Leopoldina aktuell 5/2020
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Leopoldina aktuell 5/2020 Newsletter der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften Halle (Saale), 9. Oktober 2020 Einheitliche und klare Regeln für Corona- Schutzmaßnahmen 6. Ad-hoc-Stellungnahme der Leopoldina zur COVID-19-Pandemie
2 5/2020 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER Inhalt 6-7 3 Editorial 4 Nobelpreis für Physik geht an Leopoldina- Mitglied Reinhard Genzel 5 Nobelpreis für Chemie geht an Leopoldina- Mitglied Emmanuelle Charpentier 6 Leopoldina appelliert an Bund und Länder: Coronavirus-Pandemie: Fünfte und sechste „Wirksame Regeln für Herbst und Winter“ Ad-hoc-Stellungnahme zu Bildungssystem und 7 Leopoldina empfiehlt Maßnahmen Schutzmaßnahmen veröffentlicht. „Für ein krisenresistentes Bildungssystem“ 8 Neue Mitglieder ins Präsidium gewählt und neue Sektion „Global Health“ gegründet 9 Early Career Award für Biodiversitätsforscher 9 Neue Generalsekretärin 10 Interview mit Ursula M. Staudinger ML: „Die Alternsforschung braucht das Miteinander vieler Disziplinen“ 11 Gesundheitliche Ungleichheit @Leopoldina: Folgen Sie uns auf Twitter und 12 Stellungnahme für G20-Gipfel vorgelegt werden Sie unsere 10.000ste Followerin oder unser 10.000ster Follower. 12 Psychische Gesundheit in Zeiten von COVID-19 13 Bilaterale Kooperationen mit Russland und Südkorea 14 13 Die Internationale der Nationalisten? 14 Interview mit Ivan Đikić ML: „Braincirculation ist die beste Lösung, um Wissenschaftslücken in Europa zu schließen“ 15 SILBERSALZ-Konferenz zeigt „The Two Faces of Trust“ 15 In eigener Sache: Auszeichnung für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Braindrain und Braingain: Interview mit Ivan 16 Aufruf für eine Europäische Stiftung Đikić ML zur Migration junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Europa und weltweit. 16 Zwischen Papier und Bildschirm 17 Meldungen 18 Termine Die Leopoldina in den Sozialen Medien 20 Personalia 23 Impressum
5/2020 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER 3 Editorial Liebe Mitglieder, Freundinnen und Freunde der Leopoldina, die Oktober-Ausgabe des Leopoldina-Newsletters widmet sich gewöhnlich Berichten von der Jahresversammlung. Sie hätte zum Thema „Biodiversi- tät und die Zukunft der Vielfalt“ stattgefunden. Coronabedingt musste sie auf September 2021 verschoben werden. Auch der Early Career Award 2020 wird erst dann offiziell ver- liehen. Den Preisträger haben wir der Öffentlichkeit aber bereits vorgestellt: Patrick Weigelt, ein Biodiversitätsforscher an der Uni- versität Göttingen, wird mit dem mit 30.000 Euro dotierten Preis ausgezeichnet (siehe Seite 9). Die jährliche Senatssitzung da- gegen – traditionell am Vorabend der Jahresversammlung auf dem Programm – wurde nicht verscho- ben, sie fand als Hybridveranstal- tung statt. Dabei wurde Gunnar Prof. (ETHZ) Dr. Gerald Haug, Präsident der Leopoldina Berg ML nach zehn Jahren enga- Foto: David Ausserhofer gierter Arbeit als Vizepräsident der Leopoldina aus dem Amt verabschiedet. Sein Nachfolger ist Robert Schlögl ML, der sich bereits in der Vergangen- heit vielfältig in die wissenschaftsbasierte Politikberatung eingebracht hat, unter anderem als Sprecher des Akademienprojekts „Energiesysteme der Zukunft“ (siehe Seite 8f.). Die Coronavirus-Pandemie prägt weiterhin die Publikationen der Leopoldi- na. So werden in dieser Ausgabe erneut zwei Ad-hoc-Stellungnahmen zum Thema vorgestellt: Die fünfte Stellungnahme „Für ein krisenresistentes Bil- dungssystem“ und die sechste Veröffentlichung der Reihe zu Fragen nach dem Pandemie-Management im Herbst und Winter (siehe Seite 6f.). Nicht zuletzt werden Veranstaltungen zur Coronavirus-Pandemie fortgesetzt. So fand Ende September das internationale virtuelle Podiumsgespräch zum Thema Pandemie und psychische Gesundheit große Resonanz (siehe Seite 12). Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre!
4 5/2020 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER Nobelpreis für Physik geht an Leopoldina- Mitglied Reinhard Genzel Astrophysiker erhält die Auszeichnung gemeinsam mit der US-amerikanischen Astronomin Andrea Ghez Fotos: Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, Integral | Adobe Stock Der Astrophysiker Reinhard Genzel ML, Schwarzen Löchern und Sternen. Um die der bislang beste empirische Nachweis Mitglied der Leopoldina, erhält den No- Struktur und Dynamik solcher Objekte für die Existenz von Schwarzen Löchern, belpreis für Physik. Gemeinsam mit der zu untersuchen, haben Genzel und sein die zu Beginn des 20. Jahrhunderts von US-amerikanischen Astronomin Andrea Team eine Reihe neuer Beobachtungs- Albert Einstein im Rahmen der Allgemei- Ghez wird er für die Entdeckung eines techniken und Instrumente im Bereich nen Relativitätstheorie postuliert worden supermassereichen kompakten Objekts im waren. Zentrum unserer Galaxie, der Milchstraße, Der Präsident der Leopoldina Ge- „Es freut uns, dass ein ausgezeichnet. Die beiden teilen sich die rald Haug ML beglückwünscht Rein- eine Hälfte des Nobelpreises für Physik, Leopoldina-Mitglied hard Genzel zu dieser höchsten wissen- die andere Hälfte geht an den britischen für seine wegweisenden schaftlichen Auszeichnung: „Mit dem Mathematiker und Physiker Roger Penrose Erkenntnisse Nobelpreis werden in diesem Jahr bahn- für die Entdeckung, dass schwarze Löcher brechende Forschungsergebnisse im Be- gewürdigt wird.“ eine robuste Vorhersage der Allgemeinen reich der Experimentellen Astrophysik Gerald Haug ML Relativitätstheorie sind. Präsident der Leopoldina gewürdigt. Dass ein Leopoldina-Mitglied für seine wegweisenden wissenschaftli- chen Erkenntnisse gewürdigt wird, freut R einhard Genzel gilt als einer der der Infrarot-, Submillimeter- und Milli- uns umso mehr und zeigt, dass das Harn- weltweit führenden Forscher auf meter-Astronomie entwickelt. So konnte ack-Prinzip der Max-Planck-Gesellschaft dem Gebiet der Infrarot- und Genzel durch 20 Jahre lange, vielfach lebt.“ ■ JK, LQ Submillimeter-Astronomie. Sein Inte- preisgekrönte Beobachtung nachweisen, resse gilt dem Entstehen, der Entwick- dass im Zentrum unserer Milchstraße ein lung und den Kernen von Galaxien sowie Schwarzes Loch von 4,3 Millionen Son- Reinhard Genzel der Entstehung und Entwicklung von nenmassen existiert. Damit gelang ihm
