In neuen Kleidern 4 - Auseinandersetzung mit der Partei "DIE RECHTE" - U-Turn Dortmund

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In neuen Kleidern 4 - Auseinandersetzung mit der Partei "DIE RECHTE" - U-Turn Dortmund
Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“

                                       a l i s i e rte
                                 Akt u
                                    . A u  fl  a ge
                                  4

ALTER HASS
in neuen Kleidern
In neuen Kleidern 4 - Auseinandersetzung mit der Partei "DIE RECHTE" - U-Turn Dortmund
BackUp - ComeBack
      Westfälischer Verein für die offensive Auseinandersetzung
      mit dem Rechtsextremismus e.V.

      Dieser zivilgesellschaftliche Verein    Dem Verein ist es wichtig, durch die
      wurde im Juni 2013 in Hamm ge-          Unterstützung der Opfer rechts­
      gründet. Zu den Gründungsmitglie-       extremer Gewalt, die Hilfeangebote
      dern zählen viele prominente Per-       für Ausstiegswillige aus der rechts­
      sonen aus den unterschiedlichsten       extremen Szene sowie eine aufklä-
      Institutionen und Organisationen im     rende Öffentlichkeitsarbeit zusam-
      westfälischen Landesteil von NRW.       men mit vielen anderen Partnern
      Der Verein hat im Januar 2014 offi-     in dem landesweiten Netzwerk den
      ziell die Trägerschaft für die beiden   Rechtsextremismus mit seiner men-
      Beratungs-Einrichtungen BackUp          schenverachtenden und gewalttä-
      und ComeBack übernommen, die            tigen Ideologie, die unmittelbar an
      bis dahin dankenswerterweise vom        den historischen Nationalsozialis-
      Paritätischen Wohlfahrtsverband in      mus anknüpft, zurückzudrängen
      Dortmund geleistet wurde.               und die demokratische Kultur zu
      Der in der Mitte der Gesellschaft       stärken.
      angesiedelte gemeinnützige Verein
      finanziert die beiden getrennten Be-
                                              BackUp-ComeBack…e.V.
      ratungseinrichtungen sowie weitere
                                              Hartmut Anders-Hoepgen (Vors.)
      mögliche Arbeitsmodule der offen-
                                              Tel.: 0172 309 47 46
      siven Ausein­andersetzung mit dem
                                              E-Mail: info@backup-comeback.de
      Rechtsextremismus über Fördermit-
      tel des Landes NRW, der Stadt Dort-
      mund sowie über Sponsoren- und
      Spendengelder von Institutionen
      und Privatpersonen. Der Verein ist
      daher auch sehr daran interessiert,
      den Kreis seiner Mitglieder und För-
      dermitglieder kontinuierlich zu er-
      weitern, um der gesamten Arbeit
      eine breite Basis und Verankerung in
      der Gesellschaft zu geben.

     IMPRESSUM/ V.i.S.d.P.:
     BackUp – ComeBack
     Westfälischer Verein für die offensive Auseinandersetzung
     mit dem Rechtsextremismus e.V.
     Vorsitzender: Hartmut Anders-Hoepgen
     Stefanstraße 2, 44135 Dortmund

    Wir bedanken uns bei der Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie
    für die Unterstützung bei der Erstellung dieser Broschüre.

2                                                Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“
In neuen Kleidern 4 - Auseinandersetzung mit der Partei "DIE RECHTE" - U-Turn Dortmund
„Alter Hass
 in neuen Kleidern“
Vorwort zu Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“

   4. aktualisierte und erweiterte Ausgabe - Stand 12/2018

Als Träger des Modellprojekts Co-                Mit dieser Broschüre in der vierten      über Sponsoren- und Spendengelder
Ba-Yana vereint der zivilgesellschaft-           Auflage - abermals aktualisiert und      von Institutionen und Privatpersonen.
liche Verein BackUp - ComeBack viele             erweitert - möchten wir in diesem        Der Verein ist daher auch daran inte-
prominente Personen aus den un-                  Sinne Informationen über die Partei      ressiert, den Kreis seiner Mitglieder
terschiedlichsten Institutionen und              „DIE RECHTE“ zur Verfügung stellen,      und Fördermitglieder kontinuierlich
Organisationen in Westfalen, die sich            deren Politik aus unserer Sicht nicht    zu erweitern, um der Arbeit von Co-
ehrenamtlich gegen den Rechtsext-                von der Ideologie der rechtsextre-       Ba-Yana und dem Engagement des
remismus engagieren.                             men Gewalttäter getrennt betrachtet      Vereins eine breite Basis und Veranke-
                                                 werden kann. Da nur eine gut infor-      rung in der Gesellschaft zu geben.
Die Etablierung einer Ausstiegsbe-               mierte Zivilgesellschaft in der Lage
                                                                                          Dem Verein ist es wichtig, durch die
ratung und Einstiegsprävention in                ist, sich der Problemlage in Dort-
                                                                                          Hilfsangebote für gefährdete junge
Dortmund besitzt für den Verein ei-              mund zu stellen, möchten wir hiermit
                                                                                          Menschen und Ausstiegswillige aus
nen hohen Stellenwert, geht es uns               einen Beitrag für eine aktive Ausein-
                                                                                          der rechtsextremen Szene sowie ei-
doch auch darum zu verhindern,                   andersetzung mit dem Rechtsextre-
                                                                                          ner Öffentlichkeitsarbeit zusammen
dass die Stadtgesellschaft von einer             mismus leisten.
                                                                                          mit vielen anderen Partnern in den
steigenden Zahl potentieller rechts-
                                                                                          landes- und bundesweiten Netz-
extremer Gewalttäter bedroht wird.               Der in der Mitte der Gesellschaft an-
                                                                                          werken den Rechtsextremismus mit
                                                 gesiedelte Verein finanziert die Bera-
                                                                                          seiner menschenverachtenden und
Die Stadt Dortmund wurde in den                  tungseinrichtung CoBa - Yana als Teil
                                                                                          gewalttätigen Ideologie, die unmit-
letzten Jahrzehnten wiederholt mit               seines Engagements im Sinne einer
                                                                                          telbar an den historischen National-
rechtsextremen Gewalttaten kon-                  offensiven Auseinandersetzung mit
                                                                                          sozialismus anknüpft, zurückzudrän-
frontiert, die zum Teil bis hin zum              dem Rechtsextremismus zum einen
                                                                                          gen und die demokratische Kultur zu
Mord führten. In diesem Sinne ist                über Fördermittel des Bundespro-
                                                                                          stärken.
für uns die erfolgreiche Einstiegsprä-           gramms „Demokratie Leben!“ des
vention zugleich Teil des Schutzes               Bundesministeriums für Familie, Se-      Hartmut Anders-Hoepgen
prospektiver Opfer rechtsextremen                nioren, Frauen und Jugend und der        (Vorsitzender BackUp-ComeBack e.V.)
Terrors.                                         Stadt Dortmund und zum anderen           E-Mail: info@backup-comeback.de

Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“                                                                                 3
In neuen Kleidern 4 - Auseinandersetzung mit der Partei "DIE RECHTE" - U-Turn Dortmund
Themenübersicht

    Vom „Nationalen Widerstand“ zur Partei „DIE RECHTE“                              5

    „Die Bewegung braucht keine Parteien“                                            6

    Was versteht man unter Raumkampf?                                                9

    „Von der Südtribüne in den Stadtrat“ (2014)                                    13

    Viel Lärm, aber kein Wahlerfolg für „Rechtsaußen“                              15

    Der Wahlabend und der „Rathaussturm“                                           18

    Geldquelle „Ratsgruppe“                                                        22

    Ehemaliger AfD-Sprecher läuft zu Neonazis über                                 25

    25-Punkte-Programm zur Europawahl (2019)                                       26

    Überfremdungsnarrative – Angsträume und Nordstadt                              28

    Die Rolle von Fußball und Kampfsport                                           34

    Antisemitismus und „Israel-Kritik“                                             37

    Die Holocaust-Leugnerin und „Die Rechte“                                       39

    Kirchturmbesetzung – alles nur geklaut?                                        42

    Die Medienstrategie der Neonazis                                               43

