Magnesium-Hybrid-Turbomotor von Audi
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ENTWICKLUNG Werkstoffe Magnesium-Hybrid- Turbomotor von Audi Mit diesem Beitrag zeigt Audi einen Weg, wie der Leicht- bauwerkstoff Magnesium durch spezielle konstruktive Detaillösungen und den Einsatz neuer warmfester Legie- rungen zukünftig auch in hochbelasteten Motoren einge- setzt werden kann. Durch gezieltes lokales Werkstoff- Engineering gelang es erstmals, einen Otto-Turbomotor mit einer spezifischen Leistung von 67 kW/l in Magnesium- Hybrid-Leichbauweise darzustellen. Eine Besonderheit des im Druckgussverfahren hergestellten Kurbelgehäuses stellt die Closed-deck-Bauweise dar, für die ein großserientaug- liches Herstellungskonzept entwickelt wurde. 2 MTZ 4/2005 Jahrgang 66
Die Autoren 1 Einleitung ordnet (der Magnesium-Hybrid-Turbomo- tor steht in der untersten Zeile). Dr.-Ing. Rudolph Bei den bekannten Audi Turbomotoren, in Krebs ist Leiter der der neuesten Generation als Turbo FSI, pro- 3 Kurbelgehäuse-Konzept Entwicklung Reihen- fitiert der Kunde von einem überragenden ottomotoren und Vor- Drehmomentverhalten, welches viel Fahr- 3.1 Aluminium-Zylindereinsatz entwicklung Ottomo- spaß bei moderatem Kraftstoffverbrauch Das zentrale Element des Magnesium-Hy- toren bei der Audi AG garantiert [1]. Wegen der hohen spezifi- brid-Zylinderkurbelgehäuses ist der Alu- in Ingolstadt. schen Leistungen und Drehmomente wer- minium-Zylindereinsatz, Bild 1. Er wird im den die Zylinderkurbelgehäuse der Turbo- Kokillenguss aus der übereutektischen Dr.-Ing. Joachim motoren bei Audi aus Grauguss hergestellt Aluminiumlegierung AlSi17Cu4 hergestellt Böhme ist Leiter der [2]. Eine deutliche Reduzierung des Motor- und später im Druckgussverfahren mit Entwicklung Grund- gewichts würde jedoch die Fahrzeugdyna- Magnesium umgossen. Zur Vermeidung motor Reihenottomo- mik nochmals verbessern. Die Gewichts- von Kühlwasserkorrosion ist der Kühlman- toren bei der Audi AG einsparung von etwa 23 kg gegenüber ei- tel des Zylinderkurbelgehäuses komplett in Ingolstadt. nem Grauguss-Zylinderkurbelgehäuse im Aluminium-Zylindereinsatz integriert. stellte die Motivation dar, ein Leichtbau- Durch die einteilige Konstruktion des Ein- Dipl.-Ing. Joachim Kurbelgehäuse in Magnesium-Hybrid Bau- satzes wird das Magnesium von den hei- Doerr ist Fachreferent weise für aufgeladene Motoren zu entwi- ßesten Stellen im Motorblock, den Zylin- in der Motorberech- ckeln. derstegen abgeschottet. Die Zylinderlauf- nung Reihenottomo- bahnen werden bei der Fertigung direkt toren bei der Audi AG 2 Entwicklungsziel durch eine zusätzliche Honstufe herge- in Ingolstadt. stellt, bei der die verschleißfesten Primärsi- Für das Magnesium-Hybrid-Zylinderkur- liziumpartikel der Aluminiumlegierung im Dipl.-Ing. Albrecht belgehäuse wurden folgende Entwick- Mikrometerbereich mechanisch freigelegt Rothe ist Mitarbeiter lungsziele gesetzt: Eine Gewichtsersparnis werden. in der Entwicklung von mindestens 25% im Vergleich zu einem Zahlreiche Durchbrüche ermöglichen Grundmotor Reihen- Aluminium-Kurbelgehäuse, uneinge- eine gute formschlüssige Verankerung des ottomotoren bei der schränkte Alltagstauglichkeit, hohe Belast- Zylindereinsatzes im Magnesium-Umguss. Audi AG in Ingolstadt. barkeit und gute akustische Eigenschaften. Zusätzlich zu diesen Verklammerungsele- Diese Merkmale sollten bei verträglichen menten wird eine Oberflächenbehandlung Dr.