In neuen Kleidern 4 - Auseinandersetzung mit der Partei "DIE RECHTE" - U-Turn Dortmund
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Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“ a l i s i e rte Akt u . A u fl a ge 4 ALTER HASS in neuen Kleidern
BackUp - ComeBack Westfälischer Verein für die offensive Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus e.V. Dieser zivilgesellschaftliche Verein Dem Verein ist es wichtig, durch die wurde im Juni 2013 in Hamm ge- Unterstützung der Opfer rechts gründet. Zu den Gründungsmitglie- extremer Gewalt, die Hilfeangebote dern zählen viele prominente Per- für Ausstiegswillige aus der rechts sonen aus den unterschiedlichsten extremen Szene sowie eine aufklä- Institutionen und Organisationen im rende Öffentlichkeitsarbeit zusam- westfälischen Landesteil von NRW. men mit vielen anderen Partnern Der Verein hat im Januar 2014 offi- in dem landesweiten Netzwerk den ziell die Trägerschaft für die beiden Rechtsextremismus mit seiner men- Beratungs-Einrichtungen BackUp schenverachtenden und gewalttä- und ComeBack übernommen, die tigen Ideologie, die unmittelbar an bis dahin dankenswerterweise vom den historischen Nationalsozialis- Paritätischen Wohlfahrtsverband in mus anknüpft, zurückzudrängen Dortmund geleistet wurde. und die demokratische Kultur zu Der in der Mitte der Gesellschaft stärken. angesiedelte gemeinnützige Verein finanziert die beiden getrennten Be- BackUp-ComeBack…e.V. ratungseinrichtungen sowie weitere Hartmut Anders-Hoepgen (Vors.) mögliche Arbeitsmodule der offen- Tel.: 0172 309 47 46 siven Auseinandersetzung mit dem E-Mail: info@backup-comeback.de Rechtsextremismus über Fördermit- tel des Landes NRW, der Stadt Dort- mund sowie über Sponsoren- und Spendengelder von Institutionen und Privatpersonen. Der Verein ist daher auch sehr daran interessiert, den Kreis seiner Mitglieder und För- dermitglieder kontinuierlich zu er- weitern, um der gesamten Arbeit eine breite Basis und Verankerung in der Gesellschaft zu geben. IMPRESSUM/ V.i.S.d.P.: BackUp – ComeBack Westfälischer Verein für die offensive Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus e.V. Vorsitzender: Hartmut Anders-Hoepgen Stefanstraße 2, 44135 Dortmund Wir bedanken uns bei der Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie für die Unterstützung bei der Erstellung dieser Broschüre. 2 Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“
„Alter Hass in neuen Kleidern“ Vorwort zu Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“ 4. aktualisierte und erweiterte Ausgabe - Stand 12/2018 Als Träger des Modellprojekts Co- Mit dieser Broschüre in der vierten über Sponsoren- und Spendengelder Ba-Yana vereint der zivilgesellschaft- Auflage - abermals aktualisiert und von Institutionen und Privatpersonen. liche Verein BackUp - ComeBack viele erweitert - möchten wir in diesem Der Verein ist daher auch daran inte- prominente Personen aus den un- Sinne Informationen über die Partei ressiert, den Kreis seiner Mitglieder terschiedlichsten Institutionen und „DIE RECHTE“ zur Verfügung stellen, und Fördermitglieder kontinuierlich Organisationen in Westfalen, die sich deren Politik aus unserer Sicht nicht zu erweitern, um der Arbeit von Co- ehrenamtlich gegen den Rechtsext- von der Ideologie der rechtsextre- Ba-Yana und dem Engagement des remismus engagieren. men Gewalttäter getrennt betrachtet Vereins eine breite Basis und Veranke- werden kann. Da nur eine gut infor- rung in der Gesellschaft zu geben. Die Etablierung einer Ausstiegsbe- mierte Zivilgesellschaft in der Lage Dem Verein ist es wichtig, durch die ratung und Einstiegsprävention in ist, sich der Problemlage in Dort- Hilfsangebote für gefährdete junge Dortmund besitzt für den Verein ei- mund zu stellen, möchten wir hiermit Menschen und Ausstiegswillige aus nen hohen Stellenwert, geht es uns einen Beitrag für eine aktive Ausein- der rechtsextremen Szene sowie ei- doch auch darum zu verhindern, andersetzung mit dem Rechtsextre- ner Öffentlichkeitsarbeit zusammen dass die Stadtgesellschaft von einer mismus leisten. mit vielen anderen Partnern in den steigenden Zahl potentieller rechts- landes- und bundesweiten Netz- extremer Gewalttäter bedroht wird. Der in der Mitte der Gesellschaft an- werken den Rechtsextremismus mit gesiedelte Verein finanziert die Bera- seiner menschenverachtenden und Die Stadt Dortmund wurde in den tungseinrichtung CoBa - Yana als Teil gewalttätigen Ideologie, die unmit- letzten Jahrzehnten wiederholt mit seines Engagements im Sinne einer telbar an den historischen National- rechtsextremen Gewalttaten kon- offensiven Auseinandersetzung mit sozialismus anknüpft, zurückzudrän- frontiert, die zum Teil bis hin zum dem Rechtsextremismus zum einen gen und die demokratische Kultur zu Mord führten. In diesem Sinne ist über Fördermittel des Bundespro- stärken. für uns die erfolgreiche Einstiegsprä- gramms „Demokratie Leben!“ des vention zugleich Teil des Schutzes Bundesministeriums für Familie, Se- Hartmut Anders-Hoepgen prospektiver Opfer rechtsextremen nioren, Frauen und Jugend und der (Vorsitzender BackUp-ComeBack e.V.) Terrors. Stadt Dortmund und zum anderen E-Mail: info@backup-comeback.de Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“ 3
Themenübersicht Vom „Nationalen Widerstand“ zur Partei „DIE RECHTE“ 5 „Die Bewegung braucht keine Parteien“ 6 Was versteht man unter Raumkampf? 9 „Von der Südtribüne in den Stadtrat“ (2014) 13 Viel Lärm, aber kein Wahlerfolg für „Rechtsaußen“ 15 Der Wahlabend und der „Rathaussturm“ 18 Geldquelle „Ratsgruppe“ 22 Ehemaliger AfD-Sprecher läuft zu Neonazis über 25 25-Punkte-Programm zur Europawahl (2019) 26 Überfremdungsnarrative – Angsträume und Nordstadt 28 Die Rolle von Fußball und Kampfsport 34 Antisemitismus und „Israel-Kritik“ 37 Die Holocaust-Leugnerin und „Die Rechte“ 39 Kirchturmbesetzung – alles nur geklaut? 42 Die Medienstrategie der Neonazis 43 4 Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“
