Legionellen im Trinkwasserbereich - Ergebnisse eines Fachgespräches zur Prävention trinkwasserbedingter Legionellosen
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Leitthema: Legionellen Bundesgesundheitsbl 2011 · 54:671–679 B. Schaefer1 · B. Brodhun2 · N. Wischnewski2 · l. Chorus1 DOI 10.1007/s00103-011-1288-z 1 Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau Online publiziert: 30. Mai 2011 2 Robert Koch-Institut, Berlin © Springer-Verlag 2011 Legionellen im Trinkwasserbereich Ergebnisse eines Fachgespräches zur Prävention trinkwasserbedingter Legionellosen Anlass für das am 20. und 21. Oktober Themen, die auf dem Podium und in den Legionellenvorkommen in der Haus- 2009 im Umweltbundesamt (UBA) mit Workshops diskutiert wurden. installation großer Gebäude (Hotels, Beteiligung des Robert Koch-Institutes Krankenhäuser) bergen das Risiko der (RKI) durchgeführte Fachgespräch zu Le- Bewertung der gemeldeten Infektion einer Vielzahl von Menschen. gionellen in Trinkwasserhausinstallatio- Legionellosen-Fallzahlen Auch kann die Exposition über Kühltür- nen und zur Prävention von Legionello- me oder Schwimmbäder eine infektions- sen war es, die Kommunikation zwischen Die im Rahmen der Meldepflicht erfass- epidemiologische Bedeutung haben. Bei Fachleuten aus unterschiedlichen Diszi- ten Legionellosen-Fallzahlen repräsentie- in Krankenhäusern erworbenen Legio- plinen, insbesondere der Trinkwasserhy- ren im Vergleich zu aktuellen Schätzun- nelleninfektionen ist die Letalität auf- giene und der Krankenhaushygiene, über gen nur einen Bruchteil der Erkrankun- grund der hier vorrangig anzutreffen- Strategien zum Umgang mit diesem In- gen (siehe Beiträge von B. Brodhun und den Risikogruppen (oft ältere, abwehr- fektionsrisiko zu intensivieren: Während U. Buchholz sowie von H. von Baum und geschwächte Patienten mit bestehenden die Trinkwasserverordnung die periodi- C. Lück in diesem Heft). Ein Zusammen- Grunderkrankungen) am höchsten und sche Überwachung der Trinkwasserquali- hang zwischen der Kontamination von eine Legionellenprävention somit beson- tät und die Minimierung einer Belastung Trinkwasserinstallationen mit Legionellen ders wichtig. Allerdings waren bislang nur des Trinkwassers mit Legionellen als Teil und einem Infektionsrisiko für die Nut- knapp 14% der Fälle, bei denen Angaben der präventiven Strategie fordert, empfeh- zer dieser Trinkwasserinstallationen wur- zur Exposition vorlagen, nosokomialen len einige Experten, die dafür erforderli- de unter anderem von Sabrià beschrie- Ursprungs. Rund die Hälfte der gemel- chen Ressourcen vielmehr in die Reaktion ben [1]. Konsens bestand dahingehend, deten Legionellenpneumonien wurde im auf Erkrankungen, das heißt in die Ge- dass Gebäudebetreibern und Betreibern privaten Umfeld erworben (siehe Beitrag währleistung einer adäquaten Diagnostik der Trinkwasserinstallationen nach der B. Brodhun und U. Buchholz in diesem und Therapie, zu investieren. Trinkwasserverordnung (TrinkwV) 2001 Heft). Dennoch bestand Konsens darüber, Ziel des Fachgesprächs war es, die die Verantwortung zur Vermeidung von dass gezielte Maßnahmen im Kranken verschiedenen Positionen besser zu ver- Infektionen obliegt, da der einzelne Nut- hausbereich zur Vermeidung nosokomia- stehen und zu prüfen, in welchen Fra- zer der Trinkwasserhausinstallation seine ler Legionellosen notwendig sind – vor gen Konsens erreicht werden kann. Ge- Exposition nicht beeinflussen kann, aber allem mit Blick auf die deutlich anfälli- hört werden sollte auch, zu welchen As- das Recht hat, ein Trinkwasser zu erhal- gere Risikopopulation im Krankenhaus pekten noch weiterer Forschungsbe- ten, das keine gesundheitliche Besorgnis und die damit einhergehende erhöhte Le- darf besteht und gemeinsame Anstren- vermuten lässt (§ 4 und 5 TrinkwV 2001). gionellosen-Sterblichkeit (siehe auch die gungen erforderlich sind. Ein wesentli- Daher wurde vorgeschlagen, in Anleh- UBA-Empfehlung aus dem Jahr 2006 [2]). cher Teil der Hintergrundinformationen nung an das für toxikologisch relevan- Konsens bestand vor dem Hintergrund ist in der vorliegenden Ausgabe des Bun- te Schadstoffe im Trinkwasser etablierte der in der CAPNETZ-Studie deutlich ge- desgesundheitsblatts in den Einzelbeiträ- ALARA-Prinzip zu verfahren, das heißt, wordenen Untererfassung der gemelde- gen nachzulesen. Im Folgenden geben es muss Ziel sein, die Anzahl an Legio- ten Fallzahlen (siehe Beitrag H. von Baum wir eine Zusammenfassung der wichtigs- nellennachweisen „as low as reasonably und C. Lück in diesem Heft) darin, dass ten Diskussionsergebnisse. Sie folgt den achievable“ zu halten. es notwendig ist, sowohl nosokomiale als Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 6 · 2011 | 671
Leitthema: Legionellen Übersicht 1 Die Legionellendiagnostik Isolate aus dem Patienten und der Was- chen Erkenntnisgewinn und die Evidenz- belastet die Ärztebudgets nicht serprobe kann davon ausgegangen wer- lage zum Zusammenhang zwischen Le- Wirtschaftlichkeitsbonus den, dass das Wasser die Infektionsquelle gionellenkonzentrationen und Erkran- für Laborleistungen: ist. Dieses Vorgehen ist bei ambulant dia- kungsrisiko erheblich verbessern. Ausnahmekennzeichnung gnostizierten Patienten zur Vermeidung mit der Kennnummer 32006 von Ausbrüchen ebenso zielführend wie Bewertung des für die Labordiagnostik im Krankenhausbereich. Legionellenvorkommens meldepflichtiger Erreger Die Diskussion über die möglichen einschließlich Legionellen Ursachen für die häufig fehlende Legio- Konsens bestand zum Dosis-Wirkungs- nellendiagnose bei Patienten verdeut- Paradoxon: Erkrankungsfälle treten Nach § 7 Infektionsschutzgesetz (IfSG) (1) ist der direkte oder indirekte Nachweis von lichte, dass die Kostenübernahme für manchmal auch dann