4                                                   Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“
In neuen Kleidern 4 - Auseinandersetzung mit der Partei "DIE RECHTE" - U-Turn Dortmund
Vom „Nationalen Widerstand
Dortmund“ zur Partei „DIE RECHTE“
Rund 400 überwiegend junge Leute                 Journalisten werden bedroht. Einer der     Bekenntnis zum Nationalsozialismus.
ziehen an einem Samstag im August                Redner hat sich mit einer Sturmhau-        Über Jahre hatte sich Dortmunds Neo-
2013 durch Dortmunder Straßen. Eine              be maskiert. Ein anderer verlangt von      naziszene zur größten und aktivsten
„Wahlkampfdemonstration“ soll der                seinen Zuhörern militärische Disziplin     im Westen der Republik entwickelt. Für
Aufzug drei Wochen vor der Bundes-               wie im Krieg: Man müsse, ruft er, bereit   manche extrem rechte Gruppen an-
tagswahl sein.                                   sein, auch sein Leben zu geben.            dernorts war sie Vorbild, insbesondere
                                                                                            für Neonazis aus dem Spektrum der
Mit Sympathiewerbung oder einer ge-              „Wir wollen ein freies deutsches Reich“,
                                                                                            „Autonomen Nationalisten“. Wichtigste
fälligen Außendarstellung, wie man es            donnert ein dritter Redner ins Mikro
                                                                                            Gruppierung in der Ruhrgebietsstadt
von einer Partei so kurz vor einer Wahl          und wettert gegen die „Bande in den
                                                                                            war der Nationale Widerstand Dort-
vermuten könnte, hat die Veranstal-              Parlamenten“, die „der Furor Teutoni-
                                                                                            mund (NWDO).
tung freilich wenig zu tun. „Alles für           cus irgendwann hinwegfegen“ werde.
Volk, Rasse und Nation!“, grölen die in          Die Demonstration zieht weiter. „Macht     Im August 2012 verbot das NRW-In-
den ersten Reihen. „Wir sind weiß, ihr           den Linken richtig Dampf: Straßen-         nenministerium den NWDO. Auf mehr
seid rot – für die Rasse in den Tod!“ und        kampf, Straßenkampf!“ wird skandiert       als 60 Seiten zeichneten die Juristen
„Nationaler Sozialismus jetzt!“ Einige           – und das Bekenntnis zur NSDAP gleich      des Ministeriums in ihrer Verbotsver-
Teilnehmer suchen die direkte Kon-               per Fronttransparent vorneweg getra-       fügung das Bild der Neonazi-Truppe
frontation mit Gegendemonstranten;               gen: „25 Punkte gegen eure Verbote!“       nach: Auf der Basis des Nationalsozi-
                                                 ist dort in Anspielung auf das „25-Punk-   alismus und in Anlehnung an die SA
                                                 te-Programm“ der NSDAP zu lesen.           habe sich eine Vereinigung gebildet,
                                                                                            deren Mitglieder Gewalt nicht nur
                                                 „DIE RECHTE“ demonstriert an diesem
                                                                                            rechtfertigen, sondern die teilweise
                                                 Tag in Dortmund. Sie hat in NRW die
                                                                                            selbst gewalttätig würden.
                                                 Nachfolge verbotener Neonazi-„Kame-
                                                 radschaften“ angetreten. Unter dem         Sie kamen anschließend bei der Partei
                                                 Label einer Partei machen Dortmunds        „DIE RECHTE“ unter, die von führenden
                                                 Neonazis weiter, als wäre nichts ge-       Aktivisten des Nationalen Widerstan-
                                                 wesen. Ungebrochen scheint auch ihr        des gegründet wurde.

Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“                                                                                 5
In neuen Kleidern 4 - Auseinandersetzung mit der Partei "DIE RECHTE" - U-Turn Dortmund
„Die Bewegung braucht keine
Parteien“ – und doch gründeten
sie „DIE RECHTE“
                                                                                     Ziel des Landesverbandes ist es, die
                                                                                     bisherigen neonazistischen Aktivitäten
                                                                                     nunmehr im Schutz des sogenannten
                                                                                     Parteienprivilegs zu betreiben und neo-
                                                                                     nazistische Propaganda zu ver­breiten.

                                                                                     Die Strategie, mit Provokation Öffent-
                                                                                     lichkeit zu erreichen, wird von anderen
                                                                                     Landesverbänden übernommen. Viele
                                                                                     Aktivisten halten enge Kontakte nach
                                                                                     Dorstfeld.

                                                                                     Zehn Landesverbände
                                                                                     Es gibt zehn Landesverbände (wovon
                                                                                     der Landesverband „Südwest“ die Län-
                                                                                     der Rheinland-Pfalz und Saarland um-
                                                                                     fasst) und rund 25 Kreisverbände sowie
                                                                                     „Stützpunkte“ (Stand Dezember 2017
                                                                                     – VS Bund 2017). Gleichwohl sind die
                    Christian Worch
                                                                                     Unterschiede zwischen den einzelnen
                                                                                     Parteigliederungen enorm. Während
Als Christian Worch im Mai 2012 ver-       Neonazi-Sammelbecken                      der Landesverband NRW rund 270 Mit-
kündete, dass er eine Partei mit dem
                                                                                     glieder zählt, weisen mehrere Landes-
Namen „DIE RECHTE“ (DR) gegründet          Nach Gründung der Partei gab es im
                                                                                     verbände kaum mehr als 30 Mitglieder
hat, war die Verwunderung groß. Seit       Rechtsextremismus kaum eine Reso-
                                                                                     auf. Überdies dürften einige Kreisver-
seinem Engagement bei der FAP, die         nanz und es traten nur eine handvoll
                                                                                     bände nur auf dem Papier, beziehungs-
aber nur als Auffangstruktur für die       ehemaliger DVU-Mitglieder ein. Dies
                                                                                     weise bei Facebook existieren.
verbotene neonazistische ANS von Mi-       änderte sich schlagartig, als in Nord-
chael Kühnen diente, hatte er sich von     rhein-Westfalen das Innenministerium      Obschon inzwischen weitere Lan-
Parteien ferngehalten.                     die drei aktivsten neonazistischen Ka-    desverbände gegründet wurden,
                                           meradschaften - die Kameradschaft         dominiert der Landesverband Nord-
Mitte der 2000er Jahre traten mehre-
                                           Aachener Land (KAL), den Nationalen       rhein-Westfalen deutlich die Partei.
re führende Neonazis in die NPD ein.
                                           Widerstand Dortmund (NWDO) und            270 der 650 Mitglieder (Stand Dezem-
Worch war die prominente Ausnah-
                                           die Kameradschaft Hamm - nach dem         ber 2017/ VS NRW 2017) stammt dort
me. Seine Webseite öffnet bis heute
                                           Vereinsgesetz verbot.                     her. Auch wenn nicht alle Neonazis in
(Stand: Dezember 2018) mit dem Bild
                                                                                     die Partei eingetreten sind, organisier-
einer neonazistischen Demo mit dem         Die Neonazis reagierten kurz danach
                                                                                     te die Partei in NRW über Jahre inzwi-
gut lesbaren Transparent „Die Bewe-        mit der Gründung des Landesver-
                                                                                     schen nahezu alle neonazistischen Ak-
gung braucht keine Parteien“. Ebenso       bandes von „DIE RECHTE“ in Nord-
                                                                                     tivitäten.
irritierend ist, dass er mit der Partei    rhein-Westfalen.   Die    verbotenen
angeblich das Erbe der DVU antreten        Kameradschaften wurden in Kreisver-       Zudem wechselten einige von der NPD
wolle. So war die DVU während ihres        bände überführt – und die Aktivisten      zu „DIE RECHTE“, weil sie die NPD unter
24jährigen Bestehens als Partei stets      wurden zu Parteimitgliedern. Erster       dem Druck des damals laufenden Par-
eine „Phantompartei“ geblieben, die zu     Landesvorsitzender war der Dortmun-       teiverbotsverfahrens als zu gemäßigt
keiner Zeit ein aktives Parteileben ent-   der Dennis Giemsch, einer der Stellver-   empfanden und die Ausgrenzung von
faltete.                                   treter der Hammer Sascha Krolzig.         Neonazis nicht akzeptieren wollten.