Vom „Nationalen Widerstand Dortmund“ zur Partei „DIE RECHTE“ Rund 400 überwiegend junge Leute Journalisten werden bedroht. Einer der Bekenntnis zum Nationalsozialismus. ziehen an einem Samstag im August Redner hat sich mit einer Sturmhau- Über Jahre hatte sich Dortmunds Neo- 2013 durch Dortmunder Straßen. Eine be maskiert. Ein anderer verlangt von naziszene zur größten und aktivsten „Wahlkampfdemonstration“ soll der seinen Zuhörern militärische Disziplin im Westen der Republik entwickelt. Für Aufzug drei Wochen vor der Bundes- wie im Krieg: Man müsse, ruft er, bereit manche extrem rechte Gruppen an- tagswahl sein. sein, auch sein Leben zu geben. dernorts war sie Vorbild, insbesondere für Neonazis aus dem Spektrum der Mit Sympathiewerbung oder einer ge- „Wir wollen ein freies deutsches Reich“, „Autonomen Nationalisten“. Wichtigste fälligen Außendarstellung, wie man es donnert ein dritter Redner ins Mikro Gruppierung in der Ruhrgebietsstadt von einer Partei so kurz vor einer Wahl und wettert gegen die „Bande in den war der Nationale Widerstand Dort- vermuten könnte, hat die Veranstal- Parlamenten“, die „der Furor Teutoni- mund (NWDO). tung freilich wenig zu tun. „Alles für cus irgendwann hinwegfegen“ werde. Volk, Rasse und Nation!“, grölen die in Die Demonstration zieht weiter. „Macht Im August 2012 verbot das NRW-In- den ersten Reihen. „Wir sind weiß, ihr den Linken richtig Dampf: Straßen- nenministerium den NWDO. Auf mehr seid rot – für die Rasse in den Tod!“ und kampf, Straßenkampf!“ wird skandiert als 60 Seiten zeichneten die Juristen „Nationaler Sozialismus jetzt!“ Einige – und das Bekenntnis zur NSDAP gleich des Ministeriums in ihrer Verbotsver- Teilnehmer suchen die direkte Kon- per Fronttransparent vorneweg getra- fügung das Bild der Neonazi-Truppe frontation mit Gegendemonstranten; gen: „25 Punkte gegen eure Verbote!“ nach: Auf der Basis des Nationalsozi- ist dort in Anspielung auf das „25-Punk- alismus und in Anlehnung an die SA te-Programm“ der NSDAP zu lesen. habe sich eine Vereinigung gebildet, deren Mitglieder Gewalt nicht nur „DIE RECHTE“ demonstriert an diesem rechtfertigen, sondern die teilweise Tag in Dortmund. Sie hat in NRW die selbst gewalttätig würden. Nachfolge verbotener Neonazi-„Kame- radschaften“ angetreten. Unter dem Sie kamen anschließend bei der Partei Label einer Partei machen Dortmunds „DIE RECHTE“ unter, die von führenden Neonazis weiter, als wäre nichts ge- Aktivisten des Nationalen Widerstan- wesen. Ungebrochen scheint auch ihr des gegründet wurde. Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“ 5
„Die Bewegung braucht keine Parteien“ – und doch gründeten sie „DIE RECHTE“ Ziel des Landesverbandes ist es, die bisherigen neonazistischen Aktivitäten nunmehr im Schutz des sogenannten Parteienprivilegs zu betreiben und neo- nazistische Propaganda zu verbreiten. Die Strategie, mit Provokation Öffent- lichkeit zu erreichen, wird von anderen Landesverbänden übernommen. Viele Aktivisten halten enge Kontakte nach Dorstfeld. Zehn Landesverbände Es gibt zehn Landesverbände (wovon der Landesverband „Südwest“ die Län- der Rheinland-Pfalz und Saarland um- fasst) und rund 25 Kreisverbände sowie „Stützpunkte“ (Stand Dezember 2017 – VS Bund 2017). Gleichwohl sind die Christian Worch Unterschiede zwischen den einzelnen Parteigliederungen enorm. Während Als Christian Worch im Mai 2012 ver- Neonazi-Sammelbecken der Landesverband NRW rund 270 Mit- kündete, dass er eine Partei mit dem glieder zählt, weisen mehrere Landes- Namen „DIE RECHTE“ (DR) gegründet Nach Gründung der Partei gab es im verbände kaum mehr als 30 Mitglieder hat, war die Verwunderung groß. Seit Rechtsextremismus kaum eine Reso- auf. Überdies dürften einige Kreisver- seinem Engagement bei der FAP, die nanz und es traten nur eine handvoll bände nur auf dem Papier, beziehungs- aber nur als Auffangstruktur für die ehemaliger DVU-Mitglieder ein. Dies weise bei Facebook existieren. verbotene neonazistische ANS von Mi- änderte sich schlagartig, als in Nord- chael Kühnen diente, hatte er sich von rhein-Westfalen das Innenministerium Obschon inzwischen weitere Lan- Parteien ferngehalten. die drei aktivsten neonazistischen Ka- desverbände gegründet wurden, meradschaften - die Kameradschaft dominiert der Landesverband Nord- Mitte der 2000er Jahre traten mehre- Aachener Land (KAL), den Nationalen rhein-Westfalen deutlich die Partei. re führende Neonazis in die NPD ein. Widerstand Dortmund (NWDO) und 270 der 650 Mitglieder (Stand Dezem- Worch war die prominente Ausnah- die Kameradschaft Hamm - nach dem ber 2017/ VS NRW 2017) stammt dort me. Seine Webseite öffnet bis heute Vereinsgesetz verbot. her. Auch wenn nicht alle Neonazis in (Stand: Dezember 2018) mit dem Bild die Partei eingetreten sind, organisier- einer neonazistischen Demo mit dem Die Neonazis reagierten kurz danach te die Partei in NRW über Jahre inzwi- gut lesbaren Transparent „Die Bewe- mit der Gründung des Landesver- schen nahezu alle neonazistischen Ak- gung braucht keine Parteien“. Ebenso bandes von „DIE RECHTE“ in Nord- tivitäten. irritierend ist, dass er mit der Partei rhein-Westfalen. Die verbotenen angeblich das Erbe der DVU antreten Kameradschaften wurden in Kreisver- Zudem wechselten einige von der NPD wolle. So war die DVU während ihres bände überführt – und die Aktivisten zu „DIE RECHTE“, weil sie die NPD unter 24jährigen Bestehens als Partei stets wurden zu Parteimitgliedern. Erster dem Druck des damals laufenden Par- eine „Phantompartei“ geblieben, die zu Landesvorsitzender war der Dortmun- teiverbotsverfahrens als zu gemäßigt keiner Zeit ein aktives Parteileben ent- der Dennis Giemsch, einer der Stellver- empfanden und die Ausgrenzung von faltete. treter der Hammer Sascha Krolzig. Neonazis nicht akzeptieren wollten. 6 Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“
In einer Erklärung von Düsseldorfer Parteiwechslern im April 2013 hieß es: „Der Versuch der Volksfront unter dem Dach der NPD ist als gescheitert zu be- trachten. Die Reaktion hat das Ruder dort wieder an sich gerissen“. Insofern präsentiert sich „DIE RECHTE“ in NRW als rechte Alternative zur NPD. Am 27. Oktober 2012 gründeten sich die Kreisverbände Dortmund, Hamm, Mülheim an der Ruhr und Rhein-Erft- Kreis. Kurz nach der Gründung veröf- Die Neonaziszene der Stadt, nun in Ge- Landesverband ähnlich wie der NWDO fentlichte der Dortmunder Kreisver- stalt einer Partei, konnte die Rückschlä- verboten werden würde. band einen Artikel unter dem Titel ge, die sie durch das Verbot des NWDO Tatsächlich hat die Strategie, sich unter „Wider der Medienhysterie: Verbots- hinnehmen musste, schnell kompen- das Dach einer Partei zu begeben, bis- keule wirkungslos“, in dem er die ei- sieren. Im Internet ist sie (mindestens) her Erfolg: Im März 2013 erklärte das gene Anhängerschaft zu überzeugen so präsent wie zuvor. Auch über die NRW-Innenministerium, für „DIE RECH- versucht, in die Partei einzutreten. für Veranstaltungen benötigte Logistik TE“ gelte das Parteienprivileg. Durch Inhaltlich beschreibt der Artikel, wie – vom Fahrzeug bis zur Lautspreche- die Feststellung des Parteienstatus sei durch den Parteistatus die Folgen des ranlage – verfügte die Gruppe rasch ein Verbot als „Ersatzorganisation“ der Vereinsverbots ausgehebelt werden wieder. Kameradschaften gegenwärtig nicht können und dass dies der Zweck sei, Der im Zuge des NWDO-Verbots auf- möglich. sich als Partei zu organisieren. gelöste „Resistore-Versand“ fand einen Ihre