Stadt der Zukunft II: Perspektiven der Zürcherinnen und Zürcher zwischen 30 und 39 Lebensjahren
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Schlussbericht 13. Dezember 2018 Stadt der Zukunft II: Perspektiven der Zürcherinnen und Zürcher zwischen 30 und 39 Lebensjahren PD Dr. Dipl. Arch. Gabriela Muri Koller, Projektleiterin und Dozentin Sonja Kubat, Master of Arts UZH, Wissenschaftliche Mitarbeiterin Im Auftrag von
Stadt Zürich Stadtentwicklung Integrationsförderung Stadthausquai 17 8001 Zürich Tel. +41 44 412 37 37 Fax +41 44 412 37 42 www.stadt-zuerich.ch/integration Zürich, im Februar 2019 Einblicke in Alltagsrealitäten Unter dem Begriff Stadt der Zukunft greift die Dienstabteilung Stadtentwicklung wichtige Trends und Treiber der wirtschaftlichen, sozialen und räumlichen Stadtentwicklung auf. Mit «ZRH3039» wurde eine Altersgruppe in den Fokus genommen, die in der Stadt Zürich nicht nur zahlenmässig an Bedeutung gewinnt. Im Lebensalltag dieser Altersgruppe ak- zentuieren sich gesellschaftliche Megatrends wie Mobilität, Migration und Tertiarisierung in besonderem Masse. Das zeigt ein nüchterner Blick in die Statistik. Der für «ZRH3039» verantwortlichen Projektgruppe war es von Anfang an ein zentrales Anliegen, neben nüchternen Daten ebenso Erfahrungen, Sichtweisen und Lebensrealtä- ten sichtbar zu machen. Das Motto «nicht über, sondern mit» 30- bis 39-Jährigen zu sprechen war eine wichtige Leitlinie bei der Konzipierung der verschiedenen Vorhaben im Rahmen von «ZRH3039». Es war deshalb eine zwingende Konsequenz, die eigenen Recherchen um eine stadteth- nografische Studie zu erweitern. Der Anspruch war dabei, die Altersgruppe in ihrer Viel- schichtigkeit sichtbar zu machen. In den vielfältigen Lebensrealitäten zeigen sich den- noch Gemeinsamkeiten. So erweist sich etwa die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die teils fehlenden politischen Mitsprachenmöglichen für viele Befragten als dringen- des Thema. In hohem Masse geschätzt wird ferner die gesellschaftliche Vielfalt in der Stadt. Gleichzeitig stellen die Befragten fest, dass sie sich selbst teils in einer «Bubble» bewegen. Das sind Themen, die ebenso städtische Institutionen beschäftigen und be- schäftigen müssen. Die vorliegende Studie erfolgte im Auftrag von Stadtentwicklung Zürich. Sie gibt die Mei- nung der Autorinnen wieder. Weitere Dokumente und Informationen sowie den zusam- menfassenden Schlussbericht «ZRH3039» finden sich unter www.stadt-zu- erich.ch/zrh3039. Michael Bischof und Natalia Huser Co-Projektleitung ZRH3039 Präsidialdepartement
Inhaltsverzeichnis Abkü rzungsverzeichnis ................................................... 3 1. In Kü rze – Zusammenfassung .......................... 4 2. Theoretische Zugä nge: Begriffe und Debatten .................................................................... 7 3. Methoden und Vorgehen .................................... 8 4. Wer sind die 30- bis 39-Jä hrigen in der Stadt Zü rich?......................................................... 10 5. Wo leben die 30- bis 39-Jä hrigen? ............... 11 6. Soziale Netzwerke .............................................. 15 7. Sample Interviews ............................................. 16 8. Auswertung Interviews nach Kategorien . 19 8.1. Wohnen – Quartier – Vernetzung ................ 19 8.2. Mobilitä t im Alltag.............................................. 22 8.3. Lebens-/Haushaltsform/Alltagsfü hrung.. 23 8.4. Arbeiten .................................................................. 24 8.5. Freizeit .................................................................... 26 8.6. Digitalisierung ..................................................... 27 8.7. Herausforderungen/Stress............................. 29 8.8. Familiengrü ndung/Vereinbarkeit ............... 30 8.9. Rush Hour of Life/Biografische Entscheide .................................................................................... 33 8.10. Altersgruppe 30- bis 39- Jä hrige/Wertvorstellungen ............................ 35 8.11. Gemeinschaft/Netzwerk/Engagement ..... 37 8.12. Vertreten durch Politik/Interesse an Politik ...................................................................... 39 8.13. Medienkonsum und Informiertheit ............ 41 8.14. Partizipation/Miteinbezug ............................. 43 8.15. Visionen und Wü nsche ..................................... 45 9. Fazit und Handlungsempfehlungen ............ 49 Literatur-/Quellenverzeichnis................................... 53 2
Abkürzungsverzeichnis W = Weiblich M = Mä nnlich Kind* = werdende Eltern AUT = OÖ sterreich CH = Schweiz COL = Kolumbien DE = Deutschland GR = Griechenland IT = Italien PRT = Portugal SRB = Serbien USA = Vereinigte Staaten von Amerika Kx = Stadtkreis Anmerkung Seiten 19-48 - Aus Grü nden der Lesbarkeit und Verstä nd- lichkeit wurde bei wenigen Zitaten die Frage, welche im Interview gestellt wurde, in den farbigen Kä stchen ebenfalls aufgefü hrt. 3
1. In Kürze – Zusammenfassung und ö ffentlich zugä ngliche Bevö lkerungsdaten (Stadtentwicklung Stadt Zü rich 2018) mit explo- „weil ab 40 ist man definitiv alt und settled, rativen sozialrä umlichen Analysen und lebens- keine Ahnung, an Day Raves gehen, irgend- weltlichen Interviews verbindet. Im Zentrum welche lustigen Tabletten einwerfen.“ der Erhebungen stand ein qualitativer Zugang W/33/1 Kind/CH/K4 mit dem Ziel, die Perspektiven, Herausforderun- gen und Potentiale dieser Altersgruppe mittels Zü rcherinnen und Zü rcher zwischen 30 und 39 konkreten Aussagen aufzuzeigen. Zwischen Mit- Lebensjahren sind die grö sste 10-Jahres- te Juni und Ende Juli 2018 wurden leitfadenge- Alterskohorte in der Stadt und seit 1993 durch stü tzte Interviews mit 18 in Zü rich lebenden internationale Zuwanderung stetig gewachsen. Personen zwischen 30 und 39 Jahren durchge- Die Mehrheit ist im Ausland geboren (55%). Sie fü hrt. Die fü nfzehn dem Interviewleitfaden zu- sind geografisch sehr mobil und machen einen grundeliegenden Kategorien betreffen zum ei- hohen Anteil der Zu- und Wegziehenden aus. Sie nen die Lebensbedingungen und den Alltag der haben mehrheitlich einen Tertiä rabschluss und Befragten im Wohnquartier, ihre Mobilitä t und arbeiten in einem akademischen Beruf. Sie sind Fragen zur alltä glichen Lebensfü hrung sowie hä ufiger mit ihrer Wohnung und der Wohnum- Arbeit, Freizeit und die Rolle der Digitalisierung gebung unzufrieden und fü hlen sich ö fter „ü ber- im Alltag. Theoretische Konzepte und Schlü ssel- haupt nicht gut“ durch den Stadt- und Gemein- begriffe dienten zudem dazu, spezifische Her- derat vertreten, beinahe die Hä lfte hat denn ausforderungen dieser Altersgruppe zu identifi- auch kein Stimm- und Wahlrecht (Stadtentwick- zieren, so der Begriff der Rush Hour of Life bzw. lung Stadt Zü rich 2018). die biographische Situation, in der Ansprü che in Privatleben, Karriere und Freizeit sich verdich- ten, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie Die Perspektiven der 30- bis 39-Jährigen im sowie bei den meisten Befragten der Zuzug aus Fokus anderen