlusszertifikat erhielten. Sie können sich nun „Multi- geben kann. plikator oder Multiplikatorin für inter- und intrakulturelle Bildung“ nennen. In den von ihnen vor Ort geleiteten Grup- Weitere Infos zum Projekt finden Sie hier: penveranstaltungen für Jugendliche, Familien und Senioren http://www.g-h-h.de/index.php?id=110 auf. Damit übernehmen sie eine wichtige Aufgabe für die Entstanden ist aus diesem Projekt auch der Dokumentarfilm Deutschen aus Russland. Eine zweite Multiplikatorenstaffel „Im Rücken der Geschichte“ von Daniel Raboldt. Ein kurzer hat ihre Ausbildung bereits begonnen. IKuDaR ist ein Modell- Trailer zu dem Film findet sich hier: projekt zur Erprobung von Angeboten inter- und intrakultu- h ttps://www.youtube.com/watch?v=h05VXXajQfQ reller Bildung in nordrhein-westfälischen Organisationen der Deutschen aus Russland. Seit Beginn des Projektes in 2018 Weitere Infos zum Film finden Sie hier: wurden 40 Veranstaltungen mit über 650 Teilnehmenden h ttp://www.nocturnus-film.de/home/projekte/im-rue- in vier Zielregionen in NRW durchgeführt. Das Projekt wird cken-der-geschichte-dokumentarfilm finanziert durch das Ministerium für Kinder, Familie, Flücht- Ebenfalls mit 5.000 Euro Preisgeld als besonders förderungs- linge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen. würdiges Leuchtturmprojekt ausgezeichnet wurde das Pro- Das Bildungsangebot soll von ehrenamtlichen Gruppenleite- jekt „Schicht im Schacht. Und dann? Deutsch-polnische Re- rinnen und Gruppenleitern der russlanddeutschen Vereine flexionen über die Sichtbarmachung architektonischer und umgesetzt werden – entweder in den Veranstaltungen, die kultureller Zeugnisse zweier Bergbau- und Kulturregionen.“ sie bereits jetzt selbst leiten, oder indem sie als „Gastdo- Sieger des Projekts sind das Gerhart-Hauptmann-Haus, die zentin“ oder „Gastdozent“ in anderen Veranstaltungen tätig Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und das Oberschlesi- werden. Im Rahmen von mehreren Seminaren werden diese sche Landesmuseum in Hösel. ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Multi- plikatorinnen und Multiplikatoren ausgebildet. Foto: Hans-Georg Hiesserich 12
Tagungen / Veranstaltungen / Ausstellungen / Bildungsangebote 3 3 Tagungen / Veranstaltungen / Ausstellungen / Bildungsangebote Veranstaltungen im Haus Schlesien Die Auseinandersetzung mit schlesischer Vergangenheit ´ , Schlesien/Slask/Slezsko – schrieb sich in viele – deutsche und polnische – Familien Grenzüberschreitende Forschung ein und hatte bei einem Teil der anwesenden Referentinnen und Referenten das Interesse an schlesischer Geschich- Ende November fand im Dokumentations- und Informa- te geweckt. In der Tschechoslowakei war das ehemalige tionszentrum, Haus Schlesien, Königswinter auf Initiative österreichische Kronland Schlesien hingegen verwaltungs- von Agnieszka Bormann, Kulturreferat für Schlesien aus technisch Mähren zugeschlagen worden und blieb in der Görlitz sowie Vasco Kretschmann, Kulturreferat für Ober- öffentlichen Wahrnehmung daher kaum sichtbar. Dazu trug schlesien, Ratingen (Hösel); Stiftung Kulturwerk Schlesien der Umstand bei, dass auch in der Tschechoslowakei der ein grenzüberschreitendes Nachwuchsforum statt. Großteil der deutschsprachigen Bevölkerung, die die schle- Autor: Ellinor Forster, Institut für Geschichtswissenschaf- sischen Städte mehrheitlich