Leitfaden Virtuelle Inbetriebnahme - Handlungsempfehlungen zum wirtschaftlichen Einstieg - Digitalisierung & Industrie 4.0
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Leitfaden Virtuelle Inbetriebnahme Handlungsempfehlungen zum wirtschaftlichen Einstieg in Kooperation mit Forum Industrie 4.0
INHALT 1 Editorial Innovationen, Lösungskompetenz und Spitzenqualität sind zentrale Merkmale unserer Branche. Und auch Industrie 4.0 steht genau hierfür. Die Schlüsselbegriffe sind Digitalisierung und Vernetzung. Informations- und Internettechnologien werden Schritt für Schritt in die Produkte und Prozesse der Unternehmen integriert. Dem deutschen Maschinen- und Anlagenbau kommt als Anbieter und Anwender von Industrie 4.0 eine Schlüsselrolle zu. Er integriert neueste Technik in Produkte und Prozesse. Zugleich ist er Datenquelle für Industrie 4.0: Er erfasst die Daten, interpretiert sie, innoviert Hartmut Rauen damit und entwickelt neue Geschäftsmodelle. Dabei ist Industrie 4.0 nicht nur ein Thema der größeren Unternehmen, sondern muss auch für den Mittelstand wirtschaftlich und nutzbringend umsetzbar sein. Um im Zeitalter der Digitalisierung auch in Zukunft erfolgreich sein zu können, gilt es in digitalen Wertschöpfungsketten zu agieren. Es geht darum, Informationen in einem Digitalen Zwilling von Komponenten, Maschinen und Anlagen durchgängig zur Verfügung zu stellen. Nur so können Simulationen aus dem Engineering, Live-Daten aus der Produktion und Opti- mierungsanalysen kombiniert werden. Diese Möglichkeit ist auch die Grundvoraussetzung dafür, Maschinen und Anlagen bei Anwendern virtuell in Betrieb zu nehmen. Somit können Dr. Christian Mosch sie vorab abgesichert werden. Das spart Zeit in der tatsächlichen Inbetriebnahme, reduziert Aufwände und damit auch Kosten. Vor diesem Hintergrund versteht sich der vorliegende Leitfaden „Virtuelle Inbetriebnahme – Leitfaden zur wirtschaftlichen Einführung“ als praxisorientiertes Werkzeug. Es werden Maß- nahmen aufgezeigt, um die Virtuelle Inbetriebnahme im eigenen Unternehmen wirtschaftlich einzuführen. Hiervon profitieren auch die Lieferanten und Kunden. Anforderungen können klarer beschrieben und erfüllt werden. Auf die Kosten und Nutzen wird ein besonderes Augen- merk gelegt. Letztlich geht es darum, mit der Virtuellen Inbetriebnahme wirtschaftlichen Mehrwert zu schaffen. Der VDMA realisiert mit diesem Leitfaden einen Umsetzungsbaustein Etienne Axmann für die Praxis. Er liefert einen weiteren Baustein zur Umsetzung von Industrie 4.0 und dem Digitalen Zwilling. Unser ausdrücklicher Dank gebührt Prof. Dr.-Ing. Alexander Verl und Prof. Dr.-Ing. Oliver Riedel vom Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungsein richtungen (ISW) der Universität Stuttgart sowie Prof. Dr.-Ing. Jochen Deuse vom Institut für Produktionssysteme (IPS) der TU Dortmund für die wissenschaftliche Aufbereitung des Leitfadens. Zudem gilt es, den beteiligten VDMA-Mitgliedern für ihr Engagement im projektbegleitenden Arbeitskreis zu danken. Wir wünschen Ihnen eine spannende und inspirierende Lektüre. Hartmut Rauen Dr. Christian Mosch Etienne Axmann Stellvertretender VDMA-Forum Industrie 4.0 VDMA Robotik + Automation VDMA-Hauptgeschäftsführer
2 VORWORT Inhaltsverzeichnis 01 Editorial 24 VIBN erfolgreich im Unternehmen einführen 02 Inhalt 25 Pilotphase – Kurzfristige Planung und Einführung 03 Vorwort 25 Strategische Ziele festlegen 25 Projektteam zusammenstellen 04 Management Summary 26 Auswahlkriterien für das Simulationswerkzeug definieren 05 Einleitung und Grundprinzipien der 26 Betrachtung von technischen Virtuellen Inbetriebnahme (VIBN) Schnittstellen und Austauschfor- 05 Adressaten dieses Leitfadens mate der Simulationswerkzeuge 05 Grundlegende Motivation für VIBN 27 Vorauswahl Simulationswerkzeug 05 Definition der VIBN treffen 06 Beteiligte entlang der Zulieferkette 27 Pilotprojekte durchführen im Maschinen- und Anlagenbau 29 Entscheidung zum Simulations- 07 Der VIBN-Prozess werkzeug treffen 29 VIBN-Begleitdokument erstellen 09 Zielbild der integrierten VIBN 09 Integration der VIBN in den 30 Produktivphase – mittel- und Lebenszyklus langfristige Planung und Etablierung 09 Kopplung von VIBN und dem übrigen Engineering als Pull-Push-Gefüge 31 VIBN im Engineering verankern 10 Aufbau und Nutzung des virtuellen Testaufbaus 31 VIBN effizienter gestalten 12 VIBN als Ausgangspunkt für den Digitalen Zwilling 34 Ausblick 13 Fazit 37 heckliste für die Einführung von C 14 Kosten und Nutzen der VIBN VIBN im eigenen Unternehmen 14 Qualitative Nutzen der VIBN 14 Nutzen der VIBN für den 38 Quellenverzeichnis Betreiber 16 Nutzen der VIBN für den 39 Impressum Systemlieferanten 18 Nutzen der VIBN für den Komponentenlieferanten 19 Quantitative Kosten-Nutzen- Abschätzung 20 Kostenanalyse 22 Nutzenpotenzialabschätzung 23 Ergebnisauswertung 23 Kapazitätsanpassung
VORWORT 3 Vorwort Für den Maschinen- und Anlagenbau in ware und das gesamte Produktionssystem Deutschland ergibt sich durch die konsequente erreicht. Zudem werden Verbesserungen der Digitalisierung des Produktentstehungspro Entwicklungsprozesse, bspw. bei der Kommuni- zesses eine Vielzahl an neuen Wertschöpfungs- kation der Disziplinen und dem Zeitmanage- potenzialen. Bisherige Entwicklungen haben ment, erreicht. spannende Einzellösungen hervorgebracht, es fehlt jedoch an einer strukturierten Umsetzung Für immer mehr Unternehmen im Maschinen- entlang des gesamten Produktentstehungs und Anlagenbau nimmt die Virtuelle Inbetrieb- Prof. Oliver Riedel prozesses. Zu den einzelnen Entwicklungen nahme eine signifikante Rolle ein. Die kon zählen Fortschritte in den Bereichen Virtualisie- sequente Weiterentwicklung der Virtuellen rung und Cloud-Technologien, AR/VR, Künst Inbetriebnahme in einem Schulterschluss aus liche Intelligenz und Machine Learning sowie Forschungslandschaft, Herstellern von Simula- in besonderem Maße die Bereiche Simulation tionssoftware und dem Maschinen- und Anla- und Datenmodellierung. Bei der Betrachtung genbau in Deutschland ist dabei eine span- eines vollständig digitalisierten Lebenszyklus nende Erfolgsgeschichte für sich. Heute können von Produkt und Produktion spricht man vom mit der steigenden Anzahl an Unternehmen, Digitalen Zwilling. Der deutsche Maschinen- und die auf die Virtuelle Inbetriebnahme setzen, Anlagenbau hat die Möglichkeit, auf dem Weg neue Potenziale entlang von Zulieferketten Prof. Alexander Verl zu ganzheitlichen Digitalisierungslösungen eine erschlossen und die ganzheitliche, wertschöp- Vorreiterrolle einzunehmen. Der Produktentste- fungskettenübergreifende Digitalisierung voran- hungsprozess und insbesondere die Produktion getrieben werden. werden durch die konsequente Digitalisierung transparenter, intelligenter und flexibler – genau Mit dem vorliegenden Leitfaden ist erstmals ein passend, um auf die Herausforderungen eines praxisbezogenes Dokument entstanden, das globalen und hoch individualisierten Marktes zu aus der Sicht des Anwenders den erfolgreichen reagieren. operativen und nachhaltig wirtschaftlichen Ein- stieg in die Virtuelle Inbetriebnahme unterstützt. Eine Simulationsmethode, die bereits heute im Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre Prof. Jochen Deuse Produktentstehungsprozess eine maßgebliche und einen erfolgreichen Start bei den eigenen Rolle spielt, ist die Virtuelle Inbetriebnahme. (ersten) Schritten hin zu einer effizienten und Aus digitalen Modellen, Methoden und Werk- gewinnbringenden Virtuellen Inbetriebnahme. zeugen ist in den vergangenen 15 Jahren eine Technologie entstanden, die eine Absicherung von Komponenten, Maschinen und Anlagen in einer virtuellen Umgebung ermöglicht, bevor diese real in Betrieb genommen werden. Bei deren Einsatz werden erwiesenermaßen Vor- teile für die Qualität von Automatisierungssoft- Dr. Ralph Richter Prof. Oliver Prof. Alexander Prof. Jochen Dr. Ralph Riedel Verl Deuse Richter ISW ISW RIF RIF