-Ing. Willi Schneider Kosten im Hinblick auf einen großserien- (AlSi12-Beschichtung) an den Außenflä- ist Fachreferent in der tauglichen Gießprozess und eine wirt- chen des Bauteils durchgeführt, die die Technologieentwicklung schaftliche Fertigung erreicht werden [3, 4]. Ausbildung einer stoffschlüssigen Verbin- bei der Audi AG in Ingol- Die spezifische Leistung des Magne- dung zwischen Magnesium und Alumi- stadt. sium-Motors liegt am oberen Rand des nium unterstützt. Streubands moderner Leichtmetallmoto- Je nach Anforderung und spezifischer Dr.-Ing. Christoph ren. Sie wurde zunächst auf 67 kW/l festge- Belastung des Motors kann der Zylinder- Haberling ist Fach- legt. Als Basis-Aggregat dient der 1,8-l-5V- einsatz entweder in open-deck- oder clo- referent für Werk- Turbo-Motor, der in sieben Leistungsklas- sed-deck-Ausführung hergestellt werden. stofftechnologie bei sen zwischen 110 kW und 163 kW produziert Die äußere Geometrie der beiden Einsatz- der Audi AG in Ingol- wird (61 kW/l bis 90 kW/l). Die Tabelle varianten ist dabei exakt identisch, so dass stadt. zeigt eine Übersicht aktueller Vierzylinder- beide Bauteile in das selbe Druckgusswerk- motoren der Audi AG. Die Aggregate sind zeug eingesetzt und umgossen werden nach sinkendem Leistungsgewicht ange- können. 2 Entwicklungsziel Tabelle: Leistungsdaten verschiedener Vierzylindermotoren der Audi AG (Magnesium-Hybrid-Turbomotor untere Zeile) Table: Performance data for various Audi four-cylinder engines (magnesium-hybrid turbo engine is shown in the lowest row) Leistung / max. spezifische spezifisches Gewicht Leistungs- Motor ZKG Drehmoment Mitteldruck Leistung Drehmoment DIN 70200 gewicht 1,6l MPI Alu-DG 75 kW / 148 Nm 11,7 bar 47 kW/l 93 Nm/l 104 kg 1,39 kg/kW 1,8l 5VT GG-SG 120 kW / 225 Nm 15,7 bar 67 kW/l 125 Nm/l 145 kg 1,21 kg/kW 2,0l FSI* Alu-SG 110 kW / 200 Nm 12,6 bar 55 kW/l 100 Nm/l 131 kg 1,19 kg/kW 2,0l TFSI* GG-SG 147 kW / 280 Nm 17,6 bar 75 kW/l 140 Nm/l 152 kg 1,03 kg/kW 1,8l 5VT Mg-DG 120 kW / 225 Nm 15,7 bar 67 kW/l 125 Nm/l 122 kg 1,02 kg/kW * mit Ausgleichswellengetriebe MTZ 4/2005 Jahrgang 66 3
ENTWICKLUNG Werkstoffe 3.1 Aluminium-Zylindereinsatz 3.2 Zylinderkurbelgehäuse Das Magnesium-Kurbelgehäuse-Oberteil ist aus akustischen Gesichtspunkten in short-skirt-Bauweise ausgeführt, Bild 2. In Kombination mit einem stabilen Kurbelge- häuse-Unterteil (Bedplate) ergibt sich ein sehr verwindungssteifer Motorblock. Der Steifigkeitsnachteil durch den geringen E- Modul des Magnesiums wird durch diese Bauweise mehr als kompensiert. Das Kurbelgehäuse-Oberteil wird, wie das Bedplate auch, im Druckgussverfahren hergestellt und bildet die tragende Struk- tur für den Aluminium-Zylindereinsatz. Die Umguss-Wandstärke um das Einguss- teil beträgt etwa 4mm, wodurch – zusam- men mit den zuvor erwähnten Durchbrü- chen – eine gute Abstützung und Veranke- rung des Einsatzes im Magnesium gewähr- leistet wird. Durch seine intensive Verrip- pung übernimmt die Umgussstruktur im Bild 1: Closed-deck Aluminium-Zylindereinsatz (AlSi17Cu4) Wesentlichen versteifende aber auch öl- Figure 1: Closed-deck aluminium cylinder insert (AlSi17Cu4) führende Funktionen. Zur Reduzierung der Aufweitung der Kurbelwellenlagerbohrung können in die Hauptlagerstühle des Kurbelgehäuse- Oberteils Verstärkungselemente aus feste- 3.2 Zylinderkurbelgehäuse rem Material mit geringerer Wärmedeh- nung eingegossen werden. Da der Magne- sium-Lagerstuhl durch die langen Haupt- lagerschrauben druckvorgespannt ist, Bild 2, ist dies aus Festigkeitssicht jedoch nicht zwingend notwendig. Durch die Hybrid- Bauweise in Verbindung mit dem kompak- ten und leichten closed-deck Zylinderein- satz wird für das Kurbelgehäuse insgesamt eine hohe Gewichtsersparnis und eine aus- gezeichnete Festigkeit für die Belastung aus der Turboaufladung erreicht. 