bestimmt hatte, nach 1945 ten, Universität Innsbruck zwangsemigrieren musste und die Gebiete mit Tschechen und Tschechinnen aus anderen Teilen des Landes besiedelt Es kamen Forscherinnen und Forscher aus Deutschland wurden. Damit ist schlesische Geschichte in Tschechien und Polen, ein Referent kam aus Tschechien, eine Referen- nicht sehr populär – sie findet sich zwar in Bezug auf das tin aus Frankreich, aus Österreich meldete sich niemand. Mittelalter vertreten, im Kontext der tschechischen Natio- Dies spiegelt sehr gut die geschichtswissenschaftliche nalbewegung im 19. Jahrhundert stehen jedoch Böhmen Beschäftigung mit dem historischen Raum Schlesien und Mähren deutlich im Zentrum der Forschung. In der wider. Bedingt durch die Teilung des Herzogtums 1742 österreichischen Geschichtsschreibung nehmen die Länder kam der größte Teil zu Preußen und nur ein schmales Ge- der böhmischen Krone grundsätzlich einen zentralen Platz biet verblieb bei der böhmischen Krone beziehungsweise ein, schließlich bildeten sie seit 1526 einen wesentlichen Österreich. Die ehemalige Provinz Schlesien als Teil des Teil der Habsburgermonarchie. Und doch beschäftigen sich Deutschen Reichs wurde nach 1945 mit den Grenzverschie- in der Tat nur sehr wenige österreichische Forscherinnen bungen und Zwangsumsiedlungen der Bevölkerung aus und Forscher mit dem schlesischen Raum, sei es vor der dem ehemaligen Ostpolen in die neuen polnischen West- Teilung mit Gesamtschlesien oder nach der Teilung mit gebiete sowie der schlesischen Bevölkerung in die beiden dem verkleinerten Gebiet. Auch hier stehen – einer spä- deutschen Staaten mit neuer Bedeutung aufgeladen und ten oder fortgesetzten spiegelbildlichen Antwort auf die blieb daher im Bewusstsein der Bevölkerung präsent. tschechische Nationalbewegung gleichend – Böhmen und 13
3 Tagungen / Veranstaltungen / Ausstellungen / Bildungsangebote Mähren im Vordergrund. polnischen Musik als ein kulturhistorisches Beispiel für die Die Bewegung, der Austausch und die Vernetzung über Möglichkeit einer geistig-schöpferischen Koexistenz im Grenzen hinweg zeichnete die einzelnen Beiträge des For- Bewusstsein bleiben, die politische Grenzen überwindet. schungskolloquiums aus. Joseph Elsner ist Schlesier. 1769 in Grottkau im Oppelner Lande geboren. Über Breslau, Wien und Lemberg kommt ´ , Tagungsbericht: Schlesien/Slask/Slezsko – Grenzüber- Elsner mit dreißig Jahren nach Warschau. Er wird bestim- schreitende Forschung, 23.11.2018 – 24.11.2018 Königswin- mend für das Musikleben der polnischen Hauptstadt. 1841 ter, in: H-Soz-Kult, 15.03.2019, schreibt ein Musikkritiker über ihn: „Man trifft schwerlich heutzutage einen namhaften polnischen Tonkünstler, der w ww.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberich- nicht bei Herrn Elsner Komposition studiert hätte... Elsner, te-8170 der Stammvater der neueren polnischen Musik, der feine Erkenner und Lenker origineller Talente.