Vergangenheit im Lager mili- „SS-Siggi“ als Vorsitzender Nachfolger: den „Antisem-Versand“, der tant-neonazistischer Kameradschaften bereits mit der Wahl seines Namens Erster Vorsitzender des Dortmun- konnten – und wollten – die DR-Akteu- und seiner Internetadresse „antisem. der Kreisverbandes wurde Siegfried re in NRW auch im Wahlkampf nicht it“ die Gesinnung seiner Hintermänner („SS-Siggi“) Borchardt, ehemals Lan- ablegen. Ein „Spitzenkandidat“, der erkennen lässt. Durch den Verlust der des- und stellvertretender Bundes- demokratischen Politikern indirekt den italienischen Domain residiert der Ver- vorsitzender der 1995 verbotenen Tod androhte, „Wahlkampfdemonstra- sandhandel mittlerweile unter „Patrio- Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpar- tionen“, bei denen der „Straßenkampf“ ten-Propaganda“. tei (FAP). Borchardt hatte in den 80er gefordert wurde, eine Demo, bei der Jahren die Neonazi-Hooligantruppe Wie bereits der NWDO versucht auch fünf Menschen durch den Wurf ei- Borussenfront aufgebaut. „DIE RECHTE“, mit Rechtsrock Nach- nes Sprengkörpers verletzt wurden, wuchs für sich zu ködern bzw. mit Wahlplakate mit dem Konterfei des Nach dem Verbot der FAP führte er die Konzert-„Events“ den inneren Zusam- Holocaust-Leugners Horst Mahler, das Kameradschaft Dortmund an. Mitglied menhalt zu stärken. Mittlerweile bilden 25-Punkte-Programm der NSDAP als war er einst in der Aktionsfront Natio- aber auch Kampfsport-Aktivitäten eine Vorbild: Seit dem Verbot der FAP war naler Sozialisten/ Nationale Aktivisten“ wichtige Säule für Mobilisierung, Or- keine Rechtsaußenpartei so unge- (ANS/NA), der Gesinnungsgemein- ganisation und Finanzierung. So wird schminkt militant und neonazistisch schaft der Neuen Front (GdNF) und der beispielsweise der Szene-Event „Kampf aufgetreten wie „DIE RECHTE“ im Bun- Hilfsorganisation für nationale politi- der Nibelungen“ von Neonazi-Kader destagswahlkampf 2013. sche Gefangene (HNG). Bei der Rech- Alexander Deptolla aus Dorstfeld orga- ten ist der DR-Kreisverband Dortmund Das Wahlergebnis war freilich ein De- nisiert. mit Abstand der aktivste. saster. Im Wahlkreis Dortmund I votier- ten 125 Bürger für die Partei (0,085 Pro- Fehlende Wahlerfolge zent), in Dortmund II gar nur 50 Bürger Obwohl eine Kandidatur eigentlich (0,037 Prozent). NRW-weit holte „DIE überhaupt noch nicht geplant war, trat RECHTE“ gerade einmal 2245 Stim- „DIE RECHTE“ bei der Bundestagswahl men (0,02 Prozent). Gescheitert waren 2013 in NRW an – offenbar mit dem die Bemühungen, bei der Europawahl Ziel, den Status als Partei zu festigen antreten zu können. „DIE RECHTE“ be- und so die Gefahr zu minimieren, dass kam die erforderlichen 4000 Unterstüt- der von militanten Neonazis geführte zungsunterschriften nicht zusammen. Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“ 7
kaum Impulse. Allerdings achtet der Parteigründer darauf, dass die Organi- sation formell die Anforderungen an eine Partei erfüllt, insbesondere dass sie zu Wahlen antritt. So begründete er den Antritt zur Bun- destagswahl mit einer Landesliste in NRW folgendermaßen: „Wir haben uns jedoch im Februar dafür entschieden, weil eine dummschwätzende junge Neonazistische Prägung Kurz nach seiner Entlassung aus der Abgeordnete der Linkspartei meinte, Untersuchungshaft trat er im Januar Die neonazistische Prägung des ersten Nordrhein-Westfalens IM (= Innenmi- 2014 bei einer rechtsextremistischen Landesverbandes der Partei wirkte sich nister) Jäger (auch bekannt als „Nazi- Veranstaltung in Magdeburg als Red- auf die weitere Parteientwicklung aus. Jäger“) assistieren zu müssen. In einer ner auf und ist bis heute nicht nur stän- So bildete sich beispielsweise der Ber- Mischung aus Ahnungslosigkeit und diger Gast und Redner bei Demonstra- liner Landesverband zu einem Großteil Böswilligkeit verbreitete sie sich da tionen der Partei „Die Rechte“, sondern aus Personen, die ehemals der verbo- rüber, „DIE RECHTE“ könne ja wohl mittlerweile auch einer der beiden tenen Kameradschaft Frontbann 24 an- keine eigenständige Partei sein [...] Da Bundesvorsitzenden. gehörten. In Baden-Württemberg wur- haben wir eben beschlossen, sowohl de ein Neonazi Landesvorsitzender, der Dort bekannte er sich freimütig zum dieser Dame als auch IM Jäger den zugleich als Anführer der „Autonomen Nationalsozialismus: „Egal wen wir da- praktischen Beweis zu liefern, dass wir Nationalisten Göppingen“ fungierte. mit angreifen müssen, wir werden nicht sehr wohl gewillt und imstande sind, Das Innenministerium Baden-Würt- weichen, wir werden dafür sorgen, dass uns auf einen Wahlzettel setzen zu temberg hat im Dezember 2014 diese die Synthese aus Nationalismus und lassen.“ Als die Partei dann 2245 Stim- Gruppe nach dem Vereinsgesetz ver- Sozialismus wieder die Gestalt unseres men holte, feierte „DIE RECHTE“ Hamm boten, weil sie eine Wesensverwandt- Volkes prägen wird. In diesem Sinne: dieses magere Ergebnis trotzdem als schaft mit dem Nationalsozialismus Nichts für uns, alles für ein freies, natio- Erfolg, weil damit der Parteistatus ge- aufwies und gewalttätig auftrat. nales und sozialistisches Deutschland.“ festigt werde. Dass Worch mit dieser Ausrichtung der Kampf gegen das System Erst durch die Übernahme des Vorsit- Partei anscheinend keine Probleme zes durch zunächst Christoph Drewer Die ideologischen Schwerpunkte der hat(te), zeigte sich Ende 2013, als es (am 1. November 2017 kommissarisch) Partei „DIE RECHTE“ bilden Neonati- darum ging, einen Spitzenkandidaten und dann bei Neuwahlen durch Micha- onalsozialismus, Antisemitismus und für einen möglichen Antritt bei den Eu- el Brück und Sascha Krolzig als Füh- Fremdenfeindlichkeit. Zahlreiche Kund- ropawahlen im Mai 2014 zu finden. Er rungs-Duo 2018 entwickelte er eigen- gebungen und Internetverlautbarun- fand ihn in Sven Skoda. ständige Aktivitäten. Der Sitz der Partei gen richten sich gegen „staatliche Re- wechselte von Worchs Privatadresse Auf „DortmundEcho“ fand sich folgen- pression“ und Zuwanderung. Bei ihren in Parchim nach Dortmund-Dorstfeld. de Begründung: „Seine Nominierung Propagandaaktionen setzen Parteimit- Mittlerweile bilden Sascha Krolzig und soll auf europäischer Bühne aufzeigen, glieder mitunter verstärkt auf Provoka- Sven Skoda die Doppelspitze. Michael wie es um die Meinungsfreiheit, sowie tion des politischen Gegners und der Brück ist Stellvertretender Bundesvor- die gesetzliche Gleichbehandlung, in Polizei. sitzender und Bundesgeschäftsführer Deutschland tatsächlich steht – getreu „DIE RECHTE“ lehnt den Parlamenta- der Partei. dem Beispiel des IRA-Aktivisten Bobby rismus grundsätzlich ab und betrach- Der Landesverband NRW und insbeson- Sands, der ebenfalls in Haft sitzend bei tet die Organisationsform einer poli- dere der Dortmunder Kreisverband hat einer Wahl kandidierte und letztend- tischen Partei lediglich als Mittel zum für Teile der Partei Modellcharakter. Er ist lich sogar ins britische Unterhaus ge- Zweck für ihren Kampf gegen das „Sys- vor allem ein Sammelbecken von Neo- wählt wurde.