auf, wenn im Was- Legionellen meldepflichtig. Deshalb können die labordiagnostische Untersuchung ser nur geringe Legionellenkonzentratio Untersuchungsaufträge zur Legionellendiag- unklar scheint und auch unterschied- nen nachgewiesen werden. Ein Problem nostik von dem veranlassenden Arzt mit der lich gehandhabt wird. Eine entsprechen- dabei ist, dass punktuelle, zum Teil retro Kennnummer 32006 gekennzeichnet werden de Klärung im Nachgang zur Veranstal- spektive Probenahmen die Exposition und sind damit „budgetneutral“. tung ergab jedoch, dass diese gesichert ist zum Zeitpunkt der Infektion nicht hin- Nach den Kapiteln 32.2 (Allgemeine Laboratoriumsuntersuchungen) und 32.3 (. Übersicht 1). Ärzte sollten künftig bei reichend wiedergeben. Darüber hinaus (Allgemeine Laboratoriumsbestimmungen) Verdacht auf eine Legionellenpneumonie kann eine Ursache für dieses Paradoxon des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes immer auch eine entsprechende Diagnos- sein, dass Legionellen zu unterschiedli- (EBM) kann die Kennnummer 32006 in allen tik veranlassen, um die Erkrankungsursa- chen Zeitpunkten unterschiedlich infek- Fällen angewendet werden, bei denen es sich che labordiagnostisch zu sichern. Ferner tiös sind: Zum Beispiel wird vermutet, um den Nachweis meldepflichtiger Krank- sollte bei einer labordiagnostischen Be- dass sie kurz nach der Freisetzung aus heitserreger nach dem Infektionsschutzge- setz (1) handelt. stätigung der Legionellose immer auch Amöben virulenter sind als längere Zeit Wenn der abrechnende Arzt oder der die versucht werden, den Infektionsweg auf- danach. Ihre Virulenz im Wasser ist bis- Untersuchung veranlassende Arzt die Ab- zuklären (zum Beispiel durch die Unter- lang nicht vorhersagbar, und aufgrund rechnungsscheine mit dieser Kennnummer suchung von Wasserproben aus der vom ihrer komplexen Biologie ist auch nicht versieht, werden diese Arztfälle und die in Patienten genutzten Trinkwasserinstal- zu erwarten, dass bei ihnen in absehbarer diesen Fällen in Ansatz gebrachten Gebüh- renordnungspositionen (GOPen) weder bei lation auf Legionellen), um die Basis für Zeit eine klassische Dosis-Wirkungs-Be- der Berechnung der Gesamtpunktzahl noch eine rasche Beseitigung/Sanierung der ziehung herzustellen ist. bei der Berechnung des Punktzahlvolumens betreffenden Infektionsquellen zu schaf- Konsens bestand auch dahingehend, der Laborleistungen des jeweiligen Arztes fen. Dies geht sowohl bei ambulant er- dass zur Legionellenüberprüfung in berücksichtigt. worbenen als auch bei nosokomial er- Trinkwasserinstallationen ein technischer Die Auffassung, dass nur behördlich an- worbenen Pneumonien. Orientierungswert zur Befundbewertung geordnete und an den Hausarzt delegierte Untersuchungen mit dieser Ziffer belegt Legionellosen verlaufen oft schwer. 2008 benötigt wird. Aus Sicht der Trinkwas- werden können, ist unzutreffend. wurde auf Basis der Daten zu den offi- serhygiene (insbesondere des UBAs und Eine wesentliche Erkenntnis des Legio- ziell gemeldeten Erkrankungen eine Le- der Trinkwasserkommission) ist mit dem nellenfachgespräches im UBA am 20. und talität von 7,9% festgestellt (siehe Beitrag technischen Maßnahmewert [100 Kolo- 21.10.2009 ist die hohe Bedeutung des Errei- von B. Brodhun und U. Buchholz in die- niebildende Einheiten (KBE)/100 ml] und chens einer besseren Datenlage/Surveillance sem Heft). Letztendlich sind diese Er- dem Regelwerk W 551 [3] das Schutzziel zum Vorkommen von Legionelleninfektio- nen, auch außerhalb von Krankenhäusern. krankungen und Todesfälle auch kosten- im Allgemeinen angemessen beschrieben. Deshalb sollte bei jeder ambulant erworbe- intensiv. Infolge der demografischen Ent- Dabei drückt die Kurzformel: „Kranken- nen Pneumonie diagnostisch auch immer wicklung ist zudem von einer Zunahme haushygiene = Trinkwasserhygiene + X“ eine Legionelleninfektion in Betracht ge des besonders für eine Legionelleninfek- aus, dass für Sonderfälle in Krankenhäu- zogen werden. tion empfänglichen Teils der älteren Be- sern aufgrund der besonderen Anfällig- völkerung auszugehen. Als weiteres Defi- keit der Patienten zum Teil höhere Qua- auch ambulant erworbene Legionellenin- zit der Meldepraxis wurde deutlich, dass litätsanforderungen gelten müssen. Die fektionen sorgfältiger zu diagnostizieren, nicht nur Angaben zur Differenzierung im Rahmen der Veranstaltung gehalte- zu erfassen und zu melden. In jedem Ver- und Identifizierung der Legionellenty- nen Vorträge und Beiträge aus den USA dachtsfall sollte eine klinische Diagnos- pen fehlen, sondern insbesondere auch und den Niederlanden verdeutlichten die tik – einschließlich einer Kultivierung des Ergebnisse von Wasseruntersuchungen Spannbreite der Herangehensweise: In Erregers – durchgeführt werden. Positive aus dem Umfeld des Patienten oder an- Europa werden die Untersuchungsergeb- Befunde sollten die Suche nach der Legio- dere Angaben zur vermutlichen Exposi- nisse nach den aufgefundenen Legio- nellenquelle auslösen und auch die Unter- tion/Infektionsquelle. Eine umfassende- nellenkonzentrationen bewertet (in den suchung von Wasserproben aus dem Um- re Meldepflicht auch dieser Fakten wür- Niederlanden gilt allerdings ein niedriger feld des Patienten umfassen. Bei einer de, zusammen mit einer deutlich verbes- Wert von 10 KBE/ml), in den USA hin- Nichtunterscheidbarkeit der typisierten serten Meldedisziplin, den wissenschaftli- gegen anhand des Anteils positiver Befun- 672 | Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 6 · 2011