4 Werkstoffauswahl Das hier vorgestellte Motorblockkonzept stellt hohe Anforderungen an die Werk- stoffauswahl. Vorteil der Hybrid-Bauweise ist es, für jeden Bereich im Kurbelgehäuse Bild 2: Magnesium-Hybrid-Zylinderkurbelgehäuse in der Schnittdarstellung den optimalen Werkstoff entsprechend der Figure 2: Sectional view of the magnesium-hybrid engine block lokalen Anforderungen im Bauteil einset- zen zu können. Beim Übergang von der Monobauweise auf die Hybridtechnik las- sen sich zum Beispiel große Festigkeits- und Kriechfestigkeitssteigerungen errei- Am Zylindereinsatz sind am Topdeck im Hinblick auf ein niedriges Gesamtge- chen. Im Gegensatz dazu müssen aller- und im unteren Bereich der Zylinderrohre wicht und eine ausreichende Festigkeit für dings komplexe Eigenspannungszustände Verschraubungsbutzen für die Zylinder- die Turboaufladung optimiert. Die closed- und Mischbearbeitungen in der Fertigung kopf- und Hauptlagerverschraubung ange- deck-Ausführung ermöglicht trotz der sicher beherrscht werden, Bild 3. Besonde- gossen. Zum Zweck einer möglichst gerad- kompakten Abmessungen der Audi-Moto- re Aufmerksamkeit muss auch auf die Ver- linigen Kraftführung sind diese Verschrau- ren sehr hohen Spitzendrücke und stellt träglichkeit mit den in der Motorperiphe- bungsstellen jeweils über steife Rippen bei druckgegossenen Kurbelgehäusen eine rie vorliegenden Werkstoffen gelegt wer- und Streben miteinander verbunden. Aus Neuheit dar [5]. Nach der Endbearbeitung den (Kontaktkorrosion). Package- und Festigkeitsgründen wurden des Kurbelgehäuses wiegt das im Magne- Der Bereich um die Kurbelwellenlager noch einige weitere Verschraubungspunk- sium-Umguss verbleibende Fertigteil des kann je nach Beanspruchung direkt in te in das Bauteil integriert. Aluminium-Zylindereinsatzes nur noch et- Magnesium ausgeführt werden oder mit Die Gestalt des Zylindereinsatzes wurde wa 3,8kg. Eingussteilen aus pulvermetallurgisch her- 4 MTZ 4/2005 Jahrgang 66
gestellten Aluminiumwerkstoffen oder Ei- 4 Werkstoffauswahl senwerkstoffen verstärkt werden. Somit kann wahlweise entweder dem Aspekt „maximaler Leichtbau und geringe Kosten“ oder der Forderung „höchste Festigkeit und geringe Aufweitung der Lagergasse“ in je- weils kleinerem oder größerem Umfang Rechnung getragen werden, Bild 4. Konventionelle Mg-Legierungen wie AZ91 oder AM50 sind für Anwendungen im Aggregatebereich mit Betriebstempera- turen oberhalb von 130°C aufgrund ihrer geringen Kriechbeständigkeit und Warm- festigkeit nur in Ausnahmefällen geeignet. Um das mögliche Leichtbaupotenzial auch für solche Anwendungsfelder nutzbar zu machen, wurden deshalb im Volkswagen- konzern Forschungs- und Entwicklungs- projekte gestartet, mit dem Ziel, die Tem- peraturbelastbarkeit der Magnesium- Bild 3: Erweiterung der Einsatzmöglichkeiten von Magnesium durch Hybrid-Technik Druckgusslegierungen weiter zu erhöhen Figure 3: Hybrid technology extends the range of applications for magnesium [6]. Der Erfolg einer neuen Magnesiumle- gierung hängt jedoch nicht alleine nur von einer hohen Kriechbeständigkeit ab, son- dern auch von einer Reihe weiterer Fakto- ren wie Gießbarkeit, Korrosionsbeständig- keit und den Kosten. So mangelte es bei manchen kriechbeständigen Legierungen, wie bei der Legierung AS21, an der heute geforderten Korrosionsbeständigkeit, wo- hingegen die Legierung AE42 aus Kosten- gründen und aufgrund eingeschränkter Gießbarkeit kaum angewendet wird. Bezüglich des genannten Anforde- rungsprofils stellen die