“ Elsner starb hochgeehrt im Alter von 85 Jahren 1854 in Warschau. Klavier-Matinée - JOSPEH ELSNER – Im Juni fand eine Klavier-Matinée im Haus Schlesien statt. gespielt von Junko Shioda Im Fluss der Zeit – Vortrag und Buchvorstellung mit Prof. Arno Herzig Im Rahmen der Ausstellung „Im Fluss der Zeit“ stellte der Historiker Prof. em. Dr. Arno Herzig sein Ende 2018 erschie- nenes Buch „900 Jahre jüdisches Leben in Schlesien“ vor. Das im Görlitzer Senfkorn Verlag erschienene Buch bietet eine Gesamtdarstellung der wechselvollen Geschichte der Juden in Schlesien, die die Zeit vom 12. bis zum 21. Jahr- hundert umfasst. Aufgezeigt werden die Diskriminierungen und Konflikte, denen die Juden bis hin zum Holocaust auch in Schlesien ausgesetzt waren. Dargestellt wird aber auch der herausragende Beitrag, den die jüdische Bevöl- kerung allein in Breslau mit fünf Nobelpreisträgern und Persönlichkeiten wie Edith Stein oder Ferdinand Lasalle zur schlesischen Hochkultur und deutschen Kulturgeschichte geleistet hat. Die Begriffe Jude oder Judentum werden Wenn der Name Joseph Elsner genannt wird, spricht man dabei von Prof. Arno Herzig nicht im konfessionellen Sinne fast ausschließlich vom Lehrer Chopins. In allen Chopin verstanden, sondern es werden auch Persönlichkeiten be- Biografien nimmt Elsner einen unsterblichen Platz ein. rücksichtigt, die durch Austritt oder Konversion nicht mehr Aber der Name des weltberühmten Schülers überstrahlt zur jüdischen Geschichte zählten, aber doch in der einen die Persönlichkeit Elsners, dass man darüber seine große oder anderen Form dem Judentum verbunden blieben. historische Bedeutung für die polnische Musikkultur des Prof. Dr. Arno Herzig gilt als einer der besten Kenner der 19. Jh. meist außer Acht lässt, obgleich die polnische Mu- Geschichte der Juden in Deutschland. 1973 habilitierte er sikgeschichtsschreibung sehr wohl anerkennt, was ihr Land sich mit „Judentum und Emanzipation in Westfalen“. Von Elsner zu verdanken hat. Darüber hinaus sollte die Lebens- 1979-2002 war er Professor an der Universität Hamburg für geschichte Elsners in seiner Entwicklung vom schlesischen Geschichte der frühen Neuzeit mit den Forschungsschwer- Handwerkerssohn zum Reformator und Organisator der punkten Protestverhalten von Unterschichten, Deutsch-jü- 14
Rundschreiben Nr. 2 August 2019 dische Geschichte und Konfessionalisierung. Herzig ist Mitglied der Historischen Kommission für Schlesien, der Gesellschaft zur Erforschung der Geschichte der Juden und des Leo-Baeck-Arbeitskreises. 2010 erhielt Herzig für seine Aufsätze und Monographien zur Geschichte Schlesiens den Kulturpreis Schlesien des Landes Niedersachsen. Diese Veranstaltung fand kürzlich in Kooperation mit dem Kulturreferenten für Oberschlesien, Dr. Vasco Kret- schmann, und dem Senfkorn Verlag Görlitz im Haus Schle- sien statt. Offene Tür zum Internationalen Museumstag im Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte Junge Besucher testen mit Smartphones die neue Rallye (Quelle: Mfrdkg) riert und so genau die Informationen transportiert, die für die Zielgruppe geeignet und relevant sind. Deshalb bietet die Museumsrallye eine aktive Alternative zu einer pas- siven Wissensvermittlung. Die Museumsrallye wird über QR-Codes – ergänzend zu den Inhalten des Museums – mit Karten, Dokumententexten, Bildern, Videoclips sowie Audioaufnahmen und Zeitzeugeninterviews des mBooks „Russlanddeutsche Kulturgeschichte“, dem digitalen Lehr- und Lernbuch, verknüpft. Das mBook „Russlanddeutsche Kulturgeschichte“ ermöglicht einen vertieften Einblick in die Geschichte der Russlanddeutschen sowie in das Ver- hältnis zwischen Deutschland und Russland - Identität und Heimat, Vertreibung und Neuanfang sowie Demokratie und Diktatur stehen im Vordergrund. Das mBook ist bundesweit das erste und