Leopoldina aktuell 6/2020
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Leopoldina aktuell 6/2020 Newsletter der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften Halle (Saale), 11. Dezember 2020 Artenvielfalt in der Agrarlandschaft Gemeinsame Stellungnahme von Leopoldina, acatech und Akademienunion
2 6/2020 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER Inhalt 4 3 Editorial 4 Ad-hoc-Stellungnahme: Chance zur Eindämmung der Pandemie nutzen 4 Gemeinsames Positionspapier: Wie soll der Zugang zu einem COVID-19- Impfstoff geregelt werden? 5 Gesprächsreihe Leopoldina International: Wenn COVID-19 auf andere Positionspapier: Leopoldina, Deutscher Ethik- Infektionskrankheiten trifft rat und Ständige Impfkommission veröffentlichen Handlungsrahmen für COVID-19-Impfungen 5 Erklärung der Wissenschaftsorganisationen zur Coronavirus-Pandemie 6 Interview mit Altpräsident Jörg Hacker ML: 6 „Impfungen sind in Deutschland freiwillig, und das sollte auch so bleiben“ 7 Bonner Erklärung: Forschungsfreiheit in der Europäischen Union 8 Katrin Böhning-Gaese ML zur Akademien- Stellungnahme „Biodiversität und Management von Agrarlandschaften“ 9 Wissenschaftsbarometer 2020: Vertrauen in Wissenschaft und Forschung Im Gespräch: Altpräsident Jörg Hacker über weiter hoch Pandemien, Corona und Impfstoffe sowie über die Forschungsförderung der Europäischen Union 10 Interview mit Hans-Georg Dederer: „Verfahrensbezogene Regulierung ist wissenschaftlich nicht begründbar“ 8 12 Interview mit Andreas Kablitz ML: „Nach dem hermeneutischen Anteil fragen“ 13 Eigenverantwortlichen Umgang mit Forschungsrisiken stärken 13 Dritte Europa-Debatte: Ist das Finanzsystem krisensicher? 13 Klimawandel in Mitteldeutschland 14 Fördermittel für Bestände in Archiv und Bibliothek Stellungnahme: Empfehlungen der 14 Über die Arbeit mit digitalisierten Texten Wissenschaftsakademien zu „Biodiversität und Management von Agrarlandschaften“ 14 Digitale Bibliothek der Leopoldina gestartet 15 Meldungen 16 Termine Die Leopoldina in den Sozialen Medien 18 Personalia 20 Impressum
6/2020 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER 3 Editorial Liebe Mitglieder, Freundinnen und Freunde der Leopoldina, der Alltag in Deutschland ist, wie in vielen anderen Ländern, aufgrund der Coronavirus-Pandemie ein weiteres Mal stark eingeschränkt. Das ist not- wendig, um das Infektionsgeschehen wieder unter Kontrolle zu bringen. Im Oktober habe ich in einer gemeinsamen Erklärung mit der Präsidentin und den Präsidenten von Deutscher Forschungsgemeinschaft, Fraunhofer- Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft, Leibniz-Gemeinschaft und Max- Planck-Gesellschaft auf den Ernst der Lage hingewiesen. Die große Aufmerksamkeit für unsere Stellungnahmen zur Pandemie hat die Akademie insgesamt stärker in den Fokus des öffentlichen Interesses gebracht. Das hilft auch Publikationen, die sich an- deren Themen als dem Corona- virus widmen. So ist im Oktober „Biodiversität und Management von Agrarlandschaften“ erschie- nen, eine gemeinsame Stellung- nahme von Leopoldina, acatech und Akademienunion (siehe Seite 8). Es war viel Lob zu hören, dass die Akademien sich bei die- sem Thema so klar positionieren. Das Papier wird weiterhin oft in Prof. (ETHZ) Dr. Gerald Haug, Präsident der Leopoldina den Medien zitiert. Foto: David Ausserhofer Ausfallen muss in diesem Jahr leider die Weihnachtsvorlesung der Akade- mie. Viele Formate hat die Leopoldina erfolgreich in den virtuellen Raum verlegt. Doch diese traditionelle Veranstaltung können wir uns nur schwer auf Distanz vorstellen. Größere Präsenzveranstaltungen werden erst dann wieder möglich werden, wenn weite Teile der Bevölkerung geimpft wor- den sind. Zur Frage, wie die ersten Impfstoffe voraussichtlich ab Anfang 2021 verteilt werden, hat sich die Leopoldina gemeinsam mit der Ständigen Impfkommission und dem Ethikrat geäußert (siehe Seite 4). Ich hoffe, dass im Herbst 2021 wirksame Impfungen in ausreichender Menge verfügbar sind und dass dies – gemeinsam mit einer hohen Impfbereitschaft der Men- schen – die Pandemie zum Erliegen gebracht hat. Dann können wir wieder frei wählen, ob Symposien und Vorlesungen virtuell oder als Präsenzver- anstaltungen durchgeführt werden. Ich wünsche Ihnen eine frohe und trotz allem möglichst unbeschwerte Weihnachtszeit.
4 6/2020 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER Chance zur Wie soll der Zugang zu einem Eindämmung der Pandemie nutzen Impfstoff geregelt werden? Trotz des seit Anfang November gelten- Gemeinsames Positionspapier zu COVID-19-Impfung den Teil-Lockdowns droht sich die Coro- navirus-Pandemie weiter zu verschärfen. Um die Kontrolle über das Infektionsge- schehen zurückzuerlangen, empfiehlt die Leopoldina in der neuesten Ad-hoc-Stel- lungnahme ein zweistufiges Vorgehen für die Feiertage und den Jahreswechsel. Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, dass schnelle, strenge Maßnahmen über einen kurzen Zeitraum erheblich dazu beitragen, die Infektionszahlen zu sen- ken und niedrig zu halten. Auch aus wirt- schaftlicher Perspektive sind verschärfte Maßnahmen sinnvoll, da sie den Zeitraum verkürzen, bis wieder Lockerungen mög- lich sind. Leopoldina-Präsident Gerald Haug, Ethikrat-Vorsitzende und Leopoldina-Mitglied Alena Buyx Bereits ab 14. Dezember müssten und Thomas Mertens, Vorsitzender der Ständigen Impfkommission, haben das gemeinsame berufliche und private Kontakte auf ein Positionspapier in einer Bundespressekonferenz vorgestellt. Foto: Christian Thiel | Deutscher Ethikrat absolutes Mindestmaß reduziert werden. Ab 24. Dezember bis mindestens 10. Janu- ar 2021 sollte ein harter Lockdown gelten. Aller Voraussicht nach werden Impfstoffe Schutz von Personen mit besonders ho- Hierfür sollten alle Geschäfte bis auf die zum Schutz gegen COVID-19 kurz nach hem arbeitsbedingten SARS-CoV-2-Ex- des täglichen Bedarfs geschlossen und die einer Zulassung nicht für alle impfbereiten positionsrisiko, Verhinderung von Trans- Weihnachtsferien in den Bildungseinrich- Menschen in ausreichender Menge verfüg- mission und Schutz in Umgebungen mit tungen verlängert werden. Für den Wie- bar sein. Deswegen ist eine Priorisierung hohem Anteil vulnerabler Personen und derbeginn des Unterrichts ab 10. Januar notwendig, die sowohl medizinisch-epi- in solchen mit hohem Ausbruchspoten- sollte in allen Bundesländern das Tragen demiologische Aspekte der Infektionsprä- zial sowie Aufrechterhaltung staatlicher eines Mund-Nasen-Schutzes im Unter- vention als auch ethische, rechtliche und Funktionen und des öffentlichen Lebens. richt für alle Jahrgangsstufen verpflich- praktische Überlegungen berücksichtigt. Da die Verteilung der anfangs knap- tend sein. Zudem sollten ländereinheitli- pen Impfstoffe ethisch wie grundrecht- che Regeln für den Wechselunterricht ab der Sekundarstufe erarbeitet werden. Erforderlich ist zudem eine langfris- D azu haben die Ständige Impfkom- mission, der Deutsche Ethikrat und die Leopoldina am 9. November das lich relevante Werte berührt, wird im Papier darauf hingewiesen, dass eine kla- re gesetzliche Regelung erforderlich ist. tige politische Einigung auf ein klares, gemeinsame Positionspapier „Wie soll Die Autorinnen und Autoren schließen mehrstufiges und bundesweit einheit- der Zugang zu einem COVID-19-Impf- zudem eine allgemeine Impfpflicht aus. liches System von Regeln, die ab einer stoff geregelt werden?