Zusammenfassung · Abstract Bundesgesundheitsbl 2011 · 54:671–679 DOI 10.1007/s00103-011-1288-z © Springer-Verlag 2011 B. Schaefer · B. Brodhun · N. Wischnewski · l. Chorus Legionellen im Trinkwasserbereich. Ergebnisse eines Fachgespräches zur Prävention trinkwasserbedingter Legionellosen Zusammenfassung Obwohl das Wissen über Legionellen und da- Schwerpunkten betrachtet. Auch auf euro- und Beseitigung von Infektionsquellen ist zu- durch bedingte Erkrankungen inzwischen päischer Ebene bestehen diesbezüglich keine dem die häufigere Durchführung einer Legio- recht umfangreich ist, ist ein Zusammen- einheitlichen Vorgehensweisen. Trotz dieser nellendiagnostik bei auftretenden Pneumo- hang zwischen ihrer Keimzahl im Wasser und Unterschiede gibt es im internationalen Ver- nien. Erforderlich ist ferner eine bessere Schu- einem bestehenden Infektionsrisiko weiter- gleich einige wichtige Parallelen bei der Be- lung von Planern, Installateuren und Betrei- hin unklar. Ein umfangreiches Erfahrungswis- wertung des Legionellenvorkommens, ihrer bern von Trinkwasserinstallationen über die sen zeigt, dass die Vermehrung von Legionel- Beherrschung und bei Empfehlungen zu Prä- entsprechenden technischen Regeln zur Ver- len in Warmwassersystemen durch die in den ventionsmaßnahmen. Handlungsbedarf be- meidung von Legionellenkontaminationen allgemein anerkannten Regeln der Technik steht insbesondere im Hinblick auf die Durch- und mehr Aufklärung und Information über beschriebenen technischen Präventionsmaß- führung geeigneter Studien zur Klärung des das Vorkommen von Legionellen. Die Weiter- nahmen wirkungsvoll begrenzt werden kann. Infektionsrisikos sowie hinsichtlich der Publi- entwicklung praxistauglicher Konzepte zur Als Orientierung für das Auslösen solcher kation vorhandener Daten und Erfahrungen effektiven Prävention von Legionellosen er- Maßnahmen gilt der „technische Maßnahme- über geeignete Präventions-, Desinfektions- fordert die gute Kooperation zwischen den wert“ von 100 Koloniebildenden Einheiten und Sanierungsmaßnahmen. Solche Daten zuständigen Behörden des Bundes und der (KBE) in 100 ml Wasser (maximal akzeptierba- sind notwendig zur Unterstützung einer evi- Länder unter Einbeziehung von Fachleuten re Legionellenkonzentration) in der Trinkwas- denzbasierten Infektionsprävention und zur für Infektionsprävention, Hygiene und Sani- serhygiene als bewährt. Allerdings sind Werte Schaffung einer besseren epidemiologischen tärtechnik. und auch Konzepte zur Beherrschung des Le- Grundlage in Deutschland. Erforderlich sind gionellenwachstums in Wassersystemen his- auch eine deutlich bessere Diagnostik und Schlüsselwörter torisch gewachsen. Sie werden von der Trink- die Meldung und zentrale Auswertung von Legionellen · Infektion · wasser- sowie Krankenhaushygiene in ihrer Daten zum Legionellenvorkommen. Wich- Krankenhaushygiene · Sanierung · Bedeutung teilweise mit unterschiedlichen tig insbesondere zur raschen Identifikation Technisches Regelwerk Legionella in drinking water. Outcomes of an exchange of ideas on the prevention of waterborne legionellosis Abstract Although much is known about Legionel- Legionella. In spite of such differences, there id identification and removal of the source of la and the illness they cause, the relationship are important international parallels in the infection. Further requirements include bet- between their concentration in water and the assessment of the occurrence of Legionella, ter training of planers, plumbers, and oper- risk of infection remains unclear. A compre- in experience with controlling them, and in ators of drinking water installations about hensive body of experience shows that the recommendations for prevention. There is a the approach to preventing Legionella con- growth of Legionella in heated water distri- need particularly for adequate studies to clar- tamination of drinking water installations de- bution systems can be effectively controlled ify the risk of infection as well as for the publi- scribed in standards and guidelines. The fur- by following the preventive measures de- cation of existing data and experience show- ther development of practicable concepts for scribed in the generally acknowledged codes ing the efficacy of measures for prevention, effective Legionella prevention requires good of practice. As orientation to trigger action, a disinfection and system upgrading. Such data collaboration between public authorities re- technical action level of 100 colony-forming are necessary to support evidence-based pre- sponsible for drinking water and hospital hy- units in 100 ml water has found wide accep- vention of Legionella infections and to create giene on the federal and state levels and ex- tance as the maximally tolerable concentra- a better epidemiological data base in Germa- perts for the prevention of infection, hygiene, tion of Legionella in drinking water hygiene. ny. One chance for reaching this target would and sanitary installations. However, this value as well as the concept for be to improve practices in diagnosis, report- controlling the growth of Legionella in instal- ing and central data evaluation—not on- Keywords lations has developed historically. In part, the ly of illness, but including also data on Legi- Legionella · Infection · Hospital hygiene · focus differs between drinking water hygiene onella occurrence. More frequent Legionel- Sanitation · Codes of practice and hospital hygiene. Also, there is no har- la testing of pneumonia patients is a prereq- monized European approach for controlling uisite for this, but particularly also for the rap- Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 6 · 2011 | 673
Leitthema: Legionellen de im Gesamtsystem (dieser Anteil muss Novellierung der TrinkwV [5] aufge- völlig anderen, ergänzenden Charakter: bei