bisher einzige digital-mediale Lehrwerk zu Museumsguide Philip Wiens präsentiert die Museumsrallye diesem Thema. Es wurde vom Institut für digitales Lernen (Quelle: Mfrdkg) in Zusammenarbeit mit dem Museum für russlanddeut- sche Kulturgeschichte entwickelt, vom Ministerium für Entsprechend dem diesjährigen Motto des Internationalen Arbeit, Integration und Soziales des Landes NRW gefördert Museumstages „Zukunft lebendiger Traditionen“ widmete und mit dem eBook-Award ausgezeichnet. Entworfen und sich das Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte konzipiert wurde die Rallye von der Künstlerin Natalia der Vermittlung althergebrachter Spieltraditionen für die Arnst, und den jungen Museumsguides Veloris Peters und jüngsten Besucher. Kinder und Jugendliche konnten unter Philip Wiens. Anleitung des engagierten Kenners und Grundschulpäda- gogen Jakob Penner in die Welt der Spiele ihrer Eltern und KUNST-MENSCH-SYSTEM – Zwischen Sowjetunion Großeltern eintauchen und sie neu entdecken. und Bundesrepublik Das Museum nahm diesen Tag zum Anlass um das neue Das Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte er- museumspädagogische Angebot zu präsentieren. In der für öffnete am 1. Juni um 16:00 Uhr eine neue Ausstellung. drei Altersgruppen entwickelten Museumsrallye können ab Interessierte Besucher erwartet bei freiem Eintritt ein ab- jetzt junge Besucher nach einer altersgerechten Führung wechslungsreiches Programm mit künstlerischer Live-Per- durch die Ausstellung ausgestattet mit einem Tablet auf formance, Musik und kirgisischen Spezialitäten. Suche gehen. Das Museum für russlanddeutsche Kultur- Die neue Ausstellung „KUNSTMENSCHSYSTEM“ dreht geschichte versteht sich als „sekundäres Lerninstitut“ und sich um das Werk des russlanddeutschen Bildhauers möchte die pädagogische Arbeit an Schulen unterstützen, Jakob Wedel, der bis zu seinem Tod 2014 in Lippe lebte. erleichtern und vertiefen. Das Format Museumsrallye hat „Die Exponate decken eine beeindruckende räumliche und den besonderen Vorzug, dass Wissen eigenverantwort- zeitliche Spannweite ab.“, meint Nico Wiethof der Kurator lich und selbstgesteuert aktiv erschlossen wird und damit der Ausstellung und spielt auf die bewegende Migrations- am längsten im Gedächtnis verankert bleibt. So werden geschichte Jakob Wedels an. Dessen erste Zeichnungen themenspezifische Aufgaben und Fragestellungen integ- 15
3 Tagungen / Veranstaltungen / Ausstellungen / Bildungsangebote entstehen noch in den Tagen des Zweiten Weltkriegs in „Deutschland und Heimat“ – im Gespräch mit Deut- einer ärmlichen Erdhütte in Kirgisien. Nach dem Krieg schen im postsowjetischen Raum steigt Jakob Wedel zu einem anerkannten Künstler in der kirgisischen Sowjetrepublik auf. „Die vor dem Mauerfall Das Projekt untersucht die deutsche Diaspora in einigen entstandenen Skulpturen und Intarsienbilder zeigen be- Nachfolgestaaten der Sowjetunion, darunter Gebiete in sonders das zwischen Widerstand und Anpassung schwan- der Russischen Föderation, Ukraine, Kasachstan, Kirgis- kende Verhältnis zwischen Künstler und Sowjetunion“, so tan, Tadschikistan und Usbekistan. Ziel ist es, Einblicke in Wiethof weiter. 