“ vorgelegt. Die Eine selbstbestimmte Impfentscheidung bestimmten Inzidenz greifen. Durch ein Autorinnen und Autoren benennen darin erfordert eine kontinuierliche, transpa- nachvollziehbares Vorgehen werden die die ethischen und rechtlichen Prinzipien, rente Information und Aufklärung der Maßnahmen für Bürgerinnen und Bürger nach denen eine Priorisierung zu erfolgen Bevölkerung zur Wirksamkeit der Imp- und Unternehmen transparent, verständ- hat. Neben der Selbstbestimmung sind fung und zu ihren Risiken, so die Exper- lich und planbar. ■ JK dies die Nichtschädigung beziehungswei- tinnen und Experten im Weiteren. ■ JK se der Integritätsschutz, die Gerechtig- Ad-hoc-Stellungnahme keit, die grundsätzliche Rechtsgleichheit, „Coronavirus-Pandemie: die Solidarität sowie die Dringlichkeit. Gemeinsames Die Feiertage und den Diese ethischen und rechtlichen Prin- Positionspapier „Wie soll der Zugang zu Jahreswechsel für einen zipien schlagen sich in konkreten Impf- einem COVID-19-Impfstoff harten Lockdown nutzen“ zielen nieder: Verhinderung schwerer geregelt werden?“ COVID-19-Verläufe und -Todesfälle,
6/2020 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER 5 Wenn COVID-19 auf andere Coronavirus-Pandemie: Die Situation ist ernst Infektionskrankheiten trifft Gemeinsame Erklärung der Wissenschaftsorganisationen Internationale Gesprächsreihe zur Coronavirus-Pandemie fortgesetzt E nde Oktober haben die Präsiden- tin der Deutschen Forschungs- gemeinschaft und die Präsidenten der Fraunhofer-Gesellschaft, der Helm- holtz-Gemeinschaft, der Leibniz-Ge- meinschaft, der Max-Planck-Gesell- schaft und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina eine gemeinsame Erklärung zur Coronavi- rus-Pandemie veröffentlicht. Angesichts der exponentiell stei- genden Infektionszahlen forderten Das Podiumsgespräch führten (v. l. n. r.): Moderatorin Vivian Upmann, Leopoldina-Mitglied sie klare Entscheidungen, die schnell Stefan H. E. Kaufman, Papa Salif Sow von der Académie des Sciences et Techniques du Sénégal, umgesetzt werden müssten. Wichtig Quarraisha Abdool Karim vom Centre for the AIDS Programme of Research in South Africa, Peter Calverley von der University of Liverpool und Wondwossen Amogne von der Addis Ababa sei, deutlich, schnell und nachhaltig University. Screenshot: Jan Nissen | Leopoldina auf steigende Fallzahlen zu reagieren. Notwendig sei es, Kontakte ohne Vor- sichtsmaßnahmen auf ein Viertel zu Die jüngste Veranstaltung der virtuellen, zinische Aspekte, die Entwicklung und reduzieren und dies in allen Bundes- englischsprachigen Gesprächsreihe „Leo- Verteilung von Impfstoffen sowie der ländern sowie in allen Landkreisen poldina International“ ging der Frage nach, Umgang mit Infektionskrankheiten im und Städten nach bundesweit einheit- warum eine parallele Infektion mit SARS- Gesundheitswesen. lichen Regeln durchzuführen. Je frü- CoV-2 und anderen Erregern sowohl für die Schnell wurde bei der Diskussion her diese Maßnahmen erfolgten, desto Betroffenen als auch die Gesundheitssyste- deutlich, dass Multimorbidität, also das kürzer könnten diese andauern und me eine Herausforderung darstellt. Nebeneinander von zwei oder mehr Er- desto geringere psychische, soziale krankungen, auf dem Gebiet der Infekti- und wirtschaftliche Kollateralschäden W as passiert, wenn COVID-19 und andere Infektionskrankheiten wie HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria zu- onskrankheiten eine wachsende Heraus- forderung für die öffentliche Gesundheit darstellt. Stefan H. E. Kaufmann ML, der würden verursacht. Ziel sei es, die Fallzahlen so weit zu senken, dass die Gesundheits- sammenkommen? Diese Frage ist für viele für die Leopoldina als Sprecher an dem ämter die Kontaktnachverfolgung Menschen relevant, die in Entwicklungs- Panel teilnahm, sah jedoch auch Chan- wieder vollständig durchführen könn- und Schwellenländern in Regionen cen: „COVID-19 hat zu einer beschleu- ten. Sobald dies möglich sei, könnten mit hohen Infektionsraten leben. Das nigten Erforschung und Entwicklung die Beschränkungen vorsichtig gelo- Risiko, mehreren Infektionskrankheiten von medizinischen Interventionsmaß- ckert werden, ohne dass unmittelbar gleichzeitig ausgesetzt zu sein, betrifft nahmen geführt, die bislang beispiel- eine erneute Pandemiewelle drohe. jedoch auch die Bevölkerung der Indus- los sind. Zu nennen ist etwa die rasan- Dafür werde es auch entscheidend trieländer. Die aktuelle COVID‑19-Pan- te Erforschung von Impfstoffen gegen sein, Infektionsschutzmaßnahmen demie hat gezeigt, wie schnell sich In- COVID-19. Diese Entwicklungen sollten bundesweit einheitlich durchzuset- fektionskrankheiten weltweit ausbreiten zur Bekämpfung anderer bedeutender zen, Risikogruppen konsequent zu können. Infektionskrankheiten genutzt werden.“ schützen sowie die Kommunikation Um auf die Thematik aufmerksam zu Die Podiumsdiskussion war die dritte zu den Vorsichtsmaßnahmen zu ver- machen, organisierten die Leopoldina Veranstaltung der Leopoldina Internati- bessern und Hygienekonzepte zu und Partnerakademien aus Äthiopien, onal Virtual Panel Series. ■ JN schärfen. ■ JK Großbritannien, Senegal und Südafri- ka im November das Podiumsgespräch Virtual Panel Discussion Gemeinsame Erklärung „COVID-19 and Multimorbidity: How to „COVID-19 and „Coronavirus-Pandemie: Deal with Multiple Infectious Diseases Multimorbidity“ Es ist ernst“ in Parallel?“. Im Fokus standen medi-