“ tem“. Einige Unterorganisationen der nazis, die aus den 2012 verbotenen Ka- Partei haben sich zu Auffangbecken für Skoda befand sich zum Zeitpunkt sei- meradschaften kommen. Die Führung Neonazis entwickelt und Funktionen ner Nominierung nämlich in Untersu- des Landesverbandes sowie der aktivs- verbotener Neonazi-Gruppierungen chungshaft, weil er wegen Unterstüt- ten Kreisverbände wurde von langjähri- übernommen. zung einer kriminellen Vereinigung, gen Aktivisten übernommen, die bereits des neonazistischen „Aktionsbüro Der Bundesverband setzte unter dem Führungsaufgaben in den damaligen Mittelrhein“, in Koblenz angeklagt war. Vorsitz von Christian Worch bis 2017 Kameradschaften innehatten. 8 Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“
Was versteht man unter Raumkampf ? Der moderne Rechtsextremismus lässt ernstzunehmende Gruppe im Sozial- Was ist ein „Nazi-Kiez“? sich als „Raumordnungsbewegung” raum zu präsentieren. Der Versuch der Rechtsextremen, durch verstehen. Neonazis versuchen So- 2. Räumungsgewinne: Rechtsextreme Raumkampf sogenannte „Nazi-Kie- zialräume kulturell und politisch zu Gruppen versuchen, andere Grup- ze“ oder „National befreite Zonen“ zu dominieren, um über solche zunächst pen an bestimmten Orten zu ver- schaffen, ist keine neue Strategie. Die begrenzten Zonen erweiterten Einfluss drängen - mit dem Ziel, die kulturelle Neonazi-Zeitschrift „Vorderste Front“ auf Gesellschaft, Kultur (und langfristig Hegemonie in begrenzten Räumen (VF) schrieb 1991 in ihrer zweiten Aus- auch Politik) zu nehmen. Sie bezeich- zu bestimmten Zeiten zu erlangen. gabe: „Schafft befreite Zonen“. Darin nen solche vermeintlichen Freiräume 3. Raumgewinne: Rechtsextreme Grup- fordern die Autor*innen die „Etablie- selbst als „National befreite Zonen“ pen präsentieren sich öffentlich als rung einer Gegenmacht“ zu staatlichen oder moderner „Nazi-Kieze“. lokale Wirkungsmacht. Bestimmte Strukturen und einer vermeintlich „lin- Dort arbeiten sie an der Schaffung Räume gelten als ihr Terrain. Ande- ken“ Mainstream-Kultur. kultureller Hegemonie in der Zivilge- re Gruppen meiden diese Orte, po- Darunter verstehen sie das Schaffen sellschaft, mit dem langfristigen Ziel tenzielle Opfer begreifen die Orte von „Freiräumen, in denen WIR faktisch der Beseitigung der Demokratie (zu- als Angstzonen, die nicht oder nur die Macht ausüben, in denen WIR sank- gunsten eines autoritären völkischen mit besonderer Vorsicht zu betreten tionsfähig sind, d.h. WIR bestrafen Ab- Systems). Kurzfristig gilt es, als Akteur sind. weichler und Feinde, WIR unterstützen im Sozialraum wahrgenommen zu 4. Normalisierungsgewinne: Der Rechts Kampfgefährtinnen und -gefährten, werden und Menschen durch die all- extremismus ist etabliert und rechts- WIR helfen unterdrückten, ausgegrenz- tägliche Konfrontation mit rechtsext- extreme Gruppen gelten als selbst- ten und verfolgten Mitbürgern.” remem Gedankengut und menschen- verachtenden Ideologien an diese zu verständlich. Die Ausgrenzung Erklärtes Ziel ist damit, Gebiete zu gewöhnen und zu desensibilisieren. schwacher Gruppen wird allgemein schaffen, in denen das staatliche Ge- akzeptiert. Es findet vor Ort kaum waltmonopol nicht mehr zum Tragen Rechtsextremer Raumkampf ist also noch eine Problemwahrnehmung kommt und Rechtsextreme allein das vor allem ein Kampf um Normalität. Er statt. Der Rechtsextremismus ist ein Sagen haben. Andersdenkende und lässt sich dabei in vier Stufen einteilen: normaler Bestandteil der örtlichen Politische Gegner*innen sollen ein- 1. Provokationsgewinne: Rechtsextre- politischen Kultur und kann kaum geschüchtert werden, um ihrem En- me Gruppen versuchen, sich über noch kritisch thematisiert werden. gagement entgegen zu wirken. Ein erste öffentliche Auftritte und das Die Akzeptanz der lokalen Bevölke- aktuelleres internes Strategiepapier Markieren von Räumen durch Sym- rung dient als Legitimation weiterer von Neonazis argumentiert für die bole, Plakate oder Sprühereien als Aktivitäten. Notwendigkeit „deutscher Kieze“ nicht Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“ 9
helfen, sie beim Einkauf unterstützen, Kameradschaftsabenden, Vorträgen man kann Babysitter bei arbeitenden und politischen Schulungen sind auch Ehepaaren oder alleinstehenden Müt- gemeinsame Fahrten zu befreundeten tern spielen, man kann den Garten in Organisationen im In- und Ausland Teil Ordnung bringen, die Straßen sauber des „alternativen“ kulturellen Ange- und durch regelmäßige Nachtpatrouil- bots. len sicher halten.” Rechtsextreme versuchen außerdem Der Aufbau öffentlicher rechtsextre- an - überwiegend kommunalen - Struk- mer Anlaufstellen ist ein weiterer Bau- turen teilzuhaben und so einen Fuß in stein der Raumkampf-Strategie. So die Tür der Stadt(teil)gemeinschaft zu gibt es in vielen Städten mit aktiven bekommen. Solche Strukturen sind nur mit dem Kampf gegen Staat und Neonazi-Szenen mehr oder weniger oft nicht darauf vorbereitet, einen Um- politische Gegner*innen, sondern erfolgreiche Versuche sogenannte gang damit zu finden, wenn Neonazis auch mit der angeblichen „Überfrem- „Nationale Zentren“ aufzubauen. Auch beispielsweise zu ihren Veranstaltun- dung“ deutscher Großstädte. Viertel, deswegen sind für Neonazis vergleichs- gen auftauchen. in denen „Deutsche” wohnen, seien weise strukturschwache Stadtteile, in generell „schön, friedlich und sauber”, Als beispielsweise Dortmunder Neo- denen mehr Möglichkeiten bestehen, sogenannte „Multi-Kulti”-Viertel hin- nazis an Veranstaltungen und Aktio- Immobilien (günstig) anzumieten oder gegen „riesige ghettoartige Moloche nen einer Stadteilinitiative teilnehmen sogar zu kaufen, besonders interessant. [...] in denen sich Ausländer, Fremde, wollten, fühlten sich einige der Mitglie- Das Nationale Zentrum in der Rheini- Kriminelle und verbrecherische Clans der dieser Initiative massiv bedroht, schen Straße in Dortmund wurde von zusammenrotten.” während andere in den Neonazis in der Stadt Dortmund erworben, um es erster Linie engagierte Nachbar*in- „Deutsche“ bräuchten eigene „Schutzzo- anschließend zu räumen. nen sahen, die zur Verbesserung der nen“ um zu überleben. Um solche „Nati- Eng verbunden mit dem Aufbau eige- Lebensqualität im Stadtteil beitragen onal befreite Zonen” zu schaffen, dürf- ner Räumlichkeiten ist die Schaffung wollten. Dadurch besteht die Gefahr ten „Nationalisten“ nicht über das ganze einer „alternativen“ (rechtsextremen) einer