1988 kurz vor dem Mauerfall nutzt Wedel „Deutschsein außerhalb Deutschlands“ zu gewinnen und jedoch die Gelegenheit und entkommt dem Sowjetsystem. darüber hinaus das Verständnis von Ethnizität, ethnischen Nach seiner Migration in die Bundesrepublik entstehen in Identitätsnarrativen, multiplen (ethnischen) Zugehörig- einem explosionsartigen Schaffensprozess neue Skulptu- keiten, Diasporen sowie der Rolle des kollektiven Gedächt- ren, welche die Stalindiktatur als menschenverachtendes nisses für die Herstellung ethnischer Identifikationen zu System entlarven. vertiefen. Das Projekt ist an der School of Government and International Affairs der Durham University, Großbritan- Die Eröffnung fand im Rahmen der dritten Detmolder nien, angesiedelt und wird in Kooperation mit dem Institut Kunstnacht statt. Besucher konnten live dabei sein, als für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien der Kunst entstand. Der Bildhauer Nils Grube gab seinem neu- Universität Osnabrück durchgeführt und finanziert von der esten Werk vor Publikum den letzten Schliff. Bundesbeauftragten für Kultur und Medien. Anfang Mai gab es im Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte eine Forschungspräsentation und ein Podiumsgespräch mit Prof. Wittlinger und Dr. Höfler. Dr. Ruth Wittlinger leitet das Projekt “Untersuchung der Situation der deutschen Diaspora bez. Wahrnehmungen, Verständnis und Ausübung von ‘Deutschsein’ und Deu- tungsmustern des kollektiven Gedächtnisses in der Russ. Föderation, Ukraine, Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Usbekistan.” Sie ist Associate Professor in der School of Government and International Affairs an der Universität Durham, Großbritannien, und Verfasserin zahlreicher Publikationen zu Themen der deutschen Identität – so- wohl innerhalb als auch außerhalb Deutschlands – und der Vorbereitungen für ein Intarsienporträt von Relevanz von Erinnerungsdiskursen für Identitätskonstruk- Leonid Breschnew 1973. tionen. Dr. Concha Maria Höfler ist Postdoctoral Research Associa- te im Projekt. Zuvor war sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forschungsgruppe „Border and Boundary Studies“ am Viadrina Center for B/Orders in Motion an der Europa Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Neben der inter- aktiven Aushandlung von Zugehörigkeit(en) und den damit einhergehenden Grenzziehungs- und Auflösungsprozessen interessiert sie sich für gesellschaftliche Transformations- prozesse im postsowjetischen Raum. Forschungspräsentation und Podiumsgespräch In Folge der Maidanbewegung bemüht sich die neue Jakob Wedel 1969 bei der Arbeit in Frunse (heute Bishkek) in ukrainische Regierung um eine konsequente Aufarbeitung Kirgisien. der totalitären Vergangenheit des Landes. Ein Bestandteil dieser Politik ist die weitgehende Öffnung der Sicherheits- archive für die interessierte Öffentlichkeit. Dabei orientiert sich das Land auch an Beispielen Deutschlands im Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit aber auch mit dem kommunistischen Erbe der DDR. 16
Rundschreiben Nr. 2 August 2019 18. Jahrhundert bis zum durch Stalin erzwungenen Heimat- verlust hunderttausender Russlanddeutscher. Erlebbar machten die Schauspieler diese Geschichte durch die Verkörperung von zum Teil realen Protagonisten dieses literarischen Kulturerbes. So konnten die Zuschauer mit- erleben wie der Zeugmacher Christian Züge aus Gera sich entschied nach Russland und nicht nach Amerika auszu- wandern, oder wie dem Hirtenjungen Michael, Kirgisenmi- chel genannt, die wundersame Flucht aus der