4 LEITFADEN VIRTUELLE INBETRIEBNAHME Management Summary Die Virtuelle Inbetriebnahme gewinnt als Handlungsanweisungen umsetzungsnaher Teil der Digitalisierung für den Lieferanten und Kunden im Maschinen- und Anlagenbau über alle Die Vielzahl an Daten und Informationen in den Unternehmen eignen sich schon heute für die Branchenzweige hinweg an Bedeutung. Realisierung der Virtuellen Inbetriebnahme für Dieser Leitfaden ermöglicht mit einer die eigenen Komponenten, Maschinen oder Kosten-Nutzen-Betrachtung und einer Anlagen. In der initialen Betrachtung stehen methodischen Handlungsanweisung einen die Kosten und Nutzen im Fokus. In diesem effizienten Einstieg. Leitfaden wird hierauf besonderen Wert gelegt. Auf Grundlage des neu entwickelten Kosten- Nutzen-Schemas kann in einer einfachen tabel- Die Virtuelle Inbetriebnahme ist ein prädestinier- larischen Form der Return-of-Investment ermit- ter Anwendungsfall, um in durchgängigen digita- telt werden. len Prozessketten zu denken. Damit ist sie auch ein Anwendungsbeispiel für den Digitalen Zwil- Eingerahmt wird die Kosten-Nutzen-Betrach- ling. Der Digitale Zwilling ist das Herzstück der tung durch technische Erläuterungen und einer Industrie 4.0. Als digitales Abbild von Maschi- methodischen Einführungsstrategie. Es wird nen, Komponenten und Produkten kombiniert er deutlich, dass ohne digitale Prozessketten Simulationen aus dem Engineering, Live-Daten Engineering-Daten im späteren Verlauf verloren aus der Produktion und Optimierungsanalysen. gehen. Sie gelangen mit Ihren Erkenntnissen Die Ergebnisse sind neue Erkenntnisse über nicht bis in die Produktion. Ziel muss es also Produkte und Prozesse, gewonnen auf effizien- sein, die Virtuelle Inbetriebnahme in den gesam- tem und intelligentem Wege. Schnell wird klar, ten Lebenszyklus zu integrieren. Der erste welche Möglichkeiten und Potentiale sich damit Schritt ist meist der Schwierigste. Die im Zuge für die Unternehmen verbinden lassen – und dieses Leitfadens entwickelte Herangehens- das über den gesamten Produktions- und Pro- weise hilft, diese Einstiegshürde zu senken. duktzyklus hinweg. Durch die konsequente Umsetzung der Virtuel- Die Realisierung der Virtuellen Inbetriebnahme len Inbetriebnahme kann die Qualität der Soft- hat enormes Potenzial für den Maschinen- und ware und des gesamten Produktionssystems Anlagenbau und deren Kunden. Bei Bestands- verbessert werden. Eine langwierige physische anlagen bietet das frühzeitige Durchspielen Inbetriebnahme und stressige Einsätze am unterschiedlicher Szenarien Einsparpotenziale. Bestimmungsort können vermieden werden. Die Absicherung von Anlagenkonfigurationen Eine Checkliste gibt Anreize für die eigene führt zur gesteigerten Prozessqualität und der Umsetzung und vereinfacht die Beschreibung Erhöhung der Anlageneffizienz in der eigenen der Anforderungen an das eigene Unternehmen. Produktion. Die Reduktion des Time-to-Market neuer Produkte und neue datenbasierte Geschäftsmodelle der Maschinenlieferanten sind nur einige wenige mögliche Mehrwerte.
LEITFADEN VIRTUELLE INBETRIEBNAHME 5 Einleitung und Grundprinzipien der Virtuellen Inbetriebnahme (VIBN) Adressaten dieses Leitfadens Dieser Leitfaden adressiert alle Beteiligten entlang von Zulieferketten im Maschinen- und Anlagenbau und richtet sich an das Manage- ment und die Entscheider im jeweiligen Unter- Elektrik Mechanik nehmen und Fachbereich. Der Leitfaden ist als Anwendungshilfe zu bestehenden Richtlinien VIBN und Standards zu sehen. Themen des Leitfadens sind: • Die Grundprinzipien der Virtuellen „Die VIBN erleichtert Software das Zusammenspiel Inbetriebnahme (VIBN) und das Konzept aller Disziplinen“ der integrierten VIBN. • Die Kosten- und Nutzenpotenziale der VIBN. • Die erfolgreiche Einführung und zielgerichtete Umsetzung der VIBN im Unternehmen. Abbildung 1: Die VIBN erleichtert, unter Bereitstellung eines mechatronischen Simulationsmodells, die Zusammenarbeit der Beteiligten im Engineering Grundlegende Motivation für VIBN Die Entstehung und Nutzung eines Produk- tionssystems 1 durchläuft mehrere Phasen des Lebenszyklus, in denen es zu Fehlern und Definition der VIBN somit Kosten kommen kann. Nach der „Rule Die VIBN ist eine Simulationsmethode, bei der of Ten“ (dt. Zehnerregel) der Fehlerkosten [1] das Steuerungssystem mit einem Simulations- erhöhen sich die Kosten zur Behebung eines modell der Komponente, Maschine oder Anlage Fehlers um den Faktor „10“, für jede Phase verbunden wird [3], um frühe, entwicklungs des Lebenszyklus in der der Fehler fortbesteht. begleitende Tests des Produktionssystems zu Die frühe Fehlererkennung und -behebung, ermöglichen. Durch die Nutzung von Simula- möglichst noch im Engineering 2, senkt die Kos- tionsmodellen für die VIBN können Sachverhalte ten eines Produktionssystems daher erheblich. aus einzelnen Disziplinen des Engineerings, Die Durchlaufzeit und die Qualität eines Pro- sowie explizit deren Zusammenspiel im mecha- duktionssystems werden positiv beeinflusst. tronischen 3 Kontext, veranschaulicht werden Die frühe Fehlererkennung ist besonders für (siehe Abbildung 1). die Software von Produktionssystemen rele- vant, da deren Anteil stetig durch die zuneh- Sinnbildlich ermöglicht die VIBN ein Umschalten mende Komplexität mechatronischer Produkte des realen Betriebs eines Produktionssystems steigt [2]. Die VIBN ermöglicht eine frühzeitige in den virtuellen Betrieb (siehe Abbildung 2). Fehlererkennung und spart somit Kosten und Der Zusammenschluss aus Steuerungssystem Zeit bei der Herstellung und Nutzung von und simuliertem Produktionssystem wird als Produktionssystemen. virtueller Testaufbau bezeichnet. Dieser ermög- licht z. B. eine virtuell abgebildete Anlage ein 1 Im Kontext des Leitfadens ist ein Produktionssystem eine 3 Zu den mechatronischen Disziplinen zählen alle für Komponente, Maschine oder Anlage das Unternehmen relevanten Tätigkeiten aus den Bereichen Mechanik, Elektrik und Elektronik, Fluidik und Pneumatik, 2 Die Entwicklung und/oder Konstruktion werden im Rahmen Informatik und Software. Im weiteren Verlauf des Leitfadens wird des Leitfadens zusammengefasst als Engineering bezeichnet. vereinfachend der Sammelbegriff „Mechatronik“ verwendet.