5/2020 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER 5 Nobelpreis für Chemie geht an Leopoldina- Mitglied Emmanuelle Charpentier Mikrobiologin erhält die Auszeichnung gemeinsam mit der US-amerikanischen Biochemikerin Jennifer Doudna Fotos: Hallbauer&Fioretti, Leigh Prather | Adobe Stock Emmanuelle Charpentier ML, Mitglied der Nach dem Studium der Biochemie Braunschweig. 2014 erhielt sie eine Ale- Leopoldina seit 2015, wird mit dem Nobel- und Mikrobiologie und Forschungsauf- xander von Humboldt-Professur. 2015 preis für Chemie geehrt. Charpentier erhält enthalten in den USA habilitierte Emma- bis 2018 war sie Direktorin am Max- die Auszeichnung für die Entwicklung einer nuelle Charpentier sich an der Universi- Planck-Institut für Infektionsbiologie in Methode für die Genomeditierung. Sie tät Wien (Österreich) und ging danach Berlin. Seit 2018 ist Charpentier Grün- wird gemeinsam mit der Biochemikerin dungs- und kommissarische Direktorin und Molekularbiologin Jennifer Doudna der Max-Planck-Forschungsstelle für die „Ich freue mich, dass (Berkeley/USA) gewürdigt. Wissenschaft der Pathogene in Berlin. eine herausragende Für ihre wissenschaftlichen Leistun- Kollegin der Max- gen wurde sie mit zahlreichen Preisen D er Präsident der Leopoldina Ge- Planck-Gesellschaft geehrt, darunter die Carus-Medaille der rald Haug ML beglückwünscht Leopoldina 2015, der Leibniz-Preis 2016 geehrt wird.“ die Mikrobiologin und Bioche- und der Kavli Prize für Nanowissenschaf- Gerald Haug ML mikerin zu dieser hohen Auszeichnung: Präsident der Leopoldina ten 2018. Außerdem erhielt sie 2019 den „Mit dem Nobelpreis werden in diesem Verdienstorden der Bundesrepublik Jahr bahnbrechende Erkenntnisse im Be- Deutschland. Die Leopoldina hat mehr reich der Genomforschung gewürdigt, mit an die Umeå Universität (Schweden), wo als 1.600 Mitglieder, darunter sind nun- denen große Hoffnungen für die Anwen- sie nach wie vor eine Gastprofessur inne mehr 34 Nobelpreisträgerinnen und No- dung in Medizin, Biotechnologie, Tier- hat. 2013 bis 2015 war sie Professorin an belpreisträger. ■ LQ, JK und Pflanzenzucht verbunden sind. Ich der Medizinischen Hochschule Hanno- freue mich, dass mit Emmanuelle Char- ver und leitete die Abteilung Regulation pentier eine herausragende Kollegin der in der Infektionsbiologie am Helmholtz- Emmanuelle Charpentier Max-Planck-Gesellschaft geehrt wird.“ Zentrum für Infektionsforschung in
6 5/2020 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER Leopoldina appelliert an Bund und Länder: „Wirksame Regeln für Herbst und Winter“ 6. Ad-hoc-Stellungnahme zur Coronavirus-Pandemie verweist auf steigende Infektionszahlen Die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus steigt auch in Deutschland wieder an. Um einer abermals schwer kon- trollierbaren Entwicklung der Pandemie zu begegnen, fordert die Leopoldina in ihrer sechsten Ad-hoc-Stellungnahme zur Coro- navirus-Pandemie klare und einheitliche Schutzmaßnahmen für Herbst und Winter. D ie Autorinnen und Autoren wei- sen darauf hin, dass sich der An- stieg der Infektionen mit SARS- CoV-2 in anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Spanien, Niederlande und Österreich oder in Israel bereits deutlicher zeigt als in Deutschland. Ein Impfstoff gegen das Coronavirus werde Das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes gehört zu den einfachen und wirksamen Maßnahmen, selbst nach optimistischer Einschätzung die in der Coronavirus-Pandemie weitere Infektionen verhindern können. Foto: snedorez | Adobe Stock nicht vor dem Frühjahr 2021 in ausrei- chender Menge verfügbar sein. Auch die Wirksamkeit medikamentöser Therapien einheitliche Regeln für die konsequente greifen. Durch gezielte Testungen je nach sei bisher begrenzt. Mit der beginnenden Umsetzung der Schutzmaßnahmen so- Infektionsrisiko sowie die Bereitstellung Erkältungs- und Influenzasaison steige wie eine transparente Kommunikation von laborunabhängigen Testverfahren zudem die Herausforderung, Erkran- der Grundlagen, Abläufe und Ziele poli- solle schneller zwischen einer SARS- kungen mit ähnlicher Symptomatik von tischer Entscheidungen“, erläutert Leo- CoV-2-Infektion und symptomähnlichen COVID-19 zu unterscheiden. poldina-Präsident und Mitautor Gerald Erkrankungen wie Influenza unterschie- Haug ML das Anliegen der Ad-hoc-Stel- den werden können. Labortests könnten lungnahme. zudem zur Einschätzung der momen- „In den nächsten Um die Zahl der Infizierten in den tanen Infektiosität genutzt werden, um Wochen braucht es klare kommenden Monaten auf niedrigem negative Auswirkungen für Einzelne, Fa- und einheitliche Regeln Niveau zu halten, empfiehlt die Leopoldi- milienangehörige sowie Wirtschaft und sowie eine transparente na vor allem die konsequente Einhaltung Gesellschaft möglichst zu reduzieren. der Schutzmaßnahmen, schnelle und ge- Zudem wird in der Stellungnahme Kommunikation.“ zielte Testungen sowie eine Verkürzung darauf hingewiesen, dass die Bürgerin- Gerald Haug ML Präsident der Leopoldina der Quarantäne- und Isolationszeiten. nen und Bürger adressatenspezifisch Die Autorinnen und Autoren beto- aufbereitetes und barrierefrei zugäng- nen, dass die AHA-Regeln und ein regel- liches Wissen benötigten, um sich ent- Vor diesem Hintergrund appelliert mäßiger Luftaustausch in Räumen nach sprechend klarer Regeln verhalten zu die Nationalakademie an die Verant- wie vor die wichtigsten und wirksamsten können. ■ JK, DW wortlichen in Bund und Ländern, sich Mittel seien, um die Pandemie unter Kon- rasch auf bundesweit verbindliche, wirk- trolle zu halten. Mit Blick auf eine mög- same und einheitliche Regeln für das liche angespannte Situation im Herbst Ad-hoc-Stellungnahme Inkrafttreten von Vorsorgemaßnahmen und Winter sollten bundesweit einheit- „Coronavirus-Pandemie: Wirksame Regeln zu einigen und letztere konsequenter als liche Regeln und Eskalationsstufen für für Herbst und Winter bisher um- und durchzusetzen. „In den Schutzmaßnahmen definiert werden, die aufstellen“ nächsten Wochen braucht es klare und je nach regionalem Infektionsgeschehen