6 6/2020 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER „Impfungen sind in Deutschland freiwillig, und das sollte auch so bleiben“ Leopoldina-Altpräsident Jörg Hacker über Konsequenzen der Coronavirus-Pandemie Grafik: Sisters of Design Der Infektionsbiologe Jörg Hacker ML war änderung vollzieht sich beim Corona- ein neues Virus. SARS- und MERS-Viren bis Ende Februar Präsident der Leopoldina. virus relativ schnell. In Dänemark wurde sind zwar verwandt mit dem Corona- Sein wissenschaftliches Interesse gilt kürzlich eine neue Variante des Virus bei Virus, aber eben nicht identisch. Infektionskrankheiten und der Verbreitung Nerzen gefunden. Das bestätigt, dass es von Krankheitserregern. Ein Gespräch über sich bei den Viren um sehr flexible, hoch Für einen Impfstoff braucht man ein seine Sicht auf die Coronavirus-Pandemie, anpassungsfähige biologische Einheiten Impfkonzept. Leopoldina, Ethikrat und deren Auswirkungen auf die Forschung handelt. Bei der sogenannten Schweine- Ständige Impfkommission haben dazu und Fragen einer Impfstoff-Verteilung. grippe hat es knapp eine Woche gedau- ein gemeinsames Positionspapier veröf- ert, bis der Erreger einmal rund um die fentlicht. Was muss geregelt werden, um Welt gewandert war. Das Coronavirus ist einen Impfstoff zu verteilen? Was fasziniert Sie überhaupt an der Er- ähnlich schnell, insofern ist diese Aus- Hacker: Es wird ja nicht sofort genü- forschung von Krankheitserregern? breitung keine Überraschung. gend Impfstoff da sein für alle, die ge- Jörg Hacker: Ein eigenes Labor habe impft werden möchten. Bei einem welt- ich ja nicht mehr, aber generell ist es Gerade schreiben Sie an Ihrem neuen weiten Geschehen braucht man große die Möglichkeit von Infektionserregern, Buch „Pandemien – Corona und die neu- Mengen an Impfdosen. Es muss also eine sich durch Mutationen oder Gentrans- en Infektionskrankheiten“. Was ist das gewisse Priorisierung geben. Personen, fer genetisch zu verändern. Und auch Neue an Corona? die in den Medizinberufen arbeiten, müs- die Abwehrmechanismen, die wir bilden Hacker: Das Virus ist neu und wir sen prioritär geimpft werden und Hoch- können, das greift ineinander. Die Ver- müssen uns neu mit ihm auseinander- risiko-Patienten ab einem bestimmten änderung des Infektionserregers auf der setzen. Es ist noch kein Impfstoff gegen Alter oder mit chronischen Erkrankun- einen Seite und die Anpassung der Wirts- COVID-19 zugelassen, es gibt noch kei- gen zum Beispiel. Klar ist, Impfungen organismen auf der anderen. ne Medikamente. Wir haben inzwischen sind in Deutschland freiwillig, und das molekularbiologisches Wissen, wir ler- sollte auch so bleiben. Aber insgesamt Überrascht Sie jetzt die rasante Verbrei- nen die Übertragungswege besser ken- müssen wir versuchen, den Impf-Gedan- tung des Coronavirus? nen, es gibt Tests, die sich etabliert ha- ken weiter in die Gesellschaft hineinzu- Hacker: Nein, denn die genetische Ver- ben. All das sind neue Erkenntnisse über tragen.
6/2020 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER 7 Da geht es um Vermittlung, um Kom- bekämpfen zu können. Wir müssen das Forschungsfreiheit in munikation. Die Leopoldina legt kon- Wissen über das Virus und ebenso über der Europäischen Union tinuierlich Ad-hoc-Stellungnahmen zur die gesundheitlichen Folgen für Infizierte Coronavirus-Pandemie vor. Wird die ausweiten. Aber es hängen auch Bereiche Allianz der Wissenschaftsorganisationen Wissenschaft jetzt stärker gehört? wie der Klimawandel damit zusammen. begrüßt Bonner Erklärung Hacker: Ich glaube, dass Wissenschaft Es wäre fatal, solche Forschungsbereiche insgesamt eine größere Rolle spielt in der Gesellschaft und stärker gehört wird als vor zehn Jahren. Und auch, dass die Ge- jetzt herunterzufahren. Vielmehr müssen die genauso intensiv gefördert werden wie die Forschung zu Corona. U nter dem Motto „Freiheit ist unser System“ beteiligte sich die Allianz der deutschen Wissenschafts- sellschaft zunehmend sieht, dass Wissen- organisationen im vergangenen Jahr schaft wichtig ist, um drängende Fragen Inwiefern hängt Klimaforschung mit an den Feierlichkeiten zum 70. Ge- adäquat zu behandeln. Und die Leopol- dem Kampf gegen die Pandemie zusam- burtstag des Grundgesetzes. Die Al- dina als Nationale Akademie der Wissen- men? lianz, der die Leopoldina angehört, schaften versucht, auch in Zusammen- Hacker: Die Bereiche beeinflussen sich machte mit zahlreichen Aktivitäten arbeit mit anderen, dazu beizutragen. Es durch die Globalisierung immer mehr. darauf aufmerksam, wie grundlegend gibt eine ganze Menge an Möglichkeiten, Und Klimafragen dürfen nicht ausge- die Wissenschaftsfreiheit für For- wie die Wissenschaft sich Gehör ver- spielt werden gegen die Erforschung von schung und Lehre ist. Dies gilt selbst- schaffen kann. Infektionserregern oder umgekehrt. Das verständlich nicht nur in Deutsch- Infektionsgeschehen muss systemisch land. Daher hat die Bundesministerin gesehen werden. Die Übertragung von für Bildung und Forschung Anja Kar- tierischen Wirten auf den Menschen ist liczek ihren Amtskolleginnen und in dieser Massivität neu. Und das hat mit -kollegen aus der Europäischen Union dem Klima zu tun. Es gibt sogenannte am 20. Oktober in Bonn eine Erklä- Vektoren, Lebewesen, in denen sich die rung zur Forschungsfreiheit vorgelegt. Infektionserreger verbreiten und die sich Die Mitgliedstaaten, die die Bonner bei höheren Temperaturen vermehren Erklärung unterzeichnen, verpflichten und weiter ausbreiten. Und etliche Vek- sich, Wissenschaftlerinnen und Wis- toren kommen jetzt auch vom Mittel- senschaftler sowohl durch staatliche meer zu uns. Das ist für uns eine zusätz- Institutionen als auch vor staatlichen liche Herausforderung. Eingriffen in die Forschungsfreiheit zu schützen. Was können wir aus der Zeit jetzt über „Mit der Erklärung stärkt und flan- künftige neue Erreger lernen? kiert die Politik die Bemühungen der Hacker: Wichtig ist, die gesellschaft- Wissenschaftsorganisationen um welt- Jörg Hacker ML lichen Konsequenzen zu bedenken. Bei weite Wissenschaftsfreiheit“, so Peter- Von 2010 bis 2020 war Jörg Hacker jedem neuen Erreger müssen wir schau- André Alt, Präsident der dieses Jahr in XXVI. Präsident der Leopoldina und en, wie die sich vermehren und wie ihr der Allianz federführenden Hochschul- zuvor Präsident des Robert Koch-Insti- Lebenszyklus ist, bevor gesellschaftliche rektorenkonferenz (HRK). Ohne das tuts. Von 1993 bis 2008 forschte er am Entscheidungen getroffen werden. Lässt kontinuierliche Monitoring zur Lage Institut für molekulare Infektionsbio- man Bildungseinrichtungen zum Beispiel der Forschungsfreiheit, das in der Bon- logie der Universität Würzburg. offen oder schließt man sie wieder? Als ner Erklärung ausdrücklich angespro- Foto: David Ausserhofer | Leopoldina eine Gesellschaft, die offen sein möch- chen wird, würde das Dokument eine te und gleichzeitig geschützt werden bloße Absichtserklärung bleiben. „Als muss, muss man sich darüber früh Ge- höchstes Gut darf Wissenschaftsfrei- Auf der anderen Seite hat die EU-Kom- danken machen. Denn die Offenheit ist heit keiner Einschränkung aufgrund mission vor dem Hintergrund des Co- eben auch eine Auseinandersetzung über politischer Beweggründe unterliegen.“ rona-Rettungsschirms Fördermittel für Werte. Deshalb kündigte Alt an, dass die das Wissenschaftsprogramm „Horizon ■ DAS GESPRÄCH FÜHRTE Allianz die Verantwortlichen beim Europe“ gestrichen … CHRISTINE WERNER Wort nehmen und gegebenenfalls auf Hacker: Ich finde es falsch, gerade jetzt Konsequenzen drängen werde. ■ ART an der Forschung zu sparen. Es müssen Thema im Fokus im Gegenteil mehr Mittel fließen. Denn „Pandemien: Entstehung, Bonner Erklärung Grundlagenforschung ist die Vorausset- Ausbreitung, Eindämmung“ zur Forschungsfreiheit zung, um auch eine Pandemie erfolgreich