6 LEITFADEN VIRTUELLE INBETRIEBNAHME Bei der Einführung und Nutzung von VIBN ist die gesamte Zulieferkette des Unternehmens zu betrachten und nicht nur die eigenen internen Prozesse und Strukturen (siehe Abbildung 3). Im folgenden Abschnitt werden die Beteiligten entlang der Zulieferkette genauer betrachtet. Beteiligte entlang der Zulieferkette im Maschinen- und Anlagenbau Der Betreiber eines Produktionssystems steht an der Spitze der Zulieferkette und be- auftragt einen Systemlieferanten ein auto matisiertes Produktionssystem (für z. B. Montage, Fertigung oder Logistik) zu liefern (Serienmaschinenbau) oder ggfs. zu entwickeln (Sondermaschinenbau). Ein Beispiel für einen Abbildung 2: Sinnbild der VIBN: Umschalten zwischen Realität und Betreiber ist ein OEM 4 (bspw. ein Automobil- Simulation [4] bauer), der auf diesen Maschinen oder Anlagen Produkte für einen Kundenmarkt herstellt. Als Systemlieferant wird die Gruppe aus Systemintegrator, Maschinen- und Anlagen lieferant verstanden. Die Kompetenzen des So f Systemintegrators liegen in der Zusammenfüh- tw Betreiber ar rung und Integration eigener oder zugekaufter eli Teillösungen und Komponenten zu einem auto- ef er matisierten Produktionssystem. Komponenten-, an Systemlieferant t Maschinen- und Anlagenlieferanten liefern ihre (S im (Systemintegrator, Teillösungen direkt an den Betreiber aus. In ula Maschinen- und Anlagenlieferant) tio einem solchen Fall übernimmt der Betreiber die ns we Aufgabe der Integration. rkz Komponentenlieferant eu g) Der Komponentenlieferant stellt die benötig- ten Teillösungen auf Produktbasis (Serien maschinenbau) oder Projektbasis (Sonder Abbildung 3: Die Zulieferkette im Maschinen- und Anlagenbau im Kontext maschinenbau) bereit. Die Komplexität einer der VIBN Komponente variiert, beispielsweise von einem Drucksensor bis hin zu einem mehrachsigen zusetzen, um frühzeitig zu experimentieren, zu Roboter. testen und zu erproben, solange sich die reale Anlage noch im Aufbau befindet. Nach Aufbau Der Softwareanbieter stellt im Kontext der der realen Anlage kann das Steuerungssystem Zulieferkette das Simulationswerkzeug (oft idealerweise ohne weitere Änderung an der auch: Simulationssoftware) zur Modellierung realen Anlage betrieben werden und erzeugt und Simulation von Komponenten, Maschinen dasselbe Verhalten. Die virtuelle Anlage wird und Anlagen bereit und steht mit der gesamten weiterhin im Rahmen von Tests verwendet, um Zulieferkette in Beziehung. eine Belegung der realen Anlage zu vermeiden oder deren Beschädigung auszuschließen. 4 OEM – Original Equipment Manufacturer
LEITFADEN VIRTUELLE INBETRIEBNAHME 7 Systemlieferant Betreiber Ausschließlich reale Inbetriebnahme Ausgelieferte Elemente Komponente, Engineering und Fertigung Montage und Inbetriebnahme Maschine Testreport oder Anlage Mit Virtuelle Inbetriebnahme Ausgelieferte Elemente Zeitgewinn und Komponente, Qualitätsgewinn Maschine Testreport Engineering und Fertigung Montage und oder Anlage Inbetriebnahme Virtuelle Inbetriebnahme Simulations- Konfiguration des modell Modellierung der Optimierungen virtuellen Virtueller Test Simulation Testaufbaus Start der Betriebsphase Abbildung 4: Gegenüberstellung des Lebenszyklus ohne und mit VIBN für den Maschinen- und Anlagenbau Zur Nutzung von VIBN entlang der Zulieferkette, mit dem Testen beginnen. Die frühen Tests am benötigt es einen individuellen VIBN-Prozess im virtuellen Testaufbau verkürzen die Zeit für die Engineering. Diese VIBN-Prozesse sind später reale Inbetriebnahme (IBN) und entschärfen eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche den kritischen Pfad im Engineering durch ein Zusammenarbeit der unterschiedlichen Partner Simultaneous Engineering 5. Durch den frühe- bei der VIBN. ren Beginn der Tests ist ein ausführlicheres und intensiveres Testen möglich, was sich positiv Der VIBN-Prozess auf die Qualität des zu liefernden Produktions- Der VIBN-Prozess wird in Abbildung 4 dem systems auswirkt. Sobald die Komponente, konventionellen Engineering gegenübergestellt, Maschine oder Anlage am virtuellen Testaufbau wobei die Einflüsse im Lebenszyklus durch die abgenommen ist, steht die verbleibende Zeit VIBN in Grün dargestellt sind. dem Lieferanten für Optimierungen zur Ver fügung. Dies geschieht meist parallel zum Der VIBN-Prozess teilt sich hierbei in vier Transport, Aufbau und der IBN am Einsatzort. Phasen: So kann der Betreiber nicht nur zeitgerecht, • Modellierung der Komponente, Maschine aufgrund verkürzter IBN-Zeit, sondern bereits oder Anlage für die Simulation bedarfsoptimiert in die Betriebsphase überge- • Konfiguration des virtuellen Testaufbaus hen. Beispielsweise können Durchlaufzeiten • Ausführung der virtuellen Tests oder Energieverbräuche virtuell optimiert wer- • Nutzung der verbleibenden Zeit bis zur den. Auslieferung für Optimierungen Ein Systemlieferant agiert vor dem „Start der Betriebsphase“. Er zieht den Nutzen der VIBN daraus, dass der virtuelle Testaufbau seiner 5 Definition aus VDI-Richtlinie 4499 Blatt 1 Digitale Fabrik – Grundlagen, 2008: „Eine Form der Ablauforganisation im Komponente, Maschine oder Anlage früher als Rahmen der Produktionsvorbereitung, bei der die verschiede- nen Aufgaben wie Produktkonstruktion, Fertigungsplanung der reale Aufbau zur Verfügung steht. Somit und Fabrikplanung nicht mehr sequenziell, sondern zeitlich kann er parallel zu Engineering und Fertigung parallel erfolgen.“
8 LEITFADEN VIRTUELLE INBETRIEBNAHME Der Einsatzzweck und der Mehrwert von VIBN Den Vorteilen in der virtuellen Testphase des können veranschaulicht werden, indem die Engineerings stehen Mehraufwände bei der Tätigkeiten und das Tätigkeitsumfeld mit dem erstmaligen Einführung und kontinuierlichen der realen IBN verglichen werden (siehe Abbil- Bereitstellung der VIBN gegenüber. Zu den dung 5). Die VIBN ersetzt die reale IBN nicht Mehraufwänden gehören: vollständig. Sie verkürzt diese durch das Vor • einmalige Kosten wie Hardware und Software ziehen zahlreicher Testaktivitäten. Zusätzlich für VIBN, ermöglicht der virtuelle Test die Betrachtung von • laufende Kosten wie Software-Lizenzen, Störsituationen, die in der Realität nur schwer Personal und nachgestellt werden können oder mit dem • Zeitaufwände für die Modellierung der Risiko von schweren Schäden verbunden sind. Simulation und der Konfiguration des virtuellen Testaufbaus. Virtuelle Inbetriebnahme Reale Inbetriebnahme ü Systemtest ü Systemtest ü Abnahmetest ü Abnahmetest ü Softwaretest ü Softwaretest ü Test des Gutfalls ü Test des Gutfalls ü Test des Schlechtfalls ü Test der Verkabelung ü Test von Störsituationen ü Test der E/A-Belegung ü Gefundene Fehler aus dem Engineering ü Gefundene Fehler aus dem Engineering können einfach in Software, Mechanik, können nur in der Software einfach Elektrik behoben werden behoben werden ü Früheres und häufigeres Testen bereits ü Test und Auslegung einzelner Prozesse während der Entwicklung ü Einfache Datenaufzeichnung ü Besserer Einblick in die Wirkzusammenhänge ü Ruhige Arbeitsumgebung ü Ergonomisches Arbeiten ü Keine Anreise notwendig Abbildung 5: Tabellarische Bildquelle Gegenüberstellung von VIBN und realer IBN; grau: mittels VIBN und IBN möglich, grün: nur bei VIBN links: Heitec AG möglich, Bildquelle blau: nurrechts: stockphoto über VDMA bezogen bei IBN möglich