5/2020 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER 7 Leopoldina empfiehlt Maßnahmen „Für ein krisenresistentes Bildungssystem“ 5. Ad-hoc-Stellungnahme zur Coronavirus-Pandemie zu Anpassungen im Bildungssystem veröffentlicht Die Coronavirus-Pandemie und die Maß- nahmen zu ihrer Eindämmung hatten im Frühjahr zu umfangreichen Schließungen von Kindertagesstätten und Schulen ge- führt. Über mehrere Wochen konnten die Einrichtungen somit ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag teils gar nicht oder nur eingeschränkt nachkommen. Mit der fünften Ad-hoc-Stellungnahme zur Corona- virus-Pandemie hat die Leopoldina Anfang August Empfehlungen „Für ein krisenresis- tentes Bildungssystem“ vorgelegt. D ie Autorinnen und Autoren der Stellungnahme halten ange- sichts der anhaltenden Pande- mie weitere Anpassungen im Bildungs- system für notwendig. Dabei sei es das Unterricht in der Schule und Begegnungen untereinander sind für Kinder und Jugendliche auch vorrangige Ziel, „einen Besuch von Kin- in der Coronavirus-Pandemie wichtig. Foto: pololia | Adobe Stock dertageseinrichtungen und Schulen so durchgängig wie möglich zu erlauben“. Dafür müsse das Infektionsrisiko redu- der Stellungnahme. Diese empfiehlt zu- gung der Pandemie-Folgen in vergleichs- ziert werden. Empfohlen werden Hygi- dem Fortbildungen für das Lehrpersonal weise geringem Umfang für Bildung und ene- und Infektionsschutzmaßnahmen, und die technische Unterstützung von Erziehung vorgesehen sind. „Es wird re- systematische Tests auf das Coronavirus, Schulen. lativ wenig in das Humanvermögen der die Etablierung fester epidemiologischer Generation investiert, die einen Teil der Gruppen sowie die Berücksichtigung der aufgenommenen Schulden begleichen besonderen Bedürfnisse von Risikogrup- „Es wird relativ wenig muss“, erläutert Regina T. Riphahn ML, pen unter Kindern und pädagogischem in das Humanver- Vizepräsidentin der Leopoldina und Personal. mögen der Generation ebenfalls Mitautorin der Stellungnah- Zugleich sind – in Abhängigkeit investiert, die einen Teil me. Aus Sicht der Ökonomin müssen die vom lokalen Infektionsgeschehen – Folgen von Schulschließungen für die der für die Bewältigung auch künftig einzelne Schließungen von Bildungs- und Berufschancen von Kin- Schulen zu erwarten bzw. mussten in- der Coronavirus-Pan- dern und Jugendlichen untersucht und zwischen vollzogen werden. Deswegen, demie aufgenommenen Benachteiligungen für einzelne Gruppen so die Autorinnen und Autoren, seien Schulden begleichen vermieden werden. Investitionen in ein verlässliches, daten- Die Stellungnahme richtet sich an muss.“ Regina T. Riphahn ML schutzkonformes digitales System für Vizepräsidentin der Leopoldina die verantwortlichen Akteurinnen und Distanzunterricht als Ergänzung der Akteure des Bildungswesens, also Minis- Präsenzlehre erforderlich. Als Beispiel terien, Landesinstitute, Bildungsträger hierfür verweist Mitautor Olaf Köller auf Zugleich macht die Ad-hoc-Stellung- sowie Kitas und Schulen. ■ DW, JK Schul-Clouds mit standardisierter Soft- nahme, an der Expertinnen und Experten ware. „Das funktioniert aber nicht ohne aus Erziehungswissenschaft, Bildungs- Ad-hoc-Stellungnahme pädagogische Konzepte und vor allem forschung, Fachdidaktik, Psychologie, „Coronavirus-Pandemie: nicht ohne Lehrerinnen und Lehrer, die Ökonomie, Soziologie, Theologie, Viro- Für ein krisenresistentes auch online unterrichten können“, um- logie und Medizin beteiligt sind, darauf Bildungssystem“ reißt der Bildungsforscher eine Aussage aufmerksam, dass die Mittel zur Bewälti-
8 5/2020 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER Neue Mitglieder ins Präsidium gewählt und neue Sektion „Global Health“ gegründet Senat der Leopoldina tagt turnusgemäß im September / Jahresversammlung auf 2021 verschoben Traditionell kommt im Vorfeld der Jahres- versammlung der Leopoldina der Senat zu- sammen. Während die Jahresversammlung 2020 „Biodiversität und die Zukunft der Vielfalt“ aufgrund der Corona-Situation auf 2021 verschoben werden musste, konnte die Senatssitzung am 24. September in hybrider Form – mit jeweils rund 30 Teilnehmenden vor Ort in Halle und per Videokonferenz zugeschalteten Personen – turnusgemäß durchgeführt werden. D er Vorstand der Akademie in- formierte die Senatorinnen und Senatoren sowie die Gäste in der Sitzung ausführlich über aktuelle Das Präsidium der Nationalen Akademie der Wissenschaften im September 2020 nach der Entwicklungen in der Leopoldina sowie Senatssitzung an der Leopoldina in Halle. Foto: David Ausserhofer | Leopoldina über wichtige Themen aus den Berei- chen Politik- und Gesellschaftsberatung, internationale Aktivitäten sowie Presse- Vizepräsidenten folgt Schlögl auf den Frank Rösler ML (Potsdam), der nach und Öffentlichkeitsarbeit. Zudem wurde Physiker Gunnar Berg ML (Halle), der zwei Amtszeiten als Sekretar der Klasse der Vorstand für das Haushaltsjahr 2019 nach zwei Amtszeiten nicht erneut ge- IV nicht wiedergewählt werden konnte. entlastet. Ein Kernelement der diesjäh- wählt werden konnte. Für eine zweite Amtszeit wurden die rigen Senatssitzung bildeten die Wahlen Ebenfalls neu in das Präsidium ge- Pflanzengenetikerin Ulla Bonas ML (Hal- von neuen Präsidiumsmitgliedern und wählt wurde Ute Frevert ML (Berlin), le) zur Vizepräsidentin für den Bereich Ad-personam-Senatorinnen und -Sena- die das Amt der Sekretarin der Klasse der Lebenswissenschaften und der In- toren. IV – Geistes-, Sozial- und Verhaltens- formatiker Thomas Lengauer ML (Bonn) So wurde Robert Schlögl ML (Berlin) wissenschaften übernehmen wird. Die zum Präsidiumsmitglied gewählt. zum neuen Vizepräsidenten der Leopol- Historikerin ist Mitglied der Sektion Ausgeschieden aus dem Präsidium dina für den Kulturwissen- ist der Medizinhistoriker Heinz Schott Bereich Mathe- schaften. Als ML (Bonn), der in den vergangenen zehn matik, Natur- Direktorin des Jahren als Beauftragter des Präsidiums und Technik- F o r s c h u n g s - für Archiv, Bibliothek und Langzeitvor- wissenschaften bereichs „Ge- haben für die Leopoldina tätig war. gewählt. Der schichte der Neben den von den Sektionen ge- Chemiker ist Gefühle“ am wählten Senatorinnen und Senatoren er- Mitglied der M a x - P l a n c k - weitert sich der Senat satzungsgemäß um Sektion Che- Institut für bis zu zehn Personen, die nicht Mitglied mie und Di- B i l d u n g s - der Leopoldina sein müssen. Von diesen Der Senat der Leopoldina hat Robert Schlögl zum neuen Vize- rektor am präsidenten und Ute Frevert zur neuen Sekretarin Klasse IV forschung in werden fünf ad personam gewählt. Bei F r i t z - H a b e r - gewählt. Fotos: Markus Scholz | Leopoldina, Arne Sattler Berlin forscht ihnen handelt es sich um Persönlichkei- Institut der sie zur Sozial- ten, die Forschungsorganisationen und Max-Planck-Gesellschaft in Berlin. und Kulturgeschichte der Moderne, zur andere wissenschaftliche Einrichtungen Schwerpunkte seiner Forschung sind die Geschlechtergeschichte sowie zur Neu- in leitender Stellung vertreten. heterogene Katalyse und Materialien für eren Politikgeschichte. Im Präsidium der In den vergangenen vier Jahren Energiespeicherkonzepte. Im Amt des Leopoldina folgt sie auf den Psychologen übernahmen Nikolaus von Bomhard