Spaltung der örtlichen Zivilge- Stadtgebiet zerstreut wohnen, sondern Kulturszene. Konzerte sind nach wie sellschaft, wovon die Rechtsextremen sollten sich möglichst auf ein Wohnpro- vor, nicht nur für die Rekrutierung mit ihrem „Alternativangebot“ letztlich jekt und einen Straßenzug konzentrie- von Nachwuchs, sondern auch für profitieren. ren. Als Vorbild dienen explizit linke Pro- die Finanzierung der Neonazi-Szene, jekte, wie die Rigaer Straße in Berlin oder Daher ist auch der gezielte Einsatz von von großer Bedeutung. In Dortmund die Hafenstraße in Hamburg. Gewalt und Einschüchterung von Geg- fand beispielsweise Ende 2018 ein ner*innen, bzw. Menschen, die sich Konzert des rechtsextremen Sängers Wie gehen Rechtsextreme „Lunikoff“ in unmittelbarer Nähe der demokratisch und für Menschenrechte vor, um „Nazi-Kieze“ zu und damit gegen Neonazis engagie- von Neonazis bewohnten Häuser in ren, Teil der Strategie. Wer ein Problem schaffen? Dorstfeld statt. Neben den klassischen mit Neonazis in der Nachbarschaft hat, Als wichtiges Element des Vorgehens wird darüber nachdenken, ob ein Um- von Rechtsextremen gilt die soge- zug nicht doch die einfachere Lösung nannte „Kümmerer”-Strategie. Es soll ist, zumindest aber Angst haben, dies der Anschein erweckt werden, sie seien öffentlich zu äußern. In Dortmund die einzigen, die sich für das Wohl der wurde Ende 2018 ein „Aktivist“ wegen Menschen vor Ort interessieren und zahlreicher Übergriffe und Einschüch- einsetzen. terungsversuche in seinem Stadtteil festgenommen. Neonazis setzen dabei nicht nur stark auf Jugendarbeit, um ständig aktions- Durch Demonstrationen, Kundgebun- orientieren Nachwuchs zu akquirie- gen, Gruppenbildungen u.a. sollen Prä- ren, sondern haben auch gezielt ältere senzsituationen geschaffen werden. Menschen im Visier. So wollen sie sich In der VF hieß es dazu: „Befreite Zo- den Rückhalt der lokalen Bevölkerung nen sind sowohl Aufmarsch- als auch im selbsternannten „Nazi-Kiez“ sichern. Rückzugsgebiete für die Nationalisten Die VF schrieb dazu: „Alten Leuten kann Deutschlands”. So ist zum Beispiel auf- man beim Ausfüllen von Formularen fällig, dass die Anzahl von Infoständen, 10 Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“
Flyer- und Plakataktionen und kleine- ren Kundgebungen aber auch größe- ren Demonstrationen, die für bundes- weites Medienecho gesorgt haben, in einem Dortmunder Stadtteil in den letzten beiden Jahren massiv zuge- nommen haben. Im Informationszeitalter ist nicht zu- letzt der Aufbau einer „alternativen“ Medien- und Propagandakultur wich- tiger Bestandteil der Strategie von Neonazis. In Dortmund nutzen Neo- nazi-Strukturen neben der eigenen „Nachrichten“-Seite „Dortmundecho“, auf der vor allem regionales Gesche- „Nazi-Kieze“ in Dortmund? Die Neonazis haben es auch in ihrem hen in das eigene Weltbild eingeord- bekanntesten „Nazi-Kiez“ nicht ge- Die Dortmunder Neonazis selbst feiern net wird, diverse Blogs, Twitter- und schafft, als Bestandteil eines Normalzu- Dortmund-Dorstfeld als gelungenes Facebookseiten, sowie Instagram. stands anerkannt zu werden. Dennoch Beispiel für einen erfolgreich abge- finden sich in Dorstfeld – vor allem In internen Strategiepapieren beschrei- schlossenen Raumkampf. Sie bezeich- rund um die von Rechten bewohnten ben Rechtsextreme ein mögliches Vor- nen sich in ihrer eigenen Zeitschrift Häusern - zahlreiche Beispiele für ei- gehen selbst folgendermaßen: „N.S. Heute” als „Platzhirsche” im „Na- nen intensiv geführten Raumkampf. „Wie kann die Organisation solcher zi-Kiez” Dorstfeld. Im Straßenbild finden sich neben groß Kieze aussehen? Was kannst du ma- Für linke Menschen sei Dorstfeld formatigen Graffiti, zahlreiche Sticker chen? „feindliches Territorium”, das „nur un- und Plakate. ■■ esmüssten nichtkommerzielle Be- ter massivem Polizeischutz” betreten werden könne. Die Rechtsextremen Dazu gehört auch, dass Neonazis ver- gegnungsstätten gebildet werden. betonen, das Einzigartige an Dorstfeld suchen, alle zivilgesellschaftlichen Wir brauchen keine staatlich geför- sei die „Präsenz der Nationalisten im Veranstaltungen zu stören und Men- derten Kultur- und Sportvereine ganz normalen Alltag”. „Morgens trifft schen, die sich im Stadtteil engagie- ■■ Schaffung von Freizeitangeboten ren, zu bedrohen und einzuschüch- man beim Bäcker auf Kameraden, zum für Menschen jeden Alters und auch tern. Politische Gegner*innen werden Mittagessen sitzen sie im griechischen deren Unterstützung durch die Ge- beispielsweise durch Plakataktionen Schnellrestaurant und am frühen meinschaft „geoutet“. Das Gedenken in Dorstfeld Abend trifft man sich zum Feierabend- ■■ Kollektive schaffen um gegen Ver- bier auf dem Wilhelmplatz.” an die Opfer der Pogromnacht vom treibung deutscher Anwohner, stei- 9. November 1938 muss massiv durch Sie versuchen damit klar zu sugge- gende Mieten und das Einnisten von die Polizei abgesichert werden, da es rieren, sie hätten weitreichende Nor- Fremden vorgehen zu können in den vergangenen Jahren immer malisierungsgewinne erzielt und in wieder zu Angriffen auf die Gedenk- ■■ gegenseitiges Unterstützen und Be- Dorstfeld eine vollständige „Gegen- veranstaltung kam. raten bei Behördengängen z.B. zu macht” etabliert. In der Realität gibt es Themen wie Wohngeld jedoch vor Ort eine sehr aktive Zivil- Regelmäßig werden von den Neonazis ■■ Austausch und Unterstützung in al- gesellschaft, die sich gegen diese Dar- sogenannte „Spontan“-Demonstrati- len Lebensfragen stellung und die Vereinnahmung ihres onen als Gegenprotest angemeldet. Stadtteils durch Rechtsextreme wehrt. Als Ende 2018 ein wissenschaftlicher ■■ Der Vereinsamung, besonders von älteren Menschen aktiv entgegen- Vortrag zum Thema Antisemitismus wirken in Dorstfeld stattfand, organisierten Neonazis Gegenprotest in Form ei- ■■ ein geschlossenes Auftreten, eine ner Mahnwache und diffamieren den gute Vernetzung und Kommunikati- Vortrag im „Dortmundecho“ als „linke on, sowie der soziale Umgang unter- Hetzveranstaltung“. Die Neonazis be- einander tonen darin, dass es wichtig sei, „solche ■■ dasBilden einer Bürgerwehr, Nach- Provokationen [in ihrem „Nazi-Kiez“] barschaftswache“ nicht unkommentiert zu lassen“. Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“ 11