8 6/2020 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER „Die Situation ist dramatisch, der Handlungsbedarf ist akut“ Leopoldina-Mitglied Katrin Böhning-Gaese zu „Biodiversität und Management von Agrarlandschaften” Die Agrarlandschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert, um insbesondere die Erzeugung von Lebensmitteln zu gewährleisten. Zugleich ist ein markanter Rückgang von Tier- und Pflanzenarten zu verzeichnen. Dabei liegen die Ursachen für den Rückgang der biologischen Artenvielfalt in einem Zusammenspiel verschiedener Faktoren, so die Stellungnahme „Biodiversität und Management von Agrarlandschaften“ von Leopoldina, acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und Union der deutschen Akademien der Wissenschaften. Illustrationen: Figures GmbH Berlin Seit einigen Jahren erkennen wir immer landschaft zusammenfasst, Ursachen und müssen Maßnahmen zum Schutz und zur deutlicher, dass die biologische Vielfalt in Hintergründe für die Verluste analysiert Förderung der biologischen Vielfalt die der Agrarlandschaft in Deutschland ab- und Handlungsoptionen aufzeigt. ökonomischen, politischen, rechtlichen nimmt. Besonders viel Aufsehen erregte Die Ursachen für den Rückgang der und gesellschaftlichen Rahmenbedin- 2017 eine Studie des Entomologischen biologischen Vielfalt in der Agrarland- gungen in der Landwirtschaft berück- Vereins Krefeld. Wissenschaftlich gesicherte schaft sind vielfältig: Sie liegen in der Zu- sichtigen. Es bedarf einer systemischen Bestandsrückgänge sind jedoch seit Jahr- nahme von ertragreichen, aber artenar- Herangehensweise mit vielfältigen, pa- zehnten bei Vögeln, ausgewählten Insekten- men Ackerbaukulturen, dem Verlust von rallelen Lösungsansätzen und eines ge- arten und Pflanzen zu beobachten. artenreichem Grünland, der vorbeugen- samtgesellschaftlichen Wandels hin zu den und oft flächendeckenden Nutzung einer nachhaltigen Landwirtschaft, die VON KATRIN BÖHNING-GAESE ML* von Pflanzenschutzmitteln, der intensi- auch den Schutz der biologischen Viel- ven Düngung, der Erhöhung der Schlag- falt einbezieht. Wichtigste Handlungs- A uf Basis einer Kurzstellungnahme größen, dem Verlust der Strukturvielfalt optionen sind: der Leopoldina, die 2018 veröf- der Landschaft, aber auch dem Verlust Weiterentwicklung der Agrar- und fentlicht wurde, erarbeitete eine der Vernetzung von Schutzgebieten. Die- Umweltpolitik auf europäischer und Arbeitsgruppe aus Vertreterinnen und se Ursachen sind im Wesentlichen be- nationaler Ebene: Der wichtigste Vertretern der Biodiversitätsforschung, dingt durch die Intensivierung der Land- Ansatzpunkt ist, die Subventionszahlun- Agrarwissenschaften, Ethik, Anthropo- nutzung und durch biologisch-technische gen im Rahmen der Gemeinsamen Agrar- logie und Rechtswissenschaft sowie der Innovationen für die Erreichung von Pro- politik der Europäischen Union (GAP) in relevanten Ressortforschungseinrichtun- duktionszielen. Zukunft stärker an tatsächlich erbrachte gen eine Stellungnahme, die die Situation Die Situation ist dramatisch, der und messbare Ökosystemleistungen zu der biologischen Vielfalt in der Agrar- Handlungsbedarf ist akut. Allerdings knüpfen.
6/2020 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER 9 Verantwortung der Kommunen: Als keit der umgesetzten Maßnahmen zum sichtbare Vorreiter und Multiplikatoren Schutz der biologischen Vielfalt überprü- sollen sie sich stärker dafür einsetzen, die fen zu können. biologische Vielfalt auf ihren Flächen zu Die Stellungnahme wird von der Na- erhalten, zu pflegen und zu erhöhen. tionalen Akademie der Wissenschaften Einfluss durch Handel und Märkte: Leopoldina, der acatech – Deutsche Aka- Produkte aus regionaler biodiversitäts- demie der Technikwissenschaften und der freundlicher Produktion sollen im Handel Union der deutschen Akademien der Wis- entsprechend gekennzeichnet werden. senschaften getragen. Zudem soll die Infrastruktur für die lokale * Katrin Böhning-Gaese ist eine von drei Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Sprecherinnen und Sprechern der Akade- Produkte verbessert werden. mien-Arbeitsgruppe „Biodiversität in der Unterstützung von landwirtschaftli- Agrarlandschaft“ chen Betrieben: Für landwirtschaftliche Katrin Böhning-Gaese ML Betriebe muss biodiversitätsfreundliche ONLINE-DISKUSSION Direktorin des Senckenberg Biodiver- Produktion wirtschaftlich attraktiv sein. AM 20. JANUAR 2021 sität und Klima Forschungszentrums Neben dem ökologischen Landbau sollen und Professorin an der Goethe-Univer- innovative Konzepte für den integrierten Der Schutz der Artenvielfalt ist eine sität Frankfurt (Main). Forschungs- Anbau ausgebaut werden. ebenso dringende wie komplexe Her- schwerpunkt der Biologin ist der Veränderung der gesellschaftlichen ausforderung. Was sind Ursachen für Zusammenhang zwischen Biodiversität Wahrnehmung und Wertschätzung: Das den Rückgang der biologischen Vielfalt? und Mensch. Foto: Michael Frank Bewusstsein für die Bedeutung biologi- Welche Rolle spielt die Landwirtschaft? scher Vielfalt in der Agrarlandschaft soll Wo sind die Stellschrauben auf ökonomi- Anpassung des Agrar- und Umwelt- gestärkt werden und muss sich in einem scher, politischer, rechtlicher und gesell- schaftlicher Ebene für eine nachhaltige rechts: Mit der Schaffung eines EU-Land- geänderten Konsumverhalten zeigen. Be- Landwirtschaft und für den Schutz der wirtschaftsgesetzes können die Um- sonders wichtig ist, die Bereitschaft zum Artenvielfalt? Zu diesen Fragen können weltschutzvorschriften für die Betriebe Kauf biodiversitätsfreundlicher Produkte Sie im Livestream bei Youtube diskutie- rechtlich verankert und gleichzeitig eine zu erhöhen und den Fleischkonsum zu ren: Am Mittwoch, 20. Januar, von 17:30 Wettbewerbsverzerrung innerhalb der EU reduzieren. bis 19 Uhr mit den Sprecherinnen der vermieden werden. Bestehende Rechts- Ausbau von Monitoring und For- Akademien-Arbeitsgruppe „Biodiversität vorschriften sollen konsequenter vollzo- schung: Es braucht ein langfristiges, in der Agrarlandschaft“ Katrin Böhning- gen werden. bundesweites und standardisiertes Moni- Gaese ML und Alexandra-Maria Klein, Entwicklung von planungsbasierten, toring sowie Forschung, um die Wirksam- mit dem Co-Chair des Globalen Assess- regional differenzierten und gemein- ments des Weltbiodiversitätsrates IPBES schaftlichen Ansätzen: Ziel solcher An- Josef Settele und mit Detlef Kurreck, Stellungnahme Vizepräsident des Deutschen Bauernver- passungen in der Landschaftsplanung ist „Biodiversität und bandes. eine geänderte Landnutzung in enger Zu- Management von sammenarbeit aller beteiligten Akteurin- Information Agrarlandschaften“ nen und Akteure. Vertrauen in Wissenschaft und Forschung weiter hoch D as „Wissenschaftsbarometer 2020“ liefert erneut Erkenntnisse über die öffentliche Meinung zu Wissenschaft bei 54 Prozent. Zugleich liegt der Wert unter den Angaben vom Frühjahr, die im April 73 Prozent und im Mai 66 Prozent meinen, es sei nicht Aufgabe der Wissen- schaft, sich in die Politik einzumischen. 