5/2020 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER 9 (München), Uta Frith ML (London/UK), EARLY CAREER AWARD FÜR BIODIVERSITÄTSFORSCHER Ursula Gather (Essen), Renate Köcher (Allensbach) und Birgitta Wolff (Frank- furt (Main)) diese Funktion. Sie alle konnten einmalig für weitere vier Jahre in diese Position wiedergewählt werden. Uta Frith verzichtete aus Altersgründen auf eine erneute Kandidatur. Auf sie folgt nun Georg Schütte (Hannover), seit 2020 Generalsekretär der Volkswagen- Stiftung und zuvor von 2009 bis 2019 Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung. Die weiteren Ad-personam-Senatorinnen und -Sena- toren wurden mit großer Mehrheit vom Patrick Weigelt untersucht die Pflanzenvielfalt auf Inseln – wie hier bei einer Exkursion mit Senat wiedergewählt. Studierenden auf Teneriffa. Für seine Forschungen zur Biogeographie erhält er den diesjähri- Der Senat entschied auch darüber, gen „Leopoldina Early Career Award“. Den Biodiversitätsforscher fasziniert, wie sich Inselflo- die Regelung zur Nicht-Anrechnung von ren im Laufe der Zeit verändern. Er möchte verstehen, wie der Mensch, etwa durch den Klima- Wissenschaftlerinnen auf das Zuwahl- wandel, dazu beiträgt, dass sich Pflanzen auch außerhalb ihrer Ursprungsgebiete verbreiten. potenzial der Klassen bis 2025 zu verlän- Zudem wird der Nachwuchswissenschaftler der Universität Göttingen für die Entwicklung gern. Diese Vereinbarung wurde erstmals von Datenbanken ausgezeichnet. Diese umfassen Angaben zur regionalen Flora, zu Pflanzen- im Jahr 2005 für fünf Jahre vom Senat eigenschaften sowie zu den Gegebenheiten vor Ort. Damit liefert er eine wertvolle Ressource getroffen und bereits 2010 und 2015 um für die Forschung auf diesem Gebiet. Die Auszeichnung wird von der Commerzbank-Stiftung jeweils fünf Jahre verlängert. Das Vorge- gefördert und ist mit 30.000 Euro dotiert. Der Preis wird 2021 zur Jahresversammlung der hen wirkt sich positiv auf den Anteil von Leopoldina „Biodiversität und die Zukunft der Vielfalt“ übergeben. ■ VB/Foto: Holger Kreft Wissenschaftlerinnen an der Mitglied- schaft der Akademie aus und wurde aus diesem Grund erneut befürwortet. Der Senat stimmte ebenso der Grün- dung und Etablierung der neuen Leopol- Neue Generalsekretärin dina-Sektion „Global Health“ zu. Diese ist der Klasse III – Medizin zugeordnet und soll künftig Wissenschaftlerinnen und Die Nationale Akademie der Wissenschaf- Stationen gehören die Projektförderung Wissenschaftler aus den Fachgebieten ten hat eine neue Generalsekretärin. Die beim Deutschen Zentrum für Luft- und Public Health, Global Health, Gesund- Wissenschaftsmanagerin Franziska Hornig Raumfahrt in Bonn, das Grants Office am heitsökonomie, Gesundheitsinformatik, übernimmt die Position von Jutta Schnitzer- Institut für Molekulare Biologie in Mainz, Biomathematik, Biometrie, Umweltme- Ungefug, die nach 20 Jahren an der Spitze die Leitung der Forschungsförderung dizin, Gesundheitspsychologie, Gesund- der Geschäftsstelle in den Ruhestand geht. an der Universitätsmedizin Mainz sowie heitskommunikation, Medizinsoziologie, die Verwaltungsleitung am Max-Planck- Ernährungsmedizin, Medizinethik sowie aus weiteren thematisch relevanten Be- reichen umfassen. F ranziska Hornig studierte Be- Institut für Polymerforschung in Mainz. Ihre Vorgängerin, die Neurobiologin Jutta Schnitzer-Ungefug, war seit 2000 Abschließend informierte der Vor- triebswirt- Generalsekretärin der Leopoldina. Sie stand der Leopoldina über den Stand der schaftslehre begleitete den Ausbau der Geschäftsstelle Vorbereitungen für die Jahresversamm- an der Hoch- nach der Ernennung zur Nationalen Aka- lung 2021, die vom 24. bis 25. September schule Osna- demie der Wissenschaften 2008. Ein gro- 2021 zum – ursprünglich für 2020 vorge- brück sowie an ßes Vorhaben war die Sanierung des his- sehenen – Thema „Biodiversität und die der Ajou Uni- torischen Gebäudes auf dem Jägerberg Zukunft der Vielfalt“ in Halle stattfinden versität in Su- Foto: Markus Scholz | Leopoldina als neues Hauptgebäude in Halle. wird. ■ JB, ART won/Südkorea. Die Generalsekretärin unterstützt den Anschließend spezialisierte sie sich an Vorstand bei den laufenden Geschäften, der Deutschen Universität für Verwal- ihr sind die Geschäftsstelle und die ad- Präsidium der Leopoldina tungswissenschaften Speyer auf Wissen- ministrativen Belange der Abteilungen schaftsmanagement. Zu ihren beruflichen zugeordnet. ■ JK, CW
10 5/2020 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER „Die Alternsforschung braucht das Miteinander vieler Disziplinen“ Leopoldina-Mitglied Ursula M. Staudinger über die Zukunft der Alterns- und Lebensverlaufsforschung Lebenszeit und Lebensqualität eines jeden Menschen lassen sich beeinflussen. Welche Faktoren und Bedingungen dabei eine Rolle spielen, wie sich beispiels- weise das Leben in einer Großstadt auswirkt, ist eines der Themen von Alterns- und Lebensverlaufsforschung. Foto: Franz Pfluegl | Adobe Stock Am 24. November stellt die Leopoldina grundlegend Menschen ihr Leben mitge- aneinanderreihen und welche Auswir- den Zukunftsreport „Forschung für die ge- stalten, wie das Altern verläuft, und des- kungen solche Verläufe haben. Aber auch, wonnenen Jahre. Zukunft der Alterns- und halb müssen wir mehr darüber wissen, wie wir dazu beitragen können, dass eine Lebensverlaufsforschung in Deutschland“ wie sich gesellschaftlicher Wandel und erhöhte durchschnittliche Lebenserwar- öffentlich vor. Ursula M. Staudinger ML, Umweltveränderungen sowie Verände- tung nicht mehr Umweltressourcen ver- eine der international führenden Forsche- rungen im Erleben und Verhalten der braucht. Die Erkenntnisse betreffen also rinnen auf dem Gebiet der Alternswissen- Menschen auf den Lebensverlauf, das die Zukunft unseres Landes und die jeder schaft, hatte die Federführung für dessen Wohlbefinden und auf die Gesundheit Bürgerin und jedes Bürgers. Erarbeitung inne. der Menschen auswirken. Der Zukunftsreport „Forschung für die Welche Fragen dieser Forschung betref- gewonnenen Jahre“ befasst sich damit, Warum brauchen wir überhaupt die fen denn mich persönlich? wie es um diese Forschung in Deutsch- Alterns- und Lebensverlaufsforschung? Staudinger: Die grundsätzliche Frage land steht. Wie lautet Ihr Fazit? Ursula M. Staudinger: Weil mehr ist natürlich: Wie kann ich länger leben? Staudinger: Der Hauptbefund ist, dass Menschen älter als je zuvor werden und Und dann geht es darum: Wie kann ich die Forschung über die relevanten Dis- das unser Leben tiefgreifend verändert. länger gut leben? Wann müssen die Wei- ziplinen sehr ungleich gefördert wird. Die durchschnittliche Lebenserwar- chen gestellt werden für ein erfolgreiches Altern entsteht aus der Wechselwirkung tung ist in den letzten 150 Jahren um Berufsleben oder für Gesundheit im Al- zwischen Biologie, Lebensstilen und so- 40 Jahre gestiegen. Dadurch wandeln ter? Kann ich mit 50 Jahren noch das Ru- ziokulturellem Kontext. Um diesem Feld sich Erwerbstätigkeit, Gesundheit, Bil- der herumwerfen? Alterns- und Lebens- gerecht zu werden, braucht man eine dung, Familienbeziehungen, aber auch verlaufsforschung untersucht auch, wie breit aufgestellte Interdisziplinarität, Kultur und politisches Engagement. sich Bildung, Weiterbildung und berufli- man muss Disziplinen zusammenführen Die gewonnenen Jahre illustrieren, wie che Abschnitte in einem längeren Leben – und das wird bisher nicht genügend
5/2020 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER 11 unterstützt. Es gibt eine starke Förde- gesellschaftlich Weichen gestellt werden Gesundheitliche rung der medizinischen Forschung und können, um dazu beizutragen, dass mög- Ungleichheit der Forschung zu technologischen Assis- lichst viele Menschen gesund, zufrieden tenzsystemen für das Alter. Aber wichtige und produktiv altern können. 17. Leopoldina-Lecture widmet sich Felder wie soziologische Lebensverlaufs- Ursachen und Prävention forschung, sozialhistorische, ökonomi- Der Report wurde von der Wissenschaft- D sche, politikwissenschaftliche Forschung lichen Kommission „Demografischer ie zweite Herrenhausen-Lec- oder auch Regionalforschung und Erfor- Wandel“ erstellt. Warum ist gerade die ture der Leopoldina in die- schung des Erlebens und Verhaltens wer- Leopoldina prädestiniert, sich mit die- sem Jahr befasst sich mit den vernachlässigt. sem Thema zu befassen? dem Thema „Verlorene Jahre – Hin- Staudinger: Weil sie in einzigartiger tergründe und Folgen gesundheit- Weise alle Wissenschaftsfelder unter ei- licher Ungleichheit“. Eröffnet wird nem Dach vereint – und dabei die Besten der Abend am 20. Oktober durch den des jeweiligen Feldes bei sich versammelt Generalsekretär der VolkswagenStif- und zudem keine eigenen Interessen ver- tung, Georg Schütte, und den Präsi- treten muss. Diese Breite der Interdis- denten der Leopoldina, Gerald Haug ziplinarität gepaart mit Exzellenz und ML. Im Mittelpunkt stehen Unter- Neutralität finden Sie in keiner anderen schiede in der Lebenserwartung, die Wissenschaftsinstitution in Deutschland. weder durch genetische noch durch Für die Alternsforschung ist das eine idea- biographische, sondern durch wirt- le Voraussetzung, um Lösungsvorschläge schaftliche und soziale Faktoren be- für gesellschaftliche Fragen zu erarbeiten dingt sind. und wie im Falle des Zukunftsreports auch Die Umweltmedizinerin Barbara eine Bestandsaufnahme der Forschungs- Hoffmann und der Medizinsoziologe Ursula M. Staudinger ML lage in Deutschland vorzunehmen. Der Johannes Siegrist, beide lehren an der Rektorin der Technischen Universität demografische Wandel ist eine der großen Universität Düsseldorf, werfen mit Dresden und langjährige Sprecherin gesellschaftlichen Herausforderungen der ihren Beiträgen einen differenzierten der Wissenschaftlichen Kommission nächsten Jahrzehnte, das ist eine Dauer- Blick auf die Hintergründe gesund- „Demografischer Wandel“ an der Leo- aufgabe für die Nationale Akademie. heitlicher Ungleichheit in Deutsch- poldina. Ihre Forschung gilt der Ver- ■ DAS GESPRÄCH FÜHRTE land und diskutieren Möglichkeiten änderbarkeit des Alternsprozesses und CHRISTINE WERNER der Prävention. dessen Folgen für den demografischen In den vergangenen Jahrzehnten Wandel. Foto: Michael Frank ist die Lebenserwartung kontinuier- PRÄSENTATION lich gestiegen. Gründe dafür sind un- AM 24. NOVEMBER ter anderem sozial- und arbeitspoliti- Also wird die gesamtgesellschaftliche sche Verbesserungen und der Zugang Bedeutung dieser Forschung nicht ge- Welche Forschung kann uns helfen, die der Bevölkerung zu einem leistungs- sehen? Herausforderungen des längeren Lebens fähigen Gesundheitssystem. Davon Staudinger: Ja, leider. Die Forschungs- und des demografischen Wandels zu be- profitieren jedoch nicht alle Men- wältigen? Wie steht Deutschland hier im förderung richtet sich an einem primär schen gleichermaßen, die Differenz in Vergleich zu anderen forschungsstarken defizitorientierten Bild des Alterns aus. der Lebenserwartung zwischen armen Ländern da? In einem multidisziplinären Der Fokus liegt darauf, Krankheiten zu und reichen Menschen beträgt bis zu Überblick zu Forschungsthemen und heilen und durch technische Unterstüt- -förderung beantwortet der Leopoldina- zehn Jahre. Dabei ist die soziale und zung Defizite auszugleichen. Darin wird Zukunftsreport „Forschung für die ge- wirtschaftliche Lage am stärksten mit im Moment der gesellschaftliche Wert wonnenen Jahre“ diese Fragen und gibt den durchschnittlichen Unterschie- der Alternsforschung gesehen. Aber Empfehlungen, wie die Förderung inno- den in der Lebensdauer assoziiert. nicht alles, was mit dem Altern passiert, vativer und zukunftsweisender Alterns- Moderiert wird der Abend von ist Krankheit. Es gibt Veränderungen im forschung in Deutschland weiterentwi- Tobias Armbrüster, Journalist beim Lebensverlauf im Denken, Fühlen, Wol- ckelt werden kann. Vorgestellt wird der Deutschlandfunk. Eine Anmeldung ist len und Handeln, die wir untersuchen Zukunftsreport im Rahmen einer Zoom- erforderlich. ■ LD müssen, um die biopsychosozialen Ent- Konferenz am 24. November. stehungsbedingungen und die Konse- Information und Leopoldina-Lecture quenzen zu kennen. Solches Wissen bil- Anmeldung „Verlorene Jahre“ det dann eine der Voraussetzungen, dass
12 5/2020 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER Stellungnahme für G20-Gipfel vorgelegt Psychische Gesundheit Potenziale der internationalen Zusammenarbeit nutzen in Zeiten von COVID-19 Virtuelle Gesprächsreihe „Leopoldina International“ fortgesetzt D ie Nati- onalen Akademien der Wissen- schaften der G20-Staaten haben am 26. Septem- ber ihre ge- meinsame Stellungnahme „Foresight: Science for Navigating Critical Transi- tions“ für den diesjährigen G20-Gipfel vorgestellt und an die saudi-arabische G20-Präsidentschaft übergeben. Die Akademien betonen die Her- Weltweit leidet auch die psychische Gesundheit der Menschen unter den Belastungen der ausforderungen für die globale wirt- COVID-19-Pandemie. Foto: jiris | AdobeStock schaftliche, ökologische und gesell- schaftliche Stabilität, die sich durch die Coronavirus-Pandemie noch ver- Die virtuelle, englischsprachige Gesprächs- demie zu den Hauptverursachern der stärkt hätten. Wissenschaft könne reihe „Leopoldina International“ greift globalen Krankheitslast. „Da wesentliche helfen, diese zu meistern und kritische aktuelle Themen zur COVID-19-Pandemie Risikofaktoren für psychische Störungen globale Übergänge besser zu bewälti- auf. Nach der Premiere des neuen Formats wie Angst, Stress und soziale Verwerfun- gen. Besondere Priorität hätten in zum Thema Kontaktverfolgung mit Apps gen durch die aktuelle Pandemie und die diesem Zusammenhang Gesundheits- im Juli fand im September die zweite Ver- getroffenen Gegenmaßnahmen stark zu- fragen, der nachhaltige Umgang mit anstaltung statt, die sich der psychischen nehmen, ist auch mit einer akuten und der Umwelt sowie die Digitalisierung. Gesundheit der Bevölkerung widmete. längerfristigen Zunahme psychischer In diesen Kernbereichen gelte es, vor- Störungen zu rechnen“, erläuterte die ausschauend zu handeln, um Risiken frühzeitig zu erkennen, gegenzusteu- ern und Potenziale durch internatio- W eltweit konfrontiert die COVID- 19-Pandemie viele Menschen mit Ängsten, Sorgen und Unsicherheiten. Psychiaterin. „Es muss uns deshalb allen ein Anliegen sein, dem rechtzeitig und gezielt entgegenzuwirken.“ nale Zusammenarbeit zu nutzen. Dies kann die finanzielle Situation, sozia- Die internationale Runde, an der Die wissenschaftsbasierte Be- le Kontakte oder das körperliche Wohl- Andreas Heinz ML als Vertreter der ratung der G20-Staats- und Regie- befinden betreffen – und ein Ende die- Leopoldina teilnahm, unterstrich dieses rungschefinnen und -chefs ist eine der ser Ausnahmesituation ist konkret noch Anliegen und sah weltweit einen ho- strategischen Hauptaufgaben in der nicht absehbar. Welche Auswirkungen hen Handlungsbedarf. Dass dieser nicht internationalen Zusammenarbeit der hat die Pandemie auf die psychische Ge- leicht zu decken ist, zeigte die Diskussion Leopoldina. Der Science20-Prozess sundheit von Menschen? zu Gesundheitssystemen. So übersteige wurde 2017 im Rahmen der deutschen Die Leopoldina und die Südafrikani- der Bedarf an professioneller Beratung G20-Präsidentschaft etabliert und sche Akademie der Wissenschaften orga- und Unterstützung das Angebot bei Wei- erstmals von der Leopoldina feder- nisierten am 28. September die virtuelle tem. Das Panel befasste sich zudem mit führend koordiniert. 2021 übernimmt Podiumsdiskussion „The Hidden Crisis: medizinischen Aspekten der psychischen Italien den Vorsitz der G20. ■ CHW Mental Health in Times of COVID-19“, Gesundheit, öffentlichen Schutzmaßnah- um diese Fragestellung mit Expertinnen men, Handlungsoptionen sowie der Poli- und Experten aus Deutschland, Südafri- tik- und Gesellschaftsberatung. ■ JN G20-Stellungnahme 2020 ka, Spanien und Nigeria zu diskutieren. „Foresight: Für Marcella Rietschel ML, Modera- Science for Navigating Virtual Panel Discussion Critical Transitions“ torin des Panels, zählten psychische Stö- „The Hidden Crisis“ rungen bereits vor der COVID-19-Pan-
5/2020 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER 13 Bilaterale Kooperationen Die Internationale der Nationalisten? mit Russland und Südkorea Europa-Debatte von Leopoldina und Institut für Wirtschaftsforschung Halle Leopoldina unterstützt wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit Die Basis für die bilaterale Kooperation wirklichung dieses Vorhabens zur Nach- in Wissenschaft und Forschung zwischen wuchsförderung zu ermöglichen. Ange- Deutschland und seinen Partnerländern sichts der derzeit äußerst angespannten bildet häufig ein zwischenstaatliches Ab- politischen Situation sind die Heraus- kommen zur wissenschaftlich-technologi- forderungen hierbei nicht geringer ge- schen Zusammenarbeit (WTZ). In diesem worden. Sommer fanden WTZ-Sitzungen mit Russ- Ebenso land und Südkorea statt, bei denen Ergeb- unter Einbin- nisse der Zusammenarbeit sowie Pläne für dung der Leo- deren Fortführung besprochen wurden. Die poldina fand Leopoldina spielte bei beiden Treffen eine am 23. Juni aktive Rolle. die sechste Illustration: Pixabay © Elionas2 WTZ-Sitzung A m 25. T Foto: Olkesii | AdobeStock mit Südkorea rotz aller Erfolge ist die europäi- Juni statt, aufgrund sche Integration in weiten Teilen fand die jähr- der COVID-19-Pandemie als Videokon- der Gesellschaft nicht populär. Aktuel- liche Sitzung ferenz. Die Leopoldina stellte bei dieser le populistische Strömungen plädieren der Gemisch- Gelegenheit ihre seit 2012 bestehende zumeist für eine Rückbesinnung auf ten Deutsch- strategische Partnerschaft mit der Ko- das Nationale und verstärken die Eu- Russischen reanischen Akademie der Wissenschaf- ropa-Skepsis. Vor diesem Hintergrund WTZ-Kom- Foto: Olkesii | AdobeStock ten (KAST) vor und berichtete von ge- veranstalten das Leibniz-Institut für mission mit meinsamen Aktivitäten zur Förderung Wirtschaftsforschung Halle (IWH) über 130 Teilnehmerinnen und Teilneh- des wissenschaftlichen Austauschs. Auch und die Leopoldina seit vorigem Jahr mern virtuell statt. Die Diskussion folgte wenn das für Februar 2020 in Seoul/Süd- gemeinsame „Europa-Debatten“. In der „Deutsch-russischen Roadmap für korea geplante Symposium „Künstliche diesen setzen sich profilierte Persön- die Zusammenarbeit in Bildung, Wissen- Intelligenz“ verschoben werden musste, lichkeiten aus Wissenschaft und Poli- schaft, Forschung und Innovation“, die bestand in den vergangenen Monaten tik mit zentralen europapolitischen Ende 2018 unterzeichnet worden war. ein intensiver Austausch mit der KAST Themen kontrovers auseinander. Die russische Seite betonte, die Zu- zu medizinischen und gesellschaftlichen Am 15. Oktober steht die Fra- sammenarbeit in Wissenschaft und Bil- Auswirkungen der Pandemie. ge „Populistische Strömungen – Wo dung mit Deutschland intensivieren und Wesentliche Ziele der WTZ-Abkom- kommen sie her und wie kann ihnen vertiefen zu wollen, auch während der men sind der Ausbau bilateraler Bezie- begegnet werden?“ im Mittelpunkt. COVID-19-Pandemie. So wurden Vor- hungen, der Zugang zu interessanten Debattieren werden die Linguistin schläge diskutiert, um die Schwerpunkte Forschungsregionen und die Beteiligung Ruth Wodak, Lancaster University der Roadmap zu erweitern. Hierbei stan- an internationalen Forschungsprogram- (UK), und der Politikwissenschaftler den insbesondere die Quanten-, Wasser- men. Deutschland unterhält solche Ab- Werner J. Patzelt, Technische Univer- stoff-, Hirn-, Klima- und Künstliche-In- kommen mit annähernd 50 Staaten, sität Dresden. telligenz-Forschung im Fokus. darunter viele Länder mit strategischer Die Europa-Debatte wird im Live- Auch wurde die Gründung eines bi- Bedeutung für die Leopoldina. stream über den Youtube-Kanal der lateralen Koordinierungsrates für jun- ■ LB, CHW Leopoldina übertragen. Die persönli- ge Menschen aus Wissenschaft und che Teilnahme ist ausschließlich nach Wirtschaft unter Federführung der bestätigter Anmeldung möglich. ■ ART Leopoldina als Teil der Roadmap er- Bilaterale Partnerschaft örtert. Hier wurden deutlich die admi- Russland Anmeldung nistrativ-finanziellen Engpässe auf rus- europa-debatte@ sischer Seite thematisiert und der Wille Südkorea leopoldina.org beider Seiten betont, eine zeitnahe Ver-
14 5/2020 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER „Braincirculation ist die beste Lösung, um Wissenschaftslücken in Europa zu schließen“ Leopoldina-Mitglied Ivan Đikić über Migration von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Das diesjährige EuroScience Open Forum (ESOF) in Triest/Italien widmete sich auch der Migration von hoch qualifizierten Personen und dem Gleichgewicht zwischen Braindrain und Braingain aus europäischer und internationaler Sicht. Ivan Đikić ML, der deutsche Vertreter in der gemeinsam von der Leopoldina und Wissenschaftsaka- demien aus Israel, Italien, Frankreich und Polen organisierten Podiumsdiskussion, spricht über die Debatte und seine eigenen Erfahrungen. Könnten Sie Ihre akademische Laufbahn kurz zusammenfassen? Ivan Đikić: Meine Laufbahn ist von Dy- Leopoldina-Mitglied Ivan Đikić kennt die Vor- und Nachteile von Braincirculation aus eigener namik und Migration geprägt. Ich habe Erfahrung. Derzeit forscht der Biochemiker zu molekularen Ursachen von Krankheiten in in Zagreb/Kroatien studiert, meine PhD- Frankfurt (Main). Foto: LEAP Summit Croatia 2019 und Postdoc-Phase in New York/USA ab- solviert, eine unabhängige Forschungs- gruppe in Uppsala/Schweden gegründet darauf ausrichten, abgewanderte Talente rung von Braincirculation, aber wir benö- und kam dann nach Frankfurt (Main), zurückzuholen und somit neues Wissen tigen mehr effektive Maßnahmen. um eine Professur an der Goethe-Uni- und neue Technologien zu importieren. versität anzutreten. Ich war außerdem in Wie kann die Lücke geschlossen werden? Labor-Außenstellen in Split/Kroatien des Braincirculation wird meist dreifach als Đikić: Länder, die Diversität und kul- Biotechnologieunternehmens Genentech Gewinn gesehen: für die Migrantinnen turelle Unterschiede befürworten, in San Francisco/USA und des Max-Planck- und Migranten, für die Herkunftsländer Wissenschaft und Technologien investie- Instituts für Biophysik in Frankfurt und für die Zielländer. Was ist so attrak- ren und in denen sich Menschen sicher (Main) tätig. tiv an diesem Konzept? fühlen, sind normalerweise besonders Đikić: Meiner Meinung nach ist Brain- attraktiv. Deshalb sind beispielswei- Angesichts dieser vielen Stationen, wie circulation die beste Lösung, um Wis- se Deutschland, Skandinavien oder das schätzen Sie Braindrain ein? senschaftslücken in Europa zu schließen. Vereinigte Königreich sehr beliebt. Ein Đikić: Die Migration von hoch qualifi- Das Konzept ist in der wissenschaftlichen Netzwerk aus talentierten Menschen, zierten Personen ist oft mit wirtschaftli- Gemeinschaft tief verankert, die Koope- die durch multinationale Projekte mitei- chen Verlusten – bekannt als Braindrain ration von Teams aus verschiedenen Län- nander verbunden sind, wäre eine große – für die Herkunftsländer verbunden. Wir dern ist ein wesentlicher Bestandteil un- Bereicherung für Europa. Alle Länder müssen jedoch unterscheiden: Migration serer Forschung. Häufig entscheiden sich können solche Netzwerke oder Konsor- und Internationalisierung sind wichti- junge Wissenschaftlerinnen und Wissen- tien nutzen, um neue wissenschaftliche ge Bestandteile einer Karriere. Denn so schaftler, für ein paar Jahre in ein anderes Brücken zu bauen. Sowohl die Länder können Menschen ihr Wissen verbreiten, Land zu ziehen, um sich weiterzuentwi- als auch die Wissenschaftlerinnen und neue Fähigkeiten erlernen und von Erfah- ckeln. Dabei haben die Herkunftsländer Wissenschaftler sollten erkennen, dass es rungen anderer profitieren. Doch obwohl zahlreiche Möglichkeiten, sie zurückzu- sinnvoll ist, die durch Europa gebotenen Braindrain derzeit ein sehr ernstes Pro- holen und einen Technologietransfer zu Möglichkeiten voll auszuschöpfen und blem für ost- und südeuropäische Länder fördern. In Zeiten von COVID-19 zählen selbst neue Möglichkeiten zu schaffen. ist, kann er zum Braingain werden. Um dazu auch virtuelle Programme. Diese das zu erreichen, müssen betroffene Län- Menschen sind die Zukunft ihrer Länder. ■ DAS GESPRÄCH FÜHRTE der ihre Investitionen und Programme Es gibt bereits EU-Programme zur Förde- LUCIAN BRUJAN
5/2020 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER 15 SILBERSALZ-Konferenz zeigt In eigener Sache Auszeichnung für Presse- „The Two Faces of Trust“ und Öffentlichkeitsarbeit Leopoldina ist Gastgeberin des Treffens von Wissenschaft und Medien Team der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Leopoldina. Foto: Christof Rieken | Leopoldina Leopoldina-Mitglied Antje Boetius anlässlich der Vorstellung des SILBERSALZ-Festivals 2020. Zur Konferenz am 17. Oktober spricht sie über Methode und Kultur der Wissenschaft. Foto: Joachim Blobel D ie Abteilung Presse- und Öffent- lichkeitsarbeit der Leopoldina wird in diesem Jahr mit dem gemein- samen Kommunikatorenpreis des Das internationale Wissenschafts- und Me- für einen gerechten Klimawandel und die Blogs „Wissenschaft kommuniziert“ dienfestival SILBERSALZ in Halle findet in Lehren aus der Coronavirus-Krise. ausgezeichnet. Mit der Wahl, zu der diesem Jahr vom 14. bis 18. Oktober statt. Der Vorsitzenden des elfköpfigen 700 Wissenschafts- und Medizinjour- Als Kooperationspartnerin des Festivals Kuratoriums des SILBERSALZ-Festi- nalisten in Deutschland, Österreich unterstützt die Leopoldina die wissen- vals liegt es am Herzen, Methode und und der Schweiz aufgerufen waren, schaftliche Konferenz am 17. Oktober. Kultur der Wissenschaft zu kommuni- wird die Arbeit der Abteilung insbe- Unter dem Motto „The Two Faces of Trust“ zieren. „Wie nähern wir uns Wirklichkeit sondere in Zeiten der Coronavirus- widmet sich diese der Rolle des öffent- und Wahrheiten? Wie geht man mit Un- Pandemie gewürdigt. lichen Vertrauens in die Wissenschaft und sicherheiten um? Wie funktioniert Viel- Die Leopoldina hat sich früh und in die Medien. stimmigkeit in der Wissenschaft? Wie regelmäßig in Ad-hoc-Stellungnah- wichtig ist es gerade in der Forschung, men zur Pandemie geäußert. Der Be- I n seiner Begrüßung wird Leopoldina- Präsident Gerald Haug ML auf den Einfluss eingehen, den Institutionen wie die ja dazu da ist, Neues zu finden und zu denken, dass Erkenntnis nicht immer Mehrheiten hat, sondern von einzelnen kanntheitsgrad der Akademie erhöhte sich damit schlagartig. Die Abteilung machte intensive Erfahrungen mit der die Leopoldina auf das öffentliche Ver- Stimmen vertreten wird, die gehört und Risiko- und Krisenkommunikation trauen in die Wissenschaft haben. Neben geprüft werden wollen?“, fragt Boetius. und mit der Dynamik der Sozialen Me- Fachleuten aus der Medienwelt gehören Zudem betont sie, dass die Konferenz dien. „Das war ein Gemeinschaftswerk Jürgen Renn ML (Max-Planck-Institut vor allem „von der Interaktion zwischen und hat uns zusammengeschweißt“, für Wissenschaftsgeschichte, Berlin) und Wissenschaft und den Medien lebt, de- sagt Caroline Wichmann zu der Wahl. Antje Boetius ML (Alfred-Wegener-Insti- ren Kommunikation Vertrauensräume Caroline Wichmann ist diplomierte tut, Bremerhaven) zu den Vortragenden braucht, um der Gesellschaft und ihrer Verwaltungswirtin, Kulturmanagerin aus der Wissenschaftswelt. Entwicklung zu dienen“. und Politikwissenschaftlerin und ver- In seinem Vortrag setzt der Histori- Auf der Konferenz können nicht nur antwortet seit 2009 die Presse- und ker Renn die Geschichte des Vertrauens Wissenschaft und Medien ins Gespräch Öffentlichkeitsarbeit der Leopoldina. in die Wissenschaft mit der Entwicklung kommen. Ebenso sind alle Interessierten Es ist bereits das dritte Mal, dass autonomer und effizienter Wissensöko- angesprochen, sich über eine Online- Wichmann mit ihrem Team zur For- nomien in Verbindung. Die Meeresbio- Plattform mit den Vortragenden auszu- schungssprecherin des Jahres in der login Boetius spricht über die Zukunft tauschen. ■ LQ Kategorie „Forschungsorganisatio- des menschlichen Lebens auf unserem nen, -administration und Stiftungen“ Planeten und thematisiert die Debatten SILBERSALZ-Konferenz gewählt wurde. Die Auszeichnung über die wissenschaftsbasierte Risikobe- „The Two Faces of Trust“ wird jährlich in drei Kategorien ver- wertung, die Kraft der Zusammenarbeit geben. ■ RED
16 5/2020 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER AUFRUF FÜR EINE EUROPÄISCHE STIFTUNG Zwischen Papier Im Juni riefen 76 prominente Wissen- und Bildschirm schaftlerinnen und Wissenschaftler, da- runter zehn Mitglieder der Leopoldina, 350 Jahre wissenschaftliches Publizieren an der Leopoldina aus 16 europäischen Ländern zur Grün- dung einer philanthropischen „Europäi- schen Stiftung“ (European Foundation for the Prevention of Environmental and Health Crises) auf. VON ULLA BONAS ML UND ROLAND LILL ML* Ziel dieser Stiftung ist eine regierungsun- abhängige und wissenschaftsgestützte Reaktion auf zentrale gesellschaftliche Herausforderungen wie die derzeitige Coronavirus-Pandemie, die Klimakrise, Welternährungsprobleme und Fragen der zukünftigen Energiepolitik. Die Euro- Die Schriftenreihen der Leopoldina reichen von den „Miscellanea curiosa“ über die „Nova Acta“ päische Stiftung soll politikunabhängig und „Acta Historica Leopoldina“ bis zum Open-Access-Journal „NAL-live“. Fotos: Leopoldina rationale Analysen der zukünftigen glo- balen Herausforderungen erarbeiten sowie wissenschaftsgetriebene Lösungs- In diesem Jahr jährt sich zum 350. Mal Band der „Miscellanea curiosa“ von 1670 ansätze anbieten. Die Unterzeichnenden die Gründung der ersten medizinisch-na- begleitet eine Einladung zur Mitarbeit an des Aufrufs haben die „Bill-and-Melinda- turwissenschaftlichen Zeitschrift der Welt die Ärzte Europas – gewissermaßen die Gates Stiftung“ als Vorbild, streben ein „Miscellanea curiosa“ durch den Breslauer Geburtsurkunde der ersten medizinisch- Stiftungsvolumen von 20 Milliarden Euro Arzt Sachs von Lewenhaimb. Das Jubiläum naturwissenschaftlichen Fachzeitschrift. an und weisen darauf hin, dass Europa ist für die Leopoldina Anlass für Rückblick Anders als heutige Wissenschafts- im Vergleich zu den USA nur circa ein und Vorausschau zugleich. journale erschien die „Miscellanea“ bis Drittel an privatem Stiftungsaufkommen zum Ende des 18. Jahrhunderts nur ein- aufbringt. Die Partnerschaft zwischen europäischen Philanthropen und der unabhängigen Wissenschaft könnte, ge- D ie Gründer der „Academia Naturae Curiosorum“ um Johann Lauren- tius Bausch erwarteten 1652 eine Wei- mal jährlich in Latein. Später wurden längere Abhandlungen gedruckt, deren Publikation etwa wegen der Tabellen und rade in Zeiten größerer Rivalitäten zwi- terentwicklung der Medizin aus der Na- Abbildungen für Autoren und Verleger schen den kontinentalen Machtblöcken, turforschung. Wollten die Naturforscher ohne die Akademie zu aufwendig gewe- ohne bürokratische Hindernisse, allein zunächst aus umfassenden Monografien sen wäre. In der zweiten Hälfte des 20. durch Entscheidung des Stiftungsrats, eine Enzyklopädie der Heilmittel erstel- Jahrhunderts kam dann die Dokumen- auf neue gesellschaftliche Herausforde- len, so lieferte Sachs von Lewenhaimb tation der wissenschaftlichen Veranstal- rungen reagieren, um die Forschung zu mit seiner „Ampelographia“ 1661 den tungen der Leopoldina hinzu. Gesundheit und Umwelt zu fördern und ersten Band, der den Vorgaben der Aka- Die Akademieschriften wurden und innovative Unternehmen sozialverträg- demie entsprach. In einer Zeit umfäng- werden bis heute den wissenschaftlichen lich zu unterstützen. Ein Erfolg der Euro- licher Gelehrtenbriefe und langwieriger Entwicklungen angepasst. Aktuell be- päischen Stiftung wäre ein deutliches Postwege ließ sich das Projekt in seiner schreitet die Leopoldina, insbesondere Zeichen der Solidarität und gesellschaft- Fülle jedoch kaum auf diese Weise um- mit dem Open-Access-Journal NAL-live, lichen Tatkraft zur Stärkung von Europa. setzen. neue Wege und beteiligt sich erneut an * Ulla Bonas, Vizepräsidentin der Leo- Sachs plante daher regelmäßige der Modernisierung des wissenschaftli- poldina, und Roland Lill, Mitglied der Schriften nach Vorbildern aus England chen Publikationswesens. ■ RG Leopoldina, gehören zu den Unter- und Frankreich. Diese Miscellaneen soll- zeichnenden des Aufrufs. ten auf Beiträge aus der Medizin und verwandten Gebieten wie Botanik, Ana- Wissenschaftliche European Foundation tomie, Pathologie, Chirurgie, Zoologie Zeitschriften und Chemie begrenzt werden. Den ersten
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