Legierungen MRI 153M und MRI 230D (entwickelt von der VW-Konzernforschung und dem israeli- schen Magnesium Research Institut, MRI) für den Temperaturbereich bis etwa 200°C einen guten Kompromiss dar [7, 8]. Be- sonders hervorzuheben sind in diesem Zu- sammenhang die hohen Warmfestigkei- ten und der im Vergleich zu anderen Bild 4: Die Hybrid-Technik ermöglicht eine anforderungsgerechte Werkstoffwahl kriechfesten Legierungen sehr früh er- Figure 4: With hybrid technology, a material can be chosen to meet the demands reichte Übergang vom primären zum se- of an application kundären Kriechen. Das frühe Abknicken der Kriechkurven wird bereits bei sehr klei- nen plastischen Gesamtverformungen er- reicht und mündet in einer sehr geringen minimalen Kriechgeschwindigkeit, Bild 5. Der frühe Übergang vom primären zum sekundären Kriechen hat insbesondere auf die in Magnesium ausgeführten Ver- schraubungen einen positiven Einfluss, da das Relaxationsverhalten von Schrauben- verbindungen im Wesentlichen von den primären Kriechvorgängen geprägt wird. In Bild 5 wird für die Temperatur 135°C das Kriechverhalten der Legierungen MRI153M beziehungsweise MRI230D der herkömm- lichen kriechfesten Legierung AS21 exem- plarisch gegenübergestellt. Sowohl bei ei- Bild 5: Optimiertes Kriechverhalten der MRI-Legierungen ner Spannung von 90MPa (linkes Teilbild), Figure 5: Optimised creep characteristics of MRI alloys MTZ 4/2005 Jahrgang 66 5
ENTWICKLUNG Werkstoffe 4 Werkstoffauswahl Nach längeren Temperaturbelastungen werden aufgrund der angepassten Wär- meausdehnungen mit Aluminiumschrau- ben zudem meist höhere Restklemmkräfte als mit Stahlschrauben realisiert. Die Bewertung der zuvor beschriebenen unterschiedlichen Werkstoff- und Hybrid- baukonzepte wurde anhand von Auslage- rungsversuchen an komplettierten Kurbel- gehäusen vorgenommen, bei denen mittels Ultraschall die Veränderungen der Vorspannkräfte gemessen wurden. Bild 6 zeigt die Veränderung der Vorspannkraft nach 1000h Auslagerung bei 130°C an aus- gewählten Verschraubungsstellen. Die Vorteile der kriechbeständigen Magnesi- umlegierung MRI153M gegenüber der Le- gierung AZ91 sind deutlich zu erkennen. 5 FEM-Berechnungen Bild 6: Vorspannkraftverlust an ausgewählten Verschraubungsstellen In der Konzeptphase des Magnesium-Hy- Figure 6: Loss of preload at selected bolted joints brid-Zylinderkurbelgehäuses wurde ein vollständiger Festigkeitsnachweis unter Berücksichtigung der durch den Gießpro- zess induzierten Eigenspannungen im Kur- 5 FEM-Berechnungen belgehäuse-Oberteil und Bedplate durch- geführt. Bei den Berechnungen wurde der gesamte Herstellprozess beider Teile – vom Rohteil bis zum fertig bearbeiteten Guss- teil – betrachtet, Bild 7. Für das bezüglich der Gießtechnik und der internen Kraftführung völlig neuartige Motorblock-Konzept konnte auf diese Weise recht früh die prinzipielle Umsetz- barkeit nachgewiesen werden. Weiterhin konnten Bereiche mit kritischem Eigen- spannungsniveau frühzeitig erkannt und konstruktiv optimiert werden. Bild 8 zeigt die Lastpfade im Zylinder- kurbelgehäuse. Während die durch die Gas- und Massenkräfte hervorgerufenen zyklischen Zugbelastungen in der Struktur im Wesentlichen durch den Aluminium- Zylindereinsatz ertragen werden (rot ge- strichelte Linien), erfährt der Magnesium- Bild 7: Berechnungssystematik zur Simulation des Herstellprozesses Lagerstuhl hauptsächlich Belastungen im Figure 7: Calculation procedures for simulating production processes Druckschwellbereich. Obwohl die Ver- schraubungstechnik an der Montagelinie herkömmlicher Art ist (keine Zuganker