Regionen der Schweiz oder dem Aus- Im Fokus der vorliegenden Studie stehen daher land. Aufgrund statistischer Daten und der Be- Perspektiven, Interessen, Herausforderungen vö lkerungsbefragung 2015 (Stadtentwicklung und Potentiale der 30- bis 39-Jä hrigen: Was Stadt Zü rich 2018) wurden schliesslich Fragen zeichnet diese Gruppe aus? Welchen Einfluss hat nach politischen Interessen, Medienkonsum, die besondere Situation in einer Lebensphase, in Partizipation und Visionen fü r die Zukunft ge- der bedeutsame Lebensentscheidungen anste- stellt. hen und Mehrfachbelastungen in Beruf und Fa- Der gewä hlte Zugang ermö glicht es, ein differen- milie auftreten? Welches Bild der Altersgruppe ziertes und heterogenes Bild zu Alltagsfü hrung, lä sst sich im Hinblick auf Lebensqualitä t, Identi- Interessen, Herausforderungen, Identifikation, fikation, Zugehö rigkeit, Teilhabe und Innovati- gesellschaftlicher und politischer Beteiligung, onskraft in der Stadt Zü rich zeichnen? Wie las- Zugehö rigkeit sowie Anliegen dieser Alters- sen sich die Bedü rfnisse dieser Altersgruppe gruppe zu zeichnen. Unsere Auswertungen und definieren? Wie kann die Stadt Zü rich schliess- Analysen dienten daher der Ordnung und Ver- lich in Zusammenarbeit mit anderen Akteuren mittlung der empirischen Ergebnisse, ohne den ihre Perspektiven und Strategien auf diese Al- Anspruch, ü ber die Aussagen hinaus objekti- tersgruppe hin fokussieren? vierbare Erkenntnisse zu generieren. Die Ergeb- nisse bildeten schliesslich zusammen mit der Schlüsselbegriffe, Methoden und Vorgehen Datenauswertung die Grundlage, um aus Sicht Basis der Studie bildet eine stadtethnographi- der Forschenden Handlungsstrategien und Emp- sche Forschungsperspektive, die die Auswertung fehlungen in Bezug auf die Bedü rfnisse der Al- bestehender Sekundä rdaten aus der Bevö lke- tersgruppe zu entwickeln. rungsbefragung der Stadt Zü rich, Daten der Schweizerischen Arbeitskrä fteerhebung (SAKE) 4
Wohnen, Mobilität und Lebensqualität ten und Genossenschaften anlegen mü ssen oder Die Aussagen der 18 interviewten Personen aber einen Immobilienmakler anheuern, um zeichnen in vielen Aspekten ein positives Bild eine Wohnung zu finden. Die Suche nach einer der Stadt Zü rich als Lebens- und Wohnort: Plä t- geeigneten Familienwohnung wird explizit auch ze, an denen man sich „einfach so aufhalten“ und als einer der Grü nde genannt, um Zü rich zu ver- zufä llig Leute treffen kann, gibt es im Stadtzent- lassen. Zü rich als internationale, urbane und gut rum wie in den Quartieren aus Sicht der Befrag- erreichbare Stadt ist fü r Personen aus dem Aus- ten, wenn diese teilweise auch als zu „aufge- land als Arbeitsort und kurzfristige Zwischensta- rä umt“ und „hip“ bezeichnet werden. Das Ange- tion beliebt. Besonders geschä tzt werden neben bot an Kultur, Partys und Gastronomie wird sehr den Karriereangeboten die vielfä ltigen Freizeit- geschä tzt und auch rege genutzt. Die meisten mö glichkeiten, die Lebhaftigkeit der Stadt und bewegen sich in ihrem Alltag mit ö ffentlichen die abwechslungsreichen Naherholungsmö g- Verkehrsmitteln, Mobility oder Fahrrad und lichkeiten. Der grö sste Teil der interviewten wü nschen sich daher besser gekennzeichnete, Neuzuzü ger*innen kann sich denn auch vorstel- ausgebaute und sicherere Fahrradwege. Die len oder plant bereits lä ngerfristig in der ü berwiegende Mehrheit der befragten 30- bis Limmatstadt zu bleiben. Als negative Faktoren 39-Jä hrigen lebt gerne in einem urbanen Umfeld, werden jedoch die unzeitgemä ssen Bedingungen schä tzt Zü rich als Stadt der kurzen Wege, in der in Zusammenhang mit der Vereinbarkeit von Vieles in Gehdistanz erreichbar ist. Im Gegensatz Beruf und Familie sowie die hohen Wohn- und zu denjenigen, welche in den Kreisen 6, 7, 11 Lebenskosten genannt. wohnen, sind die Befragten aus den Kreisen 3, 4, 5 und 12 deutlich weniger mobil und bewegen Arbeit, Freizeit und Digitalisierung sich in ihrem Alltag und der Freizeit hä ufiger Fü r die ü berwiegende Mehrheit der 18 Befrag- innerhalb der angrenzenden Quartiere. ten soll die Arbeit sinn- und identitä tsstiftend Die beschriebenen Formen der Vernetzung be- sein – sie ist ein bedeutender Aspekt der Selbst- stä tigen denn auch das eher ü berraschende Bild verwirklichung und die Anforderungen an den einer im Nahumfeld vernetzten Bevö lkerung, die Job sind daher sehr hoch. Die Arbeitstä tigkeit gerne in einem stä dtischen, heterogenen All- steht jedoch in Konkurrenz zur Freizeit und den tagsumfeld lebt. Die Verbundenheit mit dem vielen Optionen der Lebensgestaltung. Erstaun- eigenen Wohnquartier fä llt unter den Befragten lich homogen sind die Vorstellungen ü ber die unterschiedlich aus. Dies liegt zum einen daran, Freizeitgestaltung. Haushaltsarbeiten, Aktivitä - dass die Mehrheit der Befragten im Ausland o- ten mit dem/der Partner*in sowie Freunden, der in anderen Regionen der Schweiz aufge- Events und Sport mü ssen neben dem Beruf ge- wachsen ist. Es hat zum anderen damit zu tun, pflegt werden und fü hren zur Erfahrung einer zu dass die Auswahl des Wohnquartiers aufgrund ausgefü llten Freizeit. Freizeit dient fü r viele des knappen Wohnraumangebots im unteren nicht der Entschleunigung des Alltags, sondern und mittleren Preissegment mehrheitlich aus stellt ein zusä tzlicher Faktor der Zeitverdichtung pragmatischen Grü nden erfolgt. Ausnahmslos dar. Eine wichtige Rolle spielt hierbei die Nut- alle Befragten bezeichnen die Suche nach einer zung von sozialen Medien. Die Aussagen zur bezahlbaren, geeigneten Wohnung als grosses Digitalisierung im Alltag zeichnen ein heteroge- Problem. nes Bild von Digital Natives, die ohne die unter- Die Auswertung der Befragungen zeigt, dass die schiedlichen Unterhaltungs- und Kommunikati- in Zü rich gut vernetzten, mit hohem kulturellem onsangebote nicht leben kö nnen, ü ber Personen, und sozialem Kapital ausgestatten Personen die sich zunehmend von gewissen Plattformen einen Vorteil geniessen: Sie gelangen einfacher distanzieren bis zu sehr kritischen Haltungen, zu Genossenschaftswohnungen oder gü nstigem die gesellschaftliche Ungleichheiten als Folge der Wohnraum ü ber Bekannte. Wä hrend Neuzuzü - Digitalisierung ins Feld fü hren. Das „rote Ding ger*innen beispielsweise Tabellen mit Neubau- auf dem Handy“, das leuchtet, und der Zwang, in 5