32 Prozent wünschen sich ein politisches und Forschung vor dem Hintergrund der aufwiesen. Engagement von Forschenden. 25 Pro- Coronavirus-Pandemie. In der aktuellen Mit dem hohen Vertrauen geht der zent sind in dieser Frage unentschieden. repräsentativen Umfrage geben 60 Pro- Wunsch von 77 Prozent der befragten Seit 2014 führt die gemeinnützige zent der Bürgerinnen und Bürger an, Bürgerinnen und Bürger nach einer wis- Initiative Wissenschaft im Dialog (WiD), Wissenschaft und Forschung zu vertrau- senschaftsbasierten Politik einher. Ob deren Partner die Leopoldina ist, jährlich en. Der Anteil liegt damit über dem ent- sich Forschende aktiv politisch engagie- eine repräsentative Meinungsumfrage sprechenden Wert in den Jahren zuvor. ren sollten, wird hingegen unterschied- durch, die als „Wissenschaftsbarometer“ 2019 lag dieser bei 46 Prozent und 2018 lich bewertet: 42 Prozent der Befragten veröffentlicht wird. ■ RZ
10 6/2020 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER „Verfahrensbezogene Regulierung ist wissenschaftlich nicht begründbar“ Hans-Georg Dederer zur juristischen Beurteilung genomeditierter Nutzpflanzen Derzeit sind weltweit über einhundert genomeditierte Nutzpflanzen bekannt, die potenziell marktfähig sind. Dazu gehören auch Sorten von Mais, die eine hohe Trockentoleranz aufweisen. Foto: Samuel Zeller | Unsplash Vor einem Jahr haben die Leopoldina, die Gentechnikrechts gezüchtet, verkauft und troffenen Pflanze im Ergebnis verändert Union der deutschen Akademien der Wis- ausgebracht werden. Ihre Marktzulassung hat. Kommt es lediglich zu einer Verände- senschaften und die Deutsche Forschungs- setzt aber vorherige Freilandversuche vo- rung von einem oder wenigen Basenpaa- gemeinschaft Empfehlungen für ein neues raus, um die Interaktion der Pflanzen mit ren und verbleibt keinerlei rekombinante europäisches Gentechnikrecht ausgespro- der Umwelt zu analysieren. Die Flurflä- DNA im Genom, wird die Pflanze nicht als chen. Zum Sachstand in der Europäischen che für solche Experimente muss dabei GVO reguliert. Auch in den USA kommt Union (EU) äußert sich Hans-Georg Dederer, zwingend in einem öffentlichen Register es auf das Produkt beziehungsweise die Mitglied der gemeinsamen Arbeitsgruppe, bekannt gemacht werden. Das nutzten bei der Züchtung verwendeten Produkte aus juristischer Sicht. radikale Gentechnikgegner in der Vergan- an, nicht auf das Verfahren als solches. genheit immer wieder aus und zerstör- ten die Versuchsfelder. Diese Erfahrung In Reaktion auf das EuGH-Urteil hatten Bakterienresistenter Reis, trockentole- schreckt jetzt die Wissenschaft von Frei- die Leopoldina, die Union der deutschen ranter Mais und pilzresistente Wein- landexperimenten mit genomeditierten Akademien der Wissenschaften und sorten – diese genomeditierten Pflanzen Pflanzen ab. die Deutsche Forschungsgemeinschaft fallen in der EU nach einem Urteil des (DFG) im Dezember 2019 eine Stellung- Europäischen Gerichtshofs (EuGH) unter Wichtige Handelspartner wie die USA nahme veröffentlicht. Was war die zent- das Gentechnikrecht. Das bereitet der und Argentinien regeln rechtlich den rale Botschaft? Wissenschaft Sorgen. Warum? Umgang mit genomeditierten Pflanzen Dederer: Die Akademien und die DFG Hans-Georg Dederer: Aus dem EuGH- anders. Wie? kritisierten, dass sich eine am Verfahren Urteil folgt, dass genomeditierte Nutz- Dederer: Argentinien verfolgt eine Re- der Genomeditierung anknüpfende Re- pflanzen zu den „gentechnisch verän- gulierung, die nicht nur an das Verfahren gulierung von Pflanzen wissenschaftlich derten Organismen“ (GVO) zählen. Sie anknüpft, sondern vor allem auch daran, nicht begründen lässt. Mit den Techniken dürfen damit nur unter Beachtung des wie sich das genetische Material der be- der Genomeditierung werden vielfach nur
6/2020 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER 11 Veränderungen bewirkt, wie sie auch in Konsequenter wäre auf lange Sicht ein Politik, mehr Überzeugungsarbeit in der der Natur oder als Folge konventioneller ganz neuer Rechtsrahmen. Gesellschaft für eine Deregulierung in Züchtung entstehen können. Unter dem Dederer: Ja, denn der aktuelle ver- der Pflanzenbiotechnologie zu leisten, Gesichtspunkt möglicher Risiken gibt es fahrensbezogene Regulierungsansatz sehe ich im Moment noch nicht. deshalb keinen Anlass, solche genomedi- ist wissenschaftlich nicht begründbar. tierten Pflanzen stärker zu regulieren als Wenn wir Gefahren für die menschliche Ist diese Zögerlichkeit angesichts des herkömmlich gezüchtete Pflanzen. Das Gesundheit und die Umwelt minimie- Klimawandels und des Verlusts der Bio- wäre inkonsistent. ren wollen, muss die Regulierung beim diversität nicht problematisch? Produkt ansetzen. Deshalb haben wir in Dederer: Den allermeisten ist klar, dass der Stellungnahme einen neuen Rechts- es höchste Zeit ist, die Landwirtschaft rahmen vorgeschlagen, der eine produkt- nachhaltiger zu gestalten und sie für die bezogene Regulierung vorsieht. Auslöser Folgen des Klimawandels fit zu machen. dafür könnte demnach zum Beispiel die Für die dazu notwendigen Pflanzeninno- Neuartigkeit von Merkmalen der gezüch- vationen dürften aber Wissenschaft so- teten Pflanzen sein. Wie das prinzipiell wie kleine und mittlere Pflanzenzüchter aussehen kann, zeigt das Beispiel Kana- infolge des EuGH-Urteils bereits wert- da. volle Entwicklungszeit verloren haben. Die Stellungnahme wurde auch auf der Der EU-Rat hat die EU-Kommission internationalen Konferenz vorgestellt, gebeten, bis April 2021 eine Studie zum zu der die Leopoldina und die DFG An- Status neuartiger Gentechnik im EU- fang Oktober hochrangige Expertinnen Recht vorzulegen. Findet jetzt ein Um- Hans-Georg Dederer und Experten der EU-Kommission be- denken statt? Der Rechtswissenschaftler Hans-Georg grüßen konnten. Wie fiel deren Reaktion Dederer: Es wäre zu hoffen, dass dem Dederer war von Januar bis Dezember aus? so wäre. Wichtig wird sein, dass die 2019 Mitglied der Arbeitsgruppe „Risiko- Dederer: Mein Eindruck war, dass sie Kommission nicht nur Umfrageergeb- beurteilung und Regulierung genom- die Position der Wissenschaft