sondern separate Verschraubungen für Zy- linderkopf und Hauptlager) profitiert der als auch bei 150MPa (rechtes Teilbild) wer- thermisch belastete Leichtmetallkompo- Lagerstuhl von der günstigen Belastung den im Bereich des primären Kriechens bei neten ist in den letzten Jahren konsequent durch die langen Hauptlagerschrauben. gleicher plastischer Verformung ε für die weiter entwickelt worden. Wesentlich ist Die Verklammerung des Zylinderein- MRI Legierungen deutlich kleinere Kriech- in diesem Zusammenhang die zunehmen- satzes und die auftretenden Schrumpf- geschwindigkeiten erreicht. Erhebliche de Anwendung von Aluminiumschrauben spannungen im Magnesium werden in Vorteile zeigen sich auch bezüglich der mi- aus dem Werkstoff AA6056. Damit ist es Bild 8 durch grüne Pfeile angedeutet. Beim nimalen Kriechgeschwindigkeit im sekun- gelungen, die Kontaktkorrosionseffekte, Abkühlen aus der Gießhitze schrumpft die dären Kriechbereich. Diese liegt für die MRI die erforderlichen Einschraubtiefen und Magnesiumlegierung auf das Aluminium- Legierungen insbesondere bei hohen Span- die thermischen Vorspannkraftänderun- Eingussteil auf. Nach dem Erstarren ver- nungen (150 MPa) um mehrere Dekaden gen bei gleichzeitiger Gewichtseinsparung bleiben im Umguss im wesentlichen Zug-, niedriger als bei der Legierung AS21. im Vergleich zu Fügeverbindungen mit im Eingussteil Druckspannungen. Die Aus- Auch die Verschraubungstechnik für Stahlschrauben effektiv zu reduzieren. bildung der Eigenspannungen wird dabei 6 MTZ 4/2005 Jahrgang 66
maßgeblich von der Verbundzone zwi- 5 FEM-Berechnungen schen Aluminium und Magnesium beein- flusst. Mit dem Programmsystem ABAQUS ist es gelungen, die mechanischen und thermophysikalischen Eigenschaften der durch die AlSi12-Beschichtung hervorgeru- fenen Verbundzone in den FEM-Berech- nungen abzubilden. Die in den Analysen zum Herstellpro- zess ermittelten Eigenspannungsvertei- lungen im Kurbelgehäuse Ober- und Unterteil bildeten die Grundlage für die anschließende Festigkeits- und Dauerfes- tigkeitsbetrachtung im Motorbetrieb, Bild 9. Auf eine möglichst genaue Abbildung der nichtlinearen Werkstoffkennwerte wurde dabei ebenso geachtet wie auf die Problematik des Materialkriechens. Für letzteres wurden spezielle Kriechroutinen entwickelt, welche in den Quellcode des FEM-Programms implementiert wurden. Diese Subroutinen ermöglichten es erst- mals, das für jede Magnesiumlegierung Bild 8: Motorbelastungen und Schrumpfspannungen spezifische Kriechverhalten mit Berück- im Magnesium-Hybrid-Zylinderkurbelgehäuse sichtigung der primären und sekundären Figure 8: Engine loadings and shrinkage stresses in the Effekte abzubilden. magnesium-hybrid cylinder block 6 Technologische Umsetzung Um den vorgegebenen engen Zeitrahmen für die Entwicklung des Audi-Hybrid-Mag- nesium-Kurbelgehäuses einzuhalten, war es erforderlich, die Prozesssimulation früh- zeitig in der Konzeptphase einzusetzen. Mit Hilfe der Gießsimulation war es zum Beispiel möglich, zahlreiche Varianten der Druckgießwerkzeuge für das Zylinderkur- belgehäuse-Oberteil und Bedplate sowie der Kokille für den Zylindereinsatz zu be- rechnen und zu bewerten. Der modulare Aufbau der Kokille zum Gießen des Zylindereinsatzes ermöglicht die Umsetzung verschiedener Gießkonzep- te. Durch die Verwendung von auswech- selbaren Einsätzen ist es möglich, den Zy- lindereinsatz in konventioneller stehender Gießlage sowie im Kippkokillen- und Niederdruckkokillenguss herzustellen [9]. Darüber hinaus ermöglicht dieses Kokil- lenkonzept die Darstellung von closed- deck und open-deck