Tab. 1 Legionellenquellen in technischen Systemen. Bewertung ihrer Relevanz durch Experten im Workshop Quelle Aerosol-Inha- (Mikro-)Aspi- Relevante Ex- Kasuistik vor- Datenlage in Informationen zur Exposition und Ursache lation ration position handen Deutschland Klimaanlage, mit Befeuchtung + − Ja Selten (+) Kühlturm, Naturzug − − Nein − (−) Nass-Rückkühlwerk + − Ja Häufig + Wasserdisplays, Springbrunnen + − Ja Selten (+) Wasservernebler, Gewächshäuser, Obstbefeuchtung + − Ja Selten (+) Trinkwasser-Installation + + Ja Häufig + Schwimmbecken, klassisch (ruhig) (−) + Ja Selten + Schwimmbecken, Attraktion, die Turbulenz erzeugen + + Ja Selten + Whirlpools + (+) Ja Häufig + Dentaleinheiten + + Ja (+) (+) Autowaschanlagen + + Ja + + Relevante Exposition: ja: vorhanden; nein: nicht vorhanden, + gesichert; (+) gesichert, wenngleich auf geringer Datenbasis, – nicht gesichert; gegebenenfalls keine Relevanz. teme zu erkennen und das Management Begutachtungsverfahren – eine Evidenz- betriebenen Trinkwasseranlage der be- der Systeme auf die Vermeidung von Le- grundlage dar. reits 1988 im DVGW-Arbeitsblatt W 551 gionellenbelastungen auszulegen. Ausge- Hinzu kommt als neuere Entwick- veröffentlichte technische Maßnahme- hend von dieser Zusammenstellung wur- lung das von der Weltgesundheitsorga- wert von 100 Legionellen pro 100 ml ein- den die drei wichtigsten Infektionsquellen nisation (WHO) vorgeschlagene Trink- gehalten werden kann. Dieser Wert kann und sie betreffende Präventionsmaßnah- wassersicherheitskonzept (Water Safety nach den Erfahrungen der Teilnehmer men diskutiert. Plan, WSP) [10]. Dieses Konzept basiert auch durch Sanierungsmaßnahmen im auf einer Analyse der Gefährdung und Altbestand erreicht werden. Dabei ist ins- Trinkwasserinstallationen. Der Schwer- der Bewertung des Risikos für das jewei- besondere die Wartung der Anlagen wich- punkt der Diskussion lag aufgrund ihrer lige, spezifische System (in diesem Fal- tig. Positive Erfahrungen wurden aus der täglichen Relevanz für die Bevölkerung le für die Trinkwasserinstallation im je- Hotelbranche berichtet: Dort haben viele auf den Trinkwasserinstallationen. Die weiligen Gebäude) und dessen Nutzer Betreiber mittlerweile das Problem einer Anforderungen an Trinkwasserinstal- (zum Beispiel Patienten mit Risiko- und möglichen Legionellenkontamination in lationen in öffentlichen Gebäuden sind Hochrisikofaktoren für eine Legionellen- Wassersystemen erkannt und entspre- in der TrinkwV 2001 [6] festgelegt. Das erkrankung). Auf dieser Grundlage sind chend reagiert – zum Beispiel mit Plänen Infektionsschutzgesetz (IfSG) [7] und Maßnahmen zur Beherrschung der Ge- zur gleichmäßigen Belegung der Zimmer TrinkwV sehen die Handlungsschwelle fährdung festzulegen. Diese Maßnah- oder mit Spülplänen für ungenutzte Zim- bereits bei der Besorgnis und Prävention men müssen jederzeit verlässlich funk- mer – und damit entsprechende Kontami- und nicht erst bei eingetretenen Fällen. § 4 tionieren, was durch ein geeignetes Mo- nationen sehr erfolgreich minimiert. Die- der TrinkwV wurde als eine Aufforderung nitoringprogramm zu belegen ist. Auch se in Hotels inzwischen weitgehend etab- zur Qualitätssicherung gewertet – sowohl muss die Eignung der gewählten Maß- lierten Schutzmaßnahmen sollten auch in hinsichtlich der Strukturqualität bei Pla- nahmen validiert sein (zum Beispiel im Krankenhäusern umgesetzt werden. Al- nung, Bau und Betrieb von Wassergewin- Hinblick auf die Beherrschung des Le- lerdings reichen diese in besonders sen- nungs- und Verteilungsanlagen als auch gionellenvorkommens). Hierzu kann das siblen Bereichen nicht aus und sind auf je- hinsichtlich der Ergebnisqualität (vorge- technische Regelwerk herangezogen wer- den Fall durch adäquate Maßnahmen der schriebene Stichproben zur analytischen den. Der Vorteil dieses Konzepts ist, dass Krankenhaushygiene zu ergänzen. Überprüfung des Trinkwassers). Der ex- es eine flexible Auswahl von Maßnahmen Über die Kosten der Maßnahmen zur plizite Bezug der TrinkwV auf die allge- je nach den Besonderheiten des Einzelfalls Legionellenprophylaxe und damit zur mein anerkannten Regeln der Technik ermöglicht sowie zur periodischen Revi- Wirtschaftlichkeit bestanden divergie- weist den umfassenden allgemeinen (zum sion und kontinuierlichen Verbesserung rende Auffassungen. Viele Teilnehmer Beispiel DIN 1988 [8], VDI 6023 [9]) und anhält. Somit gibt es auf die Frage nach des Legionellenfachgespräches waren der auch speziellen (zum Beispiel DVGW- den richtigen Maßnahmen keine richtige Meinung, dass die für Sanierungsmaß- Arbeitsblatt W 551) Regelwerken zur Le- Antwort, gefordert ist vielmehr ein Sys- nahmen erforderlichen finanziellen Mit- gionellenvermeidung einen hohen Stel- temverständnis. tel durchaus vorhanden sind, es aber an lenwert zu. Da die Regelwerke auf einem Die vielen während des Fachgesprä- Kenntnissen mangelt, um diese mög- Fachkonsens zur Legionellenbewertung ches genannten Beispiele machten deut- lichst effektiv einzusetzen. Desinfektions- und -vermeidung basieren, stellen die da- lich, dass in einer nach den allgemein an- maßnahmen und Sanierungen werden oft rin verarbeiteten Erfahrungen – auf eine erkannten Regeln der Technik geplanten, auf unzulänglicher Informationsbasis oh- andere Weise als Fachpublikationen mit gebauten, in Betrieb genommenen und ne hinreichende Fachkompetenz geplant Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 6 · 2011 | 675