Ist Raumkampf Männersache? Die Frage nach geschlechtsspezifischen wie -übergreifenden Aktionsformen im Rechtsextremismus erfährt zunehmend Beachtung: aus gutem Grund. Auch mit Blick auf Dortmund kann beobachtet werden, dass die geläufige Wahrneh- In Dorstfeld lassen sich die oben ge- mitischen Parolen und dem Einsatz von mung des Rechtsextremismus als rein nannten Strategien des rechtsextre- Pyrotechnik für bundesweite Aufmerk- maskulines Phänomen hinfällig ist. Viel- men Raumkampfes klar erkennen. Das samkeit sorgten. Damit schaffen sie ein mehr muss von einer heterogenen Sze- Erfolgsrezept ist laut „N.S. Heute“: „die gewisses Bedrohungsszenario, indem ne ausgegangen werden, in der auch Kontinuität, die regelmäßige politische sie die Anwohner*innen durch ihr mar- Frauen und Mädchen eine (zentrale) Arbeit und regelmäßige Treffen. Auch tialisches Auftreten einschüchtern. Rolle spielen können. z.B. die Straßenkunst, die vor allem jün- Dass die Rechtsextremen ihren Raum- Bilder von diversen Kundgebungen gere Kameraden begeistert. Man muss kampf auch hier ernst nehmen, zeigt im Stadtgebiet zeigen zuweilen junge immer interessant sein für jüngere Leu- sich in persönlichen Anfeindungen, Frauen in vordergründigen Positio- te und die Jugendkultur fördern.“ Bedrohungen und Übergriffen gegen nen - etwa als Fahnenträgerinnen. Die Nach vermeintlichen Normalisierungs- Personen, die nicht in das rechtsext- an diversen Schulen im Dortmunder erfolgen in Dorstfeld haben die Neona- reme Weltbild passen. So gab es auch Westen ausgeteilte Jugendzeitschrift zis ihren Fokus mittlerweile auf weitere hier verbale und körperliche Angrif- „Heute Jung“ der Partei „die Rechte“ Stadtteile gelegt. Dabei ist vor allem fe auf „Politische Gegner*innen“ (z.B. beinhaltet ein Interview mit einer jun- der Dortmunder Westen ein erklärtes Personen, die sich im Stadtteil enga- gen Frau. Diese berichtet u.a. von ih- Ziel der Raumordnungsbewegung. gieren oder sogenannten „etablierten“ ren Plänen, einen regelmäßigen Frau- Hier finden sich in einigen Stadtteilen Parteien angehören und vermeintlich en-Abend im Dortmunder Westen zu Beispiele des Raumkampfes, die das „weltoffene“ Fußballfans). Erneut für organisieren, um zu zeigen, dass Politik Straßenbild Dorstfelds längst in den bundesweite Schlagzeilen sorgten im nicht nur Männersache sei. Schatten stellen. Juni 2018 die mehrfachen Angriffe auf Hinsichtlich beider Beispiele kann Dabei ging es in den letzten Jahren eine Person, die aus ihrer Warte dem deutlich gemacht werden, dass die hauptsächlich um Provokationsge- jüdischen Glauben zugerechnet wird. Kategorie Geschlecht im Umgang mit winne durch massiven Einsatz von Rechtsextremismus berücksichtigt Stickern, Plakaten und Schmierereien. Insgesamt lässt sich erkennen, dass werden sollte. So etwa um harmlos Zudem lassen sich einige aufwendige- die Zahl der Aktionen durch Rechtsex- wirkende Rechtsextremistinnen auch re Graffiti im betreffenden Stadtteil fin- treme in diesem Stadtteil seit 2017 im als solche erkennen zu können oder den. Seitens der Stadt werden Sticker Vergleich zu den Vorjahren stark zuge- um etwaigen Einstiege in und Rekru- und Graffiti in regelmäßigen Abstän- nommen hat. Auf ihrem Internet-Zen- tierungsstrategien durch die rechtsext- den aus dem Straßenbild entfernt. Be- tralorgan schreiben die Neonazis Ende reme Szene zu durchschauen und dem finden diese sich allerdings auf Privat- 2017 „Kampfjahr mit Infostand in Dort- entgegenwirken zu können wie z.B. das eigentum, ist dies nicht immer einfach mund-Germania abgerundet – unser von ihnen versprochene Schutzgebot und mit langwierigen bürokratischen Resümee für 2017“ und betonen er- gegenüber Frauen vor der vermeint- Prozessen verbunden. neut die Wichtigkeit des Stadtteils für lich omnipräsenten Gefahr von Über- ihre Strategie. griffen durch „Fremde“ (s. auch Kapitel Gleichzeitig hat die Anzahl der Info- zu Nordstadt). stände, kleineren Kundgebungen und In ihrer u.a. vor Schulen verteilten Aktionen, wie z.B. Flyer-Verteilen durch Jugendzeitschrift „Heute Jung“ (HJ) rechtsextreme Parteien und Strukturen schreiben sie: „Unsere Aktionen sind stark zugenommen. Aber auch als Auf- kleine Nadelstiche und der Kreativität marschgebiet für größere Demonstrati- sind nur selten Grenzen gesetzt. Ob onen wird der Dortmunder Westen ge- mit Aufklebern oder Flugblättern, ob nutzt. Dazu zählen der Aufmarsch zum mit Plakaten oder dem Banner an der 1. Mai 2017, sowie eine Demonstration nächsten Autobahnbrücke - sogar in gegen „Polizeiwillkür“ im September der Graffitikunst stößt der Widerstand 2018, bei der die Neonazis mit antise- zunehmend auf Zuspruch.” 12 Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“
„Von der Südtribüne in den Stadtrat“: Das 25-Punkte-Programm (2014) Anders als bei der Europawahl lief es bei der Kommunalwahl besser: Im No- vember 2013 veröffentlichte die Par- tei „DIE RECHTE“ ein lokalpolitisches Programm: „25 Forderungen zur Dort- munder Kommunalwahl 2014“. Man muss auch in diesem Zusammenhang die Zahl der „Forderungen“ nicht für zufällig halten. Wie bei der Demonstra- tion am 31. August 2013 dürfte es sich um eine Anspielung auf das 25-Punk- te-Programm der NSDAP handeln. Dabei war man raffiniert genug, rassis tische, antidemokratische, geschichts- revisionistische und bloß populistische Parolen mit tatsächlichen oder ver- zur Wahl so an: „Die Partei hat für Dort- gekürt: Siegfried Borchardt. Die Gali- meintlichen kommunalen Problemla- mund 25 kommunale Forderungen onsfigur der rechtsextremen Szene zog gen zu verknüpfen. Die „Forderungen“ aufgestellt. Wir haben uns zum Ziel für die Partei - begleitet von internati- offenbarten den neonazistischen Kern gesetzt, mit unseren Leitlinien, den 25 onalem Medieninteresse - auch in den von „DIE RECHTE“ häufig erst auf den kommunalpolitischen Forderungen, Rat sowie die Bezirksvertretung der zweiten Blick, da einige Standardparo- den katastrophalen Zuständen, die Nordstadt ein. len – wie etwa das bei Demos skandier- jahrzehntelange SPD-Herrschaft über Zweiter auf der Reserveliste war Den- te Bekenntnis zur deutschen „Rasse“ Dortmund gebracht hat, aktiv entge- nis Giemsch, der unumstrittene Kopf oder zum „Straßenkampf“ – sich in den genzutreten!“ und Anführer des NWDO, Organisator, „Forderungen“ so offen nicht wieder Personell ist die Kontinuität zwischen Leiter und Redner zahlreicher Demons- fanden. Bei der Forderung „Ausländer dem „Nationalen Widerstand Dort- trationen. Giemsch sorgte auch für eine raus“ hatte sich dies erst seit dem 1. Mai mund“ und dem DR-Kreisverband enge Vernetzung von Gruppen „Auto- 2014 geändert. nicht zu übersehen. Bereits im Septem- nomer Nationalisten“ im Internet. Nach Selbst kündigte „DIE RECHTE“ ihr Pro- ber 2013 wurde in einer Mitglieder- nur zwei Sitzungen beerbte Giemsch gramm im Vorwort ihrer Internetseite versammlung der „Spitzenkandidat“ Borchardt als Ratsmitglied. Listenplatz 1 Listenplatz 2 Listenplatz 3 Siegfried Borchardt Dennis Giemsch Michael Brück Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“ 13