Zylindereinsätzen. Die Bild 9: Berücksichtigung von Eigenspannungen aus dem Gießprozess und closed-deck Variante wird durch Verwen- der mechanischen Bearbeitung als Basis für die Dauerfestigkeitsbetrachtung dung eines cold-box Wassermantel-Sand- Figure 9: Consideration of internal stresses due to the casting process and kerns hergestellt, während die open-deck machining as the basis for fatigue-life studies Ausführung ohne Sandkern gegossen wer- den kann, Bild 10. Für das Umgießen des Aluminium-Zy- lindereinsatzes mit Magnesium sind pro- Millisekunden in Frage. Aufgrund der ho- Wassermantelwände oder das Eindringen zesssicher nur Gießverfahren mit kurzer hen Fließgeschwindigkeit und der gerin- von Schmelze in den späteren Wasserraum Formfüllzeit einsetzbar, da lange Füllzeiten gen Viskosität der Magnesium-Schmelze verhindern. zum lokalen Schmelzen des Eingussteils sowie des hohen Drucks, mit dem die Ein weiteres Problemfeld ergibt sich aus führen. Als mögliches Serienproduktions- Schmelze in die Form gepresst wird, müs- dem gegenüber Aluminium um etwa 30 % verfahren kommt deshalb nur das Druck- sen werkzeugtechnische Maßnahmen ge- geringeren Wärmeinhalt der Magnesium- gießen mit Formfüllzeiten von etwa 80 troffen werden, die ein Kollabieren der Schmelze. Der Wärmeverlust des flüssigen MTZ 4/2005 Jahrgang 66 7
ENTWICKLUNG Werkstoffe 6 Technologische Umsetzung Metalls muss deshalb beim Dosieren in die Füllkammer sowie beim Einströmen in das Druckgießwerkzeug so gering wie möglich gehalten werden. Erreicht wird dies durch eine spezielle Temperaturführung von Füllkammer, Werkzeug und Eingussteil. Darüber hinaus muss die unterschiedliche Wärmeausdehnung des Werkzeugstahls, der Aluminium-Eingussteile und des Mag- nesium-Umgusses durch entsprechende werkzeugtechnische Maßnahmen berück- sichtigt werden. Entscheidend für die Funktion des Mo- tors ist die gleichmäßige Ausbildung der Bild 10: Kokille für open-deck Zylindereinsatz (links) und closed-deck Primärsiliziumkristalle nahe der Zylinder- Zylindereinsatz (rechts), schematisch oberfläche. Die Größe der Siliziumkristalle Figure 10: Gravity die casting moulds for an open-deck cylinder insert (left) wird maßgeblich von der Abkühlge- and a closed-deck cylinder insert (right, schematic) schwindigkeit sowie von Schmelzezusät- zen beeinflusst. Durch den Einsatz von Kupferpinolen, die im Vergleich zu Stahl eine sehr hohe Wärmeleitfähigkeit auf- Bild 11: Silizium- weisen, wird eine hohe Abschreckwirkung ausscheidungen erzielt, die zu einer guten Primärsilizium- im Linerbereich ausscheidung im Linerbereich führt. Bild Figure 11: Silicon 11 zeigt eine hinreichend gute Silizium- precipitation in Morphologie, sowohl im Topdeck als auch the cylinder-bore in der Mitte und am unteren Ende der Zy- zone linderlaufbahn. Versuche mit wasserge- kühlten Stahlpinolen führten ebenfalls zu guten Ergebnissen. Um die Haftung zwischen Aluminium- Zylindereinsatz und Magnesium zu ver- bessern, wird der Einsatz an der Außensei- te mit einer plasmagespritzten AlSi12- Schicht versehen. Da sich der Zylinderein- satz im unteren Bereich durch die zahlrei- chen Durchbrüche ausreichend gut mit dem Magnesium-Umguss formschlüssig verbindet, muss nur der obere Teil auf Hö- he des Wassermantels beschichtet werden. Dies spart Prozesskosten und verringert den Wärmeeintrag in das Magnesium unterhalb des Wassermantels. Wie aus Bild 12 ersichtlich ist, ergibt sich aufgrund der relativ rauen Oberflä- chenstruktur mit zahlreichen Hinter- schnitten, eine gute Verklammerung des Magnesiums mit der Spritzschicht. Darü- ber hinaus zeigen Elementanalysen, die im Bereich de Phasengrenze durchgeführt wurden, dass es zu einer Interdiffusion der Aluminium- und Magnesiumatome kommt und somit eine partielle stoff- schlüssige Verbindung vorliegt. 7 Ergebnisse 7.1 Motorische Erprobung Für die motorische Erprobung des Magne- sium-Hybrid-Zylinderkurbelgehäuses wurde der bekannte 1.8-l-Vierzylinder-Tur- bomotor mit Fünfventil-Zylinderkopf und Saugrohreinspritzung gewählt. Der Forde- rung nach hoher Leistungsdichte, kompak- 8 MTZ 4/2005 Jahrgang 66