Leitthema: Legionellen und durchgeführt, sodass sie nicht kos- lang. Auf Bundesebene liegt zwar eine dort hilfreich, wo Beanstandungen vorlie- teneffizient und letztendlich unwirksam Schwimm- und Badebeckenwasserver- gen oder bisherige Versuche zur Beherr- sind. Hingegen kann eine gezielte, durch ordnung im Entwurf vor, ihre Verab- schung des Legionellenvorkommens er- eine Gefährdungsanalyse untermauerte schiedung ist aber weiterhin nicht abseh- folglos waren. Auf Grundlage einer ge- bautechnische Sanierung zur Legionel- bar. Auch die Bundesländer machen bis- nauen Analyse des Systems können nicht lenprophylaxe nachhaltigere Erfolge zei- her von ihrer Regelungskompetenz in die- nur Erfolg versprechende Maßnahmen gen und dadurch Geld sparen. sem Bereich keinen Gebrauch. begründet und getroffen werden, es kann Trotz mancher zunächst geäußer- auch eine sachgerechte Überwachung und ter Skepsis gegenüber der Effizienz von Rückkühlwerke. Auffällig ist, dass im regelmäßige Wartung der Trinkwasserins- Sanierungen bestand Konsens über die Gegensatz zur internationalen Literatur tallation geplant werden. Notwendigkeit, gesetzliche Vorgaben [13, 14] bis zum Januar 2010 in Deutsch- Gefährdungsanalysen sind vor dem der TrinkwV einzuhalten und umzuset- land keine Erkrankungsfälle beschrie- Hintergrund zu bewerten, dass so- zen: Wenn Trinkwasserinstallationssys- ben wurden, die im Zusammenhang mit wohl die Regelungen des IfSG und der teme eine Gefährdung darstellen, muss Rückkühlwerken stehen. Diese Rück- TrinkwV als auch das technische Regel- der Betreiber nach § 3 TrinkwV 2001 sei- kühlwerke werden als bisher unterschätz- werk bei den verantwortlichen Gebäude- ner Verantwortung nachkommen und te Quellen für die Legionellenfreisetzung betreibern oft wenig bis gar nicht bekannt die Gefährdung im Sinne des Grundsat- angesehen (siehe Beitrag von P. Harteman sind und ihnen das erforderliche Verant- zes abstellen, dass „Eigentum verpflich- und A. Hautemanier in diesem Heft). Al- wortungsbewusstsein fehlt. Hinzu kön- tet“. Auch bestand Konsens darüber, dass lerdings kam es nach dem Fachgespräch nen – insbesondere bei hohem Kosten- Widersprüche im technischen Regelwerk im Januar 2010 zu einem großen Aus- druck – auch Zielkonflikte bei der Um- und in einigen Verwaltungsvorschriften bruch in Ulm, der eindeutig auf ein Rück- setzung der vielfältigen Betreiberpflich- überwunden werden müssen: Es ist zum kühlwerk zurückzuführen war [15]. Hier- ten kommen: Personal, das von Klini- Beispiel kontraproduktiv, eine Mindest- durch ausgelöst, wird nunmehr im Rah- ken für die Umsetzung technischer Re- anzahl von Duschen in Sportanlagen oder men des VDI ein technisches Regelwerk geln eingesetzt wird, fehlt dann an an- Kindergärten zu fordern, wenn diese viel für Rückkühlwerke erarbeitet. Größere deren Stellen. Gefährdungsanalysen er- zu selten benutzt werden und durch lan- Naturzug-Kühltürme scheinen jedoch als möglichen einen Einstieg in die Ausein- ge Stagnationszeiten von Legionellen be- Legionellenquelle irrelevant zu sein. andersetzung mit dieser Verantwortung siedelt werden können. Hier sind flexible- und helfen bei Zielkonflikten, Prioritä- re, situationsgerechte Planungen und Ent- Gefährdungsanalyse ten mit Blick auf kurzfristige und lang- scheidungen erforderlich. bei Legionellen in fristige Maßnahmen zu setzen. So wurde Trinkwasserinstallationen zum Beispiel berichtet, dass sich Vorsor- Whirlpools. Zu Legionellenerkrankun- geaufwendungen bei genauerer Analyse gen im Zusammenhang mit einer Whirl- Diskutiert wurde, ob es einen zusätzlichen als wirtschaftlich sinnvolle Investitionen poolnutzung sind deutlich mehr Kasuis- Nutzen gibt, wenn zu den bereits etablier- herausgestellt haben. tiken bekannt als zu Erkrankungen nach ten technischen Regeln für Trinkwasser Häufig verfügt der Betreiber einer einer Schwimmbeckennutzung. Dies und für Trinkwasserverteilungsanlagen Trinkwasserinstallation eines größeren liegt vermutlich daran, dass Whirlpools sowie den Hygieneregeln für den Kran- Gebäudes nicht über die erforderlichen aufgrund ihrer höheren Temperatur und kenhausbereich zusätzlich Gefährdungs- fachlichen Voraussetzungen zur Wahr- der stärkeren Aerosolerzeugung leich- analysen durchgeführt werden. Diskutiert nehmung von Pflichten und Verantwor- ter zu einer Infektionsquelle werden kön- wurde zudem, ob man die Infektionsge- tungen – zum Beispiel zur Gefährdungs- nen. Für öffentliche Bäder sind erste Er- fahr anhand des Baus und Betriebs der analyse. Dem kann mit Unterstützung fahrungen und ein orientierender Über- Trinkwasserinstallation abschätzen bezie- durch Sachverständige begegnet werden. blick über das Vorkommen von Legionel- hungsweise analysieren könne, und wenn In diesem Zusammenhang wurde die Rol- len in Whirlpools vorhanden, für Bäder ja, ob auch dies von zusätzlichem Nutzen le des Gesundheitsamtes im Spannungs- im Privatbereich nicht. Die Exposition im sein könne. feld zwischen Aufsicht und Beratung des Whirlpool wurde als selbst gewähltes Ri- Die Diskussion des Instruments der Betreibers diskutiert; nach IfSG besteht siko für eine überschaubare Anzahl von Gefährdungsanalysen zeigte, dass dieses eine Pflicht des Gesundheitsamtes zur Personen gewertet (wenngleich Nutzern eine Chance bietet, die vielfach im Lau- Beratung. das Risiko oft nicht bewusst sein wird). fe der Veranstaltung beklagten Defizite Als für eine sachgerechte Gefähr- Das Risiko für eine Verkeimung mit Le- bei der Umsetzung des technischen Re- dungsanalyse entscheidende Aspekte gionellen ist durch Planung, Bau und Be- gelwerkes aufzubrechen – sowohl bei äl- wurden in der Diskussion genannt: trieb gemäß DIN 19643 [11] (Desinfek- teren Häusern, bei denen die Nichteinhal- F Krankenhäuser verfügen zwar über tionsmittel, Temperatur) unter Berück- tung des Regelwerkes häufig offensicht- Fachkräfte für Hygiene; jedoch muss sichtigung der UBA-Empfehlung (UBA lich ist, als auch bei Neubauten, bei denen die Hygienekommission auch Exper- 2006) [12] beherrschbar. Spezifische ge- man die Einhaltung eher erwarten würde. ten für Sanitärtechnik beteiligen und setzliche Regelungen fehlen jedoch bis- Eine Gefährdungsanalyse ist insbesondere hinreichend durchsetzungsfähig sein. 676 | Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 6 · 2011