Frauen) gefunden. Außerdem wollte die Partei mit einer elfköpfigen Reser- veliste (nur Männer) und bei der Wahl der Bezirksvertretungen in Scharn- horst, Eving, Huckarde, Lütgendort- mund, Mengede, Innenstadt-West mit jeweils zwei und in der Nordstadt sogar mit drei Listenkandidaten (ebenfalls nur Männer) antreten. Die Schwerpunkte waren bereits im Forderungskatalog der Partei „DIE RECHTE“ zur Kommunalwahl ersicht- lich. Eindeutig im Mittelpunkt steht da- bei der Themenbereich Zuwanderung, insbesondere vor dem Hintergrund der Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der Europäischen Union. Dies hatten sie bereits mit als sogenannte „Mahn- wachen“ bezeichneten Infoständen – Michael Brück stand auf Platz 3 der war 2017 kommissarischer Bundesvor- unter anderem vor der Arbeitsagentur Liste. Er tritt als Redner und Anmelder sitzender der Partei. – und bei ihrem Aufmarsch am Tag der von Veranstaltungen auf und leitet Arbeit 2014 deutlich gemacht. den „Antisem.it“-Versand und ist mitt- Daniel Grebe, Platz 5 auf der Liste, lerweile einer der führenden Köpfe hat sich wie Brück erst in den letzten Wo immer sich die Möglichkeit bot und der Partei. 2018 wurde er mit Sascha Jahren in der lokalen Szene in den bietet, spielt sich „DIE RECHTE“ zudem Krolzig Co-Bundesvorsitzender der Vordergrund gespielt. Bei lokalen und als Fürsprecher „deutscher“ Familien Partei. Heute ist der Vize-Vorsitzender regionalen Veranstaltungen trat er bis und insbesondere „deutscher“ Kinder und Bundesgeschäftsführer der Partei. zu seiner 22-monatigen Haftstrafe - er auf. Fortgesetzt wurden und werden Nach dem Rückzug von Giemsch sitzt hatte am Abend der Kommunalwahl die Aktionen gegen demokratisch ge- Brück seit drei Jahren im Rat der Stadt im Mai 2014 einem Ratsvertreter der Pi- sonnene BürgerInnen, PolitikerInnen Dortmund. ratenpartei eine Bierfalsche ins Gesicht und Parteien. Nicht unterschätzt wer- geworfen - als Redner auf. Wegen der den dürfen schließlich – insbesonde- Christoph Drewer, der Vierte auf der Haftstrafe legte er auch sein Mandat als re in einer Stadt wie Dortmund – die Liste der Kandidaten, gehörte eben- Bezirksvertreter in Scharnhorst nieder. Versuche, sich des Themas Fußball zu falls zur Führungsriege des „Nationalen bemächtigen. Die Kandidaten woll- Widerstands“. Bei Demos tritt er als Or- Die Partei hatte Kandidaten für alle 40 ten bei den meisten Themen im Wahl- ganisator, Redner und Ordner auf und Stadtrats-Wahlbezirke (36 Männer, vier programm offenbar bewusst abstrakt bleiben, um sich bei den vielen inhaltli- chen Fragen keine Blöße zu geben. Deutlich wird das bei den Forderungen: Das Programm ist dünn. Es bestand über Monate nur aus Schlagworten und populistischen Parolen. Konkrete Lösungsvorschläge für benannte Pro- bleme – oder gar Finanzierungsvor- schläge – wurden, wenn überhaupt, erst nach und nach genannt. Wie sol- che Forderungen umgesetzt werden können, ob sie verfassungsrechtlich oder kommunal überhaupt realisierbar sind oder welche Auswirkungen sie im Detail hätten, darüber sollten sich an- scheinend andere Gedanken machen. 14 Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“
Viel Aufsehen und Lärm – aber kein Wahlerfolg für „DIE RECHTE“ und die anderen Parteien „Rechtsaußen“ Bei den Kommunalwahlen in Nord- rhein-Westfalen im Mai 2014 konnten die rechtsextremistischen Parteien bis auf die NPD geringfügig hinzugewin- nen. Thematisch konzentrieren sich alle rechtsextremistischen Parteien auf die Diffamierung von Muslimen, Asylbewerbern sowie Sinti und Roma. Rechtsextremisten beteiligten sich an den HoGeSa- und PEGIDA-Veranstal- tungen in Nordrhein-Westfalen und steuern diese sogar zum Teil. schwankt. Dabei ist die NPD auf die vertretungen verbesserte, blieben die Die anhaltende Führungskrise der NPD Unterstützung der Neonazis gerade Ergebnisse bei den Wahlen weit hinter und der damit verbundene Richtungs- bei Wahlkämpfen zwingend angewie- den eigenen Ansprüchen zurück. Auch streit lähmten die Partei weitgehend. sen. Zudem nimmt die Konkurrenz die anhaltenden internen, überwie- Zudem verunsicherte das schwebende im rechtsextremistischen Parteienla- gend persönlichen Konflikte lähmen Parteiverbotsverfahren Teile der Par- ger in Nordrhein-Westfalen zu, was die Partei. tei. 2014 verzeichnete die NPD eine die Erringung von Mandaten und die weitere Stagnation bei der Mitgliede- Zahlreiche Parteiaustritte und die man- Überwindung der jeweiligen Hürden rentwicklung. Bei den aktiven Kreisver- gelnde Mobilisierbarkeit der eigenen für die staatliche Parteienfinanzierung bänden ist die Zahl weiter rückläufig. Anhänger hemmen die Handlungsfä- erschwert. Während die NPD vor rund fünf Jahren higkeit. Alle diese Gründe haben dazu über fast 30 Kreisverbände verfügte, Die Pro-Bewegung setzte ihre diffamie- beigetragen, dass der langjährige sind es aktuell weniger als 20. renden Kampagnen gegen Minderhei- Versuch der Bildung einer Allianz von ten im Kommunal- und Europawahl- ideologisch ähnlichen Organisationen Hinzu kommt das ambivalente Ver- kampf fort. Obschon Pro NRW sich bei auf Bundesebene unter der Führung hältnis zur Neonazi-Szene, welches den Kommunalwahlen 2014 von 45 auf von Pro NRW gescheitert ist. zwischen Kooperation und Konflikt 65 Mandate in den Räten und Bezirks- Der Landesverband Nordrhein-Westfa- len der Partei „DIE RECHTE“ dominiert innerhalb der Gesamtpartei inhaltlich, personell und durch seine Vielzahl an Aktivitäten. Seine aktiven Kreisverbän- de stellten sowohl in ideologischer und personeller Hinsicht als auch bezüg- lich seiner Aktivitäten eine Weiterfüh- rung der verbotenen Kameradschaf- ten dar, betont der Verfassungsschutz NRW. Dies gelte insbesondere für den hoch-aktiven Dortmunder Kreisver- band, der sich im Laufe des Jahres 2014 stetig aggressiver zeigte. Dies äußerte sich in Einschüchterungsversuchen Listenplatz 4 Listenplatz 5 von Bürgern, Journalisten, Beamten Christoph Drewer Daniel Grebe und Politikern. Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“ 15
Grafik/copyright: LOTTA – antifaschistische Zeitung aus NRW, Rheinland-Pfalz und Hessen 16 Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“
Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“ 17