 6                                                                                     Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“
In neuen Kleidern 4 - Auseinandersetzung mit der Partei "DIE RECHTE" - U-Turn Dortmund
In einer Erklärung von Düsseldorfer
Parteiwechslern im April 2013 hieß es:
„Der Versuch der Volksfront unter dem
Dach der NPD ist als gescheitert zu be-
trachten. Die Reaktion hat das Ruder
dort wieder an sich gerissen“. Insofern
präsentiert sich „DIE RECHTE“ in NRW
als rechte Alternative zur NPD.
Am 27. Oktober 2012 gründeten sich
die Kreisverbände Dortmund, Hamm,
Mülheim an der Ruhr und Rhein-Erft-
Kreis. Kurz nach der Gründung veröf-             Die Neonaziszene der Stadt, nun in Ge-      Landesverband ähnlich wie der NWDO
fentlichte der Dortmunder Kreisver-              stalt einer Partei, konnte die Rückschlä-   verboten werden würde.
band einen Artikel unter dem Titel               ge, die sie durch das Verbot des NWDO
                                                                                             Tatsächlich hat die Strategie, sich unter
„Wider der Medienhysterie: Verbots-              hinnehmen musste, schnell kompen-
                                                                                             das Dach einer Partei zu begeben, bis-
keule wirkungslos“, in dem er die ei-            sieren. Im Internet ist sie (mindestens)
                                                                                             her Erfolg: Im März 2013 erklärte das
gene Anhängerschaft zu überzeugen                so präsent wie zuvor. Auch über die
                                                                                             NRW-Innenministerium, für „DIE RECH-
versucht, in die Partei einzutreten.             für Veranstaltungen benötigte Logistik
                                                                                             TE“ gelte das Parteienprivileg. Durch
Inhaltlich beschreibt der Artikel, wie           – vom Fahrzeug bis zur Lautspreche-
                                                                                             die Feststellung des Parteienstatus sei
durch den Parteistatus die Folgen des            ranlage – verfügte die Gruppe rasch
                                                                                             ein Verbot als „Ersatzorganisation“ der
Vereinsverbots ausgehebelt werden                wieder.
                                                                                             Kameradschaften gegenwärtig nicht
können und dass dies der Zweck sei,
                                                 Der im Zuge des NWDO-Verbots auf-           möglich.
sich als Partei zu organisieren.
                                                 gelöste „Resistore-Versand“ fand einen
                                                                                             Ihre Vergangenheit im Lager mili-
„SS-Siggi“ als Vorsitzender                      Nachfolger: den „Antisem-Versand“, der
                                                                                             tant-neonazistischer Kameradschaften
                                                 bereits mit der Wahl seines Namens
Erster Vorsitzender des Dortmun-                                                             konnten – und wollten – die DR-Akteu-
                                                 und seiner Internetadresse „antisem.
der Kreisverbandes wurde Siegfried                                                           re in NRW auch im Wahlkampf nicht
                                                 it“ die Gesinnung seiner Hintermänner
(„SS-Siggi“) Borchardt, ehemals Lan-                                                         ablegen. Ein „Spitzenkandidat“, der
                                                 erkennen lässt. Durch den Verlust der
des- und stellvertretender Bundes-                                                           demokratischen Politikern indirekt den
                                                 italienischen Domain residiert der Ver-
vorsitzender der 1995 verbotenen                                                             Tod androhte, „Wahlkampfdemonstra-
                                                 sandhandel mittlerweile unter „Patrio-
Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpar-                                                        tionen“, bei denen der „Straßenkampf“
                                                 ten-Propaganda“.
tei (FAP). Borchardt hatte in den 80er                                                       gefordert wurde, eine Demo, bei der
Jahren die Neonazi-Hooligantruppe                Wie bereits der NWDO versucht auch          fünf Menschen durch den Wurf ei-
Borussenfront aufgebaut.                         „DIE RECHTE“, mit Rechtsrock Nach-          nes Sprengkörpers verletzt wurden,
                                                 wuchs für sich zu ködern bzw. mit           Wahlplakate mit dem Konterfei des
Nach dem Verbot der FAP führte er die
                                                 Konzert-„Events“ den inneren Zusam-         Holocaust-Leugners Horst Mahler, das
Kameradschaft Dortmund an. Mitglied
                                                 menhalt zu stärken. Mittlerweile bilden     25-Punkte-Programm der NSDAP als
war er einst in der Aktionsfront Natio-
                                                 aber auch Kampfsport-Aktivitäten eine       Vorbild: Seit dem Verbot der FAP war
naler Sozialisten/ Nationale Aktivisten“
                                                 wichtige Säule für Mobilisierung, Or-       keine Rechtsaußenpartei so unge-
(ANS/NA), der Gesinnungsgemein-
                                                 ganisation und Finanzierung. So wird        schminkt militant und neonazistisch
schaft der Neuen Front (GdNF) und der
                                                 beispielsweise der Szene-Event „Kampf       aufgetreten wie „DIE RECHTE“ im Bun-
Hilfsorganisation für nationale politi-
                                                 der Nibelungen“ von Neonazi-Kader           destagswahlkampf 2013.
sche Gefangene (HNG). Bei der Rech-
                                                 Alexander Deptolla aus Dorstfeld orga-
ten ist der DR-Kreisverband Dortmund                                                         Das Wahlergebnis war freilich ein De-
                                                 nisiert.
mit Abstand der aktivste.                                                                    saster. Im Wahlkreis Dortmund I votier-
                                                                                             ten 125 Bürger für die Partei (0,085 Pro-
                                                 Fehlende Wahlerfolge                        zent), in Dortmund II gar nur 50 Bürger
                                                 Obwohl eine Kandidatur eigentlich           (0,037 Prozent). NRW-weit holte „DIE
                                                 überhaupt noch nicht geplant war, trat      RECHTE“ gerade einmal 2245 Stim-
                                                 „DIE RECHTE“ bei der Bundestagswahl         men (0,02 Prozent). Gescheitert waren
                                                 2013 in NRW an – offenbar mit dem           die Bemühungen, bei der Europawahl
                                                 Ziel, den Status als Partei zu festigen     antreten zu können. „DIE RECHTE“ be-
                                                 und so die Gefahr zu minimieren, dass       kam die erforderlichen 4000 Unterstüt-
                                                 der von militanten Neonazis geführte        zungsunterschriften nicht zusammen.

Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“                                                                                     7
In neuen Kleidern 4 - Auseinandersetzung mit der Partei "DIE RECHTE" - U-Turn Dortmund
kaum Impulse. Allerdings achtet der
                                                                                          Parteigründer darauf, dass die Organi-
                                                                                          sation formell die Anforderungen an
                                                                                          eine Partei erfüllt, insbesondere dass
                                                                                          sie zu Wahlen antritt.
                                                                                          So begründete er den Antritt zur Bun-
                                                                                          destagswahl mit einer Landesliste in
                                                                                          NRW folgendermaßen: „Wir haben uns
                                                                                          jedoch im Februar dafür entschieden,
                                                                                          weil eine dummschwätzende junge
Neonazistische Prägung                     Kurz nach seiner Entlassung aus der
                                                                                          Abgeordnete der Linkspartei meinte,
                                           Untersuchungshaft trat er im Januar
Die neonazistische Prägung des ersten                                                     Nordrhein-Westfalens IM (= Innenmi-
                                           2014 bei einer rechtsextremistischen
Landesverbandes der Partei wirkte sich                                                    nister) Jäger (auch bekannt als „Nazi-­
                                           Veranstaltung in Magdeburg als Red-
auf die weitere Parteientwicklung aus.                                                    Jäger“) assistieren zu müssen. In einer
                                           ner auf und ist bis heute nicht nur stän-
So bildete sich beispielsweise der Ber-                                                   Mischung aus Ahnungslosigkeit und
                                           diger Gast und Redner bei Demonstra-
liner Landesverband zu einem Großteil                                                     Böswilligkeit verbreitete sie sich da­
                                           tionen der Partei „Die Rechte“, sondern
aus Personen, die ehemals der verbo-                                                      rüber, „DIE RECHTE“ könne ja wohl
                                           mittlerweile auch einer der beiden
tenen Kameradschaft Frontbann 24 an-                                                      keine eigenständige Partei sein [...] Da
                                           Bundesvorsitzenden.
gehörten. In Baden-Württemberg wur-                                                       haben wir eben beschlossen, sowohl
de ein Neonazi Landesvorsitzender, der     Dort bekannte er sich freimütig zum            dieser Dame als auch IM Jäger den
zugleich als Anführer der „Autonomen       Nationalsozialismus: „Egal wen wir da-         praktischen Beweis zu liefern, dass wir
Nationalisten Göppingen“ fungierte.        mit angreifen müssen, wir werden nicht         sehr wohl gewillt und imstande sind,
Das Innenministerium Baden-Würt-           weichen, wir werden dafür sorgen, dass         uns auf einen Wahlzettel setzen zu
temberg hat im Dezember 2014 diese         die Synthese aus Nationalismus und             lassen.“ Als die Partei dann 2245 Stim-
Gruppe nach dem Vereinsgesetz ver-         Sozialismus wieder die Gestalt unseres         men holte, feierte „DIE RECHTE“ Hamm
boten, weil sie eine Wesensverwandt-       Volkes prägen wird. In diesem Sinne:           dieses magere Ergebnis trotzdem als
schaft mit dem Nationalsozialismus         Nichts für uns, alles für ein freies, natio-   Erfolg, weil damit der Parteistatus ge-
aufwies und gewalttätig auftrat.           nales und sozialistisches Deutschland.“        festigt werde.