6 Technologische Umsetzung 7.1 Motorische Erprobung Bild 12: Plasma-Spritzschicht AlSi12 zur Verbesserung der Haftung zwischen Zylindereinsatz und Mg-Umguss Figure 12: Plasma-sprayed AlSi12 coating Bild 13: Motordaten und Mitteldruckkurve des Magnesium-Hybrid-Turbomotors to improve adhesion between cylinder Figure 13: Engine data and mean effective pressure curve for the magnesium- insert and magnesium mantle hybrid turbo engine ten Motorabmessungen, geringem Ge- wicht und geringem spezifischen Kraft- stoffverbrauch wird mit diesem Aggregat Rechnung getragen. Ziel war es, für den Magnesium-Hybrid-Turbomotor ein Mitteldruckniveau darzustellen, welches sich nahezu auf dem Niveau der neu ent- wickelten 2.0-l-TFSI Motoren befindet. In Bild 13 sind die wichtigsten Motorda- ten des Magnesium-Hybrid-Turbomotors zusammengefasst. Die maximale Leistung von 120 kW wird bei 5700/min erreicht, das maximale Drehmoment von 225 Nm liegt zwischen 1950 und 4700/min. Bild 13 zeigt den Mitteldruckverlauf des Motors im Ver- gleich zu Mitteldrücken von in Serie ausge- führten Saug- und Turbo-Ottomotoren. Aufgrund der höheren Zylindersteifig- keit im Topdeck-Bereich kam ein Kurbelge- häuse mit closed-deck Zylindereinsatz zum Einsatz. Im Hauptlagerbereich wurde im Zylinderkurbelgehäuse-Oberteil auf ver- stärkende Einlegeteile verzichtet. Das Bed- plate verfügt über Verstärkungselemente aus pulvermetallurgisch hergestelltem Aluminium. Von allen denkbaren Lager- stuhlvarianten stellt diese Kombination die günstigste in Bezug auf das Kurbelge- Bild 14: Experimentelle Modalanalyse (Versuchsaufbau) häusegewicht und die ungünstigste in Be- Figure 14: Experimental modal analysis (test rig) zug auf die Hauptlageraufweitung und Festigkeit dar. Für den Magnesiumumguss von Zylinderkurbelgehäuse-Oberteil und Bedplate wurde jeweils die Legierung noch an den Eingussteilen festgestellt. Der dem Serien-Kurbelgehäuse aus GJL 250 ver- MRI153M verwendet, da diese den besten Motor konnte bei Übernahme aller Bautei- glichen. Kompromiss aus Materialeigenschaften, le weiterbetrieben werden. Die experimentelle Modalanalyse, Bild Kosten und Gießbarkeit darstellt. 14, wurde mit der „Hammerschlagmetho- Bereits im ersten Dauerlauf konnte das 7.2 Akustische Erprobung de“ durchgeführt. Sie diente zum einen der Grundkonzept des Magnesium-Turbo-Mo- Zur Beurteilung der akustischen Güte des Verifikation der Berechnungsergebnisse tors bestätigt werden. Bei der Analyse des Leichbaukurbelgehäuses wurde das Eigen- und zum anderen zur Ermittlung der mo- Motors wurden keine nennenswerten schwingungsverhalten sowohl rechnerisch dalen Dämpfungen des Magnesium-Alu- Schäden, weder am Magnesium-Umguss, als auch experimentell ermittelt und mit minium-Verbund-Zylinderkurbelgehäu- MTZ 4/2005 Jahrgang 66 9