Der Wahlabend und der „Rathaussturm“ Die pseudo-demokratische Maske ist Nicht, weil sie demokratisch gewählten NSDAP während der Weimarer Repu- gefallen – am 25. Mai 2014 zeigten Volksvertretern den Zutritt verwehren blik und spielte bis 1934 als Ordner- die Neonazis in Dortmund wieder ihr wollten, sondern aus echter Sorge. Der truppe eine entscheidende Rolle beim wahres Gesicht: Die Dortmunder Füh- martialische Aufmarsch beängstigte Aufstieg der Nationalsozialisten, indem rungsspitze der Partei „DIE RECHTE“ nicht nur viele Demokraten, sondern sie deren Versammlungen vor Grup- versuchte am späten Wahlabend, unter vor allem viele Migranten, die unter pen politischer Gegner mit Gewalt ab- Führung ihres Spitzenkandidaten Sieg- anderem auf Einladung des Integra schirmte bzw. gegnerische Veranstal- fried Borchardt und des gesamten frü- tionsrates den Abend im Rathaus ver- tungen massiv behinderte. heren Führungskaders des verbotenen brachten. Viele von ihnen flohen in die Nationalen Widerstands Dortmund, ins oberen Etagen des Rathauses. Die erste Ordnertruppe der NSDAP Rathaus zu gelangen. wurde im Januar 1920 als Saalschutz Einige Migranten – vor allem Man- zunehmend in Saalschlachten einge- Sie kamen allerdings nicht wie die an- datsträger – reihten sich aber vor dem setzt. Aus diesem Saalschutz entwi- deren Rathausbesucher, sondern mar- Rathaus in die Menschenkette ein, um ckelte sich über mehrere Schritte die schierten in geschlossener Formation, die gewaltbereiten und gewalttätigen spätere Sturmabteilung (kurz SA) als uniformiert in gelben Hemden, vor Neonazis am Eindringen zu hindern. reine Schlägertruppe für provozierte das Rathaus. Zuvor hatte Borchardt bei Sie wurden beschimpft und auch kör- Zusammenstöße mit linksgerichteten Facebook ein Foto gepostet, dass man perlich attackiert. Parteien (vor allem der KPD), die viel- „mit einem Schlag ins Rathaus“ einzie- Das passt zum Selbstverständnis von fach in brutale Straßenkämpfe ausar- hen wolle. Siegfried Borchardt: Der Neonazi, der teten. in den Medien immer den Spitznamen Das mit den Schlägen konnte man Die Attacke der Neonazis am Wahla- „SS-Siggi“ trägt, betonte nach seiner durchaus wörtlich verstehen: Mit Fla- bend war ein Angriff auf die Stadtge- Wahl in Interviews, dass er sich ja selbst schen und Pfefferspray gingen die Kan- sellschaft – und die zeigte sehr deutlich lieber „SA-Siggi“ nennen würde – dies didaten für Rat und Bezirksvertretun- Zivilcourage. Fraktionsübergreifend passe einfach besser zu ihm. gen auf die Demokraten los, die sich stellten sich die Politiker, Bürger und ihnen mit Banner und Trillerpfeifen in Die Sturmabteilung (SA) war die pa- Antifaschisten dem Nazimob entge- den Weg stellten. ramilitärische Kampforganisation der gen. Dabei trugen einige Demokraten 18 Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“
Verletzungen davon, die von Sanitä- tern behandelt werden mussten. Trotz Flaschenwürfen und Reizgas-Attacken gelang es den Neonazis nicht, das Rat- haus zu betreten. Insofern setzte die Stadtgesellschaft ein wehrhaftes Zei- chen. Vor Ort zeigte sich nur der Spitzenkan- didat der Partei „DIE RECHTE“ relativ gelassen. Er drehte sich Zigaretten, während seine zumeist deutlich jünge- Grebe, Bezirksvertreter der Partei „Die die Verletzungsabsicht – abgestritten, ren Mitstreiter in Auseinandersetzun- Rechte“ in der BV Scharnhorst, musste als auch, dass es seine Flasche ge- gen gingen oder erfolglos versuchten, wegen eines Flaschenwurfs, mit dem er wesen sei, die Gebel getroffen habe. ein Banner der Grünen auf dem Frie- einen Ratsvertreter der Piraten im Ge- Allerdings folgte das Gericht dieser densplatz zu verbrennen. sicht verletzte, sogar in Haft. Das Land- Einlassung nicht. Auch habe es trotz gericht Dortmund bestätigte im März der aufgeladenen Situation in diesem Die Neonazis skandierten mehrfach 2016 das Urteil des Amtsgerichtes. Moment keine Notwehrsituation gege- „Ausländer raus“ und andere volks- Dieses hatte im Herbst 2015 eine Ge- ben. verhetzende Parolen. Dann stimmten samtstrafe von 22 Monaten Haft ohne sie sogar unter den Augen und Ohren Daher bekam er eine Freiheitsstrafe Bewährung gebildet. der Anwesenden die erste Strophe des von einem Jahr, die mit einer früheren Deutschlandliedes an. Dagegen hatten sowohl Grebe als auch zur Bewährung ausgesetzten Verurtei- die Staatsanwaltschaft Berufung einge- lung des Amtsgerichts Dresden zu ei- Selbst der polizeiliche Staatsschutz legt. Während der Neonazi einen Frei- ner Gesamtstrafe von einem Jahr und war von der gezeigten Aggressivität spruch forderte, forderte der Staats- vier Monaten ohne Bewährung gebün- der Neonazis überrascht. Denn die anwalt sogar 28 Monate Haft. Dem delt wurde. Hinzu kamen noch sechs Aktivisten von „DIE RECHTE“ hatten in 26-jährigen Jura-Studenten wurden Monate Haft ohne Bewährung für ei- den vergangenen Monaten peinlich gleich mehrere Taten vorgeworfen. Am nen Böllerwurf gegen Polizeibeamte genau darauf geachtet, möglichst kei- schwerwiegendsten war hierbei eine in der Silvesternacht 2014/15 auf dem ne Straftaten zu begehen, um dem Ruf Auseinandersetzung am Wahlabend Wilhelmplatz in Dorstfeld. So musste er der Partei nicht zu schaden. „Sie sind vor dem Dortmunder Rathaus. Hier sah eine 22-monatige Haftstrafe antreten – noch nicht mal bei Rot über die Stra- es das Gericht als zweifelsfrei erwiesen seit Herbst 2018 ist er wieder auf freiem ße gegangen“, spotteten Kenner der an, dass Grebe dem neu gewählten Fuß. Szene vor dem 1. Mai. Diese Maske ist Ratsmitglied der Piraten, Christian Ge- nun endgültig gefallen. Der aufgestau- Sein Nachfolger in der Bezirksvertre- bel, aus nächster Nähe und „mit voller te Druck der Neonazis entlud sich nun tung Scharnhorst wurde ebenfalls Wucht“ im „Stil eines Handballers“ die auf dem Friedensplatz – der an die- wegen mehrerer Delikte angeklagt: Flasche ins Gesicht geworfen hat. sem Abend seinem Namen keine Ehre Neonazi André Penczek hatte u.a. machte. Gebel erlitt dabei eine Rissquetschwun- am Wahlabend als auch bei einer Bür- de am Auge. „Es war ein glücklicher gerversammlung in Eving Journalisten Sieben Verfahren Zufall, dass nicht noch weit schwer- und Polizisten attackiert und dafür gegen Neonazis wiegendere Verletzungen eingetreten unterschiedliche Strafen eingefahren. Es gab Ermittlungsverfahren gegen 23 sind“, machte die Staatsanwaltschaft Zudem hatte der damals Arbeitslose Neonazis, die anschließend in sieben deutlich. Dies wäre dann eine schwe- wegen Widerstandes gegen Vollstre- Verfahren mündeten. Neonazi Daniel re Körperverletzung gewesen. Es habe ckungsbeamte in der Nordstadt eine ein ganz enormes Verletzungsrisiko erneute Geldstrafe von 60 Tagessätzen bestanden, indem er Gebel die Flasche kassiert. mit voller Wucht ins Gesicht warf. Da- Neonazi-Kader Dietrich S., der am her stelle dies eine gefährliche Körper- Wahlabend vor dem Rathaus mit ei- verletzung dar und er fordere daher nem Faustschlag die damalige grüne eine ganz erhebliche Freiheitsstrafe. Landtagsabgeordnete Daniela Schne- Grebe selbst hatte bereits vor dem ckenburger niedergestreckt hatte, ak- Amtsgericht den Flaschenwurf einge- zeptierte nach einigem Hin und Her räumt, aber sowohl den Vorsatz – also einen Strafbefehl wegen vorsätzlicher Auseinandersetzung mit der Partei „DIE RECHTE“ 19
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