LEITFADEN VIRTUELLE INBETRIEBNAHME 9 Zielbild der integrierten VIBN Integration der VIBN in den Lebenszyklus Die für die VIBN erstellten Simulationsmodelle Für eine erfolgreiche VIBN sollte diese frühzei- und Testaufbauten bestehen über die Phasen tig und durchgängig in das eigene Engineering des Engineerings hinaus und sollten weiter integriert werden (Abbildung 6). Bei kunden genutzt werden (grüne Pfeile in Abbildung 6). spezifischen Entwicklungen im Sondermaschi- Ein Konzept für die weitere Nutzung ist der nenbau ermöglicht ein Simulationsmodell als Digitale Zwilling, mehr dazu in Abschnitt „VIBN technisches Kommunikationsmittel, eine enge als Ausgangspunkt für den Digitalen Zwilling“ Kopplung zwischen dem Lieferanten und dem (Seite 12). Betreiber. Beide Beteiligten können ihren Vor- stellungen iterativ am Modell abgleichen. Im Kopplung von VIBN und Serienmaschinenbau ist der Einsatz der dem übrigen Engineering Simulationsmodelle bereits in der Angebots- Für die prozessuale Integration von VIBN im phase von Nutzen, um dem Betreiber eine rea- Engineering ist die Etablierung eines neuen listische Darstellung des angebotenen Produkts Gefüges aus „Pull“ und „Push“, zusammen mit am bewegten 3D-Modell vorführen zu können. den mechatronischen Disziplinen, erforderlich Sowohl für den Sonder- als auch für den (siehe Abbildung 7). In der Pull-Phase fordert Serienmaschinenbau, kann ein sequenzielles die VIBN Informationen in Form von Enginee- Engineering mittels VIBN aufgehoben werden. ring-Daten aus den mechatronischen Diszipli- Die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen nen. Aus diesen Daten werden das Simulations- Disziplinen werden durch eine frühzeitige modell und der virtuelle Testaufbau erstellt. In Zusammenführung der Teilergebnisse am der Push-Phase meldet die VIBN die Testergeb- Simulationsmodell sichtbar. Interdisziplinäre nisse der Verifikation und Validierung an die ein- Teams, die sich anhand des Simulationsmo- zelnen mechatronischen Disziplinen zurück. Die dells verständigen, entwickeln Teillösungen in Ergebnisse werden von den Disziplinen für Feh- agilen, kurzen Zyklen. lerbehebungen und Optimierungen genutzt. Abbildung 6: Zielbild einer in den Lebenszyklus integrierten VIBN im Maschinen- und Anlagenbau
10 LEITFADEN VIRTUELLE INBETRIEBNAHME In einem ideal integrierten VIBN-Prozess wird Das Steuerungssystem wird nicht in das aus dem Pull und Push ein iteratives Vorgehen Simulationsmodell integriert, sondern mit der geschaffen, das eine neue Dynamik im gesam- Simulation verknüpft. Der virtuelle Testaufbau, ten Engineering erzeugt. Diese Dynamik bietet also die Verknüpfung des Simulationsmodells eine Reihe von Vorteilen, die in einer höheren mit dem Steuerungssystem, wird als X-in-the- Qualität der Komponente, Maschine oder Loop-System (XiL-System) bezeichnet. Mit der Anlage münden: Nutzung von XiL-Systemen werden, gegenüber • Fehler aus der Konzept- und der einem realen Testaufbau, folgende Vorteile Realisierungsphase werden früher entdeckt. erreicht: • Optimierungsschleifen werden früher gestartet • Geringere Kosten beim Aufbau und häufiger durchgeführt. • Geringerer Aufwand bei kontinuierlicher • Beteiligtes Personal erhält früher einen Neukonfiguration Einblick in das gesamte Produktionssystem. • Keine Beanspruchung von physischen Ressourcen (z. B. Montage- und Hallenfläche) Aufbau und Nutzung des virtuellen • Kein Verschleiß und keine Beschädigung von Testaufbaus Betriebsmitteln Die VIBN benötigt ausführbare Simulationsmo- delle einer Komponente, Maschine oder Anlage. Die Ausprägungen von XiL werden anhand der Die Simulationsmodelle bilden u.a. folgende Art der Steuerung unterschieden in: Zusammenhänge ab: • Model-in-the-Loop (MiL): die Steuerungssoft- • Prozesslogik ware wird in einer Modellsprache abgebildet. • Kinematik • Software-in-the-Loop (SiL): die • Materialfluss Steuerungssoftware läuft in einer Emulation. • Physikalische Effekten • Hardware-in-the-Loop (HiL): die • Sensoren und Aktoren Steuerungssoftware läuft auf der realen • (Bus-)Kommunikation Hardware der Steuerung. Testfälle und Abnahmekriterien des Kunden Mechatronische L UL Disziplinen im CAD, ECAD, Layoutplan Engineering P SPS-, NC- und Roboterprogramme Zykluszeitendiagramme, VIBN „schiebt“ Feedback Netzwerkadressen in die Disziplinen Iterativ und … dynamisch 3D-Videos und Screenshots VIBN „zieht“ Informationen von laufender Komponente, aus den Disziplinen Maschine oder Anlage Testreports und Datenaufzeichnungen H Elektrik S Mechanik Getestete SPS-, NC- und PU Roboterprogramme VIBN … Checkliste der Abnahme Software Abbildung 7: Push-Pull-Gefüge zwischen VIBN und den mechatro- nischen Disziplinen im Engineering
LEITFADEN VIRTUELLE INBETRIEBNAHME 11 hoch HiL Simulation Steuerungs- Prüfobjekt system Feldbus Regelschleife (Loop) SiL Simulation Emulation Emulation ~ MiL Simulation Modell Intern gering Abbildung 8: Realitätsnähe • Realitätsnähe = Umfang, Detaillierungsgrad und Zeitverhalten und Aufwand der XiL-Systeme • Aufwand der Erstellung aus Simulationsmodell, Kommunikationsstrecke und Steuerungssystem Neben dem Steuerungssystem sind auch die der Ausführung mit der Simulation interagiert Kommunikationsstrecke, das Simulationsmo- werden kann (siehe Best Practice 6 „Ganz dell, das Simulationswerkzeug und der Umfang heitlicher Einsatz von VIBN-Simulationsplatt bei der Modellierung zwischen den XiL-Syste- formen“). Der Mehrwert von Simulationswerk men unterschiedlich [5] (siehe Abbildung 8). zeugen entsteht in der Anwendung von explizit Abhängig von der gewünschten Nähe zur realen digital zur Verfügung stehenden Methoden, Komponente, Maschine oder Anlage, wird das welche an der realen Anlage nicht oder nur passende XiL-System eingesetzt. Der Aufwand mit großem Aufwand anwendbar sind. Die zur Erstellung steigt mit der Realitätsnähe an. folgenden Methoden werden genutzt (siehe Die Komplexität des Simulationsmodells selbst, auch [5]) für: steht hiermit nicht im Zusammenhang. Idealer- weise werden MiL, SiL und HiL in dieser Rei- • Das Erstellen von virtuellen Steuer- henfolge, passend zum Fortschritt im Enginee- und Signaltafeln. ring, eingesetzt. Die Kopplungen von mehreren Die Elemente auf den Tafeln werden zum Steuerungssystemen mit einer Simulation sind Eingreifen (Taster, Schalter) oder zum technisch möglich und werden in der Praxis ein- Beobachten (z. B. durch Lampen oder Signal- gesetzt. verläufe) während der Simulation genutzt. Die für die VIBN erforderlichen Simulations- werkzeuge werden kommerziell von unter- schiedlichen Anbietern vertrieben. Der Funk- tionsumfang der Simulationswerkzeuge 6 Siehe separates Dokument „Best Practices zur Virtuellen unterscheidet u. a. wie modelliert und während Inbetriebnahme“.