schon ver- nisse präsentiert, sondern daraus die aus editierter Pflanzen“ der Leopoldina, der standen haben. Allerdings wurde von wissenschaftlicher Sicht notwendigen Akademienunion und der DFG. Er hat Mitarbeitern der Kommission und Mit- Schlussfolgerungen zieht, nämlich ein den Lehrstuhl für Staats- und Verwal- gliedern des Parlaments auf die weiter- parlamentarisches, transparentes Ge- tungsrecht, Völkerrecht, Europäisches hin gentechnikskeptische Öffentlich- setzgebungsverfahren auf EU-Ebene zu und Internationales Wirtschaftsrecht an keit verwiesen. Das ist vom politischen starten. Erst dann würde ich von einem der Universität Passau inne. Standpunkt aus sicher richtig gedacht, Umdenken sprechen wollen. Foto: Universität Passau aber rechtlich kein Argument, die For- schungsfreiheit weiterhin derart massiv ■ DAS GESPRÄCH FÜHRTE einzuschränken. Die Bereitschaft der BENJAMIN HAERDLE Eine Forderung war, das europäische Gentechnikrecht zu novellieren. Was soll- ten die wesentlichen Neuerungen sein? Genetische Modifizierung Dederer: Eine Möglichkeit wäre, in einem ersten Schritt die GVO-Defini- tion so zu ändern, dass genomeditier- te Organismen nicht mehr unter das A ls „gentechnisch verändert“ gilt ein Organismus, wenn dessen geneti- sches Material so modifiziert wurde, wie es unter natürlichen Bedingun- gen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht möglich wäre. Diese Gentechnikrecht fallen, wenn sie keine Definition der EU-Freisetzungsrichtlinie hat der Europäische Gerichtshof in artfremde genetische Information ent- seinem Urteil vom 25. Juli 2018 dahingehend ausgelegt, dass sie Organismen halten oder ihr genetisches Material nur erfasst, die mittels Genomeditierungsverfahren entstanden sind. Damit fallen eine solche Veränderung erfahren hat, auch Organismen, die zum Beispiel mit der „Genschere“ CRISPR-Cas genetisch wie sie ebenso in der Natur oder infolge verändert werden, unter das EU-Gentechnikrecht. Sie unterliegen damit unter der Anwendung konventioneller Züch- anderem strengen Regelungen der Risikobewertung und Zulassung. ■ BH tungsmethoden hätte entstehen können. Ein behördliches Vorprüfungsverfah- Stellungnahme ren könnte im Einzelfall klären, ob ein „Wege zu einer wissenschaftlich begründeten, differenzierten GVO im Sinne der novellierten Regelung Regulierung genomeditierter Pflanzen in der EU“ vorliegt.
12 6/2020 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER „Nach dem hermeneutischen Anteil fragen“ Symposium der Klasse IV befasst sich mit Entgegensetzung von Hermeneutik und Empirie Als Senator der Sektion Kulturwissenschaf- stand der Literatur und den Verfahren ten hat der Romanist Andreas Kablitz ML ihrer Bearbeitung. In der Tradition des das Leopoldina-Symposium der Klasse IV Nachdenkens über Dichtung in Europa vorbereitet. Das jährliche wissenschaftliche seit der Antike gibt es allerdings auch Treffen wurde diesmal zweigeteilt als virtu- ganz andere Positionen, die sich auf ra- elles Kolloquium angesetzt. Im ersten Teil tionale Prinzipien berufen. Das fängt mit Anfang Dezember ging es um den wissen- der Sprache an, die nicht schlechthin ir- schaftlichen Status der Hermeneutik. rational und beliebig ist. Es gibt Grenzen der Deutbarkeit. Können Sie zu Beginn kurz erklären, was Hermeneutik ist? Gibt es eine Verständigung über Wissen- Andreas Kablitz: Hermeneutik ist die schaftlichkeit auch mit Natur- und So- Lehre vom Verstehen, die Kunst der Er- zialwissenschaftlern, die empirisch for- klärung und Deutung von Dingen. Man schen? hat sie traditionell vor allem für sprachli- Kablitz: Das ist Ziel des zweiten Kol- che Äußerungen benutzt, weil vieles, was Andreas Kablitz ML loquiums. Die klassische Entgegenset- wir sagen, einer besonderen Explikation Der Romanist hat eine Professur für zung von Empirie und Hermeneutik ist bedarf. Hermeneutische Operationen Romanische Philologie und Allgemeine schon vielfach in Frage gestellt worden. sind aber keineswegs darauf beschränkt, und Vergleichende Literaturwissen- Der Anspruch der Naturwissenschaften sie gelten auch für Bilder und in gewisser schaft an der Philosophischen Fakultät und bestimmter Sozialwissenschaften, Weise auch für die Musik. der Universität zu Köln inne und ist zu- Wissenschaft schlechthin zu repräsentie- gleich Direktor des Petrarca-Instituts ren, ist ein Anspruch, der Widerspruch Im ersten Teil des Kolloquiums ging es ebendort. Der Spezialist für italieni- hervorruft und verdient. Für mein Emp- um den wissenschaftlichen Status der sche und französische Literatur des finden besteht Wissenschaft in einer Ra- Hermeneutik. Steht der denn in Frage? Mittelalters und der Frühen Neuzeit tionalisierungsleistung im Umgang mit Kablitz: Durchaus. Traditionell versteht ist seit 2007 Mitglied der Leopoldina Phänomenen. Auch wenn ich ein Gedicht man sie ja als Gegenstück zur Empirie und Senator der Sektion Kulturwissen- besser verstehe, kann das eine Rationa- und zu mathematisierten Verfahren. schaften. Foto: Jens Schlüter | Leopoldina lisierungsleistung sein. Zudem stellt sich Auch in Fächern mit großer hermeneu- die Frage nach dem hermeneutischen tischer Tradition, in denen die Methode Anteil in vermeintlich rein empirischen von alters her zu Hause ist, gibt es in die- die ursprüngliche, aus der Schriftherme- Untersuchungen. Woher kommen zum ser Hinsicht aber durchaus Skepsis. neutik kommende Interpretationslehre Beispiel die Fragen, die in den Sozial- von der Sinnfülle der Offenbarung aus, wissenschaften dann mittels statistischer Klassische hermeneutische Fächer sind die es mit besonderen Verfahren auszu- Erhebungen beantwortet werden? Theologie, Rechtswissenschaften, Philo- schöpfen gilt. logie, Philosophie. Bedienen sich diese Gibt es bei aller Unterschiedlichkeit der Wissenschaften unterschiedlicher her- Sie selbst sind Literaturwissenschaftler, Forschungsgegenstände und der Unter- meneutischer Verfahren? haben vor drei Jahren eine ausführ- suchungsmethoden etwas, das alle Wis- Kablitz: Ein wichtiger Punkt. Die Me- liche Deutung von Thomas Manns Ro- senschaften eint? Eine Verständigung, thoden werden bestimmt durch die Ge- man „Der Zauberberg“ vorgelegt. Viele die angesichts der Bedrohung durch genstände, mit denen man jeweils um- halten die Interpretation von Romanen „Fake News“ heute so wichtig wäre? geht. Ein Grundproblem der Juristerei oder Gedichten eher für eine Kunst als Kablitz: Genau das treibt uns an. Da- besteht darin, einen gegebenen Fall in für eine Wissenschaft? für müssen wir aber zunächst die Unter- ein gegebenes Gesetzeswerk einzupas- Kablitz: Das legt der Titel eines be- schiedlichkeit verschiedener wissen- sen. In der Literaturwissenschaft stellt rühmten Textes aus der Germanistik schaftlicher Ansätze anerkennen und sich fast das umgekehrte Problem: Wir nahe, Emil Staigers Studie „Die Kunst deren Interdependenz erkennen. müssen einen literarischen Text auf eine der Interpretation“. Sie könnte den Ein- allgemeine Frage hin transparent ma- druck erwecken, als gebe es keinen gro- ■ DAS GESPRÄCH FÜHRTE chen. In der Theologie wiederum ging ßen Unterschied zwischen dem Gegen- ADELHEID MÜLLER-LISSNER