asiatischen Sklaverei gelang oder auch bei der Dorfversammlung teilnehmen, bei der nach der Oktoberrevolution der Zusam- menschluss zur Kollektivwirtschaft beschlossen wurde. Ausdrucksstark, rasant und streckenweise mit wolgadeut- Dr. Alfred Eisfeld (Mitte) im Gespräch schem Sprachkolorit spielend, überzeugten die Schau- spieler das Publikum. Mit ihrer eigenen Lebensgeschichte Der Göttinger Historiker Alfred Eisfeld recherchierte seit konfrontiert, erkannten anwesende Zeitzeugen emotional 2010 in den Beständen mehrerer ukrainischer Archive zum bewegt ihre Kinderjahre an der Wolga und die mitgebrach- Thema ethnisch motivierter Verfolgungen in den Jahren ten Kinder und Enkel bekamen so Einsichten in die längst des sogenannten Großen Terrors 1937-1938 und legte 2018 vergangenen Zeiten, die sie nur aus mündlicher Überliefe- einen umfangreichen Dokumentenband vor. Gegenstand rung kannten. seiner Forschung war die sogenannte Deutsche Operation Mit diesem Beitrag haben Maria und Peter Warkentin nur des Nationalkommissariats für Inneres der Sowjetunion einen Bruchteil eines unbekannten Literaturschatzes zum gegen Deutsche im eigenen Land. Dieser Welle der Verfol- Vorschein gebracht, der auf dem Grund der Kist‘ von der gungen sind innerhalb weniger Monate Zehntausende zum Wolga schlummert und seiner Wiederentdeckung ent- Opfer gefallen. Nachfahren dieser Menschen kamen im gegensieht. Zuge der Aussiedleraufnahme nach Deutschland. Sachsen-Anhalts früherer Ministerpräsident Christoph Bergner war zwischen 2006 und 2013 Aussiedlerbeauf- tragter der Bundesregierung und war 2014-2017 Ukrai- neberichterstatter seiner Bundestagsfraktion. In seinen Erfahrungsbereich fallen sowohl die Aufarbeitung der Stasidiktatur in den neuen Bundesländern als auch die repressionsbedingte Wiedergutmachungspolitik gegenüber Deutschen aus der ehemaligen Sowjetunion. Diese Veranstaltung fand im März im Zusammenhang mit der Sonderausstellung „Volksgenosse oder Feind des Volkes“ - Die doppelte Diktaturerfahrung der Schwarzmeer- deutschen statt. Gastspiel des Russland-Deutschen Theaters Niederstetten im Die Kist´ von der Wolga Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte Detmold. Nun schon zum vierten Mal lud das Museum für russ- landdeutsche Kulturgeschichte zum Gastspiel des Russ- land-Deutschen Theaters Niederstetten ein. Vor vollem Zuschauersaal präsentierten Maria und Peter Warkentin ihr neuestes Bühnenstück zum ersten Mal außerhalb der heimatlichen Spielstätte in Baden-Württemberg. Das anlässlich des 100. Gründungstages der Wolgarepublik inszenierte Stück behandelt als ein literarisch-szenisches Schauspiel die Geschichte der Wolgadeutschen. Anhand vieler, bisher kaum der breiten Öffentlichkeit bekannte Texte deutschsprachiger Autoren in Russland aus zwei Jahrhunderten spannten die Schauspieler einen epischen Bogen von der Zeit der Auswanderung aus Deutschland im 17