12 LEITFADEN VIRTUELLE INBETRIEBNAHME • Das Beeinflussen von Signalen • Das Verändern der Simulationszeit im während der Simulation. Vergleich zur Realzeit. Dies wird dann genutzt, wenn an der virtuel- Eine beschleunigte Simulation erlaubt eine len Komponente, Maschine oder Anlage eine größere Spanne der Lebensdauer zu betrach- Fehlersituation hervorgerufen werden soll. ten oder Zwischenzustände zu überspringen. Die Methode sieht hierzu das Überschreiben Eine verlangsamte Simulation ermöglicht (auch als „Forcing“ bezeichnet) der eigentli- ein besseres Betrachten von Zustandsände- chen Werte einzelner Signale oder Signal- rungen. gruppen vor. Der Entwickler, Tester oder Inbetriebnehmer • Die Nachverfolgung (auch als geht bei der Testausführung am virtuellen Test- „Tracing“ bezeichnet) von Signalen. aufbau nach dem Prinzip Bedienen, Beobach- Die Signale werden während der Simulation ten, Protokollieren vor. Dabei ist es für den aufgezeichnet und als Rohdaten abgespei- Erfolg erforderlich, die Abläufe, Testfälle oder chert. Eine gleichzeitige grafische Darstellung Anwendungsszenarien vorab zu definieren ist möglich. und schriftlich festzuhalten. • Das gezielte Herbeiführen eines Abbildung 9 zeigt das Vorgehen zur Erstellung Anfangszustands in der Simulation. von Testfällen und der anschließenden Test Die Methode verkürzt die Zeit zur Vorbereitung ausführung. Die Erstellung einzelner Testfälle eines Tests und macht die Tests wiederholbar. erfolgt bezogen auf eine Funktionalität des Vorgehen zur Testerstellung Vorgehen beim virtuellen Test Testausführung erstellen Testausführung starten Funktionalität auswählen Zielzustand der Testfälle Funktionalität definieren Bedienen Fehlerfälle und Störsituationen der Funktionalität definieren Beobachten Vorbedingungen für Test Protokollieren definieren Testschritte definieren Alle Testfälle nein bearbeitet? Verifikation je Schritt definieren ja Nachbedingungen für Test Testergebnisse definieren auswerten Testfall Testreport Testausführung Testausführung erstellt beendet Fehlerbehebung Abbildung 9: Ablaufdiagramme für die Testerstellung und Testausführung
LEITFADEN VIRTUELLE INBETRIEBNAHME 13 roduktionssystems. Diese können spezifizierte P • Das Absichern von Modifikationen an der Funktionen, Anforderungen des Betreibers oder realen Komponente, Maschine oder Anlage. bestehende Serviceroutinen beinhalten. • Das Untersuchen von Fehlersituationen aus dem Betrieb. Der Testreport wird als Information zur Fehler- behebung und Optimierung an die Verantwort- Die zur Verifikation und Validierung einer lichen der mechatronischen Disziplinen weiter- Komponente, Maschine oder Anlage eingesetz- gegeben und enthält implizit den Nachweis über ten Simulationsmodelle der VIBN können als den Reifegrad des getesteten Systems und Teilmodell eines Digitalen Zwillings eingesetzt dessen Software. Er dient, neben der Weiter- werden. gabe an Dritte, auch der späteren Nachvoll ziehbarkeit. Werden Fehlerbehebungen oder Der Digitale Zwilling wird für neue Geschäfts- Optimierungen durchgeführt, ist eine erneute modelle in Betracht gezogen, um in Zukunft Testausführung mit den gleichen Testfällen virtuelle Showrooms, individuelle Schulungen notwendig (Regressionstest). im Sinne eines reibungsloseren Produktions- starts, die erweiterte Nutzung von Retrofit VIBN als Ausgangspunkt für den maßnahmen 7 und die Veranschaulichung Digitalen Zwilling von datengetriebenen Optimierungen zu Die modellierten Simulationsmodelle und auf ermöglichen. Damit wird der Digitale Zwilling gebauten XiL-Systeme können als wichtige in Zukunft zu einem wichtigen Bestandteil der Basis für den Digitalen Zwilling dienen. Der Bestellung und Auslieferung einer Maschine, Begriff „Digitaler Zwilling“ steht für eine als Komponente oder Anlage. praxisnahe digitale Darstellung eines realen Systems. Hierfür werden Simulationsmodelle Fazit aus unterschiedlichen Simulationsdisziplinen, Bereits heute ist die VIBN als gewinnbringende historische Daten sowie Echtzeitdaten aus dem Simulationsmethode im Engineering des Feld kombiniert und mit Methoden der Auswer- Maschinen- und Anlagenbaus im Einsatz. Ein tung, Vorhersage und Beeinflussung nutzbar vollständig integrierter VIBN-Prozess hilft im gemacht. [6] Engineering die Zeitvorgaben zu beherrschen, und erhöht die Qualität der zu liefernden Kom- Mit Industrie 4.0 hat sich der Einsatzzweck ponente, Maschine oder Anlage maßgeblich, da des Digitalen Zwillings auf die produzierende Fehler früher erkannt und behoben werden kön- Industrie und insbesondere den Maschinen- nen. Zeit- und Qualitätsgewinn kommen sowohl und Anlagenbau ausgeweitet. Dort wird er dem Lieferanten, als auch dem Betreiber beschrieben als „…visionäre Zielsetzung, dass zugute. Die für die VIBN genutzten Simulations- alle Informationen über eine (technisches) modelle, Simulationswerkzeuge, virtuelle System jederzeit und in der jeweils vom Nutzer Methoden und XiL-Systeme müssen beherrscht benötigten Weise digital zur Verfügung stehen.“ werden, um eine erfolgreiche VIBN zu ermög- [7]. Der Digitale Zwilling hat bisher noch nicht lichen. Die VIBN ist außerdem die Basis für den vollumfänglich den produktiven Einsatz erreicht Digitalen Zwilling, der wiederum neue [8] [9] [10]. Geschäftsmodelle ermöglicht. Die Möglichkeiten des Digitalen Zwillings sind [6]: • Die Verifikation der realen Komponente, Maschine oder Anlage. • Das Vorhersagen der Lebensdauer und des Zustands der realen Komponente, Maschine oder Anlage (Condition Monitoring und Predictive Maintenance). 7 Retrofit: Aufrüstung von Bestandsanlagen mit Digitalisie- rungstechnik