6/2020 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER 13 Eigenverantwortlichen Umgang Klimawandel in Mitteldeutschland mit Forschungsrisiken stärken Online-Debatte von Fridays for Future (Halle) und Leopoldina Unterstützung durch Allianz der Wissenschaftsorganisationen D ie Beachtung ethischer Prinzipien sicherheitsrelevanter Forschung erfährt international eine wachsende und Zeitschriften mit sicherheitsrelevan- ter Forschung. Ebenso werden die Akti- vitäten der etwa 90 Kommissionen für D er Klimawandel, seine Ursachen und seine Entwicklung sind nicht nur wissenschaftlich detailliert Beachtung. So erhalten insbesondere Ethik sicherheitsrelevanter Forschung erforscht, sondern inzwischen zu- Aspekte der Ausfuhrkontrolle und For- (KEF) sowie die Beteiligungen des GA an nehmend auch auf regionaler Ebene schungskooperationen mit ausländi- öffentlichen Debatten und seine weiteren spürbar. Gemeinsam mit Hallenser schen Partnern verstärkt Aufmerk- Aktivitäten verdeutlicht. Schülerinnen und Schülern der Be- samkeit in der deutschen Politik und Die Allianz der deutschen Wissen- wegung „Fridays for Future“ hat die Forschungsförderung. Sicherheitsrele- schaftsorganisationen hat einstimmig Leopoldina die Veranstaltungsreihe vante Forschungsrisiken entwickeln sich die fortlaufende Unterstützung des GA „Leopoldina-Diskurs: Klima“ initiiert. dynamisch weiter, beispielsweise durch beschlossen. Zukünftig wird weiterhin Ziel ist, Interessierte in einen gesell- neue Synergien unterschiedlicher Diszi- die Stärkung deutscher Forschungsein- schaftlichen Austausch mit Akteurin- plinen wie der Forschung zu Künstlicher richtungen im eigenverantwortlichen nen und Akteuren aus Wissenschaft, Intelligenz, den Ingenieurwissenschaften Umgang mit sicherheitsrelevanter For- Politik und Gesellschaft zu bringen und der Molekularbiologie. schung im Fokus stehen. Hierzu sind und gemeinsam zu diskutieren, wie in Der Gemeinsame Ausschuss (GA) regelmäßige Umfragen, KEF-Foren, der unmittelbaren Umgebung mit den zum Umgang mit sicherheitsrelevanter fachspezifische Veranstaltungen und die Herausforderungen des Klimawan- Forschung von Deutscher Forschungsge- gebündelte Kommunikation des Sach- dels umgegangen werden kann. meinschaft (DFG) und Leopoldina legte standes in Wissenschaft, Politik und Zum Auftakt fand Anfang No- nun seinen dritten Tätigkeitsbericht vor. Öffentlichkeit geplant. ■ JF vember die Online-Debatte „Globale Darin erläutert er den Stand interna- Veränderung – lokale Wirkung. Wie tionaler Debatten zu ausgewählten For- der Klimawandel das Leben in Mittel- schungsfeldern, rechtlichen Rahmenbe- Tätigkeitsbericht deutschland verändert“ statt. Mehr als „Sicherheitsrelevante dingungen und Fördervoraussetzungen 400 Userinnen und User folgten der Forschung“ sowie den Umgang ausgewählter Verlage Diskussion zwischen Claudia Dalbert, Ministerin für Umwelt, Landwirt- schaft und Energie des Landes Sach- sen-Anhalt, Stefan Rahmstorf vom Dritte Europa-Debatte: Ist das Potsdam-Institut für Klimafolgenfor- schung, Ernst Rauch, Chef-Klimawis- Finanzsystem krisensicher? senschaftler der Rückversicherungs- gesellschaft Munich RE, sowie Josef E uropäische Bürgerinnen und Bür- ger leiden unter niedrigen Zinsen, einer Folge der Finanzkrise von 2008. mie auf das europäische Finanzsystem? Um diese Themen geht es in der dritten Runde der Europa-Debatte, einer Ver- Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig-Halle. Am Beispiel Sachsen-Anhalts wurde auf Ob eine individuelle Finanzplanung anstaltungsreihe des Leibniz-Instituts Extremwetterereignisse und deren langfristig tragfähig ist, hängt häufig da- für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) Folgen für Landwirtschaft, Ökosys- von ab, ob es wieder höhere Zinsen ge- und der Leopoldina. Am 4. Februar 2021 teme und Bevölkerung eingegangen. ben wird. Prognosen müssen auf einem diskutiert um 18 Uhr darüber der Frei- In der Diskussion betonten alle die realistischen Gesamtbild der Zukunft burger Ökonom Lars P. Feld ML, der Dringlichkeit, dem Klimawandel jetzt des Finanzsystems basieren, in dessen Vorsitzender des Sachverständigenrats mit konkreten Maßnahmen entgegen- Mittelpunkt die Banken und ihre Regu- zur Begutachtung der gesamtwirtschaft- zuwirken und die bereits vorhandenen lierung stehen. lichen Entwicklung ist, mit dem IWH- Lösungen umzusetzen, anstatt vor den Wird es in Europa zu einer Vollen- Präsidenten Reint E. Gropp. ■ ART Konsequenzen zu kapitulieren. ■ EW dung der Bankenunion kommen? Welche Rolle spielen hierbei die unterschiedli- Europa-Debatte Diskurs „Klimawandel chen nationalen Interessen? Welche Aus- „Finanzsystem in Europa“ in Mitteldeutschland“ wirkungen hat die Coronavirus-Pande-
14 6/2020 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER Über die Arbeit mit digitalisierten Texten Fördermittel für Bestände Leopoldina unterstützt Aufbau in Archiv und Bibliothek der Infrastruktur Die Bestände in Archiv und Bibliothek der 2020 konnten dafür, ebenso wie für A nhand von Texten lassen sich Sprache, Geschichte, Literatur und vieles mehr erforschen. Infolge Leopoldina reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück. Zu ihrem Schutz sind vielfache An- strengungen erforderlich. Dafür werden in das Gutachten 2018, Fördermittel der Bundeskulturstaatsministerin eingeworben werden. Diese fließen (BKM) der Digitalisierung sind Texte leichter diesem Jahr 60.000 Euro aufgewendet. aus dem „Sonderprogramm zum Er- und zahlreicher zugänglich geworden. halt des schriftlichen Kulturguts in Was aber brauchen heute Forschende für die Arbeit mit oder an digitalen Texten? Welche Bedarfe beim digitalen D erzeit werden im Archiv der Leo- poldina etwa 1.000 laufende Meter an Unterlagen und in der Bibliothek un- Deutschland“. Zudem beteiligt sich der Leopoldina Akademie Freundeskreis e. V. mit einem Anteil in Höhe von 15.000 Arbeiten mit Texten vorliegen, haben gefähr 280.000 Bände aufbewahrt und Euro am diesjährigen Projekt. sie jetzt in mehr als 120 „User Stories“ für die Forschung zugänglich gemacht. Insgesamt werden 60.000 Euro im formuliert, die im Rahmen des Kon- Dieses „materielle Gedächtnis“ reicht bis Jahr 2020 aufgewendet. Damit konnten sortiums „Text+“ veröffentlicht wur- zum Beginn des 16. Jahrhunderts, also rund 50.000 Bände ausgehoben und den. Das Zentrum für Wissenschafts- noch vor die Gründung der