Dass Worch mit dieser Ausrichtung der      Kampf gegen das System                         Erst durch die Übernahme des Vorsit-
Partei anscheinend keine Probleme                                                         zes durch zunächst Christoph Drewer
                                           Die ideologischen Schwerpunkte der
hat(te), zeigte sich Ende 2013, als es                                                    (am 1. November 2017 kommissarisch)
                                           Partei „DIE RECHTE“ bilden Neonati-
darum ging, einen Spitzenkandidaten                                                       und dann bei Neuwahlen durch Micha-
                                           onalsozialismus, Antisemitismus und
für einen möglichen Antritt bei den Eu-                                                   el Brück und Sascha Krolzig als Füh-
                                           Fremdenfeindlichkeit. Zahlreiche Kund-
ropawahlen im Mai 2014 zu finden. Er                                                      rungs-Duo 2018 entwickelte er eigen-
                                           gebungen und Internetverlautbarun-
fand ihn in Sven Skoda.                                                                   ständige Aktivitäten. Der Sitz der Partei
                                           gen richten sich gegen „staatliche Re-
                                                                                          wechselte von Worchs Privatadresse
Auf „DortmundEcho“ fand sich folgen-       pression“ und Zuwanderung. Bei ihren
                                                                                          in Parchim nach Dortmund-Dorstfeld.
de Begründung: „Seine Nominierung          Propagandaaktionen setzen Parteimit-
                                                                                          Mittlerweile bilden Sascha Krolzig und
soll auf europäischer Bühne aufzeigen,     glieder mitunter verstärkt auf Provoka-
                                                                                          Sven Skoda die Doppelspitze. Michael
wie es um die Meinungsfreiheit, sowie      tion des politischen Gegners und der
                                                                                          Brück ist Stellvertretender Bundesvor-
die gesetzliche Gleichbehandlung, in       Polizei.
                                                                                          sitzender und Bundesgeschäftsführer
Deutschland tatsächlich steht – getreu     „DIE RECHTE“ lehnt den Parlamenta-             der Partei.
dem Beispiel des IRA-Aktivisten Bobby      rismus grundsätzlich ab und betrach-
                                                                                          Der Landesverband NRW und insbeson-
Sands, der ebenfalls in Haft sitzend bei   tet die Organisationsform einer poli-
                                                                                          dere der Dortmunder Kreisverband hat
einer Wahl kandidierte und letztend-       tischen Partei lediglich als Mittel zum
                                                                                          für Teile der Partei Modellcharakter. Er ist
lich sogar ins britische Unterhaus ge-     Zweck für ihren Kampf gegen das „Sys-
                                                                                          vor allem ein Sammelbecken von Neo-
wählt wurde.“                              tem“. Einige Unterorganisationen der
                                                                                          nazis, die aus den 2012 verbotenen Ka-
                                           Partei haben sich zu Auffangbecken für
Skoda befand sich zum Zeitpunkt sei-                                                      meradschaften kommen. Die Führung
                                           Neonazis entwickelt und Funktionen
ner Nominierung nämlich in Untersu-                                                       des Landesverbandes sowie der aktivs-
                                           verbotener Neonazi-Gruppierungen
chungshaft, weil er wegen Unterstüt-                                                      ten Kreisverbände wurde von langjähri-
                                           übernommen.
zung einer kriminellen Vereinigung,                                                       gen Aktivisten übernommen, die bereits
des neonazistischen „Aktionsbüro           Der Bundesverband setzte unter dem             Führungsaufgaben in den damaligen
Mittelrhein“, in Koblenz angeklagt war.    Vorsitz von Christian Worch bis 2017           Kameradschaften innehatten.

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In neuen Kleidern 4 - Auseinandersetzung mit der Partei "DIE RECHTE" - U-Turn Dortmund
Was versteht man unter
                       Raumkampf                                                                                      ?
Der moderne Rechtsextremismus lässt                ernstzunehmende Gruppe im Sozial-          Was ist ein „Nazi-Kiez“?
sich als „Raumordnungsbewegung”                    raum zu präsentieren.
                                                                                              Der Versuch der Rechtsextremen, durch
verstehen. Neonazis versuchen So-                2. Räumungsgewinne: Rechtsextreme           Raumkampf sogenannte „Nazi-Kie-
zialräume kulturell und politisch zu                 Gruppen versuchen, andere Grup-          ze“ oder „National befreite Zonen“ zu
dominieren, um über solche zunächst                  pen an bestimmten Orten zu ver-          schaffen, ist keine neue Strategie. Die
begrenzten Zonen erweiterten Einfluss                drängen - mit dem Ziel, die kulturelle   Neonazi-Zeitschrift „Vorderste Front“
auf Gesellschaft, Kultur (und langfristig            Hegemonie in begrenzten Räumen           (VF) schrieb 1991 in ihrer zweiten Aus-
auch Politik) zu nehmen. Sie bezeich-                zu bestimmten Zeiten zu erlangen.        gabe: „Schafft befreite Zonen“. Darin
nen solche vermeintlichen Freiräume
                                                 3. Raumgewinne: Rechtsextreme Grup-         fordern die Autor*innen die „Etablie-
selbst als „National befreite Zonen“
                                                     pen präsentieren sich öffentlich als     rung einer Gegenmacht“ zu staatlichen
oder moderner „Nazi-Kieze“.
                                                     lokale Wirkungsmacht. Bestimmte          Strukturen und einer vermeintlich „lin-
Dort arbeiten sie an der Schaffung                   Räume gelten als ihr Terrain. Ande-      ken“ Mainstream-Kultur.
kultureller Hegemonie in der Zivilge-                re Gruppen meiden diese Orte, po-        Darunter verstehen sie das Schaffen
sellschaft, mit dem langfristigen Ziel               tenzielle Opfer begreifen die Orte       von „Freiräumen, in denen WIR faktisch
der Beseitigung der Demokratie (zu-                  als Angstzonen, die nicht oder nur       die Macht ausüben, in denen WIR sank-
gunsten eines autoritären völkischen                 mit besonderer Vorsicht zu betreten      tionsfähig sind, d.h. WIR bestrafen Ab-
Systems). Kurzfristig gilt es, als Akteur            sind.                                    weichler und Feinde, WIR unterstützen
im Sozialraum wahrgenommen zu
                                                 4. Normalisierungsgewinne: Der Rechts­      Kampfgefährtinnen und -gefährten,
werden und Menschen durch die all-
                                                     extremismus ist etabliert und rechts-    WIR helfen unterdrückten, ausgegrenz-
tägliche Konfrontation mit rechtsext-
                                                     extreme Gruppen gelten als selbst-       ten und verfolgten Mitbürgern.”
remem Gedankengut und menschen-
verachtenden Ideologien an diese zu                  verständlich. Die Ausgrenzung            Erklärtes Ziel ist damit, Gebiete zu
gewöhnen und zu desensibilisieren.                   schwacher Gruppen wird allgemein         schaffen, in denen das staatliche Ge-
                                                     akzeptiert. Es findet vor Ort kaum       waltmonopol nicht mehr zum Tragen
Rechtsextremer Raumkampf ist also                    noch eine Problemwahrnehmung             kommt und Rechtsextreme allein das
vor allem ein Kampf um Normalität. Er                statt. Der Rechtsextremismus ist ein     Sagen haben. Andersdenkende und
lässt sich dabei in vier Stufen einteilen:           normaler Bestandteil der örtlichen       Politische Gegner*innen sollen ein-
1. Provokationsgewinne: Rechtsextre-                politischen Kultur und kann kaum         geschüchtert werden, um ihrem En-
    me Gruppen versuchen, sich über                  noch kritisch thematisiert werden.       gagement entgegen zu wirken. Ein
    erste öffentliche Auftritte und das              Die Akzeptanz der lokalen Bevölke-       aktuelleres internes Strategiepapier
    Markieren von Räumen durch Sym-                  rung dient als Legitimation weiterer     von Neonazis argumentiert für die
    bole, Plakate oder Sprühereien als               Aktivitäten.                             Notwendigkeit „deutscher Kieze“ nicht

Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“                                                                                    9
In neuen Kleidern 4 - Auseinandersetzung mit der Partei "DIE RECHTE" - U-Turn Dortmund
helfen, sie beim Einkauf unterstützen,    Kameradschaftsabenden, Vorträgen
                                              man kann Babysitter bei arbeitenden       und politischen Schulungen sind auch
                                              Ehepaaren oder alleinstehenden Müt-       gemeinsame Fahrten zu befreundeten
                                              tern spielen, man kann den Garten in      Organisationen im In- und Ausland Teil
                                              Ordnung bringen, die Straßen sauber       des „alternativen“ kulturellen Ange-
                                              und durch regelmäßige Nachtpatrouil-      bots.
                                              len sicher halten.”
                                                                                        Rechtsextreme versuchen außerdem
                                              Der Aufbau öffentlicher rechtsextre-      an - überwiegend kommunalen - Struk-
                                              mer Anlaufstellen ist ein weiterer Bau-   turen teilzuhaben und so einen Fuß in
                                              stein der Raumkampf-Strategie. So         die Tür der Stadt(teil)gemeinschaft zu
                                              gibt es in vielen Städten mit aktiven     bekommen. Solche Strukturen sind
nur mit dem Kampf gegen Staat und             Neonazi-Szenen mehr oder weniger          oft nicht darauf vorbereitet, einen Um-
politische Gegner*innen, sondern              erfolgreiche Versuche sogenannte          gang damit zu finden, wenn Neonazis
auch mit der angeblichen „Überfrem-           „Nationale Zentren“ aufzubauen. Auch      beispielsweise zu ihren Veranstaltun-
dung“ deutscher Großstädte. Viertel,          deswegen sind für Neonazis vergleichs-    gen auftauchen.
in denen „Deutsche” wohnen, seien             weise strukturschwache Stadtteile, in
generell „schön, friedlich und sauber”,                                                 Als beispielsweise Dortmunder Neo-
                                              denen mehr Möglichkeiten bestehen,
sogenannte „Multi-Kulti”-Viertel hin-                                                   nazis an Veranstaltungen und Aktio-
                                              Immobilien (günstig) anzumieten oder
gegen „riesige ghettoartige Moloche                                                     nen einer Stadteilinitiative teilnehmen
                                              sogar zu kaufen, besonders interessant.
[...] in denen sich Ausländer, Fremde,                                                  wollten, fühlten sich einige der Mitglie-
                                              Das Nationale Zentrum in der Rheini-
Kriminelle und verbrecherische Clans                                                    der dieser Initiative massiv bedroht,
                                              schen Straße in Dortmund wurde von
zusammenrotten.”                                                                        während andere in den Neonazis in
                                              der Stadt Dortmund erworben, um es
                                                                                        erster Linie engagierte Nachbar*in-
„Deutsche“ bräuchten eigene „Schutzzo-        anschließend zu räumen.
                                                                                        nen sahen, die zur Verbesserung der
nen“ um zu überleben. Um solche „Nati-        Eng verbunden mit dem Aufbau eige-        Lebensqualität im Stadtteil beitragen
onal befreite Zonen” zu schaffen, dürf-       ner Räumlichkeiten ist die Schaffung      wollten. Dadurch besteht die Gefahr
ten „Nationalisten“ nicht über das ganze      einer „alternativen“ (rechtsextremen)     einer Spaltung der örtlichen Zivilge-
Stadtgebiet zerstreut wohnen, sondern         Kulturszene. Konzerte sind nach wie       sellschaft, wovon die Rechtsextremen
sollten sich möglichst auf ein Wohnpro-       vor, nicht nur für die Rekrutierung       mit ihrem „Alternativangebot“ letztlich
jekt und einen Straßenzug konzentrie-         von Nachwuchs, sondern auch für           profitieren.
ren. Als Vorbild dienen explizit linke Pro-   die Finanzierung der Neonazi-Szene,
jekte, wie die Rigaer Straße in Berlin oder                                             Daher ist auch der gezielte Einsatz von
                                              von großer Bedeutung. In Dortmund
die Hafenstraße in Hamburg.                                                             Gewalt und Einschüchterung von Geg-
                                              fand beispielsweise Ende 2018 ein
                                                                                        ner*innen, bzw. Menschen, die sich
                                              Konzert des rechtsextremen Sängers
Wie gehen Rechtsextreme                       „Lunikoff“ in unmittelbarer Nähe der
                                                                                        demokratisch und für Menschenrechte
vor, um „Nazi-Kieze“ zu                                                                 und damit gegen Neonazis engagie-
                                              von Neonazis bewohnten Häuser in
                                                                                        ren, Teil der Strategie. Wer ein Problem
schaffen?                                     Dorstfeld statt. Neben den klassischen
                                                                                        mit Neonazis in der Nachbarschaft hat,
Als wichtiges Element des Vorgehens                                                     wird darüber nachdenken, ob ein Um-
von Rechtsextremen gilt die soge-                                                       zug nicht doch die einfachere Lösung
nannte „Kümmerer”-Strategie. Es soll                                                    ist, zumindest aber Angst haben, dies
der Anschein erweckt werden, sie seien                                                  öffentlich zu äußern. In Dortmund
die einzigen, die sich für das Wohl der                                                 wurde Ende 2018 ein „Aktivist“ wegen
Menschen vor Ort interessieren und                                                      zahlreicher Übergriffe und Einschüch-
einsetzen.                                                                              terungsversuche in seinem Stadtteil
                                                                                        festgenommen.
Neonazis setzen dabei nicht nur stark
auf Jugendarbeit, um ständig aktions-                                                   Durch Demonstrationen, Kundgebun-
orientieren Nachwuchs zu akquirie-                                                      gen, Gruppenbildungen u.a. sollen Prä-
ren, sondern haben auch gezielt ältere                                                  senzsituationen geschaffen werden.
Menschen im Visier. So wollen sie sich                                                  In der VF hieß es dazu: „Befreite Zo-
den Rückhalt der lokalen Bevölkerung                                                    nen sind sowohl Aufmarsch- als auch
im selbsternannten „Nazi-Kiez“ sichern.                                                 Rückzugsgebiete für die Nationalisten
Die VF schrieb dazu: „Alten Leuten kann                                                 Deutschlands”. So ist zum Beispiel auf-
man beim Ausfüllen von Formularen                                                       fällig, dass die Anzahl von Infoständen,

10                                                                                        Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“
Flyer- und Plakataktionen und kleine-
ren Kundgebungen aber auch größe-
ren Demonstrationen, die für bundes-
weites Medienecho gesorgt haben,
in einem Dortmunder Stadtteil in den
letzten beiden Jahren massiv zuge-
nommen haben.

Im Informationszeitalter ist nicht zu-
letzt der Aufbau einer „alternativen“
Medien- und Propagandakultur wich-
tiger Bestandteil der Strategie von
Neonazis. In Dortmund nutzen Neo-
nazi-Strukturen neben der eigenen
„Nachrichten“-Seite „Dortmundecho“,
auf der vor allem regionales Gesche-             „Nazi-Kieze“ in ­Dortmund?                  Die Neonazis haben es auch in ihrem
hen in das eigene Weltbild eingeord-                                                         bekanntesten „Nazi-Kiez“ nicht ge-
                                                 Die Dortmunder Neonazis selbst feiern
net wird, diverse Blogs, Twitter- und                                                        schafft, als Bestandteil eines Normalzu-
                                                 Dortmund-Dorstfeld als gelungenes
Facebookseiten, sowie Instagram.                                                             stands anerkannt zu werden. Dennoch
                                                 Beispiel für einen erfolgreich abge-
                                                                                             finden sich in Dorstfeld – vor allem
In internen Strategiepapieren beschrei-          schlossenen Raumkampf. Sie bezeich-
                                                                                             rund um die von Rechten bewohnten
ben Rechtsextreme ein mögliches Vor-             nen sich in ihrer eigenen Zeitschrift
                                                                                             Häusern - zahlreiche Beispiele für ei-
gehen selbst folgendermaßen:                     „N.S. Heute” als „Platzhirsche” im „Na-
                                                                                             nen intensiv geführten Raumkampf.
„Wie kann die Organisation solcher               zi-Kiez” Dorstfeld.
                                                                                             Im Straßenbild finden sich neben groß­
Kieze aussehen? Was kannst du ma-                Für linke Menschen sei Dorstfeld            formatigen Graffiti, zahlreiche Sticker
chen?                                            „feindliches Territorium”, das „nur un-     und Plakate.
■■ esmüssten nichtkommerzielle Be-               ter massivem Polizeischutz” betreten
                                                 werden könne. Die Rechtsextremen            Dazu gehört auch, dass Neonazis ver-
  gegnungsstätten gebildet werden.
                                                 betonen, das Einzigartige an Dorstfeld      suchen, alle zivilgesellschaftlichen
  Wir brauchen keine staatlich geför-
                                                 sei die „Präsenz der Nationalisten im       Veranstaltungen zu stören und Men-
  derten Kultur- und Sportvereine
                                                 ganz normalen Alltag”. „Morgens trifft      schen, die sich im Stadtteil engagie-
■■ Schaffung von Freizeitangeboten                                                           ren, zu bedrohen und einzuschüch-
                                                 man beim Bäcker auf Kameraden, zum
  für Menschen jeden Alters und auch                                                         tern. Politische Gegner*innen werden
                                                 Mittagessen sitzen sie im griechischen
  deren Unterstützung durch die Ge-                                                          beispielsweise durch Plakataktionen
                                                 Schnellrestaurant und am frühen
  meinschaft                                                                                 „geoutet“. Das Gedenken in Dorstfeld
                                                 Abend trifft man sich zum Feierabend-
■■ Kollektive
            schaffen um gegen Ver-               bier auf dem Wilhelmplatz.”                 an die Opfer der Pogromnacht vom
  treibung deutscher Anwohner, stei-                                                         9. November 1938 muss massiv durch
                                                 Sie versuchen damit klar zu sugge-
  gende Mieten und das Einnisten von                                                         die Polizei abgesichert werden, da es
                                                 rieren, sie hätten weitreichende Nor-
  Fremden vorgehen zu können                                                                 in den vergangenen Jahren immer
                                                 malisierungsgewinne erzielt und in
                                                                                             wieder zu Angriffen auf die Gedenk-
■■ gegenseitiges
               Unterstützen und Be-              Dorstfeld eine vollständige „Gegen-
                                                                                             veranstaltung kam.
  raten bei Behördengängen z.B. zu               macht” etabliert. In der Realität gibt es
  Themen wie Wohngeld                            jedoch vor Ort eine sehr aktive Zivil-      Regelmäßig werden von den Neonazis
■■ Austausch und Unterstützung in al-            gesellschaft, die sich gegen diese Dar-     sogenannte „Spontan“-Demonstrati-
  len Lebensfragen                               stellung und die Vereinnahmung ihres        onen als Gegenprotest angemeldet.
                                                 Stadtteils durch Rechtsextreme wehrt.       Als Ende 2018 ein wissenschaftlicher
■■ Der Vereinsamung, besonders von
  älteren Menschen aktiv entgegen-                                                           Vortrag zum Thema Antisemitismus
  wirken                                                                                     in Dorstfeld stattfand, organisierten
                                                                                             Neonazis Gegenprotest in Form ei-
■■ ein geschlossenes Auftreten, eine                                                         ner Mahnwache und diffamieren den
  gute Vernetzung und Kommunikati-                                                           Vortrag im „Dortmundecho“ als „linke
  on, sowie der soziale Umgang unter-                                                        Hetzveranstaltung“. Die Neonazis be-
  einander                                                                                   tonen darin, dass es wichtig sei, „solche
■■ dasBilden einer Bürgerwehr, Nach-                                                         Provokationen [in ihrem „Nazi-Kiez“]
  barschaftswache“                                                                           nicht unkommentiert zu lassen“.

Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“                                                                                    11
Ist Raumkampf
                                                                                       ­Männersache?
                                                                                       Die Frage nach geschlechtsspezifischen
                                                                                       wie -übergreifenden Aktionsformen im
                                                                                       Rechtsextremismus erfährt zunehmend
                                                                                       Beachtung: aus gutem Grund. Auch mit
                                                                                       Blick auf Dortmund kann beobachtet
                                                                                       werden, dass die geläufige Wahrneh-
In Dorstfeld lassen sich die oben ge-        mitischen Parolen und dem Einsatz von     mung des Rechtsextremismus als rein
nannten Strategien des rechtsextre-          Pyrotechnik für bundesweite Aufmerk-      maskulines Phänomen hinfällig ist. Viel-
men Raumkampfes klar erkennen. Das           samkeit sorgten. Damit schaffen sie ein   mehr muss von einer heterogenen Sze-
Erfolgsrezept ist laut „N.S. Heute“: „die    gewisses Bedrohungsszenario, indem        ne ausgegangen werden, in der auch
Kontinuität, die regelmäßige politische      sie die Anwohner*innen durch ihr mar-     Frauen und Mädchen eine (zentrale)
Arbeit und regelmäßige Treffen. Auch         tialisches Auftreten einschüchtern.       Rolle spielen können.
z.B. die Straßenkunst, die vor allem jün-
                                             Dass die Rechtsextremen ihren Raum-       Bilder von diversen Kundgebungen
gere Kameraden begeistert. Man muss
                                             kampf auch hier ernst nehmen, zeigt       im Stadtgebiet zeigen zuweilen junge
immer interessant sein für jüngere Leu-
                                             sich in persönlichen Anfeindungen,        Frauen in vordergründigen Positio-
te und die Jugendkultur fördern.“
                                             Bedrohungen und Übergriffen gegen         nen - etwa als Fahnenträgerinnen. Die
Nach vermeintlichen Normalisierungs-         Personen, die nicht in das rechtsext-     an diversen Schulen im Dortmunder
erfolgen in Dorstfeld haben die Neona-       reme Weltbild passen. So gab es auch      Westen ausgeteilte Jugendzeitschrift
zis ihren Fokus mittlerweile auf weitere     hier verbale und körperliche Angrif-      „Heute Jung“ der Partei „die Rechte“
Stadtteile gelegt. Dabei ist vor allem       fe auf „Politische Gegner*innen“ (z.B.    beinhaltet ein Interview mit einer jun-
der Dortmunder Westen ein erklärtes          Personen, die sich im Stadtteil enga-     gen Frau. Diese berichtet u.a. von ih-
Ziel der Raumordnungsbewegung.               gieren oder sogenannten „etablierten“     ren Plänen, einen regelmäßigen Frau-
Hier finden sich in einigen Stadtteilen      Parteien angehören und vermeintlich       en-Abend im Dortmunder Westen zu
Beispiele des Raumkampfes, die das           „weltoffene“ Fußballfans). Erneut für     organisieren, um zu zeigen, dass Politik
Straßenbild Dorstfelds längst in den         bundesweite Schlagzeilen sorgten im       nicht nur Männersache sei.
Schatten stellen.                            Juni 2018 die mehrfachen Angriffe auf     Hinsichtlich beider Beispiele kann
Dabei ging es in den letzten Jahren          eine Person, die aus ihrer Warte dem      deutlich gemacht werden, dass die
hauptsächlich um Provokationsge-             jüdischen Glauben zugerechnet wird.       Kategorie Geschlecht im Umgang mit
winne durch massiven Einsatz von                                                       Rechtsextremismus       berücksichtigt
Stickern, Plakaten und Schmierereien.        Insgesamt lässt sich erkennen, dass       werden sollte. So etwa um harmlos
Zudem lassen sich einige aufwendige-         die Zahl der Aktionen durch Rechtsex-     wirkende Rechtsextremistinnen auch
re Graffiti im betreffenden Stadtteil fin-   treme in diesem Stadtteil seit 2017 im    als solche erkennen zu können oder
den. Seitens der Stadt werden Sticker        Vergleich zu den Vorjahren stark zuge-    um etwaigen Einstiege in und Rekru-
und Graffiti in regelmäßigen Abstän-         nommen hat. Auf ihrem Internet-Zen-       tierungsstrategien durch die rechtsext-
den aus dem Straßenbild entfernt. Be-        tralorgan schreiben die Neonazis Ende     reme Szene zu durchschauen und dem
finden diese sich allerdings auf Privat-     2017 „Kampfjahr mit Infostand in Dort-    entgegenwirken zu können wie z.B. das
eigentum, ist dies nicht immer einfach       mund-Germania abgerundet – unser          von ihnen versprochene Schutzgebot
und mit langwierigen bürokratischen          Resümee für 2017“ und betonen er-         gegenüber Frauen vor der vermeint-
Prozessen verbunden.                         neut die Wichtigkeit des Stadtteils für   lich omnipräsenten Gefahr von Über-
                                             ihre Strategie.                           griffen durch „Fremde“ (s. auch Kapitel
Gleichzeitig hat die Anzahl der Info-
                                                                                       zu Nordstadt).
stände, kleineren Kundgebungen und           In ihrer u.a. vor Schulen verteilten
Aktionen, wie z.B. Flyer-Verteilen durch     Jugendzeitschrift „Heute Jung“ (HJ)
rechtsextreme Parteien und Strukturen        schreiben sie: „Unsere Aktionen sind
stark zugenommen. Aber auch als Auf-         kleine Nadelstiche und der Kreativität
marschgebiet für größere Demonstrati-        sind nur selten Grenzen gesetzt. Ob
onen wird der Dortmunder Westen ge-          mit Aufklebern oder Flugblättern, ob
nutzt. Dazu zählen der Aufmarsch zum         mit Plakaten oder dem Banner an der
1. Mai 2017, sowie eine Demonstration        nächsten Autobahnbrücke - sogar in
gegen „Polizeiwillkür“ im September          der Graffitikunst stößt der Widerstand
2018, bei der die Neonazis mit antise-       zunehmend auf Zuspruch.”

12                                                                                       Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“
„Von der Südtribüne in den Stadtrat“:
Das 25-Punkte-Programm (2014)
Anders als bei der Europawahl lief es
bei der Kommunalwahl besser: Im No-
vember 2013 veröffentlichte die Par-
tei „DIE RECHTE“ ein lokalpolitisches
Programm: „25 Forderungen zur Dort-
munder Kommunalwahl 2014“. Man
muss auch in diesem Zusammenhang
die Zahl der „Forderungen“ nicht für
zufällig halten. Wie bei der Demonstra-
tion am 31. August 2013 dürfte es sich
um eine Anspielung auf das 25-Punk-
te-Programm der NSDAP handeln.
Dabei war man raffiniert genug, rassis­
tische, antidemokratische, geschichts-­
revisionistische und bloß populistische
Parolen mit tatsächlichen oder ver-              zur Wahl so an: „Die Partei hat für Dort-   gekürt: Siegfried Borchardt. Die Gali-
meintlichen kommunalen Problemla-                mund 25 kommunale Forderungen               onsfigur der rechtsextremen Szene zog
gen zu verknüpfen. Die „Forderungen“             aufgestellt. Wir haben uns zum Ziel         für die Partei - begleitet von internati-
offenbarten den neonazistischen Kern             gesetzt, mit unseren Leitlinien, den 25     onalem Medieninteresse - auch in den
von „DIE RECHTE“ häufig erst auf den             kommunalpolitischen Forderungen,            Rat sowie die Bezirksvertretung der
zweiten Blick, da einige Standardparo-           den katastrophalen Zuständen, die           Nordstadt ein.
len – wie etwa das bei Demos skandier-           jahrzehntelange SPD-Herrschaft über
                                                                                             Zweiter auf der Reserveliste war Den-
te Bekenntnis zur deutschen „Rasse“              Dortmund gebracht hat, aktiv entge-
                                                                                             nis Giemsch, der unumstrittene Kopf
oder zum „Straßenkampf“ – sich in den            genzutreten!“
                                                                                             und Anführer des NWDO, Organisator,
„Forderungen“ so offen nicht wieder
                                                 Personell ist die Kontinuität zwischen      Leiter und Redner zahlreicher Demons-
fanden. Bei der Forderung „Ausländer
                                                 dem „Nationalen Widerstand Dort-            trationen. Giemsch sorgte auch für eine
raus“ hatte sich dies erst seit dem 1. Mai
                                                 mund“ und dem DR-Kreisverband               enge Vernetzung von Gruppen „Auto-
2014 geändert.
                                                 nicht zu übersehen. Bereits im Septem-      nomer Nationalisten“ im Internet. Nach
Selbst kündigte „DIE RECHTE“ ihr Pro-            ber 2013 wurde in einer Mitglieder-         nur zwei Sitzungen beerbte Giemsch
gramm im Vorwort ihrer Internetseite             versammlung der „Spitzenkandidat“           Borchardt als Ratsmitglied.