14 LEITFADEN VIRTUELLE INBETRIEBNAHME Kosten und Nutzen der VIBN Die nachfolgenden Abschnitte dieses Leit Unterstützt wird dies durch die Qualifikation der fadens unterstützen bei der Identifikation von Mitarbeiter am virtuellen Modell. Die Anlage Nutzenpotenzialen beim Einsatz von VIBN für kann früher Umsatz generieren, was sich in das eigene Unternehmen, sowie der darauf einer steileren Anlaufkurve widerspiegelt. Die aufbauenden quantitativen Kosten-Nutzen- Automatisierung der Testausführung stellt einen Abschätzung anhand von Checklisten. weiteren Ansatz zur Optimierung in fortgeschrit- tenen Umsetzungen der VIBN dar. Qualitative Nutzen der VIBN Eine umfassende Betrachtung des qualitativen Qualität Nutzenpotenzials der VIBN erfolgt anhand Eine höhere Anlagenqualität wird durch die der fünf Zieldimensionen Zeit, Qualität, Kosten, Fehlererkennung und -behebung, bereits wäh- Transparenz und Reaktionsfähigkeit [11] – rend des Engineerings, erreicht. Fortlaufende speziell für den Betreiber, System- und Kompo- Optimierungen der Anlagensteuerung führen zu nentenlieferant. einem höheren Reifegrad bei der Inbetrieb- nahme und tragen so maßgeblich zur Steige- Nutzen der VIBN für den Betreiber rung der Anlaufkurve bei. Nach erfolgreichem Zeit Anlauf der Anlage beim Betreiber, kann durch Die VIBN ermöglicht für den Betreiber einen frü- eine fortgeschrittene Umsetzung der VIBN auch heren Markteintritt („time to market“) und somit zukünftig eine erweiterte Absicherung von Opti- einen zeitlichen Vorteil gegenüber anderen mierungen und Modifikationen erfolgen. Ermög- Wettbewerbern (siehe Abbildung 10). Dies wird licht wird dies durch die Simulation parallel zum durch die reduzierte Engineering-Zeit der Sys- Betrieb. Die Voraussetzung hierzu sind die temlieferanten ermöglicht. Die VIBN der Anlage Übergabe der erforderlichen Simulationsmo- und die Optimierung der Anlagensteuerung delle, als erweiterter Lieferumfang des System- anhand des Simulationsmodells, ermöglichen lieferanten, sowie die fortlaufende Definition die Fehlererkennung und -behebung bereits vor und Überprüfung von Fehlersituationen. der Inbetriebnahme vor Ort und stellen so das schnelle Erreichen des Betriebspunkts sicher. Kosten Durch die Verringerung der Integrations- und Anlaufrisiken von Anlagen in komplexeren Pro- duktionssystemen, können die Anlaufkosten reduziert werden. Kosten für die Anpassung können hierdurch zusätzlich verringert werden. Steilere Anlaufkurve Produktlebenszyklus Es werden typische Ausbringungsverluste in der Anlaufphase reduziert, da das Personal vorab geschult und die Anlagenverfügbarkeit zum Umsatz SOP 8 sichergestellt wird. Die Reduzierung von VIBN Anlaufverlusten wird sowohl durch die verkürzte Anlaufdauer als auch die Vermeidung von Aus- schuss erzielt. Die virtuelle Absicherung ermög- licht das Ausschließen von Kollisionen in einer Anlage und verringert dadurch Reparaturkosten. Zeit Markteintritt Abbildung 10: Potenziale für den Betreiber durch VIBN 8 SOP – Start Of Production
LEITFADEN VIRTUELLE INBETRIEBNAHME 15 Transparenz Reaktionsfähigkeit Das virtuelle Anlagenabbild wird zur Simulation Die gesteigerte Transparenz der Anlage mittels und Visualisierung von Testläufen eingesetzt der Simulationsmodelle begünstigt die schnelle und steigert so das Verständnis von Systemlie- Umsetzung von Anpassungsbedarfen und ferant und Anlagenbetreiber, insbesondere bei neuen Servicekonzepten. Daraus ergeben sich komplexen Anlagen. Dadurch wird eine bessere ein verbesserter Support und Service durch den Abstimmung ermöglicht. Korrekturen hinsichtlich Systemlieferanten, sowohl in Bezug auf der Anlagenkonstruktion und Funktionalitäten geplante Anlagen (Greenfield, siehe Best Prac- können noch innerhalb des Engineerings vorge- tice 9 zur „VIBN in der Greenfieldplanung von nommen werden. Das gesteigerte gemeinsame Agilen Produktionssystemen“), als auch Verständnis und die frühe Absicherung unter- bestehende Anlagen (Brownfield, siehe Best stützen das Projektmanagement. Meilensteine Practice 9 zur „Integration von neuen Modulen in und Liefertermine werden besser planbar. Auf einem Brownfield-Produktionssystem“). Eine Basis der Simulationsmodelle können in der erneute Anpassung einer bereits virtualisierten fortgeschrittenen Anwendung der VIBN virtuelle Anlage kann schneller realisiert werden, da die Schulungsszenarien für Bediener und Instand- nötigen Simulationsmodelle bereits bestehen. halter, anhand der Anlagenmodelle, abgeleitet Auch im zukünftigen Betrieb können fortlau- werden (siehe Best Practice 9 zur „Aus- und fende Service- und Wartungsprojekte an den Weiterbildung im Bereich der VIBN mittels Anlagen virtuell geplant und abgesichert wer- virtueller Laborumgebung“). den. Kürzere Integrationszeiten bzw. Anlaufzei- ten in Green- und Brownfield werden so erreicht. Das Anlagenpersonal kann am virtuel- 9 Siehe separates Dokument „Best Practices zur Virtuellen len Modell geschult werden, ohne Stillstände Inbetriebnahme“. des Produktionssystems herbeizuführen. Zieldimension Nutzenbeschreibung Frühzeitige Inbetriebnahme ¨ Frühere Umsetzung der Anlage durch Reduktion der Engineeringzeit und Reduzierung der Anlaufzeit ¨ Schnelles Erreichen des Betriebspunkts durch steile Anlaufkurve (Zeit) ¨ Beschleunigung durch die Automatisierung von Testausführungen (*) Höhere Anlagenqualität ¨ Fehlererkennung und -vermeidung während des Engineerings (Qualität) ¨ Höherer Reifegrad der Anlagensteuerung bei der Inbetriebnahme ¨ Erweiterte Absicherung durch die betriebsparallele Simulation von Fehlersituationen (*) Reduzierung von ¨ Reduzierung von Integrationsrisiken und -kosten Anlaufkosten ¨ Sicherstellung der Anlagenverfügbarkeit zum SOP (Kosten) ¨ Reduzierung von Anlaufverlusten (Zeitdauer, fehlerhafte Produkte) ¨ Vermeidung von Anlagenkollisionen und Reparaturbedarfen Steigerung der ¨ Visualisierung mittels virtuellem Anlagenabbild bei der Testausführung Anlagentransparenz ¨ Bessere Abstimmung zwischen Systemlieferant und Betreiber (Transparenz) ¨ Bessere Planbarkeit von Meilensteinen und Lieferterminen ¨ Personalschulung am virtuellen Anlagenmodell (höhere Mitarbeiterqualifikation) (*) Schnellere Umsetzung von ¨ Verbesserter Support und Service durch den Systemlieferanten Anpassungsbedarfen ¨ Virtuelle Absicherung von Service- und Wartungsprojekten (Reaktionsfähigkeit) ¨ Änderungen bestehender Anlagen mit minimiertem Risiko und Anlagenstillstand (*) ¨ Einführung weiterer Produktionsschichten durch parallele Personalschulung am Modell (*) Die fortgeschrittene Umsetzung der VIBN und Nutzung der Simulationsmodelle sind erforderlich, um diese Potenziale realisieren zu können Tabelle 1: Zusammenfassung der VIBN-Nutzenpotenziale für Betreiber