3 Tagungen / Veranstaltungen / Ausstellungen / Bildungsangebote Martin-Opitz-Bibliothek in Herne dermitteln in einer Gesamthöhe von 2,5 Millionen Euro. Von dem Vorhaben konnten rund 100 Einrichtungen profitieren, darunter auch die MOB. Für die Durchführung der Massenentsäuerung der wert- vollen Altbestände der MOB standen insgesamt 20.000 Die Martin-Opitz-Bibliothek (MOB) verfügt derzeit über Euro zur Verfügung, die über die Koordinierungsstelle für einen Bestand von über 350.000 Medieneinheiten zur die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK) bewilligt deutschen Kultur und Geschichte im östlichen Europa. wurden. An der Förderung war neben der KEK ebenfalls das Jährlich kommen in der Regel mehr als 10.000 Bände hin- Land NRW, konkret das Ministerium für Kultur und Wissen- zu. Als Spezialbibliothek für das genannte Sammelgebiet schaft, mit 5.000 Euro beteiligt. Der Eigenanteil der MOB umfasst die Sammlung einen erheblichen Anteil an rarem betrug ebenfalls 5.000 Euro. und unikalem Material. Der Alleinbesitz liegt bei ca. fünf bis zehn Prozent des Gesamtbestands. Beachtlich ist eben- Die Maßnahme umfasste die Massenentsäuerung von 4.253 Bänden aus dem sog. Schlesien-Bestand/Sign. F (systematisch gestellter Altbestand). Mit der Umsetzung des Projektes wurde eine Spezialfirma beauftragt, welche mit Unterstützung der MOB die ausgewählten Medien ausgehoben, kartoniert und nach Leipzig transportiert hat. Dort wurde die Massenentsäuerung im Chargenver- fahren im November und Dezember 2018 durchgeführt. Zur Anwendung kam das sog. „PAL Book Saver“-Verfahren, welches einem modernen Flüssigphasen-Entsäuerungs- prozess entspricht. Dieser setzt sich aus der Zusammen- stellung der Prozesschargen (Blöcken von zu entsäuernden Büchern), Kühlung, Tränkung, Transportmittelrückgewin- nung und Rekonditionierung zusammen und ist gemäß Regalansicht des behandelten Teilbestands, Foto: Marc Daubitz entsprechender DIN-Normen zertifiziert. Wie der Name bereits sagt, handelt es sich bei dem Prozess um ein Ver- falls der sog. Altbestand, d.h. die in der Regel wertvollen fahren, in dem nicht das einzelne Werk im Vordergrund historischen Bücher, die vor 1900 erschienen sind. Ein Teil steht, sondern eine gewisse Menge, z.B. 50 Kilogramm, an dieser Medien, insbesondere Bände, die ab der industriel- Buchmaterial, die en bloc bearbeitet wird. Gleichwohl wer- len Papierherstellung seit der Mitte des 19. Jahrhunderts den zugrundeliegende Qualitätskriterien beachtet – auch erschienen sind, ist potentiell säurehaltig und damit – ab- das Kontrollverfahren ist zertifiziert – und dokumentiert. hängig von den Konditionen der Aufbewahrung – risikobe- Die Entsäuerung des behandelten Papiers kann und wurde lastet und verfallsgefährdet. auch seitens der MOB mit entsprechenden Teststreifen ge- prüft und abgenommen. Im Zuge der Bestandserhaltung konnte die MOB im Spät- herbst 2018 ein Projekt zur Massenentsäuerung eines Eine frühere, an der MOB durchgeführte Bestandsanalyse Teils der betroffenen Literatur umsetzen und dabei an ein hat ergeben, dass etwas mehr als 100.000 Medienein- älteres, auf das Jahr 2010 zurückgehendes Projekt an- heiten säurebelastet sein dürften. Durch das dargestellte knüpfen. Damals konnten ca. 1.500 Bände mit Eigenmitteln Projekt konnte immerhin ein zweiter kleiner Schritt getan der MOB entsäuert werden. Nun rief die Beauftragte der werden, um den Verfallsprozess des Papiers zu bremsen Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) im Jahr bzw. den Verfall des wertvollen Altbestands der MOB zu 2018 ein Sonderprogramm zur Erhaltung des schriftlichen verhindern. Kulturguts aus und unterstützte das Unterfangen mit För- Dr. Arkadiusz Danszczyk Bild aus einem entsäuerten Buch mit dem entsprechenden Stempel, Foto: Marc Daubitz 18
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