Akademie, durch das Leipziger Zentrum für Buch- forschung beteiligt sich an diesem zurück. Um es zu sichern, erarbeiteten erhaltung konservatorisch behandelt Konsortium mit einem Schwerpunkt bereits 2018 externe Sachverständige ein werden. Die Arbeiten werden fortgesetzt, zu wissenschaftlichen digitalen Editio- umfassendes Schadensgutachten. um die einzigartigen Bestände von Ar- nen. Im Ergebnis möchte „Text+“ zum Dessen Empfehlungen dienen als chiv und Bibliothek in ihrer Zusammen- Aufbau einer „Nationalen Forschungs- Grundlage für die Konservierungs- und setzung und Dichte zu bewahren. ■ DYW dateninfrastruktur“ (NFDI) beitragen, Restaurierungsmaßnahmen der kom- die als forschungsgetriebener, koope- menden Jahre und Jahrzehnte. Mit rativer Verbund wissenschaftlicher der Umsetzung wurde 2019 unter Nut- Archiv und Bibliothek Einrichtungen aller Fachrichtungen zung von Haushaltsmitteln begonnen. konzipiert ist und durch das Bundes- ministerium für Bildung und For- schung mitfinanziert wird. DIGITALE BIBLIOTHEK DER LEOPOLDINA GESTARTET Doch nicht nur digitalisierte Texte, sondern auch deren Metadaten können zur Forschung genutzt werden. Diese beschreiben beispielsweise Herkunft, Sprache oder Entstehung von Texten, und gerade bei größeren Datenmengen kann deren Analyse hilfreich sein, be- vor die Einzelwerke betrachtet werden. Metadaten werden üblicherweise von den Einrichtungen bereitgestellt, die Digitalisate herstellen, darunter auch Archiv und Bibliothek der Leopoldi- na. Anfang September erlernten und erprobten 20 Forscherinnen und For- scher den Umgang mit Metadaten zu digitalen Periodika. Der Workshop, der Mit dem Start des Services „Digitale Bibliothek | Der Dokumentenserver der Leopoldina“ von der AG „Zeitungen und Zeitschrif- bietet die Akademie nun einen weiteren Zugriffspunkt für ihre Online-Veröffentlichungen. ten“ des Verbandes „Digital Humani- Die „Digitale Bibliothek“ vereint Such- und Recherchemöglichkeiten und die dauerhafte ties im deutschsprachigen Raum“ mit Verfügbarkeit und Referenzierbarkeit der Publikationen. Diese werden in den kommenden der Leopoldina durchgeführt wurde, Wochen retrospektiv für den Zeitraum bis 2008 auf der Plattform verfügbar gemacht. Die reichte vom automatisierten Auslesen „Digitale Bibliothek“ ist über die Homepage der Leopoldina zu erreichen oder direkt unter der Metadaten bis hin zu deren Visuali- https://levana.leopoldina.org. ■ BK/Screenshots: Leopoldina sierung und Interpretation. ■ TR
6/2020 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER 15 EASAC EASAC Junge Akademie Energiekonzept für Klimakrise erfordert Plädoyer für einen Wasserstoffstrategie systemischen Umbau Tarifvertrag Promotion Die im Sommer von der EU-Kommis- In einer aktuellen Publikation greift Die Junge Akademie kritisiert in einer sion vorgelegte Wasserstoffstrategie EASAC den transformativen Ansatz Stellungnahme die uneinheitlichen Fi- ist Thema eines neuen EASAC-Kom- des Green Deals der Europäischen nanzierungs- und Beschäftigungsfor- mentars. Die europäischen nationalen Union (EU) auf. Die wissenschaftli- men von Promovierenden und spricht Wissenschaftsakademien befürwor- chen Erkenntnisse über den Klima- sich für die Schaffung eines einheit- ten die Verabschiedung der Strategie. wandel und seine Triebkräfte seien in lichen Tarifvertrags Promotion aus. Diese verdeutliche den dringenden den letzten Jahrzehnten zwar deutlich Dieser soll eine gleiche Vergütung im Bedarf an einer Ausweitung erneuer- gewachsen, dennoch nähmen schä- Rahmen eines Vollzeitarbeitsvertrags barer Energien, die für die kohlen- digende Faktoren kontinuierlich zu. garantieren. Damit solle ein System stoffarme Produktion von erneuerba- Der Zusammenschluss der EU-Na- abgelöst werden, in dem große Unter- rem Wasserstoff erforderlich sei. Um tionalakademien mahnt, die mensch- schiede in Einkommen, Laufzeiten und dies zu erreichen, bedürfe es weiterer liche Entwicklung mit der Kapazität Arbeitsbedingungen je nach Verfüg- Planungen zur Bereitstellung erneuer- der Erde in Einklang zu bringen und barkeit von Haushalts- und Drittmit- barer Energien sowohl innerhalb der argumentiert, dass die schrittweise telstellen bedingt sind. Ebenso soll die EU als auch durch Importe. Die EU Änderung bisheriger Praktiken dafür Vergabe von Promotionsstipendien an solle nicht nur in Europa Marktbarrie- nicht ausreichend sei. Sie fordern eine den geforderten Tarifvertrag gebunden ren beseitigen, sondern auch weltweit grundlegende systemische Umgestal- werden, um Nachteile in der Bezah- Partnerschaften mit Drittländern ent- tung der derzeitigen Wirtschafts- und lung sowie der Renten- und Sozialver- wickeln. ■ JMO Sozialsysteme. ■ JMO sicherung auszugleichen. ■ VBP Hydrogen and Transformative Change & Tarifvertrag Promotion Synthetic Fuels Post-COVID-19 Priorities Freundeskreis Freundeskreis ZfW Würdigung für Ausschreibung für Forschung über Carl Knoblauch Bausch-Stipendium Katastrophen Der Leopoldina Akademie Freundes- Der Leopoldina Akademie Freundes- Im Wissenschaftshistorischen Seminar kreis e. V. hat kürzlich die verwilderte kreis e. V. schreibt erneut das Jo- Anfang Oktober berichtete Cécile Steh- Grabstelle des XV. Leopoldina-Prä- hann-Lorenz-Bausch-Stipendium renberger über den öffentlichen Um- sidenten, Carl Hermann Knoblauch aus. Bewerbungen zu Themen der gang mit der Coronavirus-Pandemie. (1820 bis 1895), auf dem Stadtgottes- Wissenschaftsgeschichte können von Die Juniorprofessorin der Bergischen acker in Halle herrichten lassen und Nachwuchswissenschaftlerinnen und Universität Wuppertal führte aus, dass die Patenschaft übernommen. Mit der -wissenschaftlern bis 31. Januar 2021 Erkenntnisse der Katastrophenfor- Wahl ihres XV. Präsidenten wurde die eingereicht werden. Im Rahmen ihrer schung aus der Zeit des Kalten Krieges Leopoldina 1878 am heutigen Stand- Forschung sollen sie sich mit der Ge- derzeit weitgehend ignoriert würden. ort Halle sesshaft. Zugleich trägt die schichte der Leopoldina, deren Publi- Heute betrachteten die Sozialwissen- Maßnahme dazu bei, den nach der kationen oder dem Werk und Wirken schaften Katastrophen – und damit deutschen Wiedervereinigung Stück ihrer Mitglieder befassen. Die Aus- auch Pandemien – nicht mehr als zeit- für Stück instandgesetzten Stadtgot- schreibung ist nicht auf spezifische lich begrenzt, sondern stets als Ereig- tesacker – ein bedeutendes Monu- Disziplinen oder methodische Zugänge nisse mit Langzeitwirkung. Ebenso ment der Stadtgeschichte – zu erhal- beschränkt. Das viermonatige Stipen- sei die Wahrnehmung auf langfristige ten. ■ JSU dium ist mit 5.000 Euro dotiert. ■ RED Folgen statt auf Panik gerichtet. ■ RGO Johann-Lorenz-Bausch- Wissenschaftshistorische Freundeskreis Stipendium Seminare
Sie können auch lesen