16 LEITFADEN VIRTUELLE INBETRIEBNAHME Nutzen der VIBN für den Systemlieferanten austausch zwischen verschiedenen Anlagen- Zeit komponenten und Schnittstellenteilnehmern Es werden Engineering- und Inbetriebnahme- sowie die Vollständigkeit von Komponenten und prozesse virtuell und in interdisziplinärer Software des Gesamtsystems überprüft. So Zusammenarbeit durchgeführt. Abläufe können kann eine frühe Evaluation der Kommunikation parallelisiert werden, sodass die Umsetzung zwischen Steuerung und Hardwarekomponen- eines Simultaneous Engineerings gefördert ten erfolgen. Eine höhere Testabdeckung wird wird. Besonders im Vordergrund steht bei der durch die Überprüfung künstlich induzierter Feh- VIBN die Erprobung und Validierung der Steue- ler und kritischer Anlagenzustände ermöglicht. rungssoftware in Interaktion mit dem Simula- Diese sind im realen Betrieb sehr riskant, ver- tionsmodell der Anlage in frühen Projektphasen. ursachen bei einer realen IBN meist hohe Kos- Dabei durchgeführte Integrations- und System- ten und erfordern mehr Zeit. Unfall- und Gefah- tests führen zu einer Verkürzung der IBN und rensituationen für Personen bei der IBN werden der Anlaufphase beim Betreiber. Mit virtuellen dadurch vermieden. Im Rahmen einer fortge- Modellen können Vorabnahmen ohne physische schrittenen Umsetzung der VIBN können unter- Aufbauten erfolgen und zahlreiche Tests vor der schiedliche Steuer- und Regelstrategien auto- physischen Abnahme stattfinden (siehe Best matisiert evaluiert werden, um eine optimierte Practice 10 zur „VIBN zur Planung und Realisie- Anlagensteuerung zu realisieren. rung komplexer Logistiksysteme“). Kosten Qualität Frühzeitige und kontinuierliche Tests ermögli- Auf Basis eines Simulationsmodells von Anla- chen zusätzlich eine erhöhte Effizienz in der gen können ganze Produktionsszenarien weit Projektabwicklung, die mit einer Kostenreduktion umfassender getestet und optimiert werden als einhergeht (siehe Abbildung 11). Nachträgliche an einer realen Anlage. Dabei erfolgen die Änderungen im Engineering werden so möglichst Fehlererkennung und -behebung bereits im vermieden. Eilaufträge im eigenen Betrieb oder Engineering, also vor der kostenintensiven die Neubeschaffung von Zukaufteilen, aufgrund Phase der IBN. Es wird zusätzlich der Daten- kurzfristiger konstruktiver Änderungen von Anla- genkomponenten, werden deutlich reduziert. Virtuelle Tests reduzieren Hardwarekosten und personelle Aufwände zum Aufbau physischer 10 Siehe separates Dokument „Best Practices zur Virtuellen Teststände. Insbesondere für Serienanlagen und Inbetriebnahme“. Abbildung 11: Frühzeitige Fehlererkennung und -vermeidung im Engineering
LEITFADEN VIRTUELLE INBETRIEBNAHME 17 Zieldimension Nutzenbeschreibung Verkürzung der ¨ Effiziente und parallelisierte Engineeringprozesse (Simultaneous Engineering) Projekt-Durchlaufzeit ¨ Frühzeitige Erprobung der Steuerungssoftware (Zeit) ¨ Vermeidung des Aufbaus kompletter Anlagenteile zur Vorabnahme ¨ Verkürzung der realen Inbetriebnahme und der Anlaufphase Steigerung der ¨ Höhere Softwarereife durch gesteigerte Testabdeckung Produktqualität ¨ Evaluation der Kommunikation zwischen Steuerung und Hardwarekomponenten (Qualität) ¨ Vermeidung von fehlenden Komponenten oder fehlender Software ¨ Virtuelle Tests kritischer und riskanter Anlagenzustände ¨ Vermeidung von Unfall- und Gefahrensituationen für Personen ¨ Optimierung von Steuer- und Regelstrategien in frühen Engineeringphasen (*) Höhere Effizienz in der ¨ Vermeidung von nachträglichen Änderungen im Engineering Projektabwicklung ¨ Reduzierung von Hardwarekosten und Aufbauarbeiten für Testzwecke (Kosten) ¨ Automatisierte Testausführungen (*) ¨ Reduzierte Reisekosten für die Inbetriebnahme ¨ Vermeidung von Vertragsstrafen Verbessertes Maschinen- ¨ Höhere Transparenz der Anlagen (-funktionalität) für Engineering und Management und Prozessabbild ¨ Testläufe mittels Simulation, Reproduzierbarkeit von Testszenarien (Transparenz) ¨ Abstimmung und Anpassung mit Betreiber im Engineering (*) Kurzzyklische Regelkreise ¨ Frühzeitiges Feedback (Reaktionsfähigkeit) ¨ Interdisziplinäre Projektteams und kurzzyklische Meilensteine zur Synchronisierung ¨ Dezentrale, virtuelle Durchführung von Inbetriebnahmeprozessen (*) (*) Die fortgeschrittene Umsetzung der VIBN und Nutzung der Simulationsmodelle sind erforderlich, um diese Potenziale realisieren zu können Tabelle 2: Zusammenfassung der VIBN-Nutzenpotenziale für Systemlieferanten bei wiederholt auftretenden Testabläufen können visualisiert und reproduzierbar gestaltet. Diese durch eine Automatisierung der Testausführung können für zukünftige Engineering-Tätigkeiten weitere Personalressourcen entlastet werden. wiederverwendet werden. Bei fortgeschrittener Die IBN beim Betreiber kann aufgrund der Integration der VIBN in den Unternehmens gesteigerten Produktqualität (Softwarereife) zeit- prozessen, können auf Basis der Simulation, lich reduziert werden. Für Mitarbeiter entstehen noch im Engineering Abstimmungen mit dem so geringere Reiseaufwände. Vertragsstrafen auf Betreiber stattfinden. Anpassungen an der Grund von Terminverzug sind frühzeitig absehbar Anlage können ebenfalls vorgenommen wer- und können präventiv vermieden werden. den, ohne die Projektdauer zu verlängern und die Lieferfristen zu gefährden. Transparenz Ein verbessertes Maschinen- und Prozess Reaktionsfähigkeit abbild, in Form des Simulationsmodells, unter- Die Erstellung eines Simulationsmodells der stützt die Kommunikation und Verständnisbil- Anlage in der Konstruktionsphase fördert die dung im Engineering und schafft eine erhöhte Umsetzung aufeinander abgestimmter und agiler Transparenz sowie Eindeutigkeit des Projekt Engineeringprozesse und ermöglicht ein frühzei- status, auch gegenüber dem Management. So tiges Feedback durch den Kunden. Kurzzyklisch können Unternehmensbereiche einen Einblick gewählte Meilensteine zur Synchronisierung sor- in den Status des Engineerings und die Pro- gen für regelmäßige Abstimmungen innerhalb duktfunktionalitäten erhalten, die nicht direkt am des Unternehmens und mit dem Betreiber. Auf- Engineeringprozess beteiligt sind. Es werden wändige Nachforderungen nach Auslieferung Testläufe mit Hilfe der Simulation durchgeführt, des Produktionssystems werden so vermieden.