sozialen Netzwerken, Bilder von coolen Events, Dass Zü rich fü r Neuzuzü ger*innen auch eine Reisen, Restaurantbesuchen und vielen weiteren kurzfristige Bleibe aber kein Herzensort ist, wi- Freizeitbeschä ftigungen zu posten, sind bei eini- derspiegelt sich in der hohen Anzahl Um-, Zu- gen der Befragten stä ndig prä sent. und Wegzü ge. Die vielfä ltigen Begrü ssungsange- bote der Stadt fü r Neuzugezogene werden eher selten genutzt oder sind wenig bekannt. Eng- Herausforderungen im Alltag lischsprachige Personengruppen aus dem Aus- Die Befragten als Vertreter*innen der Alters- land bemä ngeln, dass sowohl die offiziellen Sei- gruppe der 30- bis 39-Jä hrigen bezeichnen mit ten der Stadtverwaltung als auch nationale Zei- wenigen Ausnahmen Stress als die Herausforde- tungen, Blogs und Netzwerke kaum in Englisch rung im Alltag: Trotz Trennung in eine Arbeits- publizieren. Viele der Befragten bewegen sich und Freizeitbox fü hren die vielen Mö glichkeiten auch aufgrund dieser Sprachbarrieren in digita- – die selbst auferlegten und die gesellschaftli- len Netzwerken ihrer eigenen Community. Die chen Anforderungen – dazu, dass „man irgend- fehlende Mö glichkeit der politischen Partizipati- wie mit allem beschä ftigt“ ist und man „stä ndig on fü r auslä ndische Stadtbewohner*innen ist ein an zu vielen Sachen gleichzeitig herumrü hrt“. dringendes Anliegen. Ausnahmslos alle Befrag- Die Erfahrung der stä ndigen Optionen verdich- ten, welche kein Schweizer Bü rgerrecht haben, tet sich besonders in dieser Lebensphase, die in mö chten nicht ausschliesslich als Arbeitstä tige der Biografieforschung auch als Rush Hour of willkommen sein und zumindest auf kommuna- Life bezeichnet wird. Die Arbeit verlangt stete ler Ebene mitbestimmen, mitreden und ü ber das Erreichbarkeit. Aufstiegsoptionen und Weiter- lokale Geschehen informiert werden. Schliess- bildungsangebote stehen im Widerstreit mit lich begrü sst auch eine grosse Mehrheit der In- Mö glichkeiten, die Freizeit sinnerfü llt zu nutzen terviewten mit Schweizer Bü rgerrecht die Ein- und an der Selbstoptimierung zu arbeiten. Oft ist fü hrung der politischen Mitwirkungsrechte fü r es eine Lebensphase, in der die Familiengrü n- Auslä nder*innen unter bestimmten Bedingun- dung die Organisation des bereits vorher dicht gen. Einige Schweizer Gemeinden kennen be- gefü llten Alltags auf die Probe stellt. reits die politischen Rechte fü r auslä ndische Bü rger*innen, dies allerdings unter unterschied- Netzwerke, Engagement und Mitbestimmung lichen Bedingungen: Meist sind sie an eine mi- Die Mehrheit der achtzehn befragten Personen nimale Aufenthaltsdauer und/oder eine Nieder- bewegt sich in sehr homogenen Gruppen und lassungsbewilligung geknü pft. Fü nf Westschwei- trifft sich in den gleichen (Frei-)Rä umen oder an zer Kantone haben das Auslä nderstimmrecht fü r denselben Events. Das Bild einer Blase, in der alle Gemeinden des Kantons eingefü hrt (Jura, diese Altersgruppe lebt, zeigt sich auch bei For- Neuenburg, Waadt, Freiburg und Genf). Einige men und Arten, Gemeinschaft und Netzwerke zu wenige Deutschschweizer Kantone stellen es pflegen und sich zu engagieren. Der Begriff der Gemeinden frei, ein solches fakultatives Stimm- Sinn-Nomaden umschreibt zudem die Suche und Wahlrecht einzufü hren (Appenzell Ausser- zwischen sinnvoller Arbeit und immer neuen roden, Graubü nden und Basel-Stadt) (EKM Mö glichkeiten, – Lebensformen, Szenen, Kons- 2016). UÜberdies verfü gen auch Bü rger*innen umstilen –, die offenstehen, und der Dringlich- der Europä ischen Union ü ber ein Kommunal- keit, ein glü ckliches, und abwechslungsreiches wahlrecht ihres Hauptwohnsitzes, unabhä ngig Leben zu fü hren. Die Individuen benö tigen hier davon, in welchem Mitgliedstaat sich dieser be- auch Ressourcen, finanzielle wie soziale und findet. kulturelle, um mit dieser Offenheit umgehen zu kö nnen. Freiwilliges Engagement erfolgt gezielt, Visionen und Wünsche themenorientiert und in der Tendenz kurzfristig. Die Visionen und Wü nsche fü r Zü rich bilden Viele der Befragten wü rden sich gerne stä rker schliesslich ein breites Spektrum ab. Zü rich wird engagieren, wenn es die Zeit zulassen wü rde. als attraktive Stadt mit einem reichen Angebot 6
an kulturellen Veranstaltungen, Events, Treff- Im Zentrum stehen dabei folgende Fragen: Wie punkten, Gastronomie, Konsum sowie grosszü - wird der Alltag unter bestimmten Kontextbedin- gigen und zu Fuss erreichbaren Plä tzen, Frei- gungen gestaltet? Wie sehen konkrete alltä gliche rä umen und Naherholungsmö glichkeiten wahr- Praxen in den Handlungsfeldern Beruf, Hausar- genommen. Fü r einige ist Zü rich jedoch auch beit, Care fü r andere, Freizeit, Freundschafts- eine Stadt, welche „zu homogen und aufgerä umt und Verwandtschaftsnetzwerke aus? Wie deuten ist“ oder sich „superfancy“ zeigt. Diversitä t und und erklä ren die Befragten ihr Handeln? Vielfalt mü ssten mehr gelebt werden. Neben Schliesslich ist die Lebensfü hrung eingebettet in hervorragenden sozialen Institutionen werden die Lebensbedingungen in der Stadt Zü rich, in im Asylbereich Verbesserungen gewü nscht. den Arbeitsmarkt, Leistungssysteme und Infra- Deutlich wird bei allen Befragten, dass die Ver- strukturen oder in stadträ umliche Bedingungen, einbarkeit von Familie und Beruf enorm heraus- Quartiere und Wohnsiedlungen. Einen wesentli- fordernd ist und eine zeitgemä sse Familienpoli- chen Faktor bilden dabei rä umliche und zeitliche tik dringend erwü nscht wird. Die Limmatstadt Voraussetzungen der Alltagsfü hrung, die we- ist teuer im Vergleich zu anderen internationa- sentlich von einer Stadt beeinflusst werden, aber len Standorten und schliesst damit viele aus: aus Sicht der Individuen den Rahmen fü r Optio- „Wenn man wenig Geld hat, ist es sehr anstren- nen und Mö glichkeiten bieten. gend“. Mehr Mut zum Risiko und eine progressi- vere Politik, welche Trends frü hzeitig erkennt, Spricht man von einer Alterskohorte, sind die wü nschen sich andere – etwas zu versuchen und individuellen Biografien immer auch in poli- auch zu scheitern, wie dies andere europä ische tisch-ö konomische und gesellschaftliche Ver- Stä dte bereits tun. hä ltnisse eingebettet. Ein bestimmender Faktor bei biografischen Konzepten seit den 1990er- Jahren sind zum einen die zunehmenden Optio- nen, aus denen gewä hlt werden kann: Sinn- 2. Theoretische Zugänge: Begriffe Nomaden (Beck/Beck-Gernsheim 1994) ist das und Debatten Stichwort dazu, weil Akteure aus Sinn-Mä rkten – „Es ist einfach zuviel auf diese zehn Jahre Weltdeutungsangeboten, Lebensformen, Szenen, reingequetscht.“ W/33/1 Kind*/CH/K3 Lifestyle-Angeboten, Konsumstilen usw. – le- bensweltliche Teilorientierungen auswä hlen, die oft nur fü r kurze Zeit Gü ltigkeit haben (Prisching Theoretische Konzepte und Schlüsselbegriffe 2010). Die Individuen werden zu Konstrukteu- Die vorliegende Studie befasst sich mit dem All- ren ihres Ichs, zu Gestaltern ihrer Zukunft und tag, den Perspektiven und Herausforderungen kö nnen sich zwischen zahlreichen Formen der einer bestimmten Alterskohorte. Das soziologi- Selbststilisierung, Rollen und Sinnwelten ent- sche Konzept der Alltäglichen Lebensführung scheiden. Dies erfordert jedoch materielle und ist ein deskriptiv-analytisches Konzept, das den soziale Ressourcen, aber auch die Fä higkeit, mit Alltag, die konkreten Praxen, aber auch die Kon- offenen und ambivalenten Entscheidungen um- textbedingungen des Handelns mit subjektiven zugehen (Keupp 1999). Perspektiven verbindet (Dunkel 2001). Es wur- de in den 1980er-Jahren entwickelt, um Auswir- Zum anderen lä sst sich mit Blick auf die Verdich- kungen gesellschaftlichen Wandels seit Mitte der tung und Gleichzeitigkeit von Anforderungen an 1960er-Jahre zu erfassen. Modernisierungsfol- Karriereentwicklung und Familiengrü ndung der gen in der Arbeitswelt, verä nderte Geschlechter- Schlü sselbegriff der Rush Hour of Life als we- rollen, Digitalisierung und neue Praxen der Mo- sentliches Kennzeichen der Lebensfü hrung nen- bilitä t haben seit Beginn des 21. Jahrhunderts nen (BMFSFJ 2006; Bittman/Rice 2000). Die dazu gefü hrt, dass das Konzept wieder an Aktua- Rush-Hour des Lebens bezeichnet in der Sozio- litä t gewonnen hat (z. B. Zeiher 2017). logie die Lebensphase vom Abschluss der Be- 7
rufsausbildung bis zur Lebensmitte, einschliess- vö lkerung, Altersklassen und Stadtquartieren lich der Phase der Familiengrü ndung, und be- sowie Quartieranalysen und dem sozialen Status schreibt damit wesentliche Herausforderungen bildete die Grundlage fü r die Bestimmung von der Lebenspraxis dieser Altersgruppe. Der Be- stä dtischen Wohnquartiere, in denen die Alters- griff bringt zum Ausdruck, dass durch spä teren gruppe anteilsmä ssig ü ber- bzw. unterdurch- Berufseinstieg/Karrierebeginn einerseits und schnittlich vertreten ist. Damit konnten typische weitgehend festgelegtes Ende der Zeit fü r Fami- Wohn- und Lebenslagen eruiert, die Mehrheits- liengrü ndung andererseits Berufsaufstieg und gruppe als Regelfä lle sowie kontrastierende Fä l- Familiengrü ndung immer ö fter gleichzeitig in le identifiziert werden. Im Zentrum des For- kü rzerer Zeitspanne zu bewä ltigen sind. Das schungsprojektes stand ein qualitativer Zugang Balance- und Vereinbarkeitsmanagement wird mit dem Ziel, die Perspektiven, Interessen, Her- zu einer zentralen Herausforderung, die im Falle ausforderungen und Potentiale dieser Alters- von Lebensformen mit Kindern je nach Ressour- gruppe mittels konkreter Aussagen aufzuzeigen. cen sowie geschlechterbezogen unterschiedlich akzentuiert ist (Jurcyk 2007; Jurcyk et al. 2009: Zwischen Mitte Juni und Ende Juli 2018 wurden S. 61). Die beschriebenen Konzepte und Schlü s- leitfadengestü tzte Interviews mit 18 in Zü rich selbegriffe waren neben anderen Faktoren fü r lebenden Personen zwischen 30 und 39 Jahren die Entwicklung des Interviewleitfadens mass- durchgefü hrt. Auf Basis der rund einstü ndigen gebend. Interviews wurden in Anlehnung an Verfahren der Grounded Theory in drei Auswertungspha- sen Perspektiven, Interessen und Herausforde- rungen dieser Altersgruppe mittels konkreter 3. Methoden und Vorgehen Aussagen erarbeitet. Die fü nfzehn dem Interviewleitfaden zugrunde- Basis der Studie bildet eine stadtethnographi- liegenden Kategorien dienten dabei dazu, das sche Forschungsperspektive, die die Auswertung Interview inhaltlich zu strukturieren. Die Kate- bestehender Sekundä rdaten aus der Bevö lke- gorien betreffen zum einen die Lebensbedin- rungsbefragung der Stadt Zü rich, Daten der gungen und den Alltag der Befragten im Wohn- Schweizerischen Arbeitskrä fteerhebung (SAKE) quartier, ihre Mobilitä t und Fragen zur alltä gli- und ö ffentlich zugä ngliche Bevö lkerungsdaten chen Lebensfü hrung sowie Arbeit, Freizeit und (Stadtentwicklung Stadt Zü rich 2018) mit explo- die Rolle der Digitalisierung. Die beschriebenen rativen sozialrä umlichen Analysen und lebens- theoretischen Konzepte und Schlü sselbegriffe weltlichen Interviews verbindet. In einem ersten dienten dazu, spezifische Herausforderungen Schritt ermö glichten eine Literaturrecherche zu dieser Altersgruppe zu identifizieren: Erfahrun- zentralen Konzepten und die Analyse demogra- gen von Stress im Alltag, die biographische Situ- fischer, ö konomischer und sozialer Merkmale ation, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine UÜbersicht ü ber wesentliche Faktoren, wel- sowie bei den meisten Befragten die besondere che die Altersgruppe der 30- bis 39-Jä hrigen Lebenslage als aus anderen Regionen der auszeichnen. Schweiz oder dem Ausland Zugezogene. Auf- grund statistischer Daten und der Bevö lke- Die explorative Auswertung von Statistiken, Stu- rungsbefragung 2015 der Stadt Zü rich (Stadt- dien und Szenarien zu Lebensfü hrung, Arbeits- entwicklung Stadt Zü rich 2018) wurden und Haushaltsformen, Familiengrü ndung und zu schliesslich Fragen nach politischen Interessen sozialen Netzwerken fokussierte auf einer zwei- bezü glich der Stadt Zü rich, Medienkonsum, Par- ten Untersuchungsebene auf Herausforderungen, tizipation und Visionen fü r die Zukunft gestellt. so zum Beispiel die Frage der Vereinbarkeit von Die Interviewtranskripte wurden in einem Berufs- und Familienleben. Die Auswertung be- mehrstufigen Verfahren individuell ausgewertet. stehender kleinrä umlicher Daten zur Wohnbe- Die in einem ersten Schritt anhand einer offenen 8
Codierung eruierten Themen und Kategorien Qualitative Forschung hat hier nicht den An- wurden in einem zweiten Schritt im Rahmen spruch, statistisch relevante Aussagen ü ber die- einer vergleichenden Analyse im For- se Altersgruppe zu erheben, sondern Lebenswel- schungsteam mit dem Ziel ausgewertet, eine ten „von innen heraus“ aus Sicht der Befragten verdichtete Narration zu Kernkategorien, – zum zu beschreiben (Flick/Kardoff/Steinke 2005: Beispiel was diese Altersgruppe auszeichnet –, 14). Qualitative Forschung ist dabei „nä her dran“ zu erzä hlen (z. B. Gö tzö 2014). Die im Rahmen am Alltag und an den Bedü rfnissen der Befrag- der Auswertung vorgestellten Ergebnisse folgen ten und erö ffnet eine unbekannte Sicht auf sta- zwar den fü nfzehn fü r den Interviewleitfaden tistisch bestimmbare Bevö lkerungsgruppen. definierten Kategorien, sollen jedoch ein hetero- Dieser Zugang ermö glicht es, ein umfassendes genes Bild der Altersgruppe zeichnen, das auch und gleichzeitig differenziertes und heterogenes Einzelfä lle und spezifische Perspektiven der Bild zu Alltagsfü hrung, Interessen, Herausforde- Befragten reprä sentiert. Durch das kontinuierli- rungen, Identifikation, gesellschaftlicher und che Vergleichen der Kategorien und achtzehn politischer Beteiligung, Zugehö rigkeit sowie Fallbeispiele wird damit eine komplexe und va- Anliegen und Visionen der Befragten zu zeich- riationsreiche Darstellung der Aussagen er- nen. Die Ergebnisse bildeten zusammen mit der reicht, die sich in den Zitaten und „Alltagstheo- Datenauswertung die Grundlage, um Hand- rien“ der Befragten selbst verdichtet. Die Aus- lungsstrategien und Empfehlungen in Bezug auf wertung und Analysen der Forschenden dienten die Bedü rfnisse der Altersgruppe entwickeln. dabei der Ordnung und Vermittlung der empiri- schen Ergebnisse ohne den Anspruch, ü ber die Aussagen hinaus abschliessende oder gar objek- tivierbare Erkenntnisse aus Sicht der Forschen- den zu generieren oder widersprü chliche Aus- sagen zu werten. Grafik 1: Anteile 20-29, 30-39 und 40-49-Jährige, 1993, 2004, 2017 und 2025 (mittleres Szenario) Eigene Berechnung auf Basis: Statistik Stadt Zü- rich, Bevölkerung seit 1993, Bevölkerungs- szenarien 9
4. Wer sind die 30- bis 39- (2013/2015/2017) miteinbezogen. Die Auswer- Jährigen in der Stadt Zürich? tungen dieser vier Sekundä ranalysen beziehen sich nicht ausschliesslich auf die Altersgruppe der 30- bis 39-Jä hrigen, dienen jedoch der Kon- Zü rcherinnen und Zü rcher zwischen 30 und 39 textualisierung der Erkenntnisse und stellen Lebensjahren sind die grö sste 10-Jahres- wichtige Ergä nzungen dar, welche fü r die Ausar- Alterskohorte in Zü rich. Ihr Anteil machte im beitung des qualitativen Interviewleitfadens und Jahr 2017 rund 21.1 Prozent (89‘315 Personen) Samples erforderlich waren. der Gesamtbevö lkerung (423‘310 Personen) aus (Statistik Stadt Zü rich 2017). Soziodemografische Merkmale Seit 1993 ist diese Altersgruppe durch internati- - Grö sste 10-Jahres-Alterskohorte in der Stadt onale Zuwanderung stetig gewachsen und seit Zü rich, Wachstum der Alterskohorte aus- 2009 bilden die im Ausland geborenen Zü r- schliesslich durch Zuwanderung cher*innen mit ü ber 55% die Mehrheit in dieser - 55% ist im Ausland geboren, 5.5% sind seit Alterskohorte. Im Vergleich mit den rund 40% Geburt in Zü rich Anteil auslä ndischer Bü rger*innen in der Ge- - 36.8% sind aus dem Ausland direkt nach samtbevö lkerung der Stadt Zü rich ist dies eines Zü rich gezogen, wä hrend 57.7% aus der der charakteristischen Merkmale der 30- bis 39- Schweiz nach Zü rich gezogen sind (inklusive Jä hrigen (Stadtentwicklung Stadt Zü rich 2018). Foreign Born) Gemä ss mittlerem Bevö lkerungsszenario fü r das (Quelle: Stadtentwicklung Stadt Zürich 2018) Jahr 2025 wird der Anteil der 30- bis 39- Jä hrigen in der Stadt Zü rich zwar erstmals seit 1993 marginal abnehmen (-0.3%), hingegen Sozioökonomische Merkmale & Arbeits- wird anteilsmä ssig die Alterskohorte der 40- bis markt 49-Jä hrigen leicht zunehmen (+1.1 %). - Stä rkste Einbindung in den Arbeitsmarkt: 92% Erwerbstä tige, im Vergleich mit der Ge- Was zeichnet diese Gruppe aus? Der Blick auf samtbevö lkerung findet sich in der Altersko- die Datenauswertungen der Stadtentwicklung horte der grö sste Anteil mit Tertiä rabschluss Zü rich zeigt, dass eine Mehrheit der 30- bis 39- (67%) Jä hrigen Zü rcher*innen eine eigene Migrations- - Ca. 49% arbeiten in einem akademischen geschichte hat, als Akademiker*innen in hohem Beruf oder sind Fü hrungskrä fte, ca. 15% Masse in den Arbeitsmarkt integriert sind, je- Techniker*innen oder gleichrangig, ca. 12% doch aufgrund einer auslä ndischen Staatsange- Fü hrungskrä fte, ca. 10% Bü rokrä fte, ca. 10% hö rigkeit beinahe die Hä lfte von der demokrati- Dienstleistungsberufe, ca. 5% Handwerksbe- schen Mitsprache in der Schweiz ausgeschlossen rufe, ca. 2% Fachkrä fte Land- ist (Stadtentwicklung Stadt Zü rich 2018). /Forstwirtschaft (Quelle: Stadtentwicklung Stadt Zürich 2018) Die wichtigsten Erkenntnisse der unverö ffent- lichten Datenauswertung der Projektgruppe Haushaltsformen, Familiengründung, Haus- „Stadt der Zukunft II“, welche als Faktenbasis fü r arbeit und Kinderbetreuung die vorliegende Studie dient, werden im Folgen- - 55% leben in Ein- oder Zweipersonenhaus- den zusammengefasst dargestellt. Im Hinblick halten ohne Kinder auf Haushaltsformen, Familiengründung, Haus- − 30% leben in einem Haushalt mit Kindern arbeit und Kinderbetreuung sowie Zuwanderung, - 10% leben in kollektiven Haushaltsformen Nationalitätenmix und Aufenthaltsdauer wurden (Wohngemeinschaften) zudem Erkenntnisse aus der Studie des Bundes- (Quelle: Stadtentwicklung Stadt Zürich 2018) amts fü r Statistik (2017) sowie Datenauswer- tungen der Statistik Stadt Zü rich 10
- In der Stadt Zü rich beträ gt das durchschnitt- - Die weitaus grö sste Gruppe der Zuziehenden liche Alter der Mutter bei Geburt des ersten kommt aus Deutschland (ca. 25.3% im Ver- Kindes 32-34 Jahre gleich zu allen Zuziehenden) - Generelle stä dtische Entwicklungen: Einper- - Die Mehrheit der Zuzü ger*innen ist zwischen sonenhaushalte abnehmend, Familienhaus- 20 und 35 Jahre alt halte zunehmend - Die neun hä ufigsten Nationalitä ten sind: Ita- − Patchwork-Haushalte sind (noch) selten – lien, Portugal, Spanien, OÖ sterreich, Frank- Familien, die getrennt in zwei Wohnungen reich, Grossbritannien, Serbien, Tü rkei, Indi- leben, werden statistisch nicht als Einheit er- en fasst - Ca. 60% der Zuzü ger*innen leben we- - Familieninterne Kinderbetreuung: leichte niger als 3 Jahre in der Stadt Zü rich Zunahme Anteil der Vä ter und Betreuung (Quelle: Statistik Stadt Zürich 2013/Statistik durch beide Elternteile Stadt Zürich 2017) − Rund 80% der Familien nutzen familienex- terne Kinderbetreuung; bei rund 62% der Politische Partizipation, (Un-)Zufriedenheit Familien ü bernehmen Mü tter hauptsä chlich und Wünsche die Hausarbeit - Paare mit (einem) Kleinkind leben hä ufig - Knapp 50% hat kein Stimm- und Wahlrecht zentraler als Ehepaare mit mehreren und ä l- - Das lokale Politikinteresse der 30- bis 39- teren Kindern Jä hrigen ist verhä ltnismä ssig tief; sie fü hlen (Quelle: Statistik Stadt Zürich 2013/Statistik sich ö fter «ü berhaupt nicht gut» durch Stadt- Stadt Zürich 2015) und Gemeinderat vertreten - Grü nde dafü r finden sich bei fehlenden poli- tischen Rechten als Auslä nder*innen sowie - In der Schweiz liegt die Anzahl Kinder tiefer dass «zu wenig» fü r die Integration getan als die in jungen Jahren gewü nschte Anzahl werde - Dies gilt spezifisch fü r Frauen mit Tertiä rab- - Politikfelder, welche in der Altersgruppe eine schluss und Karriereabsichten ü berproportionale Unzufriedenheit im Ver- − Stä rkste beeinflussende Aspekte bei Ent- gleich mit der Gesamtbevö lkerung aufzeigen: scheid fü r ein Kind: Qualitä t der Beziehung, Stadt engagiert sich «zu wenig» fü r: Fö rde- Arbeitsbedingungen, Kinderbetreuungsmö g- rung des Velofahrens (56%), Gleichstellung lichkeiten und Aufteilung der Kinderbetreu- (39%), Integration (38%), verkehrsberuhi- ung gende Massnahmen (35%), Verbesserung (Quelle: Bundesamt für Statistik 2017) Umweltsituation (35%) (Quelle: Stadtentwicklung Stadt Zürich 2018) Zuwanderung, Nationalitätenmix und Auf- enthaltsdauer - Die Alterskohorte ist geografisch hoch mobil - 30% der Umzü ge innerhalb der Stadt und 5. Wo leben die 30- bis 39- 30% der Wegzü ge aus der Stadt Zü rich erfol- Jährigen? gen durch 30- bis 39-Jä hrige - Ausgeglichener Wanderungssaldo: Zu- und Wegwanderung halten sich die Waage Die Bevö lkerungsbefragung 2015 von rund (Quelle: Stadtentwicklung Stadt Zürich 2018) 2‘500 in der Stadt wohnhaften Personen ab 18 Jahren zeigt, dass die tiefe Zufriedenheit mit der - Rund 85% aller in die Stadt Zü rich Zuziehen- aktuellen Wohnung ein besonderes Merkmal den stammen aus einem europä ischen Land innerhalb dieser Altersgruppe ist. Grü nde dafü r sind die Grö sse der Wohnung, die dicht bebaute Wohnumgebung und das Preisniveau. Der Anteil, 11
welcher in gemeinnü tzigen Wohnungen lebt, ist Zentrumsangebote, der Grü n- und Freirä ume in der untersuchten Alterskohorte deutlich ge- sowie der kurzen Distanzen zu Verkehrs- und ringer im Vergleich zur Gesamtbevö lkerung und Dienstleistungen sehr beliebt. beinahe 60% wü nschen sich, dass mehr Wohn- raum in der Stadt Zü rich geschaffen wird. Ein Wohnraum ist knapp Drittel hat denn auch konkrete Umzugsabsichten Die aufgefü hrten Wohnlagen werden jedoch (Stadtentwicklung Stadt Zü rich 2018). vielfach nicht anhand von Angebot und Nachfra- ge gewä hlt. Der soziale Status, die Familiensitua- Trendquartiere werden bevorzugt tion, das Einkommen, individuelle Lebensstile Die Auswertung der Wohnbevö lkerung nach und Erwartungen bestimmen, wie man leben Altersklassen und Stadtkreisen zeigt deutlich, mö chte. In der Mehrheit der durchgefü hrten 18 dass die Altersgruppe der 30- bis 39-Jä hrigen Interviews wird das knappe Wohnraumangebot ü berdurchschnittlich stark in den Trendquartie- im unteren und mittleren Preissegment in der ren der Stadtkreise 3, 4 und 5 vertreten ist. An Stadt Zü rich als grosse Problematik hervorgeho- der Spitze findet sich das Quartier Escher Wyss ben, welche die Wahlmö glichkeiten wesentlich mit einem Anteil von knapp 33%, dicht gefolgt einschrä nkt. Auffallend ist zudem, dass Umzü ge von den Quartieren Langstrasse (30.8%), Werd in Aussenquartiere hä ufig auf die Familiengrü n- (28.7%), Sihlfeld (26.9%), Gewerbeschule dung folgen oder parallel dazu verlaufen. Paare (26.7%) und schliesslich Alt-Wiedikon (26.2%). mit einem Kleinkind leben laut Statistik Zü rich Der Blick auf die 10 Stadtquartiere mit den tiefs- hä ufig zentraler als Ehepaare mit mehreren und ten Anteilen der 30- bis 39-Jä hrigen verdeutlicht ä lteren Kindern. Demzufolge findet sich eine die relativ starke rä umliche Konzentration und rä umliche Konzentration von Familien mit Kin- anteilsmä ssig grossen Unterschiede zwischen dern im Vorschulalter unter 5 Jahren in den den einzelnen Quartieren und Kreisen. Quartieren Escher Wyss, Langstrasse, Alt- Wiedikon, Familien mit Kindern zwischen 5 und 12 Jahren leben hingegen vergleichsweise hä ufi- Wie eine jü ngst durchgefü hrte Analyse auf Basis ger in den Stadtrandquartieren Friesenberg, von Daten der Statistik Stadt Zü rich zeigt, ist der Leimbach, Fluntern, Witikon sowie in den Stadt- Anteil der 30- bis 39-Jä hrigen seit 1993 insbe- kreisen 11 und 12 (Statistik Stadt Zü rich 2015). sondere in den vier Quartieren Escher Wyss (Kreis 5), Langstrasse (Kreis 4), Gewerbeschule (Kreis 5) und Sihlfeld (Kreis 3) stark angestie- gen. Der Anteil der 30- bis 39-Jä hrigen im Quar- tier Escher Wyss ist beispielsweise von knapp 19% auf 33% angestiegen, dies entspricht einem Wachstum von 14% innerhalb von 25 Jahren. Gleichzeitig ist der Anteil der unter 20-Jä hrigen, der 20- bis 29-Jä hrigen und ü ber 70-Jä hrigen in den Trendquartieren stark gesunken und Aus- lä nder*innen, insbesondere Personen aus dem Balkan, Sri Lanka, Italien, Spanien und der Tü r- kei, sind vermehrt in andere Stadtkreise umge- zogen (Feller 2017). Dies ist zum einen auf die Aufwertung dieser Quartiere, den Neubau von Wohnungen und dem damit zusammenhä ngen- den Anstieg der Mietzinse zurü ckzufü hren. Zum anderen sind die Stadtkreise 3, 4 und 5 bei der Altersgruppe der oft einkommensstä rkeren 30- bis 39-Jä hrigen aufgrund der hö chst attraktiven 12
Grafik 2: Wohnbevölkerung nach Altersklasse, Stadtkreis und Stadtquartier 2017 und 2025 (mittleres Szenario), höchste und tiefste Anteile in Stadtquartieren Eigene Berechnungen auf Basis: Statistik Stadt Zürich, Bevölkerungsszenarien/Alterskohorte nach Quartier: Indikator 30- bis 39-Jährige 13
Typische Wohnquartiere: Was zeichnet sie zen. Damit fö rdern sie lokale Akteursnetze (ebd., aus? 76–91). Die Auswahl eines Wohnquartiers und die Wohnzufriedenheit erfolgt jedoch nicht allein Mit Blick auf die Quartiere, in denen die Alters- aus pragmatischen Grü nden. Wertvorstellungen gruppe ü berdurchschnittlich vertreten ist bzw. und Prä ferenzen zur Lage, Infrastruktur, Versor- im Fall der Stadtrandgebiete nach einer Famili- gung und Konsum, kulturellen und sozialen An- engrü ndung hinzieht, lassen sich drei Typen geboten, die Qualitä t des unmittelbaren Woh- unterscheiden: numfelds und die Vernetzung mit dem Stadt- zentrum und Naherholungsrä umen sind eben- 1. Trendquartiere, in denen verschiedene falls wesentliche Faktoren fü r die Wohnzufrie- Milieus aufeinandertreffen: Escher Wyss, denheit (vgl. Friedrich/Muri/Santin 2010). Langstrassenquartier, Gewerbeschule Akteure der Kreativwirtschaft und Gentrifizie- Im Rahmen des Schweizerischen Nationalen rungsprozesse haben dazu beigetragen, dass Forschungsprogramms ‚Neue urbane Qualitä t’ Trendquartiere fü r Milieus mit hö herem ö ko- (NFP 65/ETHZ) wurden Merkmale gegenwä rti- nomischen Kapital interessant geworden sind. ger urbaner Qualitä ten anhand von drei Fallstu- Im Gebiet Langstrasse, das die Stadtkreise 4 und dien in der Metropolitanregion Zü rich unter- 5 verbindet, ü berlagern sich Alltags- und Frei- sucht (vgl. Kretz/Kueng 2016). Ausgewä hlte zeitnetze zahlreicher Akteursgruppen. Dabei Ergebnisse dienen im Folgenden als Grundlage kö nnen fü r das Gebiet drei zentrale Gruppen fü r eine qualitative Einordnung von fü r die Al- unterschieden werden (Murer/Bellmann 2012: tersgruppe typischen Wohnquartieren sowie 8). Die Locals stammen aus unterschiedlichen urbane Funktionen und Qualitä ten im Alltag. Milieus und ihre Alltagsnetze konzentrieren sich Hier soll nur auf einige Funktionen verwiesen wesentlich auf die Kreise 4 und 5. Dazu gehö ren werden, die in den qualitativen Befragungen alteingesessene Gewerbetreibende und Men- unserer Studie mehrfach genannt wurden. schen in prekä ren Lebenssituationen, aber auch junge urbane Trendsetter*innen, die im Quar- Zentralitä t im Wohnquartier fö rdert zum Bei- tier leben und das vielfä ltige Angebot an Kon- spiel die Aufenthaltsqualitä t: Identifikation er- sum- und Freizeitmö glichkeiten schä tzen. Zuzü- hä lt hier die Funktion, sich den Raum als eige- ger*innen aus Milieus mit hohem ö konomisch- nen anzueignen, so zum Beispiel bei der Orien- kulturellem Kapital stehen hingegen fü r Gentri- tierung von Zuzü ger*innen in Agglomerationen fizierungstendenzen. Akteurstypen, die als Ex- zum Flughafen statt zu lokalen Quartierzentren ternals bezeichnet werden kö nnen, nutzen das (vgl. Kretz/Kueng 2016). Aus Alltagsperspektive Quartier sporadisch als Quartierliebhaber, weil bedeutet dies, dass die Alltagsnetze – Arbeits- es fü r ungewö hnliche Ladenkonzepte und Le- wege, Versorgung, Schulwege, Interaktionen im bensstile bekannt ist: „Wenn Zü rich urban ist, ö ffentlichen Raum – und Freizeitnetze – Wege dann hier. Urban heisst, wenn man machen zum Sport, zu Events, der Besuch von Freunden kann, was man will. (...) Ich finde es per se – sich rä umlich und zeitlich dicht und auf vielfä l- scharf hier zu sein.“ Galerist Langstrasse (Bibas- tige Weise ü berlagern. Eine grosse Vielfalt an sis 2010: 15) Konsumangeboten wiederum fü hrt dazu, dass die Akteure in unmittelbarer Nä he ihres Arbeits- 2. Mischgebiete mit Entwicklungsdruck: und Wohnstandortes einkaufen gehen und damit Werd, Sihlfeld, Alt-Wiedikon, Letzi das Interaktionspotential steigt. Die Kleinlä den Mischgebiete wie Wiedikon sind von spezifi- in Innenstadtquartieren wie beispielsweise im schen Wandlungsprozessen betroffen, die einer- Raum Langstrasse werden oft langjä hrig von seits als Urbanisierung im Sinne einer positiven gleichen Besitzern gefü hrt, die die Kunden ken- moderaten Urbanitä t und andererseits als Gent- nen und die Geschä fte auch als Treffpunkte nut- 14
rifizierung mit negativen Folgen fü r urbane All- am Wohnort mitzugestalten. Dabei kö nnen ver- tagsqualitä ten bezeichnet werden kö nnen schiedene Dimensionen von sozialen Netzwer- (Blumer/Schö ni 2011: 8). Grosse Teile der Be- ken relevant sein. Dazu gehö ren Freunde, Be- vö lkerung schä tzen zwar die neuen urbanen kannte, Nachbar*innen, soziale Medien, Vereine Qualitä ten, tragen jedoch wenig zur Diversitä t oder Organisationen. Die Arten der Vernetzung des Konsumangebots bei, weil sie fü r ihren All- spiegeln jedoch auch die hohe Mobilitä t im All- tagsbedarf nicht beim Hä ndler um die Ecke ein- tag und die Frage, ob Freundschaften im Nahum- kaufen. Die Entwicklungsgebiete stehen an der feld oder in globalen Netzwerken von Bedeutung Schwelle zum Trendquartier mit spezifischen sind. Die Formen der Vernetzung zeichnen denn Konsumprä ferenzen: „Wiedikon ist ein Multikul- auch das eher ü berraschende Bild einer im Nah- tiquartier. Man hat viele Latinos, Brasilianer und umfeld vernetzten Bevö lkerung, die gerne in Italiener. (...) Der Grund war die Lage und nicht einem stä dtischen, heterogenen Alltagsumfeld der Preis (...) Ich kann alles zu Fuss erreichen. lebt. Eine typisch mobile Alltagsorganisation mit (...) Ich kann aus dem Haus gehen, 20 bis 30 hohen Pendeldistanzen fü r Arbeit und Freizeit Meter laufen, und erreiche eine Auswahl von schliesst dabei nicht aus, dass ein formelles En- drei bis vier Bistros. Ich weiss, dass ich immer gagement oder eine freiwillige Tä tigkeit gezielt bis 21.00 Uhr einkaufen gehen kann.“ Akteurs- im Quartier ü bernommen wird. typ „Frischling“ Wiedikon. Soziale Vernetzung in der Stadt Zürich 3. Wohngebiete am Stadtrand mit Entwick- Eine Zusatzauswertung der Bevö lkerungsbefra- lungsdruck und Ersatzneubauten: Seebach, gung 2011 zur sozialen Vernetzung in der Stadt Schwamendingen Zü rich (Brunner 2011) lieferte dazu folgende Befunde: Kennzeichnend fü r Stadtrandquartiere wie Schwamendingen sind die zunehmend hetero- Rund 56% der Gesamtbevö lkerung sind in ei- gene Zusammensetzung der Bevö lkerung und nem Verein oder einer Organisation aktiv und entsprechend unterschiedliche Netzwerke, die wenden im Monat rund 10 Stunden fü r diese im Quartieralltag jedoch nicht zusammenfinden. Tä tigkeiten auf. Mit Blick auf die Altersgruppe Verschiedene Akteursgruppen stehen vor dem der 30- bis 39-Jä hrigen wurde festgestellt, dass Hintergrund unterschiedlicher Lebenssituatio- diese unterdurchschnittlich in religiö sen und nen und Erwartungen im Alltag, hier beispiel- kirchlichen Vereinen vertreten ist. Rund 33% haft die Aussage eines neu Zugezogenen: „Ich der untersuchten Alterskohorte sind als infor- habe viel mehr erwartet. (...) Schwamendingen mell Freiwillige in der Nachbarschaft und dem ist nicht Teil der Stadt. Es ist hinter dem Hü gel.“ Quartier tä tig, sie wenden dafü r ca. 7.5 Stunden Architekt (May/Ronchetti 2013: 20). Diese Er- pro Monat auf. Zum Vergleich: die 60- bis 69- kenntnis zeigt sich auch in den Aussagen von im Jä hrigen wenden beinahe doppelt so viele Stun- Rahmen der vorliegenden Studie Befragten aus den auf. Freiwillige Tä tigkeiten werden bei den Schwamendingen. 30- bis 39-Jä hrigen grundsä tzlich eher von Frauen ausgefü hrt. Dabei ergibt sich folgende Verteilung: - 21% Organisation von Treffen/Veranstalt- ungen: überdurchschnittlich besserverdie- 6. Soziale Netzwerke nende Männern bzw. Akademiker - 24% persönliche Hilfeleistungen: überdurch- schnittlich ältere, alleinstehenden Personen Ein wesentlicher Faktor fü r die Identifikation mittlerer Einkommenslage mit einer Stadt und die Erfahrung von Zugehö - - ca. 42% Kinder hüten: junge und Frauen rigkeit ist die Vernetzung mit anderen Menschen mittleren Alters mit Familie und die Mö glichkeit, die eigene Lebensqualitä t 15
Hinsichtlich der räumlichen Organisation der Internet (soziale Medien und Blogs) am häufigs- Vernetzung in der Gesamtbevölkerung der Stadt ten für die Freizeitorganisation, Diskussionsteil- Zürich sind Freundes- und Bekanntenkreise im nahmen und Vereinsaktivitäten nutzt. Kulturelle Generellen territorial an die Stadt oder den Kan- Tätigkeiten als Anlass zur Gemeinschaftsbildung ton gebunden. Sie sind abhängig von Lebenszyk- und Kultureinrichtungen werden eher von bes- lus, Migration, Wohnort, Schule oder Arbeits- serverdienenden Personen mit höherem Bil- platz. Der Quartierbezug ist hingegen vor allem dungsniveau genutzt. Der Vernetzungseffekt ist für jüngere und ältere Altersgruppen relevant. gegenüber formellen und informellen Tätigkei- Betrachtet man die Verteilung der Wohnorte der ten kleiner. Bei den 30- bis 39-Jährigen sind Freundes- und Bekanntenkreise der untersuch- Kino, Kunsthaus, Galerien und Konzerte die prä- ten Altersgruppe, ergibt sich folgendes Bild: ferierten kulturellen Tätigkeiten (Brunner - ca. 41 % Stadt Zürich, davon 5% gleiches 2011). Quartier - ca. 25% Kanton Zürich - ca. 13% Ausland - ca. 11% ganze Schweiz 7. Sample Interviews Nachbarschaftliche Netzwerke Nachbarschaftsbeziehungen als soziale Netz- Das Sample der im Rahmen dieser Studie durch- werke sind grundsätzlich weniger vom Ge- gefü hrten Interviews umfasst 18 Personen. Da- schlecht bestimmt, jedoch abhängig vom Zeit- bei war ein wesentliches Kriterium der Auswahl punkt des Zuzuges, des Einkommens, dem Ar- von Interviewpartner*innen, dass typische de- beitspensum, dem Alter und den Haushaltsty- mografische Merkmale der in Zü rich wohnhaften pen, wobei Singles weniger private Interaktio- 30- bis 39-Jä hrigen berü cksichtigt werden. Hier- nen pflegen. Die Altersgruppe der 30- bis 39- fü r dienten die Erkenntnisse aus der Datenaus- Jährigen findet Aussagen «kann man vertrauen», wertung der Stadtentwicklung Zü rich (Stadt- «eng miteinander verbunden» sowie «Leute entwicklung Stadt Zü rich 2018), der Statistik helfen einander aus» mehrheitlich eher zutref- Stadt Zü rich (2013/2015/2017) sowie ö ffentlich fend, jedoch weniger stark ausgeprägt im Ver- zugä ngliche Bevö lkerungsdaten als Grundlage. gleich zu allen älteren Alterskohorten. Die nach- barschaftlichen Austauschformen der 30- bis Der homogene Anteil des Sample garantierte 39-Jährigen werden wie folgt bewertet: Kinder demnach, dass die Mehrheit der Altersgruppe aufpassen (fast nie), gemeinsames Essen (sel- mit ä hnlichen Merkmalen wie Ausbildungsgrad, ten), auf die Wohnung aufpassen (selten), über Berufstä tigkeit, Wohnquartier, Familiensituation persönliche Angelegenheiten sprechen (selten- und Geschlecht reprä sentiert ist. Mit Blick auf manchmal), bei kleinen Problemen helfen (sel- Tertiä rabschlü sse weist die Altersgruppe im ten-manchmal). Es wird deutlich, dass diese Vergleich mit der Gesamtbevö lkerung den grö ss- Alterskohorte im Vergleich weniger soziale In- ten Anteil auf. Im Sample sind Personen mit ei- teraktion mit Nachbar*innen pflegt. Trotzdem nem Tertiä rabschluss allerdings geringfü gig nehmen sie am häufigsten von allen Altersko- ü berreprä sentiert. horten wahr, «dass Leute in der Nachbarschaft Gleichzeitig wurde auf eine differenzierte Abbil- mit vorwiegend unterschiedlichen Hintergrün- dung der Unterschiede innerhalb der Altersgrup- den und Lebensvorstellungen» leben (ca. 62%) pe geachtet und es sind Personen vertreten, die (Brunner 2011). eine singulä re Sichtweise vertreten. Die hetero- gene Sampling-Strategie widmete sich zudem Digitale Vernetzung kontrastierenden Fä llen als Ergebnis der zu- Bezüglich der digitalen Vernetzung sind die 30- grundeliegenden Konzepte und durchgefü hrten bis 39-Jährigen die Altersgruppe, welche das Analysen: 16
a) Wohnquartier Typ A (Trendquartiere, zent- Idaplatz (Kreis 3) rumsnah, durchmischt) Josefswiese (Kreis 5) b) Wohnquartier Typ B (Mischgebiet mit Ent- Langstrasse (Kreis 4/5) wicklungsdruck, hoch verdichtet) Milchbuck (Kreis 12) c) Wohnquartier Typ C (Wohnquartier Stadt- Oerlikon (Kreis 11) rand) Schwamendingen (Kreis 12) d) Neuzuzü ger*innen deutschsprachig vs. nicht Wiedikon (Kreis 3) deutschsprachig e) Haushalts- und Lebensformen: Singles, Paare ohne Kinder, Familiengrü ndung als Thema, Lebensform der Interviewpartner*innen: Familien, Alleinerziehende Alleinerziehend = 1 Interview f) Arbeitsform und Berufsbiografie: langfristig, Alleinstehend = 5 Interviews kurzfristig in Zü rich; Ausbildung, Weiterbil- Eltern = 3 Interviews dung, Berufserfahrung In Beziehung = 6 Interviews g) Milieus, Lebensstile, Wertvorstellungen: Per- Werdende Eltern = 3 Interviews sonen ä hnlicher bzw. verschiedener Wertori- entierungen; Netzwerke innerhalb Zuzü ger- gruppen vs. Vernetzung im Quartier usw. Wohnhaft in Zü rich (mit Unterbrü chen) 5 – 11 Monate = 3 Interviews 1 – 4.9 Jahre = 4 Interviews Übersicht der 18 Interviewpartner*innen 5 – 6.9 Jahre = 2 Interviews 7 – 9.9 Jahre = 1 Interviews 10 – 15 Jahre = 6 Interviews ♀ =9 ♂=9 Lä nger als 30 Jahre = 2 Interviews Nationalitä ten der Interviewpartner*innen: Frü here Wohn- und Lebensorte der Inter- Deutschland = 3 Interviews viewpartner*innen: Italien = 1 Interview Aarau, Athen Kolumbien-Griechenland = 1 Interview Barcelona, Belgrad, Berlin, Bern, Bü lach Portugal = 1 Interview Chur Schweiz = 9 Interviews Dublin, Duisburg Schweiz-OÖ sterreich = 1 Interview Essen Serbien = 1 Interview Florida Vereinigte Staaten = 1 Interview Glarus Hamburg, Hawaii, Hedingen Kolumbien, Kö ln Wohnquartiere und/oder genannte Bezugsorte London, Los Angeles, Luzern der Interviewpartner*innen: Madrid, Morges, Montreal Albisrieden (Kreis 9) New Delhi, New York, Niederhasli, Nü rnberg Altstetten (Kreis 9) Paris Aussersihl (Kreis 4) Rom Bä ckeranlage (Kreis 4) Samedan, Seon, St. Gallen, Stallikon, Stuttgart Berninaplatz (Kreis 11) Toronto Bullingerhof (Kreis 4) Wallisellen, Wien, Wohlen, Wuppertal Enge (Kreis 2) Fritschiwiese (Kreis 3) Hallwylplatz (Kreis 4) Helvetiaplatz (Kreis 4) Hottingerplatz (Kreis 7) 17
Arbeitspensum der Interviewpartner*innen: 50 – 69% = 3 Interviews 70 – 89% = 4 Interviews 90 – 100% = 11 Interviews Ausbildungsstufen, Mehrfachabschlü sse und Weiterbildungen der Interviewpartner*innen: KV. Auto-Ingenieur. Master in Wirtschaft. Bachelor und Master in Architektur. KV/Multimedia Engineer HTW Chur. Master in Betriebswirtschaftslehre UZH. Master in Soziologe, PhD in Bioethik ETH. Lizentiat in Psychologie/Psychotherapie UZH. Tourismusfach/Master in Business Administration. Master in Englisch und Spanisch/Hö heres Lehramt. Studium Ingenieurwissenschaften und Architektur. Master in Umweltpolitik und Rechtswissenschaften. Detailhandelslehre BMS/Bachelor in Sozialer Arbeit. Lehre als Bä cker/Konditor/Bachelor in Architektur FH. Studium Stadt- und Regionalplanung/Doktorat ETH/Professur. KV Tourismusfach/Hotelfachschule/Yogalehrerin/Fashion Assistant STF. Kommunikationswissenschaften/Master in Sozialer Verantwortung/CAS in Menschenrecht. Politikwissenschaften, Geschichte, Vö lkerrecht UZH/Hö heres Lehramt /CAS Projektmanagement. 18
8. Auswertung Interviews nach Kategorien 8.1. Wohnen – Quartier – Vernetzung „Es gibt ein Siedlungsleben, finde ich. Aber kein Quartierleben.“ W/39/2 Kinder/CH/K3 Wohnzufriedenheit äussert sich nicht nur in der Ich bin in diesem Sinne wirklich eine Städterin. Art des persönlichen Wohnkonzepts, sondern Ich habe gerne viele Menschen. Klar bin ich auch in der Einstellung zur urbanen Qualität des froh, ist es jetzt nicht so super laut. Aber ich Alltagsumfelds, zur räumlichen Mobilität und habe auch nichts gegen Hochhäuser. Für mich der Bewertung des Wohnumfeldes, der Nach- darf eine Stadt urban sein und zur Urbanität barschaftskontakte und des Angebots für Kon- gehören auch Menschen. Ich finde da Zürich sum und Kultur. Die meisten Befragten schätzen sehr erträglich. W/30/Single/CH/K4 ein urbanes Umfeld mit einem möglichst vielfäl- tigen Konsumangebot, sie wünschen sich Klein- läden mit internationalen und lokalen Speziali- täten. Nur eine Person nennt den Dichtestress Das ist mir tatsächlich wichtig. Auch wenn man als negatives Merkmal, während einige andere mal sagt, ‘hey was braucht ihr’. (...) mal mit dem Befragte die Dichte und den teils hohen Lärmpe- Blumengiessen in der Ferienzeit oder einfach gel erwähnten, dies jedoch nicht als negativ oder nur mal auf das Kind aufpassen. (...) Gerade bei einschränkend empfinden. uns wohnen im Haus alle, die von irgendwo herkommen und die Eltern sind nicht im Nach- Gemäss der Datenauswertung der Stadt Zürich barhaus oder in der Nachbarstrasse oder im nennen 43% der untersuchten Altersgruppe Nachbardorf. Es gibt Italiener und dann eben „Wohnungsprobleme“ als eines der drei gröss- jemanden aus dem Wallis und die anderen aus ten Probleme in der Stadt, im Vergleich zu 29% St. Gallen und da ist es schon praktisch, wenn in der Gesamtbevölkerung (Stadtentwicklung man jemanden hat, dem man vertraut. Stadt Zürich 2018). Dies hängt laut den Aussa- M/34/1 Kind*/DE/K3 gen der Interviewpartner*innen wesentlich da- mit zusammen, dass der Wohnungsmarkt die Auswahl einer genügend grossen und bezahlba- ren Wohnung erschwert. Die hohen Mietpreise Ich kannte es schon. Wobei ich manchmal so ein stellen sich als Belastung für die Befragten her- bisschen in Zürich den Eindruck hab, weil der aus und schränken Möglichkeiten zur freien Wohnungsmarkt einfach recht prekär ist, Wahl des Wohnortes oder der Wohnform ein. sucht man sich seine Bleibe gar nicht unbedingt Dies hat Folgen für die Vernetzung und Identifi- nach dem Quartier aus, man muss sich arran- gieren irgendwie. Ich hatte nie etwas gegen kation mit dem unmittelbaren Wohnumfeld. Die Altstetten, aber auch nicht unbedingt dafür. Aussage „man muss sich so ein bisschen arran- M/37/Beziehung/DE/K9 gieren irgendwie“ zeugt von pragmatischen Ent- scheiden: Wohnen im Wunschquartier ist häufig nicht möglich. So ist auch die Identifikation und Verbundenheit mit dem eigenen Wohnquartier Und einfach festgestellt, dass in der Stadt Zürich unter den Interviewten sehr unterschiedlich. viel gebaut wird, aber wenig mit 5.5-Zimmern. Als das dritte Kind kam, haben wir eine Art Mo- nitoring gemacht. Ich habe eine Excel-Tabelle angelegt: wann wird welche Siedlung fertig? Wo gibt's überhaupt 5.5-Zimmer-Wohnungen? W/40/3 Kinder/DE/K12 Es gibt ein Siedlungsleben, finde ich. Aber kein Quartierleben. W/39/2 Kinder/CH/K3 19
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