Listenplatz 1                                    Listenplatz 2                               Listenplatz 3
Siegfried Borchardt                              Dennis Giemsch                              Michael Brück

Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“                                                                                    13
Frauen) gefunden. Außerdem wollte
                                                                                      die Partei mit einer elfköpfigen Reser-
                                                                                      veliste (nur Männer) und bei der Wahl
                                                                                      der Bezirksvertretungen in Scharn-
                                                                                      horst, Eving, Huckarde, Lütgendort-
                                                                                      mund, Mengede, Innenstadt-West mit
                                                                                      jeweils zwei und in der Nordstadt sogar
                                                                                      mit drei Listenkandidaten (ebenfalls
                                                                                      nur Männer) antreten.

                                                                                      Die Schwerpunkte waren bereits im
                                                                                      Forderungskatalog der Partei „DIE
                                                                                      RECHTE“ zur Kommunalwahl ersicht-
                                                                                      lich. Eindeutig im Mittelpunkt steht da-
                                                                                      bei der Themenbereich Zuwanderung,
                                                                                      insbesondere vor dem Hintergrund der
                                                                                      Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb
                                                                                      der Europäischen Union. Dies hatten
                                                                                      sie bereits mit als sogenannte „Mahn-
                                                                                      wachen“ bezeichneten Infoständen –
Michael Brück stand auf Platz 3 der        war 2017 kommissarischer Bundesvor-        unter anderem vor der Arbeitsagentur
Liste. Er tritt als Redner und Anmelder    sitzender der Partei.                      – und bei ihrem Aufmarsch am Tag der
von Veranstaltungen auf und leitet                                                    Arbeit 2014 deutlich gemacht.
den „Antisem.it“-Versand und ist mitt-     Daniel Grebe, Platz 5 auf der Liste,
lerweile einer der führenden Köpfe         hat sich wie Brück erst in den letzten     Wo immer sich die Möglichkeit bot und
der Partei. 2018 wurde er mit Sascha       Jahren in der lokalen Szene in den         bietet, spielt sich „DIE RECHTE“ zudem
Krolzig Co-Bundesvorsitzender der          Vordergrund gespielt. Bei lokalen und      als Fürsprecher „deutscher“ Familien
Partei. Heute ist der Vize-Vorsitzender    regionalen Veranstaltungen trat er bis     und insbesondere „deutscher“ Kinder
und Bundesgeschäftsführer der Partei.      zu seiner 22-monatigen Haftstrafe - er     auf. Fortgesetzt wurden und werden
Nach dem Rückzug von Giemsch sitzt         hatte am Abend der Kommunalwahl            die Aktionen gegen demokratisch ge-
Brück seit drei Jahren im Rat der Stadt    im Mai 2014 einem Ratsvertreter der Pi-    sonnene BürgerInnen, PolitikerInnen
Dortmund.                                  ratenpartei eine Bierfalsche ins Gesicht   und Parteien. Nicht unterschätzt wer-
                                           geworfen - als Redner auf. Wegen der       den dürfen schließlich – insbesonde-
Christoph Drewer, der Vierte auf der
                                           Haftstrafe legte er auch sein Mandat als   re in einer Stadt wie Dortmund – die
Liste der Kandidaten, gehörte eben-
                                           Bezirksvertreter in Scharnhorst nieder.    Versuche, sich des Themas Fußball zu
falls zur Führungsriege des „Nationalen
                                                                                      bemächtigen. Die Kandidaten woll-
Widerstands“. Bei Demos tritt er als Or-   Die Partei hatte Kandidaten für alle 40
                                                                                      ten bei den meisten Themen im Wahl-
ganisator, Redner und Ordner auf und       Stadtrats-Wahlbezirke (36 Männer, vier
                                                                                      programm offenbar bewusst abstrakt
                                                                                      bleiben, um sich bei den vielen inhaltli-
                                                                                      chen Fragen keine Blöße zu geben.

                                                                                      Deutlich wird das bei den Forderungen:
                                                                                      Das Programm ist dünn. Es bestand
                                                                                      über Monate nur aus Schlagworten
                                                                                      und populistischen Parolen. Konkrete
                                                                                      Lösungsvorschläge für benannte Pro-
                                                                                      bleme – oder gar Finanzierungsvor-
                                                                                      schläge – wurden, wenn überhaupt,
                                                                                      erst nach und nach genannt. Wie sol-
                                                                                      che Forderungen umgesetzt werden
                                                                                      können, ob sie verfassungsrechtlich
                                                                                      oder kommunal überhaupt realisierbar
                                                                                      sind oder welche Auswirkungen sie im
                                                                                      Detail hätten, darüber sollten sich an-
                                                                                      scheinend andere Gedanken machen.

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Viel Aufsehen und Lärm – aber kein
Wahlerfolg für „DIE RECHTE“ und die
anderen Parteien „Rechtsaußen“
Bei den Kommunalwahlen in Nord-
rhein-Westfalen im Mai 2014 konnten
die rechtsextremistischen Parteien bis
auf die NPD geringfügig hinzugewin-
nen. Thematisch konzentrieren sich
alle rechtsextremistischen Parteien
auf die Diffamierung von Muslimen,
Asylbewerbern sowie Sinti und Roma.
Rechtsextremisten beteiligten sich an
den HoGeSa- und PEGIDA-Veranstal-
tungen in Nordrhein-Westfalen und
steuern diese sogar zum Teil.
                                                 schwankt. Dabei ist die NPD auf die       vertretungen verbesserte, blieben die
Die anhaltende Führungskrise der NPD             Unterstützung der Neonazis gerade         Ergebnisse bei den Wahlen weit hinter
und der damit verbundene Richtungs-              bei Wahlkämpfen zwingend angewie-         den eigenen Ansprüchen zurück. Auch
streit lähmten die Partei weitgehend.            sen. Zudem nimmt die Konkurrenz           die anhaltenden internen, überwie-
Zudem verunsicherte das schwebende               im rechtsextremistischen Parteienla-      gend persönlichen Konflikte lähmen
Parteiverbotsverfahren Teile der Par-            ger in Nordrhein-Westfalen zu, was        die Partei.
tei. 2014 verzeichnete die NPD eine              die ­Erringung von Mandaten und die
weitere Stagnation bei der Mitgliede-                                                      Zahlreiche Parteiaustritte und die man-
                                                 Überwindung der jeweiligen Hürden
rentwicklung. Bei den aktiven Kreisver-                                                    gelnde Mobilisierbarkeit der eigenen
                                                 für die staatliche Parteienfinanzierung
bänden ist die Zahl weiter rückläufig.                                                     Anhänger hemmen die Handlungsfä-
                                                 erschwert.
Während die NPD vor rund fünf Jahren                                                       higkeit. Alle diese Gründe haben dazu
über fast 30 Kreisverbände verfügte,             Die Pro-Bewegung setzte ihre diffamie-    beigetragen, dass der langjährige
sind es aktuell weniger als 20.                  renden Kampagnen gegen Minderhei-         Versuch der Bildung einer Allianz von
                                                 ten im Kommunal- und Europawahl-          ideologisch ähnlichen Organisationen
Hinzu kommt das ambivalente Ver-                 kampf fort. Obschon Pro NRW sich bei      auf Bundesebene unter der Führung
hältnis zur Neonazi-Szene, welches               den Kommunalwahlen 2014 von 45 auf        von Pro NRW gescheitert ist.
zwischen Kooperation und Konflikt                65 Mandate in den Räten und Bezirks-
                                                                                           Der Landesverband Nordrhein-Westfa-
                                                                                           len der Partei „DIE RECHTE“ dominiert
                                                                                           innerhalb der Gesamtpartei inhaltlich,
                                                                                           personell und durch seine Vielzahl an
                                                                                           Aktivitäten. Seine aktiven Kreisverbän-
                                                                                           de stellten sowohl in ideologischer und
                                                                                           personeller Hinsicht als auch bezüg-
                                                                                           lich seiner Aktivitäten eine Weiterfüh-
                                                                                           rung der verbotenen Kameradschaf-
                                                                                           ten dar, betont der Verfassungsschutz
                                                                                           NRW. Dies gelte insbesondere für den
                                                                                           hoch-aktiven Dortmunder Kreisver-
                                                                                           band, der sich im Laufe des Jahres 2014
                                                                                           stetig aggressiver zeigte. Dies äußerte
                                                                                           sich in Einschüchterungsversuchen
Listenplatz 4                                    Listenplatz 5
                                                                                           von Bürgern, Journalisten, Beamten
Christoph Drewer                                 Daniel Grebe
                                                                                           und Politikern.

Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“                                                                                15
Grafik/copyright: LOTTA – antifaschistische Zeitung aus NRW, Rheinland-Pfalz und Hessen

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Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“
Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“   17
Der Wahlabend und der
„Rathaussturm“
Die pseudo-demokratische Maske ist       Nicht, weil sie demokratisch gewählten       NSDAP während der Weimarer Repu-
gefallen – am 25. Mai 2014 zeigten       Volksvertretern den Zutritt verwehren        blik und spielte bis 1934 als Ordner-
die Neonazis in Dortmund wieder ihr      wollten, sondern aus echter Sorge. Der       truppe eine entscheidende Rolle beim
wahres Gesicht: Die Dortmunder Füh-      martialische Aufmarsch beängstigte           Aufstieg der Nationalsozialisten, indem
rungsspitze der Partei „DIE RECHTE“      nicht nur viele Demokraten, sondern          sie deren Versammlungen vor Grup-
versuchte am späten Wahlabend, unter     vor allem viele Migranten, die unter         pen politischer Gegner mit Gewalt ab-
Führung ihres Spitzenkandidaten Sieg-    anderem auf Einladung des Integra­           schirmte bzw. gegnerische Veranstal-
fried Borchardt und des gesamten frü-    tionsrates den Abend im Rathaus ver-         tungen massiv behinderte.
heren Führungskaders des verbotenen      brachten. Viele von ihnen flohen in die
Nationalen Widerstands Dortmund, ins     oberen Etagen des Rathauses.                 Die erste Ordnertruppe der NSDAP
Rathaus zu gelangen.                                                                  wurde im Januar 1920 als Saalschutz
                                         Einige Migranten – vor allem Man-            zunehmend in Saalschlachten einge-
Sie kamen allerdings nicht wie die an-   datsträger – reihten sich aber vor dem       setzt. Aus diesem Saalschutz entwi-
deren Rathausbesucher, sondern mar-      Rathaus in die Menschenkette ein, um         ckelte sich über mehrere Schritte die
schierten in geschlossener Formation,    die gewaltbereiten und gewalttätigen         spätere Sturmabteilung (kurz SA) als
uniformiert in gelben Hemden, vor        Neonazis am Eindringen zu hindern.           reine Schlägertruppe für provozierte
das Rathaus. Zuvor hatte Borchardt bei   Sie wurden beschimpft und auch kör-          Zusammenstöße mit linksgerichteten
Facebook ein Foto gepostet, dass man     perlich attackiert.                          Parteien (vor allem der KPD), die viel-
„mit einem Schlag ins Rathaus“ einzie-   Das passt zum Selbstverständnis von          fach in brutale Straßenkämpfe ausar-
hen wolle.                               Siegfried Borchardt: Der Neonazi, der        teten.
                                         in den Medien immer den Spitznamen
Das mit den Schlägen konnte man                                                       Die Attacke der Neonazis am Wahla-
                                         „SS-Siggi“ trägt, betonte nach seiner
durchaus wörtlich verstehen: Mit Fla-                                                 bend war ein Angriff auf die Stadtge-
                                         Wahl in Interviews, dass er sich ja selbst
schen und Pfefferspray gingen die Kan-                                                sellschaft – und die zeigte sehr deutlich
                                         lieber „SA-Siggi“ nennen würde – dies
didaten für Rat und Bezirksvertretun-                                                 Zivilcourage.     Fraktionsübergreifend
                                         passe einfach besser zu ihm.
gen auf die Demokraten los, die sich                                                  stellten sich die Politiker, Bürger und
ihnen mit Banner und Trillerpfeifen in   Die Sturmabteilung (SA) war die pa-          Antifaschisten dem Nazimob entge-
den Weg stellten.                        ramilitärische Kampforganisation der         gen. Dabei trugen einige Demokraten

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Verletzungen davon, die von Sanitä-
tern behandelt werden mussten. Trotz
Flaschenwürfen und Reizgas-Attacken
gelang es den Neonazis nicht, das Rat-
haus zu betreten. Insofern setzte die
Stadtgesellschaft ein wehrhaftes Zei-
chen.

Vor Ort zeigte sich nur der Spitzenkan-
didat der Partei „DIE RECHTE“ relativ
gelassen. Er drehte sich Zigaretten,
während seine zumeist deutlich jünge-            Grebe, Bezirksvertreter der Partei „Die     die Verletzungsabsicht – abgestritten,
ren Mitstreiter in Auseinandersetzun-            Rechte“ in der BV Scharnhorst, musste       als auch, dass es seine Flasche ge-
gen gingen oder erfolglos versuchten,            wegen eines Flaschenwurfs, mit dem er       wesen sei, die Gebel getroffen habe.
ein Banner der Grünen auf dem Frie-              einen Ratsvertreter der Piraten im Ge-      Allerdings folgte das Gericht dieser
densplatz zu verbrennen.                         sicht verletzte, sogar in Haft. Das Land-   Einlassung nicht. Auch habe es trotz
                                                 gericht Dortmund bestätigte im März         der aufgeladenen Situation in diesem
Die Neonazis skandierten mehrfach
                                                 2016 das Urteil des Amtsgerichtes.          Moment keine Notwehrsituation gege-
„Ausländer raus“ und andere volks-
                                                 Dieses hatte im Herbst 2015 eine Ge-        ben.
verhetzende Parolen. Dann stimmten
                                                 samtstrafe von 22 Monaten Haft ohne
sie sogar unter den Augen und Ohren                                                          Daher bekam er eine Freiheitsstrafe
                                                 Bewährung gebildet.
der Anwesenden die erste Strophe des                                                         von einem Jahr, die mit einer früheren
Deutschlandliedes an.                            Dagegen hatten sowohl Grebe als auch        zur Bewährung ausgesetzten Verurtei-
                                                 die Staatsanwaltschaft Berufung einge-      lung des Amtsgerichts Dresden zu ei-
Selbst der polizeiliche Staatsschutz
                                                 legt. Während der Neonazi einen Frei-       ner Gesamtstrafe von einem Jahr und
war von der gezeigten Aggressivität
                                                 spruch forderte, forderte der Staats-       vier Monaten ohne Bewährung gebün-
der Neonazis überrascht. Denn die
                                                 anwalt sogar 28 Monate Haft. Dem            delt wurde. Hinzu kamen noch sechs
Aktivisten von „DIE RECHTE“ hatten in
                                                 26-jährigen Jura-Studenten wurden           Monate Haft ohne Bewährung für ei-
den vergangenen Monaten peinlich
                                                 gleich mehrere Taten vorgeworfen. Am        nen Böllerwurf gegen Polizeibeamte
genau darauf geachtet, möglichst kei-
                                                 schwerwiegendsten war hierbei eine          in der Silvesternacht 2014/15 auf dem
ne Straftaten zu begehen, um dem Ruf
                                                 Auseinandersetzung am Wahlabend             Wilhelmplatz in Dorstfeld. So musste er
der Partei nicht zu schaden. „Sie sind
                                                 vor dem Dortmunder Rathaus. Hier sah        eine 22-monatige Haftstrafe antreten –
noch nicht mal bei Rot über die Stra-
                                                 es das Gericht als zweifelsfrei erwiesen    seit Herbst 2018 ist er wieder auf freiem
ße gegangen“, spotteten Kenner der
                                                 an, dass Grebe dem neu gewählten            Fuß.
Szene vor dem 1. Mai. Diese Maske ist
                                                 Ratsmitglied der Piraten, Christian Ge-
nun endgültig gefallen. Der aufgestau-                                                       Sein Nachfolger in der Bezirksvertre-
                                                 bel, aus nächster Nähe und „mit voller
te Druck der Neonazis entlud sich nun                                                        tung Scharnhorst wurde ebenfalls
                                                 Wucht“ im „Stil eines Handballers“ die
auf dem Friedensplatz – der an die-                                                          wegen mehrerer Delikte angeklagt:
                                                 Flasche ins Gesicht geworfen hat.
sem Abend seinem Namen keine Ehre                                                            Neonazi André Penczek hatte u.a.
machte.                                          Gebel erlitt dabei eine Rissquetschwun-     am Wahlabend als auch bei einer Bür-
                                                 de am Auge. „Es war ein glücklicher         gerversammlung in Eving Journalisten
Sieben Verfahren                                 Zufall, dass nicht noch weit schwer-        und Polizisten attackiert und dafür
gegen Neonazis                                   wiegendere Verletzungen eingetreten         unterschiedliche Strafen eingefahren.
Es gab Ermittlungsverfahren gegen 23             sind“, machte die Staatsanwaltschaft        Zudem hatte der damals Arbeitslose
Neonazis, die anschließend in sieben             deutlich. Dies wäre dann eine schwe-        wegen Widerstandes gegen Vollstre-
Verfahren mündeten. Neonazi Daniel               re Körperverletzung gewesen. Es habe        ckungsbeamte in der Nordstadt eine
                                                 ein ganz enormes Verletzungsrisiko          erneute Geldstrafe von 60 Tagessätzen
                                                 bestanden, indem er Gebel die Flasche       kassiert.
                                                 mit voller Wucht ins Gesicht warf. Da-
                                                                                             Neonazi-Kader Dietrich S., der am
                                                 her stelle dies eine gefährliche Körper-
                                                                                             Wahlabend vor dem Rathaus mit ei-
                                                 verletzung dar und er fordere daher
                                                                                             nem Faustschlag die damalige grüne
                                                 eine ganz erhebliche Freiheitsstrafe.
                                                                                             Landtagsabgeordnete Daniela Schne-
                                                 Grebe selbst hatte bereits vor dem          ckenburger niedergestreckt hatte, ak-
                                                 Amtsgericht den Flaschenwurf einge-         zeptierte nach einigem Hin und Her
                                                 räumt, aber sowohl den Vorsatz – also       einen Strafbefehl wegen vorsätzlicher

Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“                                                                                    19
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