18 LEITFADEN VIRTUELLE INBETRIEBNAHME Im Zuge einer fortgeschrittenen Etablierung der der virtuellen Komponenten kann auch der VIBN im Unternehmen kann die Abstimmung der Systemlieferant die Qualität seines Simula- beteiligten Abteilungen und Mitarbeiter auch tionsmodells der Anlage verbessern. Denn die dezentral erfolgen. Von internationalen Koopera- notwendigen Fähigkeiten der Anlage werden tionen des Engineeringteams, bis hin zur VIBN durch die virtuelle Erprobung der Komponen- – parallel zum Transport der Anlage –, sind viel- tenfunktion und -eignung maßgeblich sicher fältige Szenarien mit einer hohen Flexibilität gestellt. Hierbei steigern digitale Engineering- bezüglich Zeit und Einsatzort möglich. Prozesse sowohl die Zuverlässigkeit als auch die Effizienz deutlich. Nutzen der VIBN für den Komponentenlieferanten Kosten Zeit Die Erstellung und Bereitstellung von Simula- Ein Nutzen ergibt sich durch effizienteres Engi- tionsmodellen bedeuten für den Komponenten- neering gemeinsam mit den Kunden, wenn lieferanten zunächst einmal zusätzliche Kos- Simulationsmodelle der Komponenten genutzt ten. Den zentralen Nutzen jedoch stellt die werden können. Insbesondere mit parametrier- aktive Teilnahme an der digitalen Wertschöp- baren Modellen können aufwändige Abstim- fungskette dar, die eine Erweiterung des mungsrunden reduziert werden, so dass beide Geschäftsmodells ermöglicht. Der Komponen- Seiten Zeit sparen. Zusätzlich ist vorteilhaft, tenlieferant erweitert, durch die Bereitstellung wenn die Kunden die Modelle in Standardforma- des Digitalen Zwillings zu seinen Komponen- ten anfordern und einfach in das VIBN-Simula- ten, den Lieferumfang. Die im eigenen Engi- tionswerkzeug importieren können. Dadurch neering entstandenen Simulationsmodelle wer- wird ein universeller Datenaustausch 11 gewähr- den dem Systemlieferanten angeboten, leistet und der Komponentenlieferant kann die welcher dadurch seinen eigenen Modellie- Modelle einfacher und sicherer individuell rungsaufwand reduzieren kann. Neben der erzeugen und zur Verfügung stellen. Nutzung für die VIBN können die Simulations- modelle auch zukünftig durch die Betreiber für Qualität den industriellen Digitalen Zwilling verwendet Hersteller können aufgrund ihrer Expertise werden (siehe Abbildung 12). Letztlich kann Simulationsmodelle ihrer Komponenten für durch die Verankerung des Simulationsmodells die VIBN in hoher Qualität erstellen. Mit einer und zusätzlicher Services in den Unterneh- passgenauen Auslegung und Konfiguration mensprozessen eine Differenzierung vom Wettbewerb erfolgen und dadurch ein verbes- serter Marktzugang realisiert werden. 11 Bislang existieren häufig werkzeugspezifische Formate, aber keine branchenübergreifenden standardisierten Austausch- formate. Zukünftige Entwicklungen im Kontext der Normung und Standardisierung sind erforderlich. Digitale Wertschöpfungskette Komponenten- Systemintegration Betrieb entwicklung VIBN Digitaler Zwilling Modellbibliothek Abbildung 12: Marktvorteil durch die Mitwirkung an der digitalen Wertschöpfungskette
LEITFADEN VIRTUELLE INBETRIEBNAHME 19 Zieldimension Nutzenbeschreibung Reduzierung der time ¨ Bereitstellung von Simulationsmodellen vor physischer Lieferung to market ¨ Reduzierung der time to market durch virtuelle Integrationstests (Zeit) ¨ Bereitstellung unterschiedlicher etablierter Dateiformate (*) Steigerung der ¨ Sicherstellung der Funktionsfähigkeit durch digitales Engineering Komponentenqualität ¨ Virtuelle Absicherung anhand von Demonstrationsszenarien (Qualität) ¨ Absicherung des Datenaustausches zwischen unterschiedlichen Informationsmodellen Digitale Wertschöpfung ¨ Erprobung ohne physische Prototypen als Erweiterung des ¨ Aufbau und Pflege einer digitalen Komponentenbibliothek mit Simulationsmodellen Geschäftsmodells ¨ Virtuelle Erprobung von Komponentenfunktion und -eignung (Kosten) ¨ Verbesserter Marktzugang durch erhöhte Sichtbarkeit (*) Verbesserte ¨ Darstellung von Funktionalität und Verhalten anhand von Simulationsmodellen Produkttransparenz ¨ Nutzung des Simulationsmodells in Vertrieb und Support (Transparenz) ¨ Bereitstellung von Modellen in Lieferanten übergreifenden Komponentenbibliotheken ¨ Verbesserte Sichtbarkeit am Markt (*) Schnellere Reaktion auf ¨ Gezielte Abstimmung auf Bedarfe des Betreibers auf Basis von Simulationsmodellen Kundenbedürfnisse ¨ Virtuelle Erprobung in Integrationsszenarien (Reaktionsfähigkeit) ¨ Kurzfristige virtuelle Modellanpassungen (*) (*) Die fortgeschrittene Umsetzung der VIBN und Nutzung der Simulationsmodelle sind erforderlich, um diese Potenziale realisieren zu können Tabelle 3: Zusammenfassung der VIBN-Nutzenpotenziale für Komponentenlieferanten Transparenz richtet sich primär an Systemlieferanten aus Die Funktionalität und das Verhalten von Kom- dem Serien- und Sondermaschinenbau, kann ponenten können transparent dargestellt und jedoch auch für die Bedürfnisse von Kompo- den Systemlieferanten die Simulationsmodelle, nentenlieferanten, sowie Betreibern, angepasst durch Vertrieb und Support, bereitgestellt wer- verwendet werden. den. Eine Integration der Komponenten in liefe- rantenübergreifende Komponentenbibliotheken, Stufe 1 weist eine zusätzliche Möglichkeit zur Verbrei- Kostenanalyse tung auf. Die Verbreitung von Simulationsmodel- Eine Kostenanalyse bildet die Grundlage für len und das transparente Aufzeigen von Funktio- die Kosten-Nutzen-Abschätzung. Es werden nalitäten erhöht die Sichtbarkeit am Markt. Bereiche und Prozesse identifiziert, die durch die VIBN beeinflusst werden. Die bestehenden Reaktionsfähigkeit Kosten werden systematisch erfasst. Zur Anpassungsbedarfe auf Kundenbedürfnisse Unterstützung wird eine Checkliste bereitge- können gezielt auf Basis der Simulationsmodelle stellt, welche die beeinflussten Bereiche und abgestimmt werden. Die Erprobung in Integra- Prozesse aufzeigt (siehe Tabelle 4). tionsszenarien ermöglicht die kurzzyklische Abstimmung ohne die Entwicklung physischer Stufe 2 Demonstratoren. Nutzenpotenzialabschätzung Es folgt die Abschätzung prozentualer Einspa- Quantitative Kosten-Nutzen-Abschätzung rungspotenziale, welche durch VIBN erreichbar Zur strategischen Planung zählt auch ein fun- sind. Aus der Gegenüberstellung der anfallen- diert abgeschätztes Kosten-Nutzenpotenzial den absoluten Kosten aus der Prozesskosten- der VIBN. Die dreistufige Methodik soll dazu analyse und der prozentualen Einsparungs- befähigen, die Potenziale für Unternehmen potenziale können die absoluten Einsparungen zu beziffern (Abbildung 13). Diese Methodik abgeleitet werden.
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