F In anderen öffentlichen Einrichtun- sichtsbehörden. Als Beispiel wurde die cen, die sich in Krankenhäusern für Stu- gen wie Schulen oder Kindertages- Anordnung des Einsatzes endständiger dien ergeben, genutzt werden sollten und stätten fehlen Spezialisten für Hygie- Filter in einem Krankenhaus mit einem dass insbesondere vorhandene Daten zur ne, das heißt, hier ist externe Unter- Folgeaufwand von 500.000 Euro/Jahr Beziehung zwischen Maßnahmen, Rück- stützung erforderlich (zum Beispiel genannt, obwohl weder der Gebäudebe- gang des Legionellenbefalls und von In- durch das zuständige Gesundheits- treiber noch der beratende Hygieniker fektionsraten auszuwerten und zu publi- amt). dies für sinnvoll hielten. In der Diskus- zieren sind. F Gefährdungsanalysen erfordern fi- sion wurde das Recht der Betreiber einer Die Diskussion verdeutlichte auch, nanzielle/personelle Ressourcen; Trinkwasserhausinstallation auf einen dass die Beschreibung einer eindeutigen trotz wirtschaftlicher Zwänge sind oft kompetenten Ansprechpartner im Ge- Dosis-Wirkungs-Beziehung – aufgrund Spielräume vorhanden, die nur besser sundheitsamt betont sowie dargelegt, wie der komplexen Biologie der Legionellen genutzt werden müssten. wichtig die umfassende Vermittlung des (Stichwort: Biofilm/Ablagerungen in den F Bislang fehlen weitgehend Erfahrun- Charakters und der Bedeutung des „tech- Rohrleitungen, intrazelluläre Vermehrung gen mit der Durchführung von Ge- nischen Maßnahmewertes“ ist. in Amöben) – in naher Zukunft nicht zu fährdungsanalysen. Modellhafte erwarten ist. Eine direkte gesundheitliche Überwachungs- und Handlungssche- Schaffung einer Evidenz zum Evidenzbasis für einen technischen Maß- mata sind für Gesundheitsämter ver- Zusammenhang zwischen nahmewert kann es nach Überzeugung fügbar. Allerdings sind Trinkwasser- Maßnahme und Wirkung der Diskussionsteilnehmer daher derzeit installationen zu komplex, um allge- nicht geben. meine Checklisten zu möglichen Ge- Eine von Teilbereichen der Kranken- fährdungen anwenden zu können. haushygiene an die Trinkwasserhygie- Forschungsbedarf Entscheidend ist hier die Beurteilung ne gerichtete Frage war die nach der Evi- des Einzelfalls unter Berücksichti- denz dafür, dass (i) durch die Einhaltung Konsens bestand darüber, dass folgender gung der örtlichen Gegebenheiten. der allgemein anerkannten Regeln der Klärungs- und Forschungsbedarf besteht: F Teilnehmer des Fachgespräches be- Technik der technische Maßnahmewert F retrospektive Auswertung der zum tonten, dass bei guter Umsetzung des von 100 KBE/100 ml Trinkwasser sicher Infektionszeitpunkt vorliegenden Le- technischen Regelwerks in der Pla- unterschritten wird sowie (ii) dass da- gionellenkonzentrationen im Wasser- nung sowie beim Bau und Betrieb durch Legionelleninfektionen verhindert verteilungssystem betroffener Gebäu- von Trinkwasseranlagen der Aufwand werden. Die Diskussion zeigt, dass zur de anhand der bei Gesundheitsäm- für die Erstellung von Gefährdungs- Beantwortung der Frage (i) nationale und tern und großen Klinikbetreibern ge- analysen deutlich reduziert ist. internationale Publikationen sowohl Aus- gebenenfalls vorliegenden Daten aus brüche als auch Einzelinfektionen auswer- Wasserproben; Die Ergebnisse einer Gefährdungsanalyse ten und beschreiben. Auch sind die Maß- F prospektive Studie über nosokomiale sind für die Betreiber nicht nur eine gu- nahmen, die nach aufgetretenen Infektio- Infektionen außerhalb von Intensiv- te Basis für die fokussierte Planung von nen ergriffen wurden, beschrieben [1, 4, stationen kombiniert mit parallelen Maßnahmen, sondern sie erleichtern bei 16]. Was fehlt, ist die Zuordnung zwischen Untersuchungen von Wasserproben; auftretenden Legionellenerkrankungen einer bestimmten Maßnahme und der F Klärung der Relevanz von Amöben auch die rasche Identifizierung der In- Wirkung, da zur Reduktion der Legionel- für die Legionellenvirulenz; fektionsquelle, die Umsetzung adäqua- lenkontamination in den meisten Fällen F Klärung der Notwendigkeit einer ter Maßnahmen und die Kommunika mehrere Maßnahmen gleichzeitig ergrif- Mindesttemperatur in Warmwasser- tion mit der Öffentlichkeit. Gefährdungs- fen wurden. Diese Evidenzlücke ist durch installationen gemäß technischem analysen sind ferner dazu geeignet, Risi- die Erhebung von Daten zum Rückgang Regelwerk – auch unter dem Aspekt ken durch Legionellen in eine angemes- der Legionellenkonzentration und/oder der Energieeinsparung; sene Relation zu anderen Gesundheits- Häufigkeit als Reaktion auf technische F Verbesserung der Datenlage zur Be- risiken zu stellen. Das trifft insbesonde- Maßnahmen zu schließen. deutung von Rückkühlwerken als In- re auf den Krankenhausbereich zu, da Le- Zu (ii) fehlen Daten zum Rückgang der fektionsquelle (ein Bedarf, den der gionellen dort vor dem Hintergrund an- Erkrankungsfälle nach der Durchführung Ausbruch in Ulm im Januar 2010, das derer nosokomialer Infektionen bewertet von Sanierungsmaßnahmen. Um diese heißt wenige Monate nach der Veran- werden müssen. zu erheben, wären epidemiologische Stu staltung, bestätigte). Nicht zuletzt verdeutlichte die Diskus- dien durchzuführen, die aber so angelegt sion zur Gefährdungsanalyse die ausge- sein müssten, dass der Kontrollgruppe Öffentlichkeitsarbeit und prägte Besorgnis über eine missbräuch- keine Präventionsmaßnahme vorenthal- Fortbildungsbedarf liche Verwendung von Richtwerten und ten wird. Gerade die besonders gut kon- technischen Maßnahmewerten als Grenz- trollierte Situation im Krankenhaus bie- Schulungen. Vielfach wurde im Laufe werte durch nicht hinreichend kompeten- tet hierfür die Chance. Im Ergebnis be- der Veranstaltung das ausgeprägte Defi- te, unter Kapazitätsmangel leidende Auf- stand Einigung darüber, dass die Chan- zit bei der Umsetzung der allgemein an- Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 6 · 2011 | 677