ENTWICKLUNG Werkstoffe ses. Bezüglich der Frequenzen der Eigen- Eine Besonderheit des Konstruktions- Magnesium Alloys 2003 ; Proceedings of the Second Osaka International Conference on schwingformen zeigte sich eine gute Kor- und Herstellkonzepts ist es, dass sich auch Platform Science and Technology; OSAKA 26- relation zwischen Berechnung und Mes- closed-deck Motorblöcke für hohe Spitzen- 30.01.03 sung. Die Untersuchungen ergaben klare drücke im Druckgussverfahren herstellen [8] Aghion, E.; Bronfin, B.; von Buch, F.; Schu- mann, S.; Friedrich, H.: A comparative study of Vorteile für das Magnesium-Hybrid-Zylin- lassen. Dieses Privileg war bisher sand- new magnesium alloys developed for elevated derkurbelgehäuse. Die charakteristischen oder kokillengegossenen Motorblöcken temperature applications in automotive indus- Eigenfrequenzen für die Torsions-Eigen- vorbehalten. Neu entwickelte, kriechfeste try, SAE-paper 2003-01-0191. In: 2003 SAE World Congress, März 2003, Detroit schwingungsform und die Quer- bezie- Magnesiumlegierungen ermöglichen es, [9] Böhme, J.; Doerr, J.; Scheider, W.; v. Groß- hungsweise Hochbiegung lagen um bis zu das Einsatzspektrum dieses Leichtbau- mann, B.; Audi Hybrid Magnesium Technology – a New Approach to the Lightweight Engine 66% höher als beim Serien-Zylinderkurbel- werkstoffs auch auf spezifisch höher belas- Block, 61st annual world magnesium con- gehäuse bei etwa neun mal höherer tete Motoren zu erweitern. ference, New Orleans, USA, Mai 2004 Dämpfung. Literaturhinweise 8 Zusammenfassung und Ausblick [1] Krebs, R.; Böhme, J.; Dornhöfer, R.; Wurms, R.; Friedmann, K.; Helbig, J.; Hatz, W.; Der neue Audi 2.0 T FSI Motor - Der erste direkt- Mit dem Audi-Hybrid-Magnesium Zylin- einspritzende Turbo-Ottomotor bei Audi, 25. Internationales Wiener Motorensymposium, derkurbelgehäuse ist es erstmals gelun- April 2004 gen, einen Turbomotor mit hervorragen- [2] Böhme, J.; Fröhlich, A.; Doerr, J.; Motorblöcke den Leistungs- und Drehmomenteigen- aus Aluminium oder Gusseisen? Gießtechnik im Motorenbau, Tagung Magdeburg, 30./31. schaften darzustellen, welcher sich durch Januar 2003, VDI-Bericht eine Gewichtseinsparung gegenüber üb- [3] Böhme, J.; Doerr, J.; Schneider, W.; v. Gross- lichen Grauguss-Zylinderkurbelgehäusen mann, B.: Audis Hybrid-Magnesium Technolo- gie. In: Automobil Produktion, Heft Nr. 5, 2003 von etwa 23 kg auszeichnet. Durch geziel- [4] Böhme, J.; Doerr, J.; Scheider, W.; v. Großmann, tes lokales Werkstoffengineering ergeben B.; Die Audi-Hybrid-Magnesium Technologie – Ein neuer Ansatz für Leichtbau-Zylinderkurbelge- sich viele innovative Ansätze zur Beherr- häuse, 4. Fachkonferenz Fortschritte im Auto- schung der turbospezifischen hohen Belas- mobil-Leichtbau, 14./15. Oktober 2003, Stuttgart tungen. Ein kompakter multifunktionaler [5] Klüting, M.; Chr. Landerl; Der neue Sechszylin- der-Ottomotor von BMW, MTZ 65 (2004), Heft Zylindereinsatz aus Aluminium, der im 11, S. 868 Druckgussverfahren in Magnesium einge- [6] von Buch, F.; Schumann, S.; Friedrich, H.: Ent- gossen wird, vereinigt die für ein Zylinder- wicklung neuer kriechbeständiger Magnesium- Druckgusslegierungen. In: 9. Magnesium-Ab- For an English version of this article, kurbelgehäuse charakteristischen Funktio- nehmerseminar, 27. - 28. September 2001, see MTZ worldwide For information on subscriptions, nen der Zylinderlaufbahn, der Zylinder- Aalen just call us or send an email or fax. [7] Aghion, E.; Bronfin, B.; Eliezer. D; Schumann, kopf- und Hauptlagerverschraubung so- Vieweg Verlag Postfach 1546 D-65173 Wiesbaden wie der Kühlwasserführung. S. et.al : The Art of Developing New Magne- sium Alloys for High Temperature Applications; MTZ Hotline 06 11/78 78-151 Fax 06 11/78 78-423 email: vieweg.service@gwv-fachverlage.de 10 MTZ 4/2005 Jahrgang 66
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