Leitthema: Legionellen erkannten Regeln der Technik bemängelt. Temperaturverluste etc.) aufgeklärt wer- handen und in das technische Regelwerk Dies betrifft nicht nur Planer und Betrei- den. Zu vermitteln ist auch, dass bei kor- eingegangen ist – allerdings sind diese ber, sondern zum Teil auch Behörden. rekter Planung sowie korrektem Bau und Daten zu wenig in Fachzeitschriften pu- Daher sind gezielte Schulungen von Pla- Betrieb der Trinkwasserinstallation eine bliziert. nern, Installateuren, Betreibern und Mit- Kontamination mit Legionellen weitge- Konsens bestand darüber, dass zum ra- arbeitern der Gesundheitsämter (zum hend minimiert werden kann. Eine Auf- schen Erkennen von Legionellen und zur Beispiel gemäß VDI-Richtlinie 6023) klärung über den Umgang mit Risiken ist Ermittlung von Infektionsquellen eine notwendig und wichtig. Wichtig ist auch insbesondere wichtig für die Betreiber öf- umfangreichere Diagnostik angezeigt die Aufklärung über Desinfektionsmaß- fentlicher Einrichtungen, zum Beispiel ist. Erforderlich ist auch eine Verbesse- nahmen in Trinkwasserinstallationen: Es von Schwimmbädern oder Sportanla- rung der Meldepraxis – gemeldet wer- gilt zu vermitteln, dass Dauerdesinfek- gen und für Arbeitgeber, die ihre Verant- den sollten auch Daten zum Legionellen- tionen nie einer Sanierung oder einem wortung für die Hausinstallation im Sin- vorkommen im Trinkwasser. Nur so könn- bestimmungsgemäßen Betrieb entspre- ne eines Gesundheitsschutzes für ihre Be- te der Zusammenhang zwischen Legio- chen, sondern nur als Übergangslösung, schäftigten besser kennen sollten. nellenzahlen im Trinkwasser und Infek- das heißt vorübergehend, hilfreich sein tionsraten aufgeklärt und eine wirksame können [17]. Auch müssen die Kenntnis- Fazit Surveillance aufgebaut werden. Hierzu se zur Prävention des Legionellenwachs- müssten jedoch die gesetzlichen Grund- tums in Trinkwasserinstallationen in der Deutlich wurde, dass nach wie vor kon- lagen zur Aggregierung der Daten über Ausbildung des Fachpersonals (Hygiene- troverse Meinungen darüber bestehen, die Trinkwasserversorgung der Erkrank- fachleute und technische Berufe) besser ob durch die Einhaltung des technischen ten geschaffen werden. Ein wichtiges Er- vermittelt werden. Maßnahmewertes in Trinkwasserinstal- gebnis im Nachgang der Veranstaltung lationen das Auftreten von Legionello- ist, dass die Kosten der Legionellendia- Aufklärung/Öffentlichkeitsarbeit. Die sen zu verhindern ist. Dennoch entwi- gnostik das Budget des Arztes nicht be- Teilnehmer sahen Bedarf für mehr allge- ckelte sich im Fachgespräch ein vertief- lasten. meine Aufklärung und Information über tes Verständnis dafür, dass die Exposition Nicht zuletzt verdeutlichte der Erfah- das Legionellenproblem. Dies betrifft zum gegenüber trinkwasserbürtigen Legio- rungsaustausch die Probleme in der Pra- Beispiel Hotelbesitzer oder Bürger. Ziel nellen durch technische Maßnahmen an xis, das heißt, dass Betreiber großer Ge- sollte es sein, den Umgang mit Trinkwas- der Trinkwasserinstallation weitgehend bäude, Planer und bauausführende In- serinstallationen im eigenen Verantwor- vermeidbar ist (dies gilt nicht für ande- stallationsbetriebe die Hygienemän- tungsbereich zu verbessern, das heißt, re exogen übertragbare Krankheitserre- gel oft nicht im Blick haben oder von der zum Beispiel Stagnation zu vermeiden, ger). Damit verdeutlichten sich die Pflich- Komplexität der Aufgabe überfordert Warm- und Kaltwasserleitungen zu iso- ten von Anlagenbetreibern und die Be- sind, dass im Krankenhausbetrieb die lieren, geeignete Werkstoffe auszuwählen deutung der Prävention. Deutlich wur- Kommunikation zwischen Gebäudetech- und Installationen ausschließlich durch de auch der ausgeprägte Druck auf Be- nik und Hygienefachkräften und in bei- qualifizierte Fachbetriebe ausführen zu treiber von Trinkwasserinstallationen, im den Bereichen – der Trinkwasserinstalla- lassen. Falle von Erkrankungen oder Todesfällen tion und der Krankenhaushygiene – die Insbesondere muss der Charakter des gegebenenfalls vor Gericht zu belegen, Fachkenntnis zu verbessern ist. Die Be- technischen Maßnahmewertes – als Aus- dass sie ihrer Sorgfaltspflicht insbeson- seitigung dieser Probleme ist Vorausset- löser für Gefährdungsanalysen – besser dere nach TrinkwV 2001 nachgekommen zung für die angemessene Umsetzung vermittelt werden. Hier sahen die Diskus- sind. Auch entstand ein Verständnis da- der vorhandenen und praxisbewährten sionsteilnehmer einen großen Kommuni- für, dass Gefährdungsanalysen eine ge- technischen Regelwerke. kations- und Wissensvermittlungsbedarf, eignete Basis bieten, um dieser Verpflich- Konsens bestand insbesondere darüber, um befürchteten Überreaktionen (Sper- tung nachzukommen und dass diese gut dass bei der Aufklärung über Legionellen rung von Duschen, Gebäuden etc.) ent- in den Hygieneplan von Krankenhäusern noch viel zu tun ist. Ziel ist es, den Um- gegenzuwirken. integrierbar sind. gang mit Infektionsrisiken zu verbessern Ferner gilt es, ein besseres Risikover- Der erstmalige intensive Erfahrungsaus- und die diesbezüglichen Informationen ständnis zu vermitteln, das heißt zu ver- tausch zwischen Experten aus der Trink- an die Stellen zu transportieren, die sie deutlichen, dass Risiken für eine Legio- wasser- und der Krankenhaushygiene benötigen. nelleninfektion sehr gering gehalten, aber zum Thema „Legionellen“ gab viele Ein- Es bleibt die Hoffnung, dass Impuls und nie vollständig ausgeschlossen werden blicke in die jeweils gelebte Praxis. Er ver- Momentum dieser Veranstaltung weiter können (das heißt, dass es kein „0-Risi- deutlichte das breite Erfahrungswissen tragen, um die diskutierten offenen Fra- ko“ gibt). Dazu muss vermehrt über die im Umgang mit Legionellosen und mit gen zu klären. Die mit dem Fachgespräch bei Patienten bestehenden Risikofakto- Legionellenvorkommen in Trinkwasser- begonnene verbesserte Zusammen- ren sowie über Infektionspfade und Ri- installationen. Dabei zeigte sich, dass die arbeit der für das Thema wichtigen Ak- sikoschwerpunkte in Trinkwasserin Evidenz zur Wirksamkeit der Verfahren teure bietet hierfür eine Chance. stallationen (zum Beispiel Stagnationen, zur Legionellenbekämpfung vielfach vor- 678 | Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 6 · 2011
Fachnachrichten Korrespondenzadresse 13. Garcia-Fulgueiras A, Navarro C, Fenoll D et al Förderpreis 2011 der DGNKN (2003) Legionnaires‘ disease outbreak in Murcia, Dipl.-Biol. B. Schaefer Spain. Emerging Infect Dis 9(8):915–921 Umweltbundesamt 14. Miquel PM, Haeghebaert S, Che D, Campese C Der Förderpreis der Deutschen Gesell- 06813 Dessau-Roßlau (2004) Épidemie communautaire de légionello- schaft für Neurotraumatologie und benedikt.schaefer@uba.de se, Pas-de-Calais, France, novembre 2003–jan- vier 2004. Bull Epidémiologique Hébdomadaire Klinische Neurorehabilitation e.V. (DGNKN) Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor 36/37:179–181 wird alle zwei Jahre für eine heraus- gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. 15. Exner M, Suchenwirth R, Pleischl S et al (2010) ragende wissenschaftliche Arbeit einer Memorandum zu dem Legionellen-Ausbruch in Ulm 2010 aus Sicht von Hygiene und Öffentlicher Nachwuchswissenschaftlerin / eines Literatur Gesundheit. Umweltmed Forsch Prax 15(1):43–57 Nachwuchswissenschaftlers vergeben. Sie 16. Marchesi I, Marchegiano P, Bargellini A et al muss ein Thema aus dem Aufgabengebiet 1. Sabrià M, Mòdol JM, Garcia-Nuñez M et al (2004) (2010) Effectiveness of different methods to con- trol legionella in the water supply: ten-year expe- der DGNKN behandeln. Dieses umfasst Environmental cultures and hospital-aquired le- gionnaires‘ disease: a 5-year prospective study rience in an Italian university hospital. J Hosp In- Neurotraumatologie, klinische Neuro- in 20 hospitals in catalonia, Spain. Infect Control fect 77(1):47–51 psychologie, neurologisch-neuropsycho- Hosp Epidemiol 25:1072–1076 17. DVGW Twin Nr. 5 (2009) Desinfektion von Trink- wasser-Installationen zur Beseitigung mikrobiel- logische und motorische Rehabilitation, 2. Umweltbundesamt (2006) Empfehlung des Um- weltbundesamtes nach Anhörung der Trinkwas- ler Kontaminationen. Wirtschafts- und Verlagsge- Aphasieforschung und -behandlung, serkommission des Bundesministeriums für Ge- sellschaft Gas und Wasser mbH WVGW, Bonn neurochirurgische Rehabilitation. sundheit – Periodische Untersuchung auf Le- gionellen in zentralen Erwärmungsanlagen der Hausinstallation nach § 3 Nr. 2 Buchstabe c Der Förderpreis ist mit € 5.000.- dotiert. TrinkwV 2001, aus denen Wasser für die Öffent- lichkeit bereit gestellt wird. Bundesgesundheitsbl Es können Arbeiten von Einzelpersonen Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 49:697– 700 und von Arbeitsgruppen eingereicht wer- 3. DVGW W 551 (2004) Trinkwassererwärmungs- den. Dabei kann es sich um Publikationen und Trinkwasserleitungsanlagen – Technische und akademische Schriften aus den Jah- Maßnahmen zur Verminderung des Legionellen- wachstums – Planung, Errichtung, Betrieb und ren 2009, 2010 oder 2011 sowie zum Druck Sanierung von Trinkwasser-Installationen. Wirt- angenommene Arbeiten in deutscher schafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser oder englischer Sprache handeln. Die mbH WVGW, Bonn 4. Kool JL, Bergmire-Sweat D, Butler JC et al (1999) Arbeiten dürfen nicht bereits mit einem Hospital characteristics associated with coloni- anderen Preis bedacht worden sein oder zation of water systems by legionella and risk of einem anderen Preisgericht zur Entschei- nosocomial legionnaires‘ disease: a cohort stu- dy of 15 hospitals. Infect Control Hosp Epidemiol dung vorliegen. 20:797–805 5. Bundesrat Drucksache 530/10 (2010) Erste Ver- Bitte reichen Sie Ihre Bewerbung um den ordnung zur Änderung der Trinkwasserverord- nung DGNKN-Förderpreis 2011 zusammen mit 5 6. Bundesgesetzblatt Teil I (2001) Verordnung zur Exemplaren der wissenschaftlichen Arbeit, Novellierung der Trinkwasserverordnung 24:959– die nicht zurückgesandt werden, bis zum 980 7. Bundesgesetzblatt Teil I (2000) Gesetz zur Neu- 31.07.2011 an: ordnung seuchenrechtlicher Vorschriften (Seu- chenrechtsneuordnungsgesetz – SeuchRNeuG) Herrn 33:1045–1077 8. DIN 1988 (1988) Technische Regeln für Trinkwas- Prof. Dr. med. Horst Hummelsheim ser-Installationen (TRWI); Allgemeines; Techni- 1. Vorsitzender der DGNKN sche Regel des DVGW. Beuth GmbH, Berlin Neurologisches Rehabilitations- 9. VDI 6023 (2006) Hygiene in Trinkwasser-Instal- lationen – Anforderungen an Planung, Ausfüh- zentrum Leipzig rung, Betrieb und Instandhaltung. Beuth GmbH, Muldentalweg 1 Berlin 04828 Bennewitz 10. WHO (2005) Water safety plans: Managing drin- king-water quality from catchment to consumer. http://www.who.int/entity/water_sanitation_he- Quelle: alth/dwq/wsp170805.pdf Deutschen Gesellschaft 11. DIN 19643 (1997) Aufbereitung von Schwimm- und Badebeckenwasser – Teil 1: Allgemeine An- für Neurotraumatologie forderungen. Beuth GmbH, Berlin und Klinische Neurorehabilitation e.V. 12. Umweltbundesamt (2006) Hygieneanforderun- (DGNKN), www.dgnkn.de gen an Bäder und deren Überwachung. Bundes- gesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheits- schutz